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Full text of "Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, eine einführung"

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^^ 

HARVARD  COLLEGE 
LIBRARY 

K  sa;CflfV 

AMEY 

SOUGHT  FROM  THB 

RICHMOND  SHl 
FUND 

ajX)N 

(Efjefrau  unb  Iltutter 
in  6er  Red)t$enttDi&Iung 


(Eine  (Einführung 


Don 


Iltariannc  tDcbcr 


([üb  in  gen 
Dcriag  von  3.  d.  B.  IHoljr  (Paul  Siebe*) 

1907. 


HARVARD 
UN,'Vf:RS!TY 

LIPPARY 
JAN  15  1 946 


"^  '/f-<<<-<^^,^>  \_  -^-^  ->  -  A^ 


flllc  Rechte  oorbcl|oltcn. 


I»rtt<f  von  Bf.  tau  pp  ix  in  Obingen. 


{jcicnc  tDcbct  geb.  5onenjtcin 


in  banftbarer  £iebe. 


HARVAPO 
\^  JAN  15  1946 


/    ■'    .<^         .  ./. 


flllc  Rechte  oorbcl|oltcn. 


Prurf  Pon  fi.  C  n  «  p  p  jr  in  (Tübingm. 


Qelene  tDebcr  geb.  foncnjtein 


in  banftbarer  £tebe. 


OoriDort. 

Die  nac^folgenöe  Darfteüung  menöet  fic^  in  erfter  £inie  an  Stauen, 
öte  öos  Bedürfnis  ^aben  fid)  in  bie  Ku(turge{d)id)te  i^res  eigenen 
<Be{(^Ie(^ts  5U  oertiefen  unb  möd^te  bain  bie  IDege  ebnen  Reifen. 
3n  5ii>eiter  £inie  an  mannet,  bie  ein  3ntere{fe  baxan  finben,  bos 
a^txed^t  unb  bie  (E^eauffaffung  {o,  mie  fie  ^iftorifc^  gemorben  finb, 
au(^  einmal  unter  btn,  pom  Stanbpunkt  ber  Stauen  aus,  praktifc^ 
a)i(^tigen  (Befi(^tspunkten  beleud^tet  5U  {e^en.  Um  ben  Ijauptjmedi 
einer  (Einführung  in  bie  (E^eprobleme  5U  eneid^en,  kann  fie  oeber 
eine  Rec^tsgefd^id^te  nodf  eine  Kulturge{(^id)te  ber  (El^e  bieten  mollen, 
fonbem  pon  beibem  ettoas. 

Sie  min  bie'Red^tsnormen  nid^t  in  i^rer  logifd^en  Struktur,  fon« 
bern  in  i^rer  prakti{(^en  Bebeutung  für  bie  £age  ber  5tau 
borfteOen.  Sie  bann  ba^er  einerfeits  nid^t  bie  $ein^etten  ber  juri« 
fti{(^en  Konftruktionen  in  ben  Utittelpunkt  fteUen.  Unb  fie  kann 
anbrerfeits  nod)  meniger  btn  unenblid^en  Reid^tum  bes  kulturgefd^ic^t« 
Ixd^n  £ebens  ber  5<^^ili^  in  bie  Darfteilung  Dermeben.  Da  hierfür, 
namentlid)  mas  bie  neuere  Seit  pom  Ausgang  bes  ITlittelalters  an 
betrifft,  faft  gar  keine  umfaffenberen  Dorarbeiten  porl^anben  finb, 
oürbe  bies  eine  £ebensarbeit  für  [xi^  fein.  Die  folgenbe  Darftedung 
tritt  ba^r  unter  möglid^fter  IDa^rung  ber  juriftifd^en  Prä5ifion,  an 
bas  formale  Re(^t  ftets  mit  ber  S^age  ^eran:  IDeld^e  IHöglid^keit 
faktif(^r  £ebensgeftaltung  es  ber  (El^efrau  unb  Htutter  bot.  Sie  5ie^t 
bie  latfac^en  ber  allgemeinen  Kulturgefd^id^te  babei  nur  fo  mtii  Ijtxan 
als  nottoenbig  ift,  einmal  um  bas  ^iftorifc^e  (Bemorbenfein  ber  Rechts* 
normen  )u  erklaren  unb  femer,  um  bas  naturgemäß  unoollftanbige, 
oft,  oie  mir  fe^en  merben,  grabe5u  täufd^enbe  Bilb,  meld^es  bas 
Re<^t  für  ftd)  allein  oon  bem  faktifc^en  (El^eleben  gibt,  5U  DerooII' 
ft&nbtgen  unb  )u  berichtigen.  Daljer  ge{d)ie[}t  bies  aud)  in  fel^r  per« 
|<^iebenem  Rlage.    3m  Altertum  unb  ITlittelalter,  beten  £ebensfüi^ 


VI 

rung  unfrem  Derftanbnis  {o  Ptel  ferner  liegt,  in  ftärkerem  Xda^t  als 
für  bie  moberne  6e{e^gebung.  Statt  beffen  barf  bei  öiefer  le^teren, 
namentlich  5er  öeutfd^en,  öie  Kritik  öes  geltenöen  Red^ts  pom  Stanö* 
punkt  öer  „ST^öuenintereffen"  aus  -  öies  IDort  im  et(jifd)en,  nid)t 
im  ge{d)Ied)tsegoifti{d)en  Sinn  genommen  —  in  öen  Doröergrunö  treten. 
Dag  öie  ein5elnen  Red)tsgebiete  fel}r  üerfc^ieöen  ausfül^rlid)  bel}anöelt 
tDorben  finö,  I}at  auc^  in  öem  Smedt  öes  Bud)es  feinen  (Bruno :  (Es 
jollten  nur  öiejenigen  einge^enber  erörtert  ©erben,  bie  enttoeber 
felbft  für  unfre  (Befid)tspunkte  ober  inbirekt  als  (5Iieber  ber  (Befamt* 
enttoidtlung  Don  Bebeutung  finb.  Dagegen  tDÖre  es  ftnnlos,  ben  £e{er 
burc^  eine  toeitere  Dermel}rung  ber  oI}ne[}in  notgebrungen  {el}r  l}öu« 
figen  IDieberljoIungen  gleichartiger  ober  fe^r  al}nlici)er  He(i)tsgebanken 
3u  ermüben.  -  Das  erfte  Kapitel:  „Primitioe  6ef(I)Ie(I)tsDerbinbungen" 
kann  bei  bem  Ijeutigen  Staube  ber  S^rfc^ung  nur  in  ber  (Brunbauf- 
faffung  ber  (Entn)idtlung  ber  legitimen  (Elje  (Eigenes,  im  übrigen 
natürlich  nici^ts  (Enbgültiges  bringen.  Die  £iteratur  ift  im  fteten 
5Iu{fe.  (Eine  DoIIftänbige  Dur(i)arbeitung  bes  gefamten  etI}nograpt)i{d)en 
ntaterials  märe  ebenfalls  ein  Cebensroerk  für  fid).  Dabei  oerfagt 
feine  Dermertbarkeit ,  cor  allem  sufolge  ber  oft  nid)t  gan3  genügen» 
btn  ökonomifci^en  Sci^ulung  ber  Beric^terftatter ,  grabe  in  ent{(i)eiben* 
ben  punkten  immer  toieber.  3mmerl}in  genügt  bas  5eftftel}enbe,  um  bie 
noci)  je^t  in  5^<^u^n^^^i!^v^  umge^enben  Dorftellungen  Don  einem  in 
ferner  Dergangenljeit  liegenben,  erft  burdj  bas  „prioateigentum"  unb 
bie  „legitime  (El|e"  3erftörten  „S^öuenparabies''  grünblid)  3u  oer« 
nickten.  - 

(Eine  $xau,  bie  fid>  auf  einem  it^x  urfprünglid)  gan3  fremöen 
(5ebiet  oerfuci^t,  ift  verpflichtet,  fic^  unb  anbere  barüber  ins  Klare 
3U  fe^en,  inn)iea)eit  fie  beanfpru(i)en  barf ,  f  e  I  b  ft  ä  n  b  i  g  gearbeitet 
3U  l^aben.  3ci)  meine  bamit  nici^t  bie  fln(el}nung  an  bie  DorI}anbene 
£iteratur :  -  biefe  oerfteljt  fic^,  obtDol}!  id)  natürlid)  überall  bie  mir 
fprac^Iid)  irgenbroie  3ugänglid)en  (Quellen  kennen  3U  lernen  beftrebt 
u)ar,  bei  bem  dljarakter  bes  Budjs  gan3  oon  felbft,  -  fonbern  bie  3"* 
an{prud)na[}me  perfönlid^en  Hates  unb  birekter  Unterftü^ung.  3d)  I}abe 
bie  erfte  Anregung  3U  ber  na(I)fte(jenben  Arbeit  oon  meinem  IHann  er» 
I}a(ten  unb  bin,  roo  immer  allgemeine  kulturgefd)i(i)tlid)e  3u{ammen> 
(jänge  berül|rt  finb,  natürlidj  burc^  feine  roiffenfdjaftlidjen  Arbeiten, 
Dorlefungen  unb  ben  perfönli(i)en  (5ebankenaustauf(i)  beeinflußt.  Die 
in  ber  äußeren   5orm   ber   (Quellen   fe^r   oermidielte   Struktur    bes 


VII 

römi{(^en  (E^erec^ts  femer  möre  mir  oljne  {eine  toieöerljolte  Ijilfe  too^I 
nur  fe^r  langfam  üerftönölic^  getDoröen.  3n  5aI}Ireid)en  Smeifelsfällen 
fyibe  id)  aber  aixd^  {onft  bei  öer  enögültigen  Heöaktion  feinen  Rat 
erbeten  unb  oeröanbe  i^m  fo  eine  fln5a^I  oon  (Ein5eIfonnuIierungen 
öireftt,  ni(^t  nur  an  öen  beiöen  Stellen,  mo  öies  unter  öem  ILtii  ans* 
bruMiij  permerkt  ift.  3m  itbrigen  aber  trage  id)  für  öie  allgemeine 
Anlage  6es  Bud^s  ebenfo  a)ie  für  öas  Utag ,  in  öem  es  mir  gelungen 
ift,  in  öen  oft  5iemli(^  {prööen  Stoff  ein5uöringen  unö  il}n,  foroeit  er 
red)tsge{d)i(^tli(^er  Art  ift,  aus  öem  juriftifc^en  Begriffsapparat  los« 
5ulöfen,  für  öie  Korrektljeit  öer  (Ein5elöarftenung  ebenfo  toie  für  öie 
oertretenen  Anfc^auungen,  allein  öie  Deranttoortung. 

Die  £iteraturüberfid)ten  am  Sd^Iug  öer  ein5elnen  Kapitel  oer- 
folgen  ausfd^Iie^Kc^  öen  3tDedt,  an5ugeben,  a)eld)e  literarifd^en  fjilfs« 
mittel  als  erfte  (Einführung  in  öen  betreffen  öen  Hed^tskreis  5tDedt> 
magigenoeife  benugt  toeröen. 

Qeiöelberg,  Rpril  1907. 


IX 


3n^QltsDer3ei(^nis. 


I.  Kapitel. 

Primitipe  6ef(^Ie(^tsDerbinbungen  unb  legitime  (E^e 

S.  2-81. 

A.  Die  Zaqt  btx  Stau  bei  btn  kuIturArmften  Dölkern 
S.  2-19. 

Bebeutung  bes  Stubiums  ber  IlaturDÖlker  S.  2.  -  £ebensiDet|e  unb 
<5emetn|d)afts(eben  ber  fog.  „nieberen  3dgerDÖlker''  S.  3.  -  prirnttioe  <5e* 
fd)Ied)tsbe3tel)ungen :  Die  Io|e  Somine  S.  4.  -  Der|d)iebene  Sonnen  ber 
PoIi)gainie  S.  5.  -  poli^anbrie  S.  6.  —  Seiruelle  Ungebunbenl^eit  bes 
ntAbd^ens  S.  6.  -  PrimitiDe  normen  unb  Sd^ranken  bes  SeirucIIebens  S.  9 

—  Die  KoUektio-  unb  <5rttppen'€^en*(E^eorie  S.  10.  —  Die  Altersklcffenein* 
teilung  ber  au|tralif d)en  Qorben  S.  10.  —  Das  fefte  Klaff ifikationsfp|tem 
S.  12.  —  €ntfte^en  epgamer  f^eiratsoerbdnbe  S.  13.  —  Die  auftralifd^e 
unb  poIi)nefifd)e  Öruppene^e  S.  14.  -  Der  (Eotemismus  unb  bie  ^ITlutter* 
folge"  S.  15.  —  Die  Stellung  ber  Srau  bei  ^TTTutt erfolge"  S.  17.  -  ITlanneS' 
gemalt  bei  btn  Auftralnegem  S.  18.  --  fjo^er  ITu^iDert  unb  fosiale  Der- 
ad)tung  ber  S^au  S.  18.  —  S^auenraub  unb  S^auentaufd)  S.  19. 

K.  Beeinfluffung  ber  £age  ber  S^ou  burd}  3une^menbe 
materielle  Kultur  S.  20-24. 

Die  fog.  ,,^ö^eren  3dgerDölker''  S.  20.  -  finflug  ber  Befit|bifferen3ie> 
ntng  auf  bie  Art  ber  (5efd)led)tsDerbinbungen  S.  21.  S^auenkauf  unb 
Srauenerbienung  S.  23.    Bina*  unb  Diga*€^e  S.  24. 

C.  tDefen  bes  »mutterred^ts"  S.  24-30. 

ntttttergruppe  unb  Datergruppe  ITlutterf eilige  De rtDanbtfdjaftsgliebentng 
S.  24.    -    Derlifiltnis   oon   ^ntutterfolge",   ^TTTatriaräjat"    (muttergemalt), 
.ntutterred^t*  S.  25.  —  3nftalt  unb   IDefen  bes  ^mutterrei^ts"   S.  26.   - 
Dereinigung  oon  ntutterred)t  unb  ITlannesgemalt  S.  27.  —  mutterred^t  unb 
Srauenkauf  S.  28.  —  Das  „unioerfelle"  TTTutterrfdjt  S   29. 

D.  (Eenbensen  3um  „ITtutterredjt-  3um  ^IHatriardjaf 
beim  kollekÜDiftifd^en  Adierbau  S.  30-43. 

(5emeinfd}aftsleben  unb  tDirtfil^aftsmeife  ber  fog.  „nieberen  Adierbauer* 
S.  30.  —  Die  Srau  als  fldierbauerin  S.  30.  -  TTTuttfrrfdjt  als  normal- 
ti)pus  S.  31.  —  Die  Sippenorganifotionen  unb  f)ausgemeinf(!^aften  ber  «nie« 
beren  Adierbauer"  S.  32.  —  Derfd^lingungen  oon  IHutterredjt:  unb  Dater* 
gcsNilt  S.  35.  —  „Heines*  mutterred^t :  nienangkabanmalaien  nairs  S.  36. 

-  Steigerung  bes  IHutterred^ts  3ur  IHuttergemalt.    Kampf  beiber.  S.  37.  — 


X  3nl)aItsocr3ci^ms. 

Die  palauinfulaner  S.  37.  —  Die  norbamerikanifdien  3n6ianerftamine 
S.  38.  —  Die  3roke{en  S.  39.  —  Die  f)uronen  S.  40.  —  3ur  (tl|eorie  5er  ent» 
iDi(ftIungsgefd}id}tIid}en  Bebeutung  bes  tTlutterred)ts  S.  41. 

£.  (Een5en3en  3um  patriard^alismus  bei  ben  Die^* 
3  ü  dj  t  e  r  n  S.  43—49. 

lDirl|djaftsiDeife  unb  (Bemeinjdjaftsleben  ber  „reinen"  Diel|3üdjter  S.  44. 
Derkned^tung  ber  S^ou  S.  45.  —  „primitioer"  patriardialismus  S.  46.  —  fln« 
{ä^e  3U  feiner  SortentiDicklung.  Beifpiel :  (Ef)ered)t  ber  Hma|:o{a'Kaffern  S.  48. 

F.  Die  patriardja!e  „(E^  e"  S.  49-55. 

Hed)tlid}er  3nl}alt  bes  patriard^alismus  S.  49.  —  Begriff  unb  (Ent{te^ung 
ber  „legitimen  ^Ije"  S.  52.  —  Differen3ierung  3iDifd)en  „legitimen"  unb 
„illegitimen"  Kinbern  S.  54. 

G.  3ur  Kritik  ber  lUutt  er  r  ed|  ts  tlje  o  r  ien  S.  55-61. 
KIajfenbifferen3ierung  bes  (El|ered|ts?  S.  55.    -   Dater«  unb  ITtutter« 

red)t  bei  ben  £t)kiern  S.  56.  —  Badeofens  reIigionsge{d)id)tIid)e  f^ppot^efen 
S.  59.  -  Hngeblidje  Spuren  oon  TTTutterredit  in  (briedjenlanb.  mutterred^t 
in  ber  (Drejtie?  S.  59.  - 

H.  (Ergebnis  S.  61-79. 

Angeblid)es  Der^ältnis  Don  (Eigentums«  unb  (EI^eentiDicklung  S.  61.  - 
(Theorie  ber  ^ntiDicklung  bes  prioateigentums  unb  ber  Kleinfamilie  S.  64.  — 
Bebeutung  für  bie  5^<iu.  3l}re  £age  in  ben  fIaDifd)en  unb  ruHifd^en  ffaus» 
kommunionen  S.  68.  —  Das  £egitimitdt5prin3ip.  Seine  Bebeutung  für  S^^^ 
unb  Kinber  S.  72. 

Begrifflidje  ITlerkmale  ber  mobemen  „legitimen"  (Elje  S.  74.  -—  Die 
„Kaufel}e"  als  Ausgangspunkt  ber  mobernen  legitimen  (El}e  S.  78. 

Citeratur  S.  79-81. 

II.  Kapitel. 

Die  (E^e  bei  öen  antiken  KuItutDoIfeern 

S.  83-199 

Dorbemerkung.  Hllgemeine  Hid)tung  ber  Beeinfluf{ung  ber  (El)e  burd) 
bie  „Kultur"  S.  83. 

A.  Die   (El|e   in  fl  egijp  t  en  S.  90— 109. 
Kulturge{d)id)tlid)e   (brunblagen  S.  91.    —  Hllgemeine  Hed)tslage  ber 

5rau.  Angeblid)e  (Ehekontrakte  ber  ölteren  3eit  S.  95.  —  Die  fe|ruelle  Der« 
tragsfreiljeit  S.  97.  —  Demoti{d)e  Kontrakte  aus  ber  3eit  p{ammetid)s  III, 
ber  Perfer  unb  ber  er{ten  ptolemaer3eit  S.  98.  —  Henberung  in  ber  fpä« 
teren  ptolemaer3eit  unter  gried}i{d)em  (Einfluß.  Kyrios  unb  pheme  S.  101. 
—  Engraphos  unb  agraphos  gamos  (fog.  „probeelje")  S.  104.  —  Hngebüd^es 
„mutterred^t"  in  Hegppten  S.  105.  -  Dermutlid)e  (brünbe  ber  günftigen 
£age  ber  5rau  S.  108. 

B.  Die  (El|e  in  Babijlonien  S.  109-117. 

Semiti{d)er  patriardjalismus  im  allgemeinen  S.  110.  —  (Lobti  f)am« 
murabi  S.  111.  —  Srauenkauf,  Dienjtelje,  lUitgift  S.  113.  -  Sdjeibung. 
(EIterlid)e  (bemalt  S.  115. 

C.  Die  (Elje  bei  ben  3uben  S.  117-131. 

1.  ITIofai{d)es  (El}ered}t.  (Entn)idilung  oon  ber  Polygamie  3ur  lUonogamie 
bei  ben  3uben  S.  118.  -  Kaufef)e  S.  120.   -    (Erbtöd)terred)t  unb  Ceoirot 


Snljaltsocrjci^nis.  XI 

S.  121.  -  Hed)tlid)e  £age  6er  €{)efTau  S.  122.  —  (Einflug  6es  (Epls  auf  6as 
3ubeittum  S.  122.  —  2.  (Ealmuötfdjes  (E{)ered)t.  Ketuba-Kontrahte  S.  123.  — 
^ntiDtdilung  bes  Sd)ei5ung$red)ts  S.  127.  Däterlidie  (Beoalt  S.  128.  — 
Sd^iDtnben  bes  patriard^aUsmus  im  (Erbred)t  S.  128.  -  Heligtdfe  IDertung 
ber  €^e  unb  ber  Srau  S.  129. 

I>.  Dte(E^ebetbenHrabern  unb   im  3sIamS.  131-140. 

Dori$lamiti{d)e$  €l|eredjt  S.  131.  flngcblidjes  ntutterrcd|t.  Dcrtrogs« 
frei^eit  unb  „(benugel^e"  S.  133.  —  Der  3slam.  Unterbrücliung  ber  (eyuellen 
Pertragsfrei^eit  S.  134.  -  Allgemeine  Stellung  bes  Koran  3ur  <El}e  S.  135. 
Dennögen$red)tnd)e  Sid)erung  ber  €l}efrau  S.  136.  poIi)gamie  unb 
€I}emoraL  Bebeutung  ber  (Ef)eokratie  S.  137.  —  Sd)eibung  S.  138.  — 
Ddterlid^e  (bemalt  S.  139. 

K.  Die   (EI}e   bei   ben   {)  eil  enen  S.  140-  158. 

Allgemeiner  (Lf)araitter  ber  gried}i{d}en  Stabt{taaten  S.  140.  -  Die 
ntonogamie  S.  141.  -  1.  fltti|djes  Rec^t  ber  fela||ifd|en  3eit.  <Be|d|ledjts. 
Dormunb{<l^aft  S.  143.  -  Kaufe^e  ber  l)omeri|d|en  unb  „(Engpejis"  ber  fclaj- 
iijdjen  3eit  S.  144.  -  Dcrmögensred|t  ber  (Efjefrau  in  Htljen  S.  145.  - 
Sdjeibung  S.  146.  -  Däterlid|e  (Beroalt  S.  146.  -  2.  Das  Red|t  oon  (Bortijn 
S.  147.  -  €rbred|t  S.  147.  -  <Erbtöd|terred|t  S.  148.  -  (El^cgüterredjt 
S.  148.  -  3.  Saktifdje  Cage  ber  gricd|i|djen  €l)efrau  S.  150.  -  Sparta 
S.  150.  -  At^en.  (begenja^  oon  (El}e  unb  £iebe  S.  151.  -  per{önli<l^es 
Ceben  ber  <E{)efrau  S.  152.  -  (E|rkIufiD  männlid)er  <n)arahter  ber  griedii* 
fd}en  Kultur  S.  154.   -  f)etärismus  unb  Knabenliebe  S.  156. 

F.  Die  (Elje  in  Rom  unb  im  römiidjcn  lDcItreid|  $.158-197. 

ITlonogamie  unb  „I)ausred|t"  S.  158.  -  6e|d)ledjtsDormunb|djaft  S.  161. 
Manus.€^e  S.  161.  -  5ahtifd)e  Stellung  ber  Srau  S.  162.  Die  freie 
(El)e  S.  164.  -  IJanblungsfä^igkeit  ber  Srau  bei  freier  <EI)e  S.  165.  -  (Ent» 
n>tdilung  bes  Dotalred^ts  S.  166.  -  S^«»«*  Dermögen  ber  S^ou  S.  167.  - 
Prätorifd)es  (Erbred)t  ber  manus.freien  S'fow  S.  168.  -  S^«»«  römi(d|e  (EI)e 
unb  mobeme  „freie  Ciebe".  per{dnlid)e  Red^tsmtrkungen  ber  freien  (E^e 
S.  168.  Sittenge{d)id}tlid)e  Bebeutung  ber  freien  (El)e  S.  170.  -  Reak- 
tion gegen  Jie  S.  172.  -  flugu|tei(d)e  Sitten«  unb  (Eljereform  S.  173. 
Der  concubinatus  S.  175.  (EI)emoraI  ber  er|ten  Kaijer3eit  S.  177.  -  Die 
(Qua|i*€^e  ber  Sklaoen  S.  178.  -  IDanblungen  ber  ieiruellen  ITIoral  im 
3iDeiten  3aljr^unbert.  Die  Stoa  S.  178.  -  Das  (LIjri(tentum.  Allgemeine 
Bebeutung  für  bie  €l)emoraI  S.  180.  -  (Eigenart  ber  d>riftli(h'paulini{d}en 
(E^eauffaffung  S.  182.  -  patriard)alismus  unb  Unlöslid)keit  ber  <El|e  S.  183. 
-  Sdjätiung  bes  (Eölibats  S.  184.  -  prahti|d)er  (Einfluß  bes  dl^riitentums 
S.  186.  -  Derfjältnis  3um  Konkubinat  S.  187.  -  Das  honjtantinifd^e  3eit. 
alter  unb  bie  (Ef|e.  3unel)menbe  Dome|tihation  ber  S^^öu  S.  188.  -  Oeko« 
nomifd^e  Derjd^iebungen  S.  189.  -  S<xminenred)tlid)e  (I>e|eQgebung  com 
britten  3al}rl}unbert  bis  3uftinian  S.  190.  3u{tiniani|d)es  Konkubinats- 
red}t  unb  €I}ered}t  S.  191.  (Entmicklung  bes  (Erbred^ts  3iDi|d)en  Rlutter  unb 
Kinbem  S.  193.  -  ntütterlidjes  <Er3iel)ungsrcd|t  S.  194.  -  flb|d)U)ädjung 
bes  oAterlid^en  f)ausred}ts  S.  194.  -  Allgemeine  (Ergebniffe  ber  <Enta)i(fc< 
lung  bes  Reidjsredjts  S.  195.  „Reidjsredjf  unb  „Dolksred^f  im  (Eljeredjt 
S.  1%.  —  f)tjtori|d}e  Stellung  ber  brei  monotl)eiitiid)en  Religionen  3um  (Efje- 
redjt,    nionopol  ber  „legitimen"  <EI)e  S.  197. 

£  i  t  e  r  a  t  u  r  S.  197. 


xn  3n^QltsDer3ei(^nt$. 

III.  Kapitel. 

Die  (E^e  im  germantf^«mtttelalterli^en  He^t 

S.  200—278. 

A.  Hltgermanifd^es  un6  6eutfd)«mittelalterltd)es 
Redjt  S.  201-241. 

IDirtfdjaftS'  unö  Hed^tslage  6er  Samtite  3u  (Eacitus'  3eit.  Hngeblid^es 
niutterred)!  S.  202.  -  patriard^altsmus  un6  f)err{d)aft  öes  ITlannes  über 
öie  S^ou  (»munt«)  S.  204.  -  Polygamie  unb  Kebsel}e  S.  206.  -  tDaffen* 
unfäf)tgkeit  6er  5^au  unb  (befd)Ied)t$Dormunbfd)aft  S.  210.  —  lUilberung 
ber  I)au$^errli^en  (betoalt.  (Einflug  bes  <[l}n{tentum$  S.  211.  -  Sortbe« 
ftanb  bes  patrtar(i)altsmu$  in  ben  per{önUd)en  Be3ie^ungen  ber  (El^egatten 
im  beut|d)en  ITltttelalter  S.  215. 

Dermögensre^tltd^e  Der^dltnt{{e.  Ur{prünglid)er  Hus« 
{(^lug  ber  (Eöd)ter  oom  (brunbbefi^  S.  217.  —  Kontraktlid^e  Sid)erung  ber 
5rau  in  ber  legitimen  (E^e  S.  218.  —  Beginn  ber  (Entroicitlung  eines  „e^e« 
Itd)en  (5üterred)ts''  S.  220.  —  3mmobiItarerbred)t  ber  (Eö^ter  unb  3mmo« 
biltarbos  3U  (fünften  ber  tDitroe  S.  221.  -  So3iaIe  Der{(i)iebungen :  £e^n* 
Q>e{en  S.  222.  -  Ariftokratifd^es  (E^egüterred^t :  IDittum  unb  Ceibgebinge 
S.  222.  -  „Gemeines"  (Efiegüterred^t :  Prin3ipien  ber  (5fltergemein{^aft 
unb  (büteroerbinbung  S.  224.  —  (Dekonomt{d)e  unb  f03iale  Bebingungen 
ber  (5fltergemein|d)aft  S.  226.  -  Hed)tHd)er  3nf)alt  ber  <5fltergemetnfd)aft 
S.  227.  -  ITIi{d)formen :  €rrungen{d)aftsgemetnfd)aft,  Derfangenfd^aft  unb 
(Eeilred)t  S.  230.  -  Bebingungen  unb  Solgen  ber  (büteroerbinbung  S.  231. 
Das  Sa^misre^t  bes  Sa(i)fen{piegels.  (5erabe,  Ungerabe,  ITlugteil,  ITlor' 
gengabe  S.  232.  -  prakH{d)e  Bebeutung  ber  oerfd^iebenen  <5üterred)ts« 
|t)fteme  für  bie  Stau  S.  235.  —  Dorbringen  unb  be{^ränkte  Bebeutung  bes 
römt{d)en  Hed)ts  S.  240. 

B.  <5ermani{d)esVnb  römi{^es  Hed}t  bei  ben  romant- 
f^enPöIkernS.  241-249. 

3taHen  S.  242.  -  Spanien  S.  245.  —  Swnkreidj  S.  247. 

C.  (Engli|d}es  Redjt  bis  3ur  mobernen  Reform  S.  249-261. 
(Eigenart  bes  engliid^en  common  law  S.  250.  —   Prin3ip  ber  »identityc 

unb  »coverture«  im  €l)ered)t  S.  251.  -  <5üterred)t  S.  252.  -  IDittum 
(dower)  ber  S^au  S.  254.  —  S^ubaler  (Charakter  bes  engltfd^en  (Eljere^ts 
S.  255.  —  Hed)tsi)erl)dttni$  3U  btn  Kinbern  S.  255.  —  (Equiti)'Hed)tfpre' 
d}ung  3U  (Bunften  ber  S^au  S.  257.  -  Sonbergut  ber  (El}efrau  unb  restraint 
on  anticipation  S.  258.  —  Hed)t{teIIung  bes  unel)eltd)en  Kinbes  S.  258.  - 
Hn^ang:  Skanbii)a{d)es'mittelai[terltd)es  Hed)t  S.  259. 

D.  Saktifdje  £age  ber  mitteralterlidjen  S^au  S.  261-276. 
Bebeutung  bes  kanontfd)en  (E{)ered)ts  für  bie  (EI)emoraI  S.  261.  -  lUdb* 

d^enbilbung  S.  263.  -  (5efen{d)aftlid)e  Stellung  ber  Si^au  in  ber  Stü^seit 
S.  265.  —  Be3tel}ungen  ber  (Batten  S.  265.  -  Settalter  bes  ritterltd)en 
Srauenbten{tes.  Sein  (Einfluß  auf  bie  gefenfd)aftlid)e  SteUung  ber  Stau 
S.  265.  -  (Einfluß  auf  bie  (El}emoraI  S.  266.  -  Se|ruaImoraI  in  ben  Stdbten 
S.  269.  -  lDirtfd)aftIid)e  Cage  ber  Srau.  Die  (Eöttgkeit  ber  f)ausfrau  S.  270. 
~  Die  Cage  ber  unDerl}etrateten  Stau  im  Derl}ältnis  3ur  (Ehefrau  S.  274. 
£  i  t  e  r  a  t  u  r  S.  277. 


3n^It$Der3ei(^ni$.  xm 

IV.  Kapitel. 

C^eauffaffung  unb  C^ere^t  im  Seitalter  bes  Hationalis« 

mus  unb  ber  Kobifikationen. 

S.  279-406. 

A.  Die  allgemeinen  (brunMagen  6er  naturred^tlidjen 
f^eouffaflung  S.  280—318. 

Die  begtnnenbe  kapitaliftifd)e  (EntiDtcitlung  S.  280.  —  Die  Henat{|ance 
unb  bte  Q>eÜIid)e  tDtffenfd^aft  S.  281.  -  Die  Heformation  S.  282.  -  Cutters 
C^ouffallung  S.  284.  -  Der  (Caloinismus.  (Laloins  Ordonnanccs  ccclesia- 
stiques  S.  286.  —  Die  puritanifd^e  (E^eauffaffung  S.  288.  —  Der  religiöfe 
3n5iotbuaIismu$  bes  (Edufertums  S.  290.  Der  3n5tDi6uaIismus  6er  Huf* 
kidrung  un6  6te  ^meufd^enredite''  S.  292.  —  Die  rationaUftifd^e  Haturred^ts* 
leljre  unb  6ie  €I)e  S.  295.  -  (Lljr.  IDolff's  (EIjetl|eorie  S.  297.  —  Roul|eau'$ 
(El)eorie  ber  »tDeibliil^keit''  S.  298.  —  Die  naturred)t$le{)re  6es  beuti<l^en 
3bealismus:  (5runblagen  ber  tbealt{ti{<l^en  (Etl}ik  S.  301.  —  5i<!4te*$  3beoIogte 
bes  Patriard)alismus  S.  306.  —  praktifd^e  Bebeutung  ber  IXaturred^tsbok« 
trinen  S.  312.  —  SdkuIari{ation  ber  (EI}e:  Be{ettigung  ber  kird}Itd)en  €^- 
gerid^tsbarkett.    Staatlid^e  Reglementierung  ber  (EI}e  S.  313.   -  ^^wilt^t" 

-  .Steie-  €I)e  S.  316. 

B.  Das   €^ered)t   bes   Code  c  iv  il  S.  318-331. 

Der  allgemeine  (Charakter  bes  (  ode  unb  feine  (5rünbe  S.  318.   -  Die 
per|dnlt<l^en  Der^ältniffe  ber  (Eljegatten  S.  320.  -  Hed}tsDerf)öItnt|fe  3Di{%n  i 
«Item  unb   Kinbem  S.  322.    -    Die  unel)elid|en  Kinber  S.  324.    -    (E^e-  ' 
|d)etbungsre^t  bes  Code.     Re|tauration  Don  1816  unb  «I^efd^eibungsgefe^ 
von  1884  S.  325.  -  (EI}eUd)es  (5aterTed)t  S.  327. 

r.  Das   preufeü*«    ^Allgemeine   Ca  nb  red)  t-  S.  331-341. 

(Tl^arakter  bes  (befe^bud^s  S.  331.  -  Redjtsftellung  bes  (Eljemanns 
S.  332,  -  €^elid)es  ©üterredjt  S.  334.  -  (Ef)ejd|eibungsred)t  S.  336.  - 
Däterlidje  (btmaU  S.  337.  -  mutterpflid|ten  S.  339.  -  Red|tslage  ber 
rortjßen  S.  339.  -  Die  une^elidje  IHutter  S.  340.  -  Die  Rooelle  oon  1854 
S.  340. 

L>.  DieKobiftkattonen  in  (De{terreid)  unb  Ruglanb 
S.  341-361. 

Per|dnlid)e  Red)ts{teIIung  ber  Stau  unb  IHutter  im  ö|teneid}t|d}en 
B(5B.  S  343.  -  €l)elid)es  (5üterred)t  bes|elben  S.  344.  Red)tslage  ber 
IDitwe  S.  345.  -  Die  une^elidje  IHutter  S.  345.  -  Das  offiaielle  Sami- 
Iienred}t  bes  ru|{ijd)en  »Sswod  Saki»now*  S.  346.  DermögensredjtUdje 
SelbftAnbtgkeit  ber  rulfiidjen  Srau  S.  347.  -  3l)re  per|onenredjtIid|e  Unter- 
werfung S.  348.  -  DerWltnis  oon  (Eltern  unb  Kinbem  S.  349.  -  Die  un« 
e^elidjen  Kinber.  (5e|e^  oom  12.  IHärs  1891  $.  350.  -  (Eljejdjeibung 
S.  351.  -  nidjt  legale  ^(Eljen- :  1.  Die  .freien  (Ef)en-  ber  .3nteUigen3- 
S.  352.  -  2.  Die  „freien  €^en"  unb  bie  ©ejdjledjtsmoral  ber  Sd^ismatiker 
unb  Sektierer  S.  353.        Das  So'nilitwfedit   ber  ru(ii(d)en  Bauern  S.  355. 

-  Samilie  unb  Dorfgemeinbe  S.  356.  -  Allgemeiner  (Efjarahter  ber  böuer» 
lidjen  €f}e  S.  357.  -  Bäuerlidjes  (El}egüterred)t  S.  359.  Allgemeine  Cage 
ber  Srau  S.  359. 


XIV  3nl)aItsocr3ci^nis 

E.  Die  engltfd)en  *Married  wom«n's  property  Acts«  S. 361 — 371. 
materielle  unö  ibeelle  BeMngungen  6er  ^I)ereform  (Blabftones  S.  361. 

—  Die  erjte  Married  women's  property  Act  (1870)  S.  362.  —  Die  3iDeite  Akte 
(1882)  S.  363.  -  pofitioe  (Eragn)eite  6er  Gütertrennung  für  6ie  <5efd}dfts* 
f al)igkeit  6er  Sxau  S.  363.  —  Rejte  6es  common  law :  im  Strafpro3e6  S.  364, 

-  in  6er  Hrt  6er  (Haftbarkeit  un6  Derfügungsfäl}igkeit  6er  S^^^  ^-  365,  — 
in  6er  Unterf)altspflid)t  S.  366,  -  in  6er  Sd)lü{felgen)alt  S.  366,  -  in  6er 
DÖterIid)en  (Ben)alt  S.  367,  —  (Reformen  6urd)  6ie  mo6erne  Kin6erfd)u4gefe^' 
gebung  S.  367),   -  im  (Erbred)t  S.  368.  -  Die  unel}eUd)en  Kinber  S.  368. 

-  (EI}efd)ei6ungsred)t  {eit  6en  Rkttn  von  1857  un6  1860  S.  369.  -  (bt\amU 
d}arakter  6es  gelten6en  Hed)ts  S.  370. 

F.  Das  mo6erne   amerikanifd^e   (EI)ered)tS.  371. 

^     I  Das  „Ilaturredjt"    in  6en  amerikanifdjen  Kolonien  S.  371.  -  Sottbe« 

Itanb  6es  common  law  S.  371.  —  Derlauf  6er  Heformbeioegung  unb  gegen* 
n)artiger  Stan6  6es  (E{)ered)ts  S.  372. 

Hn^ang :  Hn6ere  <[o6ifikationen.  (Lreibenbe  Kröfte  ber  (Entroidilung  S.  375. 

G.  (Ergebni{{e  unb  neue  Probleme  S.  378. 
^  I            Die   DoIIentiDidtlung  bes  Kapitalismus   in  il}rer   HüdiiDirkung  auf  bie 

Probleme  bes  lEljelfeT^ts  S.*"379r  -  Sermge  (Eragioeite  ber  birekten  (Ein* 
Wirkungen  bes  Kapitalismus  S.  380.  -  IDanblungen  bes  S^Quenlebens  unter 
bem  (Einfluß  bes  Kapitalismus  S.  383.  —  Die  au6erl}öufige  Berufs*  unb 
Co^narbeit  ber  (El^efrauen  unb  it^re  (Eragn)eite  für  bas  (Ef)ered)t  S.  388.  — 
3beoIogifd)e  Reaktion  gegen  btn  Kapitalismus  S.  396.  —  Iliebergang  6es 
naturred)tlid)en  Hattonalismus.  f)iftorismus,  IXaturalismus  unb  ökonomifdjer 
(Eoolutionismus  S.  397. 

V.  Kapitel. 

Das  (E^ere^t  öes  öeutf^en  Bürgerli^en  (Befe^buc^es 

S.  407—505. 

Dorbemerkungen.     (Entftel)ung  un6  (Cl^arakter  6es  (Befe^budjes. 
S.  408. 

A.  perjönlidje  Re  dj  ts  o  er  fj  ä!t  ni  jf  e  S.  413-445. 
Anerkennung  6er  <Be|d|äftsfäl|igkeit  6er  (Eljefrau  S.  414.  —    Pflidjt  3ur 

e^elidien  Cebensgemein|djaft  S.  417.    —   Sortfall  bei  „irtiöbrauc^"  S.  418. 

—  Ilame  6er  (Eljefrau  S.  420.  —  (Begenfeitige  Untertjaltsanjprüdje  6er  (Elje> 
gatten  S.  422.  —  Leitung  6e$  f)ausiDefens  6ur^  6ie  Stau  un6  PfUd)t  3ur 
fjausarbeit  unb  Betljilfe  im  männUd|en  (Befd|äft  S.  424.  —  Bejtimmung  bes 
€l|ebomi3ils  burdj  ben  IHann  S.  428.  --  SdjlüjlelgeiDalt  ber  Srau  S.  430.  — 
Per|önlid|e  Dienjtleijtungen  ber  S^^u  gegenüber  Dritten  S.  433.  —  ünU 
fd)eibungsred)t  bes  (Et^emanns  S.  436. 

B.  DieDerteilung   ber   eIterlid|en<Ben)altS.  443—458. 
„(Elterlidje  (Bemalt-   ber  Rtutter  S.  443.  —   „Bei|tanb|djaft"   für  bie 

IDittDe  S.  446.  —  (Elterlidje  ©eroalt  im  Sal!  einer  3n)eitcn  (Elje  S.  448.  ~ 
Sadjlid|cr  3nfjalt  ber  elterlidjen  ©eroalt  S.  451.  -  Derljältnis  oon  Dater« 
unb  lUuttergeiDalt  S.  452.  —  Stelloertretenbe  elterlidje  ©eroalt  ber  ITlutter 
S.  454.  Stellung  ber  gejdjiebenen  IHutter  S.  455.  —  pdnaipielle  Srage 
ber  Dcrteilung  ber  (Eltemredjte  S.  456. 


3n^aItsoer3ei(^nis .  XV 

C.  Das  €Ijegüt  erregt  S.  458-495. 

(^efe^Iid^er  (5üterftan6  S.  459.  (Eragioeite  5er  „Permaltung  unb 
Ittt^niebung''  öesITlannes  S.  461.  Hnfprud)e  6er  5^ QU  S.  464.  —  IDirt* 
f<l^afts>   und  (EoUettengelb  S.  464.  Information  unb  Hedjnungstegung 

S.  466.  —  (befe^Ud^es  Dorbe^altsgut  S.  467.  —  Bebeutung  bes  ge|et|Iid)en 
<5fiterTed}ts  fflr  bie  (5e{d)dft$«  unb  pro3e6fd{)igkett  ber  (Ef^efrau  S.  468.  - 
tDfirbigung  bes  gele^ttd^en  (5fiterred)ts.    KontroDer|en  bei  ber  Beratung  bes 
<l^fetbud)es :    Die  allgemeine  6fitergemein{((^ift  (<5ierke ,  5*  ITTommf en,  R.    1  v 
lUenger).  S.  471.        Die  (EmingenT^aftsgemeinfd)aft  S.  475.        Die  (büitt»    ' 
trennung  (Buding)  S.  478.  —  Pie  Reid^stagsoerljanblungen  S.  478.     -  S^^r. 
D.  Stumm  S.  479.    -  (E{)emännli(i)e  t>ern)arfung  bes  Stauehgüis  bei  (Bilter* 
trennung  S.  484  -  poiitioe  Sorberungen  ber  S^^uenbeioegung  betreffs  bes 
ge{e|(Ii<l^en  6flterred)t$ :  1.  Gütertrennung  S.  486.  -  2.  Softes  „(Eafd)engelb'' 

5.  487.        3.  grbredjt   ber  S^^u   unb   Hnteil   an   ber   (Errungen{d)aft   bei  d 
|d}uIbIo{er  Sd^elbung  5.  488.    -  4.  Beitragspflid^t  ber  S^^^u  3U  btn  f)aus' 
I}altslaiten  S.  489.  -  5.  IHitl^aftung  ber  Srau  für  f)ausl)altsi(i)ulben  S.  490. 

6.  Pflid)t  bes  mannes  3ur  Dereinbarung  oon  „I^ausliaUsbubgets''  S.  490.  - 
IDettergel^enbe  Dor|d)Iöge :  S^^Q^  ^^^  (Enoerbs«  unb  Derfügungsgemein{d)aft 
als  gefe^Iid^en  (Büterftanbes  ober  gefe^Iidien  Sdjemas  bes  oertragsmögigen 
(5flterred)ts.    <Erbred)t  ber  (EI}efrau  S.  49J.  V 

Sd)Iu6.    ABf^Itefienbe  Krtttft  bes  (El}epatTiard)aUsmus  S.  495    504. 
Citeratur  S.  505. 

VI.  Kapitel. 

(E^eferitife,    (Efjefc^eiöung   unö  au^ereljeUc^e  (Bej^Iec^ts« 

be3ie^ungen. 

S.  506    573. 

3nljalt:    A.   3ur   mobernen(El)eitritiftS.  507 - 546. 

Statifti|d}e  Bebeutung  ber  (El}e,  ber  €f)elid)keit  unb  ber  €l)ei(i)eibungen 
S.  507.  -  mobeme  Angriffe  auf  bie  (Ef)e  als  Rcd|tsin|titut  S.  513.  - 
Anregung  3ur  freien  ^protelte^e"  S.  513.  -  Der|ud|e  ber  Kon(truhtion 
einer  neuen  Se|[ualetf)ih  S.  514.  -  Begrünbung  auf  bie  Du(gör{o3iaIifti|d}e 
(Ef^eorie  ber  (Eljeentmidilung  S.  515.  -  Die  „ökonomi|d)e  (Eman3ipation'' 
ber  Srau  S.  516.  -  Spe3icU  bie  „inutter|d|aftsrcnte"  S.  519  -  Die  pro- 
ftitution  als  Korrelat  ber  „legitimen  (Ef)e''  S.  522.  -  prin3ipielles  Der^ölt* 
nis  Don  fepialetf)i{d)er  Ilorm  unb  fe|rualet{)if(i)en  (Eatfad)en  S.  527.  -  Der* 
I}ältnis  Don  fittlid^em  IDert  unb  red^tUd^er  (Drbnung  ber  (El)e  S.  531.  - 
Die  red)tlid}e  Bel^anblung  ber  Konkubinate  S.  535.  —  Kon|equen3en  aus 
bem  formalen  (Charakter  bes  Hed}ts  S.  537.  -  Sd)ranken  ber  materiellen 
fepteüen  Dertragsfreif)eit  S.  541.  -   „S^c»«  ^Ij«"  ober  (Eljereform?  S.  542. 

B.  Das  €^e{d}eibungsproblem,  {pe3iell  im  beutjdien 
BGB.  S.  546-559. 

.flbfolute"  unb  „relatioe"  Sd^eibungsgrünbe  im  B6B.  S.  547.  -  Prin3ip 
ber  Sd)eibung  nur  wtqtn  Sd)ulb  S.  548.  —  Konfequen3en  infolge  bes  patri* 
ard^olen  €^ered)tes  S.  549.  Begrünbung  bes  Prtn3ips  in  ben  IHotioen 
bes  BGB.  S.  551.  -  Kritik  S.  551.  $d)lu6folgerungen  S.  555.  Statiitijdje 
Bebeutung  ber  Sd^eibung  auf  Grunb  gegenfeitiger  (Einn)illigung  unb  Konfe* 
quen3en  i^rer  Befeitigung  S.  557.  -  nid)tigkeit  unb  Anfed)tbarkett  ber 
€^.    Doppelte  ITloral  bei  Bef^anblung  ber  mangelnben  Dirginitöt  S.  558. 


XVI  3n^aItsocr3ci(^nis. 

C.  Das  Une^elt^fteitsproblem,  fpe3ten  im  öeutf^en 
B(5B.  S.  560-571. 

Prinatpieller  Stanöpunftt  öes  B(5B.  S.  561.  —  Unter^altspflt^t  6es 
Daters  S.  562.  —  Beranken  un6  Sd)iDtertgkeiten  6er  Durd^fü^rung  auf 
öem  Boöen  „mutterre^tlid^er''  Bei^anblung  6es  Problems  S.  563.  -  fjtxan* 
3te^ung  ber  (Eltern  bes  tUannes  S.  564.  —  (Etnrebe  ber  mef)reren  3u^ä(ter 
S.  564.  -  Die  inutterred)te  im  Der^öttnis  3U  ben  3ntere{{en  bes  Kinbes 
S.  565.  —  prinsipieües  Derla{{en  bes  mutterred)tli^en  Stanbpunftts  S.  567. 
—  3nteref{enlage  bes  Kinbes  babei  S.  568. 

S^Iugbemerkungen  S.  571.  —  Literatur  S.  573. 


B  erid)tigungen  : 

S.  417  3eile  26  t|t  burd)  ein  Derfel^en  ber  gar  nid)t  ba^in  gel^örige 
Pa{{u$  ,,Iönger  als  6  Ülonate''  in  biefen  Sa^  geraten  unb  3U  ft  r  e  i  ^  e  n. 

S.  463  3eile  11  unb  469  3eile  15  finb,  burd)  Korrektur<Der{e^en,  mig* 
Derftdnblic^e  Sormulierungen  entftanben.  Ilad)  §  92  B(5B.  gehören  bie  Be« 
(tanbteile  eines  „IDarenlagers"  ftets  3U  ben  „oerbraud^baren  Sadjen". 
HIfo  mug  es  an  ber  erften  Stelle  nid)t:  „(Confumioarenlager'',  fonbern 
fd)led)tl}in  „IDarenlager"  Ijeigen  unb  an  ber  3iDeiten  Stelle  ift  einfad)  3U 
lefen:  „Die  IDarenbeftönbe''. 


DruÄf  e^Icr : 

S.  84  3.  11  ftatt;  „|inb  bie  im"  lies:  „finb  im". 

S.  111  3.  12  0.  unten  ftatt:  „^at"  lies:  „Ijaben". 

S.  119  3.  14  ftatt:  „18.  Cebensjalir"  lies:  „20.  Cebensjalir". 

S.  119  3.  5  0.  unten  ((Eejt)  jtatt  „7.  6ebot"  lies:  „6.  (Bebot". 

S.  121  3.  13  ftatt :  „wie  Arabien"  lies,  „roie  in  Arabien". 

S.  123  3.  21  a.  (E.:  Das  ©ort:  „Bargelb"  gehört  in  3.  22:  „unb  Bar- 

gelb  berart  an3ulegen". 
S.  176  3.  10  ftatt :  „Konkubinenkinber"  lies  „Konkubinenkinbem". 
S.  278  3.  18 :  ftatt :  „Door"  lies  „Dooe". 
S.  424  3.  3   ftatt :     „Unterljalts  p  f  l  i  dj  t  i  g  e"    lies :    „unterljalts  b  e» 

r  edjtigte". 


1 


I.  Kapitel. 

primitipe  6e|(^Ie^tsDerbinbungen  unb  legitime  (E^e. 

A.  Die  Zaqt  btt  S^^^  ^^i  ^<n  kulturärmften  Pdlkern 
S.  2-19. 

Bebeutung  bes  Stubtums  6er  IlaturDdliter  S.  2.  Cebensoeife  unb 
<5einein|d)aft$Ieben  ber  fog.  .»nteberen  3dgen)dtfter''  S.  3.  -  primittoe  (bt* 
f<I^Ied)tsbe3ie^ungen :  Die  lofe  Santilte  S.  4.  Perid)tebene  Sotmen  ber 
Poh^gamie  S.  5.  poli^anbrie    S.  6.         Serielle  Ungebunben^eit  bes 

niäbd)en$  S.  6.  -  primittoe  normen  unb  Sd)ranken  bes  Se^^uallebens  S.  9. 
Die  KoIIektiD«  unb  (5ruppen*€f)en*(E^eorie  S.  10.  Die  Alterklaffenein* 
teilung  ber  au{trali{^en  f)orben  S.  10.  Das  fefte  KIa|fiftkations{pftem 
S.  12.  €nt|te^en  e|rogamer  f^eirotsoerbAnbe  S.  13.  Die  auftralifd^e 
unb  po(pnefi|<l^e  <5ruppene^e  S.  14.  Der  (Eotemismus  unb  bie  ^ITtutter* 
folge"  S.  15.  Die  Stellung  ber  Srau  bei  ..mutterfolge"  S.  17.  ITlannes« 
genmlt  bei  ben  Auftralnegern  S.  18.  f)o^er  ITu^iDert  unb  |03tale  Derad)« 
tvng  ber  S^ou  S.  18.        S^^uenraub  unb  5fauentau|d)  S.  19. 

B.  Beeinfluffung  ber  tage  ber  S^^^  burd}  3unel}mfnbe 
materielle  Kultur  S.  20-24. 

Die  fog.  „^ö^eren  3ögerDdIker''  S  20.  (Einfluß  ber  Be|i|(bifferen« 
jientng  auf  bie  Art  ber  <5efd)Ied}tsDerbinbungen  S.  21.  S^Quenkauf  unb 
Srauenerbienung  S.  23.   Bina«  unb  Diga'(El}e  S.  24. 

r.  tD  ef  e  n  bes  «m  u  1 1  e  r  r  e  d|  t  s-  S.  24—30. 

ntuttergruppe  unb  Datergruppe.  ITIutterfeitige  DenDanbt{d)aft$gIieberung 
S.   24.         Der^Itnis   oon   „ITlutt erfolge",  ^ITlatriardiat''    (inuttfTgen)aIt), 
^nttttterre^^t*    S.  25.         3n^a!t  unb  TDejen  bes  ^TTTutterredjts"  S.  26.  - 
Dereinigung  oon  ntutterred)t  unb  HlannesgeiDalt  S.  27.        IHutterredit  unb 
Sranenkauf  S.  28.       Das  «unioerfelle"  ITIutterred^t  S.  29. 

U.  ([enben3en  3um„inutterre(i)t"  unb  «matriardiafbeim 
koIIektiDiftifd^en  Ackerbau  S.  30-43. 

<5emeiiifd)aftsleben  unb  lDirt|d}aftsn)ei|e  ber  fog.  ^nieberen  Ackerbauer" 
S.  30.  -  Die  Stau  als  Acfcerbauertn  S.  30.  Hlutterred)!  als  Hormal' 
ti)piis  S.  31.  -  Die  Sippenorganifationen  unb  f)ausgemeinfd)aften  ber  ,,nte* 
bereu  Ackerbauer"  S.  32.  Derfd^Iingungen  oon  TUutterred)t  unb  Dater* 
geioalt  S.  35.  —  »Heines"  ITtutterredjt:  IHenangkabanmalaien,  Hairs  S.  36. 
Steigerung  bes  IHutterrei^ts  3ur  muttergeoalt.   Kampf  beiber.  S.  37.    - 

Wthtt.  Chrfran  «nb  ntotttr  ] 


2  Primitiüe  (Befc^Ie^tsoerbinöungen  un6  legitime  <EI)e. 

Die  palauinfulaner  S.  37.  -  Die  norbameriftanif^en  3n6ianetft&mme 
S.  38.  —  Die  3rofte|eit  S.  39.  —  Die  f^uronen  S.  40.  —  3ur  (Theorie  ber  ent« 
iDt(itIung$ge{d)td)tHd)en  Bebeutung  bes  lUutterre^ts  S.  41. 

E.  (Eenbensen  3Uin  patrtar^alismus  bei  ben  Diel)' 
3Ü^tern  S.  43—49. 

lDirt{d}aftsiDet{e  unb  <5emetn{d)aftsteben  ber  „reinen"  Dief)3ü^ter  S.  44.  - 
Derkned)tung  ber  $ia\i  S.  45.  —  „primitioer"  patriarc^alismus  S.  46.  —  An* 
fö^e  3U  feiner  So^enttoicitlung.  Beifpiel:  (E^ered)t  ber  Hma|:ofa'Kaffern  S.  48. 

F.  D  i  e  p  a  t  r  i  a  r  ^  a  I  e  „(E  Ij  e"  S.  49—55. 

Hed}tlid)er  3n^alt  bes  patriard)alismus  S.  49.  —  Begriff  unb  (Entfte^ung 
ber  „legitimen  dl^t**  S.  52.  —  Differen3ierung  3Q>i{^en  „legitimen"  unb 
„illegitimen"  Kinbern  S.  54. 

G.  3ur  Kritik  ber  inutterred)tstl)eorien  S.  55—61. 

Kla{{enbifferen3terung  bes  (E^ere^ts  ?  S.  55.  —  Dater*  unb  IHutter' 
red)t  bei  btn  Cpkiern  S.  56.  —  Bad)ofen$  religionsgef^td)tli(i)e  f)i)potl)efen 
S.  59.  —  Angeblid)e  Spuren  Don  IHutterred^t  in  <5rte(i)enlanb.  inutterred)t 
tn  ber  ©reftle  ?  S.  59.  — 

H.  (Ergebnis  S.  61—79. 

Hngeblic^es  Der^ältnis  oon  (Eigentums*  unb  (El^eentiDtcftlung  S.  61.  — 
(Theorie  ber  (Entmicitlung  bes  prioateigentums  unb  ber  Kleinfamilie  S.  64.  — 
Bebeutung  fflr  bte  5^^u.  3t)re  £age  in  btn  {tai)ifd)en  unb  ru|{tf^en 
f)auskommunionen  S.  68.  —  Das  £egttimitätsprin3ip.  Seine  Bebeutung 
für  Stau  unb  Kinber  S.  72.  —  BegriffUd^e  lUerkmale  ber  mobernen  „le* 
gitimen"  (E^e  S.  74.  —  Die  „Kaufe^e"  als  Husgangspunkt  ber  mobernen 
legitimen  (E^e  S.  78. 

Citeratur  S.  79-81. 

A. 

Als  bie  -  an  unfren  l^eutigen  Kultunoerten  gemeffen  -  prtmi* 
tiofte  Sotm  bes  menfc^lic^en  (Bemeinf^aftslebens  pflegt  man  bie  no« 
mabifierenbe  „fjorbe"  getDtffer,  nac^  ber  Art  il)res  nat^rungserioerbs 
als  „niebere  3ägen)ölfter''  beseic^neter  Dolftsftämme  ansufe^en.  3u 
biefer  Kategorie  gehören  no^  freute  l)0(^  im  tlorben  bie  (Eskimo,  im 
Süben  bie  3a^lreid)en  Auftralnegerftömme,  femer  bie  S^uerlönber, 
Bufd)manner,  Botoftuben  unb  man^e  innerafrikanif^e  unb  afiotifc^e 
Dölkerfd)aften  a^nlid)en  (bepröges.  Sie  intereffieren  uns  l)ier  bes^olb, 
loeil  bie  (Erforfd)ung  il)rer  Cebensmeife  bas  einsig  exakte  Ütaterial 
liefert,  aus  bem  mir  uns  d  i  e  1 1  e  i  d)  t  ein  Bilb  ber  Cebensmeife  unb 
Anfd)auungen  unfrer  eignen  Dorfal)ren  in  Dorgef(^i^tlid)er  Seit  konftru« 
ieten  können.  —  Smax  ftel)t  es  burd)aus  nid)t  feft,  ob  biefe  primi« 
tioften  Sonnen  bes  Sufammenlebens  tima  eine  Durc^gangsftufe  bat» 


\.  Die  Zaqt  öer  $xau  bei  öen  kulturörmften  Dölkem.         3 

fteOen,  loelc^e  alle  Dölfter  irgenöioann  als  öie  seitlich  frflf^fte  oon 
allen  uns  bekannten  Cebensformen  burd)gemad)t  f^ötten.  Dies  ift  fogar 
6trekt  uniDa^tfc^einlic^.  Unb  3u  einem  toirkli^en  „Urjuftanb"  rei^t 
keine  ^iftorifc^  Kunbe  surück.  Au^  bie  freute  „primitiDften*  Dölker 
^oben  eine  seitlich  ungeheure,  DieIIeid)t  fef^r  n)ed)feIooIIe  „(EntcDtcklung" 
hinter  fic^.  -  Aber  bie  unDermeibItd)e  Annal^me,  ba%  toenigftens  ge* 
nriffe  Seiten  ber  Cebensfüf^rung,  meiere  burd)  ben  benkbar  toeitgef^enb' 
ften  ntangel  kfinftlic^  gefd)affener  „IDerkseuge''  unb  politifc^er  3n{ti« 
tittionen  gegeben  finb,  irgenbuiann  überall  il)re  IDirkung  ausgeübt 
^oben,  nötigt  uns  bennod),  mit  bem  ntaterial  jener  Dölker,  loel^e 
i^er  nod^  ^ute  am  meiften  entbel^ren,  ben  Derfud)  3ur  Rekonftruk« 
tion  eines  Bilbes  „primitiofter"  (bef^le^tsbe3iel)ungen  3u  mad)en. 
nur  ^ben  mir  uns  ftets  gegenioartig  3U  I^alten,  bag  bie  Aef^nlic^keit 
biefes  Bilbes  felbft  in  feinen  f}aupt3ügen  immer  problematifc^  bleibt. 

Cntfc^ibenb  für  bie  Art  bes  naf^rungseriDerbs  jener  freute  kultur- 
armften  Dolksftömme  ift  il)re  (benügfamkett  mit  bem,  was  bie  Hatur 
i^nen  an  animalifc^n  unb  Degetabiltfd)en  nal^rungsmitteln  unmittel- 
bar bietet,  unb  bie  pianlofigkeit  tl^rer  Bebürfnisbefriebigung:  bas 
nterkmal  ber  „IDirtfd)aft'' :  bie  Dorforge  für  bie  3ukunft,  fef^It  if^nen 
nodi  gan3.  Balb  barbenb,  balb  fd)i])elgenb  in  Ueberflug,  leben  fie  in 
ben  lag  f^inein,  oon  il)rem  unbissiplintertem  nal)rungsbebürfnis  3um 
läufigen  Ortsioec^fel  getrieben.  -  3ebod)  ift  il)r  fd)i])eifenbes  £eben 
bur(^  bie  Rückfid)t  auf  i^re  Had^barn  an  geioiffe  Sd^ranken  gebunben: 
3ebe  fjorbe  betrachtet,  fo  lange  fie  in  Stieben  leben  will,  ein  oft  fe[)r 
genau  begren3tes  3agbgebiet  als  il)r  gemeinfames,  allen  anbem  aber 
un3ugang(i(4es  „(Eigentum"  unb  bel^anbelt  benjentgen  S^^^^Itng  als 
5etnb,  ber  innerl)a(b  biefes  (bebietes  Haf^rung  fuc^t.  IDerk3euge, 
IDaffen,  Sc^mudtftüdte,  Kleiber,  Seite  gelten  -  foioeit  fte  bereits  be* 
kannt  ftnb  -  als  (Eigentum  besjenigen,  ber  fte  oerfertigt  f^at.  Der 
ein3e(ne  befi^t  aber  meift  nid)t  oie(  mef^r  als  er  bei  fid)  tragen  kann 
unb  bies  pflegt  man  il)m  -  bamit  er  im  3enfeits  weiter  (eben  kann 
mt  auf  (Erben  -  andi  mit  in  fein  (brab  3U  geben. 

Politifc^e  (Drganifationen  feilten  in  5nebens3eiten  nod)  oollftanbig: 
bie  Stommesgenoffen  befeelt  kein  Solibaritötsgefül)!.  Der  „Stamm" 
bilbet  Iebig(i(^  ein  Aggregat  felbftönbiger  ntenfd^engruppen,  oon  benen 
iebe  il)re  materiellen  3ntereffen  gefonbert  Derfolgt.  Hur  mo  es  fid) 
gegenüber  frember  BebroI)ung  um  Sein  ober  Hic^tfein  aller  Rubelt, 
fkmimt  ein  (Kemeinfc^oftsgefüi)!  auf,  bas  über  btn  Umkreis  bes  „3agb- 


4  priatitioe  Cefiye^DCibüibiuiggn  luiö  kgittme  Qe. 

gnuibes'  ^tnoiisge^  Ctad^  boneniöe  niail^titiiterfd^tebe  ^m^d^  bat 
fynbenqmc/fHm  f e^kn.  nur  im  Kanqyf  übentimmt  öer  Cü^tigfte  ^ie 
Ceitung,  hn  S^eöen  aber  liegt  alle  Hntoritöt  in  ben  Qänben  bei 
Alten,  ber  Kenner  nnb  ^nter  ber  überlieferten  Sitten  nnb  ibAtmd^, 
ottf  beren  Beachtung  alle  natnrDöIker  ein  aberglöubifd^  Aenric^t 
legen  nnb  —  ba  bie  BenKt^rung  bes  inneren  5nebens  ja  lebigliij^ 
oon  bem  fd{enfeften  (Klauben  an  bie  QeOig&eit  ber  iiberlieferten  <Be« 
metnfi^aftsf ormen  abfangt  -  au<i^  bei  Strafe  bes  Untergangs  legen 
muffen. 

3nner^alb  ber  ^rbe,  wüd^  bas  Utom  ber  Tla4rungsgemtn> 
nung  —  3agbgrunb  ober  5tf<4ii^^  —  gemetnfom  beft^  unb  {<^ii%t, 
leben,  bie  einzelnen  meift  in  Kleinfamilien,  b.  ^.  aus  Dater, 
ntutter  unb  uneruHu^fenen  Kinbem  befte^ben,  gefonberten  (Kruppen. 
Diefe  5<nniliengruppen  ^en  fetten  bauemben  Beftanb.  Sie  merben 
bes^alb  in  ber  IDiffenfc^aft  als  „Paarungsfamilte*  ober  beffer  nod^ 
als  „lofe  S^nnilie"  bejeic^net  Ausfc^Iieglic^  materielle  Bebihrfniffe 
oereinigen  Iltann  unb  5^ou  ju  längerem  ober  kitr3erem  Sufammen« 
leben  unb  3UHtr  ftnb  bas  Sc^u^bebürfnis  bes  IDeibes  für  ft(^  unb  i^r 
Kinb  unb  bas  Streben  bes  ntannes  nadi  (Erlei^terung  bes  na^rungs« 
ermerbs  burd)  il)re  fjilfe  offenbar  weit  ftarftere  ütotioe  3U  bauember 
Dereinigung,  als  ber  caid^  fonft  auf  mannigfache  IDeife  3U  befriebigenbe 
(Kefd)Ied)tstrieb.  naturgemäß  mangett  ben  Bestellungen  oon  IRann 
unb  IDeib  bei  biefen  Dölkem  eines  ber  roef entließen  üterkmale  unfres 
Begriffs  oon  S^niilie  unb  <EI)e:  ndmlic^  bie  re<i^tnd)e  ober  moralifc^e 
Anerftennung  bauember  Derpfltd)tungen  ber  (batttn  untereinanber  unb 
gegen  i^e  Kinber.  Dergebens  fuc^en  mir  beim  ntanne  ooterlic^s 
Derantmortungsgefü^I,  unb  weber  Sitte  nod)  (Befe^  garantieren  ntutter 
unb  Kinbem  bauembe  neckte  gegen  tl)ren  Sc^u^^rm  unb  (Erseuger. 
nid)t  feiten  oerlögt  3.  B.  ber  S^uerlönber  bie  5rau,  fobalb  fie  geboren 
1)at  unb  bie  Säugeseit  beginnt.  -  Die  finnfoüigere  Derbmbung  oon 
ntutter  unb  Kinb  gilt  besl^alb  felbftDerftonbli^  für  nal)er  unb  -  fo* 
weit  fi(^  „etl)ifd)e''  Dorftellungen  entmidteU  I)aben  -  I)etliger,  als  bie 
3n)ifd)en  Dater  unb  Kinb,  unb  bie  in  (Ermangelung  oon  ([iermilc^  fel)r 
lange  nöI^rfTift  fd)Iiegt  fie  auc^  feeltfd)  fefter  3ufammen.  Allein  auc^ 
bie  rein  inftinfttmägtge  ntutterliebe  oerblagt,  fobalb  bas  Kinb  i^rer 
pl)i){tfd)  nid)t  mel)r  bebarf  ober  aber  ber  Stau  3ur  £aft  fallt.  Wirb 
3.  B.  ber  Quftralifc^en  ntutter  mölirenb  ber  meift  3n)et]al)rigen  Sauge« 
periobe  ein  sroeiter  Sprößling  geboren,  fo  tötet  fie  I)öufig  bas  neu* 


A.  Die  £age  öet  Si^^u  bei  öen  ftulhirärmf ten  Dölkem.         5 

9etK>tene  oöet  gibt  es  beim  Derlajfen  öer  Eagerftätte  preis.  —  Dom 
5.  bis  6.  £ebensjal)re  an  muffen  bie  Kinber  fc^ort  einen  Seil  üfcti 
Ilaf^rung  felbft  fuc^en.  Bei  b^n  Auftralnegem  Derlägt  ber  Knabe 
etnHi  im  16.  3al)re  bie  elterliche  fjütte,  um  nac^  (Empfang  ber  Iltanner* 
loei^  mit  feinen  Altersgenoffen  sufammen  3U  fc^Iafen.  -  fjöufig  mirb 
ben  ^erani])ad)fenben  Kinbem  gegenüber  bie  triebl^afte  3artlid)fteit  ber 
eitern  burc^  (^eminnfuc^t  oerbröngt.  tlid)t  feiten  Derkaufen  3.  B.  bie 
$euer(önber  if^re  Kinber  an  benad)barte  Stamme  als  Arbeitsfnräfte 
gegen  fjunbe,  Pferbe  ober  Sc^mudtftüdte,  unb  loeber  (Eltern  noc^  Kinber 
foOen  babei  irgenbmelc^en  Irennungsfc^mer}  seigen. 

Der  £o(iterI)eit  bes  Banbes  3n)ifd)en  (Eltern  unb  Kinbem  entfpric^t, 
mie  f(^on  gefagt,  bie  £öslid)keit  ber  Be3iel)ungen  3i])ifd)en  mann  unb 
5rau.  IDir  können  nid)t  enoarten,  eins  ber  größten  KuIturtDunber: 
bie  Anerkennung  ber  Dom  fittlid)en  Bemugtfein  geforberten,  bauernben 
unb  ausf(^liegli(^en  £ebensgemeinfd)aft  oon  ntann  unb  $xau,  -  bie 
(Quelle  ber  tiefften  fittK^en  Konflikte  unb  3uglei(^  bes  mäc^tigften 
fittlic^en  IDac^stums,  -  als  norm  bes  Se|[uah)erkel)rs  au^  bei  biefen 
kulturörmften  Dolksftämmen  3U  finben. 

3unad)ft  gefrört  bie  p  0 1 1)  g  a  m  i  e  bei  allen  naturoölkem  3U 
ben  felbftt>erftanbli(^ften  fjerrenrec^ten  jebes  ntannes.  Sie  e^riftiert  in 
Derfd)iebenen  Sinnen:  entmeber  finb  alle  S^^uen  eines  ntannes  ein* 
anber  bem  Range  nad)  g(eid)georbnet  (DonpoIt)gamie)  ober  neben 
ber  „Ijauptfrau"  rangieren  bie  anbem  als  ^Hebcnfrauen'',  benen 
gegenüber  bie  ^auptfrau  eine  gewtffe  Autorität  beft^t,  ober  ber  IHann 
nimmt  neben  einer  allein  als  (El^efrau  geltenben  nod)  Kebfen  ober 
nidgbe  unb  Sklaoinnen  ins  t)aus  (f}aIbpoIi)gamie).  Die  Kebfen  finb 
im  Unterfc^ieb  3U  ben  ütögben  unb  Sklaüinnen  frei  geborene  S^^uen 
-  im  Unterfd)ieb  3ur  „(Eljefrau"  aber  ärmerer  Ijerkunft  unb  ol^ne 
Sormalitöten  bem  fjausl^alt  bes  ntannes  eingegliebert.  Die  Kinber 
ber  Kebfen  unb  Sklaoinnen  l^aben  oft  keine  Anfprüd)e  an  btn  S^* 
milienbefi^:  -  barüber  fpater,  -  ober  fie  gelten  als  Kinber  ber 
DoUfrau  unb  bie  Kebfen  a(fo  nur  als  (Bebörinftrumente  ber  festeren: 
bas  p^i)ftoIogif(^e  „Blutsbanb"  3n)ifd)en  ntutter  unb  Kinb  ift  nid)ts 
Unumgönglic^es.  Reiche  ntönner  galten  bei  primttioen  Dölkem  nid)t 
feiten  alle  Arten  oon  Srouen:  ^auptfrauen,  Rebenfrauen,  Kebfen, 
Sklaoinnen  glei(^3eitig. 

Allein  grabe  bei  Vblktm  primttiofter  Kulturftufe,  mit  3.  B.  bei 
ben  «niebem  Bägeroölkem"  bilben  monogame  Der^Itniffe  meitaus  bie 


6  ptiTnitioe  (Befc^Ie^tsDerbinöungen  un6  legitime  (EI)e. 

Regel.  Dies  ift  oüeröings  ni^t  et^if(^,  fonöern  pfi)(^ifd)  un6  dot  allem 
öhonomif^  beMngt.  Der  Beft^  mehrerer  Stauen  bleibt  eben  bei  i^nen 
fo  gut  mie  bei  6en  KuIturDÖIftem  fafttif^  überall  notmenöig  prioileg 
5er  Reichen  unö  Rtä^tigen.  Die  (Enge  öes  Ralirungsfpielraums  garan* 
ttert  f)ier  6ie  ,,(blei(^^ett  5er  Armut"  ebenfo  mie  in  besug  auf  bte 
Sad)güter,  fo  aud)  in  be3ug  auf  6en  Befi^  6er  Stauen. 

Befonbers  ungiinftige  naI)rungsDerI)aItni{fe  bei  einigen  afiatifc^en 
(bebirgsDöIftem,  3.  B.  in  ([ibet,  im  fjimalaja  unb  bei  6en  Zobas  im 
Süöbeftan  suiingen  fogar  3ur  p  0 1 1)  a  n  5  r  i  e :  6ie  Kargl^eit  ber 
<E;i{ten3mttteI  verbietet  eine  normale  BeDÖlfterungsDermeI)rung.  neu> 
geborene  Iltab^en  werben  besf^alb  f^öufig  getötet,  fobag  fid)  3ufoIge 
bes  Stauenmangels  in  ber  Regel  mel)rere  Rtänner  bauemb  ober  seit« 
roeije  mit  bem  Bejt^  einer  Stau  begnügen  müjfen  („tibetanifd)e  Polp« 
anbrie").  ftnbrerfeits  läfet  fidj  oft  ein  Rtann  oljne  Söljne  gern  oon 
einem  anbren  Rtann  Söl)ne  erseugen,  benn  jebes  Kinb  gel)ört,  loie 
wir  nod)  feigen  werben,  in  bie  Samilie  besjenigen  ütannes,  ber  bie 
Stau,  bie  es  geboren  f^at,  befi^t:  bas  pI)i)fioIogi{^e  ,,BIutsbanb" 
3n)ifd)en  Dater  unb  Kinb  ift  nod)  weniger  unumgänglich  als  3wi{(^en 
IHutter  unb  Kinb. 

Bei  faft  allen  primittoen  Dölkern  können  beibe  (befd)Ied)ter  if^r 
([riebleben  aud)  augerl)alb  ber  el)eartigen,  feften  Derftöltniffe  befriebigen, 
btnn  auf  bie  „(befd)led)tsel)re"  an  fid)  wirb  weber  bei  mann  nod)  Stau 
(bewid)t  gelegt.  Saft  überall  ift  ben  jungen  inabd)en  wenigftens  Dor 
ber  „(Bl^e"  Doüftönbig  freier  (bef^Ie^tsDerfteI)r  geftattet,  ja  bei  man« 
ditn  Stammen  mad)t  ber  Befi^  Dieter  £iebl)aber  fie  befonbers  be- 
gel)renswert.  namentlich  bei  3af)IIofen  afrikanifd)en  unb  Dielen  inbifc^en 
Dölftem  wirb  btn  Htöb^en  Dor  Abfc^Iug  eines  feften  Derl)ältniffes 
keinerlei  Keuf^I)eitspfIi(^t  auferlegt.  Aber  obwol)!  bort  infolgebeffen 
bem  fei^ueUen  ([riebleben  ein  augerorbentlic^  weiter  Spielraum  gewal)rt 
ift,  ejiftiert  tro^bem  au^  biejenige  Sotm  bes  (Bef^Ie^tsoerkeI)rs, 
bie  wir  als  Proftitution  3U  be3eid)nen  pflegen,  5.  I).  bie  wa^I* 
lofe  Preisgabe  bes  weiblid)en  Körpers  gegen  (Entgelt  um  bes  (Entgelts 
willen.  Unb  3war  in  boppelter  Sorm:  fowol)!  als  (EtnnaI)mequeIIe  ber 
Samilie  eines  inäbd)ens,  wie  aud)  als  (EinnaI)mequeIIe  für  fie  felbft. 
Am  Kongo  werben  bie  Ittöbc^en  Don  Datern  unb  Brübern  „gegen 
3wei  paAen  3eug"  jebem,  ber  fie  I)aben  will,  ausgeliefert.  Am  Coango 
barf  kein  inabd)en  I)eiraten,  el)e  fie  nid)t  il)ren  (Eltern  burd)  profti- 
tution (bewinn  gebrad)t  ^at.    Aus  eigenem  Antrieb  geben  fid)  bie 


A.  Die  £age  öer  Stau  bei  5en  hulturarmften  Dölftem.         7 

ntä^c^eti  gegen  (Entgelt  3.  B.  in  Abeffinien,  Afd^anti,  Bambuft  ^in. 
An  öer  (Bolö-  unö  öer  Quaquaftüfte  be|i^t  fa|t  jeöes  Dorf  I  -  3  offisielle 
Sreuöenmööc^n  unter  öem  Sd^u^  il^res  obligaten  „3ul)ölters".  So 
lange  fie  jung  finö,  ftel^en  fie  in  l^of^em  Anfeilen.  3n  großen  (Eeilen 
Don  3nöien,  3.  B.  in  öen  Prooin3en  Bombai),  Siam,  Birma  erkennen 
gemiffe  Klaffen  öer  Beoölfterung  öie  proftitution  fo3ufagen  als  offi« 
3teQen  5^<iuenberuf  an.  3n  Bombai)  toiömet  fid)  il^r  ein  (Eeil  öer 
niäöc^n  im  aüerittgenölic^ften  Alter  unter  Beobachtung  getoiffer,  öie 
Cl^fc^Iiegung  ftopierenöer,  3eremonien.  Diefe  (Eatfad^en  lehren,  öag 
öie  et^ifd)  nieörigfte  Sotm  öes  (Befd^Ied^tsoerhef^rs:  öie  entgeltlid^e 
Proftitution,  aud)  öa  fd^on  geübt  toirö,  too  nod)  fteine  „asftetifc^ 
IDeltaufd^auung"  öen  niäöd^en  Keufd^l^eit  oor  öer  (El)e  auferlegt  unö 
u)o  öie  (Einel^e  nod)  nid^t  als  normatioe  (El^eform  gilt.  Sie  toiöer- 
legen  öemnad)  öie  moöerne  Anfd^auung,  als  fei  öie  Proftitution  erft 
ein  Kefultat  unfrer  Kulturfd^äöen  oöer  gar  ein  Proöuftt  öer  Anforöe* 
rungen  einer  „ iiberf pannten"  Se^^ual-iEtl^ik. 

(Ebenfo  oerhef^rt  ift  es  aber  anörerfeits,  öiefe  (Erfd^einungen  als 
^Refte"  überall  irgenöu)ann  entmiAelter  Hormalformen  öes 
gefd)led)tli(^en  (bemeinfd^aftslebens,  namentlid)  als  Hefte  eines  aüge* 
meinen  »(befc^Ied^tskommunismus",  an3ufpre(^en.  Sie  finö  oielme^r 
-  nac^  allem  u)as  u)ir  n)iffen  -  Baftarö-  unö  Hebenformen  fold^er 
Arten  öer  (Befd)Ied)tsDerkel)rsnovmen,  öie  auc^  bei  naturoölhem  fd^on 
fou)o^I  öem  Serualoerhe^r  öes  niannes,  u)ie  namentlid)  öem  öer  5tau, 
Sc^ranlien  auferlegen.  Hatürlid)  kennen  bei  öen  naturoölkem  toeöer 
mann  nod)  5^<iu  f  i  1 1 1  i  d)  e  Derpflid^tungen  3ur  Keufd)^it  unö  el)e« 
liefen  (Ereue.  Aber  öem  freigen)al)Iten  Derkel^r  einer  5rau  mit  mel^reren 
mönnem  fd^einen  eben  öod)  oon  jel^er  -  ö.  l).  fotoeit  unfre  (QueQen 
überl)aupt  3urü(kreid)en  -  normalertoeife  übertoaltigenöe  pfi)d)oIogifd)e 
niomente  entgegen  3U  ftel^en.  (Eiferfud)t  unö  (betoalttätigkeit  finö  öem 
manne  bei  faft  allen  primitioen  Dölftem  eigen,  unö  überall  ergreift 
i^n  ein  <E  i  g  e  n  t  u  m  s  gefül)I  gegenüber  öen  S^^uen,  öie  [idf  i^m 
3ettrDeife  oöer  öauernö  anfd^Iiegen.  Sie  finö  graöe3U  öasjenige  ,,®b- 
jekt",  auf  öas  ftd)  öer  (Erieb  öes  menfd^en,  über  irgenö  ettoas  aus« 
fd^Iieglid)  3U  oerfügen,  am  früf^ften  gerid^tet  3U  l^aben  fd^eint  unö  mit 
öem  öer  Begriff  öes  ^.Cigentums"  am  frül^ften  oerknüpft  touröe.  — 
Die  beliebte  Dulgär*f03ialiftifd)e  (El^eorie,  öag  erft  nadi  (Entftef^ung  öes 
Prioateigentums  an  Sad^gütem  öen  mann  öie  (Eigentumsgier  aud) 
öer  5f<^tt  gegenüber  erfaßt  f^abe,  ift  eine  pf^antafte,  meldte  öie  Be« 


8  primitioe  (Befc^Iec^tsoerbinöungen  unö  legitime  (E^e. 

obac^tung  5er  primiUofteti  £ebensformen  öireht  toiberlegt. 

Der  primitioe  mann  pflegt  {eine  Befi^rec^te  fotoo^I  mit  graufamer 
Strenge  toie  mit  allerlei  Dorfid^tsmagregeln  5U  toaf^ren.  Bei  oielen 
auftra[i|(^en  Stammen  mug  5.  B.  5ie  S^au  beim  Cffen  neben  i^m 
fi^en,  öarf  nid^t  ol^ne  Begleitung  5en  £agerpla^  oerlaffen  unö  nid)t 
augerl^alb  öesfelben  mit  fremöen  ITlännem  fd^toa^en.  IDirb  bemna«^ 
5ie  {d)U)ä(^ere  unb  burd)  if^re  (befd^Ied^tsfunfttionen  periobifd)  gebunbene 
5tau  burd)  5urd)t  oor  bem  Starheren  in  ber  Regel  3ur  3urü(k^al« 
tung  gegen  anbre  ITlönner  gestoungen,  {0  ^inbert  ben  Dtonn  5tDar 
nid)t  bie  5utd)t  oor  ber  5^^^,  tool^I  aber  bie  5utd)t  oor  anbren 
niännem:  Dätern,  Brübem  unb  (batten,  toillftürlic^  in  beren  (igen* 
tumslp^äre  einsugreifen. 

Aüerbings  pflegen  bie  großen  (Eansfeftlic^fteiten  ber  fluftralier 
unb  mand)er  polpnefifc^er  unb  afriftanifc^er  Stämme  in  allgemeiner 
3figeIIofigfteit  il^ren  Abfd^Iug  3U  finben.  Aber  was  im  Raufd)  ber 
5e{t[id)fteiten  erlaubt  ift,  gilt  aud)  bort  ebenfotoenig  für  bas  All« 
tagsleben,  toie  etioa  bei  uns  bie  gefellfd^aftlid^en  Steilheiten  unb 
Begagiertl^eiten  bes  Kameoals,  unb  noc^  oiel  toeniger  ift  es  als  „Knöa* 
ftanb"  eines  frfif^em  Hormalsuftanbes  ansufpred^en.  tlirgenbs  barf 
bie  S^ou,  bie  fid)  einem  mann  angefd^Ioffen  Ifat,  be5U).  in  feine  (Be* 
malt  getreten  ift,  toeiterl^in  of^ne  {eine  3uftimmung  mit  anbren  Vflan* 
nem  oerkef^ren,  unb  es  ift  lebiglid)*  eine  Konfequens  feines  (Eigen« 
tumsgefüf^ts  unb  feiner  pf^ppfd^en  Ueberlegenf^eit  il)r  gegenüber,  ba% 
er  fie,  toenn  es  if^m  pa^i,  stoingen  kann,  fid)  auc^  anbren  mönnem 
preis3ugeben.  So  red^nen  es  fid)  faft  alle  primitioen  Dölher  3ur 
Pflid^t  unb  (Ei)re  an,  5t<^uen  unb  (Eöd)ter  gelegentlid)  il^ren  (Baft< 
freunben  3ur  Derfügung  3U  ftellen. 

Aud)  bie  Sitte  bes  Derleif^ens  unb  Dertaufd^ens  ber  5t<iuen  unter 
befreunbeten  mönnem,  mit  ober  of^ne  Cntgelt,  ebenfo  mie  oiele  anbre 
(betDol)nl)eiten  äl^nlic^er  Art,  erklären  fid)  gan3  einfad)  als  Ausflug 
ber  felbftoerftänblid^en  f}errenred)te  bes  Stärkeren  unb  als  Konsef* 
ftonen  an  bie,  burd)  ben  Begriff  ber  (befd)Ied)tsel)re  nod)  nid)t  ge* 
bänbigte  3ügeHofigkeit  bes  (Erieblebens.  Dagegen  ift  il)re  Deutung 
als  Heft  einer  allen  Dölhern  gemeinfamen  „(Enttoidtlungsftufe"  ur« 
fprünglid^er,  allgemeiner  „Promiskuität"  =  toat^IIofen  (befd^Iec^tsoer* 
kef^rs  aller  Dolks«  ober  f}orbengenof{en,  ober  oon  „KoIIektiO'iEf^en''  = 
6efd)Ied)tsoerkef)rs  aller  männlid^en  mit,  allen  gemeinfamen,  toeiblic^en 
{)  aus  genoffen,  ober  oon  „(bruppen*(El)en''  =  (befd^Ied^tsoerke^rs  einer 


A.  Die  £age  öer  5^<^tt  ^^i  ^^^  hulturänn|ten  Dolftern.  9 

befHiitint  umgrensten  (Bruppe  von  IlTännem  mit  einer  beftimmt 
itmgreii3ten  (Bruppe  von  Stauen  innerl^alb  einer  f}or5e  ober  eines 
Stammes,  -  Begriffe,  in  toeld^e  öann  regelmäßig  6ie  Dorfteüung  einer 
Steigt  ber  Stau,  fid^  nac^  il^rem  (befallen  gleid^seitig  mel^reren 
ntännem  ^insugeben,  eingefd^Ioffen  toirb,  -  eine  ooreilige  t^ppotf^efe, 
bie,  in  fid)  untoa^rfd^einlid^,  burd)  bie  neueften  S^rfd^ungen  jeben« 
falls  mett  e^  toiberlegt  als  beftötigt  toirb.  IDir  gelten  auf  biefen 
Punkt  etioas  nä^er  ein,  toeil  biefe  Annaf^men  f otool)!  in  ber  DuIgär*{o3ia« 
liftifd^en,  toie  in  ber  5t<iuenliteratur  oielfad^  3um  3n>edt  unspaltbarer 
•€ntiDi(kIttngs''«Konftruktionen  oenDenbet  toorben  finb,  ja  {ogar  von 
mond^en  Sosialreformem,  bie  gegenüber  btn  Sd^öben  bes  mobemen 
<5e{d)led)tslebens  nad)  neuen  5ormen  unb  magftöben  fud^en,  getciffer* 
magen  als  Beifpiele  unb  Dorbilber  größerer  fepieller  p.Unld^uIb"  unb 
„natürlid^fteit"  ^erangesogen  toerben. 

Die  IDillftür  bes  (Erieblebens  toirb  bei  3al)Ireid)en  primitioen 
Dölhem  yvax  in  erfter  £inie,  aber  lieinestDegs  nur,  burd)  {ubjektioe, 
pfq^ologifc^e  IRomente :  Surd^t  unb  (Eiferfud^t,  in  Sd^ranken  gel^alten. 
Dielmef^r  ift  es  |d)on  l)ier  beftimmten,  ftrengen,  allerbings  gan3  an« 
bersartigen  normen  als  bei  uns  untenDorfen,  bie  in  il^rer  Art  eben« 
falls  btn  (Erfolg  erreid^en,  bas  Se^^ualleben  über  bie  Stufe  bes  rein 
tierifc^en  (Erieblebens  ^inaus3ul)eben  unb  bie  Dorbebingungen  eines 
gefitteten  (bemeinfd^aftslebens  3U  fd^affen.  Das  ben  (befd^Ied^tsoerliel^r 
regulierenbe  Prin3ip  ift  babei  faft  überall  bas  Derbot,  mit  einem  engeren 
ober  meiteren  Kreis  oon  Blutsoertoanbten  gefd^Ied^tlid)  3U  oerket^ren. 
Seine  niotioe  finb  bisl^er  nod^  nid^t  oollftänbig  erklärt.  Als  3iemlid) 
fieser  barf  nur  gelten,  bog  ber  (bebanke  ber  Derbunbenl^eit  burc^  bos 
Blut-aud)  bas  Ülutterblut  -  nidjts  ^primitioes"  ift;  oielmeljr  ift  bie 
(Bemeinfd^aft  ber  Bef^aufung  unb  Hal^rung  ber  ältefte  „natürlid^e"  Der* 
manbtfd^aftskreis:  nod)  bem  Araber  ber  oorislamitif d)en  3eit  ift 
»Blutsbruber"  ber  mann,  ber  f^aus  unb  Hal^rung  geteilt  l)at.  Die  fitt* 
liefen  Sd^ranken  ber  DenDanbten'(Et)e  fd)ü^ten  alfo  iDof)I  urfprünglid) 
ben  Sneben  ber  fjausgemeinfd^aft.  Ulit  (EnttDidtlung  bes  „Bluts"* 
(Bebankens  gelten  bann  getoiffe  Derioanbtfd^aftsgrabe,  am  allgemein* 
ften  unb  früf^ften  toot)!  bie  BIutsbe3iel)ung  3iDifd)en  (Eltern  unb  Kin* 
bem,  bann  smifd^en  (befd^tDiftern,  unb  bei  l^öf^er  enttDiAelten  Stämmen 
aud)  3iDifd)en  (Befc^mifterkinbem  erften  unb  3iDeiten  (Brabes,  fd^on 
Dielen  naturoölkem  als  unüberfteiglid^es  {)inbemis.  Diele  auftra* 
Iif(^,  polqnefifd^e,  malaiifd^e  unb  inbianifd^e  Stämme  traben  bie  kom- 


10         Primitioe  (Befd^Ied^tsoerbinöungen  unö  legitime  C^e. 

pli5ierteften  unö  öes^alb  von  if^reti  erften  Cntöedtem,  3.  B.  auc^  oon 
ntorgan,  3.  (E.  migoerftanöenen  Sa^ungen  erfunöen,  um  ben  <6e* 
fd)Ied)tSDerhe^r  BIutsoertDanöter  3U  l^inbern.  IDir  können  öiefe  Regeln, 
namentlich  bie  für  uns  f^öd^ftftembartigenDertDanbtfd^aftsorganifationen 
ber  fluftralneger,  f^ier  nid^t  unbead^tet  laffen,  meil  fie  es  {inb,  auf 
bie  fid)  bie  {)i}potl)e{e  oon  ber  „enttDidtlungsgefd^id^tlid^en"  Bebeut« 
famfteit  ber  KoIIehtio*  unb  (5ruppen*(El)en  als  auf  i^re  unfef^Ibarften 
Bemeife  geftü^t  f^at.  Unb  in  ber  Zat,  biefe  frembartigen  (Ein* 
rid^tungen  fd^einen  beim  erften  Blidt  jene  f}i}potl)e{en  3U  red^tfertigen. 
3ene  auftralifc^en  Stamme,  bie  mir  l^erausgreifen,  meil  grabe 
fie  burd)  (Eunoto  muftergültige  Bearbeitung  gefunben  f^aben,  teilen 
nömlid)  il^re  t)orbengeno{fen  in  brei  Altersgruppen :  bie  jüngfte  Sc^id^t 
umfaßt  alle  f}orbenftinber  unb  bie  gefamte  nod^  nic^t  gefd^Ied^tsreife 
3ugenb.  3ur  ÜTittelfd^id^t  gehören  alle  (Befd)Ied)tsreifen  unb  aUe 
(Eltern  unerroad^fener  Kinber,  unb  in  bie  ältefte  Sd^id^t  fteigen  alle 
(Eltern  enoac^fener,  b.  l).  ge{d)Ied)tsreifer  Kinber  auf.  Der  Aufftieg 
oon  ber  jüngeren  Sd^id^t  in  bie  ber  Alteren  ift  mit  ber  (Erlangung 
geu)i{fer  materieller  Dorred^te  oerbunben.  namentlid)  ber  (Benug 
oieler  Speifen  ift  bat  fliten  oorbeljalten.  -  Das  Auffällige  unb  5^^wib« 
artige  biefer  (Einteilung  beftef^t  nun  barin,  bag  fid^  aUe  Sd^ic^tgenoffen 
untereinanber  als  Brüber  unb  Sd)U)eftem  bie  Angel^örigen  ber 
alteren  Sd^id^t  als  Dater  unb  Illütter,  bie  ber  jüngeren  aber  als 
Söl^ne  unb  (Eöd)ter  be3eid)nen.  IDas  IDunber,  ba%  bie  erften  Cnt« 
beAer  aus  ber  eigentümlid^en  (Eatfad^e,  bag  alle  {)orbengeno{fen  fid) 
Dater,  niutter,  Bruber,  Sd)n)efter,  So^n,  (Eod)ter  u.  {.  w.  nennen, 
entfpred^enb  il^ren  Dorftellungen  über  bie  Bebeutung  biefer  IDörter 
bei  uns  ben  Sd^lug  ge3ogen  l^aben,  ba^  biefe  aud^  l)ier  tatföd^li^ 
ober  mutmaglid)e  Blutsoeru)anbtfd)aftsoerl)altniffe  be3eid)nen  follten, 
unb  ber  (bxunb  bafür  barin  3U  finben  fei,  ba%  jebenfalls  urfprünglid) 
alle  Angel)örigen  berfelben  Sd^id^t  tatföd^lid)  einanber  (bauen  gemefen 
feien,  alfo  in  „(bruppen-(El)en''  gelebt  unb  fid)  besl^alb  als  gemein« 
fame  (Eltern  aller  in  ber  3ugenbfd)id)t  oereinigten  Kinber  betrad^tet 
l^ötten.  Unb  bie  (Eatfad^e,  bag  bei  mand^en  polpnefifd^en  unb  inbia* 
nifdjcn  Stämmen,  ber  mann  bie  5^owen  feiner  Bruber  unb  bie 
Sd)toeftern  feiner  S^^u,  alfo  feine  fömtlid^en  Sd)U)agerinnen  mit 
bcmfelben  IDorte  roie  feine  5rau,  alfo  —  fo  überfe^te  man  —  als 
„(battxnntn*'  be3eid)net  unb  aud)  oon  il^nen  „(batte**  genannt  mirb, 
fd^ien  auc^  bie  „(Bruppenel^en-If^eorie"  unangreifbar  3U  fidlem.  Die 


A.  IMe  £age  ber  5^^^  bei  5en  hulturämt|ten  Dölftem.        11 

neueften  Utiterfuc^ungeit  entstehen  il)T  jeöoc^  öiefe  Stufen  toieöer, 
öfnti  fie  fyAtn  ertDtefen,  öag  5te  bei  5en  Kulturoölliem  nur  für 
BlutsDenDanbt{d)aftsDerf)aItniffe  unö  (Befd^Ied^tsbesiel^ungen  gebraud^ten 
Be5etd)nttngeti  bei  öen  fluftralnegern,  polpneftem  unö  3n5ianem 
betnesmegs  nur  öie|e,  fonbem  augeröem  aud^  bas  (Benerations«  unb 
KIa{fen5ttge^rig!teits«Der^äItnis  ber  t^orben*  ober  Sippen* (Benoffen 
suetnanber  beseic^nen,  etwa  toie  bei  uns  kleine  Kinber  alle  ertDad)* 
fenen  £eute  „®nkel''  unb  „Hante"  3u  nennen  pflegen  unb  in  ben 
ruffifc^en  Dorfgemeinben  nod)  freute  bie  jüngeren  ITlanner  ade  Alten 
aus  Cf^rfurd^t  als  „Dater"  ober  „(Dnkel"  beseid^nen.  (Ein  Beweis  ba* 
für  ift,  bog  bei  ber  Altersklaffeneinteilung  bie  Beseid^nung  5U)eier 
Sc^tc^tgenoffen  ftc^  önbert,  fobalb  ber  Aeltere  oon  beiben  in  eine 
anbre  Sd^id^t  auffteigt.  IDirb  5.  B.  ber  öltefte  Bruber  in  bie  Klaffe 
ber  (Befd^Ied^tsretfen  aufgenommen,  toöf^renb  ber  jüngfte  nod^  in  ber 
unteren  3urüdtbleibt,  fo  toirb  er  oon  nun  an  als  „Dater"  bes  junge* 
ren,  biefer  aber  ab  „Sof^n"  bes  alteren  be^tid^net  Ueberbies 
kennt  ber  einselne  fe^r  n)O^I  feine  u)irklid)en  (Eltern  unb  (Bef(^u)ifter, 
mit  bentn  er  ja  bis  5ur  niänneru)eil)e  unb  bas  Hlöbd^en  bis  3ur 
»f>etrat''  ^usHc^  sufammenlebt.  5^f^  überall  mixb  aud)  fprad^Iid) 
ber  „eigene"  Dater  00m  ^anbern"  Dater  unterfdjieben.  3a,  es  l>at 
fid)  l^ausgeftellt,  ba%  bie  (benerationseinteilung  fogar  bebingt  ift 
burd)  bie  Kenntnis  ber  inbioibuellen  Derroanbtfd^aft  5U)ifd)en  (Eltern 
unb  Kinbem.  Denn  ber  mit  beftimmten  Dorred)ten  oerbunbene  Auf' 
ftteg  eines  niannes  ober  einer  S^^u  in  bie  Klaffe  ber  Alten,  t)ängt 
ntd^t  oon  ber  3at)I  il^rer  3al)re,  bie  ja  auf  biefer  Kulturftufe  ftets 
nur  unbeftimmt  geu)u6t  wixb,  fonbern  lebiglid^  oon  bem  (Eintritt 
if^res  älteften  Kinbes  in  bie  Ulittelfc^id^t  ab. 

Au(4  bie  oben  ermöl^nte  (Eatfad^e,  bog  fid)  bei  einigen  poIi)neft« 
f<l^n  unb  tnbianifd)en  Stammen  alle  Sd)n)äger  unb  Sd)n)ägerinnen 
als  .(Batte"  unb  „(battin**  be3eid)nen,  ift  kein  Beu)eis  bafür,  bog  bies 
üOort  bort  basfelbe  bebeutet  mie  bei  uns,  unb  fie  folglid)  einanber  aud) 
nnrklid)  (Batten  fi nb  ober  fein  könnten.  (Es  l)at  fid)  nämlid)  t^erausge* 
ftellt,  büg  fid)  aud)  bie  Sd)n)agerinnen  untereinanber,  alfo  bie  S^^^ 
eines  niannes  unb  beffen  Sd)U)eftern  „(Battinnen"  nennen,  ebenfo  u)ie 
ber  mann  bie  Brüber  feiner  Stau  fämtlidj  als  „(Batte"  be3eidjnet.  - 

Rudi  bei  Aufgabe  ber  KoIIektio*  unb  (Bruppenel^en'It^eorie  ift 
nun  ber  Sinn  jener  (Benerationseinteilung  red)t  n)of)I  erklörlid).  Statt 
bes  Beo^eifes  für  bie  (E|[iften3  eines  frül^eren  allgemeinen  (Befd^Ied^ts* 


12         PrfanittDe  (Befd^Iec^tsoerbinöungen  unb  legitime  C^e. 

ftommunismus  innerf^alb  beftimmter  größerer  ober  Metnerer  nienfc^n« 
gruppen,  fe^en  toir  in  ü^x  oielmef^r  ein  primitioes  mittel  ßur  Be* 
fd^ränftung  unb  Regulierung  bes  (Befd^Ied^tsoerhef^rs  bei  oielen 
naturoölftem.  tlur  Angef^örige  berfelben  Sd^ic^t  bfirfen  einanber 
„heiraten",  folglich  merben  burd^  biefe  (Bruppierung  3unöd){t  Der* 
toanbte  in  auf*  unb  abfteigenber  £inie :  (Eltern  unb  Kinber,  ®nkel  unb 
tlid^ten  u.  {.  w.  oom  (Be{(^Ied)tsoerhel)r  ausgefd)Io{fen.  IDeiter^in 
bürfen  aber  aud^  innerf^alb  berfelben  Sd^id^t  {ebenfalls  leiblid^e 
(Befd^tDifter  einanber  nic^t  „heiraten."  IDer  infolgebeffen  in  ber 
eigenen  f}orbe  fteinen  (Beno|{en  finbet,  mug  fef>en,  mie  er  fid)  aus  ber 
nad^bar^orbe  oerforgt  ober  anbertoeitig  fd^ablos  ^ölt. 

natfirlid)  ftann  biefe  Art  ber  Cinteilung  ^äufig  if^ren  Stoeck  Der* 
fehlen,  toeil  burc^  ben  Sd^id^tioed^fel  DertDanbte  in  auf*  unb  abftei* 
genber  £inie,  5.  B.  bie  öltefte  (Eod^ter  eines  niannes  mit  feinem 
jüngeren  Bruber  in  einer  Sc^tc^t  oereinigt  merben  unb  bann  boc^  in 
(Befd^Iec^tsoerhef^r  miteinanber  treten  können.  f}df)er  entroidtelte 
Stamme  unterlaffen  besl^alb  b^n  Sd^id^tioed^fel  unb  beobad^ten  ftatt 
ber  (benerationseinteilung,  bie  fid^  auf  bie  ein3elne  f}orbe  befd^rönkt, 
eine  fefte,  auf  btn  gansen  Stamm  ausgebef^nte  Klaff eneinteilung, 
bie  mit  unfel^Ibareren,  aber  aud^  mit  meit  komplisierteren,  ÜTitteln  im 
Prin5ip  biefelbe  Sanktion  erfüllt  tote  bas  einfad^ere  Alterskiaffen« 
fpftem.  Statt,  toie  bei  biefem,  je  nad)  feinem  Durd^fd^nittsalter  bie 
KIaffen3ugel)örigkeit  3U  u)ed)feln,  toirb  ^ier  ber  einselne  lebens* 
lönglid)  einer  beftimmten  Klaffe  5ugered)net,  beren  Dtitgliebem  nic^t 
nur  ber  (Befd^Ied^tsoerkef^r  mit  btn  Angef^örigen  ber  alteren  unb 
jüngeren  Klaffe,  fonbem  innerf^alb  berfelben  f}orbe  in  ber  Regel  aud) 
untereinanber  oerboten  ift,  fobag  jeber  nur  nod^  in  bie  korrefpon« 
bierenbe  Klaffe  einer  ober  mehrerer  anbrer  t)orben  f^ineinf^eiroten 
barf .  (Es  liegt  nalitt  aud^  biefe  Regel  aus  bem  Beftreben  3U  erklaren, 
bm  ,,Kampf  um  bas  IDeib"  innerhalb  ber  t)orbe  ab  für  beren 
Beftanb  gefö^rlid^  3U  befeitigen.  Auf  biefe  Q)eife  u)erben  alfo  nic^t 
nur  DenDanbte  in  auf*  unb  abfteigenber  £inie,  fonbem  innerf^alb  ber 
f)orbe  aud)  SeitenoertDanbte  oerfd^iebener  (brabe  00m  (Bef(^Ie<i^t$* 
oerke^r  ausgefd^Ioffen.  Die  t)orben  ober  Sippen  merben  baburd)  3U 
fogenannten  ,,e;ogamen"  (nad)  brausen  ^eiratenben)  Dermanbtfd^afts« 
gruppen,  im  (5egenfa^  3U  ben  ,,enbogamen",  b.  ^.  unter  einanber 
l)eiratenben  f}orben  primitioerer,  lebiglid^  bie  Altersklaffeneinteilung 
beobad^tenber,  Dolksftämme.  - 


A.  Die  £age  öer  5^^^  ^i  ^^  hulturarmften  Dölftem.        13 

Ab  e^ogome  DertDatiötfd^aftsgtuppen  pflegen  fie  [lii  ein  gemein« 
iomes,  tier'bilblid^es  oöer  pflanslic^es  flbseic^en  -  in  flufttalien 
„Kobong",  bei  inbionifc^en  Stämmen  unb  banad)  in  ber  IDiffenfd^aft 
„(Eotem'  genannt  —  3U3uIegen,  bas  if^re  oenDanbtfd^aftlid^e  3tt« 
gel)drigkeit  hennseid^nen  foll  unb  f^äufig  (begenftanb  aberglöubifd^er 
Dere^rung  mfarb.  Auf  feine  oerfd^iebenattige  Bebeutung  für  bie  oer« 
fd^iebenen  Sonnen  ber  DertDanbtld^aftsorganifationen  toerben  mir 
loeiter  unten  einge^n.  -  Bei  oielen  f^öf^er  entioidtelten  Stammen  befte^t 
nun  bie  (Eenbens,  einen  ftets  toeiteren  Kreis  oon  BIutsoertDanbten  oom 
(^fc^Ied)t$oerhe^r  aussufd^Iiegen,  unb  bie  Dermeibung  bonfanguiner 
Bejie^ungen  ^at  oielertDÖrts  |o  fef^r  ben  d^arakter  ber  unbebingten 
norm  angenommen,  bog  jeber  (5e|(^Ie(^tsoerke^r  Dertoanbter  oon  ben 
f>orbengeno{fen  als  |(i)amIo|er  S^^^^I  beftraft  toirb,  mä^renb  im 
übrigen  Cl^bruc^  ober  fonftige  Sügellofigfteiten  nid)t  für  el^rlos 
getten.  Die  gefd^Iec^tsreifen  Klaffen  ber  einen  {)orbe  treten  bes^alb 
in  regelmögige  Besie^ungen  5U  ben  horrefponbierenben  Klaffen  onbrer 
f}orben.  (Ein  regelmäßiger  5^^uentaufd)  fpinnt  fefte  S^^^^  l^inüber 
unb  ^über,  unb  3ur  immer  forgföltigeren  Dermeibung  oon  Der* 
cDcnbtene^en  pflegen  innerf^alb  eines  Stammes  mehrere  (5ruppen  oon 
f>orben  Derbönbe  3U  bilben,  bie  fosufagen  ein  feftes  fJeiratskarteU 
miteinanber  {(^liegen,  {0  bog  bie  Angef^örigen  bes  einen  Derbanbes 
nic^t  untereinanber  unb  aud)  nid)t  mit  Dritten,  fonbem  nur  mit  ben 
Angehörigen  bes  horrefponbierenben  Derbanbes  oerkef^ren  bürfen. 

(Es  ift  Mar,  bog  bie  Ausprägung  biefer  Kegeln  es  bem  (be* 
f(^Ied)tsreifen  erf(^u)ert,  ja  ^öufig  5eitn)eilig  unmöglid^  mad)t,  inner* 
l^b  bes  Stammes  einen  (5efaf}rten  3U  finben.  f}ierauf  ift  in  Au* 
ftralien  unb  offenbar  auc^  bei  anbren  kulturarmen  Dölkem  bie  über* 
miegenbe  nTe^r3al)I  berjenigen  Der^öltniffe  3urüA3ufüf)ren,  bie  oon 
manchen  Sorfd^em,  3.  B.  nod)  neuerbings  u)ieber  oon  3.  Kof^Ier, 
als  Refte  allgemeiner  »KoIIektioel^en''  gebeutet  u)orben  finb. 

Der  gefc^Iec^tsreife  Klann,  bem  ber  Derkel^r  mit  einer  {)orben« 
genoffin  oerboten  ift,  fud)t  normalenoeife  baburd)  3U  einer  5^^^  3U 
kommen,  ba^  er  feine  Sd^mefter  gegen  ein  IDeib  aus  ber  Kad^bar* 
^rbe  oer^anbelt.  Diefer  Sc^meftemtaufd^  ift  namentlid^  bei  ben 
Attftralnegem  eine  meit  oerbreitete  Sitte  unb  mal^rfd^einlid}  eine  ber 
primttioften,  mo^I  no«^  weit  oor  ben  „lotemismus"  3urüAget)enben, 
oeil  näd)ftliegenben  Sormen  ber  „(Ef^efd^Iiegung",  möf^renb  ber  natür* 
lic^  bei  Krieg  unb  S^^be  regelmäßige,  aber  aud)  fonft  läufig  oorkom* 


14         prfanitiDe  (Befd^IetJ^tsoerbinöungeti  unb  legitime  C^. 

menöe  Stauenraub  auc^  bei  5en  primitioften  Dölftem  fceinesiDegs, 
mie  frit^er  behauptet  morben  i\t,  als  eine  anerftannte,  normale 
5orm  öer  (befc^Ied^tsoerbinbung,  fonbem  immer  als  eingriff  in  eine 
frembe  (Eigentumsfp^ore  gilt,  burd^  bm  ber  (Eäter  fid)  bie  Rad^e  ber 
Angehörigen  ber  (Beraubten  3U3ief)t.  —  Da  aber  bie  tlatur  bie  3a^I 
ber  Brüber  unb  Sd^meftem  nid^t  aufeinanber  absuftinrnten  pflegt, 
oerbleibt  beim  Sc^mefterntaufd^  i)äuftg  bzn  jüngeren  Brübem  keine 
Sd^mefter  3um  (Eaufd)  5u  oergeben.  (Dber  aber  er  finbet  grabe  kein 
i)eiratsfal)iges  ITlabd^en  in  ber  betreffenben  il)m  erlaubten  Klaffe  ber 
anbren  f}orbe  oorrötig.  3n  fold^en  5^^^^  Pfl^9t  bann  ber  oerforgte 
altere  Bruber  mof^I  bie  3U  ftur3  gekommenen  3üngeren  an  bem  Be* 
fi^  feiner  (battin  teilnehmen  3U  laffen,  unb  bann  natiirlid)  unter  ber 
Bebingung,  bog  i^m  gegenüber  ben  etioa  fpäter  ertDorbenen  (bat* 
tinnen  ber  jüngeren  Brüber  bas  gleid^e  Red^t  eingeräumt  mirb.  Diefe 
Art  ber  „KoIIektioe^e"  ift  bemnad^  ein  Rotbe^elf,  nid^t  aber  eine  Hör* 
malform.  Unb  felbftperftönblic^  ftnb  babei  bie  Stauen  jeber  Selbft* 
beftimmung  beraubt  unb  oöllig  3um  (Dbjekt  einer  Reii^e  oon  Itlönnem 
emiebrigt:  ob  fie  toollen  ober  nid^t,  ^aben  fie  fepiell  ftatt  eines 
t)erm  nun  einfach  mel>rcren  3U  bicnen.  — 

Aüerbings  e;iftiert  nad^toeisbar  fomof^I  auf  btn  Sanbtoid^Onfeln 
in  f}au)ai,  toie  bei  einigen  AuftraMlegerftömmen ,  eine  toirklid^e 
„(bruppenei)e'' ,  bie  nid^t  aus  bm  {)eiratsbefd)rankungen  ober  aus 
mirtfd^aftlid^en  Urfad^en  3U  erklaren,  fonbem  offenbar  eine  offi3ieII 
anerkannte  tlebenform  ber  üblid^en  inbioibuellen  (befd^Ied^tsbesie* 
l)ungen  ift.  Die  auftralifd^en  Dieperie  (Dieri)  kennen  3.  B.  neben  btn 
üblid^en  polygamen  (ober  aud)  3ufanig  monogamen)  Derbinbungen  bie 
fogenannte  pira'uru«(El)e,  3U  ber  bie  Aelteften  ber  {)orben  bei  ben 
großen  (Ean3feftlid)keiten  mei^rere  ITlanner  unb  S^^uen  beftimmen, 
unb  3U)ar  berart,  ba%  von  biefen  AusenDäf^Iten  jebem  Dtanne  neben 
feiner  {)auptfrau  (tloa)  aud)  bie  {)auptfrauen  feiner  S^^unbe  3um 
(Befd)Ied)tsoerkei)r  angetoiefen  toerben,  bie  bafür  il^rerfeits  bie  mit« 
„(Eljemänner"  (pira-uru)  {einer  Ijauptfrau  fein  bürfen.  Don  einer 
ID  a  i)  I  freil)eit  ber  5  ^  ^  u  e  n  im  Derkei^r  mit  il^ren  f}aupt«  unb 
nebenmännem,  ober  oon  einem  f^armonifd^en  fe^ueüen  Kommunismus, 
bei  bem  jeber  bem  anbren  alles  gönnt  -  toie  il^n  fic^  pi^antaften 
unb  3.  B.  miffenfd^aftlid^e  Dilettanten  mie  (Earpenter  ausmalen  - 
fd)eint  babei  aber  keinestoegs  bie  Rebe  3U  fein.  Die  Anfprüd^e  ber 
oerfd^iebenen  ÜTönner  toerben  nämlic^  forgfältig  gegeneinanber  abge« 


A.  Die  £age  ber  5f<^u  bei  bzn  hulturarmften  Dölkern.        15 

iDogen:  Das  ^C^ered^t"  eines  pira^uru  bann  nur  in  Abtoefenf^eit  bes 
Qattpt«(E^manns  ober  nur  mit  beffen  Suftimmung  ausgeübt  toerben, 
ttberbies  I^oben  bie  älteren  IlTänner  immer  btn  Dortritt  oor  ben 
lungeren.  -  (Es  Rubelt  fid)  offenbar  einfach  um  eine  Art  (5egen> 
{ettigheitsoer^Itnis  bes  in  biefer  Artprioilegierten  Meinen  Kreifes 
oon  mdnnem  unter  fid)  unb  bie  baburd)  offisieü  l^ergeftellte  ITlöglid)« 
beit  polqgamen  6e{d)[ed}tSDerkel)rs  für  fie.  (Eine  al^nlid^e  3nftitution 
tft  and)  bie  oielbefprod^ene  PunaIua«(El)e  auf  t^atoaü,  bie  ber  (bxwpptn* 
e^'Il^eorie  bas  mertDoIIfte  IlTaterial  geliefert  l)at. 

Att«^  bei  einigen  anbren  polpnefifd^en,  malaiifd^en  unb  inbiani« 
fc^n  Stämmen  glaubte  man  Refte  berartiger  (Bruppenel^en  konftatieren 
3U  können,  toobei  bann  aber  als  Betoeismittel  aud^  Sitten  unb  (Be* 
bräud)e  „an  btn  t^aaren''  ^rbeigesogen  tourben,  5.  B.  oon  Kollier  bie 
fogenannte  Eeoiratsel^e,  bie,  mie  toir  fpäter  fef^en  merben,  nad^toeisbar 
in  gan3  anbersartigen  (ftreng  patriard^alen)  Dorausfe^ungen  tourseln. 

Hber  {elbft  mtnn  KoUektio'  ober  (5ruppene^e  ba,  mo  man  fie  erfpüren 
3U  können  glaubt,  aud^  toirklid)  nid^t  nur  als  Hebenerfd^einung,  [onbern 
als  normalform  ber  (befd^Ied^tsbesiel^ungen  beftanben  l)ätte,  fo  trüge 
i^r  quantitatioes  Dorf^anbenfein  tro^bem  5U  [ef)r  ben  (Ef^arakter  ber 
et^nologifd^en  Kuriofität,  um  als  felbftänbiges  (Blieb  einer  allgemeinen 
allen  Dölkem  eignen  (Entioicklungsftufe  gelten  3U  können.  Als  Heft 
•urfprünglic^r''  3uftänbe  können  jene  (Erfd^einungen  aber  fd)on  bes* 
f^olb  nid)t  betrad^tet  toerben,  meil  fie  ja  bie  (E|rogamie,  bie  Ausbel^nung 
bes  ^.C^'-Derbots  auf  einen  fel)r  toeiten  Kreis  oon  Blutsoertoanbten 
Dorausfe^en,  bie  if^rerfeits  fd^Ied^terbings  nid^ts  „Urlprünglid^es",  fon« 
bem  oielme^r  erft  bas  (Ergebnis  eines  langen  (EntrDiAIungspro3effes 
(ein  kann.  -  Doüenbs  für  bie  S^^^^  ^^^^f  nad)  ber  Stellung  unb 
IDertung  ber  S^^u  bei  bm  Haturoölkem,  auf  beren  (Erörterung  es 
uns  ^ier  in  erfter  £inie  ankommt,  können  uns  bie  Kontrooerfen  barüber, 
ob  au(^  jene  5ormen  bes  (befd^led^tslebens  einft  „Hormalformen"  bes 
menfd)Ii(^n  (Bemeinfd^aftslebens  toaren  ober  nid^t,  im  (5runbe  gleid)- 
gültig  fein,  benn  es  gehört  oiel  pt^antafie  ba3u,  fid)  einen  berartigen 
3uftanb  als  Dorabo  ber  5^<iuen  Dor3ufteUen ! 

Dagegen  kommen  toir  nod)  mit  einigen  IDorten  auf  eine  anbre 
iDcit  oerbreitete  Sitte  primitioer  Dolksftämme  3U  fpred^en,  meil  au«^ 
t^r  Don  mand^en  Sorfd^em  großes  (betoid^t  für  bie  (Entroidtlungsge« 
f(^td)te  ber  (&e{(^Ied)tsbe3ie^ungen  beigelegt  toorben  ift  unb  toeil  fie 
-  ebenfo  iDie  ^ufig  bie  (Bruppene^n-I^orie  -  oielfac^  für  bie 


16  primitioe  (Befc^Iec^tsoerbmöungen  unö  legitime  ßft. 

f}i}pot^e{e  einer  ^urfpriinglic^en''  (Bleid^fteüung  ber  5tau  mit  bem 
manne  ober  gar  i^rerUeberorbnung  in  ber5antilie  alsDtutter  inHnfpni^ 
genommen  toirb.  (Es  ift  bie  fd^on  oben  ertDä^nte  Kennßeic^nung  eines 
großen  Kreifes  BIutSDertoanbter  ober  fold^er  £eute,  bie  ftc^  baf&r 
galten:  ber  „Sippe",  burc^  ein  pflanslid^es  ober  tierbilblic^es  flb3ei^^, 
ein  „(Eotem",  nad^  bem  alle  biejenigen,  bie  ,,Don  einem  5I^if(^  finb" 
(ober  es  ju  fein  glauben),  benannt  merben.  Durd)  biefe  Hamens« 
gemeinfd^aft  grenst  fic^  biefe  „Sippe"  gegenflber  blutsfremben  Stammest 
genoffen  ab.  Seinen  Hamen  kann  nun  bas  Kinb  immer  nur  oon 
einer,  alfo  entveber  ber  oöterlid^en  ober  ber  miitterlid^en  Seite  er« 
t^ten,  es  kann  i^m  bas  (Eotem  als  S^^Ui^^'IDappen  unb  S^tif^ 
feiner  Sippe  nur  enttoeber  oom  Dater  ober  oon  ber  IRutter  itber« 
kommen. 

IDo  fid)  nun,  toie  3.  B.  bei  ben  primitioften  auftralifd^en  Stämmen 
-  mie  fd)on  oben  ertDö^nt  —  alle  f}orbengenoffen  als  fold^e  sugleic^ 
als  Sippengenoffen,  b.  ^.  als  BIutsDertDanbte  betrachten,  merben  bie 
Kinber,  toie  3ur  f}orbe,  fo  aud)  5um  (Eotem  bes  Daters  gerechnet. 
Bei  Dielen  unb  yoat  gerabe  aud^  bei  ^öf^er  entiDidtelten  Stammen 
aber  folgen  bie  Kinber  bem  (Eotem  ber  IHutter:  „IHutterfolge*. 
Diefe  3ure<i^nung  5ur  miitterlic^en  Denoanbtfd^aft  l^at  praktif«^  für 
bm  (Einsetnen  infofem  pofitioe  Bebeutung,  als  er  mit  ben  Dtutter' 
oeriDanbten  burd)  bie  aberglöubifc^  Dere^rung  bes  (Eotems  unb  burd^ 
eine  gegenfeitige  Blutrad^e'Pflid^t  oerbunben  ift.  Dies  finb  bei  ben 
nieberen  „3agen)ölkem''  aber  aud)  bie  ein5ig  „pofitioen"  S^^^onen 
bes  (Eotemoerbanbes.  Denn  gerabe  bort,  mo  IRutterfolge  gilt,  bleibt 
ber  (Eotemoerbanb  n  i  d)  t  mit  bem  lokalen  unb  fosialen  Derbanb  ber 
{)orbe  ibentifd).  Dielme^r  leben  bie  (Eotemgenoffen  über  btn  gansen 
Stamm  oerftreut  unb  fe^n  fid)  nur  bei  feftlic^en  Gelegenheiten,  bilben 
alfo  nur  eine  tlamens«  aber  keine  £ebensgemeinfd)aft.  -  Die  mid^' 
tigfte  5unktion  ber  (Eotemorganifation  ift  nöd^ft  ber  Blutrad^e  eine 
negatioe  unb  yx>ax  toieberum,  roie  bie  ber  ertDÖf^nten  Klaffenein» 
teilung,  eine  feptal'poli5eilid)e.  Sie  bient  ebenfo  mie  jene  unb  oiel* 
fad)  neben  il^r,  als  Sd^ranke  für  ben  (Befd^led^tsoerke^r  Blutsoenoanb* 
ter  unb  er^öl)t  in  le^terem  5<^  biefe  Sd^ranken,  inbem  fie  aud)  meit« 
bin  oerftreute  unb  fel)r  entfernt  ober  gamid^t  Denoaubte  (Eotemge« 
noffen  Don  ber  (El^e  untereinanber  abfolut  ausfc^liegt 

Hlle,  bie  .oon  einem  Sl^if^"  f^^b,  bürfen  einanber  nid)t  Giraten. 
Die  ftrenge  Durd)fü^rung   biefes  (Brunbfa^es  ift  nm^rfc^einlic^  ber 


A.  Die  £age  5er  5^ou  bei  5en  ttulturörrnfteti  Dölhern.        17 

loefeittlic^fte,  urfprünglid)  oielleid^t  ausld^lieglic^e  3tDeA,  3U  toeld^em 
fo  Diele  Stämme  5ie  „ntutterfolge",  5.  l).  5te  Benennung  naif  5er 
nititter  beobad^ten.  D^nn  5em  primitioen  Sd^Iugoermögen  mug  ja, 
na(45em  5er  <be5Qnhe  5er  „Blutsgemeinfd^aft"  einmal  ent|tan5en  ift, 
5ie  Dorfteüung  na^e  liegen,  bai  5as  aus  5er  IRutter  ent|tan5ene  un5 
von  i^r  genöf^rte  Kin5,  il^r  in  5ie{er  f}infid)t  naiver  oeru)an5t  fei  als 
5em  Dater,  un5  ba^  btsl^alb  5ie  (5e|d)Ied)tsDerbin5ung  3U)i{d)en  niutter* 
DenDan5ten  noc^  oeriDerflid^er  {ei,  als  5ie  5U)ifd)en  Daten)ern)an5ten. 
Aber  was  uns  ^ier  intereffiert,  ift  5ie  (Eatfad^e,  5ag  aud^  5ort,  mo 
5ie  niutterfolge  gilt,  fid^  5ennod)  5er  Dater  als  5er  eigentliche  (Er* 
3euger  5es  Kin5es  betrad)tet.  Die  S^<^^  gilt  überall  nur  als  „Bo5en", 
in  5en  5er  mann  5en  Keim  legt.  Un5  ebenfo  gefrört,  roie  gefagt, 
bei  5en  primitioften  Auftralnegem  5as  Kin5  3ur  f^oxbt  5es  Daters,  wxxb 
alfo  mit  5er  niutteroenDan5tfd)aft  pofitio  Ie5iglid)  5urd)  Hamens«  un5 
Blutrad^egemeinfd^aft,  negatio  5urd)  (Et^eoerbot,  oerbun5en. 

nirgen5s  aber  l)at  5ie{e  Sitte  für  5as  primitioe  (Bemein|d)afts- 
leben  etioa  5ie  Be5eutung  eines  pofttio  red}tsbtI5en5en  Prin3ips  ge* 
^bt,  un5  oonen5s  ^angt  fie  nirgen5s  fc^on  an  fid)  mit  einer  fpe3ifi' 
id)en  Sd)a^ung  5  er  S^<^^  3ufammen.  — 

Das  Der^öltnis  5er  5rau  3um  ITIanne  wirb  5urd)  5ie  niutterfolge 
an  I  i  d)  in  keiner  IDeife  berührt.  Dielmel^r  t^öngt  if^re  £age  bei  5iefen 
kulturärmften  Dölkem  ausfd^Iieglid^  oon  5em  ntage  ab,  in  u)eld)em 
5ie  fahtifd^e  pf^pfifd^e  Ueberlegenl^eit  if)res  ieu)eiHgen  (Bebieters  - 
fei  es  Dater,  Bruber  o5er  (Batte,  3ur  (Beltung  kommt.  Bei  5em 
niangel  je5es  öffentlid^en  Sd^u^es  e|ri{tieren  keine  Hechts*,  |on5ern 
nur  m  a  d)  t  fragen  -  IlTad^t  un5  Ked^t  ftn5  fou)eit  i5entifd),  als  5er 
niad^tige  ol^ne  Sd)a5igung  feines  eignen  3nteref{es  feine  ITIad^t  aus- 
üben kann.  Unb  5a  natürlid^  a  u  d^  bei  5en  naturoölkem  5as  mann« 
lid^  (Befd^Ied^t  5em  toeiblid^en  im  Durd^fd^nitt  an  ITIuskelkraft  un5 
pf^i}fifd)er  Betoeglid^keit  überlegen  ift')  un5  5ie  (Bemeinfd)aft  5esl^Ib 

*)  €s  ift  9era5e3u  komifd),  loenn  gelegentlid)  nod)  t)eute  von  öenjenigen, 
btt  bas  traöitionelle  Hed)tSDerf)öItnis  ber  (5efd)Ied)ter  umbilben  iDoIIen,  5ic 
(n^forie  aufgeftedt  wirb,  bit  geringere  pt)i)fifd)e  Kraft  ber  5^au  fei  nid)t 
naturgegeben,  fonöem  erft  H  e  f  u  1 1  a  t  if^rer  Unterbrüdiung  6urd)  6en  ITTann. 
IDdre  bos  itf(ribUd)e  (befd)Ied)t  d  0  r  aller  Kultur  pf)i)fi{d)  eben  fo  gut  aus* 
gcftattet  gevefen  mit  bas  männlid)e,  fo  lodre  es  ja  einfad)  unerftlärlid), 
auf  (biunb  wtld^tx  (Qualitäten  6er  Illann  fid)  ü  b  e  r  a  11  bie  S^ou  unter* 
jttorbnen  oerftanben  f)at:  es  bliebe  bann  nur  bie  Bnnaf)me  unbebingter 
.getftiger"  Ueberlegenf^eit. 

ITffbrr.  €Mraa  unb  Vfluttti.  2 


18         primitioe  (Befc^Ied^tsoerbinbungen  unb  legitime  C^e. 

gegen  äußere  S^inöe  fd^ü^t,  trägt  bas  Der^öltnis  5es  Utannes  yax 
Stau  unb  3u  btn  Kinbem  btn  (El^arakter  abfoluter  (Betoalt^err* 
{ d)  a  f  t ,  bie  fid)  oon  bem  „Patriarchat"  ber  alten  Kulturodifcer,  »ie 
u)ir  feigen  merben,  lebiglid)  baburc^  unterfd^eibet,  ba%  i^r  bos  Korre« 
lat  bauember,  teils  burd^  bie  Sitte  anerkannter,  teils  red^tlid^  fi^rierter 
Derpflid)tungen  oollftönbig  fe^It. 

nid)t  nur  bie  5^^u,  fonbern  aud^  bie  Kinber  finb  Cigentum 
bes  niannes,  über  bas  er  gans  nad^  Belieben  oerfilgt.  Bei  ben 
fluftralnegem  fallen  bie  Kinber  nad^  feinem  (Eobe,  fomeit  fie  noil^ 
nid)t  maffenfö^ig  fmb,  mit  ber  IDittoe  unb  bem  etioaigen  ilbrigen 
tlac^Iag  feinen  Brübem  5U.  IDill  niemanb  biefe  (Erbfc^aft  antreten, 
{0  kann  bie  5tau  5U  il^rer  eignen  Derroanbtfd^aft  3urüdtke^ren.  3mmer 
aber  mug  fie  bie  Kinber,  fobalb  biefe  bem  Säuglingsalter  enttoad^fen 
fmb,  ben  (Erben  bes  Dtannes  3urüdtlaffen.  Der  Begriff  ber  „(Kefc^Iec^ts* 
fklaoerei"  ober  ber  „fepiellen  Ijörigkeit"  ber  5^^^  kennjeid^net  i^re 
£age  alfo  nirgenbs  fo  3utreffenb,  als  gerabe  bei  ben  primittpften 
5ormen  menfd^Iic^en  3ufammenlebens.  - 

Bie  längere  3ett  bauernben  (befd^Ied^tsoerbinbungen  bei  jenen 
prtmitioften  uns  bekannten  Dölkern  ftellen  felbftperftänblic^  nid^t  nur 
ein  (Befd)Ied)ts%  fonbern  in  el^er  nod^  l^öf^erem  IlTage  ein  Arbeits« 
oerlfältnis  bar.  Die  5^^«  ^öt  als  „Arbeitstier"  einen  augerorbent* 
lid^en  rtu^toert  fiir  btn  nod^  oöllig  arbeitsunluftigen  Dtann.  Sie 
allein  fud)t  bie  pflan3lid)e  3ukoft  3U  ber  00m  Dtanne  erbeuteten 
Sleifd^naf^rung  unb  bereitet  bie  Speifen,  if^r  fallt  auc^  bas  Aufbauen 
unb  Abbrechen  ber  f}Viftcn  unb  bas  Sd^Ieppen  ber  f}abfeligkeiten  auf 
ben  IDanberungen  3U.  Aber  biefer  l)o^e  ökonomifd^e  IDert  fe^t  fid) 
burd^aus  nid^t  etroa  -  toie  man  fo  gern  annimmt  -  -  in  fo3iaIe 
Sd^ö^ung  um.  3m  (begenteil.  Da  fie  mit  il^rem  Kinbe  auf  bie  Der* 
teibigung  ber  IlTanner  gegen  äußere  5^inbe  angetoiefen  ift,  gilt  {i^ 
burd)U)eg  als  bas  untergeorbnete  6efd)öpf.  Die  Art  if^rer  (Eatigkeit, 
fo  loertDOII  unb  nottoenbig  fie  aud)  für  btn  VXann  \\t,  XDxxb  als  „St^^uen* 
arbeit"  für  ocrädjtlidj  geljaltcn,  bcnn  bas  Scibftgefüljl  bes  Dtannes  er» 
kennt  nur  feine  eigne  Befd|äftigung:  Krieg,  Raub  unb  3agb,  als  e^ren* 
oon  an.  3l)re  unbegren3te  Braud}barkeit,  berentroegen  fie  ia  oom  ntamt 
3um  bauernben  Befi^  begel^rt  roirb,  l)ebt  besf^alb  bei  biefen  Dolks* 
ftömmen  bie  5i^au  in  keiner  IDeife  über  bie  Stufe  bes  nü^Iid^en  fjaus* 
ticrs  Ijinaus. 

Dagegen  kann  unter  Umftönben  ein  anbrer  Sektor  ben  (bxab 


A.  üie  £age  ber  5tau  bei  5en  kulturarmlten  Dölftem.        19 

t^rer  Abl)ängigkeit  beeinfluffen,  namlid)  öie  Art  5es  Suftanbekommens 
ber  <5ffd)Ied)tSDerbtnbung,  ber  man  ja  eigentlid)  für  bte|e  Kulturftufe 
bte  Besetd^nung  .»(Ef^e"  unb  ,,f}etrat''  nur  in  übertragenem  Sinne  bei« 
legen  borf.  f}at  fid)  ber  mann  bie  S^^u  ^u$  ber  tlad^barf^orbe  ge« 
raubt  ober  fle  mit  it^rer  (Einwilligung  e  n  t  f  ü  f)  r  t ,  fo  ift  fie  meift 
if^rem  Befi^er  bebingungslos  preisgegeben,  b^nn  alle  Besiet^ungen  3u 
tf^rer  eignen  Denoanbtfd^aft  finb  burd)  einen  berartigen  feinblid^en 
eingriff  in  beren  (Eigentumsfp^öre  gelöft.  Die  Raub*  unb  (Entfül^rungs* 
.€1^"  -  bie  eben  keine  (Ef^e,  fonbern  ein  faktifd^es  (beu)altpert)altnis 
tft  -  bebeutet  bei  bie|en  primitioften  Dolkem  immer  btn  bebingungs« 
lofen  Iriumpf)  ber  niannesgetDalt. 

€in  |oI(^r  Raub  ber  S^<^^  9^^  ®o  immer  ftd^  ein  fpe3ififd) 
krtegerifd^er  (beift  ober  ein  befonbrer  Kriegerftanb  enttoidtelt,  als 
oürbigfte  5orm  bes  5fauenern)erbs,  als  tapfre  (Eat,  unb  bal^er  nel^men 
nid^t  feiten  bie  <El)e3eremonien  bie  5otm  eines  Sd^einraubes  an,  ol)ne 
bai  man  natürlid)  -  toie  gelegentlid)  gefd^ef^en  ift  -  baraus  fd^Iiegen 
burfte,  ber  „Srauenraub"  fei  etwas  bem  frieblidjen  Srauenertoerb 
bur«^  (Eaufd)  gegenüber  Weiteres  unb  er  fei  es  gewefen,  ber  bie  ur* 
fprunglid)e  (Bleid^fteüung  ber  5fau  oernid^tet  l)abe. 

dtwQS  günftiger  als  beim  Raube  geftaltet  ftd)  ja  naturgemäß 
tf^re  £age,  wtnn  fie,  toie  es  oon  Anfang  an  bie  Regel  ift,  auf  frteb« 
Itd)em  IDege,  insbefonbre  burd)  Austaufd)  gegen  eine  Sd^toefter  ober 
bur«^  fjtngabe  oon  (befd^enken  getoonnen  toirb.  3n  biefem  5<^  bleibt 
t^  wenigftens  ein  getoiffer  Rüdtl^alt  an  b^n  3l)rigen,  bie  fie  unter 
Umftanben  otelleid^t  einmal  oor  aU3u  brutaler  Bet^anblung  fd^ü^en 
können.  Aber  im  gansen  tft  aud)  bas  nid^t  ber  SoXi-  l^i^  S^^vnüte 
kümmert  fid)  nur  um  fie,  bis  fie  im  daufd)  oenoertet  ift.  IReiftens 
oerl^anbelt  —  wie  wir  fdjon  faljen  -  ber  junge  TTIann  mit  3uftim- 
mung  feines  Daters,  bie  Sd^toefter  gegen  ein  ITIäbd^en  aus  ber  anbren 
(>orbe.  f}äufig  oerfprid^t  aud)  ber  Dater  bie  dod^ter  fd)on  in  il^rer 
Kinbf^eit.  Keinenfaüs  toirb  bas  Rlöbd^en  felbft  nad)  if)rem  IDunfd) 
gefragt.  Don  einer  „IDatflfreiljeit"  ber  5^aw  ift  natürlid)  nirgenbs 
bie  Rebe.  (Entläuft  [it  etwa  offne  (Einioilligung  ber  3f)rigen  mit  einem 
mann,  fo  toirb  fie  oon  tf^ren  {)orbengenoffen  meift  -  falls  man  \xe 
toteber  etnfängt  -  barbarifd)  geprügelt. 


20         primitiDe  (Befc^Ied^tsoerbinöungen  unö  legitime  &fi. 

B. 

(Eingreifender  mirö  5ie  Stellung  ber  5tau  öurc^  5ie  Beöingungen 
ber  „(Ei)efd)Iiegung"  erft  bei  Dölftem  mit  einer  getoiffen  materiellen 
Kultur  beeinflußt.  Deranfd^aulid^en  mir  uns  beren  Arten  unö  IDir* 
hungen  sunäd^ft  bei  ben  unter  il^nen  ttultureü  tief  fte^enben,  ben 
nad)  bem  Dorgang  (broffes  in  ber  IDiffenfd^aft  als  „^ö^ere  3ager« 
oölker''  beseid^neten  Stämmen.  3^r  „(Eppus"  finbet  fid^  ^eute  nod^ 
an  ber  IDe|tkü|te  oon  Horbamerika,  in  Kalifornien,  unb  teilmeife  im 
norböftlid^en  Afien.  Die  Kultur  biefer  Dolksftömme  unterfd^eibet  ftil^, 
nid^t  \oxDotil  burd)  bie  Art,  als  burd)  ben  3ntenfitatsgrab  i^res  Ila^ 
rungsenoerbs  toefentlid^  von  ber  Kulturftufe  ber  fogenannten  ^nieberen" 
3ägeroöIker.  IDilbreid^e  UrtDÖlber  unb  fifd^reid^e  Küften  unb  51^6* 
laufe  fid)ern  il^nen  eine  meit  ausgiebigere  unb  ftetigere  Bebürfnis* 
befriebigung  als  jenen  unb  bie  planmäßige  Dorforge  für  bie 
3ukunft  oerteil)t  ber  Art  il^rer  nal)rungsgea)innung  bas  nierkmal  ber 
„tDtrtfd)aftlid)keit\  Statt  if^re  {)ütten  balb  l)ier,  balb  bort  auf  auf  (plagen, 
führen  biefe  Stamme  namentlid^  im  IDinter  ein  feß^aftes  £eben  in 
feften  Dörfern.  Der  (Ein3elne  jpürt  bm  Anreis  me^r  3u  fammeln  unb 
5U  {d^affen  als  er  3ur  momentanen  Bebürfnisbefriebigung  braucht,  ja 
bie  Dorräte  a)erben  nid^t  nur  fiir  ben  eignen  Bebarf,  fonbem  aud) 
für  ben  (Eau{d)Derkel)r  aufgefpeid^ert.  Durd^  bie  Austaufc^gelegen^it 
aber  bringt  bie  Ausnü^ung  bes  naturgegebenen  oerfd^iebenartigen 
niaßes  Don  Körperkraft,  6efd)iAlid)kett  unb  3ntelligen5  ben  Cinselnen 
ein  oer{d|ieben  großes  maß  materieller  Dorteile  ein;  benn  wenn  aud) 
bie  3agbgrünbe  unb  Sifd^Q'^ff^^  (Bemeinetgentum  bes  Stammes  finb,  fo 
bietet  bod^  il)re  Sonbemu^ung,  unb  ebenfo  bas  Sonbereigentum  an  be« 
toeglidier  f^abe  unb  an  ben  <Er5eugniffen  ber  eignen  Arbeit  fd^on  bem 
(Ertoerbstrieb  bes  <Ein5elnen  relatto  reid^Iid^en  Spielraum.  f}errfd)t 
bei  ben  kulturörmften  bekannten  Dölkern  bie  „(Bleid^t^eit  ber  Armut", 
fo  entftef^en  l)ier  auf  ber  (brunblage  einer  reid^eren  materiellen  Kultur 
{)crr|d)afts*  unb  Abf)angigkeitsoerl)altniffe  3iDi{d|en  Befi^enben  unb 
Befi^lojen,  unb  Anjäftc  5U  bauembcn,  audj  politifdjen,  (Drganifationen. 
Der  ftärkfte  (o3iale  Derbanb  i[t  babci  normalertDeije  einerfeits  bie 
„tjausgemein(d|aft",  bie  einen  je  nad|bem  oerfc^ieben  großen 
Kreis  oon  BlutsoeriDanbten  in  einer  gemeinfamen  IDo^nftötte  kom« 
muniftifd)  lebenb  oereint,  anbrerfeits  bie  „D  0  r  f  g  e  m  e  i  n  f  dj  a  f  f, 
u)eld)e    eine   inef)r3af)l    in    befonberen    IDol^nftätten   lebenbe    f>aus> 


B.  Beeinfluffung  öer  Zaqt  5er  5^^^  }c.  21 

gemetnfd^afteti  umfaßt  unö  über  eine  oerfd^ieben  be^anöelte,  teils 
gemetnfam  genügte,  teils  3ur  tlu^ung  3eitit)eilig  an  5ie  t)ausgemein« 
fil^aften  oergebene,  £an5marh  oerfügt.  IDie  5ie  Derfügung  über  5ie 
materiellen  Befi^objeftte  smifc^en  ^fjaus"  unö  „Dorf  geteilt  finö,  ob 
etuHi  öas  «Dorf"  nur  eine  öesentralifierte  fjausgemeinfd^aft  ift  ober 
umgekel^rt  ein  nad^barenoerbanö,  öer  öie  fjausgemeinfd^aften  bel^errfd^t, 

—  öies  alles  bann  im  einseinen  f^öd^ft  oerfd^ieben  geftaltet  fein.  Die 
Dorfgemeinfd^aften  i^rerfeits  bilöen  baron  lokale  (Eeile  öes  politifd^en 
(BemeiniDefens,  öes  Stammes,  -  mtnn  ein  fold^er,  toas  keinestoegs 
überall  öer  SoXi  ift,  in  organifierter  5onn  öauemö  beftel)t. 

Daneben,  unö  oon  öie|en  teils  rein  toirtld^aftlid^en,  teils  oor* 
mtegenö  oöer  rein  politifd^en  (Bemeinfd^aften  öurd^aus  oerfd^ieöen,  fie 
öurc^hreusenö,  beftel)t,  äl^nlid)  toie  bei  b^n  Auftralnegem,  bie  (Ein« 
tetlung  in  (Eotemoerbänbe,  bie  il^rerfeits  keine  lokale  (Einl^eit  bilöen 
unö  namentlich  nid^t  iöenti|d)  ftnö  mit  ben  Dorf*  ober  f}ausgemein|(^aften. 
Sie  finö  aud)  l)ier  Hamensgemeinfd^aften  öer  oerftreut  lebenben,  burd) 
mütterüd^es  Blut  Dertoanbten.  3l)r  tx)e|entlid)fter  3u)eA  ift  -  coie 
bei  öen  Auftralnegem  -  bie  Derl^ütung  Don  6efd)Ied}tsoerbinbungen 
3iDi|(^en  inutten)eru)anbten.  Desf^alb  a)eröen  bie  Kinber  aud)  f)ier 
na«^  öem  (Eotem  öer  ITIutter  genannt.  Aber  nid^t  bas  Beftef^en  öiefer 
niutterfolge,  fonöern  öie  aus  öer  Befigöifferensierung  ^nt» 
ftei^nöen  oerfd^ieöenen  Sotmen  öer  6efd)Ied)tsoerbinöung  beftimmen 
tnnerf^alb  einer  unö  öerfelben  Dolksgemeinfd^aft  öen  größeren  oöer  ge* 
rtngeren  (Braö  oon  Knechtung  öer  S^^uen  innerl^alb  öer  S^^'nilie: 
~  öie  IDirkung  öer  p  l)  i)  f  i  f  d)  e  n  Ueberlegenl^eit  öes  niannes  kann 
eoentueü  öurd^  öie  Dermögens« Ueberlegenl^eit  ber  5^^ili^  ber 
5rau  eingefd^rönkt,  ja  annäl^ernb  aufgel^oben  n)erben. 

Der  n)ol)Il)abenbe  ITIann  begrünbet  bie  (Bejd^Ied^tsoerbinbung  burd) 
Kauf  öer  5rau.  Den  preis  beftimmt  iljr  Dater  je  nadj  iljrer  Sdjön« 
I^it  unö  Braud^barkeit.  6egen  (}ingabe  oon  S^U^n»  lieren,  ITIufd^el' 
gelö  an  il)n,  mxxb  öer  Brauta)erber  abfoluter  (Eigentümer  öer  5^ou. 
Cr  fü^rt  fie  öann  in  fein  eignes  f^aus  unö  kann  fie  nun  -  im  Prinsip 

-  bel^nöeln,  toie  es  if^m  pagt.  (Befallt  fie  if)m  nid)t  mef)r,  fo  kann 
er  fie  fortfd)idten;  öod)  toirö  er  ftd)  öer  teuer  erkauften  Arbeitskraft 
nur  feiten  freitoillig  entleöigen,  3umal  er  3u  feinem  Dergnügen  fo  oiel 
Stauen  öa3U  kaufen  kann,  toie  feine  ITIittel  geftatten.  Die  Kinöer 
gefrören  if^m  unö  ftef^en,  auger  be3üglid)  öer  3ured}nung  3um  lO' 
tem,  in  keiner  praktifc^  toirkfamen  Besie^ung  5ur  ntutteroenDanöt' 


22         prtmttioe  <Bef(^Ie(^tsDerbinöungen  unö  legitime  (E^e. 

f(^aft.  Vlaii  feinem  ([oöe  bleiben  fie  innerhalb  [einer  Ijausgemeinfc^ft 
unö  [eines  Dorfs,  toenn  fie  f(^on  toe^r^aft  finö,  als  (Benoffen,  oenii 
ni(^t,  als  Objeftte  öer  Be^errf(^ung. 

Dies  le^tere  gilt  au(^  für  öie  tDittoe,  öie  als  Befi^objefet  in  ber 
I}ausgemeinf(^aft  i^res  mannes  oerbleibt.  €ben[o  bleibt  felbftoer* 
ftänöli(^  aller  Befi^  innerhalb  öer  oaterli(^en  Ijausgemeinfc^aft  unb 
ge^t  auf  öie  Kinöer  unö  DertDanöten  öes  mannes  ilber.  —  Abfolute 
SigentumsgetDalt  öes  ntannes  über  5^^u  unö  Kinöer  o^ne 
öauernöe  Derpf(i(^tungen  oon  feiner  Seite,  alfo  nackte  ,,niannes* 
getoalt"  finö  öie  überall  toieöerfte^renöen  ti)pif(^en  5oIgen  ebenfo 
toie  öes  5^^uentauf(^s  fo  au(^  öer  primitioen  „Kauf-S^e",  öie  eben 
im  (Brunöe  nic^t  „fi^e",  fonöem  Befi^erioerb  ift.  -  Diefe  IDirkungen 
können  nun  aber  öaöur(^  abgef(^tx)a(^t  toeröen,  öag  öer  öen  Kaufpreis 
empfangenöe  Dater  feinerfeits  öie  ([o(^ter  mit  einer  ntitgift  aus* 
ftattet.  Dies  gef(^ie^t  3.  B.  in  öen  reichen  Ijausgemeinfd^aften  im 
Kreife  öer  „^ö^eren  3ageroöIfter''  bei  einigen  l)0(^  entroiAelten  norö« 
tDeftameriftanif(^en  3nöianerftömmen :  öen  ([linftiten,  Ijaiöa^s,  Kenais 
u.  f.  tx).  Diefen  Stammen  ift  eine  relatio  ^o^e  £ebens^altung  Beöürfnis 
geiDoröen.  Die  nadtte  Arbeitskraft  öer  Sxan  tritt  an  tDirtfc^aftlid^ei 
Beöeutung  3urüdt.  3f)re  Sippe  finöet  fi(^  öes^alb  gern  bereit,  i^ 
(Iöd)ter  öur(^  öie  Abfinöung  mittelft  einer  Husftattung  an  einen  ido^I 
f)abenöen  Dlann  3U  bringen.  Hnörerfeits  ift  aber  aud)  öas  (Empftnöei 
-  infolge  öes  Surüdttretens  öer  nadtten  Hot  unö  öer  rein  ökonomi 
fd)en  BetDertung  öer  5rau  —  toenigftens  fotoeit  kultioiert,  öag  mat 
xfyc  Sd)tdtfal  in  öer  <Bef(^led)tsoerbinöung  ni(^t  mel)r  gänslid^  öei 
IDillkür  if^res  Partners  überlagt.  (Erft  tx>o  öiefe  (EnttDidtlungsftuf< 
primitioer  5ürforge  für  öie  toeiblid^en  5amilienglieöer  erreicht  ift 
kann  man  eigentlid)  oon  einer  „(t^e"  fpred^en,  als  oon  einem  Der 
trage  3iDifdjen  öen  Angehörigen  öer  Srau  unö  öem  S^i^^»  ^^  ?<• 
oon  öem  Kauf  irgenö  eines  anören  Objekts  unterfd^eiöet. 

Bei  öer  (Ebefd)Iiegung  foldier,  über  öie  primitiofte  Stufe  loirt 
)d)aftlid)cr  Beöarfsöedtung  btnausgekommenen  Stämme,  fpielt  fd^oi 
öie  niöglidikeit  eines  ^ftanöesgemäBen"  (7ausf)alts  eine  entfd^eiöenö* 
Rolle,  unö  fte  eben  toirö  öem  jungen  paare  oft  nur  öaöurd^  ermög 
Iid>t,  öaf)  öer  Dater.  als  (Bogengabe  für  öen  Brautpreis,  öie  (Eod^tei 
mit  einer  Illitgift  ausftattet.  Dieie  bleibt  öann  meift  aud^  in  öer  C^i 
^Eigentum  öer  Srau.  Beftgt  öer  ülann  mehrere  Stauen,  fo  rid^te 
jeöe  mit  ihrem  .^Eingebrad^ten"  einen  Sonöerbausf^alt  ein,  an  bem  bei 


B.  Beeinflullung  öer  £age  ber  5tau  k.  23 

ntann  nur  ein  nugniegungsred^t  befi^t.  -  3agt  er  fle  o^ne  xlfx  Der* 
fdfulöen  fort,  fo  nfanmt  {ie  il)re  Ijabe  mit,  iDÖ^renö  öer  mann  keinen 
Anfprud^  auf  Rü&gabe  bes  Kaufpreifes  l)at.  inand^mal  l)Qt  (ogar 
aud^  5ie  S^^u  fd^on  bas  Red^t  if^n  gegen  feinen  tDillen  3u  oerlaffen. 
Cs  ift  alfo  i^re  (E{genf(^aft  als  Eigentümerin  unö  öie  (Bemüts* 
besie^ung  5U  if^rer  Sippe,  bie  {ie  baoor  betDQl)ren,  (elb(t  bebingungslos 
(Eigentum  bts  (hatten  5U  toerben,  inbem  fie  if^r  ben  ef^renoollen  RüA* 
3ug  3U  ben  3f}rigen  {i(^em.  ->  Auf  if^re  Stellung  5U  bzn  Kinbern  ^at 
iebod)  bie  Ausftattung  ber  5rau  keinen  (Einfluß.  Sie  gefrören  immer 
bem  Dater,  ber  burd)  ben  Kauf  if^rer  Rlutter  {(^on  im  Doraus  aud) 
an  if^nen  Cigentumsred^te  erQ>orben  l)at. 

Uod)  günftiger  fte^t  {i(^  bie  S^^u,  toenn  etma  ein  oermögens* 
lofer  BetDerber  ben  geforberten  Kaufpreis  nur  teiltoeife  ober  aber 
gomid^t  3a^Ien  ftann.  3n  biefem  $all  entftel)t  bei  ben  „l)ö^eren 
3agen>dlftem''  unb  toie  toir  nod)  feigen  toerben,  bei  3al)nofen  an* 
bem  Dölhem  bie  Jogenannte  ,,T)ienft"-  ober  „(Erbienungs^-filie,  bie 
im  (Bninbe  nid^ts  anbres  als  eine  Hbart  bes  5rauenftaufs  -  ein 
3n-Beftft-nel)men  ber  Srau  auf  ,,flb3a!jlung''  -  i[t.  Der  unbemittelte 
dkttte  3ief}t  nömlid^  in  bas  i^aus  feines  reid^eren  S(^tx)iegeroateTS  unb 
tilgt  feine  S(^ulb  bur(^  Dienftleiftungen  in  beffen  {^atsl^alt.  (belingt 
es  i^m,  ben  Kaufpreis  auf  biefe  IDeife  ab3UDerbienen,  fo  kann  er  bie 
5rau  als  fein  Eigentum  mitnel^men,  unb  bann  treten  bie  re(^tlid^en 
Wirkungen  ber  Kaufef}e  ein.  3ft  aber  bie  S^ntilie  ber  Sd^toiegereltem 
an  inad)t  unb  Anfeilen  il)m  unb  ben  feinigen  toeit  überlegen,  fo  bleibt 
er  iDol^l  au(^  bauemb  in  i^rer  {^ausgemeinfd^aft.  Dann  geftaltet  fid} 
bie  Stellung  ber  5^^^  re(^tlid)  günftiger  als  in  ber  Kaufel^e.  Aller« 
btiigs  ift  if}T  (Batte  ni(^t  il)r,  fonbem  il)rem  Dater  unb  il^ren  Brübem 
3u  Dienftleiftungen  oerpflid^tet,  aber  bie  K  i  n  b  e  r  gel)ören  bann  nid)t 
bem  mann,  fonbem  —  yDQx  nid)t  ber  5rau  felbft,  aber  bod) 
immerl}in  iljrer  S^milie.  Sdjeibet  fid)  ber  ülann  oon  iljr,  b.  l).  oer» 
lägt  er  freiiDillig  ober  aud)  ge3t)Dungen  il)re  {^ausgemeinfd^aft,  ol^ne 
fle  gekauft  ober  aboerbient  3U  l)aben,  fo  mug  er  bie  Ktnber,  ebenfo 
wit  bas  ttwa  iDäl^renb  ber  <Ef}e  enoorbene  {^ausgerät,  3urüdtlaffen. 

Diefe,  toie  fd^on  enoöl^nt,  nid)t  nur  bei  ben  „l}öl)eTen  3ageT* 
DöOtem",  fonbem  aud)  bei  3al}nofen  anbren  Dolksftömmen  unb  3tDar 
Derfd^iebenen  ökonomifd^n  (Bepröges,  3.  B.  bei  Diel)  3üd)tenben  afri- 
kanifd^n,  unb  bei  Adterbau  treibenben  inbianifd^en  Stammen  neben 
ber  üblid^n  Kauf-C^e  oorkommenbe  Sonn  ber  (Befd^led^tsüerbinbung 


24         Primitioe  <Be|(^Ie(^tsoerbtnöungen  unö  legitime  (E^e. 

entfielt  immer  öur(^  öie  öftonomif(^e  Konfturrens  öer  lüannes«  mi 
ber  5^<iuenfippe.  Sie  toirö,  feit  TXlac  Ztnnan  fie  auf  ([eqlon  entbeditc 
in  ber  tDiffenfc^aft  meift  mit  bem  fi(^  lei(^t  einprägenben  Begri| 
„Bina^-Älje  beseit^net,  roäfjrenb  man  oon  einer  „Diga^-iE^e  fpric^l 
toenn  ber  TXlann  bie  S^^u  ftauft  unb  in  fein  Ijaus  einführt  Üii 
I  Bina'€^e  entftef^t  alfo,  toenn  er,  5um  Kaufen  3U  arm,  fi(^  seitmeilij 

j  ober  anii  bauernb  il)rer  I}ausgemeinf(^aft  eingliebert. 


(Es  bient  5um  Derftönbnis  ber  bisher  befpro(^enen  (Erfc^inungen 
toenn  man  fi(^  Mar  ma(^t,  bag  es  bur(^aus  benftbar  ift,  bag  ni(^ 
nur  in  einem  Stamm,  fonbern  au(^  in  einer  e  i  n  3  i  g  e  n  Ijausgemein 
fd)aft  „Diga"'  unb  ^^Bina^-iE^en  nebeneinanber  befte^en  können.  An 
genommen,  ein  (Eltempaar  l)abe  einen  So^n  unb  eine  ([o(^ter.  Di< 
([o(^ter  toirb  oon  einem  manne  begehrt,  ber  btn  von  i^rem  Date 
geforberten  Kaufpreis  ni(^t  erf(^tDingen  kann,  fobag  il)m  nu 
übrig  bleibt,  3eittDeiIig  ober  bauernb  eine  Bina*€^e  mit  i^r  ein3U 
gelten.  Kommen  Kinber,  fo  gel)ören  fie  ber  ITlutter  unb  ber  mütter 
liefen  Dertoanbtfc^aft:  (Es  entfteljt  eine  „HI  u  1 1  e  r  g  r  u  p  p  e".  3i 
biefelbe  {^ausgemetnfd^aft  fül^rt  nun  aber  ber  Bruber  feinerfeits  bi 
oom  Dater  für  iljn  häuflidj  erioorbene  (Eodjter  einer  ärmeren  Söw^iK 
ein.  Seine  Kinber  gefrören  bann  il)m.  (Es  entftel)t  alfo  unter  bem 
felben  Dad)  neben  ber  ITluttergruppe  ber  S(^tx>efter,  bie  „Datergruppe 
bes  Brubers.  Dertoanbelt  fi(^  nun  bie  Bina«(Ef)e  ni(^t  —  toie  bei  bei 
„l}öl)eren  3ägerDÖlhern"  meift  -  burdj  allmäljUt^es  flboerbienen  be 
5rau  in  eine  Diga*(El)e,  unb  babur(^  bie  Dlutter*  in  eine  Datergruppc 
fonbern  bleibt  ber  ülann  bauernb  in  ber  f)ausgemeinf(^aft  be 
Srau,  fo  tritt  folgenbes  ein:  bie  Kinber  iDcrben  bann  bauernb  nicj^ 
ber  Dater«  fonbern  ber  ItlutterDerioanbtfc^aft  3ugcre(^net,  fie  „gehören' 
alfo  ber  Iltutter,  be3iD.  il|rcr  Sippe,  unb  fie  erben  nic^t  oom  Date 
unb  beffcn  Samilie,  fonbern  nur  oon  ber  Iltutter  unb  in  ber  Itlutter 
fippe.  (Es  entftel)t  „m  u  1 1  e  r  r  e  d)  1 1  i  d)  e''  Dertoanbtfc^aftsglieberung 
Das  „Itlutterredjt",  b.  l).  oorläufig  -  fpätcr  werben  loir  ben  Begrij 
nod)  genauer  befinieren  -  bie  ausfd)lieglid)e  (Eigentumsgemeinfc^af 
3ir)ifd)en  b^n  Kinbern  unb  ber  ItlutteroenDanbtfc^aft,  unb  bie  „ntutter 
gruppe",  b.  Ij.  blofees  3ufammen»lDol|nen  oon  Iltutter  unb  Kinbern  mi 
ber^ntutterüerioanbtfdjaft  hönncn  alfo  innerljalb  bcrfelben  Do[fts%  je 


C.  IDefen  öes  IHutterrec^ts.  25 

inner^Ib  berjelben  Ijausgemeinfil^aft,  neben  ber  Datergruppe  unb 
ber  käufli(^  enoorbenen  DotergetDalt  befielen. 

nun  kommt  aber  bei  mand^en  Dolftsftömmen  aud^  oor,  bog 
1)  bie  Bilbung  einer  permanenten  muttergruppe ,  bur(^  bauembe 
Ueberfieblung  bes  niannes  in  bie  I}ausgemeinf(^aft  ber  S^^^^nfippe, 
Derbunben  mit  ber  einfeittgen  9ure(^nung  ber  Kinber  ju  i^r,  normal 
ober  adein^errfd^enb  i|t.  Unb  2)  entfielet  manchmal  eine  permanente 
ntuttergruppe  babur(^,  bag  bie  <Befd)Ie(^tsoerbinbung  3tDif(^en  mann 
unb  5tau  gar  keine  ftönbige  Cebensgemeinfd^aft  begrfinbet,  fonbem  ber 
mann  nur  oon  feiner  I}ausgemein|(^aft  aus  bie  in  ber  irrigen  biet* 
benbe  S^au  befu(^t.  5^^^^^  kommt  3)  ge[egent[i(^  oor,  ba%,  tro^* 
b  e  m  bie  5rau  bie  f^ausgemeinfd^aft  mit  tf^rer  5<i^ili^  aufgibt,  btn» 
nod)  ni(^t  nur  mutier  folge  (bloge  Benennung  ber  Kinber  nad^ 
bem  muttertotem)  ftattfinbet,  fonbem  bog  bie  Kinber  allein  in  ber 
mutterfippe  erben.  (Enbli(^  kommt  4)  oereinselt  toenigftens  oor, 
bog  überbies  bie  mutter  als  foI(^e  ein  gewiffes  „familienrec^tlid^es" 
(md)t  tbentif(^  mit  faktifd^em)  Uebergen)id)t  f^at,  unb  bog  fie  fogar 
am  öffentltd^en  £eben  teilnimmt.  -  3n  allen  biefen  unter  ftd)  fel)r  oer* 
fd^iebenen  Sollen  nun,  einfd^lieglid)  ber  fd)on  früf^er  erörterten  bloßen 
(Eotemgemeinfc^aft  3tDifd)en  mutter  unb  Kinb,  ^at  man  nad)  Backofens 
unb  morgans  erften  überraf(^enben  (Entbe&ungen,  oon  ber  f)errfd)aft 
bes  «mutterrec^ts"  gefprod^en  unb  es  überbies  ibentifisiert  mit  S^^^uen« 
^errfd^aft  in  ber  S^^Ui^-  Allein  es  ift  löngft  erkannt,  bog  jene 
Terminologie  fef^r  ungenau  toar,  toetl  fie  gan3  oerfc^iebene  Suftönbe 
unb  Red^tsoerf}dltniffe  mit  einanber  oermengte.  nad)ftel)enb  totrb, 
mit  I^ute  namentlid^  im  Anfd^lug  an  (broffe  üblid)  ift,  bie  dotem* 
ober  namensgemeinfc^aft  3tx)ifd)en  mutter  unb  Kinb,  beren  Beben* 
tung  (Blutrache,  <El)eoerbot)  toir  bei  ber  Sd^ilberung  bes  (bemetn- 
fct^aftslebens  ber  Auftralneger  fkisstert  f^aben  ftets  ^.mutterfolge" 
(metroni]mie) ,  ber  Suftanb  eines  Uebergetoid^ts  ber  $rau  in  ber 
5<nntlie  ^muttergeroalt"  ober  „matriardjat"  genannt.  Unter 
i^mutterred^t"  aber  ocrfte^cn  wir  ftets  benjenigen  Redjts3uftanb, 
bei  oeld^em  eine  gef(^led)tltd)e  Be3ief}ung,  gleid)Dtel  toeld^er  Art  fie 
im  übrigen  fei,  bie  Red)tstx)irkung  f}at,  bog  bie  Kinber  nur  in  ber 
Sippe  ber  mutter  erb  berechtigt  fmb. 

€i^  iDir  nun  bie  oiel  biskutierte  $rage  erörtern,  ob  biefer  3u* 
ftanb,  iDie  no6\  immer  oielfad)  angenommen  toirb,  eine  allgemeine, 
Don  allen  Dölkem  einmal  burd^lebte  Cntmidtlungsftufe  bes  5<intilien- 


26         primitioe  <Be|(^Ie(^tsDerbinbungen  unb  legitime  €^e. 

re(^t$   ift,  iDoIIen  mix  uns  feinen  prafttifc^en  3nl)Qlt  no(^  genauer 
oerbeutIid)en. 

]DefentIi(^es  IUerftmal  biefer  in  tl)rer  Bebeutung  oiel  urnftrit* 
tenen  5<intiIienre(^tsform  ift  bie  ausf(^Iie6Ii(^e  re(^tli(l^e  Suge^örig* 
fteit  ber  Kinber  3ur  Dertx)Qnbtf(^aft  ber  Dlutter.  Der  Dater  gilt  nic^t 
als  Derroanbter  ber  Kinber  -  gan3  glei(^  ob  er  als  i^r  (Er3euger 
bekannt  ift,  ober  ni(^t,  ob  er  ftänbig  mit  il)nen  ßufammenlebt  ober 
ni(^t.  (Er  ift  toeber  bur(^  bauernbe  He(^te  no(^  ptli(^ten  mit  i^nen 
oerftnüpft.  Die  Kinber  tragen  besbalb  btn  Hamen  unb  folgen  bem 
Staube  ber  ITlutter.  Bei  Auflöfung  ber  (5ef(^Ie(^tsoerbinbung  gehören 
fie  ausfd)lte6Ii(^  3U  il)rem  (5ef(^Ie(^t,  unb  als  n)i(^tigfte  Konfequen3 
biefer  einfeitigen  Dern)anbt{(^aftsbe3ie^ung  erben  fie  nur  oon  ber 
niutter  unb  ben  mütterlid)en  Denoanbten.  Die  Ijabe  il)re$  Daters 
gel)t  bagegen  auf  bie  if)m  bur(^  ntutterblut  DertDanbten  —  b.  ^.  alfo 
bort,  tDO  bas  niutterrec^t  normaltppus  ber  Dertx>anbtf(^aftsg[teberung 
ift t  ber  Regel  nai^ ,  auf  bie  Kinber  feiner  S(^tDeftern 
über.  ni(^t  unbebingt  nottoenbige ,  aber  häufige  Konfequens  bes 
einfettigen  (Erbrechts  unb  ber  einfeitigen  Dertx)anbtf(^afts3ure(^nung 
ber  Kinber  3ur  mütterlichen  Samilie  ift  bementfpre(^enb  bie  autoritäre 
Stellung  bes  IHutterbrubers  il)nen  gegenüber  („Aounfeulat").  Zwar 
ift  es  fid)erli(^  3U  toeit  gegangen,  überall  ba,  mo  eine  nalie  Be* 
3iel)ung  bes  Iltutterbrubers  3U  bzn  Kinbern  ^eroortritt,  bies  als 
„Rcft"  oon  „ITIuttcrredjt"  an3ufel)en.  Denn  ber  Brubcr  ber  5rau  ift 
aud)  bei  ftrifttem  „Daterred)t",  fobalb  einmal  bie  €mpfinbungen  in 
ber  5amilie  fo  toett  ftultioiert  finb,  ba^  fie  bie  ([o(^ter  unb  S(^tx)efter 
nid)t  mef)r  ausf(^lieglid)  als  ^auf(^objekt  anfielet,  xfyc  gan3  natür* 
li(^er  S(^ü^er  unb  Räd)er  gegen  tDillkür  bes  Dlannes  unb  oertritt 
bann  eoentuell  aud)  bie  3ntereffen  if}rer  Kinber  gegen  bie  3nter' 
effen  ber  S^^ntilie  bes  Dlannes.  Aber  allerbings  kann  fi(^  feine 
Stellung  bei  l)Iutterred)t  fpe3iell  bann  3u  einer  grabesu  e|rMuftoen 
Bebeutung  fteigern,  toenn  (batte  unb  (battin  keine  ftänbige  Cebens* 
gemeinfd)aft  unb  keinen  neuen  {7ausf)alt  bilben,  fonbem  bie  5^^^ 
bauernb  in  il)rer  eignen  Sippe  bleibt,  ber  Dlann  fein  Stanbquartier 
in  ber  feinigen  bel)ält  unb  fie  oon  bort  aus  befu(^t:  ein  Der^Itnis, 
bas  bei  oerein3eIten,  aber  toeitaus  nid)t  bei  btn  meiften  bas  „IHut* 
terred)t"  kcnnenben  lebenben  Dölkern  Dorkommt  unb  bas  kaum  als 
„(EI)e"  be3eid)net  werben  kann.  3n  foI(^en  S&^^^  ^^^^  in  IDa^r* 
f)eit  0  0  r  el)eli(^en  Suftanbs  f^ängt  bas  Sd)idtfal  ber  Kinber  natürlid^ 


C.  IDefen  öe$  Tltutterrcc^ts.  27 

nii^t  von  l^rem  Dater,  fonbem  Don  öer  Sö^forgc  6cr  nät^ftcn  mütter» 
lid^en  DeriDanbteTt,  normalertDetfe  alfo  öes  ®l)etms  ab,  besf^alb  ftef^t 
er  i^nen  naturgemäß  nöf^er  als  ber  Dater.  Das  oon  uns  als  natür* 
Ud)  empfunbene  Derl)altnts  ift  bann  alfo  ganslid)  Der(d)oben.  Der 
mangel  einer  materiellen  3ntereffengemein|(^aft  mit  iljrem  (Er3euger 
brängt  bie  Kinber  gan5  5U  ben  mutteroeriDanbten,  unb  ber  ITIangel 
eines  Red^tsbanbes  3tx)tfd)en  Dater  unb  Kinbem  befttmmt  aud)  bas 
Derfjältnis  i^rer  (Eltern  3ueinanber.  3l)rer  (Bemein|(^aft  feljlt  auf 
leiten  bes  niannes  jebes  fefte,  00m  tDe(^{eI  perfönli(^en  Beliebens 
unabhängige  S^nbament  bauernber  Pf(id)ten:  bie  S^^forge  für  bie 
3ukunft  ber  nad)ftommen.  Der  Dater  ift  besf^alb  ein  entbehrliches 
Clement  unb  ba  bie  Kinber  ber  ITIutter  folgen,  ift  bas  Derf^ältnis 
aud^  pfi]d)ifd)  für  bie  5^<2U  jeberseit  Ieid)t  löslid).  Sie  bleibt  alfo 
innerf^alb  ber  „IHuttergruppe''  bem  (bauen  ober  (Quafi-(5atten  gegen- 
über relatio  unabl)dngig.  Hm  unabf)angigften  natürlid)  bann,  toenn 
ber  mann  bei  feiner  eignen  Sippe  tx)of)nt.  Hber  aud)  bei  feinem  Cin* 
tritt  in  if^re  f)ausgemeinf(^aft  ift  fie  oor  fd)Ied)ter  Bel)anb(ung  oon 
feiner  Seite  burd)  ben  Rüdtl)alt  an  ben  3f}rigen  normalertoeife  ge* 
fd^ü^t.  Das  Korrelat  i^rer  5^^i^^it  unb  Selbftönbigkeit  if}m  gegen- 
über ift  aber  felbftoerftanblid)  bie  Deranttoortungslofigkeit  unb  faktifd^e 
Ungebunbenf^it  bes  ülannes  if^r  unb  ben  Kinbern  gegenüber.  Das 
(kfd)(ed)tsoerf}äItnis  begrünbet  eben  keine  Red)tsgemeinf(^aft  5tx)ifd)en 
i^m  unb  ber  5rau  unb  if^m  unb  ben  Kinbern. 

Keineswegs  ift  nun  aber  bie  Srau,  roie  oft  angenommen  wirb, 
best^Ib  ber  ITIannergetiDalt  überi^aupt  ent5ogen.  Die  l)eftigen 
Kontrooerfen  über  bie  (beltung  bes  ITIutterred^ts  unb  bie  Bebeutung 
ber  niuttergruppe  ftammen  bal)er,  bag  einige  ii^rer  erften  (Entbedter, 
Dor  allem  Badeofen,  biefe  <Erfd)einungen  fd)(ed)tl)in  mit  beoorred^teter 
unb  felbftönbiger  Stellung  ber  5rau  ibentifi5ierten.  Die  3ai}Ireid)en 
fpäteren ,  burd)  biefe  (Entbedtungen  oeranlagten,  Cin3elforfd)ungen 
lehrten  bann  aber,  bag  bie  S^^uen  bei  ben  allermeiften  Dölkern, 
beren  5amilien-(5Iieberung  unb  -Sorm  als  „mutterredjtlidj**  in  jenem 
älteren  roeiteren  Sinne  be3eid)net  tourben,  bennod)  unterbrückt  unb 
oerad^tet  toerben.  Die  Konfequen3  biefer  Erkenntnis  toar  nun,  baf) 
bie  <E^ften3  bes  lTIutterred)ts  3unad)ft  überl^aupt  toieber  ange3tDeifelt 
iDurbe.  Dor  allem  Dar gun  l)at  bann  fd^arffinnig  nad^geioiefen, 
büß  niutterreij^t  unb  oöllige  Unterorbnung  ber  S^<^^  einanber  burd)- 
aus  nid^t  ausfd^liegen  unb  baburd^  bie  Kontrooerfen  auf  ein  ruf^igeres 


28         primttioe  (5ef(^[e(^tsoerbinöungen  unb  legitime  (E^. 

(Beleife  gef(^oben.  Der  l^eutige  Stanb  ber  Sotjc^ung  ergibt  be3ügli(j^ 
ber  5^^9^r  ^i^  uns  ^ier  \ptytU  intereffiert:  Bleibt  bei  „Iltutterrec^t  bie 
5rau  in  i^rer,  ber  TXlann  in  [einer  f}Qusgemein|(^aft  ober  fiebelt  ber 
mann  ju  i^r  über,  bann  bleibt  fie  normaleriDeife  unter  ber  f}aus* 
f}errf(^Qft  ifyces  Daters  ober  i^rer  Briiber.  Hur  bei  gons  oereinjelten 
DöKem,  bie  toir  [pöter  betrad)ten  toerben,  ^at  fi(^  bann  unter  gans 
beftimmten  öftonomtf(^en  unb  foßialen  Bebingungen  auf  ber  (Brunblage 
be$  niutterre(^ts  oud)  eine  IHuttergetDalt  entmi&elt.  Aber  es 
eiriftieren  toeit  3Q^[rei(^ere  Dolbsftamme,  bei  benen  eben  bie  S^ou 
tro^  niutterrec^t  bod)  unter  abjoluter  männlicher  (BetDoIt  (te^t,  {a 
bie  mutterred)t[i(^e  5^^ili^n9li^^^ning  i|t  fQftti|(^  mit  allen  (Braben 
il)rer  Hbl)angigkeit  -  |ei  es  (in  ber  ITluttergruppe)  oon  il)rem  Dater 
ober  Bruber,  fei  es  (in  ber  Datergruppe)  oon  i^rem  Seemann  - 
bis  3ur  oöUigen  Kned)tung  oereinbar. 

tD  e  r  bie  (betoalt  über  bie  5^^^  ^<^t,  if^r  (baut  ober  i^re  mänm 
Ii(^en  Denoanbten,  ift  babei  -  mit  Ausnahme  ber  venigen  Dolfts* 
{tämme,  bei  benen  bas  inutterred)t  e^klufio  l)err|(^t  —  au(^  l)ier  oft 
einfa(^  eine  Dermögensfrage.  Der  begüterte  mann  ftauft  ft(^  fo  oiele 
Srauen  toie  er  toill  unb  ertoirbt  mit  bem  Kauf  au(^  bie  (betoalt  über 
fte  unb  bie  Kinber,  bie  nun  feiner  S^^^iHe  ßuge^ören.  (Es  ^errf(^t 
„Daterred)t".  Der  Befi^Iofe  mug  bie  S^<^^t  Q>i^  Q>it  fd)on  fa^en, 
iljrer  Sippe  laffen:  es  fjerrfdjt  „ntutterredjt".  flisbann  befte^t  olfo 
nidjt  nur  Bina«  unb  Diga-(El|e,  „ülutter"«  unb  ^Datergruppe", 
fonbem  audj  „Itlutter  r  e  (^  t"  unb  „Datergeioalt"  ab  yoti  gleich 
normale  Sormen  ber  5öniilienglicbcrung  nebeneinanber  bei  bemfelben 
Stamm  unb  3tDar  meiftens  berart,  ba^  bie  (entere  prioileg  ber  Be« 
fi^enben  toirb,  loeld^e  ben  Kaufpreis  für  eine  Stau  erf(^iDingen  können. 
Dafe  bies  nebeneinanber  —  wie  mand)e  Sorfdjer  annefjmen  —  nur 
eine  Uebergangsform  aus  ber  „urfprüngli(^  allgemeinen''  ITluttergruppe 
unb  bem  niutterre(^t  3ur  Datergruppe  unb  3um  Daterred)t  fei,  ift 
abfolut  nid)t  3U  betoeifen  unb  bur(^aus  untDaf)rfd)einIid),  toie  toeiter« 
f}in  aus  ben  oerfd)iebenften  ^atfa(^en  l)erDorgel)en  totrb.  Rid^tig  ift 
nur,  bafe  ©ir  Ijeute  oft  in  (Bebieten  mit  „Iltutterredjt"  ein  Sdjioinben 
besfelben  3U  gunften  oaterred^tlidjer  €^en  beobad)ten.  Dies  erfolgt 
aber  unter  bem  Hinflug  ber  mobemen  Kultur  unb  geftattet  fteine 
Rüdtfd)lüffe.  Ueberl)aupt  ift  ein  fi(^erer  SaU  bes  Uebergangs  oon 
allgemeinem  inutterred)t  3U  allgemeinem  Daterred)t  ni(^t  nad)tDeisbar, 
tDäl)renb   toir  fpäter   bas  €ntftel)en  loferer  (5ef(^le(^tsoerbinbungen 


C.  IDefen  6es  Htutterredjts.  29 

neben  (trifct  patriarc^olen  mel)rfad)  toeröen  oerfolgen  können.  €inen 
«Kampf  jtDifd^en  „IHutterrec^t"  unb  „Daterred^t"  bagegen  ftönnen 
vir  me^rfad^  teils  ^onftatieren,  teils  tDof^rfd^einlid)  mad^en,  unb  babei 
finbet  fid^  unter  beftimntten  Bebingungen  au(^  ber  5^0  partiellen 
Dorbringens  bes  „Daterrec^tes"  aufteile  bes  IHutterrec^tes.  (Einerjeits 
bos  3ntere{fe,  wtläit^  grabe  foId)e  S^lle  bieten,  bann  bie  HottDenbig* 
keit,  bie  praktifd^e  Bebeutung  bes  „IHutterred^tes''  unb  feine  Be> 
5ie^ungen  jum  fog.  „matriard^at"  5U  beleud^ten,  oeranlaffen  uns, 
na(j^ftel)enb,  mo  mix  bem  IDefen  biefer  le^teren  3nftitution  nad^ge^en 
iDOlIen,  aud^  biejenigen  Bebingungen,  toeld^e,  fooiel  bisf^er  bekannt, 
bie  (E^ften3  bes  „ntutterredjts"  befonbers  begünftigen,  uns  ausfüfjr« 
lid^  3u  oerbeutIi(^en.  -  Dorl)er  nur  nod)  einige  allgemeine  Be« 
merkungen.  So  frembartig  uns  bie  mutterre(^tlid)e  DeriDanbtfd^afts« 
glieberung  aud)  erfd^eint,  loenn  loir  fie  uns  als  normal  ti)pus  bes 
5amilienlebens  einer  gansen  Do(ksgemein{d)aft  oorsufteOen  fud)en,  fo 
na^e  liegt  fie  bod)  unferm  Derftönbnis,  fobalb  toir  uns  oergegen« 
»artigen,  bai  fie  neben  ber  legitimen  (E^e  aud)  in  allen  mobernen 
(Befe^en  i^r  (Geltungsgebiet  f^at.  Xloii  l)eute  regelt  [xii  \a  bei  btn 
Kulturoölkern  jebe  gefd)(ed)tlid)e  Dereinigung  oon  mann  unb  $rau, 
bie  olint  Beoba(^tung  ber  oom  Staate  oorgefd^riebenen  (El^efd^Iiegungs* 
formalitöten  ooOsogen  ift,  nad)  .^tnutterred)^.  Das  gilt  für  jebes 
flüd^tige  Sufammenleben  ebenfo  toie  für  bie  fog.  „loilbe  (Ef^e",  toel^ 
bekanntlich  iDefentIi(^  ba  eingegangen  toirb,  ido  ber  Dlann  ber  S^^u 
btn  Rang  ber  (battin  nid)t  getoäl^ren  loill  ober  kann,  mag  aisbann 
biefe  Be5ie^ung  no(^  fo  {el)r  b^n  df^arakter  ber  bauemben  monogamen 
Dereinigung  an  fid)  tragen,  fo  gelten  bie  Kinber  bod)  als  „unef^elid)". 
Stiüfc^iDeigenbe  Dorausfe^ung  ober  ausbrüdtlid)  formuliertes  oberftes 
Prin3ip  ber  Regulierung  biefes  Derf^ältniffes  ift  in  faft  allen  Kultur- 
länbem  ber  Sa^:  Stoif d)en  bem  Dater  unb  feinem  unef)e(id)en  Kinbe 
beftef}t  iuriftif(^  keine  Dertx)anbt{d)aft.  Daraus  ergibt  fid),  bog  aud) 
bei  bauembem  unb  ausfd)Iieg(id)em  3u{ammenlcben  ber  (Eltern  eines 
unel^elid^en  Kinbes  keine  „5ami(ie"  als  Red^tsgemeinjd^aft  entftel)t. 
Desf^alb  finb  toeber  Dater  unb  mutter,  nod)  Dater  unb  Kinb  burd) 
bauembe  gefe^Iid)  er3ir)ingbare  Derpflid)tungen  mit  einanber  oer- 
bunben.  mann  unb  5^^^  traben  überl)aupt  keine  bauemben 
Red^tsanfprfid^e  gegen  einanber,  toeber  fo  lange  il)r  Deri^öltnis  befte^t 
nod^  nad^  feiner  Hufl)ebung,  unb  bie  Redete  bes  Kinbes  an  feinen 
Dater  befc^ränken  fid^  auf  seitroeilige  Cmal)rungsbeiträge ,  iDöf^renb 


30  primitioe  (5e|(^[e(^tsoerbinbungen  unö  legitime  (E^e. 

es  tDeber  einen  bauemöen  Unter^altsan|pru(^  nod^  aad^  ein  (Erbrecht 
il)m  gegenüber  beft^t.  Anbrerfeits  fehlen  aber  aud)  bem  Dater  i^m 
gegenüber  aUe  btejenigen  Hed^te,  bie  in  unferen  (Beje^en  unter  bem 
Begriff  ber  „oäterlid^en  (btmali"  sufammengefagt  toerben  unb  in 
unferer  DorfteUung  einen  integrterenben  Beftanbteil  ber  Daterf(^aft 
bilben.  Das  unel)e[td)e  Kinb  gehört  re(^tltd)  oielme^r  ausfd^Iiegßd^ 
5ur  niutter,  es  trögt  i^ren  Hamen  unb  toirb  in  i^rem  Staube  er« 
sogen  unb  als  (^araftteriftifd^ftes  nterbmal  btefer  etnfeitigen  Denoaubt« 
|(^aftsorganifation  ftel)t  i^m  ein  (Erbrecht  nur  gegen  bie  ntutter 
unb  oft,  iDenn  au(^,  toie  fpater  3U  eriDä^nen,  fteinesiDegs  immer,  au(^ 
an  bie  mütterli(^e  S^^tilie  3U.  Unb  um  bie  parallele  oollftönbig  3U 
ma(^en:  Au(^  in  ben  mobemen  Kulturlänbem  ift  meift  IHutterrec^t 
ni(^t  mit  ooHer  „ntuttergerDalt"  gegenüber  bem  Kinbe  ibenti(dj.  Die 
lebige  ITlutter  f(ann  unter  Umftönben  bie  elterliche  (btwalt  getoinnen, 
aber  fie  l)at,  toemgftens  ^eute,  meift  nod)  keinen  ge{e^[id)en  Anfprud) 
barauf.  Dagegen  toerben  if^rem  Dater  fef^r  l)aufig  bie  oormunbf(^aft« 
Iid)en  Red)te  über  bas  Kinb  feiner  ([od)ter  übertragen.  Hur  bie  alU 
SteUung  bes  „Dlutterbrubers''  fel)It  natürlid),  in  Ermangelung  ber 
alten  Sippf(^aftsoerfaffung. 

3n  ben  mobemen  Kulturlänbem  er((^eint  al(o  bas  ^^IHutterredjt", 
00m  3ntereffenftanbpunftt  ber  5^^^  ^^^  ^^^  Kinber  aus,  stoeifellos 
als  ein  geringeres  Hed)t,  beffen  re(^tli(^e  unb  ökonomifd^e  nad)> 
teile  für  fte,  aud)  ganß  abge{el)en  oon  bem  fo5ialen  niaftel,  ber 
if}  nen  je^t  anl)aftet,  l)eute  unter  unferer  prioateigentumsorbnung,  je« 
benfalls  ben  Dorteil  iljrer  Unabljängigheit  Dom  Iltanne  in  ber  Regel 
loeit  überwiegt.  Ulan  braucht  biefe  mobeme  Sadjlage  nur  in  eine 
Seit  barbari{(^er  IDilb^eit  3urüdt5uoerfe^en,  um  3U  oermuten,  bag  es 
au(^  bamals  ni(^t  allgemein  anbers  gelegen  l)aben  toirb. 

D. 

Dies  ift  nun  allerbings  bei  ein3elnen  naturoölkern,  bei  benen 
bie  mutterred)tlid)e  $amilienglieberung  ben  normaltt)pus  barftellt, 
anbers.  f)ier  h  a  n  n  fie  loenigftens  ber  5rau  gemiffe  Dorteile  bringen, 
allein,  toie  fd)on  gefagt,  niemals  als  bloges  Red)tsprin3ip  allein: 
bie  (Eatfadje,  bog  irgenbiDO  inutterred)t  beftel)t,  toirft  besl^alb  nod) 
keinerlei  £i(^t  auf  bie  £age  ber  Srau,  (onbern  immer  nur  in  Der' 
binbung  mit  gan3  beftimmten  {03ialen  unb  ökonomi{d)en  Derl^altniffen. 


D.  ([en6en3  jum  Illatrtar(^at  beim  ftoneMiDifKf(^en  A&erbau.    31 

Un6  jtDor  {(^eittt  ein  geiDiffes  mag  oon  Bebeutung  bes  A&erbaus 
für  bie  (Ernährung  ber  5<^mtlie,  oerbunben  mit  primitioen  Sonnen 
feiner  (Eed^nift  unb  ®ekonomik  Bebingungen  3U  fc^affen,  unter  benen 
fid^  befonbers  ^ufig  bei  I}in3utritt  getDiffer  anbrer  begünftigenber  Um* 
ftänbe,  f}errfd)aft  bts  „niutterred)ts''  unb  „muttergetDoIt"  enttoiAelt. 
ntan  pflegt  in  Anfc^Iug  an  (broffe  btn  „nieberen"  Hdterbau  be* 
grifflid^  6abur(^  3u  unter{d)eiben,  bag  er  ni(^t  als  arbeitsteilig  \pt» 
3ialirierte  Tätigkeit  einer  befonberen  Klaffe,  fonbem  oon  ber  (Befamt* 
i^it  ber  arbeitsfähigen  Dolksgenoffen  ausgeübt  loirb  unb  bie  f)aupt« 
naf^ningsquelle  aller  bilbet,  unb  bag  er  femer  nid)t  in  Derbinbung 
mit  Die^iDirtf(^aft  unb  nid^t  mit  bem  Pfluge,  fonbem  als  ^^reiner" 
Ackerbau  unb  nur  mit  bem  Stodt  ober  Spaten  als  ^.t^adtbau''  be* 
trieben  loirb.  ®b  nun  biefe  Sd)eibung  tatfäd)Hd)  burd)füf}rbar  ift, 
unb  alfo  ber  ,,niebere  Adterbau"  eine  in  ber  tDirklic^keit  feft  abgren3* 
bore  Kategorie  barftellt,  ift  red)t  frag(id)  unb  mag  baf)ingeftellt 
bleiben.  IDir  für  unfere  Stoedte  können  biefen  Begriff  immerljin  in 
bem  Sinne  beibef}alten,  als  roir  ben  Ilad^brudt  3unad)ft  barauf  legen, 
ba^  unter  geioiffen  Kulturbebingungen  ber  Pflan3enbau  oorioiegenb 
(Quelle  ber  Crnä^rung  unb  3ugleid)  fpe3ififd)  to  e  i  b  1 1  d)  e  probuk* 
tionstätigkeit  ift,  bag  er  femer  mit  ted)nifd)  primitioen  ]Derk3eugen, 
aber  3uglei(^  mit  f}ilfe  eines  erl)eblid)en  niages  oon  Hrbeitsoereinigung 
-  „kollefctioiftifc^"  -  betrieben  roirb,  unb  bai  enblidj  eine  Diefjljaltung, 
loeld^e  bei  größerem  Umfang  regelmäßig  ITIannesarbeit  beanfprud^t, 
gan3  ober  faft  gan3  fef^It.  Bei  oielen  Uaturoölkern,  3.  B.  bei  man« 
d^tn  3nbianern,  bei  geroiffen  fübafrikanifd)en  Uegerftämmen,  btn  €in* 
geborenen  Sübafiens,  bei  ben  Sübfeeinfulanem  unb  auf  mand^en 
3nfelgruppen  bts  ftillen  ®3eans  loirb  biefe  Art  bes  kollektioiftifd^en 
A&erbaus  nod)  freute  fo  gut  toie  gan3  ben  Stauen  überlaffen.  Unb 
bort  ift  aud)  nod)  l)eute  ber  Si^  bes  niutterred)ts  als  normaItT)pus 
ber  S^fnilienglieberung.  Der  ITIann  f^ilft  f}ier  nur  3eittDeiItg  bei 
btn  Robungsarbeiten  unb  toibmet  fid)  im  übrigen  bem  Krieg  unb 
ber  3agb.  Das  Befteüen  ber  S^^^^^*  ^«^5  (Einfammeln  ber  (Ernte  ift 
oielfad)  nod)  ausfd)lieglid)  Sad)e  ber  S^Quen.  3n  fold^en  Sollen  nun 
kommt  es  oor,  ba^  ber  Acker,  beffen  (Ertragsfäl^igkeit  oon  grauen* 
arbeit  ablängt,  aud)  als  KoUektioeigentum  ber  Stauen  einer  t}aus' 
gemeinfil^aft,  be3io.  einer  Sippe  gilt.  Unb  biefe  (Eigentums3uredjnung 
fte^t  bann  im  urfädjlidjen  3ufammenl)ang  mit  ber  bas  IDefen  bes  ülutter* 
rechts  ausmad)enben  Dererbung  bes  Adters  burd)  bie  loeiblid^e  £inie. 


32         Primitioe  <Be|(^Ie(^tsi)erbinöungen  unö  legitime  €^e. 

3^re  vorteilhafte  tDirkung  für  bie  £age  ber  Sxan  folgt  aber  nur 
aus  ben  fosialen  Begleiter!  (Meinungen,  nämli(^  bergeno|fenf(J^aft' 
[  i  (^  e  n  probufttionstDeife  groger  Dertx)anbtf(^aftsgruppen,  ber  Sippen 
unb  if^res  genteinfamen  (Eigentums  an  (5runb  unb  Boben.  Da  inten« 
{ioe  Bobennu^uug  mit  primitioen  tDerftseugen  für  ben  (Knselnen  un* 
mögli(^  ift,  [(fliegt  fid)  ber  Kreis  ber  BIutsDerQ>anbten  3ur  probufe* 
tions'  unb  Beft^gemein|(^aft  3ufammen.  (Eine  An3al}I  oenoanbter 
Samiliengruppen  vereinigt  p(^  entroeber  unter  einem  T)a(^  3U  einer 
riefigen  f}ausgemeinf(^aft  ober  lebt  borftoeife  bi(^t  3ufammengeftebe[t 
in  (Ein3elf}ütten.  Der  Hdter  gilt  nun  fpe3iell  als  (Eigentum  ber 
tx)eiblid)en  Sippenglieber,  toeil  biefe  il)n  bebauen  unb  ber  (Ertrag 
biefcr  Arbeit  roirb  baljer  aud)  ben  Si^öuen  btya>,  iljren  So^iHen  3U« 
geredjnet.  Die  Derteilung  ber  Arbeit  unb  ber  Arbeitserträge  unter 
bie  ein3clnen  S^niiliengruppen  ift  im  €in3elnen  nad)  fefjr  oerjc^ie- 
benen  (Brunbfä^en  geregelt,  jobalb  einmal  eine  anbere  als  bie  ein- 
fache 50^^  ^^^  gtofeen  hommuniftij(^en  I^ausgemeinft^aft  befielt.  — 
Die  Sippen  organifation,  bie  bei  ben  3ägeroöIftern  tDe{entIi(^  als 
Regulator  bes  (5ef(^Ied)tsoerftel)rs  unb  als  Sc^u^genoffenfc^aft  funk- 
tionierte, bilbet  alfo  f)ier  eine  tDirftIi(^e  £ebensgemein{(^aft.  Unb  ba 
oon  bur(^gebilbete  Sippenorganifation  immer  unb  überall  unentmidtelte 
ftaatlid^e  ®rgani{ationen  Dorausfe^t,  ift  bie  (E|riften3  bes  €in3elnen 
unlöslid)  mit  {einer  Sippe  Derbunben.  Hur  in  if)r  finbet  er  S(^u^ 
für  £eben,  (Ef}re,  (Eigentum  unb  Unterf)alt.  Durd)  fte  toirb  er  aber 
au(^  f)erbentierartig  gebunben  unb  an  jeber  inbiotbualiftifd^en  £ebens< 
füljrung  geljinbert.  5^^^  ^'"^  (Ejiften3  nad)  eigener  ITeigung,  für  eine 
Arbeit  nad)  befonberen  5^^^^^'^^^»  für  bie  Betätigung  überburd)- 
fd)nittli(^er  (baben  unb  Kräfte  unb  für  ben  öftonomif(^en  (Emporftieg 
über  bie  anbern  ift  in  biefer  Art  Don  (5emeinfd)aften  kein  pia^. 
Da  nun  bas  Derbot  bes  (5ef(^Ied)tsDerkel)rs  aud)  bei  ben  nieberen 
AÄerbauem  bie  Sippengenoffen  trennt,  jd)lic6cn  fic^  oft  in  ber  Art, 
toie  wir  bics  fd)on  kennen  lernten,  3iDei  Sippen  3U  einem  ftänbigcn 
f)eiratskartell  3u{ammen.  inel)rere  berartiger  Sippenoerbänbe  bilben 
bann  ben  Stamm,  beffen  oft  ein3iges  poIitifd)es  ©rgan:  ber  Stammes- 
rat, fid)  3.  B.  bei  oielen  3nbianem  aus  allen  Sippeni)äuptern  3ufammen« 
fe^t.  (Es  ift  klar,  bog  f(^on  bie  Derfaffung  ber  Sippe  als  Probuk« 
tionsgenoffenf(^aft  nid)t  nur  bie  Bebeutung  bes  3nbiDibuums,  fonbem 
aud)  bie  Bebeutung  ber  (Ein3elfamilie  3urüdtbrangt.  Durd)  bie  (5e« 
f(^(e(^tsDerbinbung  entftel)t,  je  kommuniftif(^er  bie  Kommunionstoirt- 


D.  tltnbtnyn  jum  IHutterred^t  behn  koUefttipifttf^en  H&erbau.  33 

fd^oft  ift,  beftooeniger  ein  Ijausl^alt  mit  tDirtf(j^aftIi(^en  Sonöertnter« 
effetu  Dielme^r  gliebert  fi(^  bas  neue  paar  immer  einer  ber  f(^on 
bffte^ben,  großen  (BemeintDirtf(^aften  ein. 

Da  ber  KoIIefetiüismus  be$  A&erbaus  es  ift,  toeld^er  ^ier  bas 
«mutterret^t"  trägt,  fo  bebeutet  unter  biefen  fpesiellen  Derl)ältni{fen 
eine  flenberung  in  biefer  feonektioiftifd^en  (Brunblage  nun  in  ber  tLai 
eine  Crfd^fitterung  (einer  I}errf(^aft.  Unb  ba  es  überhaupt  nur  in 
ber  niinber^it  ber  5^<  ^^^  fd^Ied^tf^in  allein  ^errf(^enbe  Soxm 
ber  5<<^i^nglieberung  ift,  fo  fpielt  fid^  aud^  ^ier  meift  ber  Kampf 
3tDif(^  ^IRannesgeiDalt''  unb  „mutterred^t"  in  ber  uns  f(^on  be« 
kannten  IDeife  ab.  5^^  ^'^^  Stellung  ber  Sxau  jum  mann  in  ber 
<E^  iDirb  bann  ebenfo  n)ie  bei  ben  ^ö^eren  3agen)ölftern  öas  öfto* 
nomifd^  mac^toer^ältnis  ber  beiöerfeitigen  Sippen  entfd^eibenb.  3ebe 
genonenf(^aftIi(^  probu3ierenbe  Sippe  \fai  ja,  folange  ber  Boben  ni(^t 
knapp  IDirb,  ein  3nterene  baran,  alle  i^re  Arbeitskräfte  ju  bel)alten 
unb  burc^  €ini^irat  ju  oerme^ren.  (Es  fragt  fid)  öaf^er  ^ier  bei 
i  e  b  e  r  f>eirat,  ob  bie  Sippe  ber  Stau  if^r  (Blieb  feftl)alten  kann  unb 
Q)iO  unb  alfo  ben  mann,  namentlid)  öen  Dermögenslofen  mann  3U 
ftd^  ^infiber3ie^t,  ober  ob  bie  Sippe,  toeil  if}r  Boben  knapp  ift,  kein 
großes  3ntereffe  an  ber  S^ft^^Itung  if^rer  Arbeitskräfte  f^at  unb  ber 
mann  oo^l^benb  genug  ift,  bie  5rau  il)rer  Sippe  absukaufen  unb 
feiner  eigenen  Ijausgemeinfd^aft  einsugliebem.  Durd)  einen  berartigen 
Kampf  ber  Sippen  um  bie  oorf^anbenen  Arbeitskräfte  toirb  bie 
(Epftenj  bts  mutterred^ts  an  fid^  nid)t  berül)rt,  es  entfd^etbet  ber 
Sippenreid^tum  Don  mann  unb  $rau  nur  barüber,  ob  es  fid)  im 
(Einselfaü  aud)  behaupten  kann  ober  nid)t.  5^ft  überall  kann  ber 
reid^  mann  bie  S^^u  bur(^  Kauf  aus  if^rer  Sippe  loslöfen  unb  ba* 
burd)  bie  IDirkung  bes  mutterred^ts  abfd)tx)äd)en  ober  gar  DöOig 
aufljeben.  3mmer^tn  ift  3U  bebenken,  bag  es  anbrerfeits  aud)  grabe 
bie  reid^ften  Kreife  finb,  bie  -  ©ie  ©ir  bies  3.  B.  in  Arabien  finben  - 
fid^  bagegen  fträuben,  il)re  (Iöd)ter  einem  fremben  mann  aus  bem 
f}aus  3tt  geben:  „Bina^-Sf^en  ©urben  bal)er  nid^t  feiten  grabe  in 
ben  beft^enben  unb  abeIsftol3en  Samilien  grunbfä^lidj  (für  iljre  (Eödjter) 
gepflegt,  oä^renb  im  übrigen  Kaufefjc  beftefjt.  3mmerl)in  ift  3U- 
3ugefte^,  bag,  ©enn  gegenüber  generell  geltenbem  mutterred^t 
bie  Kaufel^  Sortfd^ritte  machen  foll,  bafür  bie  bepftenben  Sdjidjten 
ber  günftigere  Hä^rboben  finb.  Unb  in  ber  (Eat  ift  es  nid)ts  Unge* 
iDö^nlid^es,  bag  f}äuptlinge  unb  Sül^rer,  bie  fid)  oielleic^t  burc^  Krieg 

Wthtt,  €b«fTd«  «ll^  m«ner.  3 


34         primitiDe  <Bef(^Ie(^tsDerbinöungen  unö  legitime  (E^e. 

oöer  Raub  befonbere  Reichtümer  enoorben  ^aben,  eine  ober  oiele 
Srauen  ab  i^r  unbef(^rän6tes  (Eigentum  enoerben,  unb  baburc^  fafetifd^ 
3ur  DatergetDalt  übergeben,  toä^renb  bie  Dlaffe  ber  Donsgenoffen 
na(^  l)Iutterre(^t  lebt  3ebe  Suna^me  unb  jebe  Differensierung  ma« 
terieller  Kultur  innerhalb  biejer  Dolftsftämme,  bie  einer  breiteren 
S(^t(^t  x>on  mönnem  ein  angemeffenes  Brautpreisangebot  ermöglicht, 
mug  abbann  bas  I1tutterre(^t  3U  (bunften  ber  DatergetDalt  in  ben 
Ijtntergrunb  brängen.  Jtbe  Steigerung  bes  tDo^Iftanbs  unb  ber  Be* 
bfirfntffe  DerftdrM  aisbann,  loenn  biefe  (EntroicMung  einmal  im  6ange 
ift,  bas  Streben  bes  Rlannes,  feinen  Befi^  ben  eigenen  Kinbem 
3u  ^interlaffen  unb  feinen  £anbantei[  in  ber  eigenen  Sippe  mit  f}ilfe 
ber  5^ou  ooll  aus5unu^en.  3^ber  5ortf(^ritt  materieller  Kultur,  aber 
aud^  jeber  5ortf(^ritt  3U  -  in  biefem  Sinn  —  inbioibualiftifc^em  (Emp» 
finben  oerbröngt  bann  bie  mutterre(^t[i(^e  Denoanbtfc^aftsorganifation. 

Der  gleid^en  (Entroidtlung  können  aber  au(^  anbere  ITlomente  3ugute 
ftommen.  (Es  liegt  na^e,  ba^  in  ßoXitn,  too  bie  Cebenstoeife  eines 
Stammes  infolge  ftetigen  Kriegs3uftanbes  eine  ftraffe  mißtärifc^e  (Dr* 
ganifation  bebingt,  6riegerif(^er  Raub  als  €rQ>erbsquene  alfo  in 
btn  Dorbergrunb  tritt  unb  ber  Befi^,  au(^  an  Boben,  in  erfter  £inie 
als  Probukt  bes  Speeres,  ber  il)n  fc^fl^t,  3U  gelten  beginnt,  bie  kriege« 
rif(^en  ®rganifationen  ber  Rlanner  bie  ([enben3  3eigen,  g  r  u  n  b  ( ä  ^« 
I  i  (^  bie  Söl)ne  il^rer  Angel)örigen  im  militarif(^en  3ntereffe  in  ben 
Derbanb  ber  tDeibe«  unb  Dorfgemeinf(^aft  bes  Daters  3U  3ie^en,  bas 
„IRutterred^t"  alfo  fi]ftematif(^  3urüdt3ubrängen,  tDöl^renb  gleid)3eitig  ber 
Raub  ber  5tau  ab  bie  bes  fielbtn  iDürbigfte  5orm  i^rer  (betoinnung 
3U  gelten  beginnt  namentlich  ID.  Rob.  Smitl)  Ifai  in  geiftrei(^er  IDeife 
eine  foI(^e  SnttDicklung  für  Hrabien  tDal)r{d)einIid)  3U  mad)en  gefud^t. 
Bei  ber  UriDÜ(^figkeit  bes  patriar(^alismus  bei  allen  Semiten  ift  ber 
Betoeis  in  biefem  5^0,  toie  toir  im  3tDeiten  Kapitel  fef)en  toerben, 
xDolfl  als  mißlungen  an3ufel)en.  Rber  bas  ^inbert  nid)t,  bog  in  an^ 
bern  S^Oen  ber  Ijergang  ein  af}nli(^er  getoefen  fein  könnte.  Starker 
militarismus  begünftigt,  toie  toir  feigen  toerben,  regelmäßig  bie  Dlannes« 
^errfdjaft  flnbrerfeits  fpridjt  natürlich  gar  nichts  bafür,  biefe  Art 
ber  (Entioi&Iung  als  bie  allgemeine  an3ufef)en  unb  3U  glauben,  bas 
„Daterredjt"  als  Begleiterft^einung  bes  fpe3ififdj  kriegerifc^en  dl^a» 
rakters  eines  Stammes  muffe  immer  ober  in  ber  Regel  einer  früheren, 
fricblidjen  unb  besljalb  „mutterredjtlidien''  Derfaffung  gefolgt  fein. 

Die  Ijeute  häufiger  3U  beobad^tenbe  (Erfc^einung  ift  eine  3er« 


D.  lenöenjen  jutn  ntutterrec^t  beim  ftoUefttteiftifc^en  Adierbau.  35 

fe|ttng  öcs  Hlutterre^l^ts  burd^  öftonomif(^e  niomente.  Die  Ijöuptlings' 

fornilien  finb  im  allgemeinen  au(^  bteienigen,  in  beten  Ijönben  ur« 

fprfinglid^    ber   (Eoufc^^anbel   ober   bod^   ber    (btminn  boraus  {i(^ 

konzentriert    Unb  es  ift  banac^  begreiflich,  toenn  ber  Kampf  kolleft* 

tioiftifd^er  unb  —  oom  Stanbpunftt  bes  niannes  aus   gefe^en  • 

»inbiDibualiftifd^er",  b.  ^.  bie  ITIad^tftellung  bes  Ijaus^rm  fteigember, 

£ebe  nsf ormen  bei  june^menber  Kultur,  freute  ni(^t  jelten  grabe  bann 

bei  nieberen  AAerbauem  beobachtet  toirb,  toenn  il)re  probuftte  ftei- 

genbe    flbja^fä^iglieit  gewinnen.     3n  (Ermangelung  irgenb  loelc^er 

öffentlid^r  (Behalten  ge^t   er  l)ier  häufig  mit  befonbers  brutaler 

Be^nblung  ber  S^<^^  ^^nb  in  f}anb.    Bei  ben  Eingeborenen  Heu- 

britanniens  unb  Heuirlanbs  3.  B.,  ido  bie  Bebeutung  bes  Adterbaus 

f(^n  hinter  bem  (Eaufd^oerke^r  jurüdttritt  unb  besl)alb  bie  öftonomi* 

fd^n  Ceiftungen  ber  5^^^  für  il)re  Sippe  bebeutungslofer  loerben, 

l^bt  im  (Einselfall  ber  5^<iuenftauf  bie  tDirkungen  bes  IHutterrec^ts 

fo  DoOftSnbig  auf,  bag  ber  mann  feine  5^^u  fogar  auffreffen  ftann, 

«Denn  fte  i^m  nid^t  mel)r  pagt.  -  Aef^nlid^  auf  ben  Ditünfeln,  ido 

ntutterred^t  unb  käuflid^  erQ>orbene  Datergetoalt  um  bie  f^errfd^aft 

ftreitem    Da  ^ier  überbies  ber  mann  fd^on  btn  f}auptteil  ber  Adter* 

arbeit   oerrid^tet,  tDäl)renb  3ufoIge   ber   fteigenben   Bebürfniffe   bie 

Tätigkeit  ber  S^^u  fic^  aufs  ^f^aus"  bef(^rankt,  gilt  {ie  als  oöllig 

untergeorbnetes  (Befd^öpf.    Sie  ift  oom  dempelbefud)  unb  oom  (Benug 

Dieler  Speifen  ausgef(^Io{fen,  ber  mann  kann  fie  ftraflos  töten  unb 

oerje^ren  unb  feine  (Eigentumsgeioalt  reid)t  fogar  bis  über  feinen  (Eob 

i^inaus:  Stirbt  ein  mann,  fo  loirb  eine  feiner  S^^uen  erbroffelt,  „um 

fetner  Seele  im  3enfeit$  3U  bienen".  -  Rnd)  in  Samoa,  too  beibe 

ftefd^Ied^ter  btn  Adterbau  oerrid)ten,  fu(^t  ber  mann  bie  S^^u  burd^ 

reid^  (Befd^enke  an  if^re  Denoanbtfd^aft  3U  feiner  eigenen  t^ausgemein- 

fd^aft  ^erüber3U3ie^cn.    Hber  l)ier  toerben,  toie  toir  bies   fd)on  bei 

mand^en   „^^cn  Sägern"   beobachteten,   bie  tDirkungen   bes   bas 

mutterred^t  oerbröngenben  Srauenkaufs   loieber   burd)   Ausftattung 

ber  5^0tt  mit  einer  mitgift  abgefd)iDad)t.    Die  $rau  betraft  baburc^ 

ein   eigenes  dkonomifd^es   Sd)iDergeiDid)t   unb    if^re    S^^il^e  bulbet 

nid^t,  ba%  bie  oon  if^r  ausgeftattete  (Eod^ter  ober  Sd)n)efter  einfad) 

als  Sac^e  be^bett  toirb:  ba^   bie   S^^u  (Eigentümerin   ift,  fd)ü^t 

fie  Dor  Derkne<^tung.    Saus  if^r  ber  mann  nid)t  gefönt,  kann  fie 

ieber3eit  3U  i^rer  eigenen  Sippe  3urü*kel|ren,  Dermögen  unb  Kinber 

«Derben  bonn  frieblic^  geteilt.  3mmeri)in  aber  fallen  bie  Kinber  na6\ 

3* 


36  primittDe  <Be|(J^Ie(^tSDerbinbungen  unb  legitime  <E^. 

bem  (Eobe  bes  Daters  an  beffen  Sippe  jurüA:  es  ^errld^t  (d^on  Doter« 
red^t.  —  Bei  ben  neufeelonbem  fe^t  fid^  bos  ntutterrec^t  no(^  bröf' 
tiger  bur(^.  Ijier  nehmen  nur  Ijauptlinge  unb  Reid^  bie  S^^uen  3U 
fid^  ins  eigene  Ijaus  unb  ^interlaffen  i^r  (Erbe  ben  eigenen  Kinbem, 
ber  getDd^nIi(^e  Itlann  aber  fiebelt  3ur  Sippe  ber  S^^u  fiber  unb  für 
i^n  regulieren  fid^  bes^alb  bie  Be3ie^ungen  ju  5^ou  unb  Kinbem 
naäi  niutterre(^t. 

Diefe  Beifpiele  oerf(^ieben  nuancierter  Der|(^Iingungen  oon  Itlutter« 
re(^t  mit  käuflich  enoorbener  Datergetoalt  liegen  fid^  nod^  beliebig 
oerme^ren.  Sie  fibenoiegen,  u)ie  f(^on  gejagt,  bie  S^üt  bes  Sott» 
befte^ens  bes  reinen  ITlutterrec^ts.  Um  nod^  ein  Bei|piel  an3u« 
fü^en:  Bei  btn  ITlortlo&infuIanem  bilbet  bie  Ueberfiebelung  bes 
niannes  3ur  Stau  bie  Regel.  Selbft  mtnn  biefe,  3U  (Bunften  ber 
Rei(^ften  bur(^bro(^en  toirb,  gel)ören  bie  Kinber  benno(^  3ur  Sippe 
ber  niutter  unb  erben  i^re  £anbanteile  oon  ber  mütterlichen  Der« 
tx)anbtf(^aft,  in  bie  {ie  aI|o  3urü&fte^ren,  toä^renb  bagegen  i^r  Dater 
i^nen  fein  betDegIi(^es  Dermögen,  [einen  A&eranteil  aber  ben  Kinbem 
feiner  S(^tDefter  ^interlägt.  €ine  foI(^e  (Eeilung  bts  oöterlid^en  Be« 
fi^es  3tDif(^en  Kinbem  unb  S(^tx)efterftinbem  ift  ni(^ts  UngetDÖl^nlid^es 
unb  eiriftiert  3.  B.  au(^  bei  einigen  afriftanif(^en,  fonft  nai^  reinem 
l)Iutterre(^t  lebenben  DoI6sftämmen. 

„Heines''  ITlutterred^t  finbet  fi(^  bagegen  l)errfd)enb  bei  einigen 
malaif(^en  Dolftsftömmen.  namentlich  bie  Dertx)anbtf(^aftsorganifation 
ber  nienangftabau-Iltalaien  auf  Sumatra  oeranf(^auK(^t  bie  Be« 
bingungen  unb  Konfequen3en  feines  Beftel^ens.  f}ier  l)aufen  alle 
,,aus  einem  Bauche",  alfo  oon  einer  gemeinfamen  Af^nmutter  Ab* 
ftammenben  in  einer  großen  f)ausgemeinf(^aft  3ufammen.  Die  (Be* 
f(^le(^tsoerbinbung  begrünbet  keine  oollftanbige  £ebensgemeinf(^aft 
3tx)ifd)en  ben  (5atten.  Die  S^avi  bleibt  nad)  ber  „Ijeirat"  in  i^rem 
eigenen  f^ausoerbanbe,  bilbet  alfo  mit  il}ren  Kinbem  eine  Itlutter* 
gruppe.  Au(^  ber  mann  bel)ält  feinen  ftönbtgen  tDof)nfi^  bei  ber 
eigenen  Sippf(^aft  unb  oerbringt  nur  einen  (teil  bes  lages  bei  feiner 
Srau,  ifet  unb  fc^läft  bei  iljr  unb  Ijilft  i^r  bafür  bei  ber  Arbeit.  Die 
Be3ief)ung  ift  für  beibe  ^eile  ol)ne  loeiteres  löslid).  Die  Kinber  ge* 
l}ören  ausfd)lieglic^  3ur  Dlutter  unb  erben  il^re  £anbanteile  oon  i^r 
unb  iljren  Brübcrn.  Itlännlic^e  Autorität  ben  Kinbem  gegenüber  ift 
ber  niutterbmber,  er  -  alfo  ein  Iltann  -  übt  alle  Redjte  unb 
Pflichten,  bie  nac^  unferen  Dorftellungen  nur  ben  (Eltern  3uftel}en.    Da« 


D.  leiibenjeit  sunt  IRutterrec^t  beim  koIIefttiDi{ti{(^en  AAerbau.  37 

gegen  borf  6er  Dater  (eine  Kinöer  noeöer  fc^elten  nod^  ftrafen,  um 
6en  O^eim  ni(^t  3U  ftrönften.  (Et  tft  in  öiefer  I}infi(^t  ein  5^^^^^^  i^ 
Qoufe.  —  Bei  öen  Hairs  in  UTalabar  an  6er  tDeftkfifte  3n6iens  ^ertfc^t 
imax  ebenfalb  6ie  „reine"  HTuttergruppe :  liiert  (batte  un6  (battin, 
fonbem  Brüber  unb  Sc^noeftem  bilben  einen  Ijaus^alt.  Der  UTann 
mirb  Don  feinen  S(^n)efter(ö^nen  beerbt,  bie  i^m  and^  bie  dotenopfer 
bar^ubringen  ^ben.  Die  Stauen  bürfen  5um  (be{(^Ie(^tsDerftebr  nac^ 
Belieben  einen  Utann  nad^  bem  anbem  ober  neben  einanber  nehmen 
(fog.  nair-polqanbrie).  Uad^  S^^^^^^  ^i^^  l^^^s  Iltabc^en  {(^on 
vor  bem  10.  3a^re  feierlich  an  einen  Utann  uer^eiratet,  aber  naif 
ber  erften  Uad^t  trennen  fi(^  bie  (batten  unb  bie  junge  Stau  empfangt 
£ieb^ber  in  beliebiger  Ansagt,  oft  10—12,  mit  benen  fie  in  ber  un- 
befc^ränkteften  IDeife  -  natürlich  faft  immer  gegen  (Entgelt  -  Der« 
ke^rt.  Diefe  Bemerkung  {(^eint  aber  3U  ergeben,  ba^  ^ier  bie  fei^uelle 
Ungebunben^eit  ber  5tau  bas  3üngere  ift  gegenüber  ber  feften  (E^e 
mit  einem  mann:  bie  „freie  Eiebe''  ^at  bie  „(E^e"  Derbrangt.  Diefe 
•freie  Eiebe"  ober  ift,  ber  Regel  na(^,  einfach  „proftitution",  unb  fie 
erfolgt  keinesnoegs  immer  5um  materiellen  Dorteil  bes  ITIabc^ens, 
(elbft,  fonbem  meift  5um  Dorteil  it^rer  5<^^ili^- 

(Ein  m5gli(^{t  ungehemmtes  HusiDtrken  bes  ITIutterrec^ts  in  einer 
möglid^ft  breiten  Sd^xd^i  Don  Dolksgenoffen  bietet  nun  naturgemäß  bie 
nrid^tigften  (EntioiAIungsbebingungen  für  bie  (Entftel)ung  eines  ntatri* 
ard^ats,  obnoo^I  es  fie  burdjaus  nid)t  immer  ober  aud)  nur  normaler* 
loeife  3ur  S^Ige  ^t.  tDenn  n)ir  uns  besl^alb  je^t  nod^  einget^enber 
bie  (beftaltung  bes  (E^elebens  bei  Steigerung  bes  ITIutterredjts  5ur 
ntuttergenoalt  Deranfd)auli(^en,  fo  bürfen  n)ir  babei  nid)t  uergeffen, 
büß  bie  als  Beifpiele  5itierten  Dolksftömme  an  9al)(  unb  Umfang  ge> 
rabe^u  oerfc^noinbenb  klein  finb  im  Dert^öltnis  5U  benjenigen  Kate- 
gorien, bei  benen  bas  Htutterredjt  oerfdjiebenartige  Derbinbungen 
mit  Dater«  unb  nid)t  mit  ITIuttergeiDalt  eingegangen  ift. 

(Entfpred^enb  ben  oerfc^iebenen,  mit  ITIutterredjt  oereinbaren 
flb^öngigkeitsgraben  ber  5tau,  (äffen  fid)  aud^  oerfdjiebene  (bxabe  unb 
Sormen  bes  Utatriarc^ots  unterfdjeiben.  I}öd)ft  eigenartig  geftaltet 
fi<i^  5.  B.  bie  Dor^rrfc^aft  ber  5tau  in  ber  Sawiilie  bei  ben  Berooljncm 
ber  Palauinfeln.  Qier  a)ur3e(t  fie  nun  offenbar  in  tt)tem  überragenben 
nutnxtt  für  bie  Sippe.  3t)r  fönt  beim  Pflan5enbau  bie  meifte 
unb  loeitaus  fc^noerfte  Arbeit  5U.  Augerbem  beforgt  fie  alle  ^öuslic^ 
ttnb  geiDetblic^  Tätigkeit  unb  felbft  bas  3nftanb^alten  ber  öffentlichen 


38         PrtmittDe  (Befc^Iec^tsDerbinöungen  unö  legitime  (E^e. 

tDege  gel)ört  3U  i^ren  Verrichtungen.  Dementfprec^enö  fte^t  fie  in 
^o^em  Anfe^en  unö  ift  an  6er  öffentlichen  ITlac^t  beteiligt.  Die  Dorf* 
regierung  befte^t  nömlic^  aus  6en  Sippen^öuptem  unb  febe  Sippe 
beft^t  neben  öem  mönnlidjen  au(^  ein  noeiblidjes  (Oberhaupt.  3ufoIge 
6er  SippenejTogamie  hann  niemals  6ie  (battin  6es  männlichen  Oorfte^ers 
6iefe  tDür6e  bekleiben,  fie  fönt  öes^alb  ftets  feiner  Sc^noefter,  Htutter 
ober  dante  3U.  Die  „(Hit"  5a)if(^en  jungen  £euten  noirb  meiftens  auf 
Probe  gef(^Ioffen.  Unb  yooax  berart,  bag  ber  junge  mann  fi(^  burc^ 
ein  (bef(^enk  an  bie  Sippe  bes  niabc^ens  bie  (Erlaubnis  enoirkt,  mit 
i^r  bei  i  ^  r  e  r  Sippe  5ufammen5un)o^nen.  I}at  man  fi(^  fatt,  fo  trennt 
man  fi(^  o^ne  weiteres.  Dos  Ausleben  bes  Hbn)ed)slung$triebes 
wxxb  beiben  (befc^Iec^tern  geftattet.  Dauembe  Derbinbungen  merben 
meift  erft  im  reiferen  HIter  gefc^Ioffen,  ber  mann  barf  bann  gegen 
ein  (bef(^enk  bie  5t<^u  5U  feiner  Sippe  mitnehmen,  aber  fie  ift  fosu* 
fagen  nur  ßum  6efu(^  bei  i^m,  i^re  rec^tlic^e  Ijeimat  behalt  fie  tro^* 
bem  bei  ber  eigenen  Sippe.  Bei  Sd)a)angerf(^aft,  (Erkrankung  u.  f.  w. 
ke^rt  fie  „nad\  I}aufe"  5urü(k.  Die  (beburt  eines  Kinbes  unb  fonftige 
5ami(ienfeftli(^keiten  n)erben  bort  gefeiert,  unb  ber  mann  mug  bann 
iebesmal  für  i^ren  Aufenthalt  im  elterlidjen  I}aufe  eine  befonbere 
(Entfdjöbigung,  augerbem  aber  regelmäßige  (belbabgaben  für  bie  lieber« 
(affung  ber  (Eod)ter  entrid)ten.  Diefe  (belb5al)lungen  machen  jeboc^  in 
biefem  S<^^  ausna^msnoeife  ben  (Ehemann  nid)t  noie  fonft  3um  (bemalt* 
^aber  ber  5^^^^.  3^r  ökonomifc^er  tDert  für  bie  eigene  Sippe  fc^eint 
fo  groß  3U  fein,  bag  fie  bem  (batten  gleid)fam  nur  lei^roeife  überlaffen 
wirb  unb  er  nur  „nu^niegung",  ni(^t  aber  (Eigentum  an  i^r  er* 
noerben  kann. 

Als  „matriarc^at"  im  eigentlid)ften  Sinn  barf  man  bie  Stellung 
ber  S^<^^  t^^i  einigen  adterbauenben  3nbianerftammen ,  namentlid^ 
bei  ben  je^t  teils  ausgeftorbenen,  teils  nur  in  unfc^einbaren  Reften 
fortüegetierenben  I}uronen  unb  3rokefen  be5eid)nen.  Denn  ^ier  finbet 
fi(^  eine  gen)iffe  Beteiligung  ber  5tau  an  ber  Dernoaltung  bes  (bemein* 
noefens  mit  einer  genoiffen  „muttergeroalt"  in  ber  5cimilie  kombiniert. 

Dur^  morgans  einge^enbe,  auf  langjäl^rigem  Aufenthalt  beru* 
lltnbe  Stubien,  finb  noir  am  beften  über  bie  fo5iaIe  Derfaffung  unb 
bie  Sitten  ber  3rokefen  unterri^tet.  3l)re  großen  aus  10-12  (Ein« 
3elfamilien  befte^enben  I}ausgemeinf(^aften,  ober  —  was  aud^  unb 
l)aufiger  Dorkommt  —  i^re  aus  ein5elnen  Ijaus^altungen  befte^enben 
Dörfer  f^Iiegen  fi(^  3U  territorial  gefonberten  Stammen  unb   biefe 


D.  leiibenjeit  junt  niutterrec^t  beim  koUektiDtitiic^en  AAerbau.  39 

mieöenim  3um  3toheienbunbe  5ufammen.  Den  Dörfern  iDtrö  Dom 
Stamm  ber  6runb  unb  Boben  garantiert,  ben  bie  I}ausgemeinf(^aften 
ober  (EinselfomiKen  jur  bauemben  Ilu^ung  erhalten.  (Quer  bur(^« 
fc^nttten  noerben,  noie  bei  btn  3agerDÖlkem,  Stamm,  Dorf,  Ijausge* 
metnfd^ft,  (Einselfamilie  Don  ben  mutterred)t(i^  organifierten  (bo 
H^Iec^tS'  unb  (Eotemoerbänben.  3ebes  Kinb  gehört  5um  (Bef(^Ie(^t 
unb  3um  lotem  ber  IRutter.  Da  aber  in  ber  Regel  ^ier  ebenfo  noie 
bei  anbren  3nbianem  bie  S^<^^  ^^^  ITIann  in  {eine  I}ausgemeinf(^aft 
folgt,  fo  finb  and^  ^ier  innerhalb  besfelben  Kaufes  Angehörige  Der« 
fc^iebener  (Eotems  uereint.  mit  Ausnahme  ber  Robung  bes  Heulanbs 
liegt  bie  Beroirtfc^aftung  bes  Hdters  unb  bie  Derteilung  ber  (Ernte- 
erträge in  S^^^uen^anb.  Die  Htönner  treiben  nur  3agb  unb  S^^' 
fang  unb  gingen  früher  Dor  allem  einen  großen  deil  bes  3a^res  auf 
btn  Kriegspfab.  Unb  ba  fie  bes^alb  in  il^rem  eigenen  fftim  {o5u> 
fagen  nur  auf  Befud)  maren,  blieben  bie  S^^^uen  bie  allein  IDirt- 
fd^ftskunbigen.  3nfoIgebeffen  hann  anif  eine  Stau  5ur  Dorftel^erin 
einer  Qausgemeinfc^aft  gemacht  roerben,  unb  als  {ol^e  barf  fie  fi(^ 
an  ber  tDa^I  bes  Sippen^auptes,  bes  Sadjem,  beteiligen.  Die  3U 
einem  Stamme  gehörigen  Sac^ems  bilben  teils  allein,  teils  5ufammen 
mit  btn  für  Kriegsfalle  Don  ben  Dörfern  gen)al)(ten  Ijöuptlingen  ben 
Stammesrat,  bas  ein5ige  poUtifdje  (Drgan.  Unter  Umftönben  f(^einen 
5rauen  nun  ßu  ben  Derfammlungen  bes  Stammesrats  5uge3ogen  noorben 
3u  fein.  Dag  aber  bie  Sa(^emsa)ürbe  felbft  jemals  Don  einer  S^<^^ 
beMeibet  noorben  noöre,  bODon  finbet  fid)  bei  niorgan  keine  Spur. 
Dabei  ^errfd)t  DoIIes  niutterredjt  unb  ^wax  kann  man  ^ier  Don  einer 
.Cl^e"  naii  niutterredjt  fprec^en,  ba  ITIann  unb  S^^^u,  {ei  es  in  einer 
(Einjet^fitte,  {ei  es  in  einem  (Etn5e(raum  bes  „£angen  Ijaufes"  ßu* 
fammen3ie^n,  mit  ber  Abftd)t,  eine  £ebensgemein(d)aft  5U  begrünben. 
Die  (El^eftiftung  ift  ausf(^(iegli(^  Sadje  ber  ITIütter.  Die  aust^öufigen 
ntänner  kümmern  fi^  nid)t  barum.  Sie  gilt  als  (be{(^aft,  Don  bem 
bie  Beteiligten  erft  naif  (einem  Abfdjiug  erfat^ren.  ITIeift  traben  fi(^ 
bie  C^kanbibaten  {elbft  Dörfer  gar  nid)t  gefe^en.  IDiberfprud)  Don 
i^er  Seite  gibt  es  Doüenbs  nid)t.  Cs  ift  für  Söt^ne  unb  Höxter 
üblid^,  fi(^  in  biefer  Be5ie^ung  bem  IDillen  ber  ITI  u  1 1  e  r  blinb  5U 
unteriDerfen.  Die  (Erotik  fpielt  gar  keine  Rolle  für  bas  9u{tanbe« 
kommen  ber  „(E^e",  bie  übrigens  rec^tlid)  ieber3eit  Don  beiben  Seiten 
losließ  ift,  toenn  anif  bie  Sitte  tDillkürlidje  Sdjeibung  mißbilligt. 
(El^elic^e  Ireue  roirb  jeboc^  Don  keiner   Seite  beanfpruc^t,   bie   Be« 


40  PrimittDe  (Befc^Iec^tsDerbinöungen  unö  legitime  (E^e. 

Sie^ungen  flnö  toefentlic^  öftonomifc^er  Art.  I}äufig  l^at  ieber  öer 
(Batten  nodf  nebenbei  „Oer^ältniffe"  (noos  IlloTgan  als  Reft  von 
„(Bruppene^en"  beutet).  Da  bie  Stau  faft  immer  3um  UTann  3U  ßie^n 
fdjeint,  fo  entfte^t  alfo  tro^  ntutterrec^t  eine  Datei*,  Keine  ntutteT* 
gruppe.  Prä5ife  Angaben  barüber  fehlen  jebod).  3^t  perfönltd^es 
(Eigentum  behalt  bie  S^^^  unter  eigener  Kontrolle  unb  nimmt  es  bei 
Sd)eibung  mit  [\i^.  Rang,  Stanb,  benoeglidjes  Dermögen  unb  aud^ 
bas  nu^nie6ungsred)t  an  einem  Stüdt  Hdterlanb  erben  bie  Kinber 
nur  oon  ber  Ülutter.  Das  (But  i^res  Daters  roirb  na<^  feinem  (Eobe 
Don  {einer  Sippe  oerteilt.  3n  neuerer  Seit  hann  ber  mann  {eboc^ 
{eine  f)abe  ben  Hn(prüd)en  ber  Sippe  baburc^  entsie^en,  bog  er  fie 
Dor  3eugen  S^<^^  unb  Kinbem  (djenkt.  nTerftmfirbig  ift  nun,  ba^ 
tro^  ber  Steigerung  bes  reinen  niutterred)ts  ber  3roke{en  yxx  „Htutter* 
gemalt"  auf  (brunb  bes  überragenben  öhonomifc^en  Hu^merts  ber 
5rau  unb  ber  Aus^öufigheit  bes  ITlannes,  fie  bennoc^  bem  UTann 
gegenüber  als  untergeorbnetes  tDe{en  gilt,  unb  getDo^nt  ift,  fid) 
{elb(t  (0  ein5ufd)a^en!  IDie  in  mandjen  ftreng  patriarc^al  organi* 
fierten  J^mWi«"  effen  3.  B.  3uerft  bie  Ülänner  allein,  bann  erft  bie 
5rauen  mos  jene  fibrig  (a((en.  ITIorgan  füljrt  au^  mandje  anberen 
<Eigentüm(id)keiten  ber  inbiani(^en  (be{ell((^aften,  bie  i^m  als  Ameri- 
kaner offenbar  be{onbers  aufgefallen  finb,  toie  3.  6.  ben  niangel 
aller  (Erotih  unb  aller  ge{elligen  Be3te^ungen  3n)i(d)en  ber  3ugenb 
beiberlei  (Be(d)(ed)ts  (pe3iell  auf   bie(e   {03iale  Ungleid)^ett   ber  (be« 

{(^lec^ter  3urüdt :  »The  Indian  regarded  woman  as  the  inferior,  the 
dependent  and  the  servant  of  man,  and  from  nature  and  habit 
she  actually  considered  herseif  to  be  so«  ^).  —  Bei  ben  gan3  ausge« 
ftorbenen  Ijuronen  fiel  bie  gleidje  I)err{d)aft  ber  ITIuttergeroalt  mit 
berjenigen  ber  ITIuttergruppe  3u(ammen.  ITIonogame  Derl)altnt{fe 
(ollen  3n)ar  bie  Regel  gebilbet  traben,  bas  (be{d)Ied)tsDerl)aItnis  be* 
grünbete  aber  keine  D0ll(tänbige  £ebensgemein(d)aft.  Hlann  unb  Srau 
behielten  iljr  Domi3iI  in  ber  eigenen  I)ausgemein{d)aft.  Der  mann 
oerkeljrte  mit  ber  J^^u  oon  {einem  I)au{e  aus  unb  oerbiente  {i^  bie 
Hnnel)mlid)ketten  bes  Derkel^rs  mit  il)r  burd)  DerDon(tönbigung 
iljrer  Spci{eoorräte  aus  einem  (Eeil  {einer  3agbbeute.  Seinen  Kinbem 
blieb  er  ein  J^^^ber,  er  bekümmerte  fid)  nidjt  um  {ie  unb  mürbe 
aud)  oon  iljnen  ignoriert.    Sie  »urben  mit  Ijilfe   bes  (Dljeims   nur 


*)  ITIorgan  a,  a.  (D.  S.  316. 


D.  (Eenbensen  3um  niutterrec^t  beim  kolleftttoiftif^en  Adterbau.  41 

ooti  öer  ntutter  Derforgt,  ersogen  unö  oer^eiratet.  Das  Oer^Itnis 
QKir  jeberjeit  lösli^.  „heiratete"  öie  5tau  3um  jnoeiten  mal,  {o  blieben 
öie  Kinöer  bei  i^r  unö  betrad)teten  i^ren  ßnoeiten  «mann"  als  Dater. 
Starb  bte  mutter  (o  blieben  fie  in  6er  (Dbl)ut  6er  mfitterlic^en  Der« 
QKinbtfd^aft.  Als  „C^e"  ftann  6ies  Derl)ä(tnis  3n)i((^en  mann  un6 
Stau  natürlich  ebenfonoenig  beseidjnet  coerben,  noie  etioa  bas  6er 
tnMf(^en  Hairs. 

Betrachten  mix  alfo  6ie  rein  fanttlienrec^tlic^e  Seite  6ie{es  matri> 
ar(^s  genauer,  {o  erfc^eint  fie  im  (brun6e  mefentlic^  6ur(^  6en 
mangel  6es  Rec^tsbanbes  3a)i{(^en  Dater  un6  Kin6  beftimmt.  -  (benau 
mte  mix  ^eute  etroa  Don  einem  matriarc^at  6er  unehelichen  mutter 
fprec^n  könnten,  falls  6ie{e,  coas  meift  nid)t  6er  5<^n  ift,  eo  ipso 
6ie  DoIIe  elterliche  (bemalt  befage.  AUerbings  bleibt  als  feine  offent* 
Ii(4  re(^tli(^e  Seite  6ie  Beteiligung  6iefer  3n6ianerfrauen  am  Stammes- 
rat befte^en.  Dies  politifc^e  matriarc^at  mar  t)ier  in  6er  Hat  offenbar 
loefentlic^  öhonomifd)  bebingt,  eine  5oIge  6er  Arbeitsteilung  6er  (bef^Ie^* 
ter  berart,  6a6  6er  mann  überhaupt  keine  eigentli^e  Arbeit  tat.  Da 
6ie  Stauen  allein  6en  Adter  bebauten  un6  6esl)alb  allein  roirtfc^aft- 
Ii(4  entmidtelt  a)aren,  burften  fie  and^  bei  6en  Dercoaltungsangelegen- 
^iten  6er  größeren  (bemeinf^aften  it^ren  Rat  erteilen.  An6ererfeits 
OKir  biefe  „matriarc^ale"  SteHung  6er  Stau  bei  6en  3n6ianem  fe^r 
oft  ni(^t  nur,  mie  mix  bei  6en  3rokefen  fallen,  mit  i^rer  Derac^tung, 
fon6em  mit  6er  fdjamlofeften  Ausbeutung  it^rer  Arbeit  uerbunben, 
ftber  coelc^e  Don  jel^er  6ie  miffionare  klagten. 

nac^bem  coir  an  konkreten  Beifpielen  6ie  6ur(^aus  Derfd)te6en* 
artige  praktif^e  Be6eutung  6es  mutterred)ts  un6  6ie  Dte(6eutigkeit 
Mefes  Begriffs  kennen  gelernt  traben,  können  mir  uns  nun  no(^  ein> 
mal  refümierenb  6ie  Stage  nad)  feiner  entn)i(k(ungsgef(^id)tlid)en  Stel- 
lung Dorlegen.  Dabei  traben  mir  -  mie  bie  gan3e  Dorangel)en6e 
Crörterung  ge3eigt  ^at  -  aus  öiefem  Begriff  6ie  oon  Badjofen  unö 
btn  meiften  fo3ia(iftif(^en  Dertretcm  6er  mutterrcd)ts»(El)eorie  Ijincin- 
gesogene  DorfteUung  eines  öamit  gegebenen  Re*^ts  6er  mutter 
unö  überhaupt  einer  günftigen  £age  6er  Stau  Döllig 
attS3uf(^ei6en.  „mutterredjt"  bebeutet  ja,  rote  oben  anali}- 
fiert,  3unäd)ft  gar  nichts  weiter,  als  eine  fakttfdje  Konfequen3  bes 
Datetmangeb  unö  als  folc^es  e^nftiett  es  natürlid)  überall  öa,  a)o 
Kinber  finö,  öie  im  Red)tsfinn  keinen  Dater  traben,  öer  für  fie  forgt 
unö  fie  fi(^  3ure(^net,  unö  a)o  öiefe  Kinöer  öennod)  nid)t  -  was  bei 


42         prfanitioe  (Befc^Ie^tsDerbinöungen  unö  legitime  (E^e. 

KuItutDÖlbem  Dorftommt  -  Don  ieöer  5o^Ui^n3U9e^öTigfteit,  au(^ 
öerjenigen  5ur  mütterlichen  Sippe,  ausgefc^Ioffen  noeröen.  Unö  Kinber 
in  ö^nKc^er  £age,  noie  fi(^  in  öer  moöemen  (Befellfc^aft  6ie  „une^e* 
liefen"  befinöen,  gibt  es  natürlich  immer  unb  liberall,  bei  btn  Auftrat- 
negem  (o  gut  noie  bei  uns.  Hur  ift  eben  öiefe,  aus  bem  Dotermangel 
entfte^enbe,  mutterfeitige  Denx)anbt{d)aftS3ure(^nung  keine  allgemeine 
„urfpdtnglidjere",  ber  Datergecoalt  Dorange^enbe  „  (EnttDiAIungsftufe", 
(onbem  bei  ber  gan3  übenoiegenben  ine^r3a^I  ber  Oölher  Don  je^er 
nebener{d)einung  bes  ^err{^enben  Patriarc^alismus. 

Aber  au^  bort,  roo  niutterredjt,  b.  ^.  (Erbred)t  nur  nac^  ITlutter' 
feite,  ber  normaltqpus  unb  bie  ^errf^enbe  5orm  ber  Derroanbtfc^aftS' 
3ure(^nung  ift,  f^ü^t  es  bie  5^^^,  als  Rec^tsprinsip  an  fid),  ni^t  Dor 
ber  Be^errf^ung  burd)  niannesgemalt,  fei  es  i^rer  eigenen  mann* 
li^en  Derroanbten,  fei  es  bes  Daters  i^rer  Kinber.  Aus  jenem 
Daterlofen  Htutterre^t  mirb  ja  begrtffli^  nur  bann  ein  pofitioes 
^.Re^t"  ber  niutter  gegen  btn  (Er3euger  i^rer  Kinber,  coenn  es  ab 
Re(^tsprin5ip  in  Konflikt  mit  ber  kaufli^  erworbenen  niannes* 
geroalt  tritt,  alfo  in  au  benjenigen  fi^  ber  patriar^alen  (E^e  nö^em* 
btn  5ormen  mutterrec^tlic^er  Dereinigungen,  bei  btntn  ber  mann  bie 
5rau  in  feine  5<^^ili^  ober  in  fein  ffaus  einführt,  alfo  eine  „Dater* 
gruppe"  entfte^t.  3n  fo(d)en  5^^^^  -  ^i^  n)a^rf^ein(i(^  bei  ben 
3rokefen  -  ift  es,  neben  btn  erbred)tlid)en  5oIgen,  eine  pofttiDe  IDir* 
hung  bes  fortbefte^enben  Htutterrec^ts:  1)  bog  bie  5^^u,  tro^bem  fie 
5um  ntann  5iel)t,  il)r  ettpaiges  Dermögen  für  fi(^  bel^ölt,  2)  ba^  fte  fid) 
Dom  manne  f^eiben  kann,  unb  3)  bog  fie,  tDenigftens  manchmal,  bei 
ber  Dere^eK(^ung  il^rer  Kinber  mitfprid)t.  -  Diefe  Konfequen5en 
können  alfo  Ausflüffe  bes  mutterred)ts  bei  befte^enber  Dater« 
gruppe  fein.  Aber  boraus  folgt  natürlid)  nid)t  ettpa,  bag  fie  über* 
an  ba,  0)0  coir  fie  finben,  au(^  „Rüdtftönbe"  einftigen  mutterred^ts 
finb.  DaDon  ift  gar  keine  Rebe.  Bei  5a^(rei^en  KuIturDÖIkem 
traben  fie  ft(^  Dielme^r,  mit  mix  feigen  werben,  aus  bem  Dorl^er  allein 
^errfd)enben  e^klufiDen  „Daterre^t"  im  DOÜften  Zid^tt  ber  (bef(^i^te 
als  Probukt  Derfeinerter  Sitte  entioidtelt.  5^Tner  liegt  auf  ber 
f}anb,  bag  bie  I}t)pot^efe  eines  urfprünglid)  allgemeinen  matriardjats 
im  Sinne  einer  ^errf^aft  ber  5^ow  in  ber  5omiIie  unb  i^rer  Be* 
teiligung  am  öffentlic^n  £eben,  ab  genereller  ber  „(El)e  na^  Dater* 
red^t"  Dorausge^enber  Stufe,  Döllig  unt^iltbar  ift  Die  matriarc^alen 
(Erfc^inungen  ^en  oielme^r  in  i^rer  augerorbentUdjen  Seltenl^it 


E.  lenöenjen  3um  patriar^altsmus  bei  6en  Dte^jü^tem.     43 

uiib  offenbar  ^öc^ft  inbioibuellen  Beömgt^eit  (ebiglic^  als  etl)noIogtf(^e 
Kuriofitat,  aber  bur^aus  nid^i  als  „(EnttDtAIungsftufe'',  3ntereffe.  3u- 
mal  ba  {elbft  bas,  noos  man  unter  Iltatriarc^at  Derftel)t  —  toas  bis* 
1^  immer  noieber  unbeachtet  geblieben  ift  -  nic^t  einmal  eine  fo5iaIe 
<5Iei(4fteIIung  ber  S^<^^  garantiert.  Alfo:  „nTutterredjt"  ift  nid)t 
ibentif^  mit  einem  pofitiüen  Re^t  ber  ITIutter.  „mutterrec^t"  ift 
femer  nid)t  ibentif^  mit  IRuttergetoalt.  niuttergeiDalt  als  Rechts« 
prinjip  ift  ni(^t  ibentif(^  mit  fahttfdjer  (bleidjtoertung  ber  5^<^u.  - 
Au(^  in  Be3ug  auf  bie  Stellung  ber  S^^^  <^^^  (befd)(ed)tstDefen  Der- 
einigt ba$  ntutterrec^t  bie  größten  (E^^eme:  DÖIIige  fepieüe  Unge* 
bunben^it,  bie  it)r  erlaubt  „toos  gefällt'',  babei  au(^  ein  proftitu- 
tions-artiges  Hebeneinanber  met^rerer  Dert)öltntffe,  ober  Befdjränhung 
bes  Derhe^rs  einer  einseinen  ober  einer  beftimmten  Ansa^I  oon  Stauen 
auf  eine  beftimmte  Hn5al)(  oon  Illannem  (PoIt)anbrie  unb  „(bruppen « 
e^e");  femer  als  weitaus  ^öufigfte  (Erf Meinung  tt)re  jetttoeilige  Befd^rön  * 
kung  auf  einen  mann,  |o  lange  fie  mit  il)m  3ufammenlebt;  enbltd)  aber 
andi  Der^öltniffe,  bie  \\)x  bauernbe  ([reue  gegen  einen  ITIann  auferlegen 
nadi  Art  unferer  monogamen  (Et)e.  HIfo  ift  Itlutterred^t  au^  nid)t 
ibentif(^  mit  fepieüer  Ungebunbenl^eit  ber  S^^^u. 

tDir  tDoIIen  nun,  nad)bem  n)ir  bie  (Eigenart  bes  niatrtardjats 
unb  bie,  nid)t  aus|^lteg(id)en,  aber  tt)piid)en  S^^e  feines  Beftet)  ens 
kennen  (ernten,  uns  einigen  ebenfo  „tt)pt|d)en"  Beifpielen  ei^Mufioer 
(Bettung  bes  Daterre^ts  unb  ber  Datergetoalt  sutoenben. 


E. 

3m  fd)roffen  <5egen|a^  5u  ber  geno{{enf(^aftIid)en  £ebens«  unb 
n>irtf^aftsa)eife,  bie  mix  bei  btn  hoIIekttDtfti|d)en  fogenannten  „nie- 
beren  Adterbauem"  als  Bafis  bes  ITIutterre^ts  unb  gan5  uereinselt 
ber  ntuttergetDalt  kennen  gelernt  ^aben,  ftel)t  bie  Dafeinsgeftaltung 
berienigen  Dölker,  a)eld)e,  neben  3agb-  unb  ettoas  Pflansenbau,  Dte^- 
jud^t  unb  tDeibetDirtfdjaft  als  Ijauptgrunblage  it^rer  (E|[iften3  betreiben 
unb  bemgemäg  oortoiegenb  ein  nomabtfierenbes  f)irtenleben  fül^ren. 
Sie  finb  niemals  „primitioe''  Dölker,  benn  it)re  IDirt|d)aft  fe^t  bie 
3a^mung  ber  Ijaustiere  ooraus,  unb  eine  (Ei^iftens  gan5  ausfd)(ieg(i^ 
Don  Probukten  ber  Die^3ud)t,  ot)ne  ([aujd)Derket)r  mit  adterbautrei- 
benben  Radjbam,  ift  überhaupt  ni^t  nachweisbar.     3ur  Kategorie 


44  primitiüe  (Befc^Iec^tsDeTbinöungen  unö  legitime  (E^e. 

6er  „Die^süc^ter"  gehören  ^eute  oiele  innerafiati|<^e  Stamme,  3.  B. 
6ie  (Eibetaner,  (Eurftmenen,  Kirgtfen,  niongolen,  öanti  öie  arabifc^en 
Beöuinen  unb  ja^Ireic^e  Stamme  in  Afrika  Dom  (braslanöe  bes  Ilils 
^erab  bis  5um  augerften  Süben,  als  beren  behanntefte  ^ier  nur  bie 
Kaffern,  I}ottentoten  unb  3ulus  3U  nennen  finb.  Dag  and^  bie  3n- 
bogermanen  allgemein  eine  Periobe  rein  Die^ßfic^tenben  a)irMid)en 
„nomabentums''  burc^Iebt  ^aben,  wk  man  früher  oft  annahm,  gilt 
^eute  als  una)a^r{(^ein(i^,  a)ie  benn  überhaupt  bas  Die^nomaben- 
tum  bie  Stellung  einer  allgemeinen  „Durdjgangsftufe"  eingebüßt  ^at. 
3mmer^in  fpielte  mift  nur  bei  ben  germani((^en  KriegsDöIkem  bes 
(Dftens,  fonbern  and^  bei  ben  mittelmeerDöIkem  unb  ben  Kelten  bie 
Die^3U(^t  innerhalb  ber  IDirtfdjaft  eine  fe^r  groge  unb,  fomeit  mix 
gef(^id)t(id)  5uriidtgei)en  können,  eine  befto  größere  Rolle,  fo  bog  bie 
im  folgenben  fki55ierten,  tqpifc^en  tDirhungen  Dormiegenber  Die^mirt* 
((^aft  auf  bie  (Beftaltung  bes  5<^vnilienlebens  ber  3nbogermanen 
bo^  wolil  n)a^rfd)einlid)er,  als  eine  ber  bisher  betrachteten  5<^vTii(i^n' 
formen,  aud)  unfrer  eignen  Dergangen^eit  angel)ören.  Denn  bie 
IDirkungen  ber  l^öufigen  unb  meiten  IDanberungen  mit  i^rer  immer« 
^in  ftarhen  Bebeutung  bes  mitgefü^rten  Die^s  ftel^en  in  mondjer 
I}infid)t  ben  IDirkungen  bes  Homabentums  nal)e,  unb  bie  burc^  fie 
miter5eugte  (Entmidtlung  inbiDibualiftifdjen  S^^^^^itsbranges  lebt  un* 
aus(öfd)bar  in  unfrer  gefamten  n)efteuropäi{d)en  Kultur  fort.  — 
Sdjiiegt  ber  (ogenannte  niebere  b.  ^.  hoIIektiDiftifdje  unb  ^austierlo{e 
Adterbau  groge  Derroanbtfdjaftspruppen  l^erbenartig  3U  großen  pro- 
buhtionsgeno{fen{d)aften  3u{ammen,  mtil  mit  {einen  I}ilfsmitteln  bie 
£ebensbebärfniffe  bes  (Ein5elnen  nur  burd)  planooll  organifiertes  3u« 
jammenroirfeen  Aller  3U  befriebigen  finb,  |o  fteüt  umgehcljrt  bie  Die^» 
3ud)t  unb  tDeibea)irt|d)aft,  als  nottpenbig  be5entralifterter  Betrieb, 
meiftens,  wenn  nid)t  bas  Bnbioibuum,  {0  bod)  n)efentlid)  kleinere 
nienfd)engruppen  auf  ft(^  {elbft.  Die  Sippe  kann  aud)  bei  btn  Diel)> 
3üd)tem  —  roie  3.  B.  bei  ben  Kaffern  —  eine  IDirtjdjaftsgemeinjdjaft 
bilben.  Bei  btn  meiften  Stämmen  biefer  Art,  3.  B.  bei  btn  ([ungu(en, 
btn  arabifd)en  Bebuinen,  btn  I}ottentoten  bilbet  [le  jeboc^  n)ie  bei 
ben  3agen)ölkem  nur  eine  Red)ts-  unb  S^u^gemeinfdjaft.  Die 
kleineren  DeriDanbtfc^aftsgruppen,  eoentueü  bie  „(Brofefamilicn"  oer« 
folgen  meift  i^re  roirtjc^aftlidjen  3ntereffen  gejonbert.  Sie  3erftreuen 
fi^  über  meite  -  wtnn  aud)  ftets  gegen  bie  tladjbarn  feft  be* 
gren3te  -  £anberftredten  unb   [plagen  i^re  Seite  je  nad)   ber  Be« 


£.  fLtnbtnitn  jum  potriar^alismus  bei  btn  Ote^3fi(^tem.     45 

fd^en^t  ber  tDeiöereDtere  in  öen  oerfc^teöenen  3a^res3etten  balb 
^ier  balb  bort  auf. 

Dutdi  biefe  Derbletnerung  unb  Deretnjelung  ber  menfdjengruppen 
ober,  meiere  eine  ftörftere  -  relattDe  -  <Eman5ipation  bes  €tn5elnen 
ober  richtiger:  ber  (Einseifamilie,  oon  ber  (Bemetnf^aft  ermögli^t 
unb  grabeju  erjmingt,  a)irb  bas  nomabenleben  5ur  €lementar{^ule 
bes  „3nbiDibuaIismus''.  lDirtfd)aftli(^  me^r  auf  ft(^  [elbft  gefteüt  unb 
feiner  eigenen  3nitiatiDe  fiberlaffen,  befreit  fi^  ber  Stnselne  aud^ 
pft)(4ii(^  aus  ber  (bebunben^eit  an  bie  Arbeits*  unb  £ebensgenoffen. 
(Erft  babur(^  aber  kann  er  ftd)  als  Snbioibuum  füllen  unb  betoerten 
lernen.  Diefe  pfq^tfc^en  IDirkungen  bes  nomabenlebens  ober  ber  in 
biefen  IDirkungen  il)m  na^efte^enben  großen  Bebeutung  ber  Die^5u^t 
innert^ilb  ber  n>trt((^aft,  {(feinen  bie  inbioibnaliftif^e  Cigenart  ber 
ocribentalen,  femiti((^en  unb  inbogemtonifc^en  Kultur  im  (begenfa^  3U 
jenen  kontinentaI«afiati((^en  Dölkem,  coeldje  eine  ö^nltc^e  (Epftensform 
ni(^t  burd^lebt  ^aben,  in  ^o^em  (brabe  mitbebingt  5U  ^aben.  -  Die 
relotio  inbioibnaliftifc^e  S^xm  bes  nat^rungsertoerbs  beftimmt  {otool}! 
bie  (osiale  Struktur  toie  au(^  bas  5<ivTiiHen(eben  ber  ooriDiegenb  ober 
ftark  oie^^fid^tenben  Hationen.  3^re  materielle  Kultur  trägt  bas  (Be* 
präge  ber  Knechtung  ber  Arbeit  bur(^  ben  Befi^.  Das  tDeibereoier 
unb  bas  periobij^  baraus  aufgebrodjene  Adterlanb  ftnb  ebenfo  toie  bei 
ben  anbren  kulturarmen  Dölkem  (Befamteigentum  ber  Stamme  unb 
innerhalb  biefer  im  Befi^  ber  Sippen.  5"^  ^'^^  fosiale  (blieberung 
kommt  ba^er  allein  ber  Qerbenbefi^  in  Betrad)t,  benn  bie  Ijerben 
finb  faft  immer  «Snbioibualeigentum"  relatio  kleiner  (bemeinf^aften, 
meift  ber  »(Brogfamilien"  unter  ber  I}err{d)aft  eines  5<^^ili^n^<^uptes, 
mit  meinem  feine  Sö^ne,  Sd)n)tegertöd)ter  unb  (Enkel  bis  5U  {einem  (lobe 
3ufammenleben,  um  aisbann  eiitiDeber  gleid),  ober  na(^  einer  IDeile  fort* 
gefegter  (Erbengemeinfc^aft,  bie  fftxbt  3U  teilen.  tDer  kein  Die^  ober  ni^t 
genügenb  Die^  ^at,  ber  ift  eben  «Proletarier''.  nid)t  planuolle  Arbeit, 
fonbem  Körperkraft,  (bef^idtlidjkeit  unb  mel)r  noif  bie  (bunft  ber 
notur  unb  bas  blinbe  (blüdt  uermel^ren  ol)ne  fein  3utun  ben  Die^* 
ftanb  bes  einen,  noö^renb  fie  btn  anbem  berauben  unb  in  bie  Kne^t* 
fc^aft  bts  (blü(klid)eren  5n)ingen.  Der  (Begenfa^  Don  Hei^  unb  Arm 
tritt  bes^alb  ^ier  in  ber  Regel  weitaus  fdjörfer  3U  (läge  als  im 
Kreife  oon  reinen  Adterbaugenoffenfdjaften.  Bei  biefen  kann  ft(^  im 
allgemeinen  bie  Beft^*  unb  Utadjtbifferensierung,  foroeit  fie  Don  rein  5ko* 
nomifc^n  Utomenten  ab^ngt,  nur  3a)if(^en  btn  Derfd)iebenen  Sippen 


46  primitbe  (Be((^Ied)tsDerbin6ungen  unb  legitime  C^e. 

Stämmen  ober  niarftgenoffenfc^aften,  nie  ober  snoifc^en  ben  Cin3elnen 
DoUsie^en.  Bei  ben  Die^ßüc^tem  aber  bringt  fie  bis  3u  btn  (Einjel* 
inbiDibuen  Dor  unb  mac^t  ben  Sol)n  5um  Knechte  bes  Daters,  ben 
Bruber  5um  Shlauen  bes  Brubers,  benn  nur  ber  inbioibuelle  Befi^ 
garantiert  ^ier  5i^ci^^it  unb  ITIac^t.  Ijauptquelle  bes  Rei^tums  ift 
babei  neben  ber  Oie^ßuc^t,  ber  Die^raub.  (Er  gilt  als  ritterliches  unb 
bes  ntannes  nofirbiges  (Bewerbe,  er  entfeffelt  aber  alle  ro^en  unb 
ftriegerifc^en  3nftinkte  unb  brüdtt  ber  ganßen  nomabenkultur  ben 
Stempel  ber  tDilb^eit  auf.  Die  ^^Die^fuc^f  fibenouc^ert  alle  onbem 
(Befühle. 

tDie  fi(^  auf  biefer  (Brunblage  bie  Stellung  ber  S^<^^  geftaltet, 
ift  leicht  3U  ermeffen.  Jn  einer  (BefeUfc^aft,  bie  in  (Ermangelung 
geiftiger  Kultur  lebiglid)  materielle  (buitt  ((^ä^t  unb  fie  nic^t  plan* 
DoHer  (Eötigheit,  {onbem  tDefentlic^  btn  kriegerifc^en  unb  p^qfifc^en 
5ä^igkeiten  bes  Hlannes  Derbankt,  fällt  bie  p^qfif^  ((^noä^ere  5^^ 
normalenoeife  ber  Döüigen  Derfklaoung  an^eim.  Daßu  kommt,  ba% 
bas  €inf angen  unb  Säumen  ber  (Eiere  fid)  naturgemäß  als  {pesififc^  mann* 
(id)e  Be{(^äftigung  enttpidtelt  ^at.  Das  tDarten  bes  Die^s  erfiint  ba« 
^er  ber  Homabe  nid^i  nur  als  Pflid)t,  {onbem  er  betrachtet  es  aud^ 
als  {ein  aus|d)(ie6Iid)es  Hed)t,  bas  ber  S^c^^  ni^t  5ufte^t.  Bei  ben 
Kaffern  3.  B.  barf  bie  S^<^^  bas  Die^  liber^aupt  nidfi  berühren  unb 
niemals  ben  Die^kraal  betreten.  Dagegen  fällt  i^r  ieglic^e  ^äuslic^e 
Arbeit,  bas  Hufbauen  unb  Abbrechen  ber  Seite  unb  mie  bei  btn 
3ägerDÖlkem  au^  bas  Sammeln  unb  Anbauen  ber  Pflanßen  5U. 
Alles  bies,  nament(id)  au(^  ber  Pflaußenbau,  gilt  als  bes  Utannes  un« 
roürbiges  (Be{d)äft.  Der  Befi^  ber  S^<^^  rentiert  fi^  aI{o  u)irt{d)aft» 
Ii(^  in  jeber  Besie^ung,  noas  bei  Dielen  Dölkern  au(^  in  btn  ^o^en 
Brautprei{en  ßum  Ausbrudt  kommt.  Aber  mögen  aud)  i^re  mirt« 
f(^aftnd)en  £eiftungen  nod^  {0  unentbe^rlid)  unb  beget^rt  {ein  -  fie 
tragen  i^r  ^ier  bei  btn  ITIännem,  beren  Abfc^eu  Dor  planmäßiger 
Arbeit  ber  Befi^gier  bie  IDage  ^ält,  et)er  Derac^tung  als  Anfeilen  ein. 
3n  keinem  anberen  Kulturkreife  ift  im  allgemeinen  bie  Kluft  5tDif(i^en 
ber  Selbfteinf(^ä^ung  bes  ntannes  unb  ber  tDertfd)ä^ung  ber  5^ou 
fo  groß  mit  bei  btn  „reinen"  Die^5Ü(^tem. 

Die  übliche  So^onx  ber  (E^e{d)Iießung  ift  ^ier  ber  5tauenkauf  bur(^ 
I}ingabe  Don  Diel).  Die  Däter  f(^ä^en  ttfct  (Eöd)ter  als  Derkaufs« 
obiekte  unb  fudjen  fie  gegen  €intaufd)  einer  mögli^ft  großen  An5a^( 
Don   Die^ftüdten   möglic^ft  fernen  an  btn  Tfiann  5U   bringen.     Bei 


i 


E.  Htnbmitn  jum  patriardialismits  bei  btn  Dic^d)teni.     47 

«inigen  Stätnintn  cnei(t)t  bn  Brautpieis  eine  betiäc^tlid)«  ^öE)e. 
nid)!  felttn  be}al)[t  j.  B.  imd)  $ro|Ie  ber  potiEtrabentic  Halmxjh  15 
Külje.  15  pferöe,  20  Sdjafe  unö  3  Kamele,  bei  bm  Kirgiien  jolIenSrauen 
ontct  llmitänöen  einen  preis  doh  300—1000  StflA  Dielj  erjielen.  Dafür 
neibcR  |if  bann  aber  aud)  rrc^tlid)  DöUig  3u  Sklaohinen  ü^rer  (Etjc 
^irn.  ein  Be|i^obiekt,  aus  öem  ber  Kaufpreis  loieber  t)erausgeiDirt' 
|<^aftet  roerben  mu&,  unö  bie  Stellung  öer  dnjelnen  S«"  ro'tb  iljm 
gegenüber  boburc^  nod}  befonbers  gebriidit.  ba^  iie  in  bei  Regel  nui 
eine  geringe  Ausfteuer  mitbringt  iinb  Dom  Däterlid^en  (Erbe  ausgc- 
f^loffen  ift  (Enlflie^l  fie  ju  iljren  Dermanbten,  lo  weigern  i^r  bleje 
^fig  ble  Rufnaifme.  Bei  ben  Bcbuincn  lötet  fogar  ber  Patet  ober 
Bniber  oft  bie  Sntftolrene  mit  eigener  ffanb.  <£l)e|d|eibung  flei^t  natQr(td) 
nur  bem  lllanne  ju  unb  in  ber  Kegel  bei  ieber  Detonlajlung.  -  Der 
niann  liann  bei  uiclen  Oict;jüd)teni  bie  untreue  Srau  ftraflos  löten, 
luib  fic.  menn  iie  iitanlt,  ft^mad)  ober  hinberlos  iit,  E}eim|d)iiäen  unb 
in  toI(f)en  5äII<n  ^e<  eitlen  Stämmen  bie  Itüdigabe  bes  Kaufprci|cs 
forbem.  —  Bei  mandjen  I)iTtenoöIiiem,  3.  B.  bei  ben  Kaffern  unb 
ben  2u(u,  bejigl  3iDar  auc^  bie  S'Q"  \^o"  ^i"  gtn^tlfcs  Sd)eibungs' 
Te<i)t  unb  kann  bei  inif|l)anblungen  bes  ttlannes  Suflud)!  bei  il)ier 
Samilie  jud^en.  Da  biefc  aber,  bei  beren  bauernöcr  IDcigeTung  3um 
ITIanne  jurüdtjuketiTen,  it)m  ben  Kaufpreis  erjtatten  niug.  fpürl  ]ic 
meifl  helne  gtofic  Heilung  non  ii]rem  Sd)u^ied]l  (ücbraudf  Suma^tn. 
Di«  Kinber  gel^ören  bem  lHanne  unb  feiner  Samilie  unb  ftetjen  in 
bemiclben  lad^enartigen  flblfängigtteitsnerljäitnis  ju  it)m  mte  ble  Stau. 
Der  Diiter  1^1  it)ncn  gegenüber  nur  Ked)le  aber  heinc  Pf1id)len.  Jfjn 
flrbettshraft  gelförl  t^m,  bis  (ie  |ii^  loskaufen  ober  etaia  einen 
eigenen  (jaiis^alt  giünben  bönnen. 

Riid)  in  if)tem  tahtiid)cn  Dertfüllnis  3U  ben  Kinbem,  nomenllid} 
JU  t^en  Söi)nen,  brüdit  fic^  bei  Dielen  f>irtenr>ÖIkern  bie  Derad)tung 
ber  5'<iii  aus.  Die  meiflen  llomaben  cr3ie[!en  bie  Söt)ne  nur  3UT 
C^rerbirlung  unb  jum  (^t]OTiam  gegen  bie  älteren  m&nn{l<^en  $ami- 
liengltebtr.  nii^t  aber  gegen  itjre  Hlutter.  Bei  ben  durhcölhcm  gilt 
es  logar  als  Htjrenladir  für  ben  Sotjn,  [cinei  eigenen  TTIutler  offtsieU 
Aering[d)ä^{ung  ju  jelgen,  R)ät)teRb  er  fidf  bem  Dater  gegenüber  als 
Skldoe  gebärbet.  —  Das  Urb«  eines  IHannes  gctjt  auf  leine  Saline 
ober  Btüber  über.  3ur  t)inteilanen|i^aft  get;Ören  aud)  bie  Sotitn. 
St«  foUen  meift  mit  einem  üorsugsanteil  an  ber  übrigen  ffabt  an 
^  Srftgebotenen.  Dieietbarf  fafi  überall  jeine  SHcfmutler  .Iteirolcn"; 


48  primiÜDe  (Befc^Iec^tsDerbinöungen  unb  legitime  (E^. 

öie  mit  i^r  erseugten  Kinöer  gelten  bann  sunoeilen  als  (eine  „(Befc^iDifter". 

Bei  einigen  ^o^entioidtelten  Oie^5fi(^tem  finben  fid^  Anfa^e  3U 
einem  genoiffen  genoo^n^eitsre^tlic^en  ober  bntd^  Dertrag  ausbebun« 
genen  S(^u^  ber  S^<^^'  ^^  ^in  Beifpiel  bafitr  mag  ^ier  bas  (E^erec^t 
ber  Ama^ofa'Kdffem  no(^  etioas  genauer  bargefteUt  noerben.  Die 
(E^e  hommt  regelmäßig  burd)  I}ingabe  Don  Oie^  an  ben  Oater  bes 
möbd^ens  3u  ftanbe.  Die  S^c^u  erhält  nur  gans  ausna^msmeife  eine 
Ausftattung.  Aber  ber  Dom  manne  filr  fie  ge5a^Ite  Kaufpreis  ift 
i^r  unb  i^ren  Kinbem  ^oerfangen".  Bleibt  fie  als  tDitioe  mit  Kin« 
btm  3urü(6,  (0  fiberlagt  i^r  i^r  Dater  bie  empfangenen  Die^ftfidte. 
Aud)  ein  S^eibungsrec^t  fte^t  i^r  3U,  unb  i^re  S^i^ilie  f^u^t  fie 
burd)  eüentueüe  3urü<6na^me  Dor  ben  fc^Iimmften  (braufamkeiten.  Die 
Dom  manne  für  fie  beßa^Iten  Die^ftudte  mfiffen  i^m  jeboc^  bei 
i^rer  Sc^eibung  surudterftattet  coerben.  Der  Kaffer  heiratet  in  ber 
Regel  3  5T<iuen,  benen  er  je  einen  Ijaus^alt  einri^tet.  Bringt  etroa 
eine  ber  S^^^uen  eine  Ausfteuer  mit,  fo  oerbleibt  biefe  i^rem  Ijaus^It 
unb  i^ren  Kinbem.  €rbre^t  am  oäterli^en  (but  ^aben  nur  bie 
S5^ne,  beßo).  bie  männlichen  Dertoanbten,  finb  nur  noeiblic^e  Uad^* 
kommen  Dor^anben,  fo  fallt  es  bem  Kraal^öuptling  31L  Die  hinter« 
Iaffenfd)aft  noirb  unter  bie  Derfc^tebenen  Ijaus^altungen  oerteilt,  bem 
ölteften  Sol)n  gehören  aud)  bie  S^^^uen  unb  (Eöc^ter. 

Diefe  5<iTniIienf orm  ßeigt  alle  merkmale  bes  primitiuen  Patriorc^a* 
Usmus,  menn  aud)  etroas  abgemilbert  burc^  bas  3ntereffe  ber  5<^ilic 
ber  5tau  an  i^rem  Sd)idtfal,  mie  mir  es  au^  bei  ben  ^öl)eren  3äger* 
Dölkern  fanben.  Anfä^e  5U  einer  Bef^rönkung  ber  mannesgecoalt 
bur^  bie  Sippe  ber  S^^^  finben  fi(^  ^ier  mie  bort.  Der  o  0  U  e 
Patriard)a(ismus  ift  alfo  nid)t  allen  I}irtenDÖlkem,  nod)  weniger  il)nen 
allein  etgentümli^.  (Er  ^errfd)t  au^  bei  il)nen  innerl)alb  eines  unb 
besfelben  Dolks  nid)t  immer  ausnahmslos,  namentlid)  in  bem  S<^^^ 
nid)t,  bog  ein  I}irtenftamm  eine  adterbautreibenbe  Dölkerf(^aft  unter' 
cDorfen  l^at  unb  nun  mit  il)r  aümöl^Iid)  5U  einem  ,,DoIke''  Derfd)mil5t 
Ueberl)aupt  ift  natürlich  (Broffes  reinlid)e  (Einorbnung  ber  Derfc^iebe* 
nen  5omilienformcn  unter  bie  oerfd)iebenen  lDirtfd)aftsformen  3U 
f(^ematif(^,  um  ber  tDirkIid)keit  gan5  5U  entfpred)en.  Aber  aUerbings 
begunftigt  ber  f)erbenbeft^  unb  bas  Homabentum  bie  €rl)altung 
ber  „Datcrgeroalt*',  roä^renb  umgekehrt  -  roie  roir  faljcn  —  ber  oie^ 
lofe  Adterbau  kulturarmer  Dölker  bas  ^.mutterred^t"  begunftigt.  Die 
([enben5  5U  einer  DerfkloDung  ber  S^<^^  <^^^  fo(d)er  bagegen  ift  n)ie 


F.  Die  patriarc^ale  €^e.  49 

mir  fa^ti,  ketnesmegs  an  eine  beftimmte  IDtrtfdjaftsform  gebunöen. 
Sie  finbet  fi^  gerabe  bei  btn  allerprimitiDften,  überhaupt  aber  huItuT' 
onnen  DSIkem,  oielfac^  aud^  bei  «nieöeren  Adterbauem" ,  nament* 
lid^  bann,  wtnn  e^Mufio  ftriegeri{d)er  Charakter  bes  Dolks  öie 
Si^^ung  bes  Utannes  (tark  in  öie  I}ö^e  treibt.  Do^  noirken  i^r 
eben  bei  ben  «niebem  Ackerbauern "  befonbers  oft  koHektiDiftifdje  5or' 
men  ber  IDirtfd^aft  übermäd)tig  entgegen,  mdl^renb  fie  fi^  ol)ne  biefe 
Hemmungen  doII  auswirken  kann.  Hnbrerfeits  ift  au(^  öie  I}errf(^aft 
bes  „mutterrec^ts"  als  normaler  5orm  ber  Regelung  ber  (befdjle^ts* 
bejie^ungen  keineswegs  abfolut  an  jene  Bebingungen  koHektiDiftifc^en 
primitioen  Ackerbaus  gebunöen ;  es  kommt  au(^  anöertDörts,  nament« 
lidi  als  Serfe^ungsproöukt,  wie  wir  feljen  weröen,  oor.  Hber  unter 
btn  Bebingungen  bes  koüektiDiftifc^en  Ackerbaus  ift  {ein  Beftanb  als 
normalform  am  (eic^teften  oerftanblid). 

Alles  in  allem  i|t  nic^t  nur  bte  Derkned)tung  unb  Derad)tung 
ber  S^<^^t  9^^i  unabhängig  oon  ber  Art  ber  5<^^i^i^no^^f^ffung, 
überall  im  Kreife  ber  naturoölker  bte  Regel,  fonbern  es  ift  au^ 
bas  Heftern  ber  ^^patriar^alen",  S^<^^  unb  Kinber  als  Befi^objekt 
bef)anbelnben  S^rm  ber  5<^ntiliengemein|d)aft  auf  allen  Stufen  ber 
Kultur  nad)weisbar  unb  grabe  auf  ber  primitioften  Dorl)errfd)enb. 
IDie  grog  man  immer  bte  Bebeutung  bes  „ntutterre^ts"  an{d)(agen 
mSge,  -  bie  entwi(klungsgef(^id)tlid)e  Betrachtung  wirb  oon  i^m 
fo  wenig  wie  oon  ben  „parati^pif^en"  (bruppenel^eformen,  fonbern 
oom  patriard)alismus  aus5ugel)en  traben,  fd)on  weil  ftd),  wie 
nochmals  wieber^olt  fei,  burd^aus  kein  (Brunb  ftnben  lögt,  ber  ba5u 
Anlag  gäbe,  bie  Qerrfc^aft  bes  „ntutterre^ts"  als  normalform  als 
eine  au^  nur  annö^mb  unioerfeUe  „Durd^gangsftufe"  an3ufel)en. 


Dergegenwartigen  wir  uns  nun  fd)on  l)ier  -  um  für  bie  fpöteren 
CinjelbarfteHungen  bie  terminologifc^e  (Brunblage  3U  gewinnen  - 
üDe  re(^t(id)en  Hlerkmale  ber  weitaus  wid)tigften  aller  primitioen 
.Cl^e'-Soi^^:  bes  pr  imi  tioen  patriar  d)a(t  smu  s,  fo  er* 
fd^t  er  in  feiner  rec^tlidjen  Struktur  als  oöllige  6efci}Ieci}tS'Sk(aoerei 
ber  S^^^t  ^^nn  ^^i  feiner  o  0  ( I  e  n  Durc^fül^rung  l)at  tl)re  Stellung 
einen  fac^nortigen  Charakter.  Sie  ift  -  oerl^etratet  ober  lebig  - 
B  e  f  i  4  obfekt  bts  IRannes :  i^res  Daters,  Brubers  ober  i^res  (Bütten, 

Wthtx,  Ctwfraii  anb  mattrr  4 


50         primittDe  Sefc^Iec^tsDerMnöungen  unö  legitime  (E^e. 

6te  fie  Derhaufen,  Dermieten,  Derpfönöen,  proftituieren  ftönnen  unö 
mit  öeren  Hac^Iag  fie  an  6ie  (Erben  -  öie  Stiefmütter  alfo  an  l>tn 
Stieffo^n  -  übergeben.  Sie  {elbft  ift  befi^Ios  unb  o^ne  irgenö  eine 
eigene  Redjtsfp^äre.  Als  ITlaödjen  fte^t  fie  unter  6er  (BecDoIt  i^res 
nö^ften  männlidjen  Oenoanöten  unö  noirö  Don  i^m  in  öie  (E^e  Der* 
geben.  Sie  ^at  im  elterlichen  I}au{e  keinerlei  Erbanteil,  ^öc^ftens 
fittlic^  ge{(^il^te  Unter^altsanfprüc^e.  -  Diefer  Suftanö  ift  bei  öen 
patriard)alen  Dölkem  bis  in  Seiten  ^oc^entioiAelter  Kultur  kon* 
f eruiert  cooröen,  I)  in  öauemöer  „{jaus^örigkeif  oöer  in  öauemöer 
,,(Bef(^Ie(^tsDormunöf^aft"  öer  5rauen,  noie  fie  uns  bis  in  öie  Ileujeit 
hinein  bei  öen  meiften  Oölkem  patriar^aler  5<^miIienDerfaffung  be« 
gegnen  noeröen.  Beiöes  ift  nid^i  mit  einanöer  iöentifc^.  „Qaus^Srig' 
keif  beöeutet,  öag  {eöe  5^^^  p  e  r  f  ö  n  I  i  ^  unö  auc^  nad^  öem  (Eoöe 
i^res  Daters  öer  ^ausgemalt  i^res  ITlannes,  Bruöers,  Detters,  Sohnes 
unterfte^t,  noas  aber  an  fi^  mit  öer  S^^igkeit,  gültige  Rec^tsgefc^fte 
ab5ufd}Iie6en,  bei  i^r  (3.  B.  im  alten  unö  neuen  (Orient)  ebenfo  oer* 
einbar  ift,  noie  im  römifc^en  Rec^t  beim  fjausfo^n  unö  in  gesDiffem 
Umfang  felbft  beim  Sklaoen.  „(befdjIec^tsDormunöfc^aft"  beöeutet 
umgekel)rt,  öag  jeöe  5^^^,  als  foldje,  nic^t  ol)ne  3u5ie^ung  eines 
Dormunöes  (alfo  i^res  näd)ften  Dertoanöten,  roenn  fie  leöig  unö  IPdfe 
ift)  gültige  Dertröge  f^liegen  kann;  öabei  kann  fie  aber  öer  Qaus« 
geroalt  —  toelc^e  insbefonöere  öie  Befugnis  umf fliegt,  fie  jur  (E^ 
3U  geben  -  öurdjaus  entrü&t  fein.  -  (Ein  fernerer  patriarc^aler 
Rüdtftanö  ift  2)  in  öem  Husfdjiug  öer  Softer  Dom  €rbred)t  am  (brunö 
unö  Boöen,  öer  als  Dom  mann  ertoorbener,  toeil  mit  öem  Speer  ge* 
f(^ü^ter  Befi^,  gilt,  3)  in  öer  ausfd)Iie6Hd)  öurd)  öen  niannesftamm, 
ö.  ^.  öur^  öie  anerkannte  Daterfdjaft,  Dermittelten  („agnatif^en") 
DertDanötf^afts5ured)nungunö(Erbbere(^tigung(e]rkIufiDes„Daterre^t''). 
(Ein  roeiterer  Husflug  öes  primitiuen  patriardjalismus  ift  öie 
unbefd)ränkte  (betoalt  öes  Daters  über  aHe  feine  Kinöer  unö  Kinöes« 
kinöer.  (Er  kann  nid)t  nur  über  öie  tDeiblidjen,  fonöern  auc^  über 
öie  männlichen  nachkommen,  roie  über  Sklauen  unö  Sackgüter  oer* 
fügen:  entioeöer  bis  3U  feinem  (Eoöe  oöer  minöeftens  fo  lange  fie  in 
öerfelben  I}ausgemeinf^aft  mit  i^m  leben.  Die  ITIutter  unö  öie  mfit« 
ter(id)e  Dertoanötfc^aft  l)at  öagegen  keinerlei  red)tlid)e  Be3ie^ungen 
3u  il)nen.  Aus  öer  Unbefdjränkt^eit  unö  öer  €infeitigkeit  öer  (5emalt 
öes  Daters  über  alle  Ijausgenoffen  folgt  aber  insbefonöere,  öag  öer 
Begriff  öer  „fegitimitöt"  eines  Kinöes  bei  ungebroc^nem  pa« 


F.  Die  patriarc^ale  €l)e.  51 

triard^alismus  n  i  (^  t  einftiert,  ebenlomentg  tote  bei  f}erT{d)aft  6es  „Htut* 
terred^ts".  Die  Kinöer  einer  S^<^^  gel^ören  6em  Utann  ja  nid^i 
öesl^b,  noeil  fie  Don  i^m  gesengt  finö,  fonbem  meil  öie  5^<^u  [ein 
Befi^objeftt  ift  (Er  kann  fo  Diele  5^<^uen  ober  Sklaüinnen  kaufen, 
mie  er  noilL  Alle  il)re  Kinber  ftnb,  noenn  er  fie  als  |oId)e  anfielt, 
feine  Kinber,  aud^  noenn  fie  Don  anbren  mönnem,  ^  B.  Don  (Böften 
benen  er  fie  preisgab,  ober  au^  gegen  feinen  tDiUen  gesengt  ftnb. 
Die  »Derpflic^tung''  ber  5tau  3ur  dreue  gegen  btn  UTann  ift  eben 
reine  <5e^orfamspf[id)t,  baraus  folgenb,  bag  fie  fein  Befi^objefet  ift, 
bas  ni(^t  über  fi(^  uerfügen  kann.  Das  Utag,  in  roelc^em  ber  mann 
auf  i^re  „Sreue"  fafttif^  6ea)i^t  legt,  kann  babei  |e^r  Der|(^ieben 
fein.  (Er  kann  fi(^  beliebig  Kinber  kaufen  unb  aboptieren  ober 
fi(4  buxdi  einen  anberen  Dor  ober  na^  {einem  (Eobe  aus  {einen  Stauen 
»Samen  ermeAen  laffen".  (Es  gibt  al{o  ebenfomenig ,  mie  beim 
nitttterred^t,  «Baftarbe"  in  bem  Sinne,  bag  gemiffe,  innerhalb  einer 
Patriarchen  I}ausgemeinf(^aft  geborene  Kinber  me^r,  anbere  me« 
niger  Rechte  ^ben.  Aue  finb  bem  f}aus^erm  gegenüber  —  rote 
beim  Htutterrec^t  bem  Dater  gegenüber  -  gleid)  rec^t  1  o  s.  Hur  mit 
bem  Unterf(^ieb,  bog  beim  „mutterrec^t"  aud)  er  keine,  bei  patriar* 
«l^ismus  bagegen  unbe{d)rankte  Re^te  i^nen  gegenüber  befi^t.  (Er 
ift  eben  i^r  Eigentümer,  roenn  fie  unter  (einer  I}aus^errf(^aft  geboren 
ftnb.  3n  b  i  e  f  e  r  5onn  ift  bie  heutige  5orberung  :  (bleid)ftellung  ber 
el^Iic^n  unb  une^lic^n  Kinber  im  (Erbre^t,  grabe  aud^  beim  primi> 
tioem  patriarc^alismus  Dertoirklid^t.  Die  Hed^tskraft  bes  „Bluts« 
banbes"  sroifd^n  Dater  unb  Kinbern  als  folgen  ejriftiert  bagegen  bei 
primitioen  patnarc^alismus  ebenfomenig  mie  beim  ITlutterre^t.  -  „Un> 
ei^id^e"  Kinber  gibt  es  nur  in  (Beftalt  (clever,  bie  Don  einem  in  i^rer 
eignen  Sippe  lebenben,  alfo  nod^  nid)t  Derkauften  ITlab^en  geboren 
mürben  unb  beren  Dater  unbekannt  ift.  $ür  fie  gilt  bann  eoen- 
tuell  eben  ITlutterre^t.  Aber  es  kommt  oft  Dor,  bog  bas  ftrenge 
Doterred^t  fo  e^Mufio  als  einsige  norm  ber  (Be{(^le(i}tsgemein' 
fd^aft  gilt,  ba^  bie{e  Kinber  aud)  Don  ber  5<intilie  il)rer  ITI  u  1 1  e  r 
nidft  anerkant,  jebenfalls  aber  nid)t  sur  (Erb((^aft  5ugela{fen  merben 
Ottben,  altnorbifd)es  Rec^t,  altrömi{d)es  Re^t  unb  öfter),  meil  eben 
nur   „agnatifc^e"  -  b.  Ij.  bur<^  ITIänner  oermittelte  -  Dermanbt* 

idKtft  galt. 

(Es  e|[{ftiert  al(o  ftreng  genommen  bei  primitioem,  Doli  burd^ge« 
fft^rtem  patriorc^alismus  begrifflich  eine  ^(tl^*'   in   un(erem  Sinne 

4* 


52         prtmtttoe  (Befc^Iec^tsoerbtnbungen  unb  legitfane  (E^e. 

cbcnfoiDcnig  u)ic  in  6cr  reinen  ITtuttergruppe.  $tlilt  bei  6er  ^ert« 
fc^oft  ber  reinen  ITtuttergruppe  als  S^fnil^^nform  bie  Cebensgemein« 
fc^oft  3n)i{c^en  Iltonn  unb  5^ou,  toelc^e  bie  6e{c^Iec^tsbe3ie^ung  3ur 
„(E^e"  {tempeln  könnte,  fo  fe^It  bei  primitioem  potriarc^alismus 
yooax  nic^t  biefe,  too^I  ober  bos  rec^tlic^e  ITterkmal,  bos  bie  „€^ 
frou"  von  ber  Sklaoin  ober  einem  onberen  Befi^objekt  unterfc^eibet 
Ober,  um  biefes  oerfc^iebenortige  I>eft3it,  bos  in  beiben  Scüätn  bos 
6e{c^Iec^tsoer^Qltnis  nodf  als  oore^elic^  erfc^einen  lögt,  unter  einen 
Begriff  3U  bringen:  (Es  fe^lt  jeber  flnfa^  3ur  6egenfeitiglteit 
irgenb  toelc^er  ftnfpriic^e  3n)i{c^en  mann  unb  5^ou  unb  i^nen  unb 
i^ren  Kinbem.  *  3n  ber  reinen  Xtluttergruppe  ^oben  meber  Xflann 
noc^  Sxan  Rec^tspflic^ten  gegeneinonber.  3n  ber  primitioen  Potrior« 
c^olfamilie  ^ot  ber  VHann  nur  unbefc^ronkte  Rechte,  bie  $xan  als 
Befl^objekt  formal  nur  Pflichten.  Don  einer  „(E^e"  in  irgenb  einem 
bem  mobemen  oerroaubten  Sinn  kann  man  bes^alb  bei  Xtlutter* 
r  e  (^  t  nur  bann  fprec^en,  roenn  Iltann  unb  5^(nt  bauemb  3u{ammen« 
leben  unb  bie  5^^^  roö^renb  ber  Dauer  biefer  6emein{c^aft  au(^ 
{e^ruelle  unb  ökonomifc^e  Rec^tspf lichten  ^at.  Bei  primitioem 
Patriarc^alismus  nur,  mtnn,  roie  3.  B.  fc^on  bei  manchen 
^ö^eren  3agen)ölkem  unb  im  Kreife  ber  Die^3Ü(^ter  3.  B.  bei  btn 
Kaffern,  bie  Sippe  ber  5tau  i^r  einen  geroiffen  auc^  rec^tlic^  pfierten 
Rüdt^alt  geroö^rt,  i^r  3.  B.  burc^  tDieberaufna^me  ins  Qaus  bie 
Sc^eibung  ermöglicht,  i^re  grunblofe  (Eötung  unb  ITIig^anblung  an 
bem  manne  röc^t,  nod^  me^r,  roenn  fte  f ie  mit  einer  ITIitgift  ausftattet, 
burc^  roelc^e  allemal  bie  5^ou  in  gan3  3n)eifelsfreier  tDeife  über  bie 
Sklaoin  hinausgehoben  roirb,  ober  wenn  fte  augerbem  fi(^  oertrags* 
magig  ausbebingt,  ba^  ber  ITIann  fte  in  beftimmter  tDeife  unb  nic^t 
toie  eine  Sklaoin  beraubte,  ober  enblic^  unb  namentlich,  wenn  fte 
i^m  auferlegt,  bog  er  i^re  Kinber  oor  btmn  {einer  Sklaotnnen  beoor« 
3uge  unb  i^nen  bas  (Erbe  ^interlaffe. 

IDir  roerben  für  biefe  Art  ber  (Entftel)ung  ber  „legitimen"  (E^e 
immer  loieber  Beftätigungen  finben.  (Ein  Beifpiel  aus  bem  altnorbi» 
fc^en  Rec^t  fei  ^ier  oorroeggenommen  im  flnfc^Iug  an  bie  kür3lic^  er» 
fc^ienene  oerbienftooHe  Darftellung  oon  5^-  Boben.  fluc^  in  Skanbi« 
naoien  unb  3slanb  fte^t,  fo  roeit  bie  (befc^ic^te  3urüdtf(^aut,  ber  oolle 
Patriarc^alismus  an  ber  Spi^e  ber  (Enttotdtlung.  (Es  befte^t  pob)« 
gamte.  Die  Kinber  oon  Sklaoinnen,  befangenen  unb  Konkubinen 
finb,  loenn  ber  Dater  fie  anerkennt  unb  in  feinem  ^aufe  auf3ie^t,  ben 


F.  Die  pQtriar(^aIe  (E^e.  53 

Kinbem  aus  „(B^tn"  in  per{önli(^er  Qinfic^t  gleic^geftellt  unb  es  ^oftet 
urfprüngltc^  offenbar  kein  ITtaftel  an  i^nen.    Diele  Abelige  ^oben  nur 
«nnef^Iic^"  Kinber,  3Q^Ireic^e  Könige  finb  unel)eli(^  geboren  (noc^ 
im  13.  3Q^r^unbert).    Die  Sleic^fteUung  erftredtte  fic^,  mie  bie  Der- 
f^tniffe  im  Königsf}au{e   enoeifen,   urfprünglic^   {ebenfalls   auc^  auf 
6as  (Erbrecht.    ((Es   er{(^eint  unbegrünbet ,   menn  Boben  gegen  biefe 
Konfequens  Bebenften   ^egt).    Alle  biefe  Hefte  oon  Sleic^fteHung  ber 
unef^Itd^en  Kinber  finb  Hefte  eines  urtDü(^ftgen  patriarc^alismus.   Die 
.legitime"  (E^e  ift  nun  aus  bem  einfachen  5^Qu^n  b  e  f  i  ^  ^erausbtffe« 
rensiert  ob   kontraktliche  Sicherung.    Diefe  betrifft   1)  mie  Boben 
fiber3eugenb  barlegt,   bas  S(^idtfal  ber  5^^^  \^^Wt  ^urc^  ben  oom 
€^emann  5U  befteOenben  „Brautfc^a^'',  ber  i^r  im  5^^  ^^^  Sc^ei- 
öung  bleibt.    Sie  betrifft  aber  2)  —  toas  Boben   nic^t  in  gleid^er 
Klori^eit  erkannt  5U  i^ben  fc^eint  -  bas  Sc^idtfal  ber  „legitimen" 
Kinber  ab  Dorsug Serben,  gegenüber  Kinbern  aus  5ufanigen  6e> 
fi^Ied^tsoerbinbungen.    Diefer  3weA  lief  3tDetfeIIos  bem  ber  perfön- 
lid^  Sic^rung  ber  5^^^  ^on  Anfang  an  parallel.    Boben  fc^eint 
bas  Dor3ugserbre(^t  ber  „e^elic^en"  Kinber  me^r  als  fo3ufagen  unge- 
mollte  Solge  ber  €^e  an3ufe()en,  mas  aber,  mie  mir  no(^  feigen  toerben, 
ben  Analogien  nic^t  entfpric^t  unb  in  fic^  uncoal^rfc^einlid}  ift.    IDie 
\d^  bie  regelmäßige  Befteüung  einer  ülitgift  unb  bie  oöUige  S^ei^eit 
einfeitiger  S(^eibung  auc^  für  bie  5  ^  ^  ^  3^^t,  fielet  nun  bas  fi(^  in 
ben  altnorbifc^en  (Befc^ic^ts-  unb  Hec^tsqueüen  (aus  ber  3eit  oom  9. 
bis    13.   3a^r^unbert   nac^   d^r.)    finbenbe  Hec^t    fc^on    auf    einer 
relatio  l^i^en  (Enttoidtlungsftufe.    Hec^tüc^  ift  (Ei^ebruc^  unb  Derfül)- 
ntng  eines  niab(^ens   o^ne  il^ren  red^tmögigen  (Enoerb  natürlich  ftets 
Derle^ung   frember  Redete   unb  füf^rte   3ur  Hac^e,   ja  eoentueU  3ur 
^^Stieblofigkeit".     (Es  ^at   ferner  bie   Sippe    bes    oerfül)rten   ITläb- 
<^ns  bas  Rec^t,  auf  6runb  feiner  Ausfage  über  btn  (Er3euger,  Aner* 
kennung  bes  Kinbes  burc^  biefen  3u  oerlangen.     ^Sittlic^"  bagegen 
mirb  bie  Untreue  ber  (Ehefrau  oft  fe()r  milbe  angefe()en.    IDenn  tro^- 
bem  bas  ^^une^elic^e"   Kinb,  alfo  bas  Kinb  einer  ITlutter,  bie  nic^t 
buxd^  -mundi  kuupa  ,  bas  ^eigt  Befteüung  eines  Brautfc^a^es  eriDorben 
iDür,   in  Be3ug  auf   fein  (Erbrecht   nic^t  nur   bem  Dater   gegenüber, 
fonbem  au(^  in  feiner  ITIutterfamilie  benachteiligt  mürbe,  fo  kann 
barin   ebenfoiDO^I   ein  (Einfluß   bes  in  jener  periobe   oorbringenben 
C^ftentums,  mie  auc^  bie  uns   fc^on  bekannte   öfter  oorkommenbe 
Solge  eines  ftarr  agnatifc^-patriarc^alen  Prin3ips,  mona(^  ein  oater- 


54         primttioe  (Befc^Ied^tsoerbtnöungen  unb  legitime  (E^e. 

lofes  Ktnö  überhaupt  keine  5QTniIienred)te  befi^t,  Dorliegen.  IDie  öem 
audf  fei,  5er  Urnftonö,  bog  {eine  Deftloffierung  beim  Dermögen 
einfette,  5eigt  iebenfolls,  bog  bie  legitime  (E^e  auc^  bort  in  ber  Si(^ 
rung  ber  Oermögens«3ntere{fen  von  Xtlutter  unb  Kinbem  iDurjelte.  - 
Dos  oertrogsmogige  Ausbebingen  gen)if{er  Rechte  für  bie 
5rau  unb  i^re  Kinber  von  feiten  i^rer  5^^^!^^  ^wfe  als 
ber  red)tsge{(^i(^tli(^e  ftusgongspunkt  ber  legitimen  pQtriarc^aI-(E^e 
ongefe^en  n>erben.  Dur(^  berartige  Dereinbarungen,  bie  einer  ober 
mehreren  5^ouen  getoiffe  Oor3ugsQnfpril(^e  oor  allen  onberen  S^^^en 
fiesem,  entfte^t  ber  (begenfo^  oon  Doli«  unb  Qouptfrauen  gegen 
nebenfrauen,  Kebfen,  SklQoinnen,  oon  oollbilrtigen  (ooll  erbenben) 
Kinbem  gegen  Kinber  minberen  Red^ts,  b.  ^.  foI(^e,  für  bie  eben  nic^t 
fc^on  oor  i^rer  (beburt  burc^  Dertröge  geforgt  ift.  Unb  erft  roo  bie 
„(E^e"  epftiert,  unb  ber  reinen  ITtannes*  unb  OotergetDoIt  gegenüber 
5rau  unb  Kinbem  gemiffe  rec^tlic^e  Schranken  3ie^t,  J^ann  man  eigentlich 
oon  „Daterredjt",  ftatt  oon  Dater*  ober  lUannes^getDalt"  fpred^en. 

Diefe  „legitime"  (E^e  beginnt  nun  auf  Koften  aller  übrigen  5ormen 
oon  (be{(^Iec^tsoerbinbungen  mit  fteigenber  Kultur  if)ren  Siegeslauf. 

3n  Derbinbung  fpesieü  mit  bem  (Eoten«  unb  ft^nenltult  witb  fie 
im  Unterfc^ieb  3u  allen  anbem  Sefd^Iec^tsbejie^ungen,  bie  kein  feftes 
Rec^tsbanb  5n>if(^en  bm  hatten  unb  5U  (bunften  ber  Kinber  konftitu* 
ieren,  religiös  gemeif^t.  ftm  Anfang  ber  (Entmidtlung  bes  religiöfen 
Bemugtfeins  3a^Ireic^er  Dölker  fte^t  ber  6Iaube  an  bie  Pflicht  ber 
£ebenben,  btn  Zoten  5U  opfern,  ber  einer  boppelten  pfpc^ologifc^en 
Queue  entfpringt:  ber  Angft  ber  £ebenben  oor  bem  (Eingriff  ber  (Eoten 
in  i^re  6e{d)i(fce,  falls  i^nen  nic^t  gebül^renb  geopfert  unb  babur(^ 
eine  angeneljme  (Ejiftens  im  3enjeits  gefiebert  ©irb  -  unb  ber  Angfl 
ber  £ebenben  für  i^r  eigenes  S(^idt{al  nac^  bem  (Eobe,  bas  nur  bur(^ 
bie  (Dpfer  ber  llac^fa^ren  freunblic^  geftaltet  ©erben  kann.  Diefe 
Dorfteüungen  gehören  5U  ben  (brünben,  roes^alb  ben  meiften  Oölkem, 
fobalb  fie  bem  6e^eimnis  oon  £eben  unb  (Eob  na(^3ufinnen  beginnen, 
bie  Kinberloftgkeit  als  Unglüdt  gilt.  Unb  biefe  religiös  motioierte 
Sei)n{u(^t  nac^  Kinbem  oerleii)t  auc^  ber  rec^tlid}  korrekten  Oaterfc^aft 
eine  befonbere  IDei^e.  Der  ITlann  mufe  banac^  ftreben,  Kinber  3U 
traben,  bie  i^m  gegenüber  bie  (Eotenopferpfli(^t  auf  fic^  nehmen,  unb 
bas  merben  oon  feinen  nachkommen  naturgemäß  biejenigen  {ein,  benen 
er  fein  (Erbe  überläßt  -  alfo  bie  „legitimen".  Unb  fobalb  [xd^  ein 
Dolk  politi{(^  als  „Staat"  organifiert  ^at,  muß  auc^  bie  Staatsgemalt 


G.  3ur  Kritik  6er  Iltutterre(^tst^eorien.  55 

öos  ^ausarbeiten  bes  (Bebanftens  ber  £egitimität  unb  ber  Differen* 
jiening  jioifc^en  e^eli(^en  unb  une^eltd^en  Ktnbern  beförbem.  Denn 
öie  öffentlic^n  £aften,  3umal  bie  Kriegspflic^ten,  ru^en  5unad}{t  allein 
auf  bem  Bobenbefi^,  aus  beffen  (Ertrag  ber  n>affenfö^ige  ITIann  fi(^ 
ausjurüften  fyit  Der  Staat  ^at  ba^er  5unö(^{t  ein  3ntere{fe  baran, 
beftimmt  3U  miffen  unb  eoentueO  von  fid)  aus  fe{t3ufteUen,  mer  an 
biefem  Befi^  erbberechtigt  ift,  mtx  nic^t.  (Es  ift  alfo  fetbftDer{tanbIi(^, 
bog  i^nt  bie  kraft  (Ehepakt  erbbered^tigten,  al\o  bie  „legitimen"  llad)« 
kommen,  benen  er  bie  öffentlichen  Dienfte:  Selbftausrilftung  für  btn 
Krieg  u.  f.  w.  auferlegen  hann,  me^r  gelten  als  bie  illegitimen  unb 
olfo  erblofen.  Der  Staat  l^at  femer  auc^  {einerfeits  ein  3ntereffe 
baran,  bag  bas  poIitif(^  berechtigte  unb  oerpflic^tete  „legitime"  (be* 
{(^lec^t  veber  erlöfd^e  noc^  oerarme.  tDir  finben  ba^er  -  mie  fid) 
3eigen  mirb  -  mit  fortfc^reitenber  politifc^er  Konfolibierung  and^ 
eine  3une^menbe  Konfequen3  i^  ^^^  ftreng  „agnatifc^en"  Regulierung 
ber  (Erbfolge  fpe3ien  in  (brunb  unb  Boben  unter  bem  Seftc^tspunkt 
ber  (Eri^Itung  ber  Kontinuität  ber  6ef(^Ie(^ter.  So  tritt  neben  bie 
religiöfe  bie  p  0 1  i  t  i  { (^  e  Sanktion  ber  legitimen  (E^e  3U  Daterrec^t. 

(i. 

Die  legitime  (EI)e  ift  auf  bem  Boben  bes  patriar(^alismus 
genxK^fen.  IDir  ^aben  nun  mieber^olt  gefe^en,  bog  bie  Datergruppe, 
bie  Unterlage  ber  patnar(^alen  Semalt,  {ef)r  ^öufig  neben  ber 
ntuttergruppe  inneri^Ib  eines  unb  besfelben  Dolks,  ja  besfelben 
^ufes  \tanb,  bag  bie  ITIuttergruppe ,  n)o  fie,  als  Bina'(E^e,  e^i« 
ftiert,  fei^r  oft  5ol9^  baoon  ift,  ba^  ber  ITIann  bie  Stau  ntd^t  buxä^ 
Kauf  in  feine  (btmalt  3U  bringen  im  ftanbe  n>ar.  Don  biefer  Beob- 
achtung ausge^enb  ^at  fid)  nun  eine  aud}  3.  B.  für  bie  6ermanen  gelegent« 
ii(^  oertretene  (E^orie  enttoidtelt,  meiere  annimmt,  bog  bei  allen 
Ddlkem  ober  bod)  bei  ber  inef)r3a^I  ber  Dölker  in  ii)ren  Kinbl^eits* 
ftabien  ya>ax  bie  reid^en  unb  feubalen  Kriegerfc^ic^ten,  alfo  bie  „l^err- 
f<^ben  Klaffen",  patriarc^al,  bie  „Dolksmaffen"  bagegen  nac^  mutter« 
re<^t  gelebt  Ratten.  Diefe  auf  btn  erften  Blidt  beftec^enbe  (}i)pot^efe 
kann  aber  bur(^  bie  (Eatfad^e,  ba^  bei  fei)r  oielen  ber  nac^  niutter- 
re<^t  lebenben  IlaturDÖlkem,  bie  3U  irgenb  melc^em  Beft^  gelangten 
Stommesgenoffen  oerfuc^ten,  beffen  tDirkungen  burc^  ben  Stauenkauf 
ottfju^ben,  nid^t  geftü^t  toerben.    Denn  bies  Streben  ift  in  allen 


56  {hrbittttDe  (Befc^Ieil^tsDcrbinfcttnQen  imb  legitbiie  C^. 

Dolkskretfen  vnb  «Klaffeit''  oor^^en  imb  bte  llldglul^krit  bapi  ift  offen« 
bor  leötgltc^Sroge  öes  iemeils  .größeren  ^dbhtatds",  6erfakttf(j^  ma« 
teridlen  Beft^überlegen^  bts  einseinen  Ülonnes  über  Me  einselne 
Snm,  bejiD.  beren  Sippe,  keinesioegs  aber  an  trgenö  eine  Stanbes« 
ober  KlaffeiQttge^rtgkeit  gebunben.  (brabe  bie  Bnut'C^  ftnbet  {i(^  - 
iDO  fie  neben  ber  Diga^iE^  be^t  -  ^anptfäil^Iic^  bei  ret(^ 
5amilien,  bie  i^re  tLbdfitt  nid^t  einem  mittdiofen  5^i^  ^geben,  - 
fo  bei  ben  Hrabem.  S^  bie  beft%Io{en  5<i>nilien,  rndd^t  Coc^ter 
^aben,  ift  bagegen  beren  ,,l>erf orgung"  bnrc^  I>iga'€^  eben  auä^ 
bei  Ceiftung  eines  re<^t  be{<^ibenen  pretfes  erftrebensioert  3ii>eifel« 
los  ift  es  feIbftoerftanbIi(^,  bog  im  Red^tsftnn  oaterlofe,  alfo  na(^ 
mutterred^t  lebenbe  Khtber  überall  unb  ju  jeber  Seit  in  ben  beft^Iofen 
Dolksfc^id^ten  sa^Ireid^  la  finben  finb,  als  ht  ben  mo^I^abenben, 
ba  fii^  bort  einer  geregelten  5<nniliengrünbung  unb  ftabilen  £ebens« 
gemeinfd^aft  oon  mann  unb  5rau  größere  ökonomifc^  Sc^mierigkeiten 
in  ben  IDeg  legen.  Hud^  f^ute  {teilen  felbftoerftanbfic^  biefe  Sc^id^ten 
hos  grögte  Kontingent  oaterlofer,  unb  bes^alb  nad^  Ütutterred^t 
iebenber,  Kinber.  Diefe  lanbldufige  €r{d^einung  als  Refte  einer  äuge« 
meinen  Sc^ibung  ber  5<nnQi^nfonnen  nad^  Stauben  unb  Klaffen  an* 
5ufpre(^n  ift  unmögfid^.  IDenn  gIetd^nK)^I  gen>iffe  Ueberlieferungen 
uKi^fc^inlid^  mad^,  bog  bei  einseinen  Oölkem  bie  Ütuttergruppe 
nur  auger^alb  ber  Hriftokratie  beftanb,  fo  ift  meit  e^  bie  fpejififi^ 
Bebeutung  bes  H^nenkults  bei  biefer  le^teren  bafür  als  (brunb  anju- 
ne^en.  Bei  einem  einsigen  antiken  oorberafiatifd^en  Oolke,  btn 
£i)kiem,  fc^einen  jene  beiben  So^^^n  ber  OenDanbtfc^aftsglieberung 
ftd^  ht  ber  (Eat  aus  btefem  6runbe  auf  5n>ei  oerfc^iebene  Beoölkerungs« 
kreife  oerteilt  5U  i^ben. 

Da  bie  fporüc^e  Kunbe  über  fie  feinerseit  eine  Qauptftü^e  ber 
Bad^ofenfd^en  <Entbe<kungen  unb  Qi^ot^fen  für  bie  antiken  Kultur* 
oölker  bilbete,  alfo  ein  literar^iitorifd^es  3ntereffe  l^t,  mögen  fie 
auc^  ^ter  nod)  etmas  na^er  bargefteUt  merben.  Uad^  ben  oon  Qero* 
bot  überlieferten  unb  öurc^  3nfd^nften  beglaubigten  nac^rid^ten,  ^ben 
bie  £i)hier  eine  relatio  ^o^e  Stufe,  menn  aud}  nic^t  literarifc^er,  fo 
boc^  religiöfer,  politifd^  unb  materieller  Kultur  erreid^t  3^re  polt- 
tifc^e  (Drgantfation  entfprac^  etn>a  ber  ber  grie^tfc^n  Stabtftaaten. 
Sie  iDO^nten  ht  feften  Planen,  bauten  ht  i^ren  (bebirgstälem  Korn 
unb  IDein  unb  befafeen  ehte  grofee  5Iotte  für  ben  Seeraub.  Die  £i}kier 
maren  ein  kriegerifc^es  Oolk.    (Erft  nac^  f^Ibenmütigem  Kampfe  er- 


(J.  3ur  Kritili  öcr  lUuttcrrcc^tst^coricn.  57 

gaben  fte  fi(^  im  6.  3Q^r^unbert  o.  (Ofc.  btt  perfifc^en  Uebermad^t, 
unö  fie  tDugten  fid^  auc^  bann  noc^  bis  3U  t^rer  ftuffaugung  burd^ 
bie  TÖmif(^e  tDelt^errfc^oft  i^re  Autonomie  unb  nationale  Kultur  5U 
eri^Iten.  Das  fie  mit  btn  6rie(^en  oerftnüpfenbe  geiftige  Banb 
nKir  eine  befonbere  Sonn  bes  ApoUokuItus,  ber  in  Cpkien  ein  ange« 
fernes  (Drakel  befag.  lloc^  größere  Oerel)rung,  als  Apollo  unb  feine 
S(^iDefter  Artemis,  f(^eint  ^ier  i()re  in  6ried)enlanb  5urü(fctretenbe 
Itlutter  £eto  als  Perfonipation  ber  georbneten  AHnatur  genoffen  3U 
traben.  Auf  allen  Ii)ltif(^en  Bilbtoerhen  tritt  fie  in  6emeinfd}aft  mit 
t^ren  Kinbem  auf,  unb  bas  i()r  gemeinte  (}eiligtum,  bem  Priefter  unb 
Priefterinnen  bienten,  galt  als  bas  l)ödjfte  im  £anbe.  Die  Annahme 
läge  an  fi(^  naf^,  biefe  Deref^rung  ber  ITIütterlic^lteit  als  Refle|[  ber 
unjcDeifelf^aft  beseugten  fosialen  Sd^ö^ung  unb  günftigen  Rechtslage 
(pkifd^er  S^öucn  ju  beuten.  An  ber  politifc^cn  ^errfc^aft  n>aren  fie 
allerbtngs  ni(^t  beteiligt.  Sie  lag  ausfd}liegli(^  in  ITlanner^önben 
unb  trug  einen  feubalariftokratifc^en  d^arahter.  Don  einer  (bunaxko* 
liratie  finbet  \id^  nidjt  bie  leifefte  Spur.  -  3"  ber  bas  £anb  be^err» 
fd^enben  kriegerifc^en  Ariftokratie  f(^eint  nun  bie  patriar(^ale  Oer> 
n>anbtfc^afts3urec^nung  ben  Sieg  baoongetragen  3U  ^aben.  Die  Sö^ne 
oon  männem,  bie  fic^  im  Kampf  um  bas  Daterlanb  mit  gelben« 
nil^m  bebedtt  Ratten,  nannten  fid),  fd^eint  es,  ftets  nad}  if)ren  Dötem. 
So  finbet  fic^  in  £i)ftien  au(^  in  btn  bie  (}errf(^ergef(^Ie(^ter  betreffenben 
3nf(i^nften  faft  ausfd^Iieglic^  bie  Daterfolge  beobad^tet.  Die 
.Itamenlofen"  in  ben  mittleren  unb  unteren  Dolksfc^idjten,  -  barunter 
aber  audj  mo^n^abenbe  „Bürger",  -  berechneten  bagegen  iljre  3u- 
gel^rigkeit  noc^  bis  3um  2.  3a()r^unbert  0.  d^r.  ausfc^Iieglic^  nad^ 
iljrer  mütterlichen  Abjtammung:  „Sie  nennen  fidj  nac^  ber  niutter 
nnb  nidjt  nadj  bem  Dater,  benn  menn  man  einen  Eijhier  fragt,  rocr 
er  fei,  fo  roirb  er  fein  (befc^Iec^t  oon  ITlutterfeite  angeben  unb  feiner 
niutter  niütter  !)er3ä^len.  Unb  ©enn  eine  Bürgerin  p^  ^it  einem 
Sklooen  oereinigt,  fo  gelten  bie  |o  er3ieltcn  Kinber  als  ebelgcboren, 
wenn  aber  ein  Bürger,  unb  märe  es  ber  oorneljmfte,  eine  auswärtige 
ober  ein  Kebsroeib  freit,  fo  finb  bie  betreffenben  Kinber  uneljelidj". 
IDos  ^erobot  ^ier  berichtet,  3eigt  jebenfaUs  beutlic^,  ba^  bie  ITlaffe 
bes  Dolks  bie  niutterfolge  beobachtete.  Unb  bie  meit  jüngere  Xiad^' 
ric^t  bes  römifdjen  SdjriftfteOers  nikolaus  Damascenus :  „bie  Eijhier 
eljren  bie  Stauen  meljr  als  bie  Hlänner,  benennen  fic^  nac^  ber  niutter 
unb  ^interlaffen  iljr  (Erbe  i^ren  ttöc^tem"   -  läfet  barauf  fd^liefeen. 


58         primttioe  (Befd^Iec^tsoerbtnöungen  unb  legitime  &ft. 

bog  augerbem  bie  Struktur  t^rer  (Erborbnung  bas  prinsip  bes  Iltut« 
terrec^ts  in  groger  Reinheit  3um  ftusbrudt  brockte.  Die  prafttifc^e 
(Erogmeite  ber  Ipfttfc^en  (Erborbnung  bleibt  freiließ  im  Unklaren,  btnn 
n)ir  erfahren  aus  biefer  Hotis  meber,  meiere  Oermögensteile,  ob 
ettDa  nur  bie  fa^renbe  Qabe  ober  umgekehrt  nur  ber  (brunbbefi^ 
ober  beibes  auf  bie  n>eibli(^e  Onie  übergebt,  noc^  erfahren  toir,  ob 
bas  (Eöc^tererbred^t  in  allen  Sc^ic^ten  bes  Oolkes  beobad^tet  iDurbe. 
Auc^  n>i{fen  toir  nic^t,  toeld^e  5onn  bes  Bobenbaus,  ob  ettDa  feine 
kommunifti{(^e  Bearbeitung  burd)  Qauskommunionen  ober  {eine  inbiot« 
bualiftifc^e  bnxd^  bie  Sonberfamilie,  mit  biefem  (Eöc^tererbred^t  uerknfipft 
mar.  3ebenfans  3eigt  aber  jener  Bericht,  ba^  bie  Ipkifc^e  OenDonbt« 
{c^aftsglieberung  ber  breiten  IRaffe  bie  5^^^  in  ben  Xtlittelpunkt  ber 
Samilie  {teilte.  Dag  fie  and^  fosial  als  i^r  eigentlicher  Kern  galt, 
lagt  bie  eigentümliche  Sitte  oermuten,  ba^  bei  allen  (Erauerfeierttc^ 
keiten  um  ben  (Eob  eines  Sömiliengliebes  bie  Iltanner  S^^uenkleiber 
anlegen  mugten.  -  Das  ©ejc^ledjtsoer^oltnis  mar  monogam  unb 
bauemb,  mir  muffen  es  bes^alb  als  „€^e"  beseic^nen  unb  uon  einer 
organifierten  (Eempelproftitution,  mie  fie  bei  manchen  anbren  uorber« 
afiattfd^en  Dölkem  beftanb  unb  fo  oft  irrtiimlic^  in  Besie^ung  3um 
ITtutterrec^t  gebracht  mirb,  finbet  fidj  grabe  in  £i)kien  keine  Spur.  - 

Da  bie  Abftammung  oon  ber  Iltutter  allein  bie  Sa^U^^nSuge^ö* 
rigkeit  beftimmte,  mar  meber  ber  augere^elic^  Geborene  no^  feine 
ITlutter  mit  irgenb  einem  ITlakel  beljaftet.  Den  Daterlofen  trafen 
keinerlei  bürgerliche  ober  politifc^e  Hadjteile.  Dies  erfahren  mir 
aut^entifd}  aus  ben  6rabinfd)riften  angefe^ener  Bürger,  beren  ITIangel 
an  einem  legitimen  Dater  nxd^i  oertufc^t,  fonbem  ausbrüdtlic^  ermahnt 
mirb.  Unb  fe^r  c^arakteriftifd}  oerseid^net  eine  3nf(^rift  ausbrudtlic^, 
ba^  in  ben  neugebilbeten  ,,Rat  ber  Alten"  (6erufia)  einer  ber  Ii)ki- 
{(^en  Qauptf tobte  mehrere  „3ungfrauenfö^ne''  aufgenommen  morben 
feien.  Uoc^  nac^bem  £i)kien  römifc^e  prooins  gemorben  unb  bie 
mutterrec^tlid^e  Dermanbtfc^ftsglieberung,  bie  übrigens  fc^on  3U 
piutarc^s  Seiten  oerfc^munben  mar,  löngft  ber  Dergangen^eit  ange* 
l^rte,  laffen  3a^lreic^e  il)nen  oon  i^ren  mitbürgem  geftiftete  (E^rem 
infc^riften  auf  bie  fo3iaIe  Sdjä^ung  ber  Ipkifc^en  Stauen  fdjliegen. 
3^re  Urfad^en  finb  jeboc^  in  Dunkel  gefüllt.  Sicheres  ergibt  bas 
fragmentarifc^e  lUaterial  nidjt.  -  Backofens  geiftooHe  p^antaften 
können  kül)Ier  ^iftorifc^er  5orfdjung  nic^t  ftanb  galten. 

Derfü^rerifc^  für  bie  Derallgemeinerung  biefes  Beifpiels  mar  für 


(i.  3ur  Krttifc  öcr  ITtuttcrrcdjtst^coricn.  59 

Backofen  oor  allem  bte  religionsgefc^td^tltc^e  (Eat{a(^e,  öag  öie  altere 
un6  uoIftstümlic^eTe  Dere^rung  btx  »mutter  (Erbe"  als  (btbattxin 
unb  ber  c^t^onifc^en  6ott^etten,  über^upt  bte  reltgiöfe  Oere^rung  bes 
metblic^n  prinsips  bei  oielen  antiken  Oölltem,  nad^ioeisbar  burd) 
bte  Dere^rung  ber  (Reiben  als  ^immltfc^er  (Bott^eiten  3uriidtgebröngt 
iDorben  mar.  Aber  bie{e  religiöfe  Cntmidtlung  {te()t  bei  oielen  Oöl* 
kern,  5.  B.  grabe  auc^  bei  ben  oon  Backofen  als  Bemeismittel  ^eran« 
gesogenen  6rie(^en,  für  bas  fie  am  beutlic^ften  nac^toeisbar  ift,  loie 
bte  neueften  5or{c^ungen  oon  A.  Dieteric^  enoiefen  ^aben,  in  ab- 
folut  keinem  3u{ammen^ang  mit  irgenb  einer  familien^  unb  e^e« 
rechtlichen  Cnttoidtlung.  Sollte  je  in  (Brie(^enlanb  „prinsipieOes" 
niutterre(^t  e|ri{tiert  ^aben,  morauf  keine  Spuren  ()inbeuten,  fo  mü^e 
es  f(^on  lange  oor  ber  Derbröngung  jenes  älteren  Kultus  fpurlos 
i>emi(^tet  toorben  {ein. 

Dtnn  gönslid)  unmöglich  ift,  es  mit  btn  An()angern  ber  (El^eorie, 
ba^  niutterrec^t  eine  allen  Oölkern  gemeinfame,  altere  (Enttoicklungs* 
ftufe  gemefen  |ei  -  3.  B.  unter  ben  populären  Sc^riftftcnem  fl.  Bebel  - , 
bie  Problemaük  in  ber  (Dreftie  b^  Ais(^i)Ios  als  Beifpiel  ber  „Der' 
brängung"  einer  älteren  ITIutterrec^tsepoc^e  unb  ii^rer  Sittlid^keit 
burd^  ein  jüngeres  Daterrec^t  bei  btn  6rie(^en  ()eran5U5ief)en.  Bebel 
glaubt  nämlic^  — unb  mit  i^m  (nac^  Backofen)  oiele  - ,  ba^  bie  Räd^ung 
bes  Don  ApoIIon  befohlenen  unb  {auktionierten  ITluttermorbs  burd) 
bie  alten  llaturgott^eiten,  bie  (Eumeniben,  ein  Betoeis  bafür  {ei,  ba^ 
einft  in  6r{ec^enlanb  bas  Blutsbanb  5n)i{d}en  Iltutter  unb  So()n  für 
oerpflic^tenber  gegolten  ^abe,  als  bas  5n)i{(^en  Dater  unb  Soi^n,  unb 
bag  alfo  bas  oon  btn  jüngeren  £id}tgottf)eiten,  oor  allem  oon  Apollo, 
ge(d}ü4te  Oaterre(^t  erft  Probukt  einer  {päteren  (Entioidtlung  (ei.  Dem 
ift  entgegen  5U  i^alten,  bog  gerabe  bie  ^unberte  oon  3ai)ren  ältere 
l^meri{c^e  Did^tung  bes  oon  ftis(^i)Ios  benu^ten  Stoffes  nic^t  bas 
minbefte  oon  einer  (Eragik  bes  Konfliktes  5n)i{(^en  ber  unbebingten, 
oom  6ott  {elbft  auferlegten  Pflicht  bes  Sof^nes,  burc^  bie  (Ermorbung 
ber  niutter  btn  getöteten  Dater  5U  räd^en,  toeig.  Bei  (}omer  liegt 
Dtelme^r  aller  llac^brudt  barauf,  ba^  (Dreftes  bie  Blutrac^epflic^t  an 
Aig^iftos,  ber  3u{ammen  mit  KIi]taimneftra  Agamemnon  er(d}Iagen  f}at, 
erfüllt.  Dag  er  babei  auc^  bie  ITIutter  tötet,  ift  neben(ad}e  unb  birgt 
für  ii)n  burc^aus  kein  Problem  in  fid}.  Auc^  in  einer  ettoas  jüngeren, 
aus  bem  8.  ober  7.  3af)rf)unbert,  aI{o  immerl)in  nod^  yoex  3a^ri)unberte 
oor  Aisc^plos  entftanbenen,  belpf)i((^en  Bearbeitung  ber  (Dreftes(age 


60         primitioe  (Befd^Iec^tsoerbtnbungen  unb  legitime  (E^e. 

gilt  öie  (Ermoröung  6er  IHuttct  ya)ax  als  Sc^ulö,  loelc^e  6ic  Ra(^e* 
gcifter  in  öerjelben  Art  ^eraufbefdjiDört  u)ie  ettoa  Datcrmorö.  Allein 
flpoHon  Jc^üftt  6en  (Täter  oor  öer  Derfolgung  6er  (Eumcniöen. 
«Die  ®ef(^ic^te  le^rt  unoerljüllt  öie  Pflicht  öes  (Erben,  bas  Blut  6es 
Daters  unter  allen  Unijtänben  3U  rächen,  einerlei  ©er  öabei  fallen 

(Es  ift  alfo  natürlich  feeinesioegs  eine  „^ijtorijdje"  (Erinnerung  an 
ältere  flnjdjauungen  über  öas  Red>t  öer  Itlutter,  fonöem  öie  frei« 
{(^affenöe  (Eat  öes  öic^terifd^en  6enius,  öag  Hifd)t)los  bei  {einer  Bei^nö« 
lung  öes  (Drejtesftoffes  öen  ITtuttermorö  überhaupt  3U  einem  befonören 
Problem  machte,  u)ie  audj  ferner  oor  allem  öie  So^nespflidjt  öen 
Dater  öurc^  lUuttermorö  3U  rächen,  als  unlösbaren  moralif^n 
Konflikt  ^inftellt  unö  enölic^  feinerfeits  öurc^fü^len  lägt,  öag  es  für 
ein  {0  {d)euglt(^es  Derbred^en  keine  (Entfc^ulöigung  gibt;  „öag  öer  (bott, 
öer  öas  gut^eigt,  kein  guter  6ott,  öas  Sittengefe^,  öas  er  oerkünöet, 
un3ulänglid>  ift''^).  (Es  ift  alfo  eine  neue  ftttlidje  (Erkenntnis,  öie 
im  (Begenfa^  3ur  Ueberlief erung  fte^t  unö  eine  Qö^erbetoertung 
öer  ntutter  als  folc^er  gegenüber  öem  gan3  naio  patriard^al  em» 
pfunöenen  älteren  6eöic^t  beöeutet,  öie  uns  aus  ftisc^plos  entgegen- 
tritt. Dag  er  öabei  öiefe  neue  fittlic^e  (Erkenntnis  öen  alten  Ilatur« 
gott^eiten,  öen  (Eumeniöen  in  öen  niunö  legt  unö  fie  als  Dertreter 
öes  „älteren"  Rechts  gegenüber  flpollons  „neueren"  flnfc^auungen 
^inftellt,  ift  felbftDerftänölid}  genau  fo,  mie  ettoa  öas  (Eingreifen  öer 
(Bott^eiten  felbft  in  öiefen  Konflikt:  eine  öidjterifc^e  Si^tion,  nic^t  aber 
eine  Stuckt  „^iftorifdjer"  Stuöien  öes  flisdjijlos  über  „ITlutter"«  unö 
„Daterredjt". 

Aber  audj  juriftifc^e  (Eatfac^en  oerbieten  öie  flnnaljme,  als  fei 
öas  niutterrec^t  überall  öie  fpe3ififc^  „oolkstümlic^e"  5orm  öer  Sömilien- 
glieöerung,  öie  „(E()e  nac^  Daterrec^t"  öagegen  erft  proöukt  öes 
Sünöenfalls  in  öie  fo3iale  Ungleid^^eit,  öer  Spaltung  öes  Dolks  in 
„^errfdjenöe"  unö  „be^errfc^te  Klaffen".  Denn  öie  (Ejiften3  gan3  fpe« 
3ifif(^  patriarc^aler  (Einrichtungen  ift  für  3a^lrei(^e  Dölker,  3.  B.  aud^ 
für  öie  6ried}en,  graöe  in  öen  unteren  Dolksf(^id}ten,  als  oon  Alters 
^er  befte^enö,  ftd^er  be3eugt.  (}interlteg  in  6rie(^enlanö  ein  ITIann 
keine  männlid^en  £etbeserben,  fonöem  nur  (Eöd^ter,  fo  mar  -  raie 
mir  fpäter  feljen  meröen  —  fein  i^m  näc^ftfteljenöer  männlicher  Der» 

*)  DgL  Ü.  D.  tPtlamoDtt'indnenöorf.  6ne(i)if(i)e  (Eragööien  II.  B6.S.  136. 
0  Derfelbe  a.  a.  ®.  S.  138. 


H.  (Ergebnis.  61 

iDonöteT  oerpfltc^tet,  eine  feiner  tEöd^ter  5U  heiraten,  öamit  bas  6e- 
f(4(ed)t  bes  Derftorbenen  bnid^  i^re  Sö^ne,  bte  bann  als  bie  {einigen 
galten,  fortgefe^t  unb  i^m  bur^  fie  ooIIgiUtige  (Eotenopfer  garantiert 
iD&rben.  Diefes  rein  patriarc^Ie  3nftitut  ber  „(Erbtod^ter"  kennen 
nun  f^on  bie  Solonifc^en  (Befe^e  ausbrü(ftli(^  als  auc^  für  bie  „(E^eten", 
bie  aüerunterfte  Sd^id^t  att)eni{(^er  Bilrger,  befte^enb.  —  Qeute  geben 
femer  bie  inbifc^en  Haften  bie  Iltöglid^lteit,  bas  (Et^erec^t  ber  einseinen 
Dolksfc^ic^ten  5U  Dergleichen,  unb  es  setgt  fic^,  ba^  bort  ber  (Eoten- 
kult,  bie  Polygamie,  ber  5^Quenftauf,  einfetttges  Sd^eibungsred^t  bes 
DIannes,  alfo  lauter  nterfmtale  einer  patriar(^alen  Sc^niilienDerfaffung, 
grabe  in  btn  nteberen  Haften  beftimmter  Dolftsftämme  5U  Qaufe 
finb,  n)ai)renb  bie  t^ö^eren  biefe  (5en)o^n^etten  me^r  unb  me^r  3u* 
gunften  monogamer  Derbinbungen  unb  eines  gemäßigteren  Patri- 
orc^ßsmus  abftreifen. 

(Ebenfo  ift  in  ben  häufigen  5S0en,  too  toir  bie  (Epftens  ber  Doll- 
en in  ben  begüterten  Sc^id^ten  oon  (E^eoertrögen,  ITtitgiftbeftellung 
u.  f.  m.  abt^öngig  finben,  -  ein  3uftanb,  ber,  n>te  mix  fetten  n>erben, 
btn  qanyn  (Orient  bet^errf (^t,  -  bie  normale  Solge  bes  5  «  ^  I  ^  "  s  ^i^]^^ 
Dlerfcmale  nic^t  etwa  „Itlutterred^t",  fonbem  im  Gegenteil:  mangeinbe 
Sicherung  .ber  S^<^^  gegen  btn  VHann  unb  aus{(^HegIid)es  Qerrf(^fts- 
rec^t  bes  Iltannes  über  bie  Hinber.  6rabe  in  ben  oberen  Sd)i(^ten 
finben  toir  ^ier  -  gan3  begreifUd^eriDetfe  -  bie  (Eenbens  3ur  Sicherung 
ber  in  bie  (E^e  gegebenen  (Eod^ter  unb  i^rer  Hinber. 

H. 

Dergleichen  mit  nun  f(^Iie6Ii(^  bas  Refultat  ber  oorfte^enb  oerar> 
beiteten  neueren  5orfd)ungen  über  bie  Stellung  ber  (Ei^efrau  unb  ITlutter 
bei  btn  „naturoöHtem"  mit  ber  Don  5^-  (Engels  aus  Iltorgan  unb 
Boc^fen  beftiOierten  unb  oon  ba  in  un3af)Iige  ouIgar*fo3taItfti{(^e  e^« 
nnb  familiengef(^i(^tli(^e  Darftellungen  -  barunter  Bebeb  Dielgele« 
jenes  Bu(^,  aber  auc^  in  maffent^afte  (Erseugntffe  ber  S^ciuenüteratur  - 
übernommene  ^(Entroidtlungst^eorie".  -  Die  Qauptfö^e  ber  festeren  laffen 
fid^  bal^tn  5ufammenf äffen,  bog  1.  ^^kommuniftifc^e"  tDtrtfc^aftsformen 
ob  folc^  bie  mutterrec^tlic^e  DenDanbtfc^aftsglieberung  erseugen  unb 
büg  ebenfo  n>ie  jene  probuhttons*  fo  auc^  biefe  Rec^tsform  eine  ^ur* 
fprünglic^e"  allen  Dölhem  gemeinfame  (Enttotdtlungsftufe  bilbe;  bog 
2.  IRutterrec^t  tbentifd)  fei  mit  ber  Dort^errfc^ft  ober  3um  minbeften 


62         primittDe  (Befc^Iec^tsoerbtnbungen  unb  legitime  €^e. 

6Iei(^{teIIung  ber  5^ou  in  ber  5^^Ui^  ^^^  i^  öffentlichen  £eben; 
ba^  3.  bie  „6e{(^Ied}tsfftIaoerei  ber  5^^^"  unb  bie  Qerrf^aft  bes 
Doterrec^ts  bos  probuftt  ber  (Entftet^ung  bes  priooteigentums  fei,  unb 
4.  bamit  sufammen^ongenb,  bie  monogame  (E^e  burd)  ben  tDunf^  bes 
niannes  nac^  legitimen  (Erben  für  fein  priooteigentum  gefd^offen 
n)orben  fei^).  3m  tDiberfprud)  mit  biefen  Sä^en  fa^en  toir  1.  bog 
bos  ntutterred^t  als  ^errfc^enbe  5otm  bes  5^^iH^ntec^ts  3iDar  bei 
einer  Ansat^I  oon  Oölftern  in  Oerbinbung  mit  getoiffen  Sormen  primi« 
tioen  genoffenfc^aftlic^en  Adterbaus  auftritt,  ba^  uns  jeboc^  nid^ts 
berechtigt,  es  als  eine  allen  berartig  roirtfc^aftenben,  gefd^meige 
benn  allen  primitiven  Oölftem  überhaupt  eigen  gemefene,  urfprfing« 
lic^e,  überall  bem  Oaterred^t  ooranget^enbe  3nftitution  3U  be* 
trachten.  Soweit  es  anbrerfeits,  als  Solge  bes  Oatermangels,  eine 
überall  unb  5U  jeber  Seit  oor^anbene  Hebenerfd^einung  anberer 
^errfd^enber  S^^ili^nrec^tsformen  ift,  bebeutet  es  kein  e^ere^tli(^es 
Prin3ip,  fonbem  lebiglic^  einen  faktifc^en  Suftanb.  Bei  ben  aDer« 
primitioften  Ilaturoölliern,  bie  mix  kennen,  ben  „nieberen  3agen)dl« 
kern"  ^errfc^t  einsig  unb  allein  bas  Red^t  bes  Stärkeren  —  bie 
ITIannesgemalt  in  i^rer  brutalften  5orm,  b.  ^.  bie  Sxan  mxxb  Don 
bem  ntann,  bem  fie  fid)  anfd^Itegt,  ober  ber  fie  auf  irgenb  «eine  IDeife 
(burc^  (Eaufc^,  (Entführung  mit  i^rer  Suftimmung,  ober  Raub)  in  feinen 
Befi^  bringt,  als  {ein  unbefc^rönktes  (Eigentum  betrachtet,  ebenfo 
mie  iljre  Kinber,  ol)ne  baft  er  feinerfeits  irgenbioeldje  redjtlidje  Der* 
pfltc^tungen  gegen  fie  unb  fie  irgenbtoeld^e  Rechte  an  ben  Kinbem 
l^äitt,  Vinb  es  ift  mett  e^er  ansune^men,  ba^  bie  Iltei)r5a^l  ber 
Oölker  in  i^ren  Ktnb^ettsftabien  birekt  aus  einer  berartigen  fakti* 
fc^en  ITIannesgetDalt  bas  Oaterred^t  entmidtelt,  als  bog  fie  alle  ober 
bai  auc^  nur  bie  meiften  ober  überhaupt  ein  erheblicher  ([eil  ber 
heutigen  Kulturoölker  bie  Stufe  ber  prinsipieOen  mutterrec^tlic^en 
öenDanbt(c^afts3ured)nung  als  ^errfc^enber  5orm  paffiert  ^aben.  Dor 
allem  aber  t{t  smeitens  bie  Dorfteilung  auf3ugeben,  als  {ei  Xllutter' 

*)  Die  für  jene  (C^eone  d)arakteri{ti{d)en  Sö^e  {in6  in  populörer  5a{« 
{ung  3.  B.  in  Bebeis  „S^au  unb  ber  Sosialtsmus"  folgenbe  S.  23:  Die 
Geltung  6es  inutterred)ts  beöeutete  6en  Kommunismus,  6as  Hufkommen  bes 
Daterred)ts,  (Entfte^ung  unb  £)err{(f)aft  6es  priooteigentums;  3ugleic^  be« 
beutete  6as  Daterre(f)t  Unterörüdtung  unb  Kned)tung  ber  S^ou".  S.  22:  „Rn 
Stelle  6es  inutterre(f)ts  er{d)ien  6as  Daterred)t;  an  Stelle  6er  Paarungs* 
familie  trat  6ann  6ie  monogami(d)e  <E^e,  6ie  ben  3n>edi  ^atte  legitime  €rben 
für  bas  mittlenoeile  aufgekommene  prioateigentum  3u  {d^affen". 


H.  (Ergebnis.  63 

re<%t  unö  niutter^er rf  (^of  t,  6.  !).  Dor^ctt|d)aft  öcr  S^öu  i" 
6er  5<imilte  ober  gor  im  öffentlichen  £eben,  tbenttfc^.  IDo  bte  5^^u 
im  Kreife  ber  noturoollter  als  Gattin  unb  ITIutter  eine  grunbfö^Iic^ 
^^e  ab  bie  i^r  Dom  potriard^olismus  3ugeiDie{ene  Stellung  ein« 
nimmt,  ido  olfo  „muttergetDoIt"  befte^t,  ba  pflegt  aüerbings,  fo  Diel 
bekannt,  faft  immer  and^  ^^ITtutterrec^t"  3u  befielen,  keinesmegs 
aber  erseugt  umgekehrt  bas  ITIutterred^t  immer  ober  aud)  nur  ber 
Regel  nad^  bie  IltuttergeiDalt.  Dielme^r  ^errfc^t  bei  oielen  nod) 
^ute  nad^  niutterre(^t  lebenben  Dölkem  tro^bem  bie  unumfc^rankte 
niannesgetDalt.  Denn  1.  kann  auc^  bei  Befielen  bes  ITIutterrec^ts 
ab  normaler  5onn  ber  ge{(^le(^tli(^en  Besie^ungen  ber  einselne 
THann  feine  rechtlichen  tDirkungen  burc^  b^n  Kauf  ber  S^^u  regel- 
mäßig in  if)r  (begenteil  oerke^ren.  Se^r  ^öufig  ift  bes^alb,  loie  mir 
faf^n,  ein  nebeneinanber  oon  prin3ipien  mutter>  unb  Doterrec^tlic^er 
DenDanbtf(^aftsgIieberung  innerhalb  berfelben  Dolksgemeinfc^aft,  ber« 
ort,  bog  bie  mo^It^abenben  Htönner  fic^  bie  6eiDaIt  iiber  5^^^  ^^^ 
Kinber  kaufen,  bie  Armen  fie  i^rer  Sippe  laffen  muffen:  bie  reichere  S^au 
lebt  nad)  Iltutterrec^t.  Unb  2.  mirb  bie  S^^u  burd}  i^r  Derbleiben 
in  ber  eigenen  Sippe  ^wax  oor  ber  ei)el}errli(^en,  nic^t  aber  über« 
^oupt  Dor  männlicher  Gewalt  oerf(^ont:  überfiebelt  ber  mann  in  i^re 
f>ausgemeinf(^aft  (Binae^e),  fo  gilt  fte  yx>ax  nid^t  ab  fein  (Eigentum, 
öüffir  aber  ab  bas  ii)rer  eigenen  männlichen  Denoanbten.  3ft  alfo 
bie  Bebeutung  bes  HTutterrec^ts  für  bie  £age  ber  5^Qu  oon  feinen 
erften  (Entbedtern  siDeifeUos  ftark  fiberfd^ä^t  unb  oon  fosialiftifd^er 
Seite  tenben5iös  oerfc^oben,  fo  bleiben  bie  bem  nüchternen  (Eageslic^t 
toinenfc^aftlic^er  llac^prüfung  ftanb^altenben  (Eatfac^en  geioig  immert^in 
no<^  bebeutungsooD  genug,  um  bie  Auffaffung  oon  ber  „naturgefe^Iid}« 
keif  bes  Samilienpatriarc^alismus  3u  3erftören.  DöUig  uni)altbar  ift  ba* 
gegen  ber  mit  ber  (E|riften3  bes  ITIutterred^ts  oerknüpfte  Sd}Iug,  ab  l^abe 
bie  (Entfte^ung  bes  Prioateigentums  für  bie  5rau  bie  (Ei)e  nac^  Oater* 
red^t  unb  bamit  bas  Uebel  in  bie  IDelt  gebracht,  -  als  fei  bie  (Eigentums« 
lofigkeit  i^r  Parabies geioefen.  Dies  fei  je^tnod}  ettoasnäi^er  beleuchtet*). 

* )  3c^  folge  in  ber  nad){tef)en6en  Skijje  über  bie  <Entftef)ung  bt%  <Eu 
gentttms  in  ben  (Hauptpunkten  ben  6ebankengöngen,  bie  mein  lUann  {.  3. 
im  Kolleg  bot,  in  Derbinbung  mit  bem  3nt)a[t  ber  ^Drudibogen",  tDe[d)e 
Brentano  für  feine  Dorlefung  3U  oerteilen  pflegte  unb  bie  mir  3ugönglid) 
maren.  lieber  bie  f)ausgemein(d)aften  finb  ferner  bte  unter  ^titeratur"  ge- 
namtten  Arbeiten  ju  oergleid^en. 


64         prhnitioe  (Befc^Iec^tsDerbinbungen  unb  legitime  €^e. 

Sunöc^ft:  tDos  t^eigt  eigentlich  „(Entfte^ungbespriüatenSigentums"? 
(Ein  eigentumslofer  3uftanb  in  bem  Sinne,  ba^  ,,allen"  ober  aud^  nur 
ollen  Stommesgenoffen  irgenbiDonn  einmal  olles  gemeinfom  geroefen  fei, 
ift  ja  bei  deinem  ein3igen  noc^  fo  primitioen  noturoolk  3U  konftatie« 
ren.  Sogar  bie  (}orben  ber  nieberen  3Qgen)öIker  betrod^ten  f^on  be* 
ftimmte,  genau  Qbgegren3te  £anbgebiete  unb  5if<i)n)S{fer  als  i^r  ,,  (Eigen« 
tum",  oon  beffen  lllitbenu^ung  fie  olle  onberen  Qorben  it^res  Stammes 
Qus{(^Iiegen.  (betoanbelt  ^oben  ftd)  nur,  unter  bem  (Einfluß  bes 
IDonbels  ber  nat^rungsgetoinnung ,  bie  (Eröger  bes  (Eigentums, 
unb  5iDQr  im  allgemeinen  in  ber  Richtung  ollmat^Iic^er  OerUeine* 
rung  ber  (Einheiten,  toeld^e  als  {olc^e  auftreten.  Damit  ^öngt  1.  bie 
(Enttoidtlung  bes  (Erbrechts  5ufammen.  Beftimmte  (begenftänbe,  bie 
i^r  perfönlic^er  Befi^er  urfpriingHc^  einer  größeren  (bruppe  Don 
ntenfd^en,  oor  allem  feinen  Qausgenoffen  ober  feiner  Sippe  gemeinfam 
i)interlagt,  gelten  fpäter  auf  beftimmte  einselne  perfonen:  feine  Kinber, 
über.  Sinter  2.  n>irb  ein  3unet)menber  Umkreis  oon  Befi^ftüdten  mit 
€nttDi(kIung  ber  Oerke^rsbesie^ungen  oeröugerlic^:  it^r  (Eigentümer 
kann  fie  gegen  anbere  oertaufd^en.  (ban3  gefehlt  ^aben  biefe  (Erfd^ei* 
nungen,  fooiel  bekannt  ift,  eigentlid),  fon>eit  n>ir  Kunbe  traben,  nie. 
Selbft  bei  ftrenger  felb*  unb  ^ausgemeinf(^aftli(^er  (bebunben^eit  alles 
Beftftes  flnb  regelmäßig  geioiffe  ein3elne  StüAe,  3.  B.  bie  IDaffen  ober 
bas  Kriegspferb  ober  gemiffe  toeiblid^e  Sc^mudtfac^en,  in  (Eobesfoüen 
6egenftanb  oon  Oor3ugsanfprü(^en  ein3elner  3nbioibuen.  Unb  es  kon- 
kurrieren regelmäßig  mehrere  fo3iaIe  ©emeinfc^aften  mit  einanber 
um  bie  Rolle  bes  „(Erögers"  bes  Befi^es  an  btn  oerf(^iebenen 
Kategorien  oon  Befi^objekten:  Qausgeröte,  Oie^  unb  anbrer  beroeg- 
lieber  Befi^  überhaupt,  Qaus,  Qof,  6arten,  ftdterlanb,  IDeiben,  IDalb 
unb  IDaffer.  Sieben  mix  bie  Derijaltniffe  fpe3ien  unfrer  eignen  Dor- 
fat^ren,  alfo  ber  europöifc^en  Oölker,  als  Beifpiel  in  Betracht,  fo  finb 
bie  beiben  toic^tigften  -  nic^t  nottDenbig  ein3igen  -  (Eigentums- 
^(Eräger"  unter  enttoiAelteren  Der^altniffen  regelmäßig  einerfeits  bie 
©emeinfc^aft  bes  Dorfes  (Selbgemeinfc^aft),  anbrerfeits  bie  (Be« 
meinfc^aft  bes  tjaufes  (tjausgemeinfc^aft);  beibe  [xnb  burc^aus  nic^t 
immer  fc^arf  3U  fc^eiben :  bas  „Dorf'  ift  manchmal  nur  eine  im  3er- 
fall  begriffene  ^ausgemeinfc^aft.  Ueber  iljnen  pflegt  als  britte  regel- 
mäßig meitefte,  nic^t  immer,  aber  öfters,  mit  geroiffen  ökonomifc^en 
^errfdjaftsredjten  ausgeftattete  (Bemeinfci^aft  ber  „Stamm"  ober  ber 
„®ou"  ober  eine  anbere  politifc^e  (Einheit  ober  ber  Reft  einer  folci^en 


H   (Ergebnis. 


65 


ttrt^en.  Ditt<  vcitcftc  (Senieln[d)aft  ift,  mo  \\t  baueuib  beftfifl, 
nwifl  tint.  mcnn  uud)  nidrt  immer  bit  ausfdilieglii^e,  Srägenn  ftes 
.Cigenlums'  an  Q)alti  uni>  IDaflei.  Der  bemeglic^e  Befi^,  namcnllu!^ 
boi  Dift},  ebento  aber  t)aiis,  fjof  u)i5  (mei|0  (Eartfn  gel)ört  bagcgen 
regelmJItiig  ber  Meiniten:  bei  l}ausgemetn|d]oft.  Betreffs  btx  Der- 
fät|ung  über  bit  t)tet)iiieiöe  unb  bas  angebaute  £anb  flnö  bic  mannig» 
fa<^flen  Kombinationen  mögltd).  0)fl  empfängt  bie  hletnere  IDitt- 
|<&afl«eintreit  (bas  t)au5)  ooti  bet  größeren  (bem  Dorf)  einen  Seil 
be«  Bobens  ju  nur  periobif(i)er  Üdtemugung,  tiiä[)renb  i^r  ein  anbetet 
Seil  bauetnb  als  (Eigentum  gel)öil.  Die  (ElnjeEfiellen  biefes  unenblid) 
oanablen  Derttältnines  Interetlicrcn  uns  I^teT  nl<l)l  ntellvi.  €s  genüg! 
fQc  unire  ^oedie,  iDcnn  mir  uns  Dcrgegenmärtigcn,  bag  bie  tjaus- 
genietn|<l)aft  fibeiaü  eine,  oft  aber  nat)e3U  bie  einjige  Srägertn  bes 
mit  ditonomi|d)em  IDcrl  ausgeftalteten  , (Eigentums'  [ft. 

Diefe  t}ausgemeini<t)aft  nun,  meldte  ni<f)t  nolmcnbig  bas  IDot)nen 
oller  tlfrer  flngctjörigen  in  bemjelben  (Jeböube  etn|d)ttegt,  jonbein 
nur  hommunifttidten  Konfum  bebeutet,  hann  als  „(Bro^familie" 
unter  ber  patriard^alen  (Eemall  bes  burd)  flbftammung  unö  Alter 
baju  Berechtigten  fltf]en.  Dies  pflegt  bcfonbers  (aber  nid^t  nur)  bort 
ber  SoS  ju  lein,  wo  bas  Saii'ü^Kgut  in  erfler  Cinie  ben  <II}ara))Ier  bti 
wn  ben  Dorfalfren  Uberliommenen  Befi^es  trägt  ober  boii  |o  an- 
getel}cii  miib.  (Dber  fte  Itonn  als  „tjaushommunion"  ober  „(&emein< 
b«T|4^ft"  einen  mefjr  republihani{d)en  dl^oraliter  tragen,  it)ren  £eitei 
).  B.  Däljlen:  baju  neigen  befonbers  foldje  f)ausgcmein{d}atten,  bercn 
DermÄgen  meljr  btn  (Ilfarakler  bcs  burd)  bic  Ulitglieöer  erseuglen 
unb  eriDorbenen  Arbeitsprobuhts  trägt,  ober  bod;  io  aufgefaßt 
loirb.  Die  Jrage,  roer  in  bie  (J^emelnli^aft  l)ineingel>OTen  mirb 
unb  üfx  angel)ÖTt,  bann  ferner,  toie  ntir  fotjen,  an  ftd)  |omof)l  nad^ 
mutier»  mie  nad)  Dateired)tli(^en  Prin3ipien  ober  aud)  nad)  beiben 
in  Konltunen3  mtteinanber  fl<^  regeln.  <n)arahl(rl|tt|dtcs  mcrimial 
ber  uifpriinglitl)en  Dtrfnffung  bieftT  llrjetlc  eines  organtfierten  lEe> 
mcinld^ftslcbens  ifl  aber  immer,  bat  bie  Srträgniffe  ber  gemeinfamen 
n>iTt|d)aft  aOen  Oixtn  lllitgliebern  in  gleidfem  lllaffe  jur  Derfügung 
tte^n,  bad  aber  aud)  jeber  lElnselne  alles,  was  er  inncrl^alb  ober 
aufierlialb  ber  (jausgemciiifd}aft  eritoirbt,  nidjt  fid).  tonbem  i  t)  r  er- 
nrirbl  unb  an  ben  tjausoorflanb  abliefern  mufi.   lHon  Iiann  aljo  Ijier. 

:  aud)  ntd)l  Don  Kommunismus  fd!ied)lt)in,  fo  bo^  Don  einem 
olioen,  bem  .^ausbommunismus"  (pitd^en,  btnn  eine  .Deieibung' 


66         primittoe  (Befc^Ied^tsDerbtnötmgen  niib  legitime  <E^. 

von  perfon  3U  Perfon  im  Sinne  unfrei  mobemen  Re^tsinrinjipien 
qnftiert  gor  nic^t  06er  60^  ^d^ftens  in  b^ug  auf  einselne  loenige 
inöioibuelle  (bebrou^sgiiter  (öie  KriegsuKiffe,  meibli^er  Sd^mudt). 
Stirbt  6er  <Ein3eIne,  {0  bleiben  {eine  5^^^  unö  Kinber  famt  feinem 
(berate  eben  inneri^Ib  ber  Qausgemeinf(^aft,  bie  ab  \old^  ja  unfterb« 
0(4  ift 

Diefe  ftommuniftifc^e  3eIIe  ber  IDirtfd^aft  unb  bes  S^nuilien* 
rechts  erholt  fic^  nun  meift  unserfe^t,  fo  lange  bie  Bebürfniffe  bes 
(Einseinen  vefentlid^  naturahoirtfd^aftlid)  —  bur^  (Eigenprobuktion  bes 
Selbftbebarfs  innerhalb  ber  Qausgemeinf^aft,  gebedtt  merben.  mit 
(Einbringen  bes  (Eaufc^s  unb  oollenbs  ber  (belbroirtfc^ft  unb  bamtt 
bes  »(betftes  ber  Rec^en^aftigfteit"  aber  regt  fic^  im  Sinselnen  bas 
Derlangen,  ben  (Ertrag  feiner  Ceiftungen  für  fi(4  felbft  3U  freier  Der« 
ffigung  3U  behalten.  Der  S&^iQ^  ^^^  S^tiiiqt  wUl  nic^t  langer  für 
ben  Sc^mac^en  unb  5^^!^^  mitarbeiten.  (Er  oerliert  bie  £uft,  ber 
(Bemeinfd^aft  feinen  „oollen  Arbeitsertrag"  abzuliefern  unb  beginnt 
Sune^menb  3U  berechnen,  ob  er  burd)  {eine  Suge^örigfteit  3U  i^r  opfert 
ober  geroinnt  Unb  grabe  aud}  ba!^  (E^rec^t  fteigert  oft  biefe  (Een* 
ben3.  IDenn  3.  B.  bie  3unel)menbe  materielle  Kultur  ba^in  ge* 
ffil^rt  i^t,  bog  bie  $xau  nid^t  mel^r  gekauft,  fonbem  umgekehrt  in 
bie  S^e  ausgeftattet  witb,  bann  toill  fomo^I  ber  (Ehemann,  ber  eine 
an  Diel),  (ben>eben,  6elb,  reiche  Stau  na^m,  n>ie  biefe  felbft  unb  i^re 
Sippe,  i^r  (Eingebrachtes  nic^t  ber  Semeinfc^aft  3ugute  kommen  laffen, 
fonbem  ben  eignen  Kinbem.  UeberaH  finben  n>ir  in  ben  Rec^tsqueHen, 
bag  über  bie  Derred^nung  biefes  (butes  Befttmmungen  nötig  merben. 
Ober  babei  bleibt  es  nic^t.  nian  beginnt  me^r  unb  me^r  über^upt 
nadj  Art  einer  (EnoerbsgefcHfc^aftmit  gefonbertem  „Konto"  für  bie  einsei- 
nen „(Teilhaber"  3U  rairtfc^aften^).  Der  6emeinbefi^  gilt  fd^Iieglic^  oft 
einfach  als  ein  llliteigentum,  aus  bem  bem  (Einseinen  -  au^  bem 
ermac^fenen  So^n  —  mit  feinem  „Anteil"  unter  gemiffen  Doraus* 
fe^ungen  ber  Austritt  geftattet  fein  muffe,  Sniljer  ober  fpäter  ift 
(ebenfalls  -  auc^  menn  biefe  le^tere  Auffaffung  nic^t  pegt  -  bie  fort» 
fd^reitenbe  (Eeilung  unb  Derkleinerung,  ber  Sieg  {(^lieglic^  ber  „Klein- 
familie", n>ie  tDtr  fte  f^ute  kennen,  unoermeiblid}.    3n  i!)rem  Sc^og 


*)  3n  ben  bereits  gans  ^kapitaltftifdien''  f^ausgemetnfc^aften  ber  tta* 
ltent{d)en  Kaufmannsfamtlien  bt%  ITXittelalters  toirb  ben  (Einaelnen  nic^t  nur 
bas  mag  bes  «(Eafc^engelbes",  fonbem  3.  B.  aud)  bie  3aI)I  ber  Bekannten 
unb  Denoanbten,  bie  fie  als  £ogicrbeftt<^  einlaben  bfirfen.  sugemeffen. 


H   «Ergebnis. 


67 


itr6  jo  nodf  l)<ute  der  Regel  nad)  „Itommunliti[<l)"  gtiotrt|d)aftet, 
o^n»  ju  ..redjnfn",  Sie  aI|o  blieb  auf  b\t\t  Art  am  (e^ten  (Enöe  bie 
normale  Irakerin  bts  (Eigentums.  Die  alte  (Bebunöent^eil  bes  Be- 
^^  in  6er  tjausgemeiniftiafl  erhält  fid]  am  längften  am  Arunb  unb 
Boben:  ba  mtift  blc  polittjd)(n  prii(t]ten  un6  bomtt  bie  (ojialc  Position 
on  Ujn  gehnüpft  ift,  erfjalten  (idj  lIin[pTud)sied)te  eines  beftimmten 
Kreifes  oon  Dermanblen  gegen  |eine  Ueräugerung  an  Drilte.  Aber 
btt  reale  Bebeutung  bicier  Sd)ranlie  tinftt.  unb  |d)liegli(lt  ict)U)inb(l  fie 
qaiq.  Unb  indem  nun  5uglei(i)  aud^  bie  äl)nli<f}en  Hetzte  bei  giögeien 
0<mein(d)aften:  bes  Dorfes,  bei  tnarttgenonenfi^aflen  u.  |.  m.  immer 
oeiter  jurüdilieten,  honsentiieit  (id)  (o  in  einem  langen  projcf]  bos 
.(Eigentum'  in  ber  Ijanb  bes  Eeiters  biefer  nunmelfi  hleinllen  Seile. 
Diefer  £eiler  ift  ber  dt/emann  unb  Daler,  unb  fonnel1'ied)tlic^  ttomml 
in  ber  dat  alfo  it]m,  bei  ja  ui|prünglid}  ebenfalls  unter  bie 
SetDoIl  bes  0)bert)au))ls  ber  (Sro^famtlie  gebeugt  voax.  biefe  ganje. 
siele  Ja^itaufenbe  bauernbe  Untiuidilung  in  erfter  tinJt  3ugule. 

An  biefe  (Enlmitftlung,  bie  mir  in  it^rem  i)bd)ft  Der|d)iebenarligen 
Drrlouf  uns  fpäfer  an  einjelnen  Beifpielen  gelegentlidf  nodj  toerben 
D(ran[<^ulii^en  können,  ^eftet  fid)  nun  bie  (T^otie,  ba^  .bie  lEnt* 
ftrlinng  bes  Eigentums"  ober  präjiftr  formuliert:  bie  (Entfleijung  bes 
inMüibucDtn  Prinateigentums  bes  \kiIct  r^milias  an  uDen  piinaten 
Be^objekten,  nor  allem  an  Hirunb  unb  Boben,  aud)  bie  5  tan  erft 
jum  (Eigentum  bes  lITannes  gemad]!  traben,  tDätjienb  in  ber  im 
(otwn  angenommenen  Sinn)  agrarliommuniftlfd)en,  ber  glfl(hlid}en,  Seil 
bas  Derl]ällnls  ber  (Ütfd)led)tcr  ein  .total  Der|d)iebenes"  geircien  fei. 
IDeber  bei  eine  nodj  ber  anbere  Sa^  hann  aufred)t  eii)alten  verben. 
n>ir  l^bcn  fiiitfer  gelegen,  ba^  alleibings  in  ben  Säuen,  ido  Dater* 
nifi  als  bas  Dorred)t  einer  t^eirenttloffe  gegen  bas  lllutterredrt 
ber  nialfen  fit^  buit^fegt,  bies  oft  neifmiipfl  ift  mit  einer  Sei- 
Ictiuig  bes  KoaeWinismus  bei  fogen.  .niebeien  fldieibauer'.  Aber 
eüterfdls  ift  bies  -  t»ie  m'vt  immer  niieber  feljen  -  ganj  unb 
$01  nidjt  ber  generelle  tßang  ber  lEnlniidilung,  neil  I.  bie  multer* 
re^UJdrc  (Rrgonifation  nidft  einmal  allen  .nieberen  fldierbauem' 
eignet,  nod^  nieniger  aber  2.  bie  fpe}tfitdre  )iüUehtiiii|Hid)e  drt  bes 
flAeibau»,  bie  oielen  —  nidjt  allen  -  lHutterrec^tsDÖIhem  eignet, 
ein  aUgemeines  Duri^gangsftabium  aEer  ift  Bor  allem  aber  ift  baran 
]U  erinnern,  bog  ber  Kampf  ]isi|d^en  Baleiied)!  unb  muiten«^! 
nelmädtg  jioifi^n  mel)reicn  iKemelnfdraften,  Dorf-  unb 


68         primitioe  (Sefc^Iec^tsoerbinbungen  unb  legitime  €^e. 

I}ausgemeinf(^aften  abfpielt  unb  bie  S^^9^  <^Ifo  nur  ift,  3u  mtli^fx 
biefer  6emeinf(^aften  bie  ßrau  gehört.  €r  liegt  -  q)o  nic^t 
mobeme  Kultureinflüffe  ^ineinfpielen  —  regelmäßig  gan3  fenfeits  bei 
(EnttDicblung  einer  Klein  f amilie  im  mobemen  Sinn  als  (Crögerin  bes 
„Eigentums". 

Die  5^öw  ift  aber  nirgenbs  berart  oerftnec^tet  roie  grabe 
bort,  n)o  noii  bis  in  bie  6egenn)art  hinein  bie  I}ausgemein{c^aft  bet 
6rogfamiIie  bie  AIIgemein'5orm  bes  länblic^en  IDirtfc^aftsbetriebs 
bilbet:  3n  ben  böuerlic^en  5<^^ili^n^i^f<4<^ften  ber  fIaoif(^ 
Oölfter,  ber  rufftfc^en  (Brogfamilie  unb  ber  fübflaoifc^en  Sabruga 
(f}auskommunion).  3^re  Refte  befte^en  noc^  je^  unb  namentlich  bie 
ruffif(^e  6rogfamiIie  liefert  ein  oorjüglic^es  Beobac^tungsmaterial. 
3^re  ökonomif(^*(^ara6teriftif(^en  IHerbmale,  oom  Stanbpunftt  bes 
€in3elinbit)ibuums  aus  betrachtet,  ftimmen  mit  benen  ber  bommum* 
{tifc^  n)irt|(^aftenben  Dern)anbtf(4aftsgnq}pen  primitiver  Oölfter  oöllig 
überein.  Die  einseinen  5<^^^Ii^n9li^^^^  befi^en  als  Sonbereigentum 
nur  Kleibung,  Sc^mucb  unb  IDaffen.  Alles  anbere  gehört  ber  6emein« 
fc^aft.  Auc^  mas  ber  Cinselne  ausn)ärts  oerbient,  mug  er  an  bas 
5amilien^aiq}t  abliefern,  bem  jeber  ni(^t  nur  in  [einer  Arbeit,  (onbem 
in  feiner  gansen  £ebensfü^rung  untergeorbnet  ift.  3.  B.  merben 
n)eber  Sö^ne  noc^  (Cöc^ter  gefragt,  wenn  es  ft(^  um  i^re  Oer^eiratung 
^anbelt.  Sie  n)irb  von  ber  alteren  Generation  lebiglic^  im  allgemeinen 
Gefc^öftsintereffe  ber  (Bemeinfc^aft  betrieben.  f}albn)ü(^fige  Burfc^en 
toerben  ^äufig  mit  alteren  Itlöbc^en  t)erkiq}pelt,  n)eil  biefe  als  Arbeits« 
6röfte  für  bie  Adterbefteüung  größeren  nu^n)ert  ^aben.  Das  5amilien« 
^aupt  benixt  femer  bei  ber  IDa^I  ber  S(^n)iegertö(^ter  Dor  allem  an 
fic^.  SoiDo^I  bei  ben  fübflaoifc^en  Oölftern,  n)ie  in  noc^  fc^amloferer 
IDeife  bei  ben  ruffifc^en  Bauern,  übt  ber  pater  familias  6efc^Ie(^ts> 
Derfee^r  mit  feiner  Schwiegertochter.  3n  ben  Kreifen  biefer  Bauern 
gilt  bie  $rau  als  DöIIig  untergeorbnetes  Sefc^öpf,  „bas  ^öufig  oiel 
fc^Iec^ter  als  bas  f}austier  be^anbelt  wirb'*  ^).  €ine  tfc^ec^if^  5ormeI 
„bas  IDeib  ift  bes  ÜTannes  (Befangener"  c^araftterifiert  i^re  £age  am 
beften.  Sie  „minbeftens  einmal  imlTlonat  braun  unb  blau  3U  f erlagen", 
gilt  als  Pflicht  jebes  Seemannes,  ber  ben  Anfc^ein  eines  Pantoffel- 
gelben  Dermeiben  n)tll. 

3n  ben  ruffifc^en  (Brogfamilien  wax  i^re  £age  wenn  möglich  noc^ 
unerträglicher  als  in  ben  fübflauifc^en  f}aus6ommunionen.   Bis  in  bas 

')  Dgl.  bas  unter  „Citeratur"'  3itierte  Buc^  von  Simkf^oiDitfc^  S.  359. 


H   Crgebnts. 


69 


.  Sa^rtfuntieTt  muröe  tt)ie  nii^t)an6lung  l]iei  uon  btt  grUif)i|<f}' 
orti}o6ofcn  Kirctje  pofitiD  geforöert.  -  (lin  ju  til«Itr  Seit  üon  B\\<ifo\ 
SijlDcftfr  Dcrfo^tet,  ctliijrfi-religiöler  tDegroeljcT.  fccr  .Domoltroj",  madjt 
es  öem  mann  öireht  3«  (ittlirffen  Pflitfl',  Stou  unö  Kinöer  mit  btt 
Knute  5U  .beletjten".  -  Hefte  bieles  (brabes  Don  Patitardiallsmus 
l}aben  fld)  bis  t)euli!  in  ben  bäueTlldjen  «Brogfamtlien  Kurlands  er- 
ffaictn,  obmotfl  bns  mo^CTnc  offi3kl[c  Tuifi|c^c  (Eberectft  nom  3at)ie 
1832  -  ein  tDerk  ed|t  Itbeialen  (£ei(les  -  bie  Srou,  tuie  wir  jpätet 
feigen  merben,  auf  eine  Stufe  bet  Selbftänbtgfteit  fteüt,  bie  it^r  bie 
metrrjat^I  ber  neueren  (befefigebungen,  j.  B.  aud)  uufeT  eigenes  bürget* 
Ui^cs  n<cl)t,  »Tlogt.  Aber  bies  mobernt  {[{ered)!  erfaJit  bt5t)ci 
in  Kuglanb.  mi«  mit  fe^n  roerben,  nur  bie  au^eri^alb  bcc 
Bauemgemeinben  Stet)enben.  bas  finb  bie  PriDateigentümer 
ldRblid|(n  freien  (trunbbeflltes,  unb  bie  ftablifd^r  DeDöIlierung.  Die 
lonnniinifH{d)en  Bauemgemeinben  ^aben  fI)Te  eigene  i£eri<()l$barfcclt, 
bie  nod}  nad)  ungelttiriebenen  überlteferten  6eiD0l)nt;citsTcd)ten  Der- 
fät)iL  3ui  3IIuftration  iljrer  Praxis  möge  nur  foigenber  So"  <nt$ 
Diiitor  fyiins  logebutt)  cus  bem  3at(re  1H57-76  jitieit  roeiben: 
.Cin  Datei  Magte  feinen  Soi]n  unet^rcibietigen  Benet)mcns  an.  Per 
Sotfn  teditferttgte  fic^  unb  bie  Unteifud)ung  ergab  Dielmel]!,  bag  bei 
Dattt  ben  Sot)n  bebrüdit  unb  lieblos  bel)anbelt  tfabe.  Pie  Rti^tei 
(Bourrngetid)!)  tvartn  fn  Derlegentteit.  Sie  berieten  eint  l^albe  Stunbe, 
•i}Nt  junt  Sd)Iuf|  hommen  5U  können.  Cnblid;  trat  ein  (Eicts  auf 
Mb  fo^te:  „^reunbe,  er  ift  bei  Datei,  er  mu^  bas  beffei  miffen.' 
flUe  Itittimlen  it)m  bei  unb  ber  Sot)n  trt^ieU  bie  Rutenfirafe  megen 
llncl)Terbietlgitcit'). 

And)  innerhalb  «in«  hommuntftifd)en,  genoffenfd)aftlld)  probujie* 
icnben  tD(rtfdrafiseinI)ett  Itann  alfo  bas  flutorilätsprin5ip  ioId)e  Srü^tc 
jeltfgen,  jo  es  mufi  fie  jetügen,  benn  nur  bie  ftiafffte  Disjiplin  garon- 
ticrt  ja  iritt,  ido  bas  ö)ionoml|d)t  Selb|tlnteicffe  feblt,  bie  Ribeils* 
Iriftung  im  Pienfte  bei  (Bemeinfdrafl.  3n  benjenigen  Rusnatintefätlen, 
BW  beim  lobe  bes  paur  familixv  in  foldjen  n))rtf4<iftsgtmcin|d)aften 
keine  eniKK^Ienen  männltdien  5<imiItcRgItebei  ba  finb,  gef)l  bie  fiaus- 
gtnalt  unter  llrnftänben  aud^  -  vir  toerben  (päter  fe^tn,  aus  metdien 
(Bifinben  -  einmal  auf  bie  ältefle  S ''  <i  >■  ^^"-  ^1"^  eben)«  n>le 
Me  ge[egentltd)e  9ulaffung  ber  Si^ou  jui  <Erbfd]aft  an  ber  Krone 
krineflei  Bcbeutung  für  bie  fojlale  Stellung  bei  <be|aml4eit  ber 
Q.  o.  (D.  S.  37D. 


70         primitioe  (Sefc^lec^tsDerbinbungen  unb  legitime  €^. 

Stauen  3U  ^aben  pflegt,  bebeutet  ^ier  bie  gelegentliche  Qerrfc^oft 
einer  5^^^  in  ber  IDirtfc^aft  ni(^t  bas  geringfte  für  bie  allgemeine 
Stellung  ber  (Ehefrauen  gegenüber  i^ren  (Ehemännern.  3^re  Der« 
Imec^tung  bleibt  genau  biefelbe.  Ueberbies  seigen  Beifpiele,  bag  ber 
Befi^  unbefc^rönftter  Autorität  bie  5^^^  genau  fo  brutal  toie  ben 
mann  machen  kann.  (Ein  mobemer  ruffifc^er  Sorfc^er  berichtet,  ba\i 
ein  fol(^es  toeiblic^es  5<i^ili^n^aiq}t  i^ren  So^n,  „toeil  biefer  feine 
$rau  über  beren  {(^lec^te  Be^anblung  feitens  ber  patriorc^in  ^eimlic^ 
tröftete:  jene  fei  alt  unb  belle  auf  {eben  unb  fie,  bie  junge  5rau,  folle 
fi(^  baraus  nichts  machen",  Don  ber  5<^^Ui^ngemeinf(^aft  3U  (Eobe 
prügeln  lieg,  unb  niemanb  i^re  Berechtigung  ^iersu  in  Obrebe  3U 
ftellen  toagte.  Unter  ausbrücblic^er  Anerkennung  berfetben,  baten  bie 
älteften  ITlitglieber  ber  (Brogfamilie  bie  gekrankte  patriarc^in  auf  ben 
Knieen  um  6nabe,  aber  oergebens.  Der  So^n  tourbe  3U  (Eobe  ge« 
prügelt 0-  Diefer  5^11  ^i^ft  3uglei(^  ein  £i(^t  auf  bas,  toas  ber 
jungen  $xau  unter  Umftänben  toartete,  toenn  fie  in  eine  berartige 
I}ausgemeinf(^aft  einheiratete. 

3n  ben  flaoifc^en  £änbern  toar  es  benn  au(^  niemanb  anbers 
als  grabe  bie  5^<^uen,  toelc^e  3ur  befc^leunigten  Auflöfung  ber 
kommuniftif(^en  I}ausgemeinf(^aften  in  Sonberfamilien  brongten,  fo* 
balb  ber  fteigenbe  3nbioibualismus  unb  bie  Ausbreitung  ber  Oerke^rs« 
toirtfc^aft  anii  auf  bem  £anbe  i^r  3erftörungsn)erk  begonnen  Ratten. 
3n  ben  amtlichen  (Erhebungen  über  bie  Suna^me  ber  rufftfc^en 
$amilienteilungen  aus  bem  3(i^te  1872  wirb  als  beren  erfte  Urfa^ 
t)er3ei(^net:  „Die  Stauen  leben  ft(^  ni(^t  ein  unb  belegen  bie  männer 
3ur  Samilienteilung.''  Der  pfpc^ologifc^e  (Brunb  bafür  liegt  ja  auf 
ber  I}anb.  Oer^eiraten  fie  fi(^  in  bie  I}auskommunion  i^res  ITlannes, 
fo  unterfte^en  fie  ni(^t  nur  feiner,  fonbem  au(^  bem  no6\  unfanfteren 
Regiment  feiner  gan3en  Sippfc^aft,  oor  allem  feiner  €ltem^).  (Es  ift 
klar,  bog  im  allgemeinen  bie  f}errf(^aft  eines  ein3elnen  unb  3tDar  bes 

»)  Q.  a.  ©.  S.  364. 

^  Was  il^rer  oft  beim  (Eintritt  in  bie  f)auskommumon  il)res  €I)emanns 
mattete,  f(^iI6ert  pla{tif(^  ein  Dolkslteboers:  „ITIan  lägt  mxä)  einen  Dumm* 
köpf  I)eiraten,  einen  Dummkopf  mit  3aI)Irei(^er  Samtlie  —  0,  0,  0,  0  id) 
Anne!  —  einen  Dummkopf  mit  einem  Dater  unb  einer  ITIutter  unb  mit  vier 
Brübem  —  0,  0  t(^  Arme!  —  ITIein  Sc^iDtegeroater  mtrb  fagen:  Da  kommt 
eine  Bärin,  —  meine  Sc^roiegermutter  roirb  fagen:  6a  kommt  eine  ^arftige; 
meine  Sc^vagerinnen  roerben  f (freien:  ba  kommt  eine  ITIfigiggängerin  — 
meine  Sd^rofiger  rufen:  6a  kommt  eine  Bosl^afte.        O,  0,  0,  0,  id)  Arme!" 


II.  (Ergebnis. 

tijeun,  Ipesicil  an  fic  attad)ietteii  unb  auf  fte  angemitfentn  Dlannts 
hl  6er  SoRfrerfumKie  einen  mell  geringeren  t>rudt  auf  fle  ausQM  unft 
bo^  il)r  bit  Selb|tbctfauptung  tt^rrtn  eigenen  (Effcinann  gegenüber,  6cr 
Ufi  bodf  tticnigltens  möglidfeiweiic  bmdei  Ileigiing  Derbunben  i{t,  leidjtei 
osirA,  ab  gegenüber  jeiner  Dermanöttdjaft.  2t)x  eigenes  3nterene 
Itrtbl  al|o  minbejtens  ebenjo  Itorh  5ui  SnbiDibualifierung  tm 
(tscntums,  unö  jur  Dereinjeiung  mit  t[)Tem  (batten,  n>ie  bas  bts 
mannes.  Hun  liegt  in  ber  Sinnianö  nai)e,  bog  bie  S'"^u  in  ber 
groften  ^ausgemeinidjaft  nur  bann  cerknedrteler  roar,  als  in  ber 
patTtaid^ltn  Kleinfamilic,  nxnn  jle  burd)  bie  dijt  jur  ijausgemetn* 
Idtaft  öes  Blannes  l]iniibergejogen  mürbe,  bafe  |ie  bagegen  bort  ge- 
l4Agter  unb  (elb|tänbiger  als  in  ber  Sonberfornilie  blieb,  roenn  ber 
mann  ja  ifjr  fiberfiebelle  ober  |ie  gar  »on  [einer  eigenen  lI)ol;nung 
afu  nur  gelegentlid)  befud;!«.  -  (Es  barf  geni^  im  flni(f]Iu^  an  früf)er 
rraü^te B«i|piele  als  generell  rld)ligongenommenaerben,  ba^  bieScou 
ba,  DO  |ie  bei  ilfrer  eigenen  Derajanbljctiaft  blieb,  ie;uell  unabt)ängt- 
gcr  gtttctlt  sior,  als  nad;  it|rtm  Eintritt  in  bie  niannes|lppe.  (Ob  aber 
im  äbrigen  tDirhlidf  generell  btc  ificiDall  ber  eigenen  Sippengenoüen 
über  r»  objchtiD  unb  jubjetitiD  fünfter  a)ar  als  bie  ibres  ITIannes, 
btr  innetl^alb  ielner  Sippe  bod)  im  aügemtinen  ju  i  ^  r  gel)Qlten  l)abm 
Dirb,  bas  bürfle  mo^l  mit  einem  $ragejeict)en  3u  Dtr|et)cn  jein. 

tDos  aber  »orlte^enb  an  bet  l)anb  nodj  .lebenbtr"  Bei|piele 
t)inMnglitt)  beulUd)  eibannl  toerben  itanii,  i]t  bod)  motfl  bie  Satfactfe, 
bofi  ber  DTangel  an  inbioibuellem  Prioateigcntum,  unb  bas  l^orljanben- 
|ebi  bes  .Kommunismus"  idtledrtcrbings  nirfft  an  fidi  geeignet  war, 
ber  Srau  eine  günilige  faliti|d;f  Stellung  3U  D<r|d)affen.  (Erabe 
b(T  Bc|i^  inbimbuellen  prinateigentums  aud]  burd;  bie  $rau  gab 
Di<lmct)r  ~  natürlid)  nur,  atenn  |ie  eben  im  tionlireten  5all  tlo?as 
.beia^-  -  ben  a)id)tigitrn  llnlag.  bie  ab|oIutt  tDillhür  bes  alten 
Patriard)alismus  buid)  .(Et;eDertrag'  }u  bredjen.  Die  .legitime" 
C^efrau  i{t  rtgelmäfiig  eine  S^ou.  bie  etnos  beleffen  t^at  unb  ebtn 
bcsljalb  -  |elb|l  ober  burd;  ben  Illunb  it)rei  (Ben>aUl)aber  -  ben 
mann  nötigen  konnte,  \i)U  Bebtngungen  beim  «E^efd^Iu^  ju  ahjepttnen. 

Damit  tjoben  irir  audf  |d}on  ben  3rrtum  ber  3.  f;aupttl)t|e  jener 
lojuiliitil^en  Cntmidilungsttjeorie  geltretft:  Daft  bas  priDatelgentum 
bie  Kn<d)tung  bet  5rau  „bc|icgell"  ^abe.  roeil  bet  111  ann,  um 
bafflt  legitime  Crben  ]u  gemtnncn,  bie  5rau  in 
6as  3od|  ber  monogamen  lEl)*  unb  ber  auf  i^i  bcrui}cnb«n 


k 


72         primittDC  (Befc^Iec^tsDcrbinbungen  unb  legitime  €^e. 

Kleinfamilie  gefpannt  ^abe.  (Betoig  Konnte  ber  Begriff  ber  .»legi- 
timit&t",  b.  ^.  ber  für  btn  Oater  rec^tsDerbinblic^en  Abftarnmung 
eines  Kinbes  nur  auf  bem  Boben  eines  Rechts  entfte^en,  toelc^es,  mie 
bas  „Oaterrec^t",  bie  Kinber  als  minbeftens  auc^  bem  Oater  oet* 
manbt  anfa^.  Unb  gemig  gemann  bas  Crbrec^t  ber  Kinber  Bebeutung 
erft  mit  fortfc^reitenber  €nttDidtIung  bes  Eigentums  unb  {einen  ^eu' 
tigen  Sinn  erft  auf  bem  Boben  ber  Kleinfamilie.  Hur  fotoeit  es  ettoas 
3U  Dererben  gibt,  toirb  eben  bie  5tage  toic^tig,  an  toen  fic^  bie  Kinber 
mit  i^ren  (Erbanfprüc^en  toenben  können.  Sie,  bie  Kinber,  finb  es 
bann,  burc^  toelc^e  ober  in  beren  3ntere{fe  bie  „legittmitäts^'S^oge  in 
erfter  £inie  aufgeworfen  mirb.  Dagegen  ffat  Don  ben  €ttem  unter 
n){rtf(^aftli(^en  (Befic^tspunfcten  natürlich  ni(^t  fotoo^I  ber  mann  als 
oielme^r  grabe  bie  5^^^  ober,  in  i^rer  Oertretung,  i^re  Sippe,  ein 
3ntere{fe  baran,  bog  fc^on  bei  lebseiten  bes  IRannes  burc^  irgenb 
w^^6\^  nterftmale  ftonftatiert  merbe,  ba^  i  ^  r  e  Kinber  unb  ni(^t  bie 
irgenb  einer  anbren  $rau,  mit  ber  ber  Iltann  (Bef(^Ie(^tsDerfce^r  pflegt, 
feine  Ceibeserben  fein  [ollen.  Das  ge|(^ie^t  aber  baburc^,  bag  bie 
$amUie  ber  $rau  biefe  nur  na(^  Beobachtung  beftimmter  Formalitäten 

-  eben  benen  ber  „legitimen"  €^ef(^Iiegung  -  i^m  Eingibt.  f}at 
fic^  ber  ntann  biefen  5ormaIit&ten  untertoorfen,  fo  beftunbet  er  bamit 

-  bas  ift  ja  ber  Sinn  bes  burc^gefii^rten  Cegitimitätsprinsips  —  bag 
bie  oon  biefer  beftimmten  5^^^  geborenen  Kinbem  unb  keine  an« 
beren  erbberechtigt  an  feiner  f}abe  fein  follen.  €s  liegt  boc^  auf 
ber  f}anb,  ba%  jebe  $rau,  bie  fi(^  einem  mann  Eingab,  um  ber  5u* 
ftunft  i^rer  Kinber  ebenfogut  n)ie  um  ber  Sicherung  i^rer  eigenen 
Stellung  gegenüber  ettoaigen  Konkubinen  bes  mannes  toillen,  i^rer« 
feits  na(^  ber  Sicherung  ber  „£egitimitat"  i^rer  Kinber  trachten  mugte. 
Dagegen  konnte  es  bem  manne  -  rein  n)irtf(^aftli(^  -  boi)  siemlic^ 
gleichgültig  fein,  meiere  Don  feinen  Sprößlingen  nac^  feinem  ([obe 
fein  Eigentum  ertoarben.  Unb  mir  merben  uns  balb  überseugen,  baß 
bem  tatföc^Iic^  au(^  bei  ben  alten  Kulturoölkem  fo  mar.  Das  3ntere{fe 
bes  Oaters  an  einem  „(Erben"  ^atte  sunöc^ft  gans  anbere  als  ökono* 
mifc^e,  namli(^  mefentlic^  religiöfe  IDurseln.  IDir  fa^en  fc^on,  toie  ber 
(Blaube,  ba^  ber  Kinberlofe,  bem  nad)  feinem  (Cobe  niemanb  opfert, 
im  3enfeits  ein  elenbes  £eben  ^abe,  ba5u  führen  mußte,  ein  3ntere{|e 
bes  Oaters  an  ber  f}erftellung  einer  R  e  (^  t  s  gemeinfc^aft  3tDif(^ 
fid)  unb  ben  Söhnen  3u  begrünben.  Unb  mir  merben  bei  €rörterung 
ber  ögt)ptif(^en  (E^e  uns  baoon  überseugen,  baß  bort  bie  „legitime" 


H.  (Ergebnis. 


73 


t  üfttm  äuftncn  Smedi  nad)  gar  ni(^ls  anberts  ift,  als  ein  Dnttag, 
'  iDtli^fn  btt  ntann  Ud}  die  dotcnopftr  \t\tens  btx  Kinber  6«c 
I  fid)rrt,  bit  S^au  aber  tt)i(n  Kinbecn  öie  (Erbfolge  in  bos  Der- 
t  bti  nianncs. 

3tii(  oben  jilitrte  PuIi)är'|o]Eali|ti{(t)e  III;t[e  I^at  uljo  alle  bic- 
Iniijtn  Satidtttrn  unbradjtet  geloffcn.  roeldje  jeigen,  ba^  grabe  bos 
3iiteren<  btx  5i(iii>  ebenfo  niie  auf  ber  3etleilung  ber  f)ausgemtin* 
(duften  in  Sonberf amilien ,  \o  auäf  auf  bie  €ntn)i(hlung  bes  legi' 
rimUiitsptin3tps  tjinbrängen  mufite.  Unb  iibeTbics  neridfleicTt  fle 
aud)  nod)  bir  llat|ad)f ,  bafi  bei  Sieg  ber  (E  i  n  e  1}  e  nid)t  bas  aller' 
minbefte  mit  ber  <£nt|tet)ung  bes  Privateigentums  unb  bem  tegttimt' 
lätsintere|{e  bes  Itlannes  311  tun  l]at,  jonbein  bas  Reiultal  eines 
KtiIIurpT05etfes  tfl,  ber  fid)  bei  ben  Der|d)iebentii  Dölheni  innerljalb 
gdnslid)  Derid)iebener  «Eigentumsfonnen,  bei  Dielen  fdjon  inner^Ib  ber 
fcontmuniftildren  l7au5gemeinidraflen,  burd^geietit  Ijat.  -  Um  legitime 
Ctben  3U  gewinnen,  braud^le  malirbaftlg  ber  Dlann  bie  niotiogamic 
ttl^t  ju  li^offen.  (Er  konnte  fid)  ja  bei  primitiven  Dölliern  faft  überall 
niel)rere  Si'Qi""'  o^f^  eine  S^au  unb  unge]ät)lte  Konhubinen,  häufen 
inib  ^Iten,  inenn  er  bie  mittel  baju  befa^.  Unb  er  konnte,  menn 
tlpi  in  biefn  t^inftd)!  Itcin  Dertrag  banb,  jebes  beliebige  .ef^tlidie" 
oia  .unetrelit^e"  Kinb  von  irgenb  einer  5rau,  an  ber  er  Higentums* 
t<d)le  eriDorben  ])CttU,  in  {ein  ^aus  aufnet;men  unb  -  aud)  gegen 
ben  IDillen  ber  tjausfrau  -  5U  jeinem  .legitimen  (Erben"  mad)en. 
Sribfl  nenn  eine  von  i^m  gehäufte  5rau  von  einem  anberen  Ittanne 
tili  Xhib  gebar,  konnte  er  hrafi  {einer  Redete  an  ibr  aui^  bieles  Kinb 
tttics  5<(t<^ben  als  fein  eigenes  betrad)ten.  Sd]on  o[)ne  Kenntnis  ber 
■*itRl)tn  JU  erniä^nenben  Belipiele,  miif{te  alio  unjer  eigenes  ITad)« 
Utnken  bei  objektivem  Abmägcn  alltr  In  Bctrad^t  hommenben  ITto* 
MKnte  uns  bie  Ueberjeugung  beibringen,  bog  überall  in  allcrerfter 
■  Gnie  bas  von  ü^rer  Samifie  vertretene,  3ntcreffe  ber  Sio"'«  unb 
Kinbet,  nii^t  aber  bas  bes  tTtannes,  jur  (Einet)«  unb  jur  ,£egitlmitdt* 
gcbtdngt  ^aben. 

IDtnn  ivir  nun  als  t1b(d)Iu6  biefer  tl)eoreti[d)m  CtÖrterung  ]u> 
famnienfaflcnb  ju  fragen  Dcr|ud)en ,  n>ie  unb  m  a  n  n  ~  nid^t  im 
d)t«iiologifd)en,  fonbern  tm  tntroidtlungsgeicbid]tlid)en  Sinn  -  bie  iEi}e 
.entftanben*  ift,  (o  muffen  tvir  babei  berüdifid)tigen,  ba^  .Cbe'  ein 
btt  I}euligen  (ojialen  (J)ibnuiig  angebörlger  t)  ■  H  <■  t  >  i  (^  c  t  Begriff 
IfL  QHi  kdnnen  alio  bei  ber  Beantnwrtung  jener  fragen  nut  von  bein 


74 


Primitioe  (Se((i)Ied}tsDeibiniiuitgen  unb  legitime  Stje. 


aijsgel)en,  was  []eute  unter  (EI)e  Detftaiiöen  mirb.  Unb  es  3ei9t  fid^ 
bann,  ba^  6Jes  (bebilbe  aus  ganj  Dec|d]iebeneu  UTerhinalen  jufammen' 
ge{egt  ifl,  bk  auf  primitioen  Kulturftufen  lietnesniegs  gleict)3eitig 
Dortjanöen  unb  enljlanöeit  jinö.  3e  nad)öeiTi,  roeldfes  bie\tx  oei- 
id)iebeiien  üTerfemale,  öie  öen  3uf)alt  unjeres  4l)ebegnffs  bilben, 
nun  als  6as  eiitjdjeiöenöe  betrad|ten,  roirö  fid)  öie  Jrage,  mann  „Ulje" 
Dorliegt  unö  tooburd)  fie  Gnt{tanöen  i|t,  Der|ci)iebeii  beantm orten.  (btl}tn 
mir  oom  dijpus  bn  Slje  luejteuropäiidier  unb  ameri&anifdiet  KultUT- 
DÖltter  aus,  ]o  ftetfen  folgenöe  Itterlimale  im  Dotbctgrunbe:  1.  Sie 
fdjafft  als  nortnalform  bes  3ufainmenlebens  bie  Klein  familie,  bie 
(Bemeinidiaft  von  IHonn,  Stau  unb  Kinöern.  Dieje,  l}euie  bie  Solge 
bes  pncatetgentums  unb  bei  inbiDibnaliftifi^en  IDirt|ci)aft,  finbet  fii^ 
aud)  [<^on  bei  öen  ailerptimitiolten  uns  behannlen,  nämlid)  ben  (og. 
niebeien  3ägeTt}öIkern.  2.  Bas  3u|ainmenmol]nen  ber  C&atten  beim 
manne  mit  beiberjeitigem  flntedjt  auf  Eebensgemcinfc^aft,  bie  lieinet, 
folange  bie  <Et)e  beftet)t,  gegen  ben  tDiIIen  bes  anbeten  auft)eben  hann 
unb  infolgebeffen  mangelnbe  S^ijügiflhf't  ber  ttjefrau.  Bei  ben 
primitioflen  Dölftem  ijt  öies  legtere  ebenfalls  bie  [elbftDeritänblidfe 
Koulequenj  jeber  gel(t|te(^tlid}en  Derbinbung,  bie  über  ben  bloßen 
Begottungsaht  l^inaus  bauern  ioll.  Die  Srau  ijl  bann  „Sadie",  flud) 
bei  bm  übermiegenb  naä]  inuttened)t  lebenben  Pölliein  mangelt  fte 
ber  Srcu  Ijäufig  unö  jwar  immer  bann,  roenn  bie  5rau  geltouft  i(I 
ober  ber  ItTann  |ie  in  it)rer  E)ausgemein[d]äft  abueibient.  Alleinige 
ITorm  ifl  ber  IDoI)n3a)ang  ber  Srau  beim  manne  bei  jeber  Sorm  bes 
faiiti|d)en  ober  reditlid^en  PatriaTd}aIismus.  Dagegen  ift  er  nic^t  eifl 
öie  Honfequenj  öcr  priöateigentumsotbnung ,  [onöcrn  gilt  etft  tedjt 
für  öie  kommuniftifd}  mirtfc^aftenben  fjausgemeinfd)aften. 

3.  kommt  für  unteren  Begriff  ber  (Et|e  itjre  prinzipielle  UnlÖslid)' 
keit  hl  Betracht,  b.  tf.  bie  Satfadje,  bag  bcibe  (I>alten  it^re  Bejiefjinig 
nidft  gcunblos  unb  md}t  obne  3uflimmung  bes  Ri<t)lcrs  aufi)eben 
können.  Diefes  merhmal  fclfit  ben  Derbiubungen  ber  llatur-  unb 
aud)  benen  ber  alten  KuItuTDÖlbet.  Urfprünglic^  ift  bem  mann 
überall  bie  beliebige  £ö|ung  jeber  (!>ef(^lei!)tsbejiel)ung ,  fomotrl  beim 
mattet'  ttiie  beim  Datcrredft,  anf)eimge[tellt.  6eiDiffe  S<I)Tanken 
roerben  it)m  erft  burd]  ben  formellen  Derttag  mit  bei  Sippe  bet  S'cau 
gefegt.  Dagegen  kann  bie  Srau  bei  Bina-Sl)«  mit  mutterredjt  bos 
Dcrtjältnis  meiftens,  menn  aud)  nidjt  ausnalimslos,  beliebig  löfen,  bei 
Befteljcn  ber  Oatergruppe    mit   muttertedjt  äunicilen.     Bei  potiiat* 


I 
I 

I 


A 


H  Cigebms. 


75 


Blii<f)eT  D(nDanöl|d)afts]ur«cfinunct  kann  fie  es  unter  getDiUen  Bf 
bingungen  erft  bann,  njenii  bie  legitinte  (Elje  buxi)  formellen  Der« 
iTOg  }iDi|<f)rn  tl]rer  Sippe  un6  (ein  lltann  hon{Htulcrt  ift,  fie  alfo 
nlt^t  mfl)r  iiui  Befi^objeftt  ifl,  tinö  Dermögen,  [ei  es  in  (Beftalt  einer 
ntilsifl,  |ei  es  in  (Eeflafl  öes  iljr  übeioiieienen  Brautprei]es ,  befi^t. 
Sic  mixb  Don  tljrer  Sippe  gefdjügt,  un6  bk  formelle  <£I}e|d]lie^un9  bxix^ 
Dtrttag  mit  6er  Sippe  ftcr  Jrau  bindet  öcinn  ben  Iltann  |ef(ec  an 
bie  Srau,  ti>äl)tenb  fie  bas  f^öiighettsDcrträltnts  ber  Stau  toenigflflis 
etmos  lodert.  Die  allgemeine  ptinjipielle  llnlöslit^keit  ber  lEtje 
füT  Stau  unb  niann,  au^ei  Im  $all  Don  Sd]ul6,  ift  |pätes  ptobuhl 
ganj  bcftlmmler,  religibjer  (Enttpidilungen. 

meTbinal  unfcres  t£f)cbegriffs  i|t  4. :  Die  Derpflldllung  bciber 
Ootten  3um  ousf(t)IiegIid)en  (Bcfd)Ied)tsDecfief)r  mit  tinanber.  -  Cinc 
Keufi^^itspflid)!  bei  $iau  gegenüber  bem  ITtaun  epflieit  aud)  bei  ein- 
3clnen  nü<!i  ntuHerred)!  lebenben  DÖIhern,  j.  B.  wirb  fie  von  bem 
3nbiancr|[amm  ber  dt^ippemat]  ausbrüAIidf  beridjlel.  flurf)  bie  po- 
lt}anbrie  ift  normalettoeife  „ctklufio",  benn  fie  bebeulet  (Eigentum 
metfrerec  lltänner  an  einer  $rau  (tibetaniid]e  polpanbrie),  nid;t  ober 
5reilf»it  ber  S^ou,  nadf  tf)rer  IDatjl  mil  beliebig  oielcu  nidnnern  5u 
oetkeljten:  bte  fog,  Ilaii'Poliianbrie  ifl  Seine  dtjeform.  <£ben(o  ift  ei- 
kluflD  bie  „(^ruppen-lEtfe",  in  ber  mel)rere  ^r*!""  gleid)jeittg  naif 
befliminttn  Regeln  mit  met^reren  be|limmten  Iltönnern,  iielnesiDegs 
aber  beliebig  mil  mcm  (ie  roollen,  oeriiefircn  können,  flnbererfeits 
fdfcint  fi(^  eine  fafttifd)e  -  nit^t  re(t}tltd)e  ~  fefuelle  Ungcbunben- 
t)eit  ber  Srau  unter  Umftänben  autf)  mit  ber  legitimen  Hft  nad) 
Dalerrett)!  3U  sertiagen,  mte  bte  oben  ermät^nten  Stubien  Don  Bobcn 
übet  altnorbtf^es  Redjt  leljren.  Die  ftrenge  Kcufd)[]eitspflld)t  ber 
5rou  bagegcn,  (Deiche  beim  primitioen  patriarii^altsmus  beftet|l,  ifl  bie 
Sotge  bes  Umftanbs,  öa§  bie  grau  burd|  Kauf  ein  (Eigentumsobjekl 
bes  ntanncs  geroorben  ift,  bas  nur  mit  feinet  Suftlmmung  anberen 
3Mr  Dcrfügung  ftet)en  kann. 

Die  Keufi!)t)eitspfli(f)t  ber  ITt  ä  b  (^  e  n  ift  uifprüngli^  ntd}t  Re- 
fuUal  flUlid^er  fln[il)auungen,  fonbem  bas  Ptobuht  ber  Dorftellung 
nirlfT,  aber  nfd)t  aller,  Dölker,  ba^  bie  3ungfTäuIid)keil  an  r><4  btn 
Rei3  b«  inäb<l)ens  für  ben  IRann  ettjötje.  IDo  immer  bie  H^ncc 
befleftt,  für  bte  lluberQ^Tte  eine  güntligere  (Eb'  unb  einen  t^^ren 
prris  ju  erzielen,  roirb  fie  -  gonj  gleid)  ob  lllulter-  ober  DatrrrtdrI 

■  bem  nidb(l)en  auferlegt.  Sexuelle  Be|(l)cänhungtn  be$  mannts 


76  primitiDC  tSefi^IeiiitSDerbinöungen  unö  (egitime  <EI}(. 

enoad)ten  bei  öen  meijtcn  primilioen  Dölhern  jtDor  nidft  aus  Rüdtfidft 
auf  bie  Srau,  root)!  aber  aus  öem  [trengen  Derbot  öes  (Beit^Iedfts- 
DeTKeifTs  mü  BIutsoetroonMen  aflct  (btabt,  unb  ferner  aus  der  Sutdjt 
DOr  der  Radje  ber  fremben  Sippe  bei  Derlegung  iljter  Redjte  an  i^ten 
tDeibItd)en  i1ngeI]ÖTigen. 

KeufdjtjeitS'  unb  Ureuepflictjt  um  i  Ij  r  e  r  ( e  1  b  ft  ro  i  U  e  n  ,  olfo 
als  fiHlic^es  poftulat,  ift  für  beiöe  ®e[d}le(i)tcr  crft  bas  Relultat  «H- 
giös-eltiiidjer  (Intmidilung.  Der  5rau  toirb  (ic  fi^on  [el)t  frül).  3.  B. 
\iton  burd)  bic  fejuol-etl)ili^cn  llonnen  oieler  aittilier  KuItuiDÖllieT, 
befonöets  ber  3ubeii,  ffiriedicn  unb  Römer  auferlegt.  Sür  bei»  Wann 
finbet  fie  fid)  im  flltettum,  aiie  mir  [efjen  roerben,  in  ber  isracKHIditn 
Religion,  unb  nad^  feinem  Dorbilb  aud)  im  35lam,  tneli^e  beibe  i^m 
jiuar  bie  polijgamie,  aber  im  pciiijip  nur  in  ber  Jorm  ber  feften 
lElje  gcftatten,  bagegcn  jeben  eI)e(o(en  {Bctd)led)tsocrfteljr  als  „tjurerei" 
ftreng  oerbiefen.  —  Rabiftale  Steigerung  ber  Keufdfljeitspflidit  jut 
Befd)ränltung  alles  (gefd)led)tSDerfiel)rs  auf  au5fd]licg(id]  monogame 
unb  baucrnbe  Bejiel]ungen  für  beibe  6ef^Ied)ter  Ijat  eift  bie  ftoifi^ 
P^Uofopt)te  unb  bas  dljriftcntum  erftrebt.   - 

5.  gel}ört  jum  Begriff  unferer  Ctje  nod)  immer  bie  Besorreditung 
bes  ntanncs  in  ber  Sumilie.  Sie  t|t  bei  ben  pttmitioften  Pöl&em 
am  {d)ran6enIofe|ten  entmidieU:  bie  IHannesgetralt  b.  I).  bie  Qertfd^tt 
bei  männer  über  bie  grauen  unb  beren  fjörigtteit  ijt  bort  bie  RegeL 
Rud)  bei  niutterred)t  Kann  btt  Itlann  gan3  im  Ijeutigen  Sinn  t)err 
fetner  Smu  fein.  ™it  ber  er  sufammenlebt.  Bei  Paterre(^l  mit  bei 
ITlutterrcdjt  ift  femer  bie  RlannsgeroaTt  nidfl  ibentifd)  mit  ber  <btTDalt 
bes  €I)emanns,  wenn  bie  Samilie  meljrete  ©enerotionen  umfaßt  unb 
unter  ber  I^errfdiaft  eines  Patriarchen  |tel)t.  Be|lel)1  eine  betartige 
fiausgemeintd^aft  aus  Rlutlergtuppen,  fo  roerbeti  bie  grauen  DOn  iljren 
eigenen  männlid^en  Sippengenoffen  beljerrfdit,  bcftcf]t  [it  aus  Dater« 
giuppen,  bonn  aubcr  oon  iljrem  (Batlen  nod)  oon  ifirem  Sdivteger- 
»ater. 

Die  t)eule  nod)  bei  ben  KulturDölhem  beileljenben  ge|et|li(ircn 
DoTTed)te  bes  Sljemanns  unb  Daters  in  ber  5amllie  finb  öle  legten 
Rtfte  bes  primiliuen  patriarc^alismus,  monad)  ber  mann  fid)  urfprüng* 
Ild)  als  (Eigentümer  ber  $rau  unb  tt)rer  Kinber  betra^tetc. 

6.  kommt  f]eute  bas  iErbred)t  ber  Hinber  gegen  beibe  Cltem  als 
bcfonberes  Rlerfimal  für  unferen  Htfebegriff  in  Betrad)!.  Bei  primi> 
tllKl  Kultur   bebeulet  es  ntt^t  niel  met)r  als  bie  dugel](>rigiteit  b(T 


1 

I 


H.  trgebiils. 


77 


■  jnt  Ijousgemeinldiaft,  itjr  öaueniö«  flnred)!  auf  Unterlialt 
ral|CT  bfft^fit  fl(  es  ßbttall  cicgcn  bit  THuHn,  abtr  gegen 
n  Somilit  nur  bann,  loenn  (ie  jur  IIluttCTtippe  geI)ÖTfn.  Bei  doB 
fgtffltirleni  Patilaid)alUmus  ueierbt  bit  ITIutter  felblt  tieit  Kinbern 
nldits.  oufeer  etota  itjten  Kleiöent  unö  S(t)tnuAioi^en,  roeil  (ie  bt|)gIos 
i|l.  (Ein  Urbred)!  ber  Kinber  gegen  ben  t)a)er  unb  (eine  S«")'!'*  l[t 
urlprünglid)  baoon  abt^ängig,  ob  jie  [eine  tiausgenoHen  uiiö  augerbem 
eoentucU  nod}  baoon,  ob  iie  aui^  leine  DoTtgenoffen  jinb  unb  best)alb 
an  bn  Sclbgemein|d)aft  leil  Ijaben.   3ljrc  blofic  I)ausgtmeln|d)aft  mit 

mO(i«  genügt  3.  ß.  bei  Datergruppe  mit  multerred]!  nid|t. 

■       7.  getjöTl  t^eute  tnie  ber  Si^atten  3um  £i(t)t  bie  Unter|[f)eibung 

Hon  e!)elld)en  unb  une[)elid)en  Klnbern  jum  Begriff  ber  (E[)e.  Audf 
W  ben  primitiollen  Dölliern  be|tel)t  iiotfirUitf  ein  fahUldiet 
Uiiteif<l)ieö  in  ber  tage  berjenlgeti  Kinber,  öeren  Datcr  unbekannt 
ijt  imb  berienigen,  bie  (id)  ein  unter  3uicd)nel,  unb  aud)  bei  prinji' 
piellcRi  IHutterred]!  tDtrb  es  fahtif^  ffii  fie  nid)t  ganj  gleichgültig 
fem,  ob  ein  Dater  ba  ift,  bei  mit  für  fle  foigt  ober  ntd)!.  Ccben 
Dal«  unb  ntutter,  fei  es  bei  lt)T,  fei  es  bei  it^m,  jufummen,  jo  inerben 
|ie  eben  Öhonomifdt  meift  bcffer  Dccforgl  fein,  als  menn  |ie  oaterlos 
inmitten  ber  niütter1td}en  DeriDanbtfdgaft  auftDod^fen.  Ilui  flnb  bie 
,Dnel^lid)en~ ,  oalerlofen  Kinber  natürüd)  urfpT&ngltd)  niif)t  im  Reü^ts* 
ftnn  bthlalfiert  unb  ya>at,  mit  loir  |at]en,  bei  primitivem  patriardfa* 
Bsmus  -  toenn  ber  Dater  bekannt  mar  ~  ebenfomenig,  nie  bei 
dOgemeinei  lEeltung  bes  inntteaed)ts.  Beibe  Kennen  ben  Begriff  btt 
Cegltimität,  b.  t).  let^tlit^  gefid^erler  Dorjugsanfpiüdie  i>e|limml«r 
Kinber  gegen  bie  $amilie,  bas  Derrabgtn  unb  bie  üibldfoft  bcs 
Daten  nl^t.  Sin  Unter|<t)ieö  beiber  Solle  beftefjt  nur  barin.  ba^ 
btt  teinim  Itlulterredit ,  b.  I).  oÖDigem  SttfUn  eines  Reditsbantirs 
}iv4f(l)m  ben  <Eltern  ein  Unteifdfieb  In  bei  Ca^e  ber  von  bei  IHulter 
5Mr  n>elt  gebrad)tfn  Kinber  überl)aupt  ni(i)l  honftruirrbar  ift,  tpä^ 
renb  ber  leine  patrlard^nlismus  alle  oon  5''iu<n  (SManinnen,  ge< 
raubten  ober  gehäuften  ,*atlinnen'},  bie  ein  lllonn  befiel,  ge- 
borenen Ktnbei  g  I  e  i  d)  bel)anbelt,  inbem  er  lt]r  Sd)idi|al  in  bas 
BeHeben  bes  Befit^ers  ber  mutier  Itellt.  bos  Sdjidtjal  bes  Kinbes 
einer  f)au3tod)lei  aber,  bie  Etetnem  Blann  .gehört",  Dem  Belieben  i^rer 
eignen  Sippe  überlief:  biefe  testeten  Kinber  aljo  ftnb  ebenfo  redttlos 
Bit  bie   anbren.  nur  i(t  itjre  Re*tIofiglieit  jugleirfi  fahtifdje  .Datei' 

^ofljfceft*.  -  Die  (jeutige  ptiDlIegierung  bei  eljeli<^en  Kinber  gegen 


k 


78         primitiBC  (Beic^Ied^tsDertiinbungen  unb  legitime  (F^ 

rliten  Dotcr  im  Deti)ältnis  ju  öen  imeljelitifcn.  ift  cnlftanöen  6ut(tf  ftie  4 
et)ellontratitItd}e  Bindung  bis  IlTaitnes  unb  jcines  Dermögens  an  eint 
beftimmte  £jauptfrau  unb  iffte  Kinber  unter  beii  Dielen,  bie  er  pd) 
5u  (Gattinnen,  Koithubitien  ober  SRlanmnen  netfmcn  honnte.  Sie  be* 
beutet  al|o  eine  ftbjct^iiiödfung  bes  DOllen  Paltiardialismus  unb 
lEinjc^Täntiung  feiner  tDillftür.  dus  bie|er  5uneE}menb«^n  Be|d^iänbung 
ber  abfoluten  IDannesgeuDalt  entftel}t  bann  in  langer  lEntmidtlung  bic 
„jmeifeitige  dtje"  ober  bie  (£t)e  notff  „(Eitemrei^t"  mit  ber  boppelteti 
DenDanbt|ci)(ift55ure(t)nung  ber  Kinber  jur  Dater-  unb  ITlutlerfamilie 
unb  it}rem  <ETbred)t  gegen  beibe,  unb  mit  il)rer  Sidierftcilung  bei 
Srau  unb  ber  Kinber  gegen  tDiUhiir  bes  lUannes  trog  ieiner  fjerr|djaft. 
Diefe  legteren  nierkmale  (inb  nun  ber  [jeutigen  „legitimen  (Elje'  bet 
KuIturDÖlher  d)ara)iterifti[d}  unb  für  it]r  tDefen  bie  cnlfd^eibenben. 

Die  fosiale  DcHüffierung  öer  unefielidjen  Kinber  ift  einmal  1)  Re- 
flef  iljrer  oermögensredjtlidjen  DeKIaffierung  megen  mangelnben  dtb» 
red)tes.  Diefe  legiere  ift  burd)  bie  legitime  Ulje  Ijerbeigefüljrt.  Aber 
generell  nidjt  fo,  ba^  bie  DOrtjer  gleid) bered^tigten  Kinber  aus 
nidjt  legitimen  Derbinbungen  nun  iljres  Redjtes  beraubt  tuurben,  fon- 
bern  fo,  öa^  aus  bem  Kreife  ber  oorljer  glcidj  vtijt  I  o  f  e  n  Kinber 
ein  leil  {bie  „legitimen")  Rechte  gegen  ben  Dotet  unb  ou  befien  ttadi' 
lofe  erroarb,  bie  anbreu  nid[t.  3nroieroeit  öie  niulterfamilie  fit!)  bicfei 
annelfmen  mollte,  blieb  it;r  überlaffeii.  Da,  mo  bas  Sutereffe  an  bet 
Derforgung  ber  lorffter  unb  iijrer  Kinber  burdf  „legitime"  <EI}<  fie 
belferrfrfite,  leljnle  bemgemo^  aud)  fie  bie  flnerltennung  berjenigen 
Kinber  ilfrer  nieiblid)en  Rnget^Örigen,  für  bie  es  einen  Dater  nid)t 
gab,  als  glei<!)bered)tigt  oft  genug  ab,  fo  bo^  bas  „uneljelidje"  Kino 
nun  gän3lid)  fippelos  baftanb.  2)  ift  jene  De)tla|fierung  oft  aud)  bas 
Probuht  fittlic^'religiöfer  Hli^billigung  ber  [epielleu  Ungebunben^eil 
unb  DetantwortungsIofigNeit,  »el^e  bie  uiientwii^elte  el^if^e  UrieÜS' 
tiraft  gegen  il^re  fidflbaren  folgen  ftatt  gegen  beren  Url^eber  rid)lele.  - 

Als  bie  le^te  cntroidilungsgefdiic^tlidfe  IDurjel  ber  t^eutigen  &ft 
ber  Kulturvbliier  mu^  nad)  allem  6efagten  bie  Kauf  cl)e  mit  hon- 
tratittid}er  Seftflellung  ber  eTbred)tIid}en  Stellung  ber  Kinber  unb 
St^erung  bet  ^cau  betrad}tet  toerben.  Aus  bem  reinen  BerigDer[)äIt> 
nls  bes  primitinen  pattiardialismus  ift  bie  „(Elie"  burd)  allmät)lid) 
]unel)menbe  flbfdiiDäi^ung  ber  (Eigentumsgemalt  bes  titannes  otv  J 
midelft  }uer|t  IioiittaI(tIic^i-T.  bann  gemof)nl)eitsred)llid)eT,  bann  prin>| 
jlpieder  Denni)gensre<^tlid)er  Sid)etung  ber  „legitimen"  S«>u  unkl 


£itcratur.  79 

i^rer  Kinöer  entftanben.  Hur  bie  „legitime"  €^e  i|t  im  heutigen 
Sinne  »S^e",  ba  er|t  fie  ber  $rau  unb  i^ren  Kinbern  beftimmte  An- 
fprüc^e  bem  Iltanne  gegenüber  Derlei()t.  So  lange  ber  Kauf  ber  Stau 
(ebiglic^  bem  (Eigentumsenoerb  irgenb  einer  Sac^e  gleic^fte^t  ober  n)o 
tta>a  ber  IRann  bie  S^<^^  getDaIt|am  in  feinen  Be|i^  bringt,  kann 
Don  C^  ebenfotoenig  gefproc^en  merben,  mie  anbererfeits  bort,  too 
mann  unb  $rau  Don  i^ren  oerfc^iebenen  f}ausgemein|(^aften  aus,  ie 
nad)  (Gefallen  unb  o^ne  jegliche  (E|[MufiDitat  gefc^le(^tli(^  miteinanber 
oerfce^ren.  Als  €^e  im  heutigen  Sinn  können  aI|o  ebenfoinenig 
bie  patriarc^alen  (Bemaltoer^ältniffe  primitiver  Dölfter  toie  anii  bie 
Döllig  ungebunbenen  (Befc^Iec^tsbesie^ungen  ein5elner  IHutterrec^ts* 
Dölker,  3.  B.  ber  inbifc^en  Ilairs,  ber  HTenangFtabaumaIaien,  ber  f}uronen 
bejeid^net  toerben.  Aber  genau  fo  mie  bie  (Be|(^Ie(^tsDer^aItni{fe  ber 
primitiDften  Dölfter  bei  unbefc^rönftter  mannesgemalt  fc^on  gemiffe 
iDic^tige  nierftmale  bes  (E()ebegriffs  aufmeifen:  3ufammenn)o^nen  oon 
mann  unb  $rau,  ([reuepflic^t  ber  $rau,  fo  lange  fie  mit  einem  manne 
jufammenlebt,  mannesgetoalt  über  $rau  unb  Kinber,  fo  finben  fie  fic^ 
aud)  bei  ber  me^r3a()I  ber  prin5ipiell  nai)  mutterred^t  lebenben 
Dölfter.  DoIIer  patriarc^alismus  als  unbefc^rönkte  f}errf(^aft  bes 
mannes  unb  (Befc^Iec^tsfftlaDerei  ber  S^^^u  beftanb,  fo  oiel  mir  fe^n, 
überall  als  Dorftufe  ber  (EnttDidtlung  ber  legitimen  (El)e.  Die  (Ent* 
micblung  00m  ftriFtten  patriarc^alismus  5ur  mobernen  (E^e  ging  burd) 
bie  „legitime"  (Elje  nac^  „Daterredjt".  Diefe  legitime  (E^e  entftanb 
vo  immer  bas  3ntere{fe  ber  5  ^  ^  u  baran,  bog  i^re  Kinber  „legitime" 
Crben  bes  mannes,  bog  fie  felbft  feine  „legitime",  b.  ^.  gegen  abfolute 
IDiniiür  gef(^ü^te  (Battin  fei,  bem  patriarc^alismus  bies  3ugeftanbnis 
ab5uringen  ftark  genug  mar. 


£iteratur. 

Die  |etner3ett  baf)nbred)enbe  Arbeit  oon  Badeofen:  Das  mutier' 
rei^t  (^1861)  ein  in  fetner  Art  genialer,  aber  in  allen  feinen  ([eilen  uniDiffen* 
fd)aftltd)er   „erfter  IDurf**        bann  oon  £eiDts  I).  morgan  »Systems  o( 

consan{;uinitv  and    affinitv  of   thc    human  familv    Ü^yo,   Ancicnl  Societv    1877 

btui\6)  1891),  A.  f).  poft  (6te  6efd)Ied)t$genoffenfd)aft  ber  Ur3ett  ünb  bie 
Cntftet^ung  ber  Samilie,  1875)  mac  Cennan  (Siudics  in  ancicni  history 

Ix>ndon   1S76,    The  patriarchal   theory,    Lon«l<>n   1SS5),    aber    aud)  Ü)  e  ft  e  r« 
mar  dl    (Thc    history    of    human    marriage,    beutf(^   1893),    I).    S.    matne 

«E*rly  history  of  insiitutions,  London  18851,  Star  die  (Die  primtttDe  5amtHe, 
Ceipsig   1888)  unb  Dargun   (mutterre(^t  unb  Raubel)e,  Breslau   1883) 


Ib 


'80  PiimittDC  (Seid)led)tsDeTbiit&ungen  vmb  legitime  i£tie, 

\inb  tjeule  jum  großen  tldl  jlarfi  ucTOltfl.  Itad)  iDte  dot  benuQbai  ift 
fj.  fl.  pojfs  flfrihonijdi«  Dutispru&enj  (1887).  Die  btjte  unö  hkrit«  (Ein. 
füt)Tung  in  6ie  KotlefHio-ttlien.Hjeoric  oon  |eit«n  eines  ilfter  Anhänget 
gibt  aud]  l)eute  nod)  3.  Ko  l)[ct,  3ut  UTgcid)i(t)te  Dct  S t)c  (Stullgarl  1897). 
9<1tÜgt  namentlid)  auf  bit  lTto[ganjd)en  Deniianfit|d;afl£tofeIn.  btctn  Bc- 
toeisfiiaft  K.  füi  uneTJd)ütteTli<f)  t^ait.  Di«  I^öcffte,  in  ben  entldjfibenbtn 
Punfilfn  nio[)t  enb^aiKge,  Krilih  biein  ICl}eciTie  l)al  Ij.  (Eunooi:  Dit  Der* 
inanbtTdiaflsarganijationen  btt  fluitralneger  iStuttgait  1894t  unb:  Di«  fitio- 
iioniiId)en  tSrunblagen  ber  IIIutterl)frr|<f|aft  (in  bcr  „Heuen  3eit",  XVI.  ^at^t- 
flong  1.  Banb  1897;8)  geliefert,  ben  K.  bisher  nidjl  ernitUdi  ju  miberlegen 
ueTfudit  l)ot.  flusgejeidinel  für  bie  B«gtiffsbilbung  ijt  aud)  C.  Datguns 
niuneTTed|[  unb  DaieTtedtt  (Ceipjig  1S92).  Die  öiionomt|(^e  Bebingtt)»! 
bcr  S^ntiltenf armen  t|t  in  <E.  (E  r  o  j  i  e  s  toertDoIlem  Butt):  Die  Sonnen  ber 
Somilie  unb  bie  Sannen  ber  tDirtf^aft  (Sreiburg  i.  B.  unb  £eip3ig  1896i 
oiialrjiicrl;  obnjoljl  (ein  Scfjema  für  ben  je^igen  Slanb  öet  Sor1d)ung  ju 
einfad]  rtjdfeint,  i[t  (eine  (Icrminologie  l(ier,  n>ie  übrigens  audj  fonft  o'xtl- 
iaif,  beibet)alten.  Seljr  buid){id)tig,  aber  leilmeiie  Dielleid}t  elroas  311  hoR' 
jlrubtiD  iit  (E.  Sd)molle[s  lEf|ai};  Die  UTgeidiidfte  ber  SamiÜe,  Illutter. 
reif)t  unb  OientilDerfaliung,  in  (einem  3al)Tbud)  1899  (ogl.  aud)  leinen  ffirunb' 
riß  b«  ailgem.  liolhsroiiltd)aftslei)ire  I.  Heil  2.  Bud):  bie  SomilieniDittli^aftl, 
ntertDolU  Klafjifihiilionen  bei  möglid}en  ced)IIid)en  (bejtattungen  ber  (Gc- 
f(t)[ed)lsDerbinbiingen  inK.  Stiebri(f]5  äin]elunteriutf)ungen  3ur  DeT> 
gleidienben  Red)tsi»i|fen|d)afl  in  ber  3eitf<t)rift  für  nergl.  Red]UiDiifenfi^(ifl 
Banb  Xi,  XI!.  flu^er  ben  joljlreidicn  redfUcergleidtenben  Unler[u<^ungtn 
Bernliflfts.  Hol)  Urs  u.  a.  in  btef«  Seilfdjrift  jeien  belonöers  bi*. 
jenigen  Kollers  Qber  bie  pronin}  Bombaq  (Banb  X),  über  Kamerun  (Banb  XI) 
unb  Don  p.  Relfme  über  bie  flma^oja  iBanb  Xi  erioäiint.  Dos  etl)no- 
gra[i^ifd)e  niaterial  i|t  unübericlrbar,  eine  Derarbeüung  roäre  eine  CebenS' 
orbtil,  bie  jugleid)  bennod)  auf  oft  uugenügenb  DorbereÜetem  niaterial 
fugen  mürbe.  IDas  ben  „Quellen"  meift  fel)lt.  ift  etnerfeits  bie  prätiie 
SeftilelEung  ber  Red)tslage  unb  il)re  Sdjeibung  oon  bcr  falog  foittijdjen  Äe. 
n9ol)nt)eil,  anbret|eits  bie  Unler{ud;ung  ber  bkonomifdjen  Bebingungen  ber 
Stiften].  IPie  unliiar  babei  oft  enlfc^eibcnbe  punltte,  3.  B,  bas  Dcrtjältnb 
ber  Dorfg(mein|d)oft  jur  Samilie.  beiber  3»™  Cbrnnbbelig,  ber  Kinbei  jum 
Dorf  unb  3ur  Somilie,  bleiben,  bafür  ift  temis  fj.  HI  0  r  g  o  n's  jeflt  oon 
Cloijb  neu  Ijerausgegebenes  Budj  über  bie  3rohelen  (I.t.if^t  ..f  riie  li.,-  li,:-  N..- 
Siui-  Nf,,  Ni-«-Vi.ik  lunji  ein  Beifpiel.  Bcjügli^  bet  Arbeiten  uon  tDilhen. 
ID.  Itob.  Smitl)  unb  tD  e  11 E]  «  n  I  e  n  über  bie  alten  Araber  fiet)(  bas 
folgenbe  Kapitel.  Uebet  bie  alten  Etihier  tfl  Ireubcr,  (Beldjidile  ber 
Cqhier  |1t>87i  ju  oergleidien.  -  Die  Ijter  oerlreiene  fluffafjung  über  ben  Sinn 
unb  bas  (Enifletten  ber  .legitimen"  (£t)e  finbet  in  ii>td)ltgen  punkten  ll|rf 
Bellätigung  in  bec  mir  eril  nad]  fa|l  oSlliger  Beenbigung  biefer  Arbeit  be« 
behannt  gemorbenen  Sd|rift  oon  $.  B  0  b  e  n  über  aIlnorbi|d]e$  Red)t  (Iltul- 
terrei^t  unb  tift,  Berlin-Eeipjig  1906).  (Begen  bie  nermeintltdfe  muHci- 
rcd]tlid)e  Bebeulung  bes  Kultus  ber  „Illutlet  ilrb«"  f.  fl.  Dicteri(t| 
„niulter  Irbe"  (aus  bem  flrd)io  f.  oergl.  Religtansmi{|enjd)aft  1905).  lieber 
bie  ebenfalls  mit  ber  lTtutlerred)lst^eorie  in  Sufammen^ang  gebriid)le  Oreftie 
bes  flisd)i)Ios  f.  U.  □.  ID  i  1  a  m  0  m  i  f|  geiftuolle,  freilidi  an  einigen  punhten 
jum  IDiberlprud)  reijenbe  Einleitung  ju  feiner  Ueberfeßung  („(BriediilAe 
Iragöbien-  Ui.  Dafe  Beb  eis  .Stou  unb  ber  Sosialismus-,  eine  f,  3.  tßdj- 
lige  populär ijation  oon  S<-  Engels'  (auf  niorgan  fugenber)  Darftel- 
lung:  ber  Urfprung  ber  5<i>nilie,  bes  prio aleige ntums  unb  bes  Staats  (1884), 
aud)  Ijeute  nod)  bie  Kbpfe  eines  üeils  ber  Srauenweit  belierrfdien.  3eigl, 
bog  )iciti|d)ts  Stubium  unb  praiili|d)e  jojiale  Arbeit  f<f)a)eT  uereinbai  finb. 
Oon  Darftellungcn  ber  Cigentumsenlmidilung  ift  näd)fl  £  o  u  e  1  e  i|  e's  .Urti' 
gentum-    bie  Da[|l(Ilung    in  Sd)molIer$    .Arunbci^"  (Banb  I  Bu4  2. 


Citerotur.  81 

Ilr.  5)  lefensioert.  lieben  6er  3a^Irei(^en  Citeratur  über  6ie  3a6ni9a  Jin6 
fftr  bie  6roftfan!iIie  3U  vergleichen  SimkI)oiDit{(^,  6te  S^Ibgemeinfqaft 
in  Ruftlanb  Qena  1898)  38.  Kapitel,  femer  ITIair  IPeber,  5ur  (be|(^i(^te 
ber  ßanbelsgefellfc^aften  im  ITIittelalter  (Stuttgart  1889). 

Die  DarfteUung  mu|te  mit  Hüdi|id)t  auf  ben  3medi  bes  Bu(^es  auf  Doli« 
ftfinbigkeit  t)er3i(bten.  Jnftitutionen  mie  (Epgamie  unb  (Lotemismus  finb 
n«r  geftreift,  3a^irei(i^e  primitive  Sitten,  {ofern  {ie  kein  Z\6)i  auf  bas  Der« 
Viltnis  ber  6efd)Ie(^ter  toerfen,  gan3  beijeite  gelaffen. 


ZP  c  hff  r,  Chrfrütt  nnb  mnttrr. 


82 


II.  Kapitel. 

Die  (El)e  bei  öen  antiken  Kultutüolfeem. 

üorbemerkung.  Hllgemetne  Richtungen  6er  Beeinflu||ung  6er  (E^e  6urd) 
6ie  Kultur  S.  83. 

A.  Die   (E^e   in  flegt^ptenS.  90—109. 
Kulturgef(i)t(i)tli(^e  (5run6Iagen  S.  91    —  Hllgemeine  Rechtslage  6er 

5rau.  HngebUd^e  (E^eftontraftte  6er  filteren  5eit  S.  95.  —  Die  feptelle  Der« 
tragsfreiljeit  S.  97.  —  Demoti|(^e  Kontrakte  aus  6er  Seit  P|ammeti(^s  III, 
6er  perfer  un6  6er  erften  ptolemöerseit  S.  98.  —  Hen6erung  in  6er  fpä« 
teren  ptoIemöer3eit  unter  gried^ifc^em  (Einflug.  Kyrios  un6  pheme  S.  101. 
—  Engraphos  un6  agraphos  gamos  (jog.  ,,probee^e")  S.  104.  —  Hngeblic^es 
„niutterrec^t"  in  flegijpten  S.  105.  —  öermutlic^e  <briln6e  6er  gfln|tigen 
£age  6er  Srau  S.  108. 

B.  Die  (Elje  in  BaIbi]Ionien  S.  109-117. 

Semiti|(^er  patriard^alismus  im  allgemeinen  S.  110.  —  dobzi  f)am< 
murabi  S.  111.  —  S^ö"«n^öuf,  Dienfte^e,  ITtitgift  S.  113.  —  S(^ei6ung. 
(Elterlid)e  (betoalt  S.  115. 

C.  Die<E^ebei6en3u6enS.  117—131. 

1.  irtofaifd^es  (Et^ered^t.  (Enttoidtlung  oon  6er  poli^gamie  3ur  Hlonogamie 
bei  6en  3u6en  S.  118.  —  Kaufelje  S.  120.  —  <Erbtö(f)terre(^t  un6  Ceoirat  S. 
121.  —  Re(^tlid)e  £age  6er  (Eljefrau  S.  122.  —  (Einfluß  6es  (Ejils  auf  6as  3u. 
6entum  S.  122.  —  2.  ([almu6i|(i)es  <El)ered)t.  Ketuba«Kontrakte  S.  123.  —  €nt> 
toidtlung  6es  S(i)ei6ungsred}ts  S.  127.  —  Döterlic^e  (betoalt  S.  128.  —  Sc^toin« 
6en  6es  patriarc^alismus  im  €rbre(^t  S.  128.  —  Religiö|e  tDertung  6er  €^ 
un6  6er  5rau  S.  129. 

D.  Die  (Elje  bei  6en  Arabern  un6  im  3slam  S.  131—140. 
I)orisIamiti|(^es  (El)ere(^t  S.  131.  —  Hngeblid}es  Hlutterrec^t.   üertrags* 

fretl)eit  un6  „<benu6el)e''  S.  133.  --  Der  3slam.  Unter6rä(6ung  6er  feptellen 
Dertragsfreil)eit  S.  134.  —  Hllgemeine  Stellung  6es  Koran  3ur  (El)e  S.  135. 
-  Dermdgensre(i)tlid}e  Sid^erung  6er  (El)efrau  S.  136.  —  poli^gamie  un6 
(El)emoraI.  Be6eutung  6er  ([l)eokratie  S.  137.  —  $(i)ei6ung  S.  138.  — 
Döterlidie  (btmali  S.  139. 

K.  Die  <El)e  bei  6cn  tJeUenen  S.  140—158. 

allgemeiner  (ri)arakter  6er  grie(i)ifd}en  $ta6t{taaten  S.  140.  —  Die  ITlo« 
nogamie  S.  141.  —  I.  fltti{(i)es  Red}t  6er  klaff ifd^en  3ett.  (5ef(^Ie(^tsDor< 
mun6fd)aft  S.  143.  —  Kaufel)e  6er  I)omerif(i)en  un6  „(Engijefis"  6er  klaf« 
fifdjcn  3eit  S.  144.    -  Dermdgensred^t   6er  ^l)efrau  in   fltljcn   S.  145.  — 


Dorbemerkung.    Angemeiner  (E^arakter  öer  Beeinfluffung  k.    83 

Sd^etbung  S.  146.  —  üdterltc^e  (BetDalt  S.  146.  —  2.  Das  Hec^t  uon  (Borttin 
S.  147.  —  €rbre(^t  S.  147.  —  (Erbtöc^tcrrcc^t  S.  148.  —  €Ijcgütcrre(^t 
S.  148.  —  3.  Sakttfc^e  Cage  öer  gne(^i{(^en  (El)efTau  S.  150.  -  Sparta 
S  ISO  Htl)en.  (Begenfa^  uon  €^e  unö  Debe  S.  151.  -  perfdnltc^es 
£ebcn  öer  €^efrau  S.  152.  -  (E|[ltIufio  männlicher  (Iffaraltter  6er  griec^i« 
fd)en  Kultur  S.  154.  —  f)etftri$mus  unö  Knabenliebe  S.  156 

F.  Die  (E^e  in  Rom  unö  im  rdmi|d}en  IDeltreic^  S.  158-197. 

nionogamte  unö  „fiausrec^t"  S.  158.  -  <bef(^Ie(^tSDormunö|(^aft  S.  161. 
Mnnus.(Elje  S.  161.  —  Sahti|(^e  Stellung  öer  Srau  S.  162  —  Die  freie 
t\t  S.  164.  —  f)anölungsf&l)iglteit  öer  Stau  bei  freier  (E^e  S.  165.  -  €nt« 
»idilung  öes  Dotalrec^ts  S.  166.  Sxixts  Dermögen  öer  Sxqlxl  S.  167  - 
Prfitorifc^es  (Erbred)t  öer  manus.freten  Srau  S.  168.  -  Srete  rdmifc^e  €l}e 
nnö  moöerne  ^frete  Hiebe".  per{dnli(^e  Hed)tsn)irhungen  öer  freien  €I)e 
S.  168.  '  Stttengefd)td)tli(^e  Beöeutung  öer  freien  €i)e  S.  170.  —  Heah* 
tton  gegen  fte  S.  172.  —  Augu{tet|(^e  Sitten*  unö  (E^ereform  S.  173. 
Der  o.mubinatus  S.  175.  —  €l)emoraI  öer  er|ten  Kaiferseit  S.  177.  -  Die 
<Duafi*(EI}e  öer  Sklaoen  S.  178.  —  tDanöIungen  öer  {e|:uellen  nioral  im 
3iDetten  3al)rl}unöert  Die  Stoa  S.  178.  Das  <ri)ri|tentum.  allgemeine 
Beöeutung  für  öie  (E^emoral  S.  180.  —  (Eigenart  öer  (^riftli(^'paulini|(^en 
€^eauffa{|ung  S.  182.  —  patriarc^alismus  unö  Unldslt(i)hett  öer  (El)e  S.  183. 
Sd^a^ung  öes  dölibats  S.  184.  Praktifc^er  (Einfluß  öes  <CI)riftentums 
S.  186.  —  üerl^aünis  3um  Konkubinat  S.  187.  Das  honftantinifc^e  Zeit- 
alter unö  öie  €I)e.  5unel)menöe  Dome{tihation  öer  Srau  S.  188.  -  OehO' 
nomifd^e  üerfc^iebungen   S.  189.  SontiIienred}tIt(^e  (befe^gebung  uom 

öritten  3al)rl}unöert  bis  3u{tinian  S.  190.  3uftiniantfi)es  Konkubinats* 
red^t  unö  (E^ered)t  S.  191.  —  €ntn)idilung  öes  (Erbrechts  3n)i|(^en  ITlutter  unö 
Ktnöem  S.  193.  -  ITtfitterIid)es  €r3iel)ungsre(^t  S.  194.  ab{(^n>ad}ung 
öes  odterIid)en  f)attsred)ts  S.  194.  -  allgemeine  €rgebnif{e  öer  (Entn)i(k' 
lung  öes  Heic^srec^ts  S.  195.  —  ^Heic^srec^t"  unö  ^Dolksred^f*  im  €l)ere(^t 
S.  1%.  -  -  f)i|torifd)e  Stellung  öer  örei  monoti)ei|tif(^en  Religionen  3um  €l}e* 
red)t    nionopol  öer  „legitimen"  €l)e  S.  197. 

Citeratur  S.  197. 


Die  Dölker,  öenen  mir  uns  je^t  3U3utDenöen  f^aben,  meröen  Don 
(firones  bei  öer  Klafftfikation  öer  S^^^Iienformen  oft  oermerteter 
lerminologie,  nad)  öem  allertDeiteften  if^nen  gemeinfamen  Raf^men 
Urer  »irtfdjaftlidjen  (Efiften3,  3u  öen  „fjöfjeren  flAerbaucrn"  geredjnet. 
Der  Umfang  öie|es  Begriffes  ift  jeöod)  fo  meit,  öag  er  öie  fornof)! 
öem  Araöe  mie  öer  Befd^affenf^eit  if^rer  Kultur  nad)  |o  unenölid) 
i>erfd)ieöenartigen  £ebensfonnen  öer  antiken  unö  öer  moöemen  Kultur* 
nationen  3u|ammen  mit  3afjlreid)en  -  (xy\  „Kultunoerten"  gemeffen 
-  nod)  fef^r  primitioen  Dölkerfd}aften  in  ftd)  fd)Itegt,  unö  oer- 
fagt  öesf^alb  DoIIftönöig,  mo  es  fid)  um  öie  (Erklärung  öer  (Eigen- 
arten unö  Der|d)ieöenf)eiten  öes  (El}ered)ts  bei  öen  ein3elnen  Rationen 
unö  in  öen  i>er|d}ieöenen  (Epod^en  f^anöelt.  (Er  ift  kaum  als  Dorlöufiges 


84  Die  (E^e  bei  öen  antiften  UuItutDÖlkern. 

Stoffeinteilungsprinstp  brauchbar.  Denn  es  |oIIen  „^ö^ere"  Ackei' 
bauer  alle  öiejenigen  Dölfter  feigen,  bei  tueld^en  einerfeits  öer  Acker* 
bau  mit  Die^3ud)t  organifd)  Derbunöen  ift,  anörerfeits  nic^t  me^r  öas 
ganse  ober  öod)  faft  öas  ganse  Dolft  an  öer  unmittelbaren  Ha^rungs« 
geminnung  aus  öem  Boöen  beteiligt  ift,  bei  öenen  Dielme^r  öie  Ro^ 
ftoff*(Er3eugung,  'Derarbeitung  unö  (Büteroerteilung  (Adterbau,  Bergbau, 
(Bemerbe,  fjanöel)  öurd)  Don  einanöer  gefc^ieöene  tDirtfc^aftsein^eiten 
beforgt  u)irö,  öergeftalt,  öag  ein  fteigenöer  Brud^teil  öes  Dolhes  über« 
^aupt  niifi  mel}r  „Hdterbauer"  finö,  |onöem  teils  anöre  öftonomif^, 
teils  öie  Ausübung  politifd^er,  religiöfer  unö  intellektueller  5unktionen 
übernimmt,  unö  in  öen  Stäöten  anföffig  mirö.  Diefe  pnö  öie  im  Alter* 
tum  ftets  3ugleic^  1)  5^ftungen,  aI|o  Si^e  öer  militörifc^en  unö  politi* 
{c^en  ITIac^t^aber  —  ferner  2)  Si^e  öer  Don  öen  Renten  i^res  £anöbep^es 
lebenöen  (Brunö^erren  —  enöltc^  3)  Si^e  öes  Dom  A&erbau  losgelöften 
(Beu)erbes  unö  fjanöels.  Dies,  nic^t  öie  Art  öer  A&ertec^nift,  ift  alfo 
öas  entfd^eiöenöe  ITIoment.  tDir  laffen  öes^alb  für  unfre  3u)e(ke  jene 
{Eerminologie  je^t  lieber  gans  fallen.  Der  Anlag,  aus  öem  mir  öie 
u)eiter^in  be^anöelten  Rationen  3ur  fpesiellen  Darftellung  ^erous« 
greifen,  ift  ja  überhaupt  nic^t  öie  (Eec^nift  i^rer  tDirtfd^aft,  {onöem 
if^re  ^iftorifd^e  Beöeutung  als  (Eröger  öer  Doröeraftatifc^-mittellönöifd^en 
unö  Dorläufer  öer  moöemen  Kultur,  öeren  Kinöer  mir  jelbft  pnö. 
Urfäc^Iid)  beruht  öiefe  Kulturbeöeutung  ftets  |ou)O^I  auf  öer  dntmiA* 
lung  einer  öffentltc^>re(^tlid)en  (Drganifation,  meldte,  bei  aller  Der* 
fdjieöenljeit  öer  5orm,  öem,  loas  u)ir  ^eute  „Staat"  nennen,  gleid)* 
ftommt,  mie  auf  öer  fjerausbilöung  öes  nur  noc^  teilmeife  öurc^  (Erbein* 
jpruc^srec^tc  öer  Sontilie  in  jciner  Deräufeerlic^ftcit  gebunöencn  prioat* 
eigentums,  fpesiell  öes  pripaten  Boöenetgentums  unö  öer  fic^  |tets  ftörker 
fpesialifterenöen  Arbeitsteilung.  Dte|e  scDtngt  öen  etn5elnen  fjausf^alt 
als  tDirt|d}aftsein^eit  3u  regelmäßigem  Austaufc^  mit  anöeren  tDirt* 
fd)aftsein^eiten,  Ic^afft  alfo  eine  ftets  mac^fenöe  öftonomifc^e  Abt^öngig* 
fteit  aller  oon  allen.  Diefe  neue  5orm  öer  gegenfeittgen  Abhängigkeit, 
mie  fie  öie  (Eauf(^a)irtfd}aft  erjeugt,  f^at  einen  gän5ltd)  anöeren  ([^> 
rahter  unö  anöere  50^9^^  ^^s  öie  Abl^ängigkeit,  u)eld)e  in  öen  lokal 
Dereinigten,  ifjren  gefamten  Cebensbcöarf  toefentlid)  fclbft  proöU3ie* 
renöen  6emeinf(^aften  öer  „nieöeren  Ackerbauer"  alle  an  alle  knüpfte. 
Die  l)ier  öurd)  öie  primitioe  5orm  öer  Proöuktion  lokal  3ufammen* 
geöröngten  großen  DertDanötfd^aftsgruppen  löft,  tote  fc^on  frü^r 
ausgeführt,  öie  (Eaufc^mirtfc^aft   auf;  öie  (}ausl)altungen ,  öie  einen 


Dorbemerkung.    Allgemetner  (E^arakter  öer  Beeinfluffung  k.    85 

teil  i^res  Bedarfs  oon  onbem  fjaus^altungen  etntaufc^en,  können 
fi(^  in  öemfelben  ntage  Dcrkletnem,  tote  5te  Arbeitsteilung  unö  öer 
iQufc^oerkef^r  fortfc^reiten,  unö  inöem  einerfeits  öie  oerkleinerten  IDirt« 
fd^aftsetn^iten  öurd)  i^re  materiellen  Beöürfniffe  ökonomi|d)  immer 
unauflöslicher  mit  einanöer  DerfIod}ten  meröen,  im  (Begenfa^  gegen  öie 
i^ren  (befamtbeöarf  {elbft  proöu5ierenöen ,  in  „Autarkie"  nebenein« 
anöerftet^nöen  großen  fjausgemeinfc^aften,  lockern  fid)  anörerfeits  öurd) 
öie  öen  Soufc^Derke^r  bef^errfc^enöen  3nteref{enkonfIikte  sugleic^  öie 
Seff^In,  meldte  öort  öie  3nöiDiöuen  aneinanöer  binöen.  Die 
Derkleinerung  öer  3U  öauemöer  Cebens*  unö  Hrbettsgemein|c^aft  oer« 
einigten  menfd^engruppen  mug  öer  (Entmidilung  inöioiöuellen  Seelen« 
lebens  loeiteren  Spielraum  gemöl^ren.  Die  (Entmtdilung  einer  öurd) 
öie  Beöürfniffe  öes  Derkef^rs  3n)ifd)en  öen  ein5elnen  f)ausf}altungen 
geforöerten,  oerfeinerten  unö  öetaillierteren  Redjtsorönung,  oermanöelt 
öie  CDefentlid)  faktifc^e  Garantie  öer  Std)erf}eit  Don  Perfon  unö  Befi^ 
bts  Cin3elnen  öurc^  feine  Sippe  in  eine  Don  ötefem  Sd}u^  3unel)menö 
unabf)angige  R  e  c^  t  s  garantie.  Die  Befc^rönkungen ,  coelc^e  öafür 
öie  öffentlichen  (bemalten  öer  IDillkür  öes  (Etn3clnen  auferlegen,  l^emmen 
feinen  Aufftieg  3um  „3nöiptöuum''  auf  öie  Bauer  coeniger  als  öie  in« 
time  Verflechtung  feines  gan3en  £ebens  mit  öen  Sd}iditalen  öer  Sippe. 

Dies  alles  föröert  „inötDtöuaHftifd}e'',  ö.  l).  öer  Sd)ä^ung  äußerer 
unö  innerer  Selbftönöigkeit  öes  3nöiDiöuums  günftige,  Stilifterungen 
öes  £ebens.  Alleröings  kann  öiefem  Pro3eg  öurd^  öas  Beftef^en 
öer  Sklaoeret  eine  (jemmung  bereitet  toeröen.  Denn  öiefe  ftärkt, 
tro^  öes  Verfalls  öer  alten  5amilien«Kommunionsu)irtfd)aft,  öie  S^¥%' 
keit  öer  ein3elnen  ^ausl}altungen,  tf^ren  Beöarf  mefentltd)  öurd)  eigne 
Arbeit  3U  bedien.  (Eräger  öes  3nöiDtöuaIismus  ift  bann  nur  öie  öünne 
Sdjidjt  öer  fjerren.  So  mar  öie  £age  im  Altertum.  Unö  öa  über- 
öies  öie  „Kleinfamilie"  öurd}n)eg  erft  in  öer  (Entwidmung  aus  öen 
großen  fjausgemeinfc^aften  l^eraus  begriffen  coar,  coar  öas  IHag  Don 
»3nötDiöualismus'',  n)eld)es  öamit  f)anö  in  f^anb  gef^t,  nur  ein  rela- 
tioes,  langfam  mac^fenöes,  auf  kleine  Sd)id}ten  befc^rönktes.  Aber 
es  mar  oorljanöen  unö  toirkte,  fomeit  es  nidjt  öurd)  öie,  ©ie  toir  fcfjen 
meröen,  im  (Orient  im  ffiegenfa^  3um  ©cciöent  fjöc^ft  intenfioen  reli« 
giöfen  ITIad^te  nieöergef^alten  mirö. 

Alle  (E^ancen,  roeldje  jene  (EntroiAIung  in  öer  Rid)tung  öer  Son- 
öerung  unö  Differen3ierung  öer  3nöiDiöuen  bot,  kamen  nun  aller« 
öings  für  lange  (Epochen  faft  ausfd^lieglic^  öem  ITIanne  3U  gute,  öenn 


86  Die  (Ef^e  bei  ben  antiften  Uulturoolftem. 

{ie  betDirftte  eine  überall  ö^nlid^e  Arbeitsteilung  3U)if^en  ben  (bt* 
\d)Ud)ttm,  roelc^e  bie  allgemeine  Bewegungsfreiheit  bes  niannes,  aber 
nic^t  bie  ber  Sxan  oergröfeerte.  (Eeils  bie  Ipesififc^  roeiblic^en  p^t)fio* 
logifc^en  fjemmungen,  teils  bie  pfpc^ifd^e  (Bebunben^eit  an  bie  5ur|orge 
für  bie  Kinber,  teils  bie  in  Seiten  roljer  Sinnlic^feeit  be|te^enbe  Un« 
möglid)fteit,  bie  (Eoc^ter  einem  fremben  IHeifter  in  bie  £e^Te  3U  geben 
ober  aber  auf  (Ermerb  allein  nac^  ausroörts  ge^en  3U  laffen,  unter* 
{tü^ten  bie  (Erabition,  roeld^e  fie,  mochte  nun  Dater«  ober  IHutterrec^t 
gelten,  ftets  in  unenbli^  ftörfterem  IHag  als  ben  IHann  an  bas  f)  0  u  s 
banb.  nur  roas  bas  fjaus  für  feinen  eigenen  Bebarf  {elbft  Don 
(Befc^lec^t  3U  (Befc^Iedjt  bie  (Töchter  lehrte:  -  |o  namentlidj  bie  (Ee^* 
arbeit  -  blieb  oon  qualifi3ierten  flrbeitsleiftungen  in  i^rer  tjanb, 
entfaltete  unb  oerfeinerte  pc^.  3^^  IDirliungslireis  rourbe  yayax  qua« 
litatio  oergröfeert,  räumlich  aber  im  (Belamtburdjjc^nitt  -  ba  iljre 
(Eätiglieit  in  ber  5^^t>f>ebauung  me^r  3urüditrat  -  Derftleineri 
Die  Sü^forge  für  bie  täglichen  Cebensbebürfniffe  ber  tjausgenoffen 
beanjpruc^te  bei  fteigenber  Kultur  unb  Derfeinertem  Cebensftil  einen 
größeren  Kraftauftoanb  als  bei  ben  ITaturoöIfeem,  fo  bafe  fte  meljr 
als  bei  jenen  an  bas  fjaus  gebunben  roar.  Der  ITIann  übemat^m  nun 
yaoax  auc^  einen  (Eeil  ber  (5üterer3eugung,  ba  Krieg  unb  Haub  nic^t 
mef^r  ben  fjauptinf^alt  [eines  £ebens  bilbeten.  Dies  ftonnte  an  ft^  bie 
urtDüd^ftge  Derac^tung  ber  Arbeit  unb  bes^alb  ber  5^^u,  bie  i^m  bei 
btn  naturDöIkern  als  ^auptfac^lic^ftes  Hrbeitstier  galt,  milbem  unb 
tat  es  auc^.  Hber  sufolge  ber  nid)t  burc^  ITIutterfc^aftspflid^ten  unter* 
broc^enen  größeren  Stetigheit  unb  Starke  feiner  Arbeitskraft  fiel 
il)m  nun  im  u)eiteren  Derlauf  ber  (Entmidilung  ber  (Eaufd^ioirtfd^aft 
ein  immer  3unel}menber  (Eeil  an  ber  probuhtion  |pe5tell  f  0 1  d)  e  r 
ffiüter  3U,  bie  für  ben  ftustaufc^  beftimmt  unb  besljalb  auf  beml^^niarkt" 
becoertbar  maren,  roä^renb  bie  5tauenkraft  gans  übertpiegenb  burd)  bie 
per|önlic^e  Derforgung  ber  fjau^genoffen  unb  bie  Derric^tung  ber  3um 
unmittelbaren  Derbrauc^  beftimmten  6üter  in  Hnfpruc^  genommen 
cDurbe,  unb  coenn  auc^  noc^  fo  mannigfaltig  unb  unentbef^rlid),  bodi 
lokal  begren3t  unb  in  il^rem  tDerte  augerlic^  nic^t  me^ar  oar.  tDas 
bas  Altertum  an  roirtfc^aftlic^en  Ceiftungen  oon  ber  „ibealen"  fjaus* 
frau  ermartete,  coar  überall  fel)r  gleichartig  unb  wirb  in  epigram« 
matifc^er  Kür3e  am  fc^önften  in  ben  Sprüchen  Salomonis  3um  Ausbruch 
gebracht:  „Wem  ein  tugenbfamcs  IDeib  befeueret  ift,  bie  ift  oiel  ebler, 
als  köftlic^e  perlen.    3^^^s  ITIannes  tjer3  barf  fidj  auf  fte  oerlaffen 


Dorbemerkung.    AIIgemeineT  (E^araftter  ber  Beeinflu||ung  k.    87 

VLtib  no^rung  wirb  i^m  ni^t  mangeln.  Sie  tut  tf^m  £tebes  unö  ftein 
£et6es  fein  £eben  lang.  Sie  gef^et  mit  IDoIIe  unö  51^4$ 
um  unö  orbeitet  gern  mit  if^ren  fjänöen.  Sie  ift  loie 
ein  Kaufmonnsfil^iff,  öas  feine  naf^rung  Don  ferne  bringt.  Sie  fte^t 
öes  nad)ts  auf  unö  gibt  Sutter  if^rem  fjaufe  unö  (Effen  if^ren  Birnen. 
Sie  öenkt  nad)  einem  Adter  unö  kauft  if^n  unö  pflanst  einen  tDein* 
berg  von  öen  5^ö<^ten  i^rer  tjänöe.  Sie  gürtet  ifjre  Cenöen  feft  unö 
ftärkt  iljre  Arme.  Sie  merkt,  u)ie  ifjr  fjanöel  Stimmen  bringt,  i^re 
£eu^te  Derlöfd)t  öes  nachts  nic^t.    Sie  ftreckt  if^re  fjanö  nac^ 

öem  Rocken  unö  iljre  S^^S^^  f^ffen  öie  Spinöel 

Sie  fitrd)tet  if^res  f)aufes  nic^t  Dor  öem  Sd^nee,  öenn  if^r  ganses  f}aus 
f^t  jroiefa^e  Kleiöer.  Siemac^t  fic^  felbftDecken,  roeige 
Seiöe  unö  Purpur  ift  if^r  Uleiö.  ...Sie  mac^t  einen  Rock  unö 
oerkauft  if^n,  einen  (bürtel  gibt  fte  öem  Kramer. ...  Sie  roirö 
gerühmt  loeröen  oon  öen  5^(^ten  i^rer  fjanöe  unö  i^re  IDerke 
coeröen  fie  loben  oor  öem  fjerrn"  0*  ^^^^  toeniger  als  oier  öiefer 
Sprudle  enoof^nen  öie  £eiftungen  öer  S^<^^  i^  Spinnen  unö  tDeben. 
Dies  ,,in  öer  IDoIIe  arbeiten"  roar,  u)ie  freute  öie  (Ec^tilarbeit,  bei 
allen  Dölkern  öes  Altertums  öie  fpe5ififc^e  gewerbliche  £eiftung  öer 
Srauen  -  oud>  penelopes  Kunft  rüfjmt  tjomer  in  fc^önen  Derfen  - 
unö  es  CDor  offenbar  neben  öem  Anfeilen,  roeld^es  fd)öne  Kleiöung 
öem  mann  Derlief),  unter  anörem  auc^,  mit  öie  obige  Stelle  3eigt,  öer 
Umftanö  fitr  öiefe  Sd)ä^ung  maggebenö,  öag  il}r  öen  Sc^ntilienbeöarf 
äberfd)reitenöer  (Ertrag  auf  öem  ITIarkt  Abfa^  fanö.  Sie  mar  eine 
fpe3ififci)e  (Qualitätsarbeit  öer  S^^uenf^anö  unö  als  innerf^alb  öer 
Somilie  ftd)  oollsief^enöer  ^f^ausfleig"  lieg  fie  fic^  mit  öen  fonftigen 
^uslici)en  Derrid^tungen  unö  öer  ITIutterfd^aft  oereinigen. 

Alleröings  öarf  man  öie  Beöeutung  öiefes  Hbfa^es  auf  öem 
niarkt  nid)t  überfc^ö^en.  Die  breiten  unteren  ITIaffen  öer  antiken 
Dölker  kleiöeten  fid)  im  IDinter  in  5^1^^  <>ber  f)ausgefpinnfte,  unö 
aud)  öer  Beöarf  an  feineren  (Kemeben  in  öen  oberen  Sd)ic^ten  mar 
relattD  gering  unö  muröe  möglic^ft  im  eignen  f)aust)alt  f^ergeftellt. 
Dor  allem  aber  mug  man  fid)  oor  öem  (blauben  fluten,  als  ob  öie 
ökonomifc^  Sd^ö^ung  öer  Arbeit  öer  ein3elnen  tüchtigen  fjausfrau 
öie  fojiale  unö  rec^tUd^e  ()ebung  öer  (battung  beeinflußt  f^abe.  Das 
mar  im  Altertum  fd}on  öesf^alb  unmöglich,  meil  öie  antiken  Kulturen 

»)  Sprüdjc  31:  D.  12-31. 


88  Die  (E^e  bei  ben  antiften  UuItuTDöIftem. 

auf  SftlaDenbefi^  unb  Sfilaoenarbeit  ruhten  unb  bie  fjausarbeit  ber 
5rau  fid)  gemeinfam  mit  Sblapen  DoIIsog.  Dabei  brückt  bie  Skia* 
Derei  bie  Stellung  ber  Sxan  in  boppelter  tDeife.  (Einmol  als  (bt» 
fd)Ie(^tsiDe{en,  meil  bie  Sklapinnen  ftets  ber  Proftttution  burc^  btn 
tjerm  preisgegeben  loaren,  ferner  aber  brü&te  fie  bie  „IDilrbe''  ber 
Arbeit.  3n  ben  kleinbürgerlichen  unb  bäuerlichen  Sc^ic^ten  {d^änbete 
3U)ar  bie  Hrbeit  nic^t  unbebingt.  3n  Babplon,  in  Alt'(5rie(^enlanb 
unb  im  alten  Rom  arbeitet  nodj  ber  tjaus^crr  mit  auf  bem  S^^bt, 
5ufammen  mit  ben  Sklaoen,  toö^renb  bie  Stau  5U  fjaufe  Ipinnt.  Aber 
mit  Ancoac^len  ber  Kauffklaperei  enttoidtelte  fic^  bie  Derac^tung  ber 
{klaptfc^en  Arbeit.  tDo  immer  bie  5^^i^i^  ^  erf^tuingen  konnte, 
u)urbe  bes^alb  bei  Derfeinerung  ber  Sitte  bie  (Tochter  für  bie  (E^ 
mit  Sklaoinnen  ausgeftattet,  um  fte  oon  ber  perfönlid^en  Beteiligung 
an  grober  körperlicher  f)ausarbeit  3U  befreien.  (Belberroerb  ber  S^Q» 
burd)  anbre  £eiftungen  aber  roar  bie  Ausnal}me.  DergegentDÖrtigen 
mix  uns,  roelc^e  Arten  oon  auger^äuslic^er  Arbeit  ber  Stau  über* 
I}aupt  bamals  offen  ftanben,  fo  5eigt  fic^,  ba^  i^r  fe^r  enge  Sd^ranken 
gefegt  roaren.  Der  Beruf  bes  freien  „Dienftmäbc^ens"  fiel  |o  gut  wie 
gan3  fort  infolge  ber  Sklaoerei.  IDir  finben  freie  S^öuen  in  fremben 
fjäu|ern  l)öc^|tens  als  Ammen;  Jonftige  gemietete  Dien|tboten,  3.  B. 
Aufmärter,  roaren  bagegen  immer  ITIänner.  3tn  freien  gelernten 
(janbtoerk,  b.  Ij.  in  ber  berufsmäßigen  Derroertung  qualifi3ierter  Arbeit 
gegen  £of}n  ober  burd)  Abfa^  eigner  Arbeitsprobukte,  bas  toir  tro^ 
ber  Sklaoenarbeit,  bie  auf  feiner  (Entfaltung  laftete,  auc^  im  Altertum 
oielfad)  in  meitgef^enber  Spe3ialifierung  finben,  ift  bie  S^<^^  offenbar 
nirgenbs  in  nennenstoertem  Umfang  beteiligt.  Die  ettoa  Dorkommen* 
ben  Söfi«  toaren,  jotoeit  es  fic^  nidjt  um  btn  gelegentlidjen  Ab|a^ 
eigner  tjausfleißprobukte  l)anbelte,  fic^erlidj  Ausnaljmen.  Demoft^enes 
eriDäl^nt,  bag  in  ber  legten  Seit  bes  peloponnefifc^en  Krieges  bie  ITot 
fo  groß  mar,  ba^  aud)  bie  S^^uen  (Bürgerinnen)  als  f)etmarbeiterinnen 
für  ben  Abfa^  gearbeitet  l^ätten.  Das  galt  alfo  als  etmas  Befonberes, 
Aufeerorbentlic^es.  ITIan  lie^  eine  (Eodjter  eben  nidjt  in  bie  Cefjre 
gelten,  ba  es  roirtfdjaftlic^  toeber  nötig  noc^  loljnenb  roar.  31?^^ 
ökonomifc^e  Beftimmung  coar  ^aus>  unb  (Ee|rtilarbeit,  baneben  eoen« 
tuell  51^<^t«"  u"^  Stidien  unb  allgemeine  Beifjilfe  im  ffiefc^äft  bes 
niannes.  Selbft  baoon,  ba%  Sklaoinnen  3U  fjanbroerkern  in  bie  Celjre 
gefd)idit  toären,  ift  mentg  bekannt,  toöt^renb  es  bei  Sklapen  fef^r 
Ijäufig  toar.   Heben  ben  „Berufen"  ber  Amme  unb  etroa  ber  ([än3erin 


Dorbemerkung.    flQgemetner  (Ef^araftter  ber  Beeinfluffung  k.    89 

unb  51ötenfpielerin,  bie  bem  Dirnentum  naf^e  ftanben,  trat  bie  Stau 
auf  ben  «marftt"  regelmäßig  nur  als  Betaillifttn  ((}ökerin),  tDirtin, 
Dermalterin  bts  (5e|c^Qfts  unb  Befi^es  nai)  bem  (Eobe  if^res  ITIannes, 
kuT}  als  KIein*UntemeI}merin  unb  Befi^ecin,  fomeit  fie  als  Rec^tsper* 
fönlid^lieit  itber^aupt  |c^on  anerkannt  u)orben  u)at.  -  Aber  bas  alles 
tritt  gegen  if^re  innerf^öuslic^e  Tätigkeit  u)eit  3urü(k. 

Die  Befonberf^eit  ber  S^auenarbeit  mar  es  alfo,  bamals  mie  l^eute, 
bag  fie  ftd)  in  meit  geringerem  ITIage  als  bie  bes  ITIannes  in  „ITIarkt- 
amren",  bie  in  (5elb  umgefe^t  u)erben,  oergegenftönblic^en  lieg. 
neben  anbem  ITIomenten  trug  fic^erlic^  aud)  bies  ba3u  bei,  bag  fid) 
au^  bei  ben  ^KulturDöIketn"  bie  ben  „naturDÖlkern"  eingen)ur5elte 
Dorftellung  Don  ber  IDettüberlegenf^eit  aller  ITIanner'  über  alle 
5rauen-£eiftungen  ert)ielt.  Hatütlid)  fpiegelt  fic^  biefe  t)öf)erfc^a^ung 
oller  männlichen  Sanktionen  auc^  in  btn  Rec^tsorbnungen  aller  alten 
Kulturoölker.  3m  einselnen  merben  coir  babei  freilid)  bie  faktifc^e  unb 
red)tlid)e  £age  ber  Stauen  im  Altertum  tro^  gan3  gleid^artiger,  tppi* 
|<^,  »irtldjaftlidjer  Stauen«£ei|tungen  berart  ocrfd)iebcn  finben  - 
man  bead^te  nur  bie  Derfd)iebenl)eit  ber  £age  ber  Hegppterin  unb  ber 
(bried)in  — ,  ba^  fic^  uns  immer  u)ieber  bie  (£infid)t  Don  ber  ungel^euren 
Dielgeftaltigkeit  ber  (Einflüffe,  bie  bas  Stauenlos  beftimmen,  aufbröngt. 
Seine  kaufale  (Erklärung  burd)  ökonomifc^e  ITIomente,  namentlid) 
bvLxd^  tf)re  eigenen  mirtfd^aftlic^en  £ctftungen  allein,  Dcr|agt  DoUftänbig. 

3n  einem  loic^tigen  Punkte  profitiert  bie  Stau  Don  ber  3erfe^ung 
ber  alten  (bebunbenf^eit:  Sie  f^at  bie  (Ef^ance,  if^rerfeits  (Eigentümerin 
iDertDOÜen  Befi^es,  fpesiell  Bobenbeft^es,  5U  tperben,  unb  m  e  n  n  bies 
ber  Sali  ift,  bann  geminnt  fte  bei  ber  (Ef}e{d)liegung  ein  materielles 
Cigengen)id)t,  melc^es  regelmäßig  in  oertragsmäßiger  Sid)erung  if^rer 
perfönlid)en  unb  oermögensrec^tlic^en  Stellung  3um  Ausbrudi  gelangt. 
Die  befiftenbe,  nic^t  bie  arbeitenbe  Stau  mar  im  Altertum 
ebenfo  roie  bei  ben  ITaturDÖlkern  (Erägerin  bes  ^Sott|d)ritts*'  in  ber 
tl)eentu)i<fclung.  IDie  roeit  biefer  Sottfdjritt  ging,  Ijing  aber  oon 
3af)lreid)en  anbren,  nid)t  ökonomi{d)en,  Saktoren  ab.  Denn  es  fegt 
bei  ben  Kulturoölkern  mit  bem  3urüditreten  bes  taglid}en  Hingens 
um  bie  (Enften3  unb  eines  bauernben  Kriegs*  unb  Haub'^uftanbes  bie 
Cntuiidüung  oon  „IDertibeen''  ein,  coeld^e  bie  (Eenben3  f^aben,  bas 
f)errenbeiDußtfein  bes  lUannes  ab3ufd}a)äc^cn:  Heligiöfe  An[d)auungen, 
fittlic^e  unb  konoentionelle  normen  gewinnen  nun  erft  bie  IHöglid^keit, 
im  BecDußtfein  auf3utaud)en,  unb   b^n  Spielraum   ftd)   aussumirken. 


90  Die  (E^e  bei  btn  antiken  Uulturoölbem. 

o^ne  jeöen  Augenblick  an  btn  tierifd^en  £etbenf^Qften  be$  ausf^Iteg« 
lic^  Don  ,,f}unger  unb  £iebe"  be^errfc^ten  £ebens  3U  {^eitern.  Allein 
jene  ibeeüen  IHä^te  gestalten  nun  i^rerfeits  bie  Stellung  ber  5^ou 
im  einselnen  gons  augerorbentlic^  Der|c^ieben.  IDos  bei  btn  Xiatwc* 
Dölftem  bis  3U  einem  geioiffen  (Brabe  mögli^  wax:  bie  (Erklärung  ber 
oerfc^iebenen  Sormen  bes  5^^ili^nlebens  unb  ber  Stellung  ber  Stau 
Dormiegenb  burd)  bie  Derf^iebenen  £ebensbebingungen,  oerfagt  bes« 
^alb  -  abgelesen  von  btn  fc^on  früher  erörterten  (Brünben  ber  oko« 
nomi|d)en  3rrationaIität  bes  5<i^ili^n^^<^ts  —  bei  ben  Uulturoöl' 
kern  oft  DoOftanbig.  IDir  roerben  fogar  barauf  gefagt  fein  mfiffen, 
bag  ^öufig  grabe  bie  bebeutfamften  Befonber^eiten  ber  oerf^iebenen 
Red)ts{t)fteme  jeglicher  Surüdtfiil^rung  unb  (Einorbnung  in  allgemeinere 
Uulturbebingungen  fpotten,  unb  bag  roir  uns  alfo  bamit  begnfigen 
muffen,  oft  grabe  bie  auffölligften  Abweichungen  Don  btn  tppif^en 
Besie^ungen  ber  (5ef(^lec^ter  nur  konftatieren,  aber  entmeber  gar 
nic^t  ober  bo^  nur  ^t)potl)etifc^  naii  i^ren  Urfac^en  erklaren  3U 
können.  Se^r  oft  l^at  eben  eine  Konftellation  sa^lrei^er,  im  Dunkel 
ber  Dorgefc^ic^te  Derlorener  Urfac^en  im  £aufe  groger  3eitraume  bie 
ftttlic^en  unb  kouDentionellen  normen  geprägt,  toelc^e  für  bie  red)t* 
lic^e  (Drbnung  ber  5^^il^^  beftimmenb  tourben.  Unb  bies  ift  grabe 
bei  btn  älteften  ber  „alten"  Kultumationen  —  btn  orientalifc^en 
-  am  meiften  ber  Sali,  roeil  bie  (Quellen  über  iljre  (Befc^ic^te  erft  3U 
fliegen  beginnen,  als  fie  -  toie  {old)e  Denkmaler  toie  bie  Ppramiben 
Aegt)ptens  unb  bie  Palöfte  Babqlons  seigen  —  bereits  3<i^rtaufenbe  ma« 
terieller  unb  geiftiger  Kulturentmi&lung  f^inter  ftc^  f^atten.  Aber  auc^ 
oon  ben  3uben,  (butiftn  unb  Römern  reichen  fic^re  ITac^ridjten  nur 
bis  ins  Seitalter  doü  entmiAelter  ftöbtifc^er  ITIittelpunkte  5urück.  Selbft' 
Derftönblic^  ift  bes^alb  bei  if^nen  aüen  bas  Dolle  prioateigentum  am 
(Brunb  unb  Boben  unb  bie  Dorf^errfc^aft,  toenn  auc^  nid)t  immer 
bie  Aüeinf^errfd^aft,  ber  Kleinfamtlie  3U  finben.  Aber  im  übrigen  finb 
bie  Unterfc^iebe  ber  S^^ilienoerfaffung  fo  grog  roie  möglid). 

A. 

f)öc^ft  auffällig  unb  in  it^ren  Urfac^en  gar  nid^t  3U  erhellen  ift 
bie  (Eatfac^e,  ba^  bie  S^^^  ^^^  btm  älteften  Kulturoolk  ber  IDelt, 
ben  Aegpptern,  in  einer  Dteltaufenbiö^rtgen  (Enttoidilungsepod^e  eine 
l)öt}ere  rec^tlid^e  unb  3ugleid)  auc^  gefellfd^aftlic^e  Stellung  errungen 


A.  Die  (E^c  in  flcgijpten.  91 

^t,   als   bei  irgenb  einem  anbren  größeren  inbogermantfc^en  ober 
femitifd^en  KuIturDoIk. 

IDte  in  bet  S^ii^seit  bes  ägqptifc^en  HItertums,  aus  bem  uns 
keine  eigentlid^en  Rec^tsbenfnnaler  erf^alten  finb,  bte  Sitte  bas  £eben 
ber  5^^u  gestaltete,  erfal^ren  mir  tDenigftens  anbeutungscoeife  aus  ben 
Darftellungen  ber  (5rabbenlimaler  unb  einseinen  alten  literarifc^en 
Dokumenten.  So  finb  aus  ber  Seit  ber  IV.  Di)na|tie  (um  3000  o. 
C^r.)  Seic^nungen  erhalten,  bie  IHann  unb  5^ou  auf  einem  gemein* 
{amen  Si^,  ober  bie  S^^^  neben  bem  manne  |tef}enb  unb  i^ren  Arm 
auf  feine  Schultern  ftü^enb,  barftellen.  IDir  feigen  femer  fotDO^I  Der* 
^iratete,  roie  unoerf^eiratete  S^^uen  mit  Abseic^en  priefterlic^er 
IDürbcn  abgebilbet  unb  als  „Wienerinnen  bes  großen  Aottes"  be* 
3eid)net.  ITtit  biefem  prieftertum  ber  S^^u  f^at  es  folgenbe  Bemanbtnis: 
3n  ber  älteften  (Epoche,  beren  Kulturf^öt^e  natürlid)  auf  einen  Diel« 
taufenbjöf^rigen  oorf^iftorifc^en  IDerbegang  f erliegen  lägt,  bekleibete 
jebe  perfon  Don  Rang  -  Stauen  |o  Qut  u)ie  ITIänner  -  neben  iljrem 
iDeltlic^en  Beruf  nod)  ftunbenroeife  töglid)  ein  (Eempelamt  ^).  Die 
Srauen  bleuten  in  ber  Regel  3iDei  Göttinnen,  ber  Reitl)  unb  ber 
f}atl)or.  Bis  fic^  bann  aber  neben  bem  £aienprie[tertum  eine  ftönbige 
Berufspriefterfc^aft  f^erausentmickelte ,  mürben  bie  f}öd)ften  IDürben 
immer  nur  pon  Hlönnem  bekleibet.  -  Die  (Entroicklung  ber  Arbeits« 
teilung  unb  Berufsglieberung  t^atte  alfo  f^ier  auf  bem  (Bebiet  religiöfer 
Bebürfnisbefriebigung  biefelben  5oIgen  mie,  3umeift,auf  iDirtfd^aftlic^en: 
ber  mann  übernal}m  bei  ber  ,,augerl}auslic^en  Berufsarbeit"  bie 
Süljrerfdjaft.  -  3m  „neuen  Reic^"  (oon  1530  an)  ift  bann  bas  £aien« 
element  nur  noc^  am  Kultus  beteiligt  unb  5^^uen  fungieren  nun  in 
ben  3af}IIofen  (Eempeln  faft  nur  nod)  als  mufikantinnen.  Bis  fold^e 
|bib  fie  aber  offenbar  unentbel^rlid),  unb  man  ef^rt  [xt  baöurc^,  bog 
man  fie  als  „tjarem  bes  (Bottes"  unb  ein3elne  aus  ben  oornefjmften 
Kreifen  ftammenbe  als  „oberftes  Kebsmeib"  bes  ffiottes  ober  gar  - 
»ie  3.  B.  bie  tfjebanifc^en  Königinnen  -  als  ,,(Bottesn)eib*'  Hmons, 
b.  Ij.  in  unferer  Sprache  als  feine  legitime,  irbifc^e  (Battin  be3eid)net. 
Die  Aufgabe  aller  biefer  IDürbenträgcrinnen  fd)eint  fid)  aber  lebiglidj 
auf  bas  Spielen  bes  Siftrum  oor  bem  6ott  befdjränht  3U  fjaben. 

5rauen  als  Königinnen  kraft  eigenen  Rechts  kommen  öfter  oor. 
meift  merben  fie  toofjl  in  (Ermangelung  männlicher  (Erben  auf  ben 

»)  €nnan  a.  a.  ®.  11.  S.  392  f. 


92  Die  (E^e  bei  bm  antiften  Kulturoölftem. 

([^ron  gelangt  fein,  fie  behielten  i^re  fjerrfc^errec^te  bann  au^  nac^ 
i^rer  Der^eiratung,  tDurben  )eboc^  bei  aüen  Regierungs^onblungen 
von  i^ren  (Balten  Dertreten  -  ein  Seichen,  bafe  eben  bodj  von  einer 
öffentlich  rechtlichen  (Bleic^fteüung  felbft  biefer,  burc^  i^re  Abftammung 
3U  i^rer  IDürbe  gelangten  S^^uen,  im  allgemeinen  n\d)t  bie  Rebe  toar. 

nur  im  „neuen  Heic^"  begegnen  vdxx  ani)  einer  Königin,  ber 
„großen  tjatjepju",  bie,  tro^bem  fie  Brüber  befafe,  beren  einer  über» 
bies  \1}X  6atte  roar,  iiber  20  3a^re  gans  felbftänbig  unb  fe^r  energifc^ 
allein  regiert  ^at.  Um  bies  3u  ftönnen,  f^at  fie  aller  tDa^rf^einlic^ 
fteit  nac^  il)ren  alteren  Bruber  unb  (batten  umbringen  laffen  unb  ben 
jüngeren  unter  beftänbiger  Dormunbfc^aft  gehalten,  d^aroftteriftifd^' 
roeife  lieg  fie  fic^  aber  immer  mit  einem  ftünftlic^en  Bart  -  einem 
(Eeil  ber  offi5ienen  ägi)pti{ci)en  Königstrac^t  —  abbilben,  erfc^ien  dfo 
bei  if^ren  politifci^en  5unMionen  als  ITIann. 

Aue  politifc^en  Aemter  mürben  fonft  ausnahmslos  nur  oon  ITIan' 
nein  bcWeibet.  Stoar  ftommt  im  mittleren  Rei^  Dererbung  geroiffer 
^ol)er  Staatsömter  auf  S^^^uen  Dor,  allein  fte  mußten  bann  —  ö^nlic^ 
u)ie  öfter  in  mobemen  (bemeinbeorbnungen ,  bie  ftimmberec^tigten 
(Brnubbeft^erinnen,  -  bie  bamit  Derftnüpften  Rechte  bur^  männliche 
Dertreter  ausüben  laffen.  Don  einer  allgemeinen  matriarc^alen  (Eeit 
na^me  ber  5^öuen  an  öffentlichen  Rechten  finbet  fic^  in  keiner  (Epod)e 
irgenb  eine  Spur.  Dagegen  seigen  alte  IDanbgemölbe  fie  uns  an 
aller  6e|enigfeeit  teilneljmen:  Bei  ffiaftmä^Iem  fi^en  Rlänner  unb 
Srauen  in  bunter  Reil}e,  6atte  unb  6attin  empfangen  sufammen  i^re 
ffiäfte  u.  f.  tD.  -  jebenfalls  3eid)en  einer  gefellfc^aftli^en 
Stellung  ab|oIut  anbrer  Art,  als  fie  bie  Si^öuen  fonft  im  (Drient  unb 
bei  ben  (Briec^en  ber  klaffifc^en  (Epoci^e  einnal)men. 

Hlle  biefe  (Eatfaci^en  beleuchten  nun  freilief}  nur  bie  f05iale  Stellung 
ber  5^Quen  Domeljmer  Stäube.  Dag  pdj  jeboc^  auc^  bie  Stau  ber 
unteren  DoIksfc^id)ten ,  beren  fafttifc^e  £age  ftark  umftritten  ift  unb 
u)ol)I  inbioibueü  fo  Derfc^ieben  voax,  u)te  l^eute,  immerf^in  relatio  frei 
unb  felbftänbig  betoegt  l^at,  barf  Dielleici)t  aus  ben  (Er3äI}Iungen  bes 
älteften  „flfrihareifenben",  (jerobot's,  gefc^Ioffen  werben,  flis  auf» 
fäüigfte  Canbesptte,  toeil  fie  bm  fdjärfften  Kontraft  3U  ber  ^eimat» 
liefen  bilbcte,  erf eisten  if^m,  ba^  bie  S^^^uen  bie  (Einkaufe  auf  bem 
ITIarht  beforgten,  loäljrenb  bie  ITIänner  baljeim  am  IDebftuljI  fafeen; 
unb  ift  auci}  (}erobot  in  oielem  anbren  faifci)  berici)tet,  bie  Richtigkeit 
biefer  (Eatfac^e  traben  bie  ITIonumente  beftätigt.    5i^^Ui4  Ut  i^r  nic^t 


A.  Die  (E^e  in  flegijptcn.  93 

oOsuDiel  (bewidit  beisulegen,  konnte  fte  boif  au^  lebiglt^  Solqt 
6er  Arbeitsteilung  3iDi|(^en  öen  (Bef^Iec^tem:  öer  fjaus^altsfüf^rung 
ber  $xau  unö  öer  (.proöuktiDen"  iDirt|c^aftItd)en  (Eätigkeit  öes  IHannes 
für  öen  ntarkt  unö  [einer,  in  biefem  konkreten  5^^  einmal  baraus 
folgenöen,  (bebunben^eit  an  öen  IDebftu^l,  {ein,  tueld^e  allerbings  fonft 
im  Altertum  keine  parallele  finbet. 

Cine  Befonbert^eit  ber  ägpptifc^en  Sexual '(Et^ik  ift  bie  (be* 
fd)n)ifter-(E^e.  3m  (begen|a^  5u  ben  in  f)iftori|c^er  Seit  bekannten 
Anf(4auungen  aller  alten  Kultur*  unb  ber  tueitaus  meiften  ITaturoöIker 
galt  fle,  toenigftens  in  ber  fjerrfd^erfamilie  unb  bei  ben  angefe^enften 
<Bef(^Ied)tem,  nic^t  nur  als  erlaubt,  fonbem  als  nattirlic^fte  unb  smedt* 
magigfte  Derbinbung,  bie  burd)  bas  Dorbilb  ber  göttlichen  (befd^mifter« 
paare:  ®|iri$  unb  3fis,  Set  unb  ITep^tt^s  noc^  befonbers  geroeif^t  mar. 
3n  ben  oomef^men  unb  befi^enben  Klaffen  tourbe  fte,  als  beftes  mittel 
um  Crbftreitigkeiten  unb  Dermögensteilungen  3U  Dermeiben,  unb  3U)eifeI' 
los  aud^  aus  Stol3  auf  bas  eigne  Blut  beDor3ugt.  Aus  biefem  (brunbe 
fyä  fle  fogar  bas  griec^ifc^e  fjerrfc^ergefc^Iec^t  ber  ptolemöer  über* 
nommen.  Diefe  Rückfic^ten,  bei  bem  Königsgefd^Iec^t  überbies  feine 
<bottIid)keit,  fc^tuerlic^  aber  irgenb  ein  Rückftanb  ber  angeblid^en  ,,pri« 
mitioen  Cnbogamie'',  bürften  bie  (Erfc^einung  erklaren.  Denn  im 
übrigen  3eigt  bie  gleid)  nöf^er  3u  ermöf^nenbe  Korrefponben3  bes 
P^ao  mit  bem  babqlonifc^en  fjerrfd^er  in  btn  (Eafeln  Don  (Eeü-el« 
Amoma,  bog  baneben  (Eintaufc^  Don  Königstöchtern  3ur  (Ef^e  gegen 
IDoren  (fpe3ien  (bolb)  gan3  üblic^  mar. 

Re^tUd)  3ulaffig  unb  unter  btn  IDof^If^abenben  oielfac^  üblid) 
OHtr  in  allen  (Epochen  bie  fjalb'PoIpgamie:  ber  ITIann  t^atte  in 
ber  Regel  eine  fjauptfrau,  bie  ftc^  il}m  unter  Beobachtung  beftimmter 
Sormalitöten,  teilmeife  auc^  religiöfer  3eremonien,  oerbanb.  Sie  mirb 
als  Ijerrin  bes  tjaufes  (lubt  pa)  be3eic^net  unb  teilt  mit  ifjm  bie 
IDo^nung.  Baneben  kann  er  öann,  menn  es  feine  mittel  geftatten, 
Konkubinen  galten,  öie  für  ftc^  mit  il^ren  Kinöem  „im  fjaufe  öer 
Abgefc^Ioffenen"  mo^nen  unö  nic^t  feiten  unter  f trenger  Auf ftd^t  ftef^en'). 


')  3(^  kann  mtd)  nid}t  entfd}Iicgen,  öiefe  S^xm  pluraler  6efd}Ie(i)tsbe* 
jiclyungen  3U  einer  f^auptfrau  unö  mel^reren  Kebf en  toie  es  f onft  in 
öer  iurtfttfd)en  Literatur  überall  üblid)  ift  als  „Hlonogamte''  ju  bejeid}nen, 
veti  td)  eine  öerartige  loette  Anioenöung  ötefes  Begriffes  ju  mt^Derftönö« 
lid)  finöe.  tDenn  3.  B.  l)ter  unö  öort  in  öer  £iteratur  gefagt  ift,  öie 
Aegi^pter  lebten  ftreng  monogam,  eben  toetl  fie  in  öer  Regel  nur  eine  „U» 


94  Die  (E^e  bei  btn  antiften  Uulturoölftern. 

Auc^  Bigamie,  alfo  formelle  (E^efc^Iiegung  mit  5iDei  glei^bere^tigten 
(Battinnen,  ftommt  in  allen  (Epochen  oereinselt  Dor,  unb  bie  Könige 
^aben  fogar  f^öufig  mehrere  „groge  ^öniglic^e  (Bema^Iinnen". 

Das  Derl|ältnis  bes  IHanncs  3ur  „legitimen"  (Battin  {^eint  fe^r 
innig  geioefen  3u  {ein;  fie  begleitet  i^n,  loenn  er  im  Sc^ilfnac^en  über 
bie  Sümpfe  3ur  Dogeljagb  fä^rt,  pe  {c^lingt  auf  manchen  Bilbem  i^ren 
flrm  um  i^n,  unb  bie  3n|c^riften  bes  „alten  Reichs"  rühmen  ben 
(Gattinnen  nac^,  bag  fie  Don  il}ren  (bauen  geehrt  roorben  feien  ^).  — 

So  toeit  bie  menigen  fieberen  fiulturgefc^ic^tli^en  na^ri^ten.  3m 
übrigen  liegt  auf  ber  S^^ntilienDerfaffung  bes  „alten''  Reichs  ein  oölliges 
Dunfiel.  Aus  gans  Dereinselten  (Eatfac^en  roill  Reoillout  fd^Iiegen,  bog 
fic^  im  „mittleren"  Reic^  (feit  2100)  -  einer  (Epoche,  bie  Aegi^pten 
einige  ftriegerifc^e,  tatkräftige  fjerrfc^er  unb  eine  Art  Don  S^ubd* 
Derfaffung  brachte  -  bie  £age  ber  (Ehefrau  gegen  früher  ettoas  ge* 
fenftt  f^at.  Abbilbungen  aus  biefer  Seit  seigen  fie  ni^t  neben,  fonbem 
meift  3U  Süfec"  i^^^s  IRannes  fi^enb,  laffen  alfo  auf  ein  ftärfteres 
männli^es  fjerrenbetDugtfein  fc^Iiegen.  Unb  in  einer  3nf(^rtft  roirb 
eine  S^au  unter  ben  (Erbobjeftten  i^res  Sohnes  aufgesä^It.  Die  Briefe 
frember  f)errfc^er  an  ben  Pharao,  bie  aus  biefer  Seit  erhalten  ftnb, 
fprec^en  nur  Don  feinen  S^^wen  unb  Söljnen,  nie  oon  ben  (Eö^tem, 
unb  feften  übcrljaupt,  toic  u)ir  fe^en  toerben,  tjcrrfc^aft  bes  patriar* 
c^alismus  poraus.  ReDÜIout,  ber  eine  groge  ^iftorifc^e  p^antafie 
beft^t,  aber  nid)t  immer  unbebingt  suDerläfftg  ift,  glaubt  aus  jenen 
erftgenannten  beiben  (Eatfac^en  eine  entfc^iebene  IDenbung  erft  biefer 
(Epod)e  5um  patriarc^alismus  5U  ernennen,  bie  er  bem  (Einfluß  femittfc^* 
aftatifc^er  Sitten  auf  bas  alte  einl^eimifc^e  atf^iopifc^e  Rec^t  5ufd)reibi 
(Db  bem  fo  ift  unb  ob  bie  R  e  c^  t  s  läge  ber  Stauen  im  ,,alten  Reic^" 
mirftlic^  eine  günftigere  mar,  muffen  u)ir  jebod)  Döllig  ba^ingefteüt 
laffen. 

Als  fieser  bürfen  mir  nur  bas  (Eine  fejtftellen,  bafe  bie  ögi^ptifc^e 
5rau  in  ber  3cit,  für  toeldje  u)ir  ein  urfeunblic^es  ITIaterial  befi^en, 
DoUe  juriftifc^e  ^anblungsföt)tgfteit  befeffen  f^at.  ITirgenbs  finbet  fi(4 
por  allem  auc^  nur  bie  Spur  einer  6efc^led)tsDormunbfc^aft,  bie  aber 
überl)aupt   bem   gan5en  (Drient   fe^It.    Snx  Aegppten   finb   sa^tlofe 

gttime"  (batiin,  6te  aber  bas  f)altett  eines  9an3en  f)arems  nid)t  ausfc^Iog, 
beladen,  |o  getoinnt  man  öaöurd)  kein  3utreffen6es  Bü6  uon  bem  €ntiDi(h« 
lungsftanö  il)rer  (El)emoraI. 

»)  (Erman  a.  a.  ®.  I.  S.  217. 


A.  Die  (Ef(e  in  ftegqpten. 


95 


nifkontroktc,  Denn6gtnsüberf(t)teibitiigcn,   t£i;coeitiägc,   Dailet)erts* 
"Hagen  u.  i.  m.  «Tt)alten.  bie  aU«hi  doii  5c<ii'en  ausc|«|teUt  unb  unlet- 
j«d)itel  ymb.   alfo  jelgen,    ba^  b'it  Srau  meber  Im  (KefdgäftSDcifiefir 
nod)  Dor  1ficTlcl)t  fints  männli(l}en  BcMlanös  bebuifU. 

AI«  ältcfte  bis^FT  bthanntc  5*)""  ^"  cl]cU<t]en  Dtmiögtnsrtgu* 
[ICTung,  bit  ein  wenig  Clc^t  auf  öie  Stellung  bei  (Ef^efrau  in  alter 
^il  virft,  fiel)l  KeDÜIout  -  bem  mix  uns,  unter  allem  Dorbtljdlt, 
t)ter  einmal  anoertrouen  moUen  —  Me  iogenannleti  flmpa-Deriräge  an, 
bnm  Alter  natf)  icintr  Hnfid^t  bis  jiir  MI  tii)naftie  (um  2000) 
jur&diieic^t ').  Diefe  Uihunben  finb  jugleid;  i£t}e<  untt  (EibDerlräge; 
btr  mann  IteUt  fie  aus  unb  oerii^reibt  barln  I)  ber  5<^(»<  (l"'n  (E'tl 
jeincs  Öermögens  als  IDitmeitDerforgung  unb  2)  iljrcn  gemeinfanien 
hfinfti^en  Ktnbern  feine  ganje  i>or[)aitbene  und  künftig  3U  eitDetbenbc 
Ijflbe.  Der  ITtann  bel)ielt  offfnbar,  fo  lange  er  lebte,  ben  bei  Jmu 
DeTfd} riebe nen  Dccmögensantdl  in  feiner  l^anb.  Die  Stl^enhung  Ijattt 
alio  roefentlid)  bie  Bebeulung,  fie  f^on  non  Beginn  btx  Sl)c  an  ft^m- 
boli|(^  juT  DTittigentümerin  feiner  I^abe  ]u  ma<^cn  unb  baburc^  Don 
bei  Konkubine  ju  unteridivibcn. 

fleljnlidi  einfädle,  n)Ql)r(d)cinli(^  unter  bem  (Einfluft  Des  fteigenben 
3ntFrc|^es  bei  Samilte  ber  Braut  an  beien  Si(t)eiuiig,  biieht  aus  bem 
Siauenhauf  entroidttlte  formen  bes  „et)ell(i]fn  (Silterred)l5',  vit  fie  bit 
flusfe^ung  jenei  IDita)enDer{orguii9  baifteUt,  iceröcn  uns  auii  bei  un- 
feien  eignen  Dorfatjren  miebei  begegnen.  Ctiaratttenftiid)  aber  ifl  bie 
Ctb^tRJrtlung  ber  hUnfligen  Klnber.  Autf)  fie  Ift  ganj  offenbar  als 
dn  Sd)nb  bei  .legitimen  Uljefiau"  gegen  bie  Itlithonhuiicnj  etmaign 
Konlnibinen  gebac^t.  Seugt  bei  tlTann  in  Suttunft  aud)  mit  anbeten 
Stauen  Kinbei,  |a  bleibt  bei  f^ouplfiau  bo<t)  immei  il)re  Stellung  als 
niuttCT  bet  Srben  bcs  lHannes,  unb  bamit  eine  |pc3lfif(^  fjöt^eie 
Pofition  gegenübei  aDen  feinen  anbien  ,S«unbinnen"  geftd)ett.  - 
So  DÜn|d)t  fid)  benn  au(^  in  einem  allen  £iebeslicb  aus  ber  Kameffi- 
benjeit  bie  Siau,  ba^  llji  ^leunb  fie  ,}ui  l)eiiln  feiner  (bötet  in 
Uttct  (Eigen|(l)aft  als  (battin~  madfe.  So  bejeidjncl  eine  fjeiratsuiltunbc 
btr  Seit  Pfammctidfs  II  (um  590  v.  ^x.)  bie  2l)eftau  oIs 
nultcr',  meldie  bie  $Qmilienr(d]te  übeiträgl  (mirc.  tiatismcitant 
I  (troiu  de  faniiUc)').  Das  bebeutet  abet,  roie  aus  bem  sugefe^ten 
I  b«s  ntannes,  feine  gonse  ^abe  ben  oon  i  ^  t  gebotenen 


96  Die  (E^e  bei  btn  antiften  Uulturoölkern. 

Kinbem  3U  ^interlaffen,  ^etDorge^t,  bag  fte  eben  „in  i^rer  Cigenf^aft 
als  (5attin"  ITIutter  ber  „legitimen  (Erben"  bes  IHonnes  unb  foIgIi<^ 
Dor  allen  anbern  5t<iuen,  mit  btmn  er  eine  gefd^Iec^tli^e  Derbinbung 
eingeigt,  beoorrec^tet  unb  in  t^rer  Stellung  gef^ü^t  {ein  foll. 

(Es  ift  dfo  gans  ftlar,  toie  roir  fc^on  im  Dorigen  Kapitel  an* 
beuteten,  bog  bie  „legitime  (E^e"  auc^  in  Aegqpten  eine  3nftitution 
im  3nterene  ber  (Ehefrau  unb  i^rer  Kinber  mar,  unb  ba^  eben  in 
biefer  materiellen  unb  re^tlic^en  Sicherung  ber  5^ciu  gegen  bie  poIi)> 
gamen  3nftinftte  bes  ntannes  it)r  c^araftteri|tif^er  Untertrieb  3U  allen 
lofen,  periobi|d)en  ober  auf  blogem  ftöufli^  ermorbenen  Befi^re<^t 
bes  niannes  beru^enben,  (Befc^Iec^tsbesie^ungen  beftanb. 

5iir  bie  S^^il^enDerfaffung  bes  Uönigs^aufes  gibt  bie  in  ben 
Safeln  Don  (Eeltel^Amarna  (14.  3af)r^.  d.  d^r.)  erhaltene  Korrefpon* 
btn^  eines  Königs  Don  Iltitani  mit  3U)ei  aufeinanber  folgenben  agpp* 
tifc^en  Pharaonen  (Dater  unb  So^n)  beseic^nenbe  Auff^Iüffe.  Der 
pf^araO'Dater  ITimmuria  ^at  bie  (Eo^ter  (Eatu^tpa  bes  Königs  oon 
initani,  nac^  langem  S^^H^^^n  um  fie,  geheiratet.  Himmurias  So^n 
ITap^uria,  ber  nad)  {einem  (Eobe  auf  btn  agpptifc^en  (Ef^ron  kommt, 
ift  aber  nic^t  ber  Sof^n  biefer  (Eod)ter,  fonbern  ber  Sof^n  ber  „großen 
5rau"  nimmurias,  ber  (Ei;  er  toirb  ba^cr  ber  „grofee  So^n"  genannt 
Dagegen  beseic^net  in  einem  Briefe  an  (Ei  ber  König  oon  Itlitani 
jeinc  (Eoc^ter  (Eatuljipa  als  bie  „junge  Itlitfrau"  ==  Hebenfrau  ber  (Ei. 
3n  leiner  Korrefponben3  mit  Ilap^uria,  bem  So^n  Himmurias  unb 
ber  (Ei  aber  be5ei(^net  er  ITapl^uria  gan3  ebenfo  als  feinen  „Sc^roieger* 
\ol}n"  unb  fid)  als  ben  Sc^toiegeruater,  toie  er  ben  Dater  ITimmuria 
unb  fic^  bei  bes  erfteren  £eb5eiten  beseic^net  ^atte.  (Es  fc^eint  alfo 
fid)er,  bog  ITapl^uria  bie  ITebenfrau  feines  Daters,  (Eatu^ipa,  bei  beffen 
(Eobe  Don  il)m  einfach  geerbt  l^atte.  Damit  ftimmt  es  bann  gut,  bog 
ber  Sc^cDiegeroater,  ber  König  oon  mitani,  Don  ITapf^uria  bie  £eiftung 
Don  5n)ei  (Bolbftatuettcn  oerlangt,  coelc^e  an  bem  Don  feinem  Dater 
Dertragsmögig  3U  leiftenben  Brautpreis  nod)  rü&ftänbig  feien,  unb 
ba^  Hapl^uria  fic^  biefer  Zumutung  aud)  fügt  —  freili^  inbem  er 
babci  ben  (Erbfc^cDtegerDater,  coie  bie  coeitere  Korrefponbens  ergibt,  bwcif 
Senbung  l)öl3erner,  ftatt  golbener  Statuetten  betrügt.  5^^  bie  ge- 
fd;öftnd)e  Seite  bes  (El}efd)luffes,  für  bie  fic^  bie  ftets  na^  (bolb  unb 
immer  coieber  nac^  6oIb  uerlangenben  Briefe  bes  Sc^roiegeroaters 
allein  intercffieren,  geljt  aus  ber  Korre|ponben3  ferner  ^eroor,  ba^  ber 
Sc^roiegeroater  (ber  König  Don  lUitani)  feine  (Eoc^ter  mit  einer  Ulit- 


A.  Die  (E^c  in  flcgijptcn.  97 

9tft  ausftattete,  6er  Sc^tDiegerfo^n  (ber  pf^arao)  einerfeits,  unb  3tDar 
ab  Kaufpreis  filr  bie  5^ou  unb  als  (Gegengabe  für  bie  ITIitgift  an 
öen  Sc^miegeroater,  £eiftungen  3ufagte,  anbrerfeits  auc^  birekt  an  bie 
iunge  Stau  (feiner  Hebenfrau)  (Befd^enhe  gab  unb  if^r  eine  fjausf^al« 
tung  einrid)tete.  IDer  bie  ngroge  S^^^''  ^^^  pi^arao  mürbe  -  fie 
»trb  aud)  in  ber  Korrefponben3  ,,f}errin  bes  fjaufes"  (bas  möre:  nebt 
pa)  genannt,  f)ing  offenbar  im  Königsf^aufe  gan3  ebenfo  oon  ben 
Ct^epahten  ab,  mie  bei  prioatleuten,  unb  bas  erfid^tlic^e  Sögem  bes 
Königs  oon  ITtitani  oor  ber  fjeirat  f^atte  feinen  (Brunb  oemtutlid) 
^arin,  ba^  feine  (Eod^ter  keine  df^ance  trotte,  bie  Krone  auf  it^re  Kinber 
3u  oererben. 

Detailliertere,  neuerbings  korrekt  ent3ifferte  (Ef^eoertröge  befi^en 
mir  nun  leiber  erft  aus  ber  3eit  ber  perferf^errfc^aft  in  Aegt)pten. 
Sie  ^ben  alle  ben  f}aupt3meck,  bie  (Ef^efrau  unb  if^re  Kinber,  möf^renb 
ber  (Ef)e  unb  fiir  btn  SM  if^rer  Sc^eibung,  oemtögensrec^tlid)  fidler 
3U  ftellen,  3um  (Eeil  entt^alten  fie  baneben  aud)  Derabrebungen  über 
bie  fittli(^n  Pflichten  ber  (baüm.  S^ft  ^^He  garantieren  ber  5rau 
eine  augerorbentlic^  günftige  Stellung.  Had)  ReoiUout  bilbete  bie  burc^ 
König  Bocc^oris  (730  o.  df^r.)  eingefüf^rte  oolle  Dertragsfreif^eit,  bie 
bem  (Ein3elnen  bas  Red)t  uerlief),  über  fein  (Eigentum  gan3  nad)  Be« 
lieben  3U  oerfügen  -  alfo  bie  DoIIe  Durd^füf^rung  ber  priuateigen« 
tumsorbnung  -  bzn  Hoben  für  bie  augerorbentlid)  günftige  (Entmick> 
lung  bes  S^^uenrec^ts.  IDie  bem  aud)  fei  -  -  jebenfalls  3eigen  bie 
Dokumente,  bai  es  ben  (Batten  in  ber  perfer-  unb  ptoIemaer3eit 
oönig  freiftanb,  it^re  (Et^euerf^öltniffe  nad^  Belieben  3U  regeln,  bog 
bie  Cf^e  alfo  nur  biejenige  IDirkung  auf  bas  beiberfeitige  Dermögen 
^eroorbrac^te,  meiere  bie  (bauen  ausbebangen,  unb  bog  biejenigen 
Stauen,  benen  ober  beren  Santilien  es  gelang,  für  \\e  bie  Stellung 
ber  ..nebt  [>a"  3U  fidlem,  eben  von  biefer  Dertragsfreifjeit  3U  profi« 
tieten  gemußt  f^aben. 

(Ein  in  ber  ptolemaer3eit  entftanbenes  (Er3eugnis  ber  fd^önen 
£iteratur,  ber  unter  Ramfes  II.  fpielenbe  Roman  bes  Setna,  ueran* 
f<^aultd)t  lebenbig,  mie  unter  Umftönben  folc^e  Dorteilt^aften  <E^- 
pakten  3U  ftanbe  kamen:  Setna,  ber  Sot^n  bes  großen  Ramfes,  oer- 
liebt  ft(^  auf  einem  Spa3iergang  in  bie  munberfc^öne  (Eabubu.  3f)n 
ergreift  fogleid)  fold^e  £eibenfd)aft,  bag  er  if^r  burd)  feinen  Diener 
brol^  lögt:  ^Unb  folgft  Du  nid)t  millig,  fo  braud)*  id)  (bemalt", 
labubu  empfangt  ben  Königsfof^n  f^öflid)  in  it^rer  IDof^nung,  bemirtet 

IPebf  r,  CMrau  nn^  Illuttrr.  7 


98  Die  (£i}e  bei  bcn  antiken  Kulturoölhem. 

if^n  unb  entjücbt  if)n  immer  mef)r,  bleibt  febo^  if^rerfeits  „referoiert". 
Auf  fein  Drangen,  if)m  bie  S^^uben  ber  £tebe  3U  gemäf^ren,  erU&rt 
fie:  „moi»  je  suis  saintc,  je  nc  suis  pas  unc  personne  du  commun"^) 
unb  n)ei9ert  bie  f^ingabe,  bis  er  i^r  eine  ,,sanch'S  b.  ^.  einen  (Eeil 
feines  (Sutes  als  (Ef^ef^enhung  unb  if^ren  künftigen  Kinbem  feine 
gan3e  f}abe  als  (Erbe  oerfc^rieben  f)abe.  Setna  lögt  fofort  feinen 
S^reiber  f)oIen,  um  bie  (Ef^epaUen  aussuftellen.  Aber  (Eabubu  lö^ 
if^n  auc^  \iOXix\.  noc^  ni^t  5um  3iel  gelangen.    Sie  tanst  in  burd^fic^« 

tigen  ©eroänbern  oor  iljm bis  fie  i^n  beftimmt  ^ot,  aud^  feine 

Kinber  aus  früherer  (E^e  3ur  ITlitunterfc^rift  bes  Dertrags  herbeiholen 
5U  laffen,  „bamit  fie  fi^  nic^t  unterfangen,  mit  meinen  Kinbem  über 
beine  6üter  5U  ftreiten".  (Er  gibt  it^r  in  allem  nac^,  bie  Kinber  muffen 
ben  (Ef^euertrag  (Eabubus  mituntersei^nen  unb  oerlieren  baburd^  alle 
Anfprüd^e  an  bie  oäterlic^e  (Erbf^aft.  ®b  biefe  (Er3a^Iung  ti)pifc^ 
Dorkommniffe  befc^reibt,  mug  natürli^  ba^in  gefteüt  bleiben.  Auc^ 
bie  nü^ternen  furiftifd^en  Dokumente  aber  5eigen  {ebenfalls  bas  (Eine, 
bog  bie  ,,Iegttime  (Ef)e"  ben  5^^^^"  ^^  ^ine  3nftitution  in  i^rem 
unb  if^rer  Kinber  3ntereffe  galt,  um  fi^  unb  if)re  Kinber  auf  äf)n* 
lic^e  IDeife  gegen  bie  5oIgen  bes  mönnlid^en  (Eriebs  5um  IDec^fel  ber 
6efd)Ied)tsbe5iet)ungen  5U  fi^ern. 

Seltfamerioeife  finb  nun  5n)ei  ber  ölteften  korrekt  entsifferten,  in 
bemotif^er  (b.  f).  fpat>ögt)ptif^er)  S^rift  uerfagten  Dokumente  im 
6egenfa^  5u  allen  jüngeren  Don  ber  Sxo^x  an  ben  Ulann  ausgefteOt. 
Unb  5n)ar  tft  aus  ber  3eit  Pfammetid)  III.  (525),  auf  einem  (Eeller^) 
oersei^net,  ein  Dertrag  erfjalten,  in  bem  f'd)  —  falls  Reuillout  ridjtig 
überfe^t  f^at  -  bas  niabd)en,  nad^bem  fie  hzxi  (Empfang  if^res  Braut« 
gelbes  beftötigt  ^at,  if^rerfeits  bem  mann  fo5ufagen  mit  „f}aut  unb 
fjaaren"  mit  tt^rem  gefamten  6ut,  if^ren  künftigen  Kinbern,  bis  3U 
hzxi  Kleibern  auf  ifjrem  Rücken  als  „Dienerin"  oerf c^reibt  ^).  Sie 
kniipft  bann  an  biefen  Selbftuerkauf  mit  bef^n)örenben  IDorten  nur 
bie  Bebingung,  bog  fie  für  immer  feine  ein5ige  %xayx  bleiben,  bog 
ber  mann  fie  nidjt  fortjagen,  unb  au^  nie  eine  anbre  „p<>ur  1^  Ser- 
vice de  ton  lit  dans  lef|ucl  tu  es"  ba3U  nef)men  barf.  ®b  nun  biefe 
Urkunbe  bas  üblid)e  Dertragsfd)ema  einer  beftimmten,  patriarc^al  be* 

M  Rcvillout,   I^rccis,  S.   1010  f. 

')  Das  BItertum  benu^te  fe^r  regelmäßig  ([on{d)erben  für  bie  Hufseid)* 
nung  aud)  jurtftifd)  iDtd)tiger  Dokumente. 

3)  Rcvillout.   Cours,   S.  218  f.   Prccis,   S.  997. 


A.  Di€  (Efjc  in  flcgijpten.  99 

einflugten  (Epod^e  o6er  ob  fie,  loie  mir  maf^rfc^einlid)  fd^eint,  nur  bas 
Proöukt  eines  inöioiöuellen  Seelen3uftan6es  leibenfd^aftli^er  £iebe 
6er  5^<3tu  unö  alfo  etioa  ein  (Segenftücb  5U  Setnas  Dertrag  ift,  -  fie 
jeigt  jebenfcUIs  ebenfo  öeutlic^,  mie  jener  Roman  bas  materielle  3nter« 
effe  ber  berec^nenben,  fo  if^rerfeits  bas  {eelifd^e  3ntereffe  ber  leiben« 
{(^ftli(^  liebenben  Sxau  an  ber  „legitimen"  (Ef)e.  Um  fie  3U  erlangen, 
fd^redit  ^ier  bie  S^<^^  nic^t  Dor  DöIIiger  Unterioerfung  3urück. 

Der  onbre  oon  einer  S^au  ausgefteüte  Dertrag,  aus  ben  3o^reM 
492/3  0.  ([^r.,  beurhunbet  nun  n)ieber  eine  gan3  anbre  Seelenftimmung. 
€r  entt^ölt  1)  bie  (Erklärung:  „Du  f}aft  mid)  3ur  S^^^u  gemacht",  2) 
bie  (Quittung  über  btn  (Empfang  bes  Brautgefc^enhes  (spcns  himetj, 
3)  bas  Derfprec^en,  bem  manne  bie  ef}elid)e  (Ereue  3U  (galten  unb  if)m, 
falls  fie  il)n  bennoc^  oerlögt,  bas  Brautgefd^enh  unb  eine  9mal 
l^l)ere  Summe  als  Strafgelb  unb  alle  mit  it^m  gemeinfam  ertoorbene 
fyibe  3urüdi3ugeben.  „IDenn  id)  Dic^  als  6attin  oerlaffe  unb  Did) 
^ffe  unb  für  mid)  einen  anbren  (Satten  fud^e  als  Did),  fo  gebe  ic^ 
Dir  3u  ben  Vi»  Deben,  meiere  Du  mir  als  Kauf  gelb  (Brautf^enhung) 
gegeben  ^aft,  noc^  "/lo  Deben.  mir  gefrören  fie.  3d)  trete  fie  unb 
alle  meine  fjabe  ah,  n)eld)e  id)  gemeinfam  mit  Dir  erioorben  f)abe, 
of)ne  irgenb  ein  IDort  3U  uerlieren'' ').  fjier  bokumentiert  fid)  alfo 
aud^  einmal  bas  3nteref{e  bes  mannes  an  ber  Dauer  ber  (Et^e  mit 
einer  beftimmten  Sxau.  Dag  biefe  babei  oertragsmögig  fi(^ 
3ur  (Ereue  Derpflid)tet,  ift  jebenfaUs  ein  Seichen  für  bie  prin3ipielle 
Ungebunbent^eit  unb  augerorbentlid)  günftige  Rec^tsftellung  ber  ägt)P' 
tif(^en  5^^uen  in  bamaliger  3eit.  Rn  fid)  befagen  fie  eben  genau 
Die  bie  mönner  bas  Rec^t  DÖIIig  freier  Sd^eibung,  unb  es  konnte 
offenbar  unter  Umftönben  aud)  für  bzn  mann  ratfam  fein,  fid)  im 
Doraus  gen)iffe  (Barantien  für  if^r  Dableiben  3U  oerfd^affen. 

Alle  übrigen,  leiber  erft  aus  ber  früf^ptolemäifc^en  3eit,  (Enbe  bes 
5.  Dord)r.  3af}rf}unberts,  ftammenben  bemotifd^en  (Ef^ekontrakte  finb 
Dom  mann  an  bie  5^ou  ausgefteUt  unb  fi|[ieren  feine  Pflid)ten, 
DÖ^renb  fie  über  bie  Pflid^ten  ber  5^ou  gegen  tt^n  fd)n)eigen.  Sie 
tragen  alfo  nod)  beutlid^er  als  bie  beiben  oben  3itierten  bas  (Bepröge 
einer  befonberen  5rauen>Derfid)erung.  3f}r  3nf}alt  i|t  ftets  folgenber: 
ber  mann  erklärt:  „1)  3dj  mad)e  Did)  3ur  (Efjefrau."  (Er  oerfc^reibt 
ibr  2)  ein  Brautgefdjenk  („sanch")  unb  eine  fefte  jäf^rlid^e  fllimen* 

*)  Spiegetberg,  6emotifd)e  papprus  aus  ben  königl.  niufeen  3U  Berlin 
S.  4,  5.    nie^olbt  Q.  Q.  (D.  S.  44. 


100  Die  (£f)e  bei  öen  antiken  Kulturoölhem. 

tation:  So  unb  fo  oiel  Artaben  Korn  unb  fo  unb  {o  mel  Ijin  (Del,  bie 
au(^  in  (5elb  abgefc^ö^t  loerben.  (Er  fe^t  3)  feinen  unb  i^ren  So^n 
5um  fjerrn  aller  feiner  oorf^anbenen  unb  hitnftigen  (Sflter  ein,  unb 
Derfpri^t  if)r  4)  eine  (Selbbuge,  bie  if)r  no^  auger  bem  Brautgefc^enh 
3ufäIIt,  „loenn  ic^  Di^  als  (Ef^efrau  oerftoge  inbem  ic^  IM«^  ^ffe  unb 
eine  anbre  5tau  als  Dic^  fuc^e"  ^).  Alfo  f)ier  gan3  beutlid^  unb  betail« 
liert:  Sid^erung  ber  (Ef^efrau  unb  i^rer  Kinber  gegen  bie  Solgen  ber 
männlichen  £uft  am  IDec^fel.  Die  (Einfe^ung  bes  künftigen  älteften 
Sot^ns  ber  5tau  5um  (Erben  unb  bie  Sufic^erung  einer  ^o^en  Sd^eibungs* 
buge  fd)iebt  {ebenfalls  ber  Derftogung  ber  (Ehefrau  3U  gunften  einer 
anbren  einen  siemlid)  feften  Riegel  Dor,  wenn  auc^,  je  naö^  bem  Reic^ 
tum  bes  mannes,  bas  fjalten  Don  Konkubinen  nod^  möglich  bleibt. 
Bebeutfam  für  bie  „ökonomifd^e"  Unabhängigkeit  ber  (Ehefrau  mug 
auc^  bie  3ufid)erung  ber  iöf^rlic^en  Alimente  gemefen  fein,  wenn  fie 
offenbar  auc^  nid)t  -  a)ie  man  sunöc^ft  geglaubt  ^at  —  als  ..pri* 
oates  (Eafd^engelb"  für  i^re  gan3  perfönlic^en  Bebürfniffe,  fonbem 
oieImef)r  als  Bubget  3ur  Beftreitung  bes  gemeinfamen  Ijaus^alts  be* 
ftimmt  finb.  Aud)  ein  folc^er  Anfpruc^  mag  ^eute  noc^  3af)IIofen  5rauen, 
namentlich  arbeitenber,  aber  aud)  bürgerlid^er  Kreife,  bie  i^r  IDirt« 
fc^aftsgelb  bem  manne  grofd^enioeife  abforbem  muffen,  beneibens* 
wert  erfd^einen.  AHerbings  bügt  bie  EDeist^eit  biefer  agi)ptifd)en 
Sitte  ben  (blani  ber  Ueberlegenf^eit  ein,  wenn  man  hebend,  bag  fie 
—  genau  n)ie  nod)  je^t  in  mut^ammebanifc^en  £anbem  —  eben  lebig« 
lic^  bie  Solge  eines  mönnli^en  Rechts  auf  polt^gamie  ift.  5ür  bie 
5rau,  beren  (batte  fidj,  bem  Rec^t  na<^,  einen  gansen  f}arem  oon 
Kebsn)eibern  „leiften"  barf,  ift  es  natürltd)  ein  ungleid^  bringenberes 
(Erforbemis,  fidj  fefte  Beträge  für  ifjren  f}aus^alt  3U  fi^em,  als  für 
bie  in  monogamer  (Et^e  lebenbe.  (Ein  Korrelat  georbneter  unb  ^umaner 
PoIi)gamie  mar  es  iDof^I  aud)  -  bamals  mie  t^eute  im  (Drient,  - 
ba^  bie  agt)ptifd)e  (Ef^efrau,  bem  Prin3ip  ber  Dertragsfrei^eit  g^ 
mag,  für  i  f)  r  Dermögen  regelmäßig  in  „ (Gütertrennung "  lebte,  b.  4. 
il)r  eignes  Dermögen  für  fid)  bel)ielt,  inbem  ber  (Et^emann  als  fold^er 
red)tlid)  keinen  Anfprud)  baxan  erwarb). 

M  HieBoIM  S.  45. 

*)  Ob  ber  ögqptifd)«  €f^emann  in  fTuf^«ptoIemöt{d)er  3ett  ber  S^au  ge> 
legentlid}  fogar  feine  g  a  n  3  e  f)abe,  of^ne  irgenb  eine  (Gegengabe  oon  if^rer 
Seite,  oerfd^rieben  l^at,  bleibt  3iDeifeIf^aft,  benn  mie  Spiegelberg  unb  anbre 
5ortd)er  nad^gemiefen  f^aben,   bebeuten   bie   beiben  unter  Dartus  ausgefer* 


A.  Die  (E^e  in  Aegt)pten.  101 

3n  {pat'ptolemöifc^er  Seit  toanbelt  |i(^  öer  df^arahter  6er  (E^e- 
oertröge  etnnis.  (Offenbar  mad^t  fic^  oon  6a  an  6er  (Einfluß  6es 
gried^ifc^n  Rechts  un6  griec^ifc^er  Sitten  in  oerfd)ie6ener  fjinfic^t  be* 
merkbar,  ptolemöus  pf)iIopator  (204  o.  (E^r.)»  nad)  ReDillout  für 
feine  perfon  ein  S(^ür3eniäger  un6  pantoffeIf)el6  fc^Iimmfter  Art,  6er 
6as  Rei(^  6ur(^  6ie  (bünftlinge  feiner  Illaitreffen  regieren  lieg,  führte 
auc^  für  6ie  eingeborenen  Aegt)pterinnen  eine  Art  oon  (befc^Iec^tsoor* 
mun6f(^aft  ein,  6er  6ie  in  Aegi)pten  Ieben6en  perferinnen  un6  (brie« 
(Rinnen  oon  iel^er  unterftan6en.  Don  6a  an  mug  nömlic^  auc^  6ie 
Aegi)pterin,  menn  fie  oor  (berid^t  auftritt,  einen  „Kt^rios"  (Donnun6) 
mitbringen,  6er  allerbings  nid)t,  mie  in  6en  £an6ern  mit  ftriht  patri* 
arc^Ier  S^^ilt^noerfaffung,  für  |ie  ^n6elt,  fon6em  nur  als  if)r 
Beiftanb  mitunterfc^reibt.  Un6  offenbar  konnte  fic^  6ie  UnDerf)eiratete 
3U  6ie|em  Aht  jebes  beliebige  „niannsbiI6''  mitbringen.  Kt^rios  6er  oer> 
^irateten  5^ou  mar  \tbodt  immer  6er  (Ef^emann,  was  im  prinsip 
natürlich  eine  ntin6erung  6es  5^<iuenred)t$  be6eutete. 

Dag  6iefe  aus  6er  5^^^^^  importierte  ([en6en3  3ur  Steigerung 
6e$  Patriarc^alismus  aud)  fonft  erf^eblic^  auf  6ie  £age  6er  (Ef^efrau 
eingen)irht  f)at,  n)er6en  mix  halb  erkennen.  Dorerft  be|tan6  6as  Prin3ip 
öer  Dertragsfreil)eit  für  6ie  Regelung  aller,  auc^  6er  per|önli(^en,  ef)e« 
lic^n  Be3ief)ungen  fort.  -  Das  Dermögensrec^t  6er  (Ef^efrau  geftal« 
tfte  fid)  6a6urd)  um,  6ag  nunmef^r  nac^  6em  ITtufter  6es  faft  im 
gan3en  l)elleni|tif(^en  (Drient  3ur  (Beltung  gelangen6en  (beiDof)nI)eits- 
rei^ts,  6ie  Beftellung  einer  IT!  i  t  g  i  f  t  Don  feiten  6er  5  ^  ^  u  Kenn- 
jeid^en  un6  Dorbe6ingung  jeber  DoUgüIttgen  (Ef^e  n)ur6e:  Die|e,  6em 
alten  Aegt)pten,  fooiel  bekannt,  als  normaler  Beftan6teil  6es  (Elieoer' 
trags  ^)  unbekannte  ITIitgift  blieb  nad)  f^elleniltifd^'orientalifc^em  Rec^t 
3iDar  (Eigentum  6er  5^^^^  un6  it^rer  Kin6er,  ging  aber  in  6ie  Ru^« 
niegung  unö  Denoaltung  6es  ITIannes  über,  n)af)ren6  |te  Dorther  in 
Aegi)pten  alles,  mos  |ie  etwa  in  6ie  (Ef)e  einbrad^te,  in  if^rer  eignen 
f^anb  bef)alten  f^atte.  -  Dies  formale  (Erforbemis  6er  DoUgüItigen 

tigten  Urkunben,  aus  btntn  Reoillout  btejen  Sd)Iug  gejogen  trotte,  unge* 
fAi)r  grabe  bas  (begenteil  oon  bem,  mos  R.  aus  if^nen  gelefen  l^at.  Sie 
ftiiö  nAmlid)  Sd^eibebriefe  bes  Hlannes  an  bte  S^^^  in  benen  er  {te 
Dcrftögt,  ftatt  fie  als  (battin  ^einjule^en"  unb  {ie  ^ffir  immer  unb  eroig" 
DerlAgt,  ftatt  t^r  {ein  ganjes  Dermögen  für  emtg  ju  überlaffen. 

h  Denn  ba%  bte  Beftellung  ber  Hlitgtft  fd)on  im  ^mittleren"  Rcid), 
minbcftcns  in  ben  €^en  ber  f)erTfd)erfamilie  oorliam,  jeigen  bie  ([ell>el* 
AmamO'dofeln. 


102  Die  (Et^e  bei  ben  antiken  Kultttroölhem. 

(Et^e  iDurbe  nun  von  öen  Aegi^ptern  5unäd)ft  f^äufig  öaöurd^  umgangen, 
öaft  öle  mitgiftS'Beftellung  oon  feiten  öer  5^ow  nur  fingiert  muröe, 
inöem  öer  IHann  für  fie  quittiert,  oljne  fie  empfongen  3U  ^aben,  oöer 
aber  einen  (Eeil  feines  eignen  Brautgefd^enhs  an  öie  5^<^u  als 
„niitgift"  ab3ieljt,  -  nur  öamit  öas  Derljältnis  als  „(E^e"  gekenn* 
3eid)net  ift. 

Die  übrigen  Derabreöungen  nöf^em  fi(^  nod)  fef)r  öenen  öer 
älteren  3eit:  öer  Illann  uerf priest  mie  früf^er  eine  jöt^rlid^e  AIinten> 
tation  unö  beftimmt  öen  ölteften  Sol^n  5um  Alleinerben.  neu  ift  nur, 
öag  er  über  öie  ein5eln  aufgesöf^Iten  unö  auc^  nad)  it^rem  (Belön)ert 
abgefd)ä^ten  ITIitgiftftücke  öer  S^^^  quittiert  unö  öag  er  i^r,  ftatt 
mie  früf)er  eine  Sd^eiöungsftrafe,  bei  Auflöfung  öer  (E^e  nur  öie  Ijeraus- 
gabe  öer  (freiließ  oft  fingierten!)  ITtttgift  sufagt.  3n  ITIempt^is  muröe 
öer  Sxan  3ur  SiAerung  it^rer  Anfprüd^e  ein  6eneralpfanöre(^t  am 
Dermögen  öes  ntannes  befteüt,  —  offenbar  eine  Umbilöung  öer 
agi)ptif(^en  Dermögensoerfdireibungen  in  t^elleniftifc^e  Sonnen.  IDelc^e 
üblen  IDirhungen  öiefe  6eneralf)t)pott)eh  bei  Bösn)iUigkeit  öer  S^^u 
für  öie  Kinöer  f^aben  konnte,  let^rt  öer  oon  Reoiüout  nad^  öen  Ur* 
hunöen  ersäfjite  Pro3e6  öer  Hepl^oris ').  Diefe  5tau  läfet  i^ren  (Batten 
öurd)  if)ren  (beliebten  umbringen  unö  jagt  öann  it^re  eignen  (Eöc^ter 
aus  öem  f}aufe.  Diefe  oerklagen  fie,  n)eil  fie  öen  gansen  pöterlid^en 
nad)Iag:  ein  fjaus  unö  öeffen  ITIietserträge,  für  fid)  allein  bet^alten 
f^at.  IDie  aber  öer  Derlauf  öes  Pro3effes  3eigt,  ift  it^r  gerid^tlic^  nic^t 
bei3ukommen:  Hept^oris  befag  eben  eine  (BeneraIf)t)potf)ek  an  öen 
(bütern  if^res  oerftorbenen  Ulannes  unö  bel^ielt  öest^alb  feinen  nac^lag 
in  it^rer  f}anö,  n)af)renö  öas  altere  ögt)ptifd)e  Schema  neben  öer  legi* 
timen  5^ou  f^Ibft  oor  allem  audj  ifjre  Kinöer  fieberte. 

rieben  öiefer  5orm  taud)t  in  öiefer  (Epodje  audj  nodj  ein  anöres 
ftarker  umgebtlöetes  Dertragsfd^ema  auf:  öie  3ufage  beftimmter  {öt^r« 
lieber  Alimente  fel^lt,  ftatt  öeffen  loirö  öer  S^^u,  auger  if^rem  Braut- 
gefd^enh  unö  öer  Sd^eiöungsftrafe,  ITItteigentum  an  einem  Zeil  (V's 
oöer  V2)  öes  eljemännlidjen  Dermögens  eingeräumt.  Dielleid^t  ift 
öiefe  neue  Art,  öer  S^au  iljren  „ftanöesgemägen"  Unterljalt  3U  garan* 
tieren,  ein  3eid)en  für  öas  Sd)n)inöen  öer  Polygamie,  öas  öie  fefte 
jäl^rlid^e  Alimentation  entbel)rltd)er  erfd)einen  lieg. 

(Eine  n)eitere  gan3  entfd)ieöene  IDenöung  3ur  fjellenifierung  3eigen 
öann   öie   in  gried)tf(^er   Sprad^e   oerfagten  (Et^eoertröge   öer   fpät« 

»)  Kc^löut,  Prccis,   S.   1091. 


A.  Die  (tffi  in  Hegt^pten.  103 

ptolftndifc^en  Seit,  in  btnen  öer  S^<^^  ITIiteigentum  am  6ute  öes 
niannes  eingeräumt,  3uglei(^  aber  auc^  (5ef)orfamspfIi(^t  auferlegt 
wirb.  Parallel  öamit  nehmen  in  öiefen  Dertrögen  öie  po|tttoen  gegen« 
feitigen  Derfprec^ungen  e^elic^er  (Ereue  unö  ef^elic^en  3u{ammenlebens 
-  ftatt  öer  früher  allein  üblichen  S^ftftellung  einer  Sc^eiöungsftrafe 
im  SaUe  öer  Untreue  -  einen  breiten  Raum  ein,  ja  es  ift  {ogar  eine 
Urhunöe  erhalten,  in  öer  ntenehrates  unö  Arfinoe  fid)  uerpflid^ten, 
einer  öas  fjaus  ni(^t  o^ne  IDiffen  öes  anören  3U  uerlaffen.  ITIene- 
krates  oerfpric^t  überöies,  n)eöer  eine  Konkubine  nod)  einen  Knaben  (!) 
ins  f}aus  5U  führen,  nod)  aud),  fo  lange  Arfinoe  lebt,  mit  einer  anören 
5rau  Kinöer  5U  sengen.  Diefe  uerfpric^t  it^rerfeits,  öas  fjans  and^ 
bei  lag  nic^t  oljne  tDiffen  iljres  (Batten  3U  oerlaffen,  nid)t  mit  anören 
männem  5U  uerket^ren  u.  f.  w.^). 

fjier  xDXxb  al\o  unbeöingte,  aud)  faktifc^e,  ntonogamie  ausörück« 
lid^  oereinbart  unö  auc^  Dom  manne  3uge{agt,  mofür  er  öann,  gletd^« 
{am  als  Cntfc^öötgung,  öie  Unterorönung  öer  Sxau  fid)  3u{pred>en 
lögt  Das  Rec^t  auf  freie  Sd^eiöung,  ötefer  eiferne  Beftanö  öes 
agi)ptif(^en  (Ef^erec^ts,  bleibt  aber  öer  5^QU  aud^  in  öiefer  (Epod^e 
unö  ba  fie  in  jeöem  Sau  if}re  eigne  ITIitgift  unö  bei  unDer{d)uIöeter 
S(^iöung,  kontraktlid)  augeröem  einen  (Eetl  öes  ef^emönnlid^en  Der- 
mogens  mitnaf^m,  konnte  fie  oon  öiefem  Red)te  aud)  faktifd)  (Be- 
brauc^  ma(^n.  -  Die  Kontrakte  öer  c^riftltc^en  Seit  3eigen  öann  in 
gefteigertem  ITIage  öas  Derfprec^en  aud^  öes  Illannes  3ur  ef^elic^n 
(Ereue.  Diefe  Kontraktfd)emata  f^aben  fid)  im  gansen  f^eUeniftifd^en 
unö  bt)3antinif(^en  (Drient  tro^  öes  (Einbrud^s  öes  3slam  mit  öer 
größten  Süßigkeit  get^alten  unö  finöen  ftd)  teiln)eife  nod)  im  13.  3al}r« 
l)unöert*). 

IDir  feljen,  roie  öie  EDellen  öer,  flegijpten  oon  allen  Seiten  über- 
fd^iDemmenöen,  auslönöifd^en  Kultureinflüffe  allmöt^lid)  einselne  Beftanö« 
teile  öes  fremöen  Rechts  in  öie  agt)ptifd)e  (El)e  l)ineingetragen  l}aben, 
ol)ne  jeöod)  öas  einl)eimifd)e  Red)t  gan3  3U  oeröröngen.  Die  (El^efrau 
blieb  jeöenfalls  immer,  fd)on  allein  öurd)  öie  Dertragsfreil}eit,  Dor  öen 
5olgen  öes  ftrikten  patriard^alismus  ben)al)rt,  unö  aud)  als  Aegi}pten 

*.  DgL  nietiolöt  S.  49. 

*)  Dgl.  öie  bei  IHaj  IDeber.  3ur  (Bejd).  öer  tJanöelsgeieUldjaften,  S.  95 
Anm.  73  jttierten  armenifd)en  Kontrakte  oom  3a^re  1279,  in  meld^em  öie 
Srau  el)elid)e  (Ereue,  öer  ITlann  {tanöesgemöge  Kletöung  unö  Ha^rung  oer« 
iprif^t:  ,,Der|orgung$|tanöpunkt''! 


104  Die  (£f)e  bei  ben  antiken  Kulturoölhem. 

römifc^e  prooin5  getoorben  loar,  behielt  fte  öas  Hec^t  auf  freie  S^i* 
öung.  (Erft  aus  ber  ^eüeniftifc^en  (Epoche  ^aben  mir  nun  urftunblic^e 
nad)ri(^t  oon  ber  mel  befprod)enen  fogen.  ^^probee^e".  Die  Urftunben 
ber  bamaligen  Seit  ergeben  5una^ft  nur,  bag  bie  (Kriechen  smeierlei 
(E^eformen,  nämli^  ben  fogen.  cngraphos  gamos  (Dertrags«<E^e) 
unb  ben  »agraphos  gamos«  („oertragslofe  (E^e")  unterfc^ieben.  ftlter, 
f}erhunft  unb  Bobenftönbigheit  bes  agraphos  gamos  {inb  babei  noc^ 
im  Dunhel.  Das  prinsip  e^ere^tli^er  Dertrags frei^eit  lieg,  vie 
mir  fallen,  an  fi^  oerf^iebene  Arten  Dertragsmägiger  Regelung  ber 
Besie^ungen  3mifd)en  bzn  6efd)Ie^tern  5U.  Anbrerfeits  f(^uf  bie 
ilbli^e  altägi)ptif^e  f}aIb«poIt)gamie  bie  Differensierung  ber  Stellung 
ber  einen  ^legitimen''  f^auptfrau  neben  ben  Kebfen,  beren  £age 
ni^t  hontrahtli^,  {onbem  nur  gemo^n^eitsrec^tlic^  geregelt  {ein  konnte. 
®b  Ijierin  ber  fpätere  »agraphos  gamos«  murselt,  ift  oorläufig  ni<^t 
fi(^er  5U  ent{d)eiben.  3mnier^in  {prid)t  manches  bafilr.  3n  ber 
ptoIemäer3eit  galt  {ebenfalls  biejenige  Derbinbung  als  Doü'iE^e,  bei 
beren  Abfc^Iug  bie  6atten  bauembes  3ufamntenleben,  ooHes  (Erbrecht 
if)rer  Kinber,  ef^eli^e  (Ereue  u.  f.  m.  oerabrebeten  unb  bie  Stau  mirh- 
Ii(^  ober  fiktio  eine  ITIitgift  einbrachte,  ber  mann  if)r  eine  ber  Qöl)e 
ber  ITIitgift  entfpred)enbe  (E^efc^enhung  oerfdjrieb.  Beim  »agraphos 
gamos«  mirb  bagegen  nur  gef^Ie^tlic^er  Derhe^r,  aber  kein  bauembes 
Sufammenleben  oerabrebet.  Sanier  fe^It  bie  ITIitgift  ber  5^^"  unb 
ber  (Erboertrag  3U  gunften  ber  Kinber.  Dagegen  fagt  ber  Illann 
immer  eine  (Ef^efc^enkung  3U.  Dies  offenbar,  meil  bie  S^<^^  ^in 
größeres  Rifiko  als  bei  ber  Don*(E^e  lief,  ba  er  fie  ]eber3eit  olpxt 
Sc^eibungsftrafen  oerftofeen  konnU, 

3meck  biefes  »agraphos  gamos«  mar  nun  in  ptolemöifd^er  Seit 
in  ber  (Eat  offenbar  fef^r  f)äufig,  bie  5ni(^tbarkeit  ber  5^^^  3U  er* 
proben.  Die  Aegt)pter  maren  an  ftc^  (ef)r  kinberlieb,  Kinberlofigkeit 
galt  aber  aud)  bes^alb  als  größtes  Unglück,  meil  jeber  i^rer  3ur 
Pflege  feiner  ITIumie  unb  3um  Darbringen  ber  (Eotenopfer  abfolut 
notmenbig  beburfte.  —  Diefe  „probe»(E!)en"  maren  übrigens  nic^t  - 
mie  man  geglaubt  f)at  —  an  ein  „probejaf^r"  gebunben,  fonbem 
konnten  gan3  beliebig  lange  bauem  unb  oermanbelten  fid^  nie  uon 
felbft  in  eine  Don-(Ef)e.  So  3etgt  3.  B.  eine  Urkunbe,  ba^  ein  (Ehepaar 
erft  im  23.  Cebensjafjr  i^res  Soljnes  eine  DoII>(E^e  oereinbart  Die 
agrapt)i|d)e  (Ef)e  galt,  meil  fie  ein  bloges  prooiforium  ift  unb  keine 
£ebensgemeinf(^aft  begrünbet,    anfc^einenb   ber  uaterlic^en  (Bemalt 


A.  Die  (Ef^e  in  Hegppten.  105 

gegenüber  als  {(^n)ä(^er:  ber  Dater  konnte,  wie  es  nad)  einer  Urhunbe 
6er  rdmifc^n  3eit  fd^eint,  öie  (Eoc^ter  öem  agrop^ifc^en  (bauen  nadi 
Belieben  loegne^men. 

Offenbar  ötente  bamals  öer  agraphos  gamos  aud)  als  (Ef^e* 
Surrogat  nad)  Hrt  öes  römifd^en  „Konhubinats".  IDas  if)n  aber  oon 
biefem,  n)ie  mix  no(^  fetten  n)erben,  unterfd^eibet,  ift  ber  Umftanb, 
öag  bie  agrapf)ifd)en  Kinber  nid)t  etn)a  nur  ber  ITlutter-,  fonbem  aud) 
öer  Dater*Seite  sugerec^net  n)erben.  nid)t  nur  finb  au^  fie  ~  freiließ 
erft  hinter  ben  Kinbern  aus  DoH-iEljen  -  gegen  ifjren  Dater  erb- 
berechtigt, fonbem  oor  allem  ftef^en  |ie  aud)  in  oöterlid^er  (Beioalt,  ja 
fie  fc^einen  ftörher  gebunben  5U  fein,  als  bie  ^.DoHhinber":  3m  Unter- 
f(^ieb  3U  ienen  bürfen  fie  3.  B.  5U  £eb3eiten  if^res  Daters  niemanb 
anbers  3um  (Erben  xfyctt  fjabe  einlegen.  Unb  in  römifd^er  3eit  kommt 
anfd^inenb  ber  Sau  Dor,  bog  ein  Dater  feine  aus  agrapf)if^er  (Ef^e 
ftantmenbe  (Eod^ter  n)iber  if^ren  IDillen  oon  if^rem  (agrapf)i{(^en)  (bauen 
jurüdiforbert  *).  f}atte  er  basu  mirhiid)  bas  Red)t,  bann  xontbe  bies 
ein  ftarhes  Argument  gegen  iebe  (Beltung  Don  «^mutterre^t"  in 
Aegi)pten  fein.  Die  Stau  f)at  ber  ,,agrapf}ifd)e"  (Ef^emann  nid)t  gültig 
enoorben,  ba^r  f^at  er  über  fie  nid)t  bie  ef}ef}errli(^en  Rechte,  bagegen 
fyit  er  bie  oolle  (bemalt  über  bie  Kinber.  Der  patriard^alismus  iDÖre 
bann  nur  3U  gunften  ber  S^au  —  toie  in  ber  römifc^en  freien  (Efje  - 
burc^Iöc^ert,  offenbar  feit  bem  Aufkommen  ber  (Ef^epahten.  3m  gan3en 
ift  aber  freute  bie  entn)idilungsgefd)i(4tlid)e  Stellung  bes  agraphos 
gamos  no(^  3U  unfi^er,  um  biefe  Deutung  als  3n)eifelsfrei  gelten  3U 
laffen.  Hm  aüenDenigften  iebenfaUs  kann  man,  n)ie  bie  le^tDorge- 
fü^rten  Beifpiele  3eigen,  if^n  für  bie  f^äufige  Bef^auptung,  bag  im 
alten  Aegi)pten  bas  ntutterred^t  gel)errfd)t  f^abe,  anfül^ren.  Denn  loie 
es  mit  biefer  (Beltung  bes  inutterred)ts  felbft  im  alten  Aegppten  ge« 
ftonben  f)at,  ift  burd^aus  3n)eifelf}aft.  5"^  ^i^  altere,  rein  ägt^ptifc^e 
Seit  bleibt  bas  Rec^tsDer^öItnis  3n)if^en  (Eltern  unb  Kinbern 
-  beffen  Regelung  für  bcn  Begriff  bes  „ITIutterrcdjts"  entfd^eibenb 
ift  -  faft  gan3  im  Dunhel.  Dafe  bie  S^ou  als  ITIutter  3U  allen  Seiten 
1)0^  Anfet^en  genog,  fd^eint  3n)eifeIIos.  Diefelben  (Eafeln  oon  (LelheU 
Amanta,  n)el(4e  bie  Geltung  bes  patriard)alismus  unb  bie  Bel^anb* 
lung  ber  Stau  als  (Erb  0  b  i  e  h  t  im  pf^araonenf^aufe  ben)eifen,  3eigen 

M  Die  \d^on  oben  ertod^nte  Urkunbe.  Sie  ift  eine  pro3e6Jd)rift,  beren 
QnelleniDert  für  bas  geltenbe  Red)t  öa^er  ntd)t  enbgfilttg  feftgeftellt  merben 
konn. 


106  Die  (E^e  bei  6en  antihen  Kulturoölfeem. 

öen  großen  politifc^en  (Einfluß  ber  ITIutter  bes  Pharao.  3n  ben 
(Sröbern  bes  alten  Retd)s  ift  fie  meift  sufammen  mit  ber  (Battin  bes 
Derftorbenen  abgebilbet,  todf^renb  beffen  Dater  fe^It.  Aud^  mirb  i^rer 
in  (&rab{(^rif ten  meit  öfters  anerkennenb  gebac^t,  als  bes  Daters. 
Unb  ber  alte  ITloralift  Ani  prebigt  bem  So^ne  (Ef^rerbietung  unb 
Dankbarkeit  für  {eine  ITIutter  mit  bem  fjinioeis  barauf,  bag  fie  es 
gen)efen  fei,  bie  if)n  unter  S(^mer3en  geboren,  i^n  brei  3a^re  gefSugt, 
feine  kinblic^e  Unfauberheit  ot^ne  (Ehel  ertragen  unb  i^n  in  ber  Schule 
töglid)  mit  na^rung  uerforgt  t^abe.  —  3nbenen  bies  le^tere  bemeift 
natürlich  für  bie  Rechtslage  gar  nichts. 

Don  ben  Rechts  formen  ber  Be5iel}ungen  smifc^en  (Eltern  unb 
Kinbern  n)if{en  loir  fet^r  loenig.  5^ft  fte^t  nur,  ba^  fc^on  bas  alt> 
ägt)pti((^e  Rec^t  btn  Derhauf  ber  Kinber  nic^t  geftattete,  alfo  in« 
jofern  liein  ftrifeter  patriarc^alismus  meljr,  -  aber  eben  boi^  Patri« 
arc^alismus,  —  beftanb.  5^^^^  ^^^^  grabe  auf  ben  (Eotenftelen  bes 
„mittleren"  Reid)s  (oon  2100  an),  für  toel^es,  mir  mir  fallen,  (Bei» 
tung  bes  patriard)a[ismus  im  fjerrfc^er^aufe  feftftef)t,  bie  Abkunft 
bes  Derftorbenen,  mie  es  fc^eint,  nur  nad)  feiner  ITIutter  angegeben. 
Dies  ftimmt  fd)le^t  mit  Reoillouts  Annat^me  5ufammen,  ba^  grabe 
bamals  erft  bie  Stellung  ber  5^^u  fic^  oerfd^Iec^tert  ^abe,  unb  reine 
fji}potI}efe  bleibt  es,  barin  bie  (Einflüffe  bes  bei  ben  llegem  geltenben 
ITlutterred)ts  5u  erblidien.  Die  Benennung  nadn  ber  ITIutter  (ITIetro- 
npmie)  fd)eint  nid)t  feiten  einfad)  bie  5oIge  ber  polt^gamie  5u  fein, 
mel^e  bie  „ITIuttergruppe"  ber  Kinber  ber  gleiten  5tau  naturgemäß 
eng  anetnanberfd)Iog.  Sie  finbet  fi^  auc^  in  ftreng  patriarc^alen 
£anbem  5umeilen  grabe  bei  Prieftem,  beren  Abftammung  aus  „DoII> 
e^en"  mit  qualifi3ierten  S^^^uen  als  religiös  unumgänglich  galt.  3e« 
benfalls  bemeift  bie  ITIetronpmie  nid)ts.  (Eigentliche  (befc^Ied^temamen 
maren  in  Aegppten  überl^aupt  nic^t  bekannt,  Rang  unb  Stanb  in 
Domet^men  5<it^ili^n  aber  konnte  burd)  ITIutter  unb  Dater  in  gleicher 
Art  übertragen  merben. 

3n  bm  jurtftifc^en  Dokumenten  ber  jüngften  (Epo^e  merben  bann 
faft  überall  bie  Hamen  Don  Dater  unb  ITIutter  gemeinfam  genannt 
(Es  beftanb  alfo  fpöter  Dater*  unb  ITIutterfoIge  nebeneinanber.  Dies 
ift  gemig  unpatriard^alifd),  aber  natürli^  keinesmegs  Seichen  einer 
mutterred)tlid)en  Santilienglieberung,  fonbern  einfach  eines  mobernen 
Suftanbes.  Unb  fomeit  man  5urückf^auen  kann,  beftanb  nic^t  nur 
immer  ein  5artlid)es  (bemütsuerf^öltnis  5mif^en  Dater  unb  Kinbern, 


A.  Di€  (E^e  in  flcgppten.  107 

mie  es  6ie  alten  Bilöer  erkennen  laffen,  fonöem  aud)  ein  Rec^tsbanö. 
Die  Kinöer  befagen,  3unä(^ft,  in  gefd)id)tlt(^er  3eit  immer  ein  (Erbrecht 
gegen  öen  Dater.  3n  alter  3eit  fd^einen  alle  Kinber  öer  fjauptfrau 
im  Crbgang  gleid^gefteüt  3U  fein,  auc^  öie  ([ödster.  Spdter  touröe, 
mie  öie  (Ef^eoertröge  seigen,  meift  öer  ältefte  Sofjn  öer  nebt  pa 
3um  Hüeinerben  oöer  aud)  tDol}l  {d)on  bei  £eb5eiten  öes  Daters  5um 
initln)rios  öer  jüngeren  (5efd)tDifter  ernannt.  Dies  toar,  tote  loir  (a^en, 
öie  5orm,  in  melc^er  öie  legitime  „fjerrin"  iljren  Kinöem  öie  Dor« 
3ugsfteUung  fid^erte.  (Es  ift  aber  aud)  eine  Urhunöe  erf^alten,  in  öer 
öie  öltefte  (Eoc^ter  als  ,,Kt)rios"  für  if^re  jüngeren  (Befc^mifter  t^anöelt. 
(Es  beftanö  femer  offenbar  oon  jef^er  eine,  aüeröings  in  ^iftorifd^er 
Seit  augeroröentli^  milöe,  DÖterltc^e  (Ketoalt.  Die  minöerjöf^rigen 
Kinöer  maren  öem  Dater  get^orfamspflid^tig  unö  ftanöen  unter  feiner 
Dormunöfc^aft.  Die  (Eöc^ter  beöurften  bei  öer  f^eirat  öer  Döterlid^en 
Suftimmung;  ftammten  fie  aus  einer  agrapf)if(^en  (Ef^e,  fo  konnte 
öer  Dater,  mie  mir  fallen,  fie  fogar  oon  il^rem  (5atten  3urüdiforöern 
unö  etioaiges  eignes  Dermögen  agrapl)tf(^er  Kinöer  toar  if}m  ^.oer« 
fangen".  Aus  öer  (Eatfac^e,  öag  oerl^eiratete  Stauen  f)aufig  il}re 
altemöen  Ddter  bei  fid>  im  fjaufe  öes  (bauen  tool^nen  Hegen,  fd)loffen 
öie  griec^ifc^en  Sd^riftfteüer,  öag  if^nen  allein  öie  Unterl}altspfli(^t 
gegen  iljre  (Eltern  obliege.  Dies  ift  offenbar  ein  3rrtum,  öenn  3um 
Darbringen  öer  (Eotenopfer,  loelc^e  öie  Seele  öer  (Eltern  im  3^wf^<*s 
erl)ielten,  maren  graöe  umgekef^rt  red)tlid)  nur  öie  Söf^ne  oerpflic^tet. 

Auf  mutterred)tlid)e  oöer  gar  matriard^ale  S^^ntilienoerfaffung  - 
Die  Badeofen  fie  nad^meifen  3U  können  glaubte  -  ift  alfo  öie  gün* 
ftige  £age  öer  Stau  in  ^  i  ft  0  r  i  f  d)  e  r  3ett  jeöenfalls  nid)t  3urück3u- 
fül^ren.  (Es  beftet^t  oielmef^r  öer  äußeren  Konftruhtion  nad)  eine 
3iDeifeitige,  eine  „(Eltemfamilie",  wie  wir  fie  l^eute  kennen,  mit  auf' 
fallenö  günftiger  Stellung  öer  „legitimen  (Et^efrau",  jeöod)  of^ne  gefet)« 
Ii(^e  nötigung  öes  IHannes  3ur  ITIonogamte.  Dag  nun  aber  öas 
ägi^ptifc^e  Rec^t  keine  „Boftaröe"  kennt,  wie  3.  B.  öas  gried^ifd^e,  ift 
fieser  au(^  5^19^  ^^^  Sulöffigkeit  mef^rerer  gleid)3eitiger  Derbinöungen 
für  öen  mann  unö  mug  öesl^alb  graöe  als  ein  patriar duales 
nierkmal  gelten.  Denn,  toie  lotr  fairen,  ift  ein  d^arakteriftifc^er  6runö- 
fa^  öes  älteften  Patriard^alismus  graöe  öer:  jeöes  Ktnö,  öas  öer 
Dater  anerkennt,  t^at  ein  (Erbrecht  if^m  gegenüber,  gan3  glei«^ 
ob  es  Don  einer  (Ef^efrau  oöer  einer  Kebfe  geboren   ift').    Alfo   öie 

*)  natflrlid)  immer  nur  fo  meit,  als  i^m  etroas  3U  erben  bleibt,  alfo 


108  Die  (Ef^e  bei  ben  antiken  KuItutDöHtem. 

Samilienrec^te  (einer  Sprößlinge  t^ängen  Don  feinem  Belieben  ab, 
ni^t  oom  IDillen  if^rer  ITlutter,  unb  falls  fie  nic^t  im  (E^oertrag 
ausbrücblic^  gefiebert  ift,  muß  fi^  bie  f^auptfrau  unter  Umftänben  bie 
KonIturren5  ber  Konkubinenitinber  mit  ben  irrigen  gefallen  laffen. 
Alles  n)eitere  n)ar  bann  Solge  ber  geltenben  Dertragsfrei^eit  in  CI)e« 
fachen.  Ulan  muß  ftd)  eben  immer  gegenioärtig  galten,  ba^  nur  bie 
5rau,  ber  es  gelungen  ift,  ft^  5ur  „legitimen",  b.  ^.  bie  (Erbfd^aft 
bes  niannes  auf  if)re  Kinber  Übertragenben  (Battin 
5U  mad)en,  ,,f}errin  bes  fjaufes''  unb  bemgemög  in  {euer  angerorbent« 
li^  günftigen  Rechtslage  loar.  Die  Konkubinen,  bie  keinen  Kontrakt 
gemad)t  l^atten  unb  im  „fjaufe  ber  Abgefd^Ioffenen"  lebten,  toaren 
faktifd)  ni^t  Diel  me^r  als  Befi^objekte.  IDie  oiele  Aegi)pterinnen 
nun  oon  btn  Dorre^ten  ber  nebt  pa  profitiert  ^aben,  ob  toefentlic^ 
nur  bie  Reichen  unb  Sd)önen,  ober  auc^  bie  Rlaffen,  miffen  mir  ni(^t. 
Die  „legitime  (Ef)e"  bebeutete  aber  bamals,  xx>o  bem  Rtanne  an  fic^ 
i  e  b  e  Sorm  ber  6efd)Ied)tsDerbinbung  unb  ber  Kinber5eugung  frei« 
\tanbf  gan3  offenfid)tIid)  eine  Auslefe  ber  Begef^rensmerteften,  Klugen 
unb  Starken,  -  folc^er,  bie  wk  (Eabubu  in  Setnas  Roman  ni(^t  ge« 
xDxUi  n)aren,  fic^  bem  Rlanne  ol^ne  Garantie  für  tf)re  unb  i^rer 
Kinber  3ukunft  t)in5ugeben. 

Die  fo5iaIen  unb  u)irtf(^aftlid)en  Urfa^en  bes  (Emporfteigens  ber 
(Ehefrauen  liegen  für  uns  DoUftönbig  im  Dunkel.  Don  befonberen 
£et(tungen  bes  n)eibli^en  (5efd)Ie(^ts  für  bie  ,,nationaIe  (Büterprobuk* 
tton"  ift  {ebenfalls  nichts  überliefert.  S^on  in  ber  Pi)ramiben3eit 
ben)irtf(^aftet  ber  Rlann  btn  Acker.  3n  feinen  f}änben  liegen  auc^ 
fjanbmerk  unb  f^anbel.  Selbft  bie  bei  ben  meiften  alten  Dölkem 
fpe3ifi[^  roeibli^e  Derrid)tung  bes  IDebens  ift  Ijier  -  3um  Spott  ber 
gried)ifd)en  Reifenben  —  minbeftens  teilroeife  ITlännerarbeit.  3ene 
Derfef^Ite  gefd)ic^tsmaterialiftifc{)e  Sormulierung,  bog  bie  IDertung  ber 
5rau  gleich  if^rer  n)irtfci^aftlid)en  nü^Itc{)kett  fei,  oerfagt  alfo  gleich 
f)ier  an  ber  Sc^n)ene  ber  Kulturgefc^ic{)te  DoUftönbig.  Dieüeid^t  ^t 
oielmeljr  ber  im  gan3en  unkrieger!fd)e  dljarakter  ber  ogijptifc^en 
ITIönnermaffe,  bas  früf}3eitige  Abfd^ieben  ber  £anbesoerteibigung  auf 
frembe  Sölbner  unb  bas  gän3lid}e  5^^!«"  i^l>«s  nationalen  „militaris' 
mus"  in  fpäterer  Seit  bas  fpe3ififc^e  f)crrenberDu6tfein  bes  mann« 
Iici)en  gegenüber  bem  n)eibli^en  6efd)Iec{)t  niemals  in  bem  ITlage,  n)ie 

nid)t  burd)  (Erboertrag  bes  Daters  mit  einer  5rau  bie  Kinber  anbrer  aus» 
gefd)Ioffen  finb. 


B.  Die  (Ef)e  in  Babplonien.  109 

bei  anören,  kriegerifc^en ,  Dölhem,  anfc^meHen  laffen.  Die  ntaffe 
öer  eingeborenen  Aegiipter  mar  feit  öer  Seit  öer  Rameffiöen  ein  rein 
,,dkonomif(^e$"  Volk,  möglich  auc^,  bag  ber  teilioeife  faft  {taats« 
fo}iaIiftif(^e  Despotismus  an  bent  S^l^Un  ber  mannesautoritöt  im 
fjaufe  mitbeteiligt  ift.  Der  Staat  ^atte,  feit  bie  nationale  lDe^rfaf}ig' 
keit  befinitiu  in  Derfall  mar  unb  bie  Sölbner  bes  Pharao  feine  ein« 
3igen  Streitkräfte  maren,  feinerfeits  kein  3ntereffe  an  ber  5i?i^" 
rung  bes  agnatifc^en  prinsips.  Rnd^  bas  bleibt  jebod)  unfi^ere 
f}i)potf)efe.  Dieüeid^t  traben  fc^lieglid)  auc^  bie  religiöfen  Dorfteüungen, 
bie  if)re  eigentiimlic^e  5ä^l>ung  3um  (Eeil  burc^  bie  feltfame  naturbe* 
fd)affenf)eit  bes  nUIanbes  ert^ielten,  5ur  f}od)f(^a^ung  ber  5^<iuen  als 
niutter  beigetragen.  3fis  als  perfonifikation  ber  alles  £ebenbige  ge> 
barenben  ITlutter  (Erbe  mürbe  ^ö^er  ueref^rt,  als  ber  alljäf^rli^  fter« 
benbe  (Dfiris,  bas  Sqmbol  bes  fie  befrud^tenben  nilftromes,  ber  nur 
einen  (Eeil  bes  3at)res  £eben  fpenbete,  um  bann  mieöer  3U  oerfiegen. 
ntöglid),  bog  biefe  einer  meiblid)en  (Kottf^eit  ge5onte  f^ot^e  Derel^rung 
auc^  bie  irbifc^e  ITlutter  mit  einer  befonberen  IDürbe  umgab.  3eben« 
falls  mar  bie  5rau  bem  manne  religiös  ebenbürtig,  fie  l)atte  biefelbe 
Anmartfc^aft  auf  Unfterblic^keit  mie  er.  Desf^alb  mürben  and^  if^rer 
mumie  biefelben  kompIi5ierten  3eremonien  unb  (Et^rungen  5U  teil, 
unb  aud^  fie  mürbe  baburd)  fd^Iieglid)  eins  mit  ber  6ottt)eit. 

3mmer  aber  f^aben  mir  uns  5U  erinnern,  bog  bie  ögpptifc^e 
Kultur  fc^on  in  il)ren  früf)ften  Denkmälern  uns  als  biejenige  eines 
alten  Dolkes  mit  oielen  3af)rtaufenben  einer  für  uns  auf  immer 
oerborgenen  (Entmidilung  hinter  fid)  entgegentreten. 

B. 

3m  (5egenfa^  3U  ben  Aegqptem  ift  nun  bei  ben  beiben  anbren 
großen  Smeigen  ber  oorberafiatif(^»europäif<^en  Kulturoölker  —  Se- 
miten unb  3nl>ogennanen  — ,  fomcit  iljre  3ufammenl)ängenbe  „®e- 
fc^ic^te"  3urüdireid)t,  fd^roffer  patriarc^alismus  ausgeprägt,  ber  natär> 
lid)  bur(^  bie  Derfd)iebenl}eit  ber  religiöfen  unb  fittlid^en  Anfd)auungs- 
melt  unb  ber  ökonomifc^en  (Entmidtlungsftufe  überall  eine  etmas  oer« 
fc^iebenartige  IDirkung  auf  bie  £age  ber  5^^u  f^at.  IDir  finben  ba« 
bei,  Don  ®ften  nad)  IDeften  fd^reitenb,  ben  patriard^alismus  bei 
ben  oerfd^iebenen  Dölkern  auf  ben  oerfd^iebenen  Stufen  feiner  aU» 
ma^Iid^en  Abfc^mäc^ung  Dom  ftrikten  Befi^ftanbpunkt  bis   3ur  (El^e 


110  Die  (£f)e  bei  6en  antiken  Kulturoölhem. 

moöernen  Gepräges  mit  begrenster  ef^e^errli^er  un6  DatergetDOIt  unö 
Doppelfeitigheit  öer  DertDanbtf(^afts3ure(^nung.  Da  aber  öie  Dorge* 
{(i}i(^te  öer  älteften  fttr  uns  noc^  erkennbaren  (Entioicklungsftufe  meift 
fpurlos  Derloren  ift,  (o  uerfagt  in  öer  Regel  öer  Derfuc^  einer  ^ifto* 
rifd^en  (Erklärung  öer  c^arahteriftifc^en  nationalen  Unterfd^ieöe.  IDtr 
muffen  uns  meift  mit  öer  S^ftfteüung  i^res  fahtifc^en  Beftanöes  be* 
gnügen,  btrin  anii  öie  (Einfügung  in  öie  gegebene  (Befomtftultur  er* 
gibt,  u)ie  mir  feigen  meröen,  keine  in  eine  einfache  Stufenfolge  }u 
bringenöen  Bilöer:  fef)r  f)of}e  materielle  unö  geiftige  Kultur  ift  mit 
relatiD  tiefer  Stellung  öer  5^^u  oereinbar  unö  umgekehrt.  Unö 
ebenfo  Doüsie^t  fid)  öie  (Entwicklung  öer  einseinen  (Eeile  öes  5<nnUien« 
red)ts  keineswegs  unter  fic^  parallel.  -  Ulan  ^at  öie  Unoüc^figkeit 
öes  patriard^alismus  bei  öen  femitifd^en  Rationen  neueröings 
an3U5n)eifeIn  gefuc^t;  namentlid)  ^at  ID.  Robertfon  Smit^  öas  Be* 
ftef)en  öer  Rlutterfamilie  als  öas  bei  öen  Arabern  Urfprünglid^ 
fd^arffinnig  öarsulegen  uerfud^t,  unö  au(^  ein  Sorfc^er  oom  Range 
IDellf^aufens  ^at  loenigftens  öie  Rlöglid^keit  öiefer  Anficht  3ugegeben. 
IDir  loeröen  bei  Betrad^tung  öer  (Entmidüung  öer  (Ef)e  bei  öen  Arabern 
auf  iene  ni^t  „Doterrec^tlic^en"  Sejrualbe3ief)ungen  3u  fprec^en  kom* 
men.  I)ier  fei  nur  bemerkt:  öas  IDort  für  (Ehemann  (»baaU  = 
f}txx)  ift  ebenfo  roie  öas  IDort  für  „Rlitfrau",  melc^es  öas  Be« 
ftef^en  öer  Dielmeiberei  beioeift,  allen  Semitet^  g  em  ein  f  am,  unö 
ötes  allein  fd)on  3eigt  öas  Surüdireic^en  öes  patriar^alismus,  ö.  ^. 
öer  (Eigentumsgeroalt  öes  ITIannes  an  5^au  unö  Kinöern,  in  öie  ur- 
älteften  Seiten.  Das  gleite  3eigt  öie  (Entioicklung  öes  S^^uenrec^ts 
bei  öenjentgen  Dölkem,  für  toeld^e  öie  Urkunöen  am  loeiteften  3urü(k« 
reid)en:  f^ier  f teilt  fte  ftd)  als  eine  ftete  Abf^toäd^ung  öes  Be« 
fi^re^ts  öes  ITIannes  öar.  Aber  freilid):  um  öie  S^öu  3U  befi^en, 
mufe  öer  ITIann  fic  -  roenn  er  fie  nid)t  raubt  -  kaufen  oöer  aboer« 
öienen,  toie  3akob  in  öer  £egenöe  bei  £aban  (ein  S<^^f  ^^^  felbft« 
reöenö  graöe  öie  f}errfd)aft  öes  patriard)alismus  beroeift),  oöer,  menn 
fid)  öie  S^ntilie  öer  $xa\x  auf  nid)ts  Derartiges  einlagt,  fie  in  if^rer 
5amilie  laffen  unö  fie  feinerfeits  öort  befuc^en,  toenn  öies  geöulöet 
tpirö.  Alsöann  bleibt  eben  öie  S^^u  i(}rer  eignen  Sippe  untermorfen, 
unö  es  Derfte(}t  fid)  öann  toentgftens  md)t  fc^on  oon  felbft,  ob  öie 
Kinöer  trot)öem  öem  Dater  3ugere^net  toeröen  unö  er  alfo,  loenn  er 
3.  B.  öie  5^au  nad^tröglid)  ertoirbt,  toie  3akob,  auc^  öie  oorl^er  ge« 
3eugten   Kinöer   mitnehmen    öarf.     Denn   es  toar  eben  bis    öal)in 


H.  Die  (E^e  in  Babi)Iomen.  111 

keinerlei  Rec^tsbesie^ung  jvifc^en  Dater  unö  Kinbcm,  ftreng  genont« 
men  au(^  keine  {oI(^e  3n)if^en  ITIann  unb  Stau  entftanben.  IDir  be- 
finben  uns  auf  bem  (behiet  Dor-  unb  augeref^elid^er  Besiel^ungen  unb 
es  tft  eine  fefte,  formal  erkennbare,  6ren5e  3n)ifd)en  biefer  „Bina-iEf^e" 
unb  ber  proftituierung  ber  5tau  gegen  (Entgelt  für  bamals  ebenfo 
Ic^mer  3u  stellen,  mit  etwa  fiir  t^eute  5a)if(^en  „u)ilber  i^t'*  unb 
Pro|titution.  (Ein  „Red)t''  gegen  bie  niutter|ippe  aber  f^atten  bie 
Kinber  nid)t,  fie  felbft  u)aren  eben  urfprünglid)  „Befi^obiekte''.  fjielt 
fie  bie  niutterfippe  ni(^t  feft  unb  nat^m  fie  ber  Dater  3U  lic^,  bann 
oKiren  fie  Jeint**  Kinber,  felb|t  votnn  fie,  u)ie  3epf}tf)a,  gerabe3u 
„I)urenkinber*'  waren.  Der  ID  i  U  e  bes  „B^fiftcrs"  entfd)ieb  über 
i^re  £age.  - 

lieber  bas  5<i*nilienleben  berBabt)Ionter  orientiert  uns  im  6e« 
genfa^  yx  Altögppten,  bis  je^t  am  beften  if)r  (Ef^erec^t,  oon  bem  mix  uns 
ein  3iemli(4  beutli^es  Bilb  mad^en  können.  Denn  uns  liegen  einige 
Bnu^ftüdie  oon  (Befe^en  ber  Sumerer,  eines  oon  ben  tlorbbabt^Ioniern 
untenoorfenen  fübbabi)lonif(^n  Dolkes,  bann  3iemlid)  3af}Irei(^e  keilin- 
{(^riftlid)e  (E^eoertröge  unb  f^Iieglid)  oor  allem  bie  im  3.  3af}rtaufenb 
o.  d^r.  oon  König  fjammurabi  gefammelten  6efe^e  feines  £anbes  oor. 
Diefe,  bie  teitoeife  offenbar  geltenbes  Red)t  fijrterten,  teilu)eife  aber  auc^ 
neues  Rec^t  fc^ufen,  repröfentieren  3ugleid)  ben  ölteften  bisf^er  bekann- 
ten umfaffenben  unb  ft)ftematifd)en  Kobe^  ber  IDelt,  an  Alter  nur  burc^ 
bie  Brud^ftüdie  jener  fumerifc^en  6efe^e  übertroffen.  Sein  3nf)alt  ift 
für  uns  um  fo  intereffanter,  als  einige  3üge  bes  babi)Ionifd^en  (Et^e* 
rechts,  fpe3ien  bes  (Küterrec^ts,  ben  (Eppus  für  bie  gefamte  orientalifd^e 
unb  ^eüeniftifd^e  IDelt  bis  -  teiln)eife  -  einfc^Iieglid)  bes  3slam  ab- 
gegeben ^at. 

3n  Be3ug  auf  bie  S^^u  repröfentiert  btefcs  (5efe^bud)  eine  (Ent« 
midilungsftufe  bes  Re^tsbemugtfeins,  bie  unfre  eignen  Dorfaf)ren  erft 
3500  3al}re  fpöter  erreicht  f^aben.  Das  babt)Ionifd)e  Red)t  ift  eben 
ftabtif(^es  Rec^t.  Unter  ber  miIitärifd)>tf)eokratifd)en  Defpotie  ben)egt 
fic^  ein  intenfioer  bürgerlid)>gef(^aftltd^er  Derkct^r,  beffen  Red^tsformen 
erft  im  Spatmittelalter,  mit  (Entn)idilung  bes  Kapitalismus,  überf^olt 
morben  finb.  Dem  entfprad)  bie  Bef^anblung  ber  S^Qu.  3unad^ft 
fef)lt  t^ier  ebenfo  n)ie  in  Aegi)pten  bie  6efd)Ied)tsoormunbfd)aft.  Die 
5rau  ift  felbftänbig  l)anblungsfäf}ig  unb  kann  Red)tsgcid)afte  ab« 
fd)liegen  unb  (^arakteriftif^ern)eife  ebenfo  gut  n)ie  ber  Rlann  Abop* 
tionen  oollsie^en,  bie  in  Babi}lon  als  bequemfte  Art,  fid)  billige  Ar> 


112  Die  (E^e  bei  6en  antiken  KuItutDöIftern. 

beitsftrafte  3U  oerfc^affen,  felbft  bei  Dor^anöenfein  eigener  Kinber, 
fe^r  ^Qufig  tDoren.  Die  S^^ntilienDerfoffung  ift  alleröings  ftriftt  patri* 
arc^olifc^  unb  getoiffe  priDtlegien  bes  inonnes  tragen  nod^  einen 
rec^t  barborifc^en  (E^oroftter.  Hllein  fjammurabi,  ber  fic^  {elbft  ^König 
ber  (Berec^tigfteit"  nennt  unb  noc^  {einem  eignen  Prolog  bie  (Befe^e 
feines  Conbes  Quf5ei(^nen  lieg,  „bomit  ber  Starke  bem  Sd^toac^n 
nic^t  fc^obe",  ^at  boc^  fc^on  oerfuc^t,  biefen  (Brunbfa^,  im  Rahmen 
bes  Potriorc^olismus,  auc^  auf  bie  Rec^tsfteüung  ber  5^ou  an}it> 
tDenben. 

Huc^  ^ier  finben  roir  -  roie  in  Aegqpten  -  fjalbpolqgomie.  Die 
C^efrau  mug  fic^  natilrlic^  mit  jetDeils  einem  manne  begnügen. 
Der  mann  bann  fic^  bagegen  neben  einer  fjauptfrau  nod^  eine  - 
aber  nur  eine  -  Itebenfrau  galten,  bie  im  Range  ber  {}auptfrau 
nac^fte^t,  beren  Kinber  aber  erbfähig  finb.  (Er  bann  ftc^  aber  au(4 
ftatt  ber  Itebenfrau  eine  ober  mehrere  „mägbe"  3um  (Befd^Iec^ts* 
Derfte^r  galten,  bie  im  fjaufe  bann  ettoa  bie  Stelle  einer  Amme  ein* 
nahmen.  f}äufig  bringt  i^m  bie  (Ehefrau  {ogar  {elbft  eine  magb  mit 
in  bie  (E^e,  3ur  Bebienung  unb  oielleic^t  auc^,  um  feine  IDa^Ifrei^eit  3tt 
befc^ränften  unb  toomöglic^  bie  3u^eirat  einer  Itebenfrau  3U  ^inbent 
manchmal  kauften  mann  unb  5rciu  auc^  sufammen  eine  (Eod^ter  armer 
£eute,  bie  bann  3uglei(^  als  Dienftmagb  für  bie  5^^u  unb  als  Kebs« 
toeib  benu^t  tourbe.  3n  einem  t^ierfür  tt)pif(^en  Dertrag  aus  f^arti' 
murabis  3ett  ^etgt  es:  „Bunint>abi  unb  Belifunu  ^aben  Don  3bi«fan 
beffen  (Tochter  Samas«nurt  gekauft.  Dem  Bunini>abi  foll  fie  als  IDeib, 
ber  Belifunu  als  magb  bienen.  IDenn  Samas-nuri  3U  Belifunu  i^rer 
f)errin  f priest:  »Hic^t  bift  bu  meine  f)errin',  fo  foII  man  fie  mit  einem 
Slilaoenmal  branbmarlien  unb  fie  für  Silber  ocrkaufen  .  .  .  ."  Die 
Kinber  ber  mögbe  können,  tote  überall  bei  primitioem  patriarc^alis- 
mus,  oon  iljrem  Dater  anerkannt  roerben;  nennt  er  fie  ,, feine  Kinber", 
fo  ftet^en  fie  ben  et^elic^en  gleich  unb  traben  gleiches  (Erbrecht  mit 
i^nen.  Der  e^elic^e  Sot^n  t}at  bann  nur  ben  Dor3ug,  ba%  er  fic^  bei 
ber  (Erbteilung  feine  Stücke  austoöt^Ien  kann.  HIfo  auc^  ^ier  beburfte 
ber  mann  ketnestoegs  ber  (Et}e,  um  „legitime  (Erben"  3U  getoinnen. 

Als  Kon3e{fion  an  bie  männliche  Sinnlichkeit  unb  oieüeic^t  auc^ 
fpe3iell  im  3ntereffe  ber  reifenben  Kaufleute  reglementiert  ber  Kobqr 
fjammurabi  ausbrücklic^  bie  (Eempelproftitution,  b.  ^.  er  trifft  Be* 
ftimmungen  über  bas  (Erbrecht  ber  oon  iljrem  Dater  3ur  (Eempelbime 
beftimmten  (Tochter.  Diefe  3n)eifeIIos  erft  bem  (Brogftabtseitalter  Babels 


ß.  Die  <E^  in  Babqlonien.  113 

ange^rige  lempelproftitution  als  Reft  früherer  KoUefttioe^en  Qn5u* 
fpred^en,  loie  fo  oft  gefc^ie^t,  ift  ieöenfolls  ebenfo  unbegrünöet,  loie 
6te  gra6e5U  {innlofe  analoge  Deutung  ber  moöemen  Proftitution  als 
i,Re|t"  einer  fräßen  allgemeinen  „promiscuität".  Die  Kinöer  öiefer 
Proftituierten  mußten  -  fc^eint  es  -  ftets  in  Pflege  gegeben  loeröen, 
6urften  alfo  nic^t  bei  i^rer  RTutter  bleiben,  ja  fte  burften  {ie  toeber 
befud^en,  noc^  i^ren  ITamen  nennen,  noc^  i^r  fjaus  betreten  -  bei 
Strafe  bes  Augenausftec^ens  ober  3ungenausreigens.  Dag  bie  ,,Dater* 
lofen''  Kinber  auc^  keine  ITIutter  im  Rec^tsfinne  befi^en,  ift  Konfe« 
quens  bes  {triftt  patriarc^alen  Prinsips.  Die  fjörte  ber  Durchführung 
aber  ift  baneben  auc^  ein  merfttoürbiges  Seichen  bafür,  bog  bie  Pro« 
ftitution  tro^  i^rer  offisiellen  Dulbung  auc^  bamals  als  ente^renb  galt. 
Die  5onn  ber  (E^efc^Iiefeung  i|t  no<^  ber  Jrauenliauf.  Der  Kauf- 
preis (tirhatu)  cDurbe  in  ber  Regel  oon  bm  beiberjeitigen  Dätem 
oereinbart  unb  bem  Brautoater  ausgesa^It.  (E^eoertröge  aus  alt« 
babi}Ionif<^er  3eit  enthalten  oft  meiter  nichts  als  bas  Derfprec^en  bes 
5reiers  an  ben  Sc^miegeroater,  fo  unb  jo  oiel  Seftel  Silber  3U  sohlen. 
Starb  bie  5^ou  ftinberlos,  fo  mugte  ber  Kaufpreis  bem  (Ehemann  5U« 
rfidierftattet  merben.  Denn,  entfprec^enb  bem  entfc^eibenben  (Bemic^t, 
melc^es  alle  femitifc^en  Dölker  barauf  legen,  in  it^rem  „Samen"  fort« 
3uleben,  galt  ber  Stoedi  ber  (E^e  bei  Kinberlofigfteit  für  oerfe^It. 
Ueberftieg  ber  Brautpreis  bie  Kräfte  bes  S^^i^^^r  fo  50g  ber  <Ei^« 
mann  einftveilen  in  bas  fjaus  feines  Sc^toiegeroaters  unb  biente  i^n 
ob.  (Es  entftanb  alfo  eine  seittoeilige  „Dienfte^e"  ober  Bina«<E^e,  toie 
mir  fie  bei  oielen  ITaturDÖlftem  kennen  gelernt  ^aben.  Die  IDir« 
kungen  bes  Kaufs  auf  bie  Stellung  ber  5^^^  toerben  nun  -  bem 
aOgemeinen  (Entioidilungsfc^ema  gemög  -  baburc^  gemilbert,  bog  i^r 
Dater  fie  feinerfeits  mit  einer  Rlitgift  (siriktu)  ausftattet,  beren  IDert 
bann  balb  ^öufig  bie  (fiabe  bes  Bräutigams  an  t^n  übertrifft.  3e« 
bod^  fc^eint  es  immer  eine  5^<ig^  ^^^  gegenfetttgen  perfönltc^en  IDert' 
fd^^ung  5iDif(^en  bem  $reter  unb  bem  umtDorbenen  ITIabc^en,  be3tD. 
i^rer  S^^i^i^  geblieben  5U  fein,  ob  im  (EtnselfaU  ber  Bräutigam  fid} 
bie  Braut  burd}  (Befc^enke  an  bie  3t)rigen  fieberte  ober  ob  ber  Dater 
feinerfeits  ben  IDert  unb  bie  SteUung  ber  (Eoc^ter  nod)  burc^  eine 
nittgift  ert}ö^te.  IDie  3ät}  fic^  auc^  ber  S^^uenkauf  burc^  bie  3at}r« 
taufenbe  erhielt,  3eigt  eine  Urkunbe  aus  nebukabne5ars  3ett,  in 
noelc^er  ber  5^^i^^  feiner  künftigen  Sd)iDtegermutter  1  Sklaoen  unb 
l*/s  minen  (bolb  oerfc^retbt.  Dagegen  oerseid^nen  anbre  (E^eoer trage 

IT  r  b  f  r .  Chrfran  nnb  mnttrr.  g 


114  Die  (E^e  bei  6en  ontiften  Kulturoölftem. 

aus  {patbabqlonifc^er  3eit  nur  öie  XITitgift  6er  S^(^^  3n  einem 
3tDif(^en  stDei  Dötem  abgefc^Ioffenen  Dertrag  öiefer  Seit  oerfpric^t  öer 
BroutDater  öorin,  feiner  „iungfröulic^en  (Coc^ter"  I  XITine  (bolb,  3 
Sftlaoen  unö  allerlei  fjausgerät  mitsugeben.  3n  einem  anbem  ber 
gleichen  3eit,  ftatten  yDti  Brüber  i^re  Sc^mefter  mit  einem  Saatfdb, 
3tDei  Sftlaoinnen,  fjausgerät  unö  (bemönöem  aus.  (Eine  £eiftung  bes 
Bräutigams  ober  {eines  Daters  ift  in  fteinem  biefer  beiben  Derträge 
Derseic^net.  3n  ber  perferseit  fc^minbet  fie  DoUenbs.  Die  Urftunben 
coerben  reine  »instrumenta  dotaliac,  smifc^en  ben  beiben  Sc^tDieger« 
Dätem  ober  stoifc^en  Sc^miegerpater  unb  Sc^toiegerfo^n  gefc^Ioffen. 
IDie  in  fpätrömifc^er  3eit  im  gansen  (Orient,  ift  bie  Illitgift  ber 
(Eoc^ter  sugleic^  i^re  (Erbabfinbung.  Hur  menn  fie  nic^t  ausgeftattet 
ift,  erhalt  fie  oom  oöterlic^en  (Erbe  einen  Kopfteil  3ur  Itu^ie^ng; 
im  übrigen  erben  bie  (Eöc^ter  nur  in  (Ermangelung  oon  Söhnen. 
Die  (Dbieftte,  aus  benen  bie  ITIitgift  sufammengefe^t  ift,  finb  regel« 
magig  SMaoen:  neben  perfönlic^er  Bebienung  nehmen  fie  i^r  oud^  bie 
f}ausarbeit  für  ben  mann  ab,  toie  mix  bies  im  (Ealmub  ausbrüdtli(4 
ftobifi5iert  finben  toerben.  Daneben  erfc^eint  fe^r  oft  Silber,  suioeilen 
Die^,  nic^t  feiten  auc^,  fpesiell  in  fpatbabqlonifc^er  3eit,  als  bie  ur* 
fprünglic^  befte^enben  (Etnfpruc^srec^te  ber  (Erben  gegen  Deräugenmg 
bes  ererbten  (brunbbefi^es  3urüditreten,  Ackerlanb.  Dtefe  XITitgift, 
ober  was  für  fie  angefc^afft  ift,  bleibt,  nac^  einem  ebenfalls  fpoter 
Don  faft  allen  orientalifc^en  unb  ^ellentftifc^en  Dölftem  übernommenen 
(brunbfa^,  in  ber  (Et^e  (Eigentum  ber  $rau  unb  nac^  i^rem  (Eobe  i^rer 
Kinber  unb  ge^t  nur  in  bie  Hu^ntegung  bes  Xnannes,  nic^t  ~  mie 
bie  römifc^e  dos  -  in  fein  (Eigentum  über.  -  Die  oermögensrei^tHcJ^ 
£age  ber  (Ehefrau  toirb  augerbem  noc^  baburc^  gefiebert,  bag  in  ber 
Regel  ber  (baut  i^r  -  coie  in  flegppten  -  einen  (Ceil  feines  Der» 
mögens  als  künftige  IDttroenoerforgung  oerfc^reibt.  Daneben  fe^t  bos 
(5efe^bud}  fefte  darren  für  ben  5^0  ^^^  Sc^eibung  feft.  {}at  ber 
mann  eine  berartige  Derfc^retbung  (nudunu)  unterlaffen,  fo  fte^t  i^r 
nad}  feinem  (Eobe  ein  Kopfteil  oon  feinem  (Erbe  unb  bas  Rec^t  3U, 
mit  ibren  Söt^nen  ben  gemeinfamen  f}aust}alt  -  jeboc^  o^ne  De^ 
fügungsrec^t  über  bas  Dermögen  -  fortsufe^en.  Da  femer  ein  for« 
melier  (E^eoertrag  notoenbtges  (Erforbernis  ber  gültigen  DoIIe^  iDor, 
konnte  ber  BrautDoter  in  i^m  bem  Sc^totegerfo^n  Bebingungen  be* 
3üglidj  ber  Beljanblung  ber  5rau  auferlegen  unb  3iDeifenos  ift  - 
n)teberum  einem  allgemeinen  (Entoicklungsfc^ema  ent|pre<l^nb  —  anf 


ß.  Die  (E^e  in  Babt)Ionien.  115 

6iefem  IDege  i^re  Stellung  öurc^  Beeinfluffung  6er  Sitte  3uerft  über* 
^oitpt  gefiebert  unö  bann  meiter^in  ollma^Iic^  auc^  rec^tlid^  gebeffert 
iDorben.    Das  (Befe^  fi|rierte  bann  bte  Dertrogsfitte. 

Rei^tlic^  aber  gilt  ber  (E^eoertrag  tro^bem  nod}  als  reelles  Kauf > 
gef<^ft,  burc^  bas  bie  Perfon  ber  Braut  an  ben  mann  oer^an* 
belt  toirb.  Da  {ie  baburc^  fein  (Eigentum  wxtb,  ftann  er  fic^  3.  B. 
ber  3anftffi(^tigen  einfach  burc^  Derftauf  entlebigen.  Derlögt  fie  i^n 
bösroinig,  „emiebrigt"  fie  i^n  burc^  et}renrül}rige  fjanblungen,  Der* 
geubet  {ie  {ein  Dermögen,  {0  oirb  {ie  auf  (einen  Antrag  mit  bem 
IDoffertobe  beftraft.  Als  fein  Befi^  t^aftet  (ie  auc^,  eben(o  mie 
{eine  Kinber,  mit  i^rer  p  e  r  { 0  n  für  {eine  Sc^ulben,  {ogar  für  {eine 
oore^Iic^en,  falls  {ie  {ic^  nic^t  burc^  be(onberen  Prote{t  im  (E^e* 
oertrag  baoor  {(^ügt  Sie  bann  alfo  als  Pfänbungsobjeftt  in  bie 
SMa]>erei  oerftauft  merben.  Doc^  be(timmte  fjammurabt,  bag  i^re 
S<^ulbkne(^t{(l^aft  nic^t  länger  als  brei  3at}re  baure,  im  oierten  tourbe 
fie  frei  unb  konnte  3U  i^rem  (Satten  3urüdiftet}ren. 

Die  ([rennung  ber  (E^e  \Ulii  bem  manne  jebersett  frei.  (Er  {c^reibt 
ber  5tau  einen  Sc^eibebrief  unb  treibt  (ie  einfach  aus  bem  f}au(e.  Aber 
nur  wtnn  er  {ie  auf  (brunb  be{timmten  Der((^ulbens  Der(tö^,  nämlic^ 
noenn  i^r  burc^  ben  R  i  (^  t  e  r  Untreue,  Der{(^iDenbung  ober  Demac^» 
(äfligung  bes  (Batten  nac^getoiefen  ift,  bringt  bie  Sc^etbung  it}m  ftetne 
Hac^teile.  Bei  toillkürlic^er  Derftogung  ber  {c^ulblofen  $rau  treffen  i^n 
(be(b{trafen.  Augerbem  aber  merben  ber  ((^uIbIo(en  $rau,  abge(e^en 
boDon,  iHi%  {ie  „ben  mann  iljres  fjer3ens*'  Ijeiraten  barf,  bie  Kinber 
3ur  Cr3ie^ung  übertoiefen:  eine  Abmilberung  bes  patrtarc^alismus, 
bie  mir  bei  keinem  anbem  alten  Kulturoolfte  oieberfinben  merben. 
(Es  {d^eint  {ogar,  bag  oertragsmägig  Unauflöslic^keit  ber  (E^e  - 
b.  ^.  a({o:  Auflöslic^fteit  nur  bei  beiber(eitiger  3u(timmung  —  unter 
Umftönben  ausbebungen  n)urbe.  Unb  ein  weiteres  3eid}en  für  bas 
entiDidielte  Rec^tsbemugtfein  ber  Babt)Ionier  3U  f}ammurabis  Seiten 
ift  es,  ba%  aud}  bie  5^^u  —  tro^  S^^^^nftaufs  unb  patriarc^aler 
5amilient>erfa{{ung  —  (c^on  ein  Sc^eibungsrec^t  befi^t.  f)ierin  be« 
fntnbet  fic^  ein  groger  So^tfc^ritt  gegenüber  einer  alteren  (Epoche. 
Ilad^  ben  oben  enoa^nten,  {ogenannten  ^^fumerifd^en"  (Be(e^esfragmenten 
nrtrb  nömlic^  bie  5^^u,  bie  (ic^  Dom  manne  trennen  oill,  noc^  ein> 
fad^  ins  IDaffer  gemorfen.  Hac^  bem  Kobe|[  fjammurabi  barf  fie  ba» 
gegen  mit  i^rer  mitgift  3U  it^rer  $amilte  3urüdiket}ren,   toenn   ber 

TXatm  fie  böslid^  oerlögt  ober  ftark  Demac^Iäffigt.   Auc^  ift  i^r  nac^ 

8^ 


116  Die  (E^e  bei  öen  antiften  KuIturDöftetit. 

6em  Hobt  bes  Xnannes  eine  stoeite  {}eirat  geftattet,  unb  oon  6er  bei 
manchen  ofiatifc^en  Dölftern  üblichen  IDittDenoerbrennung  finbet  fu^ 
in  Babqlon  keine  Spur.  Dag  übrigens  bie  ältere  Rechtslage  ber 
5rau  be3ilgli(^  ber  (E^efc^eibung  auc^  noc^  fjammurabis  (befe^gebung 
noc^  burc^  (E^eoertrog  feftget^olten  merben  ftonnte,  5eigt  eine 
unter  {einem  Hac^f olger  ausgefertigte  Urftunbe,  in  ber  es  ^ei^: 
„IDenn  Baftu  3U  Remu  i^rem  (bema^I  f priest:  „Ric^t  bift  bu  mein 
(bema^r,  mxxb  man  {ie  ertoürgen  unb  ins  IDaffer 
merfen.  IDenn  Remu  3ur  Baftu  feiner  (bema^Iin  „Xlidit  bift  bu 
meine  (bema^Iin"  f priest,  n)irb  er  i^r  10  Sekel  Silber  als  Sd^eibegelö 
geben." 

(Ergebnis  einer  in  biefer  f}infi(^t  augerorbentlic^  Dorgefd^rittenen 
(Enttoicklung  bes  babqlonifc^en  Rec^tsbetougtfeins  ift  femer,  bag  tro| 
ber  Kaufe^e  nic^t  eine  rein  „Döterlic^e",  fonbem  oielme^r  eine  Art 
„elterliche  (bemalt"  beftanb.  Bei  feinen  Cebseiten  Derfügte  oüerbings 
ber  Dater  rec^tlic^  allein  ilber  bie  Kinber  -  mit  lange?  fagt  bas  (befe^ 
nic^t.  Aber  fc^on  bie  5^^9^^nte  ber  fog.  fumerifc^en  5<t^ili^ngefe|e 
kennen  eine  Art  Don  IRuttergetDalt,  bie  nac^  bem  lobe  bes  Daters 
in  Kraft  tritt  Sie  prösifieren  bas  Der^öltnis  stoifc^en  (Eltern  uni 
Kinbem  folgenbermafeen: 

,, IDenn  ein  So^n  3U  feinem  Dater  fpric^t:  „„Du  bift  nic^t  mein 
Dater"",  fo  mac^t  man  iljm  ein  ITIal  auf  fein  ffiefic^t,  legt  i^m  Ketten 
an  unb  oerftauft  iljn  filr  (belb  (als  SWaoen)." 

„IDenn  ein  Sot^n  5U  fetner  ITIutter  fpric^t:  „„Du  bift  nic^t  meine 
niutter"",  fo  mac^t  man  ein  ITIal  auf  fein  6efi(^t  unb  oerbietet  i^m 
bie  Stabt  unb  jagt  it^n  aus  bem  fjaufe." 

„IDenn  ein  Dater  3U  feinem  Soljne  fpric^t :  „  „Du  bift  nic^t  mein 
Soljn"",  fo  mufe  er  fjaus  unb  IRauer  oerlaffen." 

„IDenn  eine  ITIutter  3U  it^rem  So^ne  fpric^t:  „„Du  bift  nid^t  mein 
Soljn"",  fo  mufe  er  aus  f)of  unb  fjausgerät  coeggc^en." 

Danach  ftanb  alfo  nic^t  nur  bem  Dater,  fonbem  -  nac^  beffen 
(Eobe  -  auc^  ber  ITIutter  bas  Rec^t  3U,  eigne  loie  aboptierte  Sö^ne 
ieber3ett  toillkärlic^  3U  oerftogen  unb  une^rerbtetige  Kinber  ^art  ju 
ftrafcn.  Doc^  loerbcn  Dater  unb  IRutter  in  biefer  Be3ie^ung  nic^t 
gleich  geftellt.  Derle^ung  ber  Sot^nespflic^ten  gegen  ben  Dater  liüj/t 
bie  Ijärtere  Strafe:  Derluft  ber  pcrfönlic^cn  5^^i^«itf  Derliauf  in  bie 
Sftlaoerei  nac^  fic^.  -  Der  Kobej  fjammurabi  erkennt  offenbar  eine 
berartig  graufame  (Elterngeoalt  nic^t  met^r  an.    Rur  bei  mieber^olter 


C.  Die  (Et^  bei  btn  3u6en.  117 

fd^iDerer  Derfe^Iung  können  6ie  Kinöer  -  un6  aud^  öann  nur  mit 
(Genehmigung  6es  Rid^ters  -  oerftogen  toeröen.  Der  Dater  bann 
fie  femer  3ur  Arbeit  Dermieten.  (Er  Dergibt  öie  (Coc^ter  5ur  (E^e  unb 
borf  fie  Ottc^  öem  lempelöienft  toiömen.  Diefelben  Rechte  fte^en 
nad^  {einem  (Eobe  6er  Xnutter  }u.  Die  Kinöer  bebürfen  aI{o  keines 
männlid^en  Dormunbs.  3n  einem  Kontrakt,  ber  ettoas  alter  ift  als 
6er  Kobe;  fjammurabi,  oermietet  eine  Xnutter  i^ren  Sol^n  auf  10 
läge  5ur  £o^narbeit  Auc^  fjammurabis  (befe^  Derpflic^tet  bie  Ktnber 
ausbrüAIic^  3ur  €^rerbietung  gegen  i^re  Xnutter.  (Deffentlic^e  Strafen 
bro^n  allerbings  nur  bem  So^ne,  ber  btn  Dater  {erlögt.  -  Se^r 
bemerkenswert  unb  toa^rfc^einlic^  eine  tleuerung  ift  bie  5ürforge  bes 
(kfe^gebers  für  bie  Kinber.  ITic^t  nur  bie  ITIitgift  ber  Xnutter,  fon* 
b€m  aud^  etvaige  Schenkungen  bes  Xnannes  an  {ie,  werben  nac^  ber 
niutter  ([ob  kraft  6e{e^es  i^r  (Eigentum. 

Auf  bie  immerhin  {tarke  Abbröckelung  bes  alten  patriarc^alismus 
—  öer  ilbrtgens  nac^  btn  KeilOnfc^riften  eine  5une^menb  geachtete 
unb  einflu^eic^e  Stellung  ber  legitimen  5^ou,  namentlich  als  niutter, 
3U  entfprec^en  {c^eint  -  ^at  offenbar  nic^t  nur  bie  grogftöbtifc^-bür« 
gerlic^e  (EntwiAIung  Babels  als  f}anbels3entrum  eingewirkt,  fonbem, 
mit  ber  Kobe^r  f}ammurabi  3eigt,  auc^  ber  religiöje  (E^arakter  ber 
Königs^errfc^aft,  ber  ^ier,  wie  im  (Orient  {o  oft,  in  Sittenreglementie- 
rung unb  ti^okratifc^em  „Sc^u^  ber  Sc^wac^en''  iic^  äußerte.  - 
IDefentlid^  oerftörkt  gilt  nun  bas  gleiche  für  bas  (E^erec^t  ber  3uben. 

C. 

Das  (E^erec^t  ber  3sraeliten  ift,  wie  it}r  Rec^t  übert^aupt,  in 
3une^menbem  ITIage  religiös-tt^eokratifc^  gebunben  unb  burc^brungen 
QKnrben.  Die  5i|^i^ning  ber  ölteften  Beftanbteile  wirb  meift  in  bas 
9.  3a^r^unbert  d.  (E^r.  gefegt.  (Ein  weiteres  Stabium,  im  7.  3al}r^un' 
öert,  würbe  im  Königreich  3uba  burc^  bie  „Auffinbung''  unb  Derkünbi- 
gung  bes  ^eute  fogenannten  Deuteronomion  eneic^t,  ber  (Enbpunkt 
enblic^  burc^  btn  bei  berRückket^r  aus  bem  babt)Ionif(^en  (E|il  oktro* 
gierten,  fog.  priefterkobei^.  Diefe  brei  Beftanbteile  finb  in  ben  fünf 
Büdnern  Rlofis  Derftreut.  An  fie  fd^Iog  fic^  bann  bie  Auslegung  unb 
Sortbilbung  bes  Rechts  burc^  bie  (Erabition  ber  Rabbinen,  bie  im  2. 
3a^r^unbert  nad}  (E^r.  im  (Ealmub  fi|riert  unb  il^rerfeits  wieberum 
kommentiert  würbe.  - 


118  Die  (E^e  bei  ben  antiften  KuIturoöKem. 

3n  btn  tDefentlic^ften  punftten  regelt  6as  ,,mofaif(^e"  (Befe^  öie 
Stellung  ber  (Ehefrau  gan5  ö^nli^  n)ie  bas  babt)Ionif(l^e.  3n  manc^ 
Besie^ung  fpiegelt  es  allerbings  eine  primitioere  Stufe  bes  Re(l^tsb6 
mu^tfeins,  entfpre^enb  bem  Umftanb,  bag  bie  3uben  bis  sunt  (EpI 
einen  ftriegerifc^en  Sefc^Iec^terftoat  auf  mefentli^  agrarif^  (Brunb* 
läge  bilbeten  unb  bie  Bebeutung  i^rer  Stobte  nid^t  entfernt  an  bie 
Bebeutung  Babels  ffir  mefopotamien  heranreifte.  Anbrerfeits  ift 
{(^on  bos  mofaif^e  6efe^  in  mancher  {}in{i^t  humaner  ak  bas  bobi^ 
lonifc^e.  —  Die  (befc^Iec^tsmoral  bes  ausenoö^Iten  Dolftes  ftanb  info* 
fem  auf  einer  ^ö^eren  Stufe  als  bie  ber  ,,^eibnif^en  Dölber''  3.  B. 
ouc^  ber  Babt)Ionier,  als  bei  i^nen  Don  je^er  jebe  Art  oon  (Cempel* 
proftitution  DöUig  unmöglich  toar,  ja  bie  Priefter  nic^t  einmal  bie 
3ur  Sfi^ne  bes  Derge^ens  bargebotenen,  bur^  Proftitution  oerbienten, 
Selber  annehmen  burften. 

Ueber^aupt  entt^ielt  bie  religiöfe  Abfonberung  ber  3uben  Don 
Anfang  an  ftarfte  IHotioe  5ur  fjebung  ber  (Bef^Iec^tsmoral.  ^{}urerei' 
galt  als  Xnerftmal  ^eibnifc^en  6ö^enbienftes,  offenbar  meil  fie  bei 
ben  umtDO^nenben  DötRem  als  (Eempelproftitution  organifiert  uHtr. 
Der  Abf^eu  Dor  ber  Dergötterung  alles  Kreatürli^en,  mit  i^n  bie 
3ett  ber  grogen  Propheten  pflegte,  fe^te  fid}  ba^er  in  bas  (Bebot  g^ 
orbneter  6ef(^Ie(^tsbe5iet}ungen  um.  3ebesmal,  tDenn  bie  3sraeliten 
burc^  bas  Beifpiel  ber  umtDo^nenben  Dölfter  5ur  Uebertretung  biefes 
(bebots  Derfilt^rt  oorben  tDaren,  lögt  im  alten  (Eeftament  (bott  fie 
belianntlic^  in  bie  t)änbe  i^rer  5^iwbe  fallen.  Sreilic^  ift  bies  ni^t 
bas  Urfprünglic^e.  3^P^tt}a  oirb  ausbrücklic^  ^Sot^n  einer  fjure" 
genannt,  unb  bas  (Et^araftteriftifc^e  ift,  bag  er  trogbem,  toenn  auc^ 
nic^t  oljne  Proteft  ber  Brüber,  als  oollgültiger  So^n  feines  Daters 
angefe^en  toirb :  bas  ftrikte  „Daterrec^t"  kennt  eben  nur  ben  IDillen 
bes  fjaus^errn  als  ITIagftab  bafür,  ob  ein  Kinb  „fein"  Kinb  ift  ober 
nic^t.  3m  übrigen  kennt  bie  Dore^rilifc^e  3eit  nur  bie  Derpflic^tung 
bes  Xnannes,  ein  ITIabc^en,  bas  er  Dergetoaltigt  ^at,  aud^  3U  heiraten, 
b.  t).  it}re  bauernbe  Derforgung  auf  fic^  3U  net^men  -  unb  auc^  bies 
nur  gegenüber  3übinnen.  Augere^elic^er  freitDilliger  (befc^Iec^tsoeD 
ke^r  einer  3ungfrau  unb  (Et^ebruc^  ber  $rau  tDurben  burc^  Steinigung 
beftraft.  Die  Beoat^rung  ber  3ungfrauli(^keit  galt  überhaupt  als 
abfolut  notoenbiges  (Erforbernis  einer  Dorteil^aften  {}eirat,  bes^b 
Derliet)  auc^  ber  (Ealmub  bem  Dater  eines  oergemaltigten  ober  oer* 
führten  ITIäbc^ens  fefte  Sc^abenerfa^anfprüc^e  gegen  ben  Derfü^rer. 


C.  Die  (Et^  bei  6en  3u6en.  119 

Iro^  6es  Derbots  6er  ,fiuttxti'*  wax  aber  bie  fittlic^e  Selb{t> 
3iu^t  bes  mannes  keinen  fc^ioeren  Prüfungen  untenoorfen.  Um 
bie  3ikng(inge  oor  regellofen  Ausfc^meifungen  3U  beioa^ren,  erlaubte 
nimlic^  bas  mofaif^e  (befe^  i^ren  Dötem,  i^nen  gleich  na^  (Er« 
langitng  ber  Pubertät  eine  SMaDin  3um  „BtilaQtt"  5u  geben:  bas 
galt  nid^t  als  ,,f}urerei".  -  Die  fjumanttöt  öes  iübifc^en  (befe^gebers 
beknnbet  fi^  babei  barin,  bag  er  ben  männem  bie  Pflicht  auferlegt, 
aud^  nad^  i^rer  {pSteren  f}eirat  {enen  (benoffinnen  i^rer  3ünglings* 
ta^e  Unterst  unb  (bef^Ied^tsDerfte^r  3U  geroö^ren,  ober  aber  fie 
fret3ulaffen  unb  i^nen  bie  ([^ance  einer  fjeirat  3U  geben.  3n  nac^* 
qnlifc^er  3eit  ftam  bas  fjalten  oon  ,,Xnägben"  ab.  Statt  beffen  n)urbe 
es  nunmehr  ben  (Eltern  3ur  Pflicht  gemalt,  i^re  Kinber  im  jugenb* 
Ii(^ften  alter,  bie  (Eöc^ter  mit  15,  bie  Sö^ne  möglid)ft  {d}on  mit  18, 
keinenfons  aber  nac^  bem  18.  lebensja^r  heiraten  3U  laffen.  £änger 
lebig  3u  fein  galt  als  Sünbe,  unb  als  Soeck  ber  (Et^e  be3ei(^net  ber 
lalmub  ausbrüAIic^  neben  Kinber3eugen  unb  gegenfeitigem  Beiftanb 
-  bie  (Einfc^rdnftung  ber  Begierbe.  (Eine  Hnfc^auung,  bie  auc^  auf 
bas  (E^ftentum  bauernben  (Einfluß  gewonnen  ^at,  auc^  Cutter  3.  B. 
eignet  unb  nod^  ^eute  Dielfac^  im  Katt}oIi3ismus  lebenbig  ift 

3m  gan3en  iübif^en  HItertum  tDaren  bem  mann  auger  ben 
„mSgben''  mehrere  legitime  (battinnen  geftattet.  (Erft  ber  lalmub 
befc^ränkte  i^re  3a^I  auf  oier.  Salomo  bagegen,  in  aller  feiner  fjtxx' 
(td^keit,  befag  bekanntlich  no^  bie  ftattlic^e  Sal^I  Don  „700  IDeibem 
3tt  5rauen  unb  300  Kebsroeibern",  unb  erft  als  bie  Dielen  auslönbi« 
fc^en  5^ttwen  fein  t)er3  bem  Dienfte  frember  (Bötter  3uneigten,  maxb 
ber  I)err  3omig  über  i^n*).  Das  7.  (Bebot  oerftanb  unter  „(El^bre- 
d^"  bes  niannes  3una(^ft  nur  feinen  (Eingriff  in  bie  Rechte  eines 
anbren  (Ef^emanns  -  alfo  ben  unrechtmäßigen  Derke^r  mit  einer 
oer^eirateten  5^öu  —  nic^t  aber,  coie  mix  ^eute,  auc^  bie  Untreue 
gegen  bie  eigne  (battin. 

M  £ut()er  fud)t  fid)  in  btn  „(Lifd^reben"  mit  biefer  etioas  anftögigen 
Mblifd^en  Crsöl^lung  baburd)  ab3uftnben,  bog  er  auf  Befragen  nad)  längerem 
Itad^benken  erklört:  „tDeiber"  Mnm  in  btefem  S^H  unmöglid)  gleid^be« 
beutcnb  mit  ,,€t)etDeiber''  fein,  fonbern  muffe  bie  armen  meiblid^en  Rn» 
oenoanbten  bes  Salomo  aus  Daotbs  Stamm  meinen,  für  bie  er  in  feinem 
Qaufe  3U  forgen  gel^abt  ()abe.  Rud)  bie  polpgamte  ber  (Erjoöter  erhlört 
er  fid^  ab  üerforgungsanftalt  ber  „armen  Tnü()mlein''  unb  als  notmenbiges 
mittel  3itr  üenDtrklid^ung  ber  göttlid^en  Derl^eigung,  ba\i  3frael  3U  einem 
groben  Dolke  merben  foHe. 


120  Die  (E^e  bei  btn  antiken  Kulturoölftem. 

Die  Propt^eten  Dertraten  alleröings  öas  36eQl  ber  bauemben 
(Einehe  ebenfo  toie  {ie  btn  tnönnern  bie  e^elic^e  ([reue  etufd^arften. 
Aber  erft  bie  Römer^errfc^aft  stDang,  fo  lange  fte  bauerte,  bem  (Drient 
unb  auc^  öen  3uben  bie  IHonogamie  auf.  Tiaii  i^rem  Serfall  beerte 
auc^  bie  polqgamie  lieber.  (Erft  Rabbi  (Bers^om  ben  3e^uba^  — 
c^araftteriftifc^enDeife  nic^t  im  (Drient  ober  in  Sübeuropa,  {onbem  im 
5ranlienrei^  (960-1028  n.  (E^r.)  lebenb  -  beliretierte  erfolgreich 
bie  Geltung  ber  ITlonogamie.  (Es  vdqx  alfo  ber  (Einfluß  bes  (E^rifteit' 
tums,  ber  ben  3uben  bie  enbgültige  Anerftennung  biefer  Horm  auf* 
3U)ang.  — 

Hu^  in  3srael  repräfentiert  bie  (E^ef^Iiegung  urfprünglid}  ein 
reelles  Kaufgefc^äft  3n)i{(^en  btn  Dötem  bes  jungen  Paares.  Der 
Dater  {elbft  empfangt  btn  Brautpreis  (mohar).  Unb  noc^  in  talmu' 
bifc^er  3eit,  als  fi^  ber  Kaufpreis  ffir  ben  Dater  in  bie  €^eftiftung 
für  bie  Braut  {elbft  umgemanbelt  ^at,  erhalt  er  bie  (Belbftrafen,  bie 
ein  niann  für  Derfü^rung  unb  Dergeroalttgung  einer  3ungfrau  sagten 
mug.  (Eine  obligatorifc^e  IHitgift  Don  feiner  Seite,  wk  in  Babylon, 
eiriftiert  im  mofaifc^en  6efe^  no^  nic^t.  Als  erfte  initgift'(E^e  gilt 
ben  jübifc^en  Rec^tsl^iftoriftem  bie  (E^e  Salomos  mit  einer  Pharaonen* 
to^ter.  Die  XITitgift  ourbe  bann  mit  fteigenber  materieller  Kultur 
häufiger.  3^^  urfprünglidjer  jübifc^er  Hame  bebeutet:  ,,(EntIaffung'\ 
6.  l).  Abfinbung  Dom  oäterlic^en  f}aus  unb  (Erbe.  3n  ber  Seit  na^ 
bem  babt)Iontf(^en  (E^ril  brang  ftatt  beffen  -  ein  Beweis  ber  Beein* 
fluffung  bes  jübtfc^en  Rechts  bur^  bie  aus  ber  6efangenf^aft  5urüdt> 
fte^renbe  (Bemeinbe  -  ber  babt)Ionif(^e  Itame  >nedunja«  ein. 
3mmer^in  war  auc^  bamals  bie  Hlitgift  meift  nic^t  all3u  grog:  loie 
in  Babi)Ion  gibt  ber  Dater  feiner  (loc^ter  meift  eine  ober  mehrere 
SftlaDtnnen,  bie  it}r  bie  fjausarbeit  abnehmen,  in  bie  (E^e  mit.  - 
Dag  auc^  in  3^^^^!  ber  Dermögenslofe  5^^i^^  ben  Kaufpreis  bur^ 
Dtenftletftungen  im  fjaufe  bes  S^roiegervaters  aboerbienen  konnte 
unb  mugte,  be5eugen  bie  altteftamentarifc^en  (Er5a^Iungen  Don  Itlofes 
unb  3ett}ro,  3aftob  unb  £aban.  £e^tere  oeranf^aulic^t  über^upt 
bos  IDefen  ber  Btna>(Et}e  unb  bie  primitioe  (E^emoral  fe^r  lebenbig. 
Der  mtttellofe  3aftob  bient  bem  reichen  £aban  fteben  3a^re,  um  beffen 
Softer  Rätsel  3ur  6attin  5U  gewinnen.  Als  i^n  bann  nac^  Ablauf 
biefer  Seit  ber  fc^Iaue  £aban  nö^tlic^enDeile  mit  ber  ungeliebten  £ea 
betrogen  ^at  — :  „benn  es  ift  ni^t  Sitte  in  unfrem  £anbe,  bafe  man 
bie  3üngfte  oor  ber  Aelteften  ausgebe",  -  mufe  er  no^  weitere  fieben 


C.  Die  (E^c  bei  ben  3u5cn.  121 

2affce  um  bas  IDeib  feines  fjersens  öienen.  3Qftobs  £iebe  get^örte 
Ra^I,  aber  (bott  erbarmte  fic^  £ea's  inbem  er  fie  mit  Kinbem  fegnete, 
Ra^el  aber  unfruchtbar  ma^te.  Da  neibete  Ra^el  bie  Sc^toefter  unb 
gab  3akob  bie  ITIagb  Bil^a,  „ba^  P^  auf  meinen  Sc^og  gebäre  unb 
i(^  bo(^  burc^  fie  erbauet  merbe".  HIfo  burc^aus  ber  ftrenge  (Eigen- 
tumsgebanfte  bes  DoUen  patriarc^alismus  unb  suglei^  ein  Betoeis, 
für  n)ie  roi^tig  gemög  bem  6ebot:  ,,Setb  fru^tbar  unb  mehret  (Eu^!" 
-  bas  Kinberseugen  in  ber  (Elje  galt.  -  Unb  in  ber  Simfon«£egenbe 
finben  toir  anbrerfeits  ben  3uftanb  als  möglt^  Dorausgefe^t,  bag  bie 
Sippe  ber  5^^^  bie  le^tere  überhaupt  bem  $reier  ni^t  herausgibt, 
fonbem  i^m  nur  geftattet,  fie  bei  fic^  5u  befuc^en,  —  ein  S<^^f  ^^^r 
^ier  loie  Arabien,  offenbar  befonbers  bann  Dorgekommen  fein  toirb, 
menn  es  fic^  um  einen  ortsfremben  ober  (toie  bei  Stmfon)  ftamm- 
fremben  ITIann  ^anbelte,  bem  man  fie  nt^t  fc^u^Ios  in  ein  frembes 
Zanb  mitgeben  toollte.  Huc^  6ibeon  t^at  ein  Kebsoeib,  melc^es  bei 
i^rer  eignen  Jötnilie  bleibt.  Sein  Soljn  aus  biefer  (tl}t,  flbimelec^, 
loirb  bann  Don  feinen  mütterlichen  Deroaubten  bei  ber  Derttigung 
feiner  Stiefbrüber  unterftü^t. 

Die  t}o^e  IDertung  einer  5at}Irei(^en  Ha^kommenf^aft  toar  be« 
bingt  einerfeits  bur^  politifd^e  Rückfi^ten:  -  bie  niad^t  bes 
(befc^Iec^ts  ^ing  baoon  ab  - ,  baneben  bur^  ben  IDunf^  bes  ITIannes 
nac^  irbifc^er  Unfterbli^keit.  3n  ben  6ef(^Ie^tsregiftern  bes  auser* 
mahlten  Dolkes  tourben  nur  bie  Hamen  berjentgen  aufge5ei(^net,  bie 
fi(^  in  Söhnen  fortpflansten.  (Töchter  ourben  ni^t  berüdifi^tigt  unb 
erbten  ni^t.  Da  jeber  bana^  ftrebte,  burc^  feine  männli^en  Ha^' 
kommen  bie  (Erinnerung  an  ftc^  im  Dolke  lebenbig  3u  erhalten,  fo 
konnte,  toenn  kein  leiblicher  Sot^n  oort^anben  toar,  auf  stoeierlet  Art  ab* 
geholfen  oerben:  3n  (Ermangelung  oon  Söt^nen  erhielten  bie  (Töchter 
bas  Datererbe,  mußten  aber  bann  in  alter  3ett  it^ren  allemöc^ften 
DeroDanbten  oon  Daters  Seite  freien,  forooljl  um  beffen  (But  feinem 
(befc^Ieci^t  nic^t  3U  entfremben,  wie  auc^  um  fein  (Befc^le^t  möglic^ft 
unoermif^t  fortsufeften.  3l)r  ältefter  Soljn  erl)ie!t  bann  ben  Hamen 
bes  (Brofeoaters.  IDir  coerben  biefem  „(Erbtöc^terredjt"  noc^  bei  b^n 
(bried^en  n)ieber  begegnen.  Den  gleiten  Smeck  oerfolgte  bie  eigen« 
tümlidje,  auc^  einigen  anbern  Dölkern  bekannte,  Sitte  ber  £  e  0  i  r  a  t  s» 
e^e,  bie  fo  oft  irrtümlich  als  Reft  früljerer  allgemeiner  „ffiruppene^en* 
3itiert  toirb.  3m  allgemeinen  mar  bie  (Et}e  5tDifci)en  Sc^mager 
unb  Sc^tDÖgerin   in  3srael  oerboten.    Starb   aber  ein  ITIann  oljne 


122  Die  (E^e  bei  6en  ontiften  Kulturpöftem. 

einen  So^n  3u  ^interloffen,  {o  toar  fein  Bruber,  um  i^m  ,,Samen  }u 
enoecken"  unb  baburc^  bas  (Etlöf^en  bes  6e{^Ie(^ts  3u  oer^inbem, 
3ur  f}eirat  ber  IDitoe  oerpflic^tet,  au^  toenn  er  felbft  fc^on  oer^i* 
ratet  ober  aber  beim  (Cobe  {eines  Brubers  no^  ein  Kinb  mar.  ~ 
Der  öltefte,  in  ber  Ceoiratse^e  erseugte  So^n  tourbe  bann  auf  ben 
Hamen  bes  Brubers  eingefc^rieben,  bamit  biefer  „ni^t  aus  3srael 
f(^n)inbe''.  (Eine  Beftimmung  unfi^ern  HIters,  bie  aber  ^öc^ftva^* 
f^einli^  mit  bem  Sc^minben  bes  alten  ftriegerifd^en  Charakters  5U' 
fammenföUt,  ^ob  übrigens,  aüerbings  nur  für  btn  mann,  ben  btrekten 
3n)ang  3ur  Ceoiratse^e  auf.  Durc^  bie  3eremonie  ber  ([^al{3a  kornitt 
er  P^  von  biefer  Pflicht  befreien:  Die  Sc^toögerin  ^atte  i^n  oor  (bt* 
ric^t  3ur  fjeirat  auf3uforbem.  IDeigerte  er  fi^,  fo  30g  fie  i^m  ben 
Sc^u^  aus  unb  fpie  Dor  it}m  aus  mit  btn  IDorten:  ,,HIfo  foll  man 
einem  mann  tun,  melc^er  feines  Brubers  fjaus  ni^t  baut."  Die  Sitte 
^at  bie  3uben  (Dfteuropas  bis  an  bie  Seemeile  ber  (btqtnwaxt  begleitet 

Das  Re^tsDer^öItnis  Don  mann  unb  5tau  trögt  3U  mofes  Seiten 
noc^  DÖIIig  ben  (E^araftter  eines  Befi^Der^Itniffes:  Sie  max  unauf« 
lösli^  an  i^n  gebunben,  n)ät}renb  er  fie  ieber3eit,  mtnn  er  „eine 
Blöge  an  i^r  entbeckte",  fortfc^icken  konnte.  Unb  über  ber  fittli^en 
Be3iet}ung  ber  (Batten  ftanb  bas  6ottestDort  „Unb  bein  Wille  foH 
beinem  manne  unterworfen  fein,  unb  er  foII  bein  t)err  fein".  Allein 
ein  Rec^t  bes  mannes,  bie  5rau  3U  ocriiaufen,  mit  fonft  bei  primi* 
tioem  patriarc^alismus,  ober  fie  3U  3ü(^tigen,  toie  es  Diele  mittelalter* 
li^e  Red)tsbü^er,  ja  fogar  (in  Ruglanb)  c^riftlic^e  morallet^rer  ftatu* 
ierten,  Mnnit  toeber  bie  Bibel  no^  bannte  es  fpöter  ber  (Ealmub. 
—  Streng  patriarc^alifc^  bagegen  ift  urfprüngli^  bas  Dermögensrec^t 
ber  (Et^efrau.  Sie  ift  eigentumslos,  benn  i^re  f}abe  get^t  in  bas  (Eigen* 
tum  bes  mannes  über,  ebenfo  alles,  n)as  fie  ettoa  in  ber  €^e  oer* 
bient.  Ruii  ift  ber  mann  berechtigt,  fie  Dor  6eri(^t  in  (Befc^aften 
3U  oertreten. 

Rac^  ber  Rückftel^r  ber  3uben  aus  ber  babqlonifc^en  (Befangen* 
fc^aft  begann  bie  milberung  bes  patriard^alismus.  Die  n)ieberi^r' 
ftellung  bes  3ubentums  als  (Et^eokratie  unter  perfif^er  (Dber^ot^t 
önberte  ben  (E^araftter  au^  bes  jübtf^en  (Eljere^ts.  Der  öftonomif(^ 
S^oerpunftt  bes  3ubentums  blieb  in  Babqlon,  too  toir  bie  3uben  in 
maff entsaften  keilinfc^rtftli^en  Derträgen  antreffen;  nur  bas  Rational* 
t^eiltgtum  lag  in  3erufalem.  Die  3uben  tourben  eine  Seftte  unb  3iDar 
3unel)menb  eine  ftabtfäffige,  fpe3ien  grofeftabtfäffige  Seilte.  Der  ftrenge 


C.  Die  (E^  bei  6en  3uöen.  123 

Sormalismus,  6en  bas  oon  Babqlon  importierte  Ritual  i^nen  aufer- 
legte, unb  bas  Derbot  6er  €^e{^Iiegung  {onberte  {ie  Don  btn  ^f}eiben" 
enbgültig  ab.  fluc^  bas  (E^ere^t  begann  nun  einerfeits  ft^  ftäbtifc^en 
Bebürfniffen  unb  bem  er^ö^ten  Streben  ber  5<nnilie  ber  5^ou  nad} 
i^rer  Si^erung  gegen  ben  mann  ansupaffen,  anbrerfeits  mürbe  es 
june^menb  oon  btn  (Erftlörem  bes  (befeges,  ben  Rabbinen,  reglemen* 
Hert. 

Bis  3ur  beginnenben  5i^^ning  ber  Rabbinenpra|ris  im  (Ealmub 
QKtr  bie  Ausftattung  ber  S^^^  ^ur^  i^re  5<nnilie,  loenn  au^  nic^t 
gefe^Iic^e  Derpfli^tung,  {o  bo^  ber  Sitte  nac^  fc^on  {o  3ur  Regel 
gemorben,  bag  armen  XITabc^en  bei  i^rer  f}eirat  ein  Anfpru^  auf  bie 
Armenftaffe  suerftannt  lourbe.  Als  ITIinimum  galten  50  Sus,  bas 
liebliche  aber  mar,  ber  (Eo^ter  Vio  bes  Döterlic^en  Dermögens  aus* 
5uii>ei{en.  IDar  i^r  Dater  tot,  Jo  konnte  fie  bei  i^rer  Derl^eiratung  fo 
oiel  oon  Tllutter  unb  Brübem  forbem.  3wt  (Begenfa^  3um  babi]Ionif<^» 
^(leniftifc^en  Rec^t  mürbe  babei  bie  ITIttgift  (Eigentum  bes  ITIannes 
falls  bie  5^^u  fi^  ni^t  ausbrüAHc^  bas  (Eigentum  baran  oorbet^ielt. 
Rudi  in  biefem  5^0  enoarb  ber  mann  bie  IXu^niegung.  (Ebenfo  er« 
oHirb  er  ben  Hu^genug  an  allen  ettoaigen  (Erbfc^aften  unb  Schenkun- 
gen, bie  i^r  3ufielen.  Der  (Ealmub  beftimmte  besl^alb  im  3ntereffe  bes 
mannes,  bag  alle  bemegli^en  unb  oerbrauc^baren  (büter.  Bargelb, 
5elbfrü(^te  u.  f.  cd.,  bie  ber  5^«"  3uf allen,  oerfeauft  unb  berart  an« 
gelegt  toerben  {outen,  bog  ber  mann  baraus  mögli^ft  grogen  Hu^en 
3ie^  könne.  Bei  Auflöfung  ber  (Et}e  na^m  bie  5rciu  i^r  (Eingebrac^« 
tes  ober  ben  bafür  in  ben  (El^epakten  angelegten  (belbtoert  3urück. 
Uebrigens  konnte  fie  fic^  burc^  (E^eoertrag  aud}  bie  Hu^ung  aller 
U)rer  (büter  felbft  oorbel^alten,  es  beftanb  alfo  eine  Art  kontraktlicher 
(Bütertrennung.  3n  allen  SälUn  aber  mar  unb  blieb  ber  mann  fc^on 
oon  ber  Derlobung  an  AHein-iErbe  iljrer  gan3en  f)abe,  -  im  Unter« 
{^ieb  3U  Babt)Ion,  mo  bas  muttergut  immer  ben  Kinbern  oerfangen 
mar.  (E^arakteriftifc^  für  bie  Auffaffung  bes  mirtfc^aftlid^en  Dert^ält« 
niffes  ber  (batten  ift  bie  mehrmals  ausbrücklic^  miebert^olte  Beftim« 
mung,  bog  bem  mann  gel^ört,  mos  immer  bie  $rau  finbet  ober  bur^ 
iljrer  t)änbe  Arbeit  oerbient  unb  ^falls  er  jie  über  feinen  Kramlaben 
ober  3ur  Dermalterin  feines  Dermögens  fe^t,  bamit  3U  ^anbeln",  fo 
kann  er  fic^  oon  i^r  f^mören  laffen,  bog  fie  babei  keinen  (beminn 
für  fic^  mac^e,  ja  Rabbi  (EIie3er  beftimmt,  ,,felbft  über  il^re  Spinbel 
unb  i^ren  leig  kann  er  fie  3u  einem  (Eib  treiben",  bog  fie  babei 


124  Die  (E^e  bei  ben  antiften  KuItutDöKem. 

ni^ts  für  fic^  {elbft  beifeite  fc^affe.  Sc^on  aus  öiefen  Beftimmungen 
f priest  6ie  Auffoffung,  bog  bie  (Ehefrau  nil^Ii^fte  Arbeitskraft,  ja 
fosufagen  Kapitalanlage  bes  Xnannes  ift,  aus  ber  er  als  Arbeitgeber 
Profit  5ie^en  will.  ITi^ts  Deranj^aulic^t  aber  biefe  Auffaffung  unb 
i^re  Konfequensen  für  bie  Derf^iebenen  5^^uenftategorien  fo  beutli^ 
n)ie  bie  Beftimmung  bes  (Ealmub  über  it^re  ^ausli^en  Pfli^ten  ge« 
genüber  bem  mann:  „Diefes  finb  bie  Arbeiten,  meiere  ein  IDeib  i^rem 
mann  oerri^ten  mug:  bas  me^I  mahlen,  backen,  tDafc^en,  fto^en, 
i^r  Kinb  föugen"  (unb  5tDar  jebes  Kinb  24  monate  lang),  ,,i^m  bos 
Bett  ma^en  unb  in  IDoIIe  arbeiten".  f}at  fie  aber  mögbe  mit  in  bie 
(E^e  gebracht  ober  {o  Diel  6elb,  bag  man  meiere  bafür  kaufen  bann, 
fo  oerminbem  fi^  je  nac^  beren  3a^I  i^re  Arbeitspflichten.  „Bei 
einer  magb  brauet  fie  nic^t  me^r  mahlen,  backen,  maf^en,  ^at  fie 
3n)ei  mögbe,  fo  braucht  fie  nic^t  me^r  bocken,  noc^  it^r  Kinb  fSugen, 
^at  fie  brei  fo  brauet  fie  auc^  bas  Bett  nic^t  me^r  ma^en,  noc^  in 
IDoIIe  arbeiten,  ^at  fie  gar  oier,  fo  barf  fie  im  Seffel  fi^en  unb 
gamic^ts  tun,  bo^  gibt  man  i^r"  -  fo  fagt  ein  fpdterer  Kom- 
mentator -  ^btn  guten  Rat,  bem  manne  au^  bann  ben  Becker  ein- 
3uf^enften,  auf  bas  Bett  bie  Decke  5U  breiten  unb  i^m  bas  6eft(^t, 
f}önbe  unb  5ü6e  3U  roaf^en,  meil  fi^  fol^es  für  keine  anbere  IDeibs« 
perfon  flickt".  Rabbi  (Eliefer  aber  fagt,  n)enn  fie  auc^  ^unbert  mögbe 
mitgebra^t  ^abe,  folle  man  bo^  fie  anhalten,  in  IDoIIe  3U  arbeiten,  ,,in« 
bem  ber  müftiggang  Gelegenheit  3U  Caftern  gebe".  —  man  fie^t, 
bie  mitgift  ift  ba3u  ba,  bie  5rau  oor  ber  llotroenbigkeit,  bem  mann 
Arbeitstier  3U  fein,  3U  bema^ren,  unb  mitl^in  ift  es  nic^t  fon)o^I  i^r 
eigener  Itu^ioert,  ber  xl}x  Anfeilen  in  ber  S^milie  fiebert,  als  i^r 
eingebra^ter  Befi^,  ber  fie  in  ben  Stanb  fe^t,  anbere  für  fic^  arbeiten 
3U  laffen.  Die  Reihenfolge,  in  ber  fie  Don  il^ren  Arbeiten  entbunben 
n)irb,  ift  fe^r  c^arakterifttfc^.  Dabei  mirb  bie  ein3ige  (QualitötS' 
Arbeit,  roeldje  bie  Stau  bamals  leiftete  -  bas  Spinnen  unb  IDeben  - 
am  ^öc^ften  gemertet,  einmal,  oetl  fie  allein  unter  Umftönben  markt* 
Q)ert  I^atte,  bann  aber  au^,  roeil  gute  ftanbesgemöge  Bekleibung,  mit 
no^  I^eute,  fo  au^  bamals  ein  mittel  mar,  um  ben  5QntiIien  öugeres 
Anfeilen  3U  fi^ern.  Der  eigentli^en  „fjausfrauenarbeit"  n)urbe  3mar 
f^on  bamals  Don  btn  moralf^riftftellem  ^o^es  £ob  gefpenbet,  bo^ 
beeinflußte  bies  bie  Stellung  ber  S^^u  ebenforoenig  mit  ^eute. 

Die  Abf^iDöc^ung  bes  patriar^alismus   bokumentiert  fic^  nun 
barin,   bog  ber  (Ealmub  nic^t  lebiglid}  Pflichten   ber  S^^^r  fonbem 


C.  Die  €^  bei  ben  3u6en.  125 

aud^  fc^on  Pflichten  bes  Xnannes  i^r  gegenüber  fijriert.  (Et  mug  i^r 
ftanbesgemSgen  Unterhalt  getDä^ren,  {ie  aus  (befangenfc^aft  loskaufen 
unb  anftonbig  begraben  laffen.  Xiaii  £anbes{ttte  rourbe  offenbar  am 
meiften  (Betoic^t  barauf  gelegt,  bag  fte  nac^  i^rem  (Tobe  nic^t  5U  fturs 
kam:  „Rudi  ber  Hermfte  in  3srael  {oH  bei  ber  £ei^e  {einer  S^<^^ 
nic^t  toeniger  als  yootx  (Erauerpfeifer  unb  ein  Klagioeib  bef teilen." 
IDas  i^r  bei  £eb5eiten  sukommt,  i{t  bagegen  nur  für  ben  5<^n»  ^(^i 
ber  mann  {ie  seitmeife  ober  bauernb  nic^t  bei  ft^  mo^nen  lögt,  ge* 
nauer  fijriert.  (Er  {oII  i^r  bann,  als  ab{oIutes  ITIinimum,  für  eine 
IDoc^e  ein  für  16  ITlat^Ijeiten  —  n)ODon  2  für  (5afte  gebac^t  finb  — 
ausreic^enbes  (Quantum  Korn,  f}ülfenfrü^te  unb  5^igen,  ein  Bett, 
„eine  fjaube  auf  i^ren  Kopf  unb  einen  6ürtel  an  i^re  £enben,  Sc^u^e 
pon  einem  5^{t  5um  anbem",  Kleiber  für  50  Sus  pro  3at}r  unb 
Q)d<^entli^  ein  kleines  (Eaf^engelb  liefern  unb  fie  Don  einer  Sabbats* 
nac^t  5ur  anbem  bei  ftc^  effen  laffen.  6tbt  er  i^r  kein  (Eaf^engelb, 
fo  barf  {ie  Don  i^rem  eigenen  Derbienjt  {oDiel  toie  er  i^r  geben  mügte, 
5urü(hbe^Iten.  3m  übrigen  i{t  fie  auc^  bann  oerpfli^tet ,  i^m 
mod^entli^  ein  beftimmtes  (Quantum  IDoIIengefptnft  5U  erarbeiten. 
„3ebod}  n)enn  fie  fängt,  lögt  man  fie  toeniger  arbeiten  unb  gibt  i^r 
beffere  Koft.''  Diefe  Beftimmungen  finb  befonbers  best^alb  intereffant, 
Q)eil  fie  seigen,  bog,  toie  in  Aegqpten,  fo  au^  bei  ben  3uben,  offen* 
bot  als  5oIge  btx  Polqgamie,  no^  in  fo  fpötet  3eit  bas  (Bettennt* 
leben  ber  (Batten  als  eine  ni^t  unnormale  (Erf^einung  galt.  IDa^r« 
fc^inlic^  toutbe  es  bem  ITIann  babur^  ermöglicht,  an  Derfc^iebenen 
Orten  5^<^uen  3U  ^aben.  An  ben  Re^tsfolgen  ber  (E^e  önbert  jeboc^ 
bies  (Betrenntleben  ni^ts.  Der  Illann  mug  fie  unterhalten«  f^e  mug 
für  i^n  arbeiten:  6egen  b^n  IDillen  bes  ITIannes  konnte  bie  $rau 
fic^  nur  in  beftlmmten  Sollen  toetgern,  iljm  3U  folgen:  IDar  er  aus 
bemfelben  £anbteile  toie  fie  gebürtig,  fo  brauste  fie,  wenn  er  fpöter 
in  einen  anbem  (Eeil  bes  £anbes  sieben  oollte,  nt^t  mtt3uget}en. 
Auc^  brauchte  fie  keine  groge  mit  einer  kleinen  Stabt  unb  umgekeljrt, 
ober  keine  f^öne  mit  einer  f^Iec^ten  IDot^nung  5U  oertaufc^en.  Aud} 
bie  gegenfeitigen  Anfprüc^e  ber  (Batten  auf  Sefd^Iec^tsoerket^r  finb 
genau  fi|riert  unb  3iDar  für  bie  oerfc^iebnen  Berufskategorien  körper« 
(id^er  unb  getftiger  Arbeiter  oerf^ieben.  Bei  IDetgerung  5ur  £eiftung 
ber  „et^elic^en  Pflicht"  oerliert  einer  an  ben  anbem  einen  beftimmten 
(Belbbetrag,  bie  $xa\x  allerbings  mel^r  als  boppelt  fo  oiel  oie  ber 
mann.     Audj  anbere  bas  eljeli^e  Dertjöltnis   reglementierenbe  Be« 


126  Die  (E^e  bei  6en  ontiften  Kulturpoftem. 

ftimmungen,  3.  B.  öie,  öag  ber  mann  von  ber  5tau  nic^t  oerlangen  borf , 
auf  ben  6enug  getDiffer  5^(4te,  auf  bos  (Tragen  beftimmter  Sc^muA' 
fachen,  ober  auf  ben  Befuc^  i^res  Daters  unb  gemiffer  5^ftli4fteiten  31t 
Der3t(^ten,  n)oIIen  offenbar  {einer  (btwalt  getoiffe  S^ranften  fe^en. 

no^  mistiger  aber  für  bie  re^tli^e  fjebung  ber  S^(^^  unb  be* 
beutungsDoU  für  bie  CntoiAIung  ber  C^e  mar  es,  bag  bie  Rabbinen, 
unb  bemgemäg  au^  ber  (Ealmub,  ben  ITIann  ausbrücklic^  oerpfli^teten, 
feinerfeits  in  einem  förmlichen  Dertrag  ber  Sxau  ein  f}eiratsgut,  eine 
^^Ketuba"  3U  oerjc^reiben.  Dieje  tritt  gan3  an  bie  Stelle  bes  alten 
Kaufpreijes  für  ben  Dater  ber  5^öu.  3^r  XITinimum  mitb  auf 
200  Sus  für  bie  3ungfrau,  auf  100  Sus  für  bie  IDitroe  feft* 
gelegt.  Die  oomeljmen  5ömilien,  namentli^  bie  priefter,  fifieren 
aber  ein  für  allemal  für  i^re  meiblic^en  XITitglieber  toeit  ^ö^ere  Be- 
träge. Diejer  Ketuba-Dertrag  oer|ieljt  biefelbe  5wnlition,  mit  bie 
agt)ptif(^en  Derträge  über  ampa,  spens  himet,  sanch,  unb  bie  bobt^ 
lonif^en  über  nudunu,  nömli^  bie  5tau  bei  fluflöfung  ber  (E^e  ma- 
teriell ft^er  3U  {teilen.  Die  IDittoe  ^at  bas  Rec^t,  ni^t  nur  im  fjaufe 
ber  (Erben  bes  Rlannes  Unterhalt,  fonbem  augerbem  au^  bie  Ketuba 
3U  oerlangen.  lla^  iljrem  (Eobe  fällt  bieje  i^ren  Kinbem  3U.  Ijinter» 
läfet  ein  RTann  mehrere  J^^uen,  jo  muffen  bie  Änfprüc^e  ber  am 
löngften  mit  it}m  oer^eirateten  3uerft  befriebigt  merben,  bes^alb  toer* 
ben  in  ben  Ketuba-Derträgen  (Tag  unb  Stunbe  ber  (E^efc^Iiegung  genau 
Der3eid)net.  Dor  allem  foll  aber  aud}  bie  Ketuba  bie  5tau  bei  iDill« 
ftürli^er  Derftogung  fiebern.  Die  üblichen,  Dom  Rlann  einfeitig  auf« 
geftellten,  Ketuba-Urliunben  entljalten  neben  ber  Ketuba-S^ftfteHung 
1)  bie  (Quittung  über  bie  Tllitgift  ber  5tau  unb  i^re  flbfc^ä^ung  in 
(btlb,  2)  eine  Gegengabe  bes  ITIannes,  meift,  toie  es  f^eint,  in  gleicher 
f)ölje  ber  ITlitgift,  3)  ein  ffieneralpfanbre^t  am  Dermögen  bes  Xnannes. 
Das  Schema  ^at  in  biefer  Soim  bas  Itlittelalter  überbauert  unb  blieb 
bis  in  bie  6egenn)art  üblic^.  (Es  ift  abfolutes  nierfmtal  «.echter"  (E^. 
(Eine  Sef^Iec^tsoerbinbung  ot^ne  Ketuba  fiel  unter  ben  Begriff  ber 
f}urerei.  Der  (Ealmub  erklärt  ausbrüAIi^,  bog  fie  3um  S^u^  ber 
5rau  eingeführt  fei,  bamit  bem  Rlann  bie  S^eibung  fc^toerer  falle. 
Die  (Entwicklung  füt^rt  alfo  auc^  ^ier  oom  primitioen  patriorc^alismus, 
ber  ein  reines  Befi^oer^öltnis  barf teilt,  3um  Dertragsmögigen  5^ft' 
ftellen  gecoiffer  Re^te  ber  5^öu.  Die  „legitime  (E^e"  ift  aud^  ^ier 
eine  S^Quenoerfi^erung  gegen  bie  abfolute  IDilMr  bes  Xnannes  im 
Untertrieb  3U  allen  anbem  6efriertsbe3ie^ungen. 


C.  Die  C^e  bei  6en  3u6en.  127 

(Eine  bebeutfame  Deränbening  3u  (Bunften  6er  5^^u  ^at  nun 
aud^  im  Caufe  6er  Seit  -  eben  6ur(^  6te  CnhoiAIung  6er  C^e  aus 
öem  Befi^  3um  DertragsoerI}öItnis  -  6as  ifi6if(^e  S(^ei6ungsre(^t 
erfahren.  IDie  fc^on  gefagt,  Konnte  6er  mann  nac^  mofaifc^em  (be* 
fe^  6ie  5tau  gan3  nac^  Belieben  oerftogen,  n)a^ren6  {ie  unlöslich  an 
i^n  gebun6en  mar.  Sc^on  6a$  nac^ejrilifc^e  (befe^  enthielt  I)ier  Sc^ran- 
ften:  im  S^de  grun6(ofer  Der6ä(^ttgung  6er  Keufc^^eit  6er  5^^^  o6er 
im  SoXi  i^rer  Dergemaltigung  oor  6er  CI}e  6urfte  6er  Iltann  fte  - 
5ur  Strafe!  -  nic^t  entlaffen.  3m  ([almu6  kann  er  fte  gegen  il^ren 
IDillen  nur  noc^  aus,  aner6tngs  sa^Ireic^en,  erheblichen  „(bxfxnbtn'* 
entlaffen,  5.  B.  mmn  fie  tl}n  6ur(^  rituala)i6rige  Beforgung  6es  {)aus- 
^alts  3ur  uniDiffentlic^en  Uebertretung  ritueller  Dorfc^riften  oeranlagt 
^at,  mtnn  fie  6en  fittlic^en  An{tan6  oerle^t,  3.  B.  baarl^aupt  aus- 
geixt ober  auf  6er  (baffe  fpinnt,  6ag  man  i^re  Arme  fielet,  mtnn  fte 
mit  jungen  Iltannem  fd)er3t,  6es  Iltannes  €Item  in  feiner  (begenmart 
Deräc^tlid^  bel}an6elt,  loenn  fie  liin6er(os  bleibt  06er  6es  (El^ebrud^s 
oerböc^tig  i{t  u.  6gl.  me^r,  un6  3tDar  in  allen  6iefen  5^II^n,  6ie  als 
Derf(^uI6ung  6er  5^^^  gelten,  ol^ne  il}r  tl^re  Ketuba  3U  geben.  Auc^ 
6ie  5^^u  I)at  nun  6as  Rec^t,  Antrag  auf  Sd^etbung  3U  ftellen,  3.  B. 
menn  6er  Iltann  fte  migl)an6elt,  tl^r  6en  Unterl}alt  meigert,  an  ehe!« 
i^ften  Krankl^eiten  un6  großen  (bebred^en,  6ie  nac^  6er  Der^eiratung 
entftan6en  {in6,  3.  B.  (Erblinbung  eines  Auges,  Derluft  einer  f^anb, 
leibet  06er  ein  übelriec^enbes  (bemerbe  ((berberet,  €r3graberei)  betreibt. 
Seine  Untreue  ift  natürlich  für  fie  kein  Sd)et6ungsgrun6,  tDÖ^renb 
6a$  (berieft  bei  il^rer  Untreue  6em  Iltann  nic^t  nur  6ie  Sc^etbung 
geftattet,  fon6em  fie  i^m  auc^  gegen  feinen  tOillen  befiehlt:  (Er  felbft 
oerunreinigt  fic^  burc^  6en  Derke^r  mit  einer  tljebrec^ertn,  -  -  ein 
fel}r  c^arakteriftifc^es  Beifpiel  boppelter  IltoraL 

Augeror6ent(t(^  in6ii)i6ualiftif(^  mutet  es  uns  ^eute  an,  6ag  nod) 
6er  ([a(mu6  bei  gegenfeitiger  (EintDtUigung  6er  6atten  i^nen  6ie 
S(l^ei6ung  ol^ne  ie6e  richterliche  €inmtfd)ung  geftattet,  ja  [xe  für  3U' 
löffig  erklart,  fobaI6  6ie  gegenfeitige  Ueigung  aufgel)ört  I}abe.  Dies 
mar  übrigens  in  6er  Seit  kur3  oor  (El^rifti  6eburt  6egenftan6  I^ef* 
tiger  Kontrooerfen  gemefen.  Die  rigoriftifdje  Sdjule  Sdjammais  moüte 
6ie  S(^ei6ung,  tDie  fpäter  6as  d^rtftentum,  nur  bei  Sdjulb,  un6  alfo 
nur  bnxii  Ric^terfprud),  3ulaffen.  Dodj  fiegte  fjier  bei  6en  3u6en 
felbft  6ie  antike  Auffaffung,  meiere  Rabbi  f^xM  oertrat,  unb  6ie 
S(^i6ungsfreil}eit  beftanb  für  fie  bis  in  6ie  (begenmart,  3.  B.  noc^  im 


128  Die  (EI}e  bei  btn  antiken  KuItutDÖIftem. 

öftreic^ifc^en  Bfirgerl.  (Befe^buc^,  fort.  (Etl}i{(^  mürbe  allerbings  bie 
millliürlic^e  £öfung  ber  (E^e  mißbilligt.  Durc^  bie  obligatorifc^e  Der- 
fc^reibung  ber  Ketuba,  bie  {ie  {amt  il^rer  Iltitgift  bei  fc^ulblofer  Sc^ei- 
bung  mttnal}m,  {uc^te  man  bie  5^^u  baoor  3U  {(^ü^en,  mal^renb  fie 
bei  eigener  Sc^ulb  bie  Ketuba  oermirbte.  Die  jübifc^e  <E^e  ift  bemt 
auc^  5U  allen  Seiten  tro^  il^rer  juriftifc^  leichten  £ösli(^kett  auger* 
orbentüc^  ftabil  geioefen. 

(Eine  allgemeine  (Befc^Iec^tsoormunbfc^aft  e^riftierte  I}ier  |o  toenig 
mie  fonft  im  (Drient.  Dagegen  blieben  bie  ([bester  bis  3ur  Der^i« 
ratung  unter  ber  {^ausgeioalt  bes  Daters  ober  ber  Briiber.  Die  oer* 
mitwete  ober  gefc^iebene  $rau  ift  in  talmubifc^er  Seit  bauen  frei. 
Don  bem  Umfang  unb  3nl}a(t  ber  oöterlid^en  (Bemalt  im  fpejieüen 
ift  menig  bekannt,  tlatürlid)  mar  bie  5^^ili^  ^^i^  oaterrec^tlic^  ge« 
gliebert.  2^^od^  forbert  bie  Bibel  bie  (Ehrung  au(^  ber  ntutter  nod^ 
ausbrü(bli(^er  als  ber  Kobe^  t^ammurabi,  unb  fie  genog  gegen  pietat- 
lofigkeit  benfelben  öffentlichen  Sc^u^  mie  ber  Dater.  Der  Dater  konnte, 
falls  er  nic^t  3U  ben  Reichen  gehörte,  nic^t  gesmungen  merben,  feinen 
Kinbern  über  bas  6.  3^^^  I}inaus  Unterl^alt  3U  gemäl^ren.  (Erft  nai^ 
feinem  (Eobe  gemannen  besl^alb  bie  (Töchter  ben  Anfpruc^,  als  (Erfo^ 
für  i^r  mangeinbes  (Erbrecht  aus  feinem  Dermögen  unterhalten  3U 
merben.  (Ein  allgemeines  oaterlid^es  Derkaufs«  unb  (Eötungsrec^t  be< 
ftanb  jeboc^  nid^t.  Der  Sektenfto(3  bes  ausermöl^lten  Dolks  erfc^merte 
bie  Derfklaoung  eines  3sraeliten  überl^aupt  nad)  Iltöglic^keit,  unb  bas 
5.  6ebot  banb  aud)  ben  Dater.  (Er  konnte  allerbings  bei  größter  Hot 
bie  minberjöl^rige  (Eod^ter  oerkaufen,  allein  nur  unter  ber  Bebingung, 
baß  il}r  {)err  ober  beffen  So^n  fie  nac^  erlangter  Pubertät  I^eirate 
ober  mit  (Entfc^öbigung  für  i^re  Dienftleiftung  freilaffe.  €ins  ber 
mid^Hgften  Daterred)te  mar  bogegen,  mie  überall,  bie  Dergebung  ber 
Kinber  in  bie  €I}e.  tOie  nod)  freute  im  gan3en  (Drient  brauchten  fid^ 
in  alter  Seit  bie  für  einanber  Beftimmten  nic^t  einmal  Dorl^er  gefe^en 
3U  I)aben.  Aud)  bie  ntutter  konnte  eine  minberjöl^rige  (Eoc^ter  (b.  4. 
Dor  bem  12.  Cebensja^re)  oerljciraten.  Hllein  biefe  burfte  bann,  fo» 
balb  fie  gefc^ledjtsreif  mar,  3urü(ktreten  (mion),  faüs  il)r  ber  Iltann 
nic^t  gefiel,  ffatte  bagegen  xf)x  Dater  fie  verheiratet,  fo  konnte  fie 
es  nid^t. 

Das  jübifd^e  €rbred)t  3eigt  Spuren  einer  öl^nlic^en  Cntmidklung 
aus  ber  tOillkür  bes  reinen  patriarc^alismus  !}eraus,  mie  mir  fie 
generell   bei  Erörterung  ber  €ntfte!}ung  ber  legitimen   €^e  kennen 


C.  Die  (Etfe  bei  6en  3>i&en. 


129 


itffl:  IDb  bit  S3t)ne  6er  „ITIägtie''  erbten  ober  ni^t,  ttanti  3unäd)tl 
ij  im  Belieben  iljres  Daters.    Aber  auij  einen  unttjelic^tn  Sofjn 

einet  Dritten  ftonnic  btt  Dater  öurd)  flnerhennung  jum  DoUerben 
maii^n.  <Er{l  (pätere  Hnf<^auung  t)ie^  .ben  Sot|n  berlttagt)"  3urDdiftetren. 
t^ugnftrm  konnte  er  über  aud)  in  alter  3eit  Don  [einen  Söfitwn,  roen 
er  tDoUte,  jum  Srftgcborenen  b.  t).  jum  5("'i>I<<K^('>'pt  unb  Dorjugs' 

i  mit  boppelter  €rbportion  madfen,    3ebe  {einer  Jrauen  l)otte 

}u  getnärttgen,  öag  ti)rem  Sot)ne  ber  einer  nebenbul}[erln  dot' 
iQCn  isuröe.  Scf}on  bas  molalfctie  iBt|e^  |d)ränhtt  biefts  ItTa^  Don 
Patriardjalgevalt  fturd;  öie  Bejtimmung  ein,  bafi  ber  faktitdf  ältelte 
Sot^n,  ot)ne  KUdtfic^t  auf  bie  Dorliebe  bes  Daters  für  eine  anbere  ^rau 
als  beffen  ITlutter.  ein  für  allemal  als  (Erftgeborener  ansuerhennen 
|ri.  ifieftattet  blieb  unglcid)e  Heilung  buid)  ben  Datcr  nur,  mo  fit  in 
bei  Schrift  (3{aaii)  ausbrüdilid)  beseugt  niar:  auf  bem  (Totenbett.  Das 
Crbfi)1tem  blieb  gflns  agnattfd).  Don  ben  miiltcTlict)en  Derwonblen 
erbte  man  nidjt.  <Ein  nid)t  Don  feinem  Dater  anerttanntcs  unet)eHct)es 
Kinb  Ifatte  öttVt  überljaupt  heinc  Somilie,  ber  es  jujurec^nen  toar. 
(Es  galt  als  .profelitt".  (fbenfornenig  tjatte  natQrlid)  bte  Hlutter  gegen 
bie  Kinber  ein  lErbiedit.  Die  5cf)n)cftrrn  erbten  oon  Briibcrn  nur  in 
Simongelung  non  männlichen  (Beicl)iui1(ern  unb  aud)  bie  SÖdfter  blieben 
nod)  in  talmubifdter  5eit  nur  in  (Ermangelung  oon  Söf)nen  erbfäl)ig 
unb  Ratten  fonft  nur  Alimental  Ions*  unb  flusftaltungs*(tn|prlld)e.  (Erft 
bie  neujett  l^at  biefe  Refte  ber  Antihe  befeitigt.  — 

Das  Eilb  ber  iiibi[d)en  (Et)e  bliebe  unooUftänbig  unb  bie  weltge- 
idltü^tlfdie  Btbeulung  bes  { i  1 1 1  i  d)  e  n  (Ii}(iraiiters  ber  Sl}e  Im  3uben- 
tum  käme  }u  hur},  wenn  mir  iiicl)!  nod)  ttinjufügten,  ba^  bie  Im  mo- 
iotfi^en  ftefed  Itathe,  im  Saimub  abgefdimät^te,  patriard)ale  Unter- 
orbniutg  ber  (Kattin  unb  lUulter  unb  il^re  fluffaffung  als  Arbeitskraft 
be«  niannes  oon  jel)er  buid)  bie  religiö|e  Wertung  ber  <EI;e  als  alte- 
|tn  göttlici)er  3n{Htution  gemilbert  ivurbe.  Sefjr  dtaraltteriftifd)  bafflr 
befreien  Bibel  unb  Salmub  ben  jungen  (Ehemann  für  ein  3°^^  von 
ber  Kriegspflii^t  unb  allen  fonftigen  öffenllit^en  telftungen:  .(Er  foll 
frei  fein  in  feinem  fjaufe  ein  3af]r  lang,  ba^  er  fröt^lid)  fei  mit  feinem 
IDetbc' '),    3<|us  Sirac^  ober  preijt:  „IDie  bie  Sonne,  menn  jie  auf- 

ngen  ift,  an  bem  b^^en  t)immel  bes  t)erm  eine  Sterbe  ifl,  aljo 
tln  tugenbfam  lOeib  eine  Sterbe  in  il)rem  l^aufc").    Damit  ging 


130 


Die  (£t]e  bei  btn  antiken  KultuTDöItiern. 


i)t«  für  bit  \taxbe  SinnIid)Mt  bet  orientalifc^en  Döllier  diaToIiteTiftiidft, 
Don  i[)m  aus  in  bas  (njTiftentum  übergegangene  ftuffaffung  fjanö  in 
fjanö,  öaft  nur  tnird(  &ie  (Elje  fe;uellen  (Ejseffen,  öie  bei  öen  Jabtti 
juerft  von  allen  DÖlKern  als  fpejifijc^  {flnMid),  iseil  „tieibnifd)",  gebianö»  i 
maikt  roiiröen,  Dorgebeugt  toeröen  könne.  Dereljelit^ung  unö  $OTt>fl 
ptlan3ung  gelten  als  reltgiöfe  Pflichten,  unb  in  biefem  Sinne  cThlölt'^ 
ber  Salmub  btn  Uiioerljeirateten  als  unoollkommenen  nientdren. 
(Et)eIo{igEteil  bes  (Erniad)ienen  ift  itjm  überl]aupt  St^mptom  unftttliditn 
Eebens,  besfjalb  Sünbe,  unb  er  prägt  bem  lltann  ben  IDert  unb  bit 
Bebeutung  ber  (ftattin  für  fein  ganses  Sieben  in  jaljllolen  Ausipriid)en 
ein.  Don  ben  mand)er[ei  ITalinub-Sprüdfen.  bie  aus  ber  Sd)ä§ung  ber 
Srou  als  lUittelpunltt  bes  Stmiilisnl^bens,  für  bas  öerf)alten  bes 
niannes  il)r  gegenüber  Konjequenjen  äieffen,  feien  nur  folgenbe  siliert: 
„Stets  |olI  ber  Illann  auf  bie  (Ebrerbietung  gegenüber  feiner  6attin 
bebad)t  [ein,  benn  es  blüt(t  bem  lüenff^en  kein  (6lüA  im  fjaufe  an^er 
butd(  [eine  Stau".  „3ft  bie  Srau  klein  (ber  IITann  aber  ein  ffofy 
gelel)rter),  [o  [oll  er  fid(  f(erunterbeugen  unb  iijrem  Rat  laufttjen"). 
Der  iinflufe  ber  alttc[tamentli(^en,  ben  ttjeokratifd)  gemilberten  partri- 
ard)aUsmus  mit  ftimmungsooller  3nnigkeit  oerbinbenben.  flusfprüdtt 
auf  bie  gefül)lsmägige  ®eftaltung  ber  mobernen  (El)e  ift  bur^  bie 
Dermittlung  ber  dfriftlic^en  prebiglen  unb  ber  BibeHektüre,  namenl* 
tii^  naij  ber  Heformation,  ein  soieifellos  auf^erorbentU^  bebeutenbcr 
gemefen.  3eiie  flusfprüdte  £ut^ers.  bie  mir  fo  gern  als  Seichen  fpe- 
3ifi[d)  beut{ci)en  „6emüts"  an[el;en,  flet)en  erfn^tlit^  alle  unter  bib- 
lifd)em  (Einftug. 

Die  ljiftori(d)en  S(ljidi[ale  bes  3ubentums,  tDeId)e  es  ju  einem 
StabtDolk  machten  unb  bem  lllilitarisnius  entfrembeten,  ferner  ber  Um* 
flanb .  ba^  infolge  bes  5c^'^"s  ber  eignen  politi[d)en  3nteTenen 
nad)  bem  Stur3  3eTufalein$  unb  eben[o  ber  äftt)eti[(^en  Kultur,  toeld)« 
ifjM  Religion  (jroeites  $cbot)  abictfnte.  bie  bürgerli(f)e  tjauslii^keit 
allein  im  Tllittelpunkt  alles  periön[i(^en  <ßlü(tts  [tanb,  Ijaben  btefc  Der* 
fetnerung  unb  Umge[ta[tung  bes  alten  brutalen  Bauernreä)t5  t}erbci* 
gefüfjrt.  3mmfrfiin  toirb  nodj  für  bas  früljcrc  ntittelalter  gelegen!- 
Ii(^  bef)auptet,  ba^  bamals  an  geifttger  (Entisicfalung  ber  iübifdje  nUnti, 
3.  B.  in  3fQlien,  ebenio  l)0(^  über  bem  Durc^[d(nitt  bes  itirt[lli<l(en,  nri* 
bie  iübifdfe  $rau  barunter  geftanbtn  tjabe.  (Pb  bics  3U  generalifieren 
i[t,  bßrftr  ftlb[t  für  bas  miltelaltcr  fraglid)  fein.  Richtig  ift  nur,  bo^ 


I  Klugmann  a.  a.  <P.  S.  41. 


A 


D.  Die  (EI(e  bei  btn  flrobern. 


131 


t  lfi&i|d)(  $rau,  tiei  (ojialen  £age  it)res  Dolh»  getnag,  damals  \lziktt 
.f}au5fiau"  unb  dor  bim  titterUd)en  ^rauenhultus  ber  feudalen  (Se- 
[ellfdiaft  unber&l}rt  blieb.  Die  b<"ti9en  Rüdtftände  bcr  Bnllhe  btitii 
artl)oöo;-tii&iic^en  (Ebefct)Iug,  |o  bit  Benugung  bec  <£t)einati[er  („Sdjab' 
d)tn'),  mutljen  uns  nil(t}lern  an.  Hllein  bie  ftttlid)e  Reinl)eil  unb 
Snniskett  bec  Bc]tet)ungen  jrolfdien  btn  (hatten  unb  ju  ben  Hinbern 
(inb  bui<!)  ben  Drudi  3a')ii)unbeTte  langet  Oerfolgiing,  treibe  bem 
3uben  leine  teligiöje  (ficmeiiibe  unb  (eine  Jamilie  als  eiuiige  Suflud)«- 
ttötten  lieg,  nur  gefteigett  moiben. 


eine  6t(lätigung  bes  eben  crroüf^ntcn  Cinflun»  ber  Untmilitaii- 
fiening  auf  bic  (jcbung  ber  Sage  bet  S'^u  bietet  bie  iouoeräne  Stauen- 
Dttai^tung  ber  ltnegen{dien  R  r  a  b  e  r  |orool)l  in  [)oiislamiIi|(^et  inie 
islomitildier  Seit.  3n  Bejug  auf  fie  i(t  cot  aBem  3u  berüA(id)tigen, 
bdd  l)iet  eine,  infolgt  ber  uralten  t7anbel5blüte  ber  Küflenftäbte,  jiemlid) 
l)o^e  maletieUe  KultutenttDidttung  mit  ben  Bebingungen  bti  unmitteb 
bor  an  btn  K&ttenianb  an|d)[iegenben  IDüfte:  Diet^jui^l  unb  beftänbigen 
K&mpfen  um  bic  (Quellen,  Brunnen  unb  IDeibeplälje  unb  bal)tT  kriege* 
n|4er  IDilbbcit,  julammenltiefe.  Untetlle  poIlttid)e  tlinbeil  in  ber 
burd)  liteTaiiji^e  unb  infd^rittlidie  Denkmäler  jugänglji^en  periobe 
ocr  ntubammeb  mar  ber  {ttiht  patriard)ale  „dticij",  bie  (ßtmelnfdfaft 
bet  IDeibeTeDiergenonen,  bie  in  $eE}be  unb  Blutiadje  füt  einanber  ein' 
traten  unb  bie  Beute  unter  einanber  teilten.  Die  gemeiniame  Rbftam- 
raung  ble|er  .Sippe",  neben  bet  fid)  vielleid)!,  ober  helnesoDegs  fidler. 
Sputen  Don  Sotemismus  unb  S^ogomie  finben,  Ifl  natfirlid)  fthtio: 
Das  Uimfli^nge  ift  mclmef>r  bet  gelegentltd)  aud)  bitekt  ausgefprod^ene 
<I>cbanke,  bog  berjenige  non  meinem  .5Ietf4  unb  Blut'  ift,  bet  mit 
mir  ^aus  unb  Ilat^rung  teilt. 

3m  3nterrffe  bet  IHadjl  fttebte  man  nad)  3al)Iitid}et  Uadgtiommcn- 
fd}aft,  aUein  btr  n)un|d)  banad)  rid)tete  fii^  leöigUd)  auf  S  Ö 1}  n  e, 
pon  benen  jeber  bei  feinet  Geburt  als  hiln|liger  Kiiegei  benjlDkommt 
Dutb«.  Bber  metfe  ber  Illulter,  bie  nur  ITIäbdien  gebar!  <£s  roat  alt- 
arabifd)et  Biaud),  fi^  bet  neugebotenen  toeiblicben  Kinbet,  bie  ben 
aibeitsldreuen  llomaben  bei  bet  dnge  bes  I1at}tungs|pielraums  als 
nu^lofe  df^er  galten,  baburd)  3U  rntlebigen,  bafi  man  fie  in  eine  fd)on 
I  am  bei  Itiebethunft  bet  IDädfnctin  ausgetoorfcnc  (fitube  roatf,  offne 


132 


Die  ffifje  bei  htn  antiften  KuIturDöIIiem. 


fie  DOrffer  ju  tölen,  öa  Blutoergieften  in  fter  Samilie  oecboten  roarl 
Unb  Qtabifc^e  Ptcl)tct  tDünfd)en  6en  Dätern  Don  Söd;tem,  t>ag  fie  tin 
jQljIuntisfälitger  Sreiet  ofcer  ein  ftül)et  loö  Don  il(nen  entlQ[te,  Da 
am  (Erbe  nur  teilnimmt,  mei  „mitftämpft,  Beute  mact}t  unt>  ben  Be< 
[i^  mitoerteiöigt".  |o  finb  Me  ilörf}ier  vom  (Jrbrerf(t  ausgeft^Ioffen. 

n)as  bie  le^uellen  Be}tel)ungen  anlangt,  fo  t)err{d)te  etmo  in  btt 
3eit  unmittelbar  cor  IHuljammeb,  mit  im  ipäteren  flegi)pten,  „Der« 
tragsfreiffeit",  unb  es  harnen  bie  »erj^iebenjten  Sormen  i^r«  Re- 
gelung cor.  Reguläre  „(Elfe"-Sonn  aiar  öer  Kauf  ber  Sxom  gegen 
-mohr-  (ober  mahr  —  Brautpreis),  öaneben  (taub,  ujie  überall  bei 
briegeii[d)en  DöHtern,  ber  Roub,  ben  bie  Didjter  als  tapfere  (Tat  preijen, 
bei  aber  natürlict}  I)ier  |o  roenig  inie  |onfl  eine  befonbere  .(E^eform* 
ober  gar  „Oorttufe"  ber  Kaufelje  aiar.  3n  l;tftotiid)er  3eit  mürbe  ber 
•mohr-  bereits  Dtelfad]  ber  $rau  jetbft  überladen.  flQein  fie  n>aT 
Befi^objebt,  {ie  mürbe  nererbt,  unter  Umftänben  oerliet^en  unb  ^reunben 
preisgegeben.  Der  üerltauf  ber  5rQU  on  Dritte  galt  jmar  teilt»ei|e 
(djon  als  un(tattf)aft.  ham  aber  vor.  ds  l)err[d)fe  (d|ranhenlo(e  polij- 
gamie.  IDie  ousjc^liefelid)  nottf  bn  urmüdtfige  patiioidiale  Befi|' 
StanbpunNt  galt,  jeigt  fid)  barin,  bafi  bas  Ktnb  einer  |(i)iiianger 
Dcrhauften  (befangenen  Kfnb  bes  Käufers  rourbe.  <Erft  ITtut}ammeb 
Detbol  ben  Derkauf  roät^renb  ber  Sd]n)anger|c^flft.  Da  bei  ber  ftark 
oerbreiteten  niäbd)enlötung  ber  Kaufpreis  oft  l}0(^  ftanb,  unb  btt 
Srauenraub  S'^bt  nad)  fid)  jog,  ereignet  es  fittj  l(ter,  roie  aud)  Öfltrs 
bei  ben  HaturDÖltiem,  ba^  niet)rere  tüänner  -  meifl  Brübti  —  flt^ 
gemeinfam  eine  Jrau  baufen  („tibetanifdje  poIi)anbrie"),  wobei  bonii 
bie  Kinber  anfi^einenb  bem  älteflen  als  bem  I^auslterrn  jugerei^ntt 
tDurben.  Die  5rau  Konnte  burdfroeg  oom  Tllanne  frei  Derftogen  werben 
(lalcc),  n>ät)reiib  fie  ielbft  nur  (was  oorliommt)  burd)  Derffanblungen 
itfter  DeriDanbten,  D)el<f)e  fie  5.  6.  anbenneit  „DertDerten"  motzten, 
mit  bem  ITlann,  unter  Riidierftattung  bes  preifes,  non  it|m  loskommen 
konnte.  3m  Übrigen  [tanb  iljr  gegen  bie  Öufeerften  Brutalitäten  bes 
ntannts  bie  lltttdft  iSjter  Sippe  nur,  falls  [ie  nalje  jur  t)anb  wor, 
jar  Seite.  Als  (Ergebnis  einer  gemiffen  HiiltuTterfeinerung  jetgte  ftt^ 
bat)«,  ba^  bie  DorueI)meren  Jamilien  iJ)re  üöc^ter  ungern  in  weite 
Scrnen  uerltauflcn.  Sie  bebangen  fid)  mand]mal  ttontrahtUcb  ous,  baft 
b«t  Sreier  fie  nid)t  meit  fort  ober  aud)  garnid^t  aus  bem  Bereid) 
iljrer  Sippe  neljmen  folle.  fludj  ber  IDunfdf,  bie  Kinber  i^rer  Ibi^ttr 
in  ber  eignen  Sippe  ju  beijallen,  trat  t)erDor,  -  ein  Begeljren,  meld^ts 


D.  Vit  £I}e  bei  ben  Arabern. 


133 


[etioi^  bd  5ni(m,  bie  für  t^re  5cou  be3at)len  |oUlen,  mie  bie 
(Quellen  jclgen,  auf  tDiberftanb  [tteg. 

Dag  bagcgcn.  wenn  ber  Steter  bas  ITläbdien  nld)t  ober  Ri<t|t  DoH 
be3at)len  hann,  bie  Sippe  aber  Iroßbem  bie  fln^nüpfuns  fe^ueller 
Bejfet)ungcn  9e|d}el)cii  Ibfit  ober  bie  $iau  fie  eigenniäd)tig  anknüpft, 
(te  mit  ben  Kinbem  In  it^rer  Sippe  oerblelbt  unb  örr  tiebl^aber  fie 
bort  befud)l  ober  in  tt)ie  Samiüe  eintritt,  itt  felbttnerttänbUd)  unb 
nliit  ttoa,  mit  man  a>ot)l  geglaubt  Ijat,  „RüAjtanb"  einjtiger  [}err{d}aft 
bn  muttcrredils.  QDir  t)öTen,  ba^  grabe  bie  nornetjmflen  5ti"^ilien, 
benen  kein  Speiet  gut  genug  i(t,  il)re  QÖi^tcr  eben  best^alb  nidjt  Det- 
kaufen  mollen,  uitb  baf]  aI)nen{tol5e  niäbd)en  \\ii  ivelgeni,  fid}  unter 
bas  3o(^  eines  frcmben  lUannes  5u  begeben.  Da^  bies  kein  Ausflug 
urjptünglidiet  Srauen-Sreiljcit,  [onöern  unigekel^rt  probukt  bes  Stre- 
ben s  nadf  $rcil)eit  mar,  get)t  i<f)on  baraus  [)er»or,  ba^  urfprAngtid) 
bas  inäb(f)cn  äud|  gegen  it)icn  IDiUen  oon  lE)rem  .Dormunb'  - 
iffrem  näd}(ten  niännlid)en  üetmanbten  -  nldjt  nur  d  e  r  Ijeiratet, 
fonbrm  au<tr  gegen  il)ren  IDlUen  Don  iljm  felb|t  g  e  t)eiratet  merben 
konnte.  Sie  i(I  al|o  im  prinsip  (tcts  entroebcr  Befitiobjekt  Hjter 
Sippe  ober  ii)res  Kaufers. 

Rid)ttg  ift  nur,  bog  bie  Keuid)[)eU  oor  btm  3s[ani  Keine  ober 
bo^  keine  Iittlid)e  IDertung  erfui)r,  unb  ba^  best)a[b  bas  unDermö^lte. 
b.  I).  t|ier:  unoerkaufte,  ITIäbdien  unter  Umitänben  faktifit)  ein  ert)eb- 
li^es  Wai  fejueüer  Ungebunben^eit  genog.  3l)re  Citbl^aber  konnte 
fie  natÜTlld)  jeberjeit  cntlaffen.  Sie  oergab  il)re  «Bunft  unter  Um- 
(tdnbcn  gegen  (Entgelt :  cntireber  inbcm  fie  fidj  als  Dirne  etablierte  - 
in  niul^ammebs  3eit  loar  bas  3eid}en  bafür  bas  ^erausltedien  einer 
$a^ne  -  ober  tnbem  fie  fi(ff  ols  Ilkitreffe  gegen  bejtimmtr  £ei|tungcn 
einem  Htann  3U1  Dcrfügung  ftellte.  Dies  mar  ber  J«!!  in  ber  oiel- 
befprot^nen  „nTota'''iEt)e,  bie  erft  nait)  ITlu^ammeb  Derid)iDanb. 

fEs  ^anbeltc  fld)  babei  um  eine  <Ee{d)[ed)tsbe}iebung  auf  beiber* 
feltlge  Künbigung,  bie  ber  finnlli^c  Araber  für  eine  bcftimmtr  Seit, 
monifnnal  nur  für  3  läge,  man(f)mal  au^  für  lllonale,  einging,  mtnn 
er  auf  Kriegs}ügeii  ober  Reifen  uon  feinen  $rauen  getrennt  unb  ju 
längtTtm  ober  kür3erem  Aufcntt)a[|  an  frtmben  (Drten  gcjoiungen 
Dar.  3n  jcber  Slabt  fanben  fid)  oiele  ^i'^uen,  bie  fid)  gegen  ein 
ifiefdrenk  -  ^dufig  genügte  il)nen  ein  t]üb|(t)es  KIelbungs|l&<h  ober 
gor  eine  t}anb  ooD  lltet)!  -  gern  auf  eine  foldje  Dcrbinbung  einliefen. 
Das  poor  ging  bonn  fogai  mond)maI  jum  Kabi,  um  itiren  Dertrag 


134 


Die  <Et)e  bei  btn  antiken  KuIturDÖIIterti. 


Dot  itftn  ju  unterlf^reiben.  IDoUte  einet  öen  onbten  üor  Hblanf  b«s 
oerabieMen  HeTmins  Detla||eii,  ]o  mugte  er  eine  <Entfd)dbtgung  tnU 
ctd)leii.  Die  lTtota<(£[;e  inar  alfo  eiiifad)  eine  Iegali|ieite  unb  in  fefu 
Sormen  gebcodite  Spielart  öer  proftitution.  Würbe  ein  Kinb  geboten, 
[o  fiel  es  iiatiirlidf  öetSrau  jur  ta\t,  lebte  al\o  nadj  ITIuttettcdit,  6oii| 
burfte  biele  einen  öet  mannet,  mit  6enen  jie  üertteljrt  fjatte,  als  Dattr 
bejeidinen,  Do^  in  einem  in  öen  (Quellen  etiDäi)nten  5"U  "on  einer, 
aus  toeldjen  (Btiinöen  immet,  etfolgten  ■teciierche  de  la  patcmite- 
für  eine  Serie  oon  Kinöern  einet  Staw.  ^'e  ii<^  „ntcmanbem  oetjügf 
IjQtle.  -  qI[o  einet  projtituietten  - ,  roeldie  nun  nad)  pt!t)ii|d)en  tllerh. 
malen  unter  öie  Dater  uerteilt  toerben,  mandje  (5elet]tte  (aud)  tDeII< 
l^aufen)  einen  RfiAltanö  utiptünglirfter  „Promiskuität"  Ijaben  felfen 
moUen,  i|t  jdiirer  retitänöiid].  Det  StiM  jeigt,  tocnn  irgenb  etmos, 
bann  et}eT  bie  konfequente  Durdjfüljrung  bes  „Daterteii^ts'',  nwldfes 
füt  jeDes  Kinb  einen  Dater  poltulicrt. 

Die  gtoge  teligiöje  <£rmediung  füt^rte  bann  3U  einer  D(retn[|eit' 
li^ung  unb  fe|ten  Regulierung  ber  (Et)emoial,  mobei  in  meten  punhtcn 
bas  molaijdje  (Bejeg  unb  ber  lolmub  als  Üluller  gebient  l)aben.  ^iet 
mie  bei  ben  anbren  großen  moiioti}eiftifd)en  Religionen  i|t  eine  — 
beim  3slQm  freilid)  (etjt  bejdieibcn  ousgefatlene  -  ( 1 1)  i  i  dj  c  Regle- 
mentierung ber  <!)e|d)Ie^tsbe}ie[)ungen  bie  S^^l^e.  3unäd){t  oerboten 
nTuIjommeb  unb  |eine  Rai^folger  bie  nXota'lElie  unb  anbre  irreguläre 
Jormen  bes  (Sejd)led)tst)etliel;rs  als  ,.l)urerei" ,  ganj  älfnlt^  toie 
bas  <[l)riHentuni  in  flegi)pteii,  ber  Illojaismus  in  paläftina,  unb 
oertjalfen  babutdj  bet  (Efje  nodj  Daterred)!  roieber  jut  ftlleinljfrT' 
Iffjaft.  Sugleid)  aber  fegten  [ie  bem  (jerrenredft  bes  ITIannes,  ebenio 
»ie  über  Shlanen,  to  aud)  über  Srauen  unb  Kinbet,  gevitfe  öufeete 
Sdjranken,  —  roie  mir  benn  öen  (Einfluß  öer  brci  grofeen  mo- 
notljeift'Ifiie"  Religionen  öutd)U)eg  in  ber  Ridjtung  einer  religiöfen 
Santttionierung  bes  patriard)alismu5,  bejdiränttt  bur<tf  ein  getDtHes 
nia^  Don  tVoiitalifdiem  Sd}ug  btt  Bet)erT|d)ten :  5t°"C"!^uQ>  Sltlai>cn> 
[dfu^,  tsirtten  |ef)en.  Das  islamittj(^e  <Ef)eted)t  ift,  mie  fd)on  gejagt 
(el)r  [larfi  non  öen  jübifdien  fficfe^en  beeinflußt,  entt)ält  aber  banebtn 
aud)  fo  merhtDÜröige,  bobcnftänöige  Be|onbert)citcn,  ba^  mir  es  nid)t 
ijberget)en  öürfen,  jumal  es  ja  if^utt  noc^  füt  alle  untet  bem  IjalN 
monb  lebenben  Dölhet  gilt  unb  als  nod)  lebenbes  Denkmal  einer 
an  äußetei  Kultur  reid)en,  an  ilnerkennung  öer  Per]önlid)heitsted)tt 
armen  Dergangent)eit  \ti/,t  öen  {d)ärf|ten  Konttoft  ju  ben  molwmeit 


D.  Die  (E^e  bei  ben  Arabern.  135 

o6entol«it  Sonnen  ^es  Samllienlebcns  bilbtt.  VO\t  bei  ben  3uben, 
t  |inb  aui)  I)icr  bie  eetmtlid)|ten  gc|t^lid)en  Befttmmungen  in  bie 
tltgiöfe  (Dfftnbamng:  ben  Koron,  eincieic^moljen,  alfo  mü  bem  Dogma 
trttnüpft,  noiaus  |i(^  i[)ie  geringe  Ueränberung  unb  Sorlenttoidtlung 
t  mutiamintbs  Seiten  erltlärt. 
Der  Komn  cocitet  bie  4f)e  l)oii|  unb  erklärt  iie,  ebenfo  loie  ber 
Oalmub  unb  aus  üeufelbcn  (Brünben,  für  pfli(t)t  eines  jeben.  (Er 
oerbiettl  ben  Kinbermorb  unb  erttennt  bie  Teligiöje  (Ebenbürligfieit 
bes  ntiblidren  ®ej<i]Ied)ts  an.  Had)  einem  Koranfpruc^  toerben  bie 
^unmlifi^en  Sreuben  ben  Stauen  |d  gut  mie  ben  UTannern  su  teil. 
Dog  aber  bie  flneibennung  it)ier  Atiroartfdiaft  auf  bas  Senfeits  bem 
Ptopl)et(n  Selbltüberminbung  getioilet  tjat,  illu|ttiert  folgenbe  (Etjä^- 
limg:  (Eines  lages  ging  il}n  eine  S^au  barum  an,  für  t<e  bei  Qiott 
um  Cinla^  In  bas  parabies  }u  bitten.  <Er  antmoitete  3unä(t)ft,  bo^ 
«s  nidil  für  alte  Stauen  gema{l)t  |ei.  Als  bonn  bie  Bittjtellenn  in 
iTdnen  ausbrad),  milberte  er  bie  t^äite  biefes  Difclums,  inbcm  er 
ffinjufügte;  .Hein,  bas  Parabies  ifl  ntcf)t  für  alte  S'ouen,  benn  et)e 
(Sott  |1e  aufnimmt,  mirb  6ott  fie  niieber  iung  unb  fi^ön  mad)en, 
bamit  fie  bes  if}nen  beftimmten  l)iinmli|d)en  (Satten  isürbig  |lnb'). — 
fc  li^eint  bana<tf,  als  fei  öemi  boif  bas  3nteref|e  ber  lltänner  an  b«t 
Annie|cnt;eit  ber  Si^°i"><  '"<  3enfeits  ein  ftärlteres  IIIottD  für  bie  fln« 
nhcnnung  ii^ret  religiöfen  (EbenbiirtigEieit  geroeten  als  elma  bie  reli« 
giöf«  Jbee  bes  IDerles  |eöcr  (Einjelteele.  (Ein  parabies  offne  jangc 
unb  fi^öne  S'i^ucn  unb  ot}ne  bie  oon  i^nen  ju  enoartenben,  fubflan- 
Hellen  finnlicf)en  Sreuben  tsäre  eben  kein  3icl  getoefen,  für  bas  bei 
nioslim  fein  Srfjuiert  aus  ber  Sttfeibe  gejogen  I^aben  toüibe. 

Das  irbifd)«  I^erreniec^t  bes  Illannes  an  ber  S^au  unb  |ein  flaikes 
Ucberlegent)eitsgefüt)I  mürben  jebenfalls  burd)  rciiglö(e  DorfteUungen 
iibfolut  nidit  gebrodien.  3m  Gegenteil ;  IDie  öcr  Ijellenismus  in 
{1egi)pttn,  fo  fQtfrte  aud)  ber  3slam  in  getoiffem  Umfang,  nämllt^  für 
bie  Smedie  ber  <E(reWfti'"9'  ^'^  if>e|d|Ied)lsi]ormunb|d)aft  ein.  lEt 
setlangt,  ba^  jebes  niäbd}en  burc^  einen  _Pali"  jur  (Ef)c  ocrgeben 
Derbe,  fid)  alfo  nid)l  oijne  initmiittung  eines  ITtannes  oettieirate.  ~ 
Die  «Eigenart  bes  islam(tt|d!en  Samilienred)ts  ergibt  fid)  nun  baraus, 
ba^  bct  (Sefetigeber  einerfetts  bem  manne  aubttorbentlid)  tDeitget)tnbe 
Bffugniffe  über  bie  p  e  r  1  o  n  feinet  flnge^Ötigen:  Sronen  unb  Kinbet, 
Rl<ii)t  unb  fidi  nnbtetfelis  ~  ole  |d)oii  gefugt  -  bemül)!,  itjren 
')  R.  fjelou  0.  0.  <D.  S.  34. 


136 


Die  4f)c  bei  öen  antthen  Kulturoölftern. 


niifebtauclj  bur^  eine  SüDe  öetaillietter  Sc^u^rorldiritten  3U  oer^fiten, 
fluffallenberiDeife  fällt  3unä(f)ft  bas  et}eli(f)e  DermÖgensred)!  ber 
Stau  GUS  bem  Ratjmen  bes  patriati^alismus  ijeraus,  eine  Satlodif, 
beren  Utjad(e  offenbat  in  bem  Bebürfnis  (tätheren  5T<iuen|d}u^es 
angefid)t5  bei:  Sulalfung  ber  Polif^atnie  ju  [ucE)en  ift,  unö  bte  ^t{loii|d) 
Diellei(t)t  an  bie  (Entoidilung  bes  [pät  orienlalifi^en  (^eaeniitifc^en) 
(Büterrei^fs,  wie  mir  es  Ipäter  kennen  lernen  merben,  angeknüpft  fyü. 
3m  tSegenjo^  ju  ben  babqlontfdien  unb  erft  ied;t  3U  ben  jübifd^ 
Cf)egefe^en,  beffölt  bie  StQU  nämli(^  eine  etmaige  Htitgift,  ober  mos 
fie  in  ber  (EI)e  ermirbt,  aud;  in  eignem  Be[i^.  <£s  befielet  alfo  „(ßütei- 
ttennung".  Unb  »om  tjeiratsgut  bes  Hlannes  (mohr),  öas  im  3slüm, 
analog  ber  talmubildjen  Ketuba,  obligatorifc^  unb  lüerhrnal  ieba 
legitimen  (Efje  ift,  muft  er  il]r  (djon  bei  ber  ftiefdiliegung  bie  f)älfte 
jUT  freien  DerfÜgung  ftellen,  bie  anbre  f)älfte  aber  nad)  einet  oercin' 
borten  Srift  ousbcjalilen,  roöljrcnb  bei  öen  onbren  Dölhern  bie  (If^^ 
Senkung  bes  HTannes  grabe  erft  bei  Auflöfung  ber  (EI;e  in  bie  fjonb 
ber  S^fl"  getongte.  S^rner  fefjlt  ebenfo  roie  im  Dorislamittft^ 
Redft  bie  Befibränltung  ber  „(Sefd)äftsfät)igtieit"  ber  Srau.  Sie  (fl, 
Der^eiratet  ober  lebig,  im  (Be|cbäft5i}eTket)T  unb  DOr  6end)l  völlig 
t)anblungsfäbig  im  juriltiji^en  Sinn,  allein  ausgenommen  bie  nottoenbig' 
fteit  ber  Dergebung  oon  (naterlolen)  Iltäbi^en  in  bie  (erfte)  41ft 
burd}  iljre  nadjtten  Derroanbten  con  Daters  Seite,  —  Beibe  <Satlen 
[)aben  ein  drbredjt  gegeneinanöer,  allerbings  kein  gleiches.  Der 
mann  erf)ält  Don  if)iem  Hacblag  getabe  boppelt  io  oiel  raie  fie  con 
6em  feinigen.  Sie  gilt  alfo  als  »Ijalbe  Perlon",  ein  (btunbfa^,  b« 
aud)  bas  oerjdiiebene  lErbre(^t  oon  Sötfnen  unb  ttödftern  beftimmt. 

(Gegenüber  ber  Dermögensred)tlid)en  unb  red)tsgefd}äftlid}en  S^^ 
l)ett  ber  (Ehefrau  roirkt  if)re  [tarlie  petfönlif^e  Binbung  um  fo  ein« 
brudtSDolIer.  Sin  ffiegenfag  jur  Bibel  geftattet  ber  Koran  bem  Hlami 
ausbrüdt(id)  „mäßige"  Süi^tigungen  für  llngefforfam  ober  fonftiges 
tabelnswertes  Derljallen,  gibt  iijm  alfo  eine  Art  rii^letiidfer  Semott. 
€t  tionn  fie  ferner  bb  tieule  unter  gemiffen  Kautclen  polijeilii^ 
joiingen,  it^m  überall  bin  yi  folgen,  too  il)m  ]u  mobnen  beliebt  Dor 
allem  aber  tiann  er  il^r  »erbieten,  o!)ne  feine  Erlaubnis  bas  I^aus  ju 
Derlatjen,  ^^flli^^^i*^"'  S"""'''""^".  i"  ietbfl  ifjte  Derroanbten  unb 
(Eltern  ju  beiud)cn  ober  bei  fidr  ju  empfangen.  Hur  einmal  tn  ber 
tDo<i)e  l^at  fie  einen  Anfpruc^  bacauf,  i^re  Cltem,  einmal  im  3al)r 
iljre  Dermanbten  3U  befudfen  ober  bei  fit^  3U  leffcn.    line  n  a  1^  t 


J 


I 


f>.  Die  €f)e  bei  btn  flioberit 


137 


Iterf  fit  Jfbodj  nur  mit  formeller  (Erlaubnis  ^es  (Satten  ausmärts  ju- 
tlngen,  -  es  lei  denn,  6aft  il)r  üater  (nlct)t  t>ie  ItlulttT)  erftranhl 
linit)  oljiie  pflege  i|l.  I>ie[e  Recf)te  &es  ITIannes  an  öie  perfon  öer 
l5tau,  iDeI(t|<  bie  islamitifi^e  (£^e  noi^  ^eute  3u  einem  Be(i^i)eil)ältni5 
r  ftempeln,  geben  i>er  ganjen  |o5ialen  £age  ber  ontnlalif(f)cn  grauen 
i^ren  |pe3ifi{d)en  Ciiarahler. 

■Eine  iiompIi3iette  unb  mertiiDüitiige  Kafuiftilt  i|l  als  $olge  !>es  5e- 
Itrtbens  cntilan6en,  „bas  5Tauen-3nlercffe"  mit  6tm  Poned)!  bts 
mannes  auf  polqgomie  irgenbtvie  ju  balancieren.  Pie  tiarauf  be3ügli<i}en 
Dor((trriften  gen>ä[)ren  jugleit^  einen  Sinblidi  In  bie  €igenlilmlid)fteiten 
bcr  crientaU|<f)en  Stjttnoral.  Pie  islamitifdie  Stau  bann  fldt  tnono* 
guniic  nnt  tiontraiitlid)  ausbeöingen.  l^at  fie  bies  unterloffen,  |o  borf 
bn  geDÖlfnlidfe  Illann,  loie  nad)  talmubi|d)em  Red)t,  bis  }U  Dier  DoII< 
Snutn  t)tiraten.  Pie  Bemittelten  hönneii  litt)  übeibics  einen  nttl» 
köpfigen  l}arem  »on  SMaolnnen  tjallen.  Sahtifd)  i|t  bie  Stellung  ber 
monogamen  (Et)efrau  im  boueclid^em  ober  geioerblidiem  initte[|tanb 
IfUr  -  njie  Qberall  -  uon  beijenjgen  ber  ocdbentaltn  Düiher  nl<t|l 
(Ül]u  Dr[|<f)leben.  Die  polT)gamie  als  Privileg  ber  Bemittelten  prägt 
ab«r  ben  oberften.  bie  geiftige  unb  politifdie  KuItuT  Iragenben,  Sdiidjttn 
l!|ten  Stempel  auf, 

Sojufagen  als  <Ent{(^äbigung  für  ben  Perluft  itjrer  periönlid)cn 
Bemegungsfreifieit,  t)al  nun  bie  Stjefrau  nid)t  nur  Anfprud^  auf  ilanbes* 
flemd^en  llntcTt;aIt.  ionbern  aud)  auf  eine  geioiffe  rcgelmä^tgt  Be> 
friebigung  it^res  (fie|d}led)t5triebs.  Unb  bet  Koran  legt  bas  grögtc 
ftrisid)!  baiauf.  baji  ber  mann  in  beiben  Be}iel]ungen  feine  oerft^ie- 
btntn  lüattlnnen  gunj  gleidimägig  bet)anble.  Um  itir  bie  poIi)gamie 
crträglid)  ju  madjen.  t)at  junäd)it  jebe  feiner  Sf^'i^n  bos  Red|t,  bie 
Cinric^tung  eines  Sonbeitiaustralles  für  |i(^  unb  it^re  Kinber  3U  orr- 
langen,  iDoburc^  natürlld)  für  bie  lltaffen  bes  Dolftcs  bie  fahtifd^c 
Blonogomle  bcförbert  roirb.  Deilet|t  ber  Hlann  bie  Unterlialtspfli^t, 
fo  itann  |ie  ot)ne  oieitere  Sonnalitälen  ben  Kabi  anrufen  unb  3U 
bieiem  TimtA  audf  offne  ei)emännlid)e  (Erlaubnis  bas  fjaus  oerlaffen. 
Snidften  miebcrlioile  rid]terlid)e  (Ermaf]nungen  nid)l$,  fo  mirb  bei 
niann  ins  6efängnis  gefteAt.  ober  bas  (Sentit  lä^t  einen  Heil  feinet 
l^be  DCrkaufcn  unb  entid}äbigt  mit  bcm  Urläs  bie  Sfou-  Per  Plann 
Ifot  jcbod)  bas  Rec^t,  itjr  ben  Unlertjalt  ju  entjie^en,  falls  fie  o^nc 
Cthnibnis  bas  fjaus  oetldfit  ober  ll)m  bas  Bcilaget  Denocigerl.  - 
ibanj  analog  ber  Unter^allspflit^t  jinb  nun  aud}  bie  ünfprü^e  ber 


k. 


Die  <lift  bei  btn  antihtn  Kulturoölltern. 


1 


5rauen  auf  6e|d]led)t5Derket}r  bet^anbelt.  tebt  bet  XRann  folriqüm, 
|o  \)at  er  jeöer  feiner  Srauen  genau  !>ie  gleidfc  5a^I  oon  nädrten  ju 
nJi^mcn;  nämlid)  entioeöer  je  einmal  24  Stunden,  je  3  oiier  je  7  ilage. 
IDirö  er  bei  einer  öer  ffiotttnnen  Kranit,  fo  öarf  er  jioar  bis  3ut 
(fienefung  in  itftcr  IDoljnung  bleiben,  muft  aber  öann  t)ernadf  Öit 
antuen  öurd}  genau  Mefelbe  5ai)l  Don  CEagen  ent|d)äbtgeii.  Hui  anf 
Reifen  bann  er  mibie[)men,  vom  er  miU,  olfnc  ba^  öie  anören  ba- 
butd)  flnfprüdje  an  i^n  geroinnen.  Soldje  Reglementienmgen  öes  per- 
(önlit{)ften  Cebens  finit  ja,  mie  mir  |at)en,  bem  ®rient  überhaupt 
eigentümlidf  unö  Solge  öaoon,  ba^  öie  ti)eoIiratifdr'ieligiÖfe  Redgis' 
OTÖnung  an  der  Sdrtmelle  6es  f^aufes  n  i  d^  t  Qait  mad^t,  fonöem,  in* 
öem  fie  öie  Redjtsjpljäre  öer  3nöiDiöuen  öurd)  ilfte  „KaöiOufK]* 
jetbridjt,  jugleidj  öie  IDillhür  öes  tjauslferrn  ju  gunften  öet  Be« 
Iferrtdjlcn:  Sftlaoen,  Kinöer,  Sronf",  i"  geroitfen  Scf)ianlien  ijält.  IDb 
TRQnt^e  Sprüd]e  öes  alten  ileftanients  lel)ien,  itam  öiefer  ett]if<l)e  5Bf 
öer  Hjeohratie  ja  fogar  öem  „(Dd)jen,  öer  öa  örifd}ct°,  3U  gute. 

3ur  eljelidien  üreue  Derpflid)tet  öer  Koran  Itlänner  unö  Si""*", 
ja  er  roiü  öie  (Efjebredjer  beiöer  (Befdfledjter  miticiöslos  mit  peitfdjen' 
trieben  beftraft  roiffen.  nctürltd)  beöeutet  aber  öiefe  Dorf(!)iift  ffii 
öie  auf  je  einen  ITtanii  befc^röntite  $rau  etroas  ganj  anöres  als  für 
fcen  poIi)gamen  Iltann,  öer  überöies  bas  Redjt  tjat,  (eine  5tou  o^nt 
ri(t)teilicf}e  <Einmi|d!ung,  menn  auii  unter  Beoba(l)hing  getoiffer  5'"^' 
malitälen  iinö  mit  f)u5fd;(ug  gemiffer  Seiten,  in  öenen  fie  hdrpeilid) 
beljinöert  ifl,  ju  oerftofecn.  Derflö^t  er  fie,  jo  öorf  fie  il)X  f}etratsgut, 
öas  fie  Don  il;m  empfangen  f]at,  mitnef^men.  flud)  bet)ält  fie  öie 
Kinöer  Ms  jum  7.  3atfre,  oon  toann  on  fie  öos  Redjt  ffaben,  3iDif(l)en 
Dater  unö  ITlutter  ju  roälflen.  flufeeroröenttid}  arc^oiftifdi  ift  öie  nod( 
I)eule  gellenöe  Dorfdirift,  öag  ber  Ittann  au<^  nad)  öer  Derftoftung 
öer  5rou  nod)  oon  if^r  oerlongen  hann,  „feinen"  Säugling  jroei  3011" 
lang  3U  ftitlen.    Dodj  foll  er  il)r  bann  ein  6efc^en6  suhommen  laffen. 

Die  $rau  bann  fidf  gegen  ben  IDiUen  öes  Itlonnes  nur  auf 
Rntiag  bei  (^eridit  unö  mit  öeffen  3uftimmung  fd]eiöen  laffen.  IRtf 
t)Qmmeö  ftelltc  ben  allgemetnen,  oieiöeutigen  (Brunöfoti  auf:  .IDenn 
eine  (Elje  öer  S''""  Ractfteile  bringt,  fo  foUt  iljr  fie  löfen."  'Di*  rao« 
öeme  islamitifd^e  Redjtspflege  üerfleljt  öarunter:  Deriveigerung  öes 
Untert)a[ts  unö  (5efd}Ied)tsDerttel]rs,  ferner  ITlifeljanölungen,  e^ren* 
rilI)Tige  Beleiöigungen  unö  unfittlid^es  Dert)alten  öes  Rlonnes.  - 
fluc^  ber  ntann  hann,  ftatt  bie  5'fl"  3"  terfto^en,  geric^tlit^e  Sc^- 


I 


D.  Die  <EI)e  bei  ben  Rrabein. 


139 


hing  beantragen,  opos  für  it)n  btn  Doiteil  ttat,  ba%  er  der  idiulMg 
((Iprotitencn  5iau  bas  fjeiratsgut  nidjt  ausjUjaEjIen  brautet. 

Die  i>ät<Tlid)c  (betaall  Ifl  infofern  meEt  g«6et]nt,  als  fie  nid)!  an 
tinem  beftimmten  Setmtn,  {ont>ern  nur  öurd)  lEmanjipation,  aI(o  tiuti^ 
Bustirü(li[id)(  (Entlaffung  bes  Klnbes,  enblgt,  öertn  Seilpunbt  btr  Datei 
vätricn  hann.  Bo<f)  ttönnen  bif  Kinber  bei  ungeroditfeTtigtcr  Dor- 
tntbaltung  bn  IHünbighcitserltlärung  i))Te  Sufluif)!  .tum  Kabi  nef)men, 
nie  fie  öenn  fibeit)aupt  in  allen  möglid)en  Lebenslagen  gegen  Itttg* 
btäud^e  bcr  Dätetlid)ni  (Kemall  qu|  iljn  angemlelen  finb.  Die  ITIuttei; 
||at  natürli(^  ni<i)ts  ]u  lagen.  Had)  öcm  lobe  frcs  Datecs  ett)allen 
fit  einen  (einer  männlichen  Dern)anbten  als  Uormunli.  Der  Dater 
^t  if)r  S<l)icli|Ql  infofern  ganj  in  feiner  l^anb.  als  er  (le  |d)on  Im 
Jngenblidien  tllter  unb,  itoar  ni(E)t  iDät)ren&,  abti  öod)  iogleidf  no^ 
6«r  (6eburt  in  bie  illje  nergeben,  bejt».  ocrloben  hann.  Unb  bie 
Vöd)tn  hönnen  bann,  fobalb  t<e  ber  mfllterlid)en  Pflege  nid)t  met)r 
iefturfrn,  in  bas  tjaus  ifires  Ijiatten  übcrfüljrt  »erben.  Diefer  Ijot 
fogat  ben  flnlprud;  auf  ii)ce  Ueberficblung  ju  itjm,  obiDOf)!  it)m 
bis  3U  ilfrer  (Bef(^le(i)lsrcifc  6er  el)elitt|e  Derhelfr  mit  i^nen  unterlagt 
tfl.  -  Dem  Kabi  ifl  es  iiberlaffen,  ben  Kinbern  ju  tjtlfen,  menn  ber 
Datet  fit  ni<t)l.  mit  er  |olI,  ju  it}rtm  Dorttil,  allo  3.  B.  unflanbts» 
gcmäg,  Dert)eiralet  t^at.  Sie  hönnen  il^n  nad}  erlangter  (be|d)Ied)t5  • 
Rife  um  fluflöfung  ber  «El^e  angelten.  Haif  hann  ber  Dater  ftlbft 
Irinc  HadfUr  aus  ber  <£E]c  juiriAforbcrn,  tornn  fic  ungHidilitf}  ifl. 
Allein  biefe  Art  oon  .Klnberjdiu^"  ifl  eben  bot^  praklifd]  nur  be- 
gTcnjt  aniDenbbar  unb  nimmt  ber  iititerlid)en  (beinall  heinesmegs  ben 
Clyaralttei  eines  i£igentumsrcd]ls  an  iljncn.  —  Dafi  ober  national* 
grfül}l  unb  (Seniölinung  an  bie  tErabition  |d)lie^lid)  jur  Red)lfertigung 
aOes  „IDirklidien"  aud;  DernunftgTünbe  finbet,  bemeift  u.  a.  aud| 
^elou,  beffen  „Itjcte"  für  biefe  Sliisje  bertii((t  ifl:  <Ir  flel)t  in  jenem 
Datene^t  lebiglitt)  eine  meife  Dorfd^rifl,  um  bie  3ugenb  3U  beroat)ten, 
f^rerfeits  nodfleilige  Derbinbungen  ju  f^Iicfeen. 

Das  (Erftaunlidje  am  islamitifd^en  ^diniü^nret^t  ifl  ja  nun  nid)t, 
bab  es  übcit;aupt  eine  abfolulc  Ijausgrtnalt  bes  DTannes,  eine  |o 
ftienge  perlönlid^e  „f^öriglteit''  ber  5cau  unb  bie  poli^gamie  jugc» 
laffen  t)at,  -  Die  mir  fal)en  Derliet)  ja  aui^  bos  babi)Ionlfd}e  unb 
ffl&ffd)«  Aeleg  bem  manne  äl}nlid)e  Befugniffc  -,  fonbem  bafi  es 
fd}  feit  (einem  (Entftcljen  cor  nunmebr  balö  1500  3al]Ten,  tioj  bes 
bcftönbigen  Kontahts  mit  ber  mobernen  orcibentalen  Kultur,  in  feinen 


140  Die  {{)£  bei  bm  antiken  KuItuiDöntern. 

c^aiabteiitti{d)en  ^Tunbjugen  unneränöert  erljalten  tiat  unt>  doi  allem, 
in  DÖUigem  (Einklang  mit  bei  aItoTientali|<i]en  Sitte,  nod)  tfeutt  öit 
peT|önIid)en  Bejiel}imgen  oon  ta,  200  lITillionen  inenjdjen  Don  Dor&er' 
afien  bis  naii)  fjinterinbien,  doti  flegi^plen  unö  Ilorbafriha  bis  jut 
tEürtiei  unö  ben  runiidjen  Sataien,  reguliert!  Die  Iln|d)auungrn  bn 
fernen  antift'Oiientali|d)en  Detgangenljeit  beljerrliiieii  nodi  bic  (Begen- 
tDort  unb  |d}eiöen  bie  orientali|d)e  Perfönlicblieitsliultur  burd)  eint 
unübeTbrüdtbare  Kluft  oon  ber  occibentalen;  benn  bie  mobernen, 
namentlich  in  flegijplen  i;eimi|d)en,  Derfudjc  einer  „Srauencmanjipotion' 
mußten  an  ben  feften  unb  unabänberlict)en  Doijt^riften  bes  Koran 
ff^eitern,  ebcnfo  toie  bie  fefte  religiöje  Binöung  öet  fojiolen  (Drbnung 
unb  (Erabition  ein  ftarhes,  a>enn  aui}  auf  bie  Dauer  md)t  unübei> 
tDinbiid)es,  Hemmnis  ber  (Entuicblung  bes  Kapitalismus  ift 


1 


denn  tntr  nunmefjr  ben  (Orient  nerlaflen  unb  uns  ben  beiben 
großen  Srägern  ber  im  Ipejifijdien  Sinne  jogenannlen  „antiken"  Kul- 
tur 3ui»enben:  ben  (Bried}en  unb  Römern,  |o  tjaben  mir  uns  junädrlt 
ju  erinnern,  ba^  als  grunblegenber  Unterfdjieb  il(ret  KuIturentioiA' 
lung  bas  5eI)Ien  ober  rid}tiger:  bie  ftarfte  Abf[f;mäd}ung  bet  bem  (Drient 
eigentümlid)en  tljeottratifc^en  6runblagen  bcs  Staats[oe|ens  getoirbt 
f)ttt,  bie  Ijier  erft  in  ber  (pätrömifdien  Seit,  unter  oiientaIi{(^en  ßn- 
flüffen,  bas  Ulittelalter  einjuleiten  begannen.  Selbftänbige,  junä<^|I 
anftoiirati[d),  fpäter  metft  bemoltTati[c^  geglieberte,  StabthUrgerfcbaften, 
auf  bem  Dollisljeer  ber  freien  Bürger  rufjenb,  bas  umltegenbe  £anb 
Öttonomif^  unb  politifd;  be[)eTr[d)enb,  finb  I)jer  bie  Srägei  einer  ju- 
nefjmenb  rein  meltlirfien  Kultur  unb  bemgemäg,  grabe  auf  ben  E}öi)e> 
punttten  il)reT  (fie|d)ic^te,  auc^  einer  rein  roelt[id)en  (Entmidilung  bes 
5amilienredjts.  Illan  barf  babei  nie  oergeffen,  meldte  Rolle  W< 
dum-  unb  (Ejersierplä^e  (>(;yninasia.)  -  alfo  ber  ülilitaris- 
mus  -  in  ben  antiken  Stäbten  bes  (ßccibents  fpielten,  loenn  man 
bie  (igenart  ber  Stellung  ber  $rau.  [pejiell  bie  Kombination  eines 
flarh  entroidielten  Sreifjeitsgefülils  beim  ITIann  mit  iljrer  teils  ret^t« 
litten,  teils  konoentionellen  (bebunbenbeit  nerftet^en  mill,  to\e  fie  uns 
mettrfadj  entgegentreten  miib.  Der  antike  Staatsbürger  i|t  sor  allem 
o«d[  Solbat;  l|ört  er  auf  es  ju  (ein,  bann  roaubelt  (idf  unb  „oerfäDt* 
bie  utjprünglic^e  (Eigenart  ber  antiken  Kultur.  -  5>lr  J*ie  Unterfdiiebe 


I 

i 


I 


E,  Die  <Et)e  bei  btn  fjeOcnen. 


141 


(  5AtnUicnrcd)ts  jioifditn  btn  btiöen  gro^tn  mttttllänt>i|<f)en  Kul- 
|Bn>öUiem  aber  kommt  in  Betrad)!,  öag  I^cllos  (ent  <Diient  geogia* 
l4i|4  »"^  öhonomii^  nä!)et  lag  als  Hom  unb  &ai}er  mit  ftctgen6tT 

BVultur  aud)  bcjüglitt)  bit  Si^du  orientaliid)«   Sitten  in  Itärkercm 
Tnage  übcmolini. 

IDas  bit  g  T  i  e  (^  i  { d)  t  Samilienoetfatlung  Dor  bti  aUei  anbien 
bfstret  t>ctiad)tttcn  antliten  Dölket  untrr|d)tititt,  ift  i^ie  aus|(^Iicgnd|C 
Begründung  auf  die  Dlonogamte,  bie  aud)  Don  ben  ()eUenen 
|elb|l  als  etmas  fle  oot  6en  .ßaibaten"  ausjeidjnenbes  empfunben 
tourte.  RDetbings  (Inb  nod)  beut[id)c  SpuTcn  einet  ftAtrertn  t^alb* 
poliigomie  por^anben.  3n  ber  Seil,  aus  bei  bie  t)omen{d)en  Cpen 
ttommcn,  ffit)rle  btr  ntann  offenbar  t)äuftg  bur^  Kauf  aus  btr 
Kritgsgefangentdraft  enoorbent  SklaDinnen  In  {ein  t^ius:  •{>allakai<, 
bit  bort  neben  6ct  (E[}efiau  elma  bie  StcDung  bei  „Illägbc"  rote  in 
Babi)lon  unb  bei  ben  alten  3uben  einnahmen.  Die  Dom  l^aus^errn 
mit  il)nen  eijcugteti  Kinöer  roaten  frei  unb  rouiben,  wenn  11)1  Uater 
es  rooDte,  als  fjausktnbei  ci3ogen,  er  konnte  fle  logai  am  <£rbe  bc« 
teiligen,  menn  aud)  nic^t  im  gleit^en  Ittagc  aiie  bie  et)e(id)en  Kinbei . 
3n  t)iftoriid)er  Seit  t^atltn  jcbot^  beiartige  t)albpoli}game  Dert)ältniffe 
il)icn  <It)aiaktei  als  Red)tsin{titul  oerloien.  Der  mann  konnte  in 
gt|4ti^tlid)er  Seil  ineber  met)iere  Srouen  gleid)}etlig  Iieiiaten,  nod) 
Konkubinen  ober  .Ulägbe"  bet)ufs  Begtiknbung  eines  oom  Rcd)l  an< 
nkannlrn  <Kc|d)l(d)t5DtTt)ältnines  in  fein  tjaus  füi}ren.  nodj  ift  bas 
au6eii)äuslid)e  Konkubinat  irgenbaie  ge|e9li<^  geregelt.  Unb  als 
Konltquenj  biejei  geiet)lid)en  Illonogamie  bege^incn  roit  in  bei  Ua|* 
fi|d)cn  [)eüeni|(^cn  <Epod)c  bei  tEi|d)cinung,  ba^  bie  Sfl'ni'i«"iH9<' 
^righeit  ber  Don  il)m  er3eugten  Kinbei  unb  bamit  i^re  Beteiligung 
om  (Elbe  bem  Belieben  bes  TKanncs  cntritdil  (inb.  llui  blc  In 
ber  legitimen  lEl)e  geboicncn  Kinbei  können  im  Däteilid)en  E)auft 
tijogcn  unb  in  ben  militärifdfen  Derbanb  (ptiratrie)  aufgenommen 
»erben.  Die  aufjere^eltt^en  bas  finb  in  ber  klaifijdien  Seit  alle 
anbien  |—  gtifören  nur  jur  S<""'l'f  "jr"  lllutler.  3n  bei  kla|< 
nidfcn  Seit  buifte  er  it)nen  nad)  einem  Solen  3ugei<^riebenen  (Se* 
fe^  nur  nodj  einen  nad)  oben  l)ln  fijierten  Betrag  als  Cegot  aus. 
ftt*»;  tiie  unet)elid)en  Kinbei  felbll  aber  tjatten  it)iei|Hts  keinerlei 
Aniprfid)e.  Don  biejem  (Ee[e^  Ijat  fit^  ielbft  perikles,  als  bie  p«|t 
ttine  ettelidten  Sö^ne  bat)ingeiafft  Ijatte,  nur  buic^  einen  DoDtibc|(^lu() 

I  Mspenficrcn  laffen  können.  3n  Rnbctrad)t  [eines  Itagifd]m  <Seid)tdie5 


!42 


Die  (Elfe  bei  ben  antihen  Kultutoölftfrn. 


unö  [einer  Der&ienjte  um  bas  Datertanö  rauröe  il)m  QUsnatjmsuieile 
gejtattet,  öie  mit  fllpafitt  crscugten  Söf(ne  in  Jeine  $amilie  aufj* 
nelfmen  unb  it^nen  bie  Bürgerred]te  Derleif]en  5U  la|[en,  obtDO^I 
Bfpafia  fteine  fltl^enerin  mar  unb  bal]er  nad]  bamaligem  Red)t  keiiu 
DoUet]e  mit  periltles  ein^eEien  konnte'). 

man  ift  ja  nun  gemoftut,  ju  glauben,  bog  allein  bie  3n[titution 
ber  geleglirffen  Ülonogomie  ber  €I)efrau  Idjon  eine  mürbige  SteSung 
nebtn  bem  Ttlanne  [td}ere.  Don  öie|ei  tDirltung  iit  aber  in  (BriedtcU' 
lanb  lel}r  uienig  ju  fpüren.  Dielmef)r  trägt  iljre  Cage  ~  unb  310« 
in  ber  Sitte  üielleid)!  nod)  meljr  roie  im  Ret^t  -  ein  ipejifild)  .orien- 
taliii^es"  ffieproge  unb  bas  ganje  Samilicn-  unb  Sejuallefaen  btt 
fjellenen  bilbet,  mobern  geroerlct,  einen  SleAen  auf  bem  4Ion3e  ifjr« 
Kultur.  Was  3unäd)(t  bie  geie^Iiii)e  nionogamie  betrifft,  \o  legte  fit 
natßriid)  nur  ber  S'^'^'i  kcinesmcgs  aber  bem  Tttanne  bie  rec^tlidie 
ober  Qud}  nur  moralifctje  Derpflic^tung  3ur  flus(d)IieöH»tikeit  öes  (be- 
[<!)Ie(^tsDeriiei;rs  au.^.  Die  Untreue  öer  Srau  oiurbe  [od>oI)1  ftraf-  mie 
3iriilred)tli(^  geatjnbet;  [0  roar  bie  lEffebrerfferin  3.  B.  con  ber  deilnattme 
an  ben  Öffentlid)en  (botlesbienften  ausgeld^lolfen,  burfte  tieinen  Sd)mudi 
tragen,  unb  nad)  einem  flusiprud)  bes  flejdjines  „bebeAte  ber  ffiefet)» 
geber  fie  mit  groger  Sdjanbe  unb  mad)te  iijr  t!]r  £eben  3U  erbiüiken' 
ber  £aft'-').  aucfj  mugte  i()r  ffiatte  fidj  -  roie  bei  ben  3uöen  - 
unter  allen  Umftänben  oou  iljr  (c^eiben,  bamit  auf  keinen  $all  etma 
ein  frembes  Kinb  in  (einet  Similie  aufinai^ien  könne.  Dem  lllanne 
mar  es  bagegen  unbenommen,  fi(i)  auger  bem  f)aufe  Konkubinen  Jtti 
I^Qllen  ober  fi(^  mit  fjetären,  Sklaoinnen  ober  Knaben  ju  Dergnügen;^ 
Strafbar  mar  nur  bie  projtitution  einer  freien  Bürgerin. 

Da  bemnad)  fein  Uriebleben  gan3  ungejiigelt  blieb,  konnte  bit 
nionogamie  allein  bie  per|önlid)keitsgeltung  öer  Jrau  unb  ilire 
lüertung  als  S^miliennutter  nidjt  förbeni,  ja  bie  jpejifilc^en  (Eigen- 
arten bes  griedfifc^en  (Bemeinfdjaftslebens  wirkten  iljt  -  roie  toir 
fpäter  [ei)en  merben  -  berart  entgegen,  bag  fti^  bei  fteigenber  Kultur 

*)  <ßb  bit  ..Ba\taTbe"  in  Allten  DliTgerrtdile  ermfibcn  honnitn  obtt 
nlc^t,  i]t  eine  nod)  iinentid)iebene  Slreilfrage.  Tladf  Qeaud|cts  Rn\iitit  \tanb 
if(n*n  öafür  nur  basfelbe  fjinliernis  im  IDtge  mic  nai)  ein*m  (ft«l«B  ba 
peiili[fi|d)en  Seit  -  metCk innen kinbern,  nämlid;  i>ie  Ab|tanimung  oon  ein« 
ni(^t>att)enifd)en  muMer.  Stomtnten  |ie  jebod)  oon  einer  tll>)(ncrin.  |o  «• 
narben  fit  nad)  leincr.  übrigens  red;t  unfid|<r  begiflntieltn,  nteinung  fo 
gut  toie  6i(  elididien  Kinder  poiili[ilie  HedjW, 

•)  Bfaud)tt  I.  S.  242. 


4 


1 


\ 


I 


K.  TUt  (El}(  bei  öcn  f)ellenen.  143 

fBOT  bie  fonnalT(d)l(i(tre  Stellung  ti«r  $rau  I)ob,  bagegen  gletdrjeilig 
Hftt  fahtifc^e  petjönliil)e  BeroegungsfieiEieit  -  oor  allem  in  flttieti  - 
nod)  votiUx  minberU,  ein  Dotgang,  öer  in  bit\n  Sii)ürfe  bis  jeftt 
(bijig  ba|ttt)t  in  ttcr  (Bejc^tdiU  bes  Deil)älhiij^es  öct  <fic{ct)te(^let,  |o 
^ufig  uns  aud)  {onit  bie  (Erldretnung  entgegentritt,  bag  die  gefcß' 
((^ftüdje  Sitte  („KooDention")  graöe  auf  öen  fjätitn  öer  (fie|elli(^aft 
jur  |aktliii)en  Uerltärkung  öer  Dome[lifcation  ber  Srau  fül}rl.  — 

tDii  gelten  im  folgenben  Don  bem  in  fll[)en  in  öct  „Maffifdien' 
3nt  geltenben  Red}t  aus.  von  bem  nad)itet)enb  übemll  ba  bie  Reöe 
ifl,  »0  nid^t  ausbrütblid)  eine  (Einricl}tung  als  füi  ganj  QeHas  gellenö 
bcjeidinet  wirb. 

Die  allgemeine,  redttlic^e  unb  faht{|cl)e,  f1bl]ängigiteit  ber  Sxan 
«r^ält  in  (Bciec^enlanb  -  unb  smar  im  ganjen  <bri<d|enlonb  -  eine 
gegenüber  bem  (Drietit  neue  Sct^altierung  burd)  bas  3n|litut  ber  (&e* 
i<^led}tst)OTm  iinö|d)afl,  bas  uns  als  isidftiges  tHeihmnl  bes 
5amtUenpalTiaTd}aItsmus  I^ier  tnnerlialb  bes  Hieiies  antiliei  Kultur* 
Döllier  jum  etilen  IRale  noUentaiidielt  entgegentritt  unö  meldies  mir 
BKiterliin  in  £it)nlid)er  $orm  vie  t)ier,  bei  allen  Dölhetn  Inöogetma' 
niid)cr  Raffe,  al|o  dud^  bei  unften  eignen  Dorfafften,  uud)  auf  (fod) 
entiDiibellcn  Kulturflufen  mieberfinben  werben,  u)ät)tenb  es  ben  fem)* 
tifd^en  Dölhetn  cbenfo  roie  ben  Regtiptctn  in  benjenigen  (EnttoirftlungS' 
ftabien,  über  bie  von  I^inlänglid)  untertid)tet  finö,  ftt)ll,  ober  bod)  - 
bei  ben  flrabem  -  fli^  auf  bas  Ked^t  ber  männlid)en  Dermanölcn. 
Uc  IIIdöd)en  jut  Clje  yi  oetgeben,  beidjtäniit. 

3eöe  atf)ent!d)e  $rau,  ob  nertieitatet  oöer  ntd)t,  fle^t  3eillebens 
'Jmter  öer  „l)errf(^aft"  iljres  nfidjlten  männlid)eu  Oermanbten:  itjres 
Daters,  Brubers,  (Balten,  Soljncs  ob«  einet  il)T  pom  fltdjonten  be« 
fttmmten  perjon,  unb  biefer  .Ki)rios",  -  fei  er  nun  itfr  Oalet  ober 
OMT  lonfl  -,  oergibt  |ie  nidfl  nur,  oljne  He  3u  fragen,  in  öie  (Etfe. 
(onbem  bie  5riu  hann  aud;  otjne  feinen  Beiftonb  unö  feine  (EinwUIi' 
gung  kein  Rc(^tsgei(^öft  obfdiliefeen.  bos  einen  befUmmten  ge(e^[H(^ 
P^erten,  |et}r  geringen  Betrag  überfdireitet,  nod)  aud)  cl^ne  iifn  DOt 
(Bfridfl  erfdieinen.  Als  Strafhlägerin  ober  -Beklagte  mirb  fte  oon  Um 
begleitet,  3lDilpto3effe  kann  er  ous  eigner  Yltaiit  für  fie  füliren.  Die 
Stau  ift  alfo  lebenslang!  itb  .,l)ünblungsunfäl(ig'  im  jutiftife^en  Sinne. 
Arifloteles  Detgleid)t  |ie  besljalb  als  Red}tspet!önlid;keit  öen  Sklaven 
unb  Kinbem,  inöem  et  öie  uerf^iebenen  (Krabe  ber  Unmünbigkeit 
ölcfet   biei   Klaffen   Don   perfonen   folgenbermugen   öefinierl:     .Der 


■  ölcfet  bi 


144 


Die  iEI)e  bei  ^e^  anttfien  Kulturoölftent. 


S^Iqdc  t)at  Iteinen  tDillen,  öie  5i^<iu  ()ot  einen,  aber  et  ift  o^nmädjtig, 
bas  Kino  Ijat  einen,  aber  et  ift  nnoollftänöig".  BeaucE)et  nimmt  jo- 
gai  an,  ba^  bie  f)erT[d)aft  bis  Kt}rios  neben  6er  öes  (Ef^enianns 
fottbauett,  falls  Jtiejer  niifft  ausötüdtlic^  jelbft  jum  Ktfrios  (einet 
(Battin  ernannt  mar.  (Et  ftü^t  ötcfe  I)i)pot^efe  auf  bis  (Tatfadte,  ba^ 
6et  Datei  öos  Rc(^t  Ijatte,  bie  ffod)ter  aus  öer  (Effe  jurüAjufotftetn, 
bod)  ift  es  ii)at)r|d)einiici]er,  ba%  et  bies  litaft  Däteilt(^et  (beioolt  oet* 
mod]te,  bag  bagegeii  bie  [pejifift^en  Rcd)le  bes  Ui^tios  butdi  bit 
Dettjeiratung  bes  ITIabt^ens,  ebento  roie  überall  jonft,  Don  intern 
(Satten  erwoiben  rourben. 

Was  bie  Art  ber  i£t)efd)Iiegung  anlangt,  (o  routbe  bie  Jrau  im 
([elleniit^en  ftltettum  jroeifeUos  gehäuft,  loar  aljo  tec^tlittf  Befiftobiekt. 
3m  f)omeii{d)en  Seitaltet  niad)t  ber  Daler  bem  S^fi^  \^on  a»*!) 
jeinerfeits  ein  Weines  (5e|d)enit  fmeilia),  öeffen  IDctt  ieöodj  an  bcn 
bes  Brautpreifes  (hcdna),  ben  er  felber  empfangt,  nit^t  Ijetonreiilbt. 
Bei  tjomet  toerben  bestjalb  oud)  bie  lEÖ(i)ter  bie  „Rinbct  bringenben" 
genannt,  tttogbem  scigen  bie  Ijerrlidfen  Srauengeftalten  bet  l}ome* 
rifi^en  (Epen,  ba^  -  ivenigftens  inneifjalb  bes  l)dd)[t  eigenartigen 
iittciUii)en  Kulturhreifes,  bem  bieje  unfterblii^en  (Sebid)te  angelten  - 
bie  $iau  fafitifd)  als  Cebensgefät^rtin  bes  IHannes  galt  Sie  empfing 
mit  il)m  bie  (bä|te  unb  naifm  an  allen  5«itli(^ketten  teil,  fie  wor  feine 
Dettraute  unö  bte  lBeno|fln  feiner  Sreuben  unb  Sorgen.  (Krabe  öiefe 
3nniglieit  bes  t]äu5lid]en  <Bemein|d]aft5lebens  aber  ift  in  ber  tilafftfi^tn 
(Epo(l)e  in  ben  fojiai  füljrenöen  Sd)id(ten  jetflött,  unb  [o  finben  ft<i| 
bcnn  au^  in  ber  (pätcten  Ciletatur,  felbjt  bei  ben  gtofeen  fftogiliern, 
heine  Sdjilberungcn  roie  bie  bes  et}elid}en  Dertfäitniffes  non  [>efetor 
unb  flnbromadje,  penelope  unb  (Dbtfffcus.  Die  Stauen  Rnb  entmeber 
ubi;rmenl(^li(i)e  Ijeroinengeftalten  ober,  roo  sartc  (Empfinbung  ge- 
Idjübert  roirb,  gilt  fie  bem  Doler,  ben  <Be|(timiItern  unb  Kinbem, 
nid[t  ber  (Battin,  feiten  bem  (Batten  ober  bet  ntuttet.  nidjt  febei 
ttiirb  mit  tDilomoroit)  aus  ber  (Dreftie  eine  e  r  tj  ö  t)  I  <  IDertung  ber 
Htjefta«  -  oon  ber  Htutler  3U  fdjrDeigen  -  ijetausjuicien  Dermögen. 

Dobei  Itat  re<^tlidf  in  Haifift^er  Seit  bie  (Etfe  ben  primitiwn 
dtiatahtet  eines  Berifioetfiöltniffcs  ganj  abgejtieift.  Sie  hommt  but(^ 
.engyesis»,  b.  Ij.  butd}  einen  im  Beifein  bet  Braut  gefd)loffenen  Der- 
trag  3n)itd)en  t^rem  Ki|rios  unö  iljtcm  Steigt  juftanbe,  beffen  proh« 
ti|d)  mii^tigften  Be{tanbteil  regelmä^g  bie  Uebetgabe  ber  Dlltgift 
bes  IRübdjens  (plicniti  an  ben  fiUnftigen  (Satten  bilbeL    Dies: 


I 


E-  Die  €f(e  bei  ben  ^ellenen. 


Ebts  VXäbä^tns  mit  einer  mitgifl  fcurdj  iljre  DermanMen, 
[)r  in  ganj  I^eilas  bas  normale  ITIerfimal  btr  (Et)e.  Die 
mitgift  mu^  &ic  $Taa  bei  Hiifloiiing  6tT  <t\}t  malerteil  ^i^cr  {teUvn, 
btnn  eine  größere  Brautii^enliung  dou  leiten  bts  <fiatlen,  wie  i»ir  |ie 
im  (Drient,  Hegi}plen,  in  Babi)Ion,  bei  ben  3><beii  unb  ben  firabern 
kennen  lernten,  editierte  in  (firiec^enlanb  ni(t)t  meE^r.  Oielmei)r  trug 
bas  Biautgef<^enii  öes  Illannes  Ijier  lebiglidj  ben  <II}aiiiI(ler  einer 
.AufmcThlamheil"  für  bie  junge  CBatlin.  Buf  bie  Dotierunci  oon  leiten 
Hjrer  eignen  5'J"'"'«  llffe  |i<  nun  aber,  obtootrl  [ie  -  mit  nur  einer 
fpäler  ju  eiöitemben  |id)ren  Ru5nat]me  -  im  gansen  f^ellas  burd;  it^re 
Brüber  oud)  oom  (Erbe  ausgeldjlolfen  miirbe,  Iteinen  ted^tlidien,  Ion- 
bern  nur  einen  burc^  bie  Sitte  gelt^ü^ten  Anipiu(^,  unb  eine  <£t;e  mar 
}ti>ei|e[los  aud;  oljne  llUlgift  an  fld)  gültig,  (Es  er|il}c!nt  best)alb  oom 
Stanbpunhte  bei  iun|ti|ct)en  Begriffsbilbung  aus  nid)t  gan3  präjis, 
menn  ITIttteis  bie  gnect)i|d]e  IHilgift  als  .(Erbabfinbung"  ber  llöd)tet 
bc3<td}net.  Die  SÖi^ter  t)aben  eben,  a>ie  mei|t  in  militärildjen  5"i- 
itualen,  tnenn  SÖtjne  ober  Sol)neshinber  ba  |inb,  roeber  Irgenö  einen 
CibanIpTud],  au^ei  bem  Redjt,  im  DätciHclfen  fjau|e  tDcitei  alimentiert 
JU  nieibcn,  nod)  aud;  ein  Red}l  auf  bie  ITlitgift,  folglid)  hottn  man 
au<f}  nid]l  Don  einer  „(Erbabfinbung"  bnrd)  bie  lllitgift  |pre(t)fn'). 

Das  DennÖgensred)!  &et  (Eijefrau  geftaltete  |id)  nun  folgenber- 
magen;  bie  niitgift  blieb  nodj  bis  in  fpätrömildje  Seit  -  ein  oon 
ntitleis  mit  Ke(t)t  |d)arf  betonter  (f>egenla\t  bcs  (D|tens  gegen  ben 
Hielten  -  {t)r  iE  i  gc  n  I  u  m ,  fiel  jebod)  in  blc  Ilu^ung  unb  Dermaltung 
bes  Flonnes  unb  mar  it]ren  gcmeinfamen  Kinbem  .»erlangen',  b.  tf. 
bei  mann  burfle  aud)  nac^  bem  Höbe  bei  5rau  nid}t  frei  über  |ie  Der- 
fügen  unb  mu^te  fie  bei  einer  neuen  lielrat  ben  Klnbern  aus  erjler 
(1^  ausfeilen.  IDurbe  bie  (Ei)e  gcid)icben  ober  üerl)eiratetc  jid)  bit 
IDituK  aufs  neue,  |o  nat;m  |ie  it)Te  ITIilgift  mit,  blieb  fie  aber  mit 
ilgren  Ktnbem  im  t)au(e  bes  oerllorbenen  <Batten,  |o  burfte  |ie  nid)t 
Iclbltdnbig  barüber  oerfügcn.  IDas  |ie  au^ei  ber  lUitglft  elioa  nod) 
cinI)Ta<l)le,  galt  als  lKe[d)enk  an  ben  Iltcinn  unb  njuibe  lein  (Eigentum, 
(bflifo  oDes,  IDas  fie  in  ber  (Et)e  eiinarb.  Die  3bcc  eines  in  bei 
OeiDoItung  ber  S^ou  l^lb|t  |tel)enben  .Sonberguts"  berfelben  fehlte 
al|o  in  fjellas  in  ber  hlalfitd)en  >3elt  pollftänbig.    (Er{l  bem  I^etlenis* 

)  sar  ()at  b(ibi)l<>nild)(  Rtd)t  mdrr  bagtgtn  bi(|(  SontiulUtnnti  horatlit, 
bort  ttt|ltlien  bit   ISdilti  cintn   Kopfitll  bts  cdtcitii^fn  Crbts  jni 
licfeHne.  falls  |1(  btt  ber  (EI)e{d)iitf|ung  md|t  aut9*|toU*t  nwibtn  loattit. 
CtffidB  ine  mmm  |g 


146  Die  (E^e  bei  öen  antiften  Kulturoölftem. 

mus  gehört  öie  (Entioiälung  öes  „Dorbe^altsguts"  öer  Stau  an, 
meines  öen  namen  für  bas  freie  S^ctuenoermögen  öer  fpdtrömi{(^ 
3cit  (bona  >paraphernali  ac)  lieferte. 

5iir  öie  (E^ef^eiöung  ftanöen  üerf^ieöene  IDege  offen,  für  ben 
mann  natürli^  öie  bei  roeitem  bequemeren.  (Er  ftonnte  öie  S^^ 
ieöer5eit  —  qu^  toö^renö  öer  S^roangerf^aft  —  gans  na^  Belieben 
Derftogen,  unö  nur  öie  {verausgabe  öer  Utitgift  konnte  i^m  öabei  eoen« 
tuen  Unanne^mli^fteiten  bereiten.  Bei  gegenfeitiger  (Einroilligung 
ftanö  ferner  beiöen  6atten  öie  S^eiöung  frei,  einfeitig  konnte  öa* 
gegen  in  At^en  öie  Stau  nur,  roenn  \it  beftimmte,  übrigetis  ni^t  ge« 
nauer  bekannte,  6rünöe  tiaüe,  öur^  öen  Ar^onten  gefd^ieöen  roeröen. 

(Einfeitiger  patriard^al  als  im  Orient  (Koöe^r  ^ammurabi)  nHtr 
öos  Der^altnis  öer  (Eltern  3U  öen  Kinöem  geftaltet.  Die  ntuttec 
^atte  gar  keinen  re^tlic^en  Anteil  an  i^nen.  Bei  i^rer  S^eiöung 
unö  Derftofeung  „gehörten"  fie  immer  öem  Dater,  roä^renö  fie  im 
le^teren  S<^\it  in  Babi)Ion  gan5  mit  öer  Htutter  gingen  unö  fonft 
roenigftens  bis  5um  7.  3a^re  bei  i^r  blieben.  3m  übrigen  roor  öie 
oöterlic^e  ffieroalt  yooax  öem  3ntvalt  na^  eigentumsartig,  seitlid)  aber 
nur  über  öie  (Eöc^ter  unbef^rönkt.  Die  Sö^ne  tnuröen  in  Rti^ 
f^on  mit  18  3a^ren,  in  anören  Orten  mit  20  3a^ten,  geroaltfrel 
3n  öiefem  Alter  rouröen  fie  nomli^  in  öie  Bürgerlifte  eingetragen 
unö  5ur  militörifc^en  Ausbilöung  tverange5ogen.  Der  öemokratif(^ 
militörif^e  Staat  legte  feine  ^anö  auf  fie  unö  fe^te  öamit  öer  fyxt» 
f^aft  öes  Daters  Schranken.  Das  S^ickfal  öer  (Eo^ter  blieb  öagegen 
in  feiner  ^anö,  bis  er  feine  Re^te  an  it^ren  6atten  abgetreten  ^tte. 

Kinöeroerkauf  roar  in  Att^en  bis  auf  Solon  suläfftg,  unö  au^  fpater 
geftattete  öas  (befe^  noc^  öen  Derkauf  menigftens  einer  „gefallenen* 
(Eo^ter  als  Konkubine,  falls  fi^  fiein  S^eier  für  fie  fanö.  (Erftaun- 
lid)  mutet  es  uns  an,  öen  Dater  innerhalb  öiefer  glänsenben  öfti^eti« 
fc^en  unö  intellektuellen  Kultur  -  Q)ie  in  Babi)Ion  unö  fpdter  im 
römt|(^en  Rec^t  bis  Kon|tantin  —  noc^  als  „f}erm  über  (Eoö  unö 
£eben''  öer  in  feiner  (bemalt  befinöli^en  Kinöer  5U  finöen.  Rtit  Aus« 
nat^me  Don  (Et^eben  blieb  öos  (Eöten  unö  Ausfegen  Don  neugeborenen, 
fo  roeit  bekannt,  in  allen  grie^ifc^en  Staöten  roöt^renö  öer  ganjen 
BIüte3eit  nid)t  nur  oom  Red)t,  fonöem  aud)  oon  öer  Sitte  geftottet. 
Selbft  reid)e  Dater  mad)ten  öauon  6ebraud),  o^ne  öesroegen  Don  öer 
öffentlid^en  ITIeinung  oöer  |elb|t  öen  pf)iIo{opt^n  getaöelt  3U  roeröen. 
Dielmef^r  rouröe  eine  |oI(^e  I}anölung  einfad)  als  ein  (bebot  öer  nü|- 


K  Dit  St)e  b«i  ben  ^ellenen. 

um  btt  BeDÖ1iterungs3uncit)me  unö  bn  imetisitnfdtten  Det' 
'  grügtruiig  bet  HinjelfamUie  3u  fteuern,  beurteilt,  unti  |elb|lDer|tän!i' 
litt)  |u(t)It  man  f](t)  Quf  bit\t  XOe\\t  oot  allem  bts  Suotcls  an  ITtäl)' 
d^n  ]u  cntlcbi^en.  Illan  mag  nun  übet  b'it  Der[d;ie6enen  TITa^naftmtn 
btc  Deif^icbenen  DÖiAer  jur  Regulierung  (t)ier  <})ebuTt(n]aE)l  benlien 
nie  man  toill,  unö  telbft  b\t  arilike  Sitte  bts  Ktnberlötens  uerftfln!)' 
lid}  finben,  jeticnfalls  mirö  es  un|erm  Cmpfinöen  als  ein  Stict)en  ge« 
mütlidfcr  Untiultuc  gelten,  bog  öic  Kinöei  |tatt  getötet,  |et)r  Tegel* 
mäftig  ausgelebt  unö  baburd;  l^ilflos  einem  langfamen  lobe  preisgc* 
^eben  würben.  S"'!!'')  "ttg  babti  nietet  nur  bas  Bebürfnis  |I(t)  it^rer 
auf  bie  bequemjte  tDeije  ju  entlebigen,  milgefpiell  Ijabcn.  |onb«m 
ctoo  aud)  bie  Hoffnung,  bag  fid)  irgend  jemanb  il;rer  erbarmen  unb 
fie  aufjiefren  loürbe.  f^ber  bie  A&mad)t  der  Däterlit^en  (bemalt 
mu^te  aud)  (oid)e  Alttt  bes  mcnfd]lid]en  Erbarmens  erfd^meren,  benn 
bas  dejefi  beließ  öem  Daler  bas  Redjt,  icberjeit,  ©enn  es  ifim  be- 
liebte, ilnfprüd^e  an  bas  Deijtogene  Kinb  ju  erl)eben  unb  es  Don  leinen 
pflegeellern  jurlidijuforöern.  - 

Die  ]u  bcT  obigen  Skisje  mttbenu^tcn,  (et)t  breit  ongelegttn  Slu- 
bien  Beaud)ets  fd)öpfen  in  ber  fjauptiadie  aus  ben  großen  (Seiiditsreben 
tws  D(mo|tl)ents,  3|äo$  unb  £i)f{as  unb  eridtlieften  noi  allem  al^e- 
n  i  I  d|  e  s  Red}l.  IDit  befi^en  nun  abn  nod;  eine  Don  ber  bcul|d)cn 
n>inenfd]aft  erfi^loffene,  unmittelbarere  lErhenntnisquelle  in  bem,  etma 
im  5.  3alirl)uiibt'^t  t>-  *t^t.  in  Stein  gemeißelten,  Stabtred^t  oon  (Bor* 
lipi  aut  Kreta,  bas  in  ben  mei|ten  Punkten  mit  ben  atl)enifd)en  <(c* 
legen  übeieinflimnit,  in  einigen  ober  in  d)araiiteciftijd)(T  IDeife  abioeidit 
unb  au^erbem  I)auptquelle  für  bie  (Ertiennlnis  einiger  Dor{tet;enb  nod} 
nidfl  erörleittr.  loldiHger,  bie  Scnu  berUt/renber  Het^tsinftitute  f|l. 
DaI)CT  ergänsen  mir  bas  bisttcr  (Bcjagle  burd)  einen  Blidi  auj  ben 
t^editlic^en  3nl)all  biefer  unifangreid)en  3nfdrnft. 

^nlereffant  i|l  für  uns  blts  fted)l  |d)on  bes^alb,  meil  es  ein 
neues  ftcleg  3u  (ein  id]einl,  bas  gegenüber  bem  älteren,  Itrcngertn 
Redft,  auf  bas  es  Bejug  nimmt,  u.  a.  aud)  btrekl  bie  BefIcTHelluns 
6ct  Scouen  bejmedtte.  Dor  allem  werben  Ifter,  im  (Begen(ag  3U  aOcn 
bekannten  anbren  gried)ifd)cn  Slabtred)ten,  bie  Hodjler  mit  einem 
Briiklidfen  <Erbred)t  ausgefluttet,  eine  in  aDen  tänbem  bebeutungs* 
DoDe  <Etappe,  überall  }u|ammenl)ängonb  mit  bem  5uTÜd(treten  bes 
tein  mililäri|d)en  Cl^aiahters  bes  Sidaistcelens.  5"il'd)  njurben  bie 
Sdlpic  aud)  in  (fiorlijn  noc^  erl]eblid)  bevorjugt    Sic  erl)lelltn  ob 

10» 


148  Die  (E^e  bei  öen  antiften  Kulturoölbem. 

„Doraus"  öie  Die^^eröen  unb  augeröem  öie  f}öufer  in  öer  Staöt  mit 
öer  gansen  (Einrichtung.  Der  Staötaufent^alt,  öer  aUein  t^  Me 
(Eeilna^me  am  politif^en  £eben  ermögli^te,  entf^ieö  eben  iiber  bie 
{osiale  ntac^tftellung  bes  begüterten  Utannes.  Dagegen  pflegte  er  bie 
Beroirtf^aftung  feines  lanblic^en  6runbbefi^es  meift  sinspfii^tigen 
f}öu$Iern  3U  überlaffen.  An  biefem  6runbeigentum  roaren  bes^alb 
Qud)  bie  (Eöc^ter  erbbere^tigt,  roenn  auc^  ni^t  in  natura:  i^r  Anteil 
baxan  tnurbe  i^nen  in  6elb  ausgemiefen.  Huc^  Dom  BarDermögen 
erhielten  fie  i^ren  (Eeil,  von  allem  aber  nur  ein  Drittel. 

Das  Rec^t  oon  6orti)n  ift  nun  eine  ^auptquelle  für  bas  OKt^ 
fc^einli^  in  gans  (brie^enlanb,  jebenfalls  3.  B.  in  Sparta  unb  Rti^tn, 
geltenbe  (Erbtö^terre^t,  bas  mix  in  unentroiAelter  5orm  jifon 
bei  ben  3uben  ftennen  gelernt  ^aben.  Das  Htöb^en,  iDel^es  keine 
Brüber  bejafe,  ert|ielt  als  „(Erbtoc^ter"  („(EpiMeros"  in  Rü^n,  «patro- 
oilios''  in  6orti)n)  bas  ganse  Döterli^e  Dermögen,  roar  aber  oer* 
pfli^tet,  i^ren  nöd^ften  Derroaubten  Don  Daterfeite  3U  Giraten.  Das 
Re^t  biefes  Dermanbten  war  \o  ftarft,  bag  es  i^n  bere^tigte,  falls 
bie  (Epikleros  f^on  oere^eli^t  mar,  S^eibung  i^rer  (E^  ya  fetnen 
(Bunften  3U  verlangen,  unb  biefem  Re^t  entfprac^  urfprünglt<l^  bie 
Pfli^t,  fic^  nötigenfalls  feinerfeits  f^eiben  3U  laffen.  Der  3n>edK  Mefer 
3nftitution  ift  uns  f^on  bekannt.  (Er  mar  berfelbe  toie  ber  ber  £eim 
rätselte:  bem  ITIanne,  bem  ein  So^n  oerfagt  ober  geftorben  nxir,  fotte 
ber  Sol)n  ber  (£od)ter  unb  feines  nö^ften  Derroanbten  als  (Erbe  loiö 
Beforger  bes  (Eotenkultus  gelten.  Die  (Erbto^ter  felbft  galt  mir  ds 
ITIittel  3um  Sroeck.  3t}r  Dermögen  fiel  bemgemög,  fobalb  ein  So^ 
geboren  war,  an  biefen.  Als  fpöter  bie  religiöfe  (brunbloge  öes  Ae> 
fe^es  Dergeffen  mar,  mürbe  bie  Pfli^t  ber  (Erbto^ter,  ii^ren  na<i^ftea 
Dermanbten  3U  t^eiraten,  nur  in  beffen  egoiftif^*pekunarem  3ntercf|e 
aufregt  erl^alten.  Offenbar  mar  bies  Stabium  in  (Borti^n  jax  3eit 
ber  nieberf^rift  bes  Stabtre^tes  fd)on  errei^t,  unb  man  ewpfmb 
bes^alb  bas  alte  Re^t  als  eine  Ungere^tigkeit.  (Es  mürbe  t^r 
^alb  geftattet,  fi^  burd)  Abtretung  eines  (Eeils  bes  üäterlid^ 
an  ben  yxx  tjeirat  Bere^tigten  oon  iljm  Ios3ukaufen. 

Ueber  bie  $orm  ber  (Et}efd)Iiegung  unb  it^re  IDirkungen  OMf 
£age  ber  Stau  Iet}rt  uns  bas  6orti)ner  Re^t,  gegenüber  beut 
nid)ts  Heues.  Aber  es  fid^erte  bie  $rau  bei  Auflöfung  6er  Gft  wäb 
3mar  fomot}!  burd)  Dermitmung  mie  burd)  S^eibung,  er^fid^  befier 
als  alle  anberen  bekannten  Stabtredjte.    Starb  ber  IRann,  \o 


K  Die  (EI)e  bei  bm  fjeUenen. 


149 


Ifle  nändid)  nid)t  nur   -   roie  auij  in  Hl^eii   -  iffic  HTitgifl  jurüdi, 

llontMrn  au^er^en1  öle  Ejdifte  bti  .(Eingemebten"  b.  f).  oDei  ber  Stolfe, 

|tf<  im  £du((  bct  <£()(  Don  il]i  felbft  ober  unter  it]TCT  tlufttcf)!  im  (joufe 

»feitigt  naren.  Sie  gemann  in  (Borti)n  al[o  Anteil  an  öem,  loos  toir 

I  ^ute  als  _el]elii^e  STTungen((!)aft"  bejeid^nen.   Dies  befieutete  gegen- 

lAbet  bcn  im  fonltigen  (Kriedienlanb  geltenbtn  Re<trtcn,  die  il)t  heineilef 

Anteil  am  (Sule  bes  nianncs  ober  am  ditrage  bei  eigenen,  il^r  Ceben 

I  ^fl  ausfüDenben,  Arbeit,   geiPäl)rtcn,  bie  dinfüf^rung  einer  neuen 

l  Ibd)tstbee,  bie  bann  in  btr  Igellenijtiit^cn  (Epod)<  aud]  in  anbren  grie> 

l4)il<f|en  (firmeintDifen  aufgenommen  unb  met)rfadf  ju  einer  Art  oer* 

^Iragsmä^iger  <5ülergemeinfd)aft  fortgebilbet  tvuibe,  unb  fie  war  bte 

Insige  Anerhennung  if}rer  eignen  iDirt{d)aftIid)en  £ei|tungen  als  £ei- 

Itrrin  bes  t>au5t|alls.  —  Audf  menn  ber  Ulann  fie  Derftie^,  naiim  fle 

1  ,Don  ber  Srud)!  bie  Ijälfte  . .  .  ,  unb  mas  fie  einmob  bl«  fjölfte". 

pUnb  au^eibem  mu^te  er  iE)r  -  im  iBegenlag  ju  bcm  (onitigen  ^eUe* 

Rl|d)en  Ked^t  -  no<f)  eine  6elbbuge  ^atilen.    Ittan  könnte  faft  glauben, 

ba^  ägriptitt^eT  (Einfluß  bteft  bem  li[a||lid)en   t}eUfni|ct)en   Rect)l   |oR|t 

frembc  Art   bes  S'0"e"I<äjwBes   "t"!)  Kreta   t)erübcrgcipDII  Ijabf.  — 

Dai)  bagegen  bie  Rec^tsipt)äTe  bei  ITI  u  1 1  e  r  aud;  in  (£octt}n  gänslid) 

Don  ber  DÜlerlidien  (Betoalt  abioibierl  luurbe,  gel)t  aus  einer  inter« 

eflanten  Bellimmung  Ifcroor,  norff  ber  bie  Htuttei  ein  n  a  df  ber  ttft- 

fd^eibung  geborenes  Kinb  bem  frfltieren  (Bdtten  jutragen  mu^te,  unb 

t$  nur,  menn  er  es  juriidtmies,  bet^allen  burfte. 

Dergegenroärtigen  mir  uns  nun  rüdtfdiaucnb  nod;  einmal  bie 
Cinjeljüge  des  grie(^ifd)en  (Ebcrcdftes.  fo  ei|d)eint  uns  bie  lEttefiau  in 
formal-redttlt  ^er  [>inrid]t  immeit)tn  oIs  3nt)aberin  einer  eignen 
Redjlslpfiöte,  bie  -  mit  flusnatjme  iffres  tllutlerre^ts  -  gröfeer 
tDdr,  als  bie  btt  babqlonilc^en,  alt-arabifd)en  unb  jübifificn.  Der 
mann  lionnte  fie  wtbn  töten,  verkaufen,  vermieten,  not^  feine  Sd)ulben 
aus  üjrer  tTIitgift  besatflen,  auc^  konnte  fie  ficb  -  toie  übrigens  aaif 
in  Babiflon  —  unter  Umftänben  burd;  Sd)eibung  Don  ibm  befreien. 
5em<r  beftanb  ge|et)lid]e  monogamie,  fo  ba^  ber  IHann  nid^t  bie 
Kinber  feiner  Konkubinen  ben  iifrigcn  oorjtelicn  konnte:  Die  volIb<' 
TCf^tigle  iltjefTau  allein  bei)auptete  fid)  als  tErseugerin  ber  legitimen 
lErben  bes  niannes.  3n{oi»eit  kam  il)T  bie  (Eigenart  bes  l)ellenitdr<n 
Stabtftaals,  als  einer  (^cnolfeufdiaft  freier  Bürger,  bie  keine  regeHofe 
Seugung  oon  .illegitimen'  Biirgcrrcd)ts-Ann)ärlern  3u  bulben  gefonnen 
_wax:  -  btt  eintritt  in  btn  Bürgeroerbanb  tourbe  in  l)iftonf(ltCT  3c(t 


150  Die  <E^e  bei  ben  antiken  Kultuiodlfteni. 

überall  juiieljmenb  erldjaiert  unÖ  Illonopol  öer  Dollblutfanttlten, 
3U  gute.  -  ffro^öem  aber  tud}t  bas  if)t  in  ffiriedjenlanö,  unft  jtooT  dot 
allem  in  fltt)e"r  3"  t<!il  roeröenöc  IHaft  ifirer  f  a  k  t  i  i  (^  e  it  UnlrT< 
or&nunci  uiib  (5ering|d)ä^ung  als  (ßattin  unb  Samüienniutler  in  bei 
(Be[d)id)te  öer  Kulttituöiiier  öenn  bod)  icinesgleidjen.  Seils  bei  alt- 
t)t[tori|d)e  ini[itaTiittfd)e  dl^arahter  ber  Staötftaaten,  teils  6ie  eigeiu 
artigen  Kullurbcöingungen  öcr  füljrenöen  Staöt  (fit!(cn)  tjabcn  bies 
^erbeige{fi(]rt.  -  ITiir  auf  öem  Kolonialen  Boöen  (&roggrie(^enlanbs, 
mo  öie  Sefleln  ber  Erabition  (otfeerer  toaren,  erroorb  fie  ein  gemiffet 
VXa^  geijtiger  BÜbung  unö  Sretljeit:  fljpajia  ttammle  aus  ntilel, 
Sapv^o  lebte  in  £esbos.  Unb  innerl]alb  ber  ett]i|dt'TeIigiölen  Sefcte 
ber  Pptljagotäer,  bie  il)ren  ^auptfi^  in  {übitali[d)en  Kolonien  (Kroton) 
I)iltte,  nahmen  fogar  im  Sc^oge  il)cer  Sf^inilien  l«benbe  5i^<iuen  an 
&em  gei(Hgen  Ceben  ber  IHäiiner  teil.  Däler  unb  (Bütten  füljrten  |elb(t 
ifjre  trödjter  unb  S":*"'«"  pijttjagoras  3U,  bamit  et  iljncn  jeine  £el|re 
ueiMiibe,  unb,  als  Sd^ülerinnen  feiner  lettre  lebenb,  moben  pe  einen 
geiftigeit  dinjdjlag  in  bas  Ceben  iljrer  3eit.  3in  gne(l]ii(t}en  IHuttet' 
lanbe  bet)idten  bie  Stauen  bagegen  nur  in  Sporte,  wo  Knaben  unb 
inöbt^en  bis  jum  (Eintritt  ber  erfleren  in  bas  I)eer  3u(ammen  ei30gen 
tourben,  unb  aud)  bie  Itlabdien,  um  3um  (Sebären  hräftiger  Bürger 
fät)ig  3u  n^erben,  an  allen  Leibesübungen  teil  naljmen,  etma  bas  ITIo|| 
faittitd)ei  lojialcr  Stellung,  bas  fie  in  ber  ritterlidjen  6e|eII|<^afl  öet 
t)Omeriid)en  3eit  offenbar  be|effen  tfatten,  (Ein  $antilienleben  im  fietu 
tigen  Sinne  bannten  aUcrbings  bie  Spartaner  nii^f,  benn  il)rc  poll« 
tifi^e  <Dtgani|ation  |(t|rieb  ben  Htännern  eine  Art  oon  I)eerla9cr'ff|iflen3 
mit  gcmeinfanien  aufeertiäuslidjen  ITIafiljeiten  oor.  flbet  au^  M« 
Spaitaneiin  burfte  [16)  auf  lHarltt  unb  Strafe  frei  bemegen.  3m 
Qouje  mar  grabe  infolge  bie(er  Konfisltation  bes  lHannes  burd)  ben 
Staat  |ie  fabtif^  bie  (Bebietetin,  ja  fie  rouibe  (ogar  t)äufig  3UT  (Eigen* 
tümerin  bes  Sai"ilieni>ennögens  gemotzt,  benn  einmal  id)ien  bie  flön» 
bige  Kriegsbereilfd;afl  bes  Illannes  unb  [eine  id)ranHcnlo|<  fjingabt 
an  bie  „polis"  nur  bann  gan3  gefiebert,  roenn  {ein  3ntercffe  am  öffent' 
lid)en  Ceben  nit^t  burd)  bie  Sorge  für  ben  prioalbefi^  gefi^mältrt 
mürbe,  au^eibem  |ud)te  man  aber  au(^  auf  btefe  IDeife  bas  im  3n' 
tercffe  ber  präiensftärfte  bes  Aufgebots  gi-ltenbe  Derbot,  iparttati|d}c 
Canblofe  3u(ammen3uliaufen,  burd)  ben  Urwerb  auf  ben  Hamen  btt 
Srau  3u  umget)en.  -  IDie  fid)  bas  {celi{d)e  Derffoltnis  ber  (Baticn  btl 
btt  immerhin  jiemlid)  bäurifc^en  $orm  bts  |parlani|i^cR  Cebcns  gt> 


E.  Die  S^  M  ben  ^dienen. 


151 


llaltftr,  i(l  unbeliannl.  Dacitgen  {hiö  uns  |e!;r  an{d)ciulid)e  na(t}n<i]ten 
übtr  ^Q5  attrcnJI't!«  5ömilitnl(ben  trljalten.  iiiib  bie|e  lallen  Dor 
allem  eins  ganj  beutlid)  erfiennen,  -  bag  nämlldr  A^lt"  unb  „Clebe" 
ftem  flttfcner  oIs  unoereiitbare  ffiegenfätic  galten.  So  tuirö  in  piatons 
.■Kaftmatfl"  bie  Hcigung  .iut  (üaltin  als  tciii  pt)T)ti1tf)  bebingl  uitb  bes> 
^alb  als  nlcbrigftf  Sorm  |eber  £iebesbi'3isl)un9  aufgefaßt,  übrigens 
«in  merlimfirbiges  5eid[en  baffir,  öti^  öic  füifrenöcn  ®ci(ter  bet  flnlllie 
txu  „natüilid)e"  unb  Sinnlidie  burdfaus  nid)!  berart  als  an  iid;  idctI* 
DoD  unb  (d)ön  betiad)leten,  tote  il)ncn  t^eute  |o  I}äufig  angebti^tet 
iDlrb.  Had)  plato  bcfrlebigt  bie  Cicbc  bcr  <Be|d)le(l)ltT  nur  ble  not* 
burft,  toQ^tenb  bie  £iebe  bes  ITlannes  jum  IHanne  burdj  ben  Sd]ini> 
mer,  urlprünglid)  bei  militäri{<t)en  Kameiab|d)aft ,  fpäter  gei{tigeT 
fficinetnlttioft  unb  b*r  SxtMbt  an  männU<l)er  flti}Ieten'Sd)ön[)eil  net- 
hlärt  tft  -  eilte  tDenbuitg  ber  (Erotilt  jur  I)omo{epialität,  bte  jtben« 
faQs  niie  nid^ts  anbtes  ba]u  beitrug,  beni  Deri}ältnis  bes  IHannes  jut 
Sroa  jebe  Dettiefung  unb  Detfeinerung  ju  rauben'). 

'i  3u  ttntr  piinjitiitll  l)Bt|tTtn  Deuxrlung  bti  St]e  unb  abcrt)aupl  bn 
B()l(l)unQtn  btr  (Kt|d)led)ttr,  als  \\t  in  pidton't  St)mpo|ion  3U  Sage  tritt, 
IfOl  |ld)  m,  n).  bit  pt)llo]opl)ie  bn  tilti||i|it)fn  ltpod)e  ni<^t  aufgcicfimungm. 

pioton  (Tl]ob  fi(i)  allccbings  inlofun  Üb»  |tint  dtil.  als  er  im  „Staat" 
-    jnm  «Iten  Blale  in    6cr  lD«It.Cil(calut  b't*   36«   (in«   htm    6« 

niAnnn  glcidifti  ftnrtt^ls  bet  j^^mtn  anf  flusbllbung  aller  Jt)iec  S<Ii)ig- 
kciltn  unb  auf  iebt  Rn  aon  Betätigung  jur  lEtSrteiung  itditt.  tfi  foiberl, 
hafl  in  tincTn  ibealen  (K«mcinmc|cn  bie  Stirnen  btx  btibin  polili|d)  fül|ien> 
btn  Stdnbt.  bet  ,.nJdit|l(T"  un6  „Krieg«",  an  allen  BeidiJlfliQungen  b« 
MAnntt  I(ilne!)men  unb  genau  bittdbe  (Er]UI|nng  crt)all(n,  benn  itfit 
Sdliighetltn  |lnb  nut  btm  (bxabt,  nii}|l  aber  ber  Brt  naä)  oer|d)iebtn:  bie 
Srou  i|l  rinc  fltt  uon  minbetroeiligem  lllann.  ,.ts  gibt  gar  hein  (Iietd]äft 
ODR  allen  burtf]  bie  bec  Staat  be|let)t,  R>dd)rs  bem  IlTonne  als  IHann  an- 
9tl|9n«,  ionbetn  bie  nalütlid]en  Anlagen  linb  auf  i)l)n)'<^e  IPeife  In  belben 
Dtitetll  unb  an  allen  (br|d)äft«n  hann  bas  IDeib  leilnebiten  il)iet  Itatut 
nad),  wie  bet  ITlann  an  allen,  in  allem  aber  ift  bas  IDeib  |d)aiäd|er  als 
bet  niann." 

Damit  nun  aber  bie  niSnnet  unb  5rouen  ber  fQbrenben  Stflnbe  il)t( 
ganje  Htaft  in  btn  Dienft  bes  Aemelnvefens  (IcIIen  tiOnncn,  feilen  fie  nl^t 
■ui  Obne  inbipibutlles  prioateigcntum ,  Ionbetn  aud|  obne  Cinjelfamflie 
nnb  lEI)e  leben  Dielmtbr  fallen  ]ur  Stjielung  eines  htilftlgen  nadgvutfite* 
blc  „©beten"  unb  piiejter  bie  Poate  in  bet  Blüte  «itet  Jaljte  nad|  bcn 
(ttr  liet*  geltcnben  3llit|tungsprinjip«n  afforiieien  unb  jum  jeltrocitlgen 
<bctdtleit)lt(ieik(bi  beflimmen.  Die  bnburd)  etjeugten  Kinber  ber  „Betten" 
flbet  mnbtn  lofort  naitj  ilitet  Aeburl  in  ein  {Erjiel)ungsl)aus  gebtad)!,  f« 
bai  il)te  muttet,  aud)  ntenn  )ie  bartltin  ]um  Stillen  gel)l,  jle  niifi  nieber^ 


152 


Die  S^e  bei  ^m  antiken  HuIturoöIKern. 
ud)  jener  fluffaffung,  ba^  ber  ) 


^er  junge  fltt}en(r 
|idf  in  btx  Regel  von  \einem  Dater  ein  kaum  bem  Kinöcsolt«  etil« 
iDa(t)|enes  inäöd]en,  möglidfft  mit  großer  lltitgift  3ur  (Battiit  aus|u(t)en 
liefe.  Sr  joi),  öer  bekannten  frül)er  betprodjenen  Iljeone  gemäfe,  ben 
Stocdt  [einer  Ijeirat  nidft  einmal  in  6er  Befrieöigung  pfjijiiidfer  Sriebe. 
bie  er  fid)  ja  auf  anbre  IDeife  genugfam  Derldjaffen  konnte,  (onbem 
in  ber  Hat  lebiglidf  in  btx  iZrjeugung  legitimer  ffrben,  öie  er  eben 
bamais  nur  aus  ber  Dercinigung  mit  einer  freien  at[}eniid)en  Büt' 
gerin  geroinnen  Itonnle.  Die  tElje  roar  jo  ein  roelenllicif  poliliid),  ja- 
hral  unb  baneben  burdf  Hfidi|id)ten  auf  bie  IHitgift,  alfo  ö?ionomifd|. 
bebingtes  3nititut.  IDas  für  eine  Rolle  insbefonöere  bie  ITTilgiJt 
(pielte,  ge[)t  unter  anberm  baraus  I^eroor,  ba^  piaton  in  ben  „(Sefe^en' 
iljre  Ab|i^affung  forbert,  aeil  fie  bie  Stau  unoeifc^ämt  mad)c  unb 
itjr  ben  ITTann  uerkne^te. 

n^ie  geftaltete  |id)  nun  i!)i  peifönlidies  £eben?  Die  junge  (BattiR 
mar  im  $llernl]au|e  nur  dou  ber  Hlutter  unb  nur  in  meiblid)en  fjanbi 
(ettigheiten,  cor  allem  im  Spinnen  unb  IDcben,  unterroiefen.  Sonjt 
blieben  il)i  (Beift  unb  il}re  5ä^i9^^it^i  3^"}  ungcid)ult.  tegte  bei 
(Batte  aljo  IDert  barauf,  an  il|r  eine  tüditige  ^ausfjälterin  ju  ge- 
minnen,  \o  mu^te  et  fie  ficE}  meifl  lelbft  öaju  erjief|en.  3Cenopt}(in 
läfet  in  (einem  Sd)riftd(en  über  bie  Ijaust)oItungsftunft  Sohrates  fabeln, 
ba%  ber  lDoI)I[tanb  [o  manct)e$  I^aules  jurücitgelie,  uieil  fid)  ber  mann 
heine  mülje  gebe,  bie  Jrau  jut  (BetfÜfin  ju  erjieljen,  (id)  überttaupt 
-  unb  bies  ijt  be5etd)nenb  für  bie  atljeniirffe  (Elfc  -  roeniger  um  feine 
ffiattin  als  um  alle  anbre  ITIenjt^en  ju  bekümmern  pflege,  fln  einet 
anbren  Stelle  öerfelben  Sd^rift  aiirb  bann  ein  ülufleretremann  por« 
gefül}rt,  ber  fi^  bie  XRüii«  gibt,  feine  nadj  nidft  I5jäi)rige,  ganj  lebens« 
trliennen  kann.  Die  Kinber  bei  „Sd)Ied)lCTen"  aber  nerben  entisebn  abQC* 
trieben  ober  „mie  n  jiif)  ]jeml"  ausgefegt. 

roir  leiten :  pioions  lojiale  Sorbetungen  out  öutdjaus  glttd)«  Cnl> 
tnidtlungs*  unb  BetStigungsmög(idikett«n  ber  <Etfd)Ied}tct,  uni  bticn  Rnct* 
ktnnung  öie  Stauen  jo  nod)  je^t  ringen  mfii|en,  fteljen  in  |d}aTf(m  Kon> 
Hall  ]u  ben  flnfdjauungen  Itin«  3*il.  Aber  et  bleibt  anbret|(its  biiofem 
auf  it}rem  ItiDeau.  als  et  btt  <£l)e  unb  5omi(it  als  joldjen,  tbentonenig  alt 
btn  buid)  |it  tntftebenben  Be3ie)}ungtn  ber  (!>e|(l)Ir<l)iet.  itgenb  n)tld|en  ipt}i> 
fildien  ctt)i|d}tri  obet  Kultut-lDert  beiltgl.  ilr  btiiiltilt  lit  als  eine  5otm 
gctegriter  5oi^Pfion3ung,  bt«  ber  ina|ie  bes  folhes  3iDar  ci^alltn  bleiben, 
fflt  bie  fül)renben  Sd)id)ten  jebodi,  als  bie  (tfüllung  it|ici  Knlturavf* 
gaben  Ifcmmenb,  bejeiligl  D)etbtn  (oll,  -  eine  flnld)auung.  btt  ja  ani)  ^eulc, 
in  anbrce  5orm,  mltber  emportaud)). 


n 


« 


^ 


E.  Die  (Et)t  bei  btn  t)eltenen.  153 

tunMgt,  aber  lemtxglcTlge  (Sallin  mit  roeilen  £el)T(R  in  tf)re  fiaus- 
rau<itpfli(f)ten  einjutütrTeii,  unti   jeine  pätiagogif(l)eii   Betiat^tungtn 

(  mit  btm  Ijtnaieis  einleitet,  ftofe  er  tie  nid|t  lotDot;!  oIs  Sdilaf- 
tamcrabtn,  {onbern  als  Partnerin  5ur  f/aus'  unö  Kinöergemcin|d)aft 
genommen  f^abe,  un^  bai\n  oor  allem  von  it)r  bit  {orgfame  Dermal' 
tiing  ieiiter  fjobe,  öic  pflege  öcr  Weinen  Kinöer,  Mc  Bereitung  öes 
Brots  aus  t>er  5elMfU[t)t,  die  Derjertigung  6er  Kleiber  aus  tDolle  unft 
W*  Ptlege  öer  Iiranhen  Sfüaüen  eriDarte.  ftls  £ol]n  für  bie  pflittit' 
treue  unb  Itluge  Befolgung  feiner  £cl}rcn  [teilt  er  il)i  in  flusfid)t,  ba% 
fit  bei  OorrüAcn  bes  Alters  nidjt  ju  fürdjten  braud^e,  im  Ijaufe  an 
ff^ren  ju  otilieren,  jonbern  Dielmet)r  mit  junel)menben  3at!ren  \a  Diel 
^ran  getninnen  toerbe,  „inte  bu  mir  eine  beflere  (Sefät;itln  unb  ber- 
clnft  untren  Kinbern  eine  bef^ere  t)ütcrtn  brs  f^aufes  geinorben  bift". 
IDir  hu^l  unb  iiüdileTn  mutet  uns  biefes  „3beal"  einer  [;elleRiid)en 
Cl)<  an !  Don  ber  (Entmidilung  itgenb  roeldjer  (Jiem&lsroerte  burd}  b\t 
Be3iet)ungeR  5nii|d)eit  beii  (fiatten,  t»ie  (ie  fid)  in  ben  bibliidjen  Sdirif* 
ttn  fo  []äufig  finttcn,  ift  ni(f]l  ble  Hebe.  Den  (Sebanktn  DoIIenbs, 
feine  geiftigen  3nteie![en  mit  ber  ibatlin  3U  teilen,  I}ätt<  der  gebilbete 
Attjener  3tDeifeIIos  als  eine  läftige  unb  unbegreif1i(t)e  Zumutung  emp» 
funben,  unb  öodj  tragen  Xciiopbt'tis  flusfüljrungeii  Don  oDem,  mos 
bie  Literatur  feiner  iEpod)e  über  bie  (Et)e  [agi,  itod)  bei  tsettem  bje 
»Jinnfle  S^rbung. 

S(i)on  bie  äußere  Einteilung  bes  grie^if(l]en  lDo[]nbautfs  ber 
Uafftf(f)en  «Epo^c  oerriet  bte  <£ntfrembung  ber  (betten.  Die  $Tau 
Icble  mit  ben  Kinbern  unb  lüägbeu  in  befonberen  Räumen  ((Eqnai* 
konilis),  fie  teilte  jroar  mit  it)m  bie  lllaliljeiten ,  aber  nur  raenn 
keine  <bä\tt  ba  uaien.  Unb  -  bas  i|t  bas  (Ent|(f]cibenbe  im  (fiegen- 
|a|  ]ur  i&bt|d)en  unb  römifdien  iEi}c  -  ber  permögenbe  unb  gebilbete 
mann  tourbe  bcm  5<ii<iili'itleben  DoDftänbig  burd;  bas  Ceben  in  ber 
fl>cffeRtIi<l)lKft  entfrembet.  (Geregelte  Arbeit  a>ar  {einer  unmürbig,  er 
Wwrliefe  fte  ju  fjaufe  ben  Slilaoen  unter  Auffidft  ber  iBattin.  Dagegen 
Me  (Erfüllung  feiner  ]af)lietd}en  BQrgerpflid)ten,  bie  IIeilnal}me  an  ben 
Rebefdfladjten  über  polilij<t)e  (TagesfiageR,  bie  täglitt^en  hörpeiUd^n 
Ucbungen  im  <Si)mnafion,  ber  Befud)  ber  KcbneT|(f)uIen  unb  uor  allem 
bie  täglicbcn  piauberflunben  auf  bem  lllarbtc  (')g'<rji),  bie  ja  aud) 
)c|t  nod)  im  Cebeu  bet  füblidicn  DÖIIier  einen  breiten  Raum  einnet)men, 
Düren  ft)ni  £ebensbebitrfnis  unb  abforbieiten  feine  3eit  unb  fein 
Sttteicffc  oollftänbig.  -  Don  öiefct  S'ä.üt  bes  aubertifiusIidKn  Dafttns 


154 


Vit  <Hjt  iti  ben  antilien  Kulturoölfiein. 


mar  aber  bie  fftfefrau  ooUftönbig  aus9e|d}lo(yeii.  Hur  gemifie  religiöje 
Seftlirfffteilen  burfte  fie  mihnaiiien,  im  übrigen  ober  na^m  fi«  lotbtt 
am  öffentlid)en  Ztbm  in  irgcnb  einem  Sinne,  nod;  an  öei  (&e|cllig6«l 
tei(,  Sie  ging  nur  in  Begleitung  unö  nur  Der|(^tciert  auf  bie  Stiofet, 
fogar  öen  (Einkauf  ber  tiigMdjcn  £ebensbebiirfni(fe  auf  bem  IHartitc 
bejorgte  bev  ITTann  unb  bconipnidjte  bies  als  jein  Redjt,  benn  et  »«• 
fdjaftte  {id)  bort  burd]  bas  f)anbeln  mit  beii  I)übld)en  BliimenceTkQU' 
ferinnen  oergnüglidje  Stunben.  Sie  bagegen  [af)  Itlänner  nur  in  Äegen« 
toait  il^res  (hatten,  Derttet^rte  im  allgemeinen  überhaupt  nui  mit 
5rauen.  Den  {Bafhnäl)[ern  burfte  [ie  felbft  im  eignen  tjüiife  nidjt  bet* 
iDoI)nen.  Hud)  bec  Befud]  bes  Sdjaufpiels  galt  für  [ie  als  unanftänbig 
unb  [elbft  bas  3u(ii}aueu  bei  ben  großen  nationalen  IDettfeämpfen 
(flgonen),  bie  bas  f)öd)|te  waren,  toas  bas  grie(t)i|d)e  Ceben  bot,  mar 
il[r  oerjagt.  Hur  bei  einer  berartigen  flbldjlieöung  non  ber  Rügen' 
roelt  füfflle  fidj  offenbar  ber  (Batte,  ber  [id|  [etblt  jebcs  IHofe  pon 
Jreifjeit  unb  jebe  Sorm  ber  Befrieöigung  feinet  Sinnlirtjfteit  geflattete. 
ber  Ireue  feiner  (ßatlin  fidjet.  4s  mar  bie  (Eintoirltung  bes  {in- 
bringcns  öet  SHatetei  als  ITiaffenerfdjeinung  unb  aud)  ber  ßejieljungen 
jum  (Orient,  nerbunöen  mit  ben  eigentümlidjen  militörifi^en  unb  poli- 
tif(^en  ürabitionen,  iBeld)e  fpejiell  in  fllljen  bie  Sriu  butd|  unburrff 
bnnglid]e  konoentionelle  Sd)ranken  in  eine  Rrl  Don  monogamifdfen 
(jotem  fperrle,  roeil  bei  ber  jiltlidjen  llngebuubeni)eit  ber  lllönnet 
nur  fo  bie  legitimitöt  bes  ttadtmudffes  ge|id)eTt  fd)ien.  tDa!)rlid):  ju 
keiner  3eit  fjat  bie  Srou  iffte  tDürbe  als  llluher  erbfäl)igcr  Söl)ne 
unb  ben  Ruf  il)ter  Sfjrbarheit,  teurer  erhauft  als  bamals  in  ^ellas. 
Der  Preis,  ben  fie  bafür  5at]lte,  loar  kein  geringerer,  als  ber  oöHige 
Derjic^t  auf  jebe  t[eilnal)me  an  ben  unDetgänglid)en  IDerten,  totldrc 
bie  t)enenifd)e  Kultur,  -  bie  cjMufiitite  lüännerftullur ,  mel<^e  bi( 
(Eefd^idite  kennt,  -  fd}uf.  Unb  ber  Spott  ber  Dichter  lägt  bur(^< 
bitten,  bafj  ber  Dlangel  an  ernften  Aufgaben:  bie  (Erjie^ung  b«t 
5öl)ne  ber  Begüterten  lag  |d[on  oom  6ten  3al]Te  an  in  ber  fjanb  bes 
.Paiöagogos",  bie  Befcf(rQnltung  auf  ben  benkbar  itleinften  3nteretfen' 
kreis,  ber  aus[d)lieglii^e  Derket;t  mit  Kinbern  unb  lHägben,  fit  mit 
junel|menbem  Alter  klatfd)füd)ttg,  kleinlid)  unb  ftumpf  mad)te.  Stooen' 
geftaltcn,  voK  bie  ber  E^omerifd^en  Seit,  mürben  in  biefei  Spod)«  ron 
ben  Didjtetn  kaum  nod)  gefdjaffen,  grog  crfdjeinen  fie  nur  als  Der- 
bied;erinnen ,  wenn  [ie,  mie  eine  KIi;taimeftra  unb  IHebeta  mit  b«T 
«Energie  unb  Rückfidttslofiglteit  einer  blinben  nalurgemalt  bas  SÜttn- 


I 


d 


E.  t>te  Cf^  bei  iKii  Ijeltentn. 


155 


gfifft  jfrtKlen.  Dagegen  metjrtcn  |iii(  Me  Sti(t)eleten  6er  £tteratur 
gegen  bie  normalen  5>'ou<"-  <II;aTat<terifttf(t}  bafür  ifl  bJe  Rebt,  b'xt 
Curiptbcs  btm  als  attfkHiiiie  3öeo[figHr  geöa(i)ten,  freilld)  toegcn 
feines  Uebcrmafies  i?on  U)ctberi)ag  DOn  flpt}ToMte  geltiaflcn  t^ifppo* 
Iiftos  in  6en  Itlunö  legt:  »Er  Ijnlt  öas  tOeib  für  ein  großes  Uebel, 
beklagt,  ba^  fji*  3UT  ^ortpflanjung  uitenlbe[)rli(t]  fei  unb  fin&et  b\t 
einfältige  noct^  am  er(räglid){teii,  6a  jie  am  oxnigften  UnE)ei[  fliftet. 
.ffine  Kluge  aber  f)af(e  id).  (Tlöcble  nidjt  in  meinem  f)au\(  eine  [ein, 
bie  meilft  benitt,  als  filr  ein  tl>eib  gut  i|l  (mas  natflrlif^  bedeutet, 
als  fAr  ll}ren  Illann  bequem  i|t),  benn  bie  ju  allem  fi'tt)ige  Bosl^eil 
erjeugt  Kppris  eI]CT  In  btn  Klugen,  mätirtnb  bas  gebanhenlofe  XDtib 
fturd)  bie  Kurse  (eines  Derftonbes  nor  IIort)eit  betsaljTt  bleibt,"  — 
RuA  fieDelttafte  unb  graufame  3iige  merben  il}T  angebtd^tet:  bas 
nJeib,  bas  fid)  in  btn  5'inö  oernarrt  unb  besljalb  bos  filr  bie  bo« 
maltge  Seit  i:>eTabid]cuungsmürbig[tc  DcTbrc(t)en:  Dcrrat  an  ber  Polls 
unb  ben  3f}rigen  begci;!,  ift  in  ben  Sagen  über  bie  StäMegrünbungen 
ein  Ijäufiger  Dormutf.  -  Unb  burd)  nirfjts  mirb  botf)  bie  ti)piid)f 
fttfüt)l5hälte,  mtiätt  bie  gciftDOllen  unb  maglas  Tut;mfü(f}tigen  IlTdnner 
jener  Speere  iljren  (battinnen  entgegcnbradjlcn,  bejfer  gchennjeidinel, 
als  burc^  bie  oft  jiiierlen  Kursen  unb  hül]len  IDorle,  bie  periWes  in 
feiner  bfrüt^mlen  £eid)enrebe  ben  tDilnien  ber  im  peIoponn<ji|d}(n 
Kriege  (Befallenen  gönnle:  „IDenn  id|"  —  lagt  er  gegen  Sdjiufe  feiner 
«greifenb  fdtönen  Derlferrlidjung  bet  (Brö|ie  unb  Jreiljeit  ber  atl>eni> 
1d)en  Kultur  -  „aud)  ber  tDtttocn  gcbenlitn  foU,  |d  oill  id)  mit 
hurjcr  I1tal)nung  aQes  jagen:  3u  großer  <Et;re  mirb  es  eud]  gercidjen, 
nenn  i^r  euren  <[t}ataliter  nid]t  oerleugnet,  unb  menn  fo  menig  als 
mbglid)  meber  im  tob  no(^  im  dabei  eurer  gebadjt  mirb."  —  Unb 
biejes  (El}(frauenibeal  roar  einem  Illann  geläufig,  ber  (ein  gonscs 
grtftigcs  £eben  mit  einer  S'au  teilte,  bie  |o  bebculenb  mar,  bafj 
Perifeics'  poIili|d)e  Reben  als  Don  tt)r  infpiriert  galten  unb  bdft  (in 
Sohrales  fidj,  menn  oud)  in  (dtcrjenber  Ueberlreibung,  ifjren  Sd)UeT 
nannte!  Aber  flipafia  mar  eben  nid^t  bie  (bat  t In  bes  pcrihles,  ob* 
iDotjl  er  nai^  Sdjeibung  pon  jeiner  erften  (Eemal}lin  mit  lljr  in  baueni' 
bei  £cbensgemeinfd)aft  ftanb  unb  tt^ren  Söl;neii,  loie  era)äl)nt,  5amilien* 
unb  Bürgetredite  ermarb.  Sie  entflammte  bem  Kreife  berjenigcn 
Sraucn.  bie  3U  begabt  unb  geiflig  regjam  tDaren,  um  fid)  in  ben 
at[)eniid)en  i£t)ekäfig  einfperren  ju  laffen.  Sie  lebten  jenfeits  ber 
Si^rantten  ber  Somtlie  unb  beioa^Tlen  fi^  mit  ber  ^rei^it  i^rts 


156 


Die  &)t  bei  tieti  antilien  Kulturoöllieni. 


liebeslebeiis  jugkid)  aud;  öie  5iei!}eit  i(}res  (ßeiftes.  Unö  toas  ^(ts 
Cos  bn  attiidien  (Sattinnen  ei:ft  ridttig  beleud)tet,  ift  tiie  Satfad;«, 
tiafe  öiefer  Klatte  freilebenöer  Srauen  oUes  bas  jufiel,  roas  jenoi 
Der|agt  mar.  Sic  nolimen  an  allen  öffentlidjen  Seften  unö  an  oll« 
(Bcielligkeit  teil.  Beim  Stjmpofion  empfing  ber  Ulann  unter  leinen 
(Säften  aud)  bie  geillreidje  5reunöin,  mäl)ren6  feine  (Sattin  mit  ben 
inägben  unb  Kinbern  in  ber  (Btjnaihonitis  blieb.  tDeId)es  tiefe  Ztib 
ber  itjreii  ®atten  liebenben  jimgcn  Stou  baraus  ertuudfs,  ba^  ifjr 
(5attc  feine  geiftigen  Sreubeti  ftatl  mit  iifr,  mit  einer  anbren  Stau 
teilte,  jeidjnef  treffüd]  bie  behannte  Itleine  (Erjät^lung  Dom  CSaftma^l 
öes  ntenon:  Seine  junge  (Battin  fi^t  mit  ifirer  Bafc  im  ;STauengema^, 
6a  ^ört  fie  bas  iiiol]lIaufenÖc  Cacfjen  [einer  Sreunbin,  bas  tj«}  tut 
it)r  mef),  „benn  fie  ift  nodj  jung  unb  liebt  it)ren  6atten",  aber  fie 
beugt  fidr  ]ä)nzH  über  ii^r  jüngfles  mäbd^en  unb  ttügt  es,  bomit  Mt 
Hofe  nici)t  mertie,  tnas  ]üt  eine  ITärrin  fie  fei.  Als  aber  t]erna<l) 
bie  berüf)mte  (Eibotljea  mit  gÖitIid)er  Stimme  ju  fingen  beginnt,  ba 
finbet  fie  es  gered)tf ertigt ,  ba^  Illenon  it^re  (BefeUfdjaft  liebt,  benit 
einen  folt^en  hünftlerifdien  (Benu^  ftann  fie  if)m  nidjt  bieten,  -  Die 
.ijefäre"  Dcr(cf}önt  aber  nidjt  nur  bie  Jefie,  fonücrn  [it  nimmt  ao(i| 
an  allen  p()Uofopl]ifd)en  unb  politifc^en  3ntereffen  ber  IHÜnner  teil, 
il(re  ItteinuTig  unb  iljr  Rat  roirb  in  allen  Dingen  begeljrt.  Denn 
obioot}!  natiirlidj  pon  ben  Ijödjftcn  ili)pen  bes  fjetäreutums  bis  jur 
Stragenbirne  t)iuab  eine  Stufenleiter  ol)ne  beutlid^e  (firen3f(!)eibe  führte, 
mar  (Ic  in  ber  (ilaffilc^en  pertoöe  jebenfaUs  in  iijren  l)bd)ften  De^ 
Ireterinnen  ftein  (Dbjebl  gemeiner  Sinnlidjheit,  fonöern  in  crfter  Ctirie 
bas,  rpas  bie  (ßattin  eben  nid)t  mar  unb  aud;  nic^t  [ein  foUte:  bie 
Hamerabin  unb  (Senoffin  aller  geifiigen  unb  äftl}et{fd)en  3i<tere|fcn  bts 
tnannes,  Öie  gefudjte  unb  gcad|tete  Sreunbin  ber  füffrenben  (Reiftet 
unb  bei  becDunbeite  Dorirurf  bei  t^erilidiften  Kunftf(t)öpfungen:  Die 
Don  Praxiteles  gefi^affene  Statue  ber  pi)ri)ne  [tanb  im  tEempel  iljres 
Ijeimatsorts  St^efpiai  neben  einer  Don  (Ijm  gcfdjaffencn  flpffrobtte.  Di< 
Dichter,  bie  für  bie  ffiattinnen  nur  Spott  f^atten,  neri^errliditen  bit 
Heigung  jur  fjetäre  mit  ben  {c^önften  Derfen;  felbft  bie  pl]Uofop^ 
brauten  it^nen  Ad)tung  entgegen  unb  fanben  itjte  3ÜMgerinnen  unter 
il]nen.  Soltiates  befud[te  iIl]eobote  mit  feinen  Sd^iilein,  bisliutierte  mit 
il)r  kamerübfd}aftlictr  über  itjre  lebensuieije  unb  erteilte  it^r  Rut^dfläsc 
&bei  bie  Be[)anblung  it^ier  ^^eunbe.  Hur  burd)  bie  f)etäre  geioann 
alfo  bamals  au(4  bas  meiblid)e  <&efd)Ied)t  äinflug  auf  bie  poUlifdK. 


4 


K,  Die  aift  bei  btn  i^ellenen.  157 

ARfderil^c  unb  Intellehtuelle  Kultur  tI)Tcs  Canbts.  -  Das  f)cll(nif(t)t 
fUttTtum  t)atte  nebeneinonöer  im  l^aujc  bie  6at(in  unb  bie  gehoufte 
ob«  getaubtc  „ITIagb'  (p^ill.iki)  gebannt,  tnelrffc  il)m  beibe  [0310!, 
mcnn  aud)  iiid)t  erbreditlid),  gifidigettellte  Kiiiber  gebären  bonnten, 
von  brnen  aber  bie  (Sattln  ben  recf]t[tc()en  unb  lojialen  Dorrang  ^atte. 
Vit  tuilLikt'  mar  te^t  Dcrbannt  uti!>  ttls  Dirne  auf  bie  Strafe  gt- 
Rporfen,  bie  (Ef)efrau  aber  in  öie  (Bijnailionitis  geipertt,  beibe  alfo, 
[cbe  auf  eine  anbre  flrt,  Dan  ber  perfönlidien  Bejiebung  jum  ntanne 
atisgt|(lrloncn.  Diefen  Iftren  pia^  nat)m  bte  Ijetäre  ein.  Die  allgemeine 
fluffaffung  unb  Btroertung  ber  Dcrt(f)iebencn  5^'»i'nl<'>''9<>i^icn  ^^^^ 
am  treffenbften  burdj  ein  bekanntes  IDort  in  einer  Demoflljenes  3U' 
ge|d)riebenen  Rebe  gehennjeid)net:  „IDtr  ^aben  ^etäien,  um  uns  mit 
i^nen  ju  ergoßen,  fobann  gehäufte  Dirnen,  um  unfren  Körper  3U  pflegen, 
tnblidt  S^<i"^".  ^>c  uns  red]tmägigc  Kinbcr  tdirnhen  foUen  unb  bcnen 
obliegt,  alle  unfre  !räuslid}en  flngelegenl;eiten  ^u  fiberinad)en."  Dergegen* 
mdrtigtn  mir  uns  nun  noii,  baft  neben  bje|en  utrjtbieben  obgeftuften 
Bc]ict)ungen  3U  5tauvn,  bie  niännerfreunbldtaft  unb  Knabtnliebr  aud) 
im  Ceben  bes  Dertjeiratetcn  Hlannes  einen  breiten  Raum  einnabm,  fo 
Itönnen  mir  ermcffen,  roie  unenbltd)  iiärglic^  bas  war,  was  Don  bem 
SüMci^  ""^  Deniten  bes  ITIannes  für  bie  Gattin  übrig  blieb.  3nbcm 
ber  Ati;ener  in  ber  (El)e  ous[(l)IiehIi(t;  bie  51""  in  bie  monogamen 
normen  bes  (l)ef<t]Ied))5lebens  banb,  Iiat  er  es  verftanben,  |id)  ouf 
1 1)  r  e  Koften  feine  geiftige  unb  finnlict)e  (Ejiflenj  fo  glanjootl  unb 
mannigfaltig  3U  geflalten,  roic  jlc  fidj  uns  bariltllt.  Pas  Re(i}ts> 
beiDugtlein  feilte  barbarif<l)ei  lOillftür  bes  Itlannes  gemiffe  äußere 
Sdiranken,  aber  ber  bei|pie[Io|e  IHangel  jegüdier  Rnnhennung  fitt> 
litficr  DeTpfli<t)tungen  gegen  bie  (fiatlin,  oerbunbcn  mit  it)rcr  orien' 
tolifd)  Itrengtn  Klaujur.  fällt  als  bunhler  S(f)atlen  in  bie  t>errIid}licU 
bes  f)eaem|d)en  Kulturlebens.  - 

Der  Derfaü  ber  militärl(<l)en  Bebeulung  ber  Potts  in  ber  IjeHe. 
niltiji^en  3cit  brad;te  niclfad)  eine  .moberncre'  Art  bei  fahti{d)en 
Be3iet)ungen  ber  l6efd)ied|ter  3U  einanbev.  (Brunbläftlidie  flenberungen 
ber  Red)lstteIIung  ber  $rau  bagegen  ftnben  mir  nii^t.  ßls  bos 
QeDcntntum  ben  gan3en  (Prient  Uberidjaiemrate.  propagierten  -  vte 
mir  in  Aegt)pten  jaiicn  -■  bie  betrfd)cnben  griedjiffijen  Bet)ärben  bie 
fiefd)l(d}ts0ormunbfd)aft.  Anbrerfeits  semiifdjte  |id)  bas  griet^if^e 
CI)egfi>er'Reft)t  in  mannigfa<f)er  iirt  mit  bem  orientallfdien.  Die  fo 
<lrtft^cnbe  lln|i<l^er^elt  ber  Red)tslage  mag  es  tso^l  gtiDcfen  jcin, 


Die  (El)e  bei  6en  antifeen  KuItutDÖllieni. 

toeldjc  in  lpätf}ellenilti|(l|er  Seit,  nad)  öer  römildfen  Unlernserfung,  in 
btr  orientalifd)en  [)älfte  bes  nömerreidis  bem  (Brunöfag  fajt  äüqtmtint 
i^«ltung  Det|d)atT'e,  öa^  eine  gültige  (Ef(e  ( d}  r  i  f  1 1  i  d)  c  (Etjepaltten 
mit  einer  Dermögensred]t(id)en  Sidjeijtellung  6er  Siau  —  je  nad;bem 
brnd}  miciili(f}e  oöer  fifttioe  plifmc  oöer  (Etieftiftung  bts  ntannes  - 
jur  Dorausjetjiing  ifobc,  alle  niii)t  betart  certragsmäfeig  regulierten 
Bejieljungen  al|o  nici;t  Do[Ief]e  ieien.  tDic  lat^en  {d]on,  iDeId)e  na<^< 
iDtTkungen  bies  im  nQd)ptoIemüiIii)cn  flegijpten  unb  in  Dorbctoficn  ge- 
^abt  I]at. 


Die  Ted)tlid]e  Konftru^tion  bei  t  ö  m  i  ( d)  e  n  (El)e  in  ber  republb 
banif^en  Seit  mar  in  Dielen  punliten  ber  ber  gTie(f)i|d)en  ä^nlit^. 
Dor  allem  ijatte  fid)  aud)  I^ier  |i^on  in  Dorgc|(^i(^tlidrer  3«it  b\t 
ITtonogamie  öurd}ge[e^t.  Unb  jroar  in  nod)  reinerer  Sorm  als  in 
(Sriedjenlanb ,  benn  es  feljlen  Ifiet  alle  Spuren  von  Ijalbpolijgamie. 
Der  nimm  uiiterl)ält  Weber  normalere  ei  je  SitlODinnen  unb  „Illägbe* 
jum  (Be|d)Ied)tscetfeel)r  im  IJQule,  uoc^  finb  bauembc  Ciebescierf)äUnifie 
aufecr  bcm  ^auie  ctroas  oon  ber  Sitte  flncrhanntes.  Die  .paelcr", 
b.  b-  ^<^  ot)"C  güllige  iltje  mit  einem  tttann  julammenlebenbe  $t<iu 
galt  als  belc^alten;  fic  i|t  nidjt,  roie  bic  frütjgtiecb'Idte  pallohe,  on 
bie  ber  name  erinnert,  es  mar,  ein  Kebsmeib  neben  ber  ^auplfrau. 
Dielmeiir  itt,  fomeit  bie  Ueberliefetung  surüdireidjt,  lebiglid)  bie  äbe* 
frau  bie  (Quelle  erbbctedjtigter  Kinbcr,  unb  eben  in  biejer  Ausfd}litglid^ 
heit  iljter  potllion  als  honhurrenjlole  -mater  familiasi  murjeltc  bas 
Ifobe  fln[e[)en  ber  römijdien  »llTatronc".  Aber  toir  erleben  bas  (elt- 
[ame  Sdjaufpiel,  bog,  roäbrenb  bie  römi|d)e  Sitte  unb  inoralanfd)auung 
ber  (Eattrn  unb  lllutter  tn  jebet  uns  bcliannten  (Epod)e  eine  relatio 
redit  »ürbige  Stellung  Dergönnte,  il)re  rcdjtlid)c  Unterorbnnng 
^ier  in  ber  altrepublittanifcben  3eit  grobeju  il)ren  Ziefpunkt  inner* 
^alb  bes  Hrei|es  ber  Kulturoöliier  errei(^te.  Der  patriart^altsmus 
galt  in  t}öd]|ter  potenj  unb  er  irai  im  Segenja^  ju  ieiner  rein 
„fQhtijdien"  (Beltung  bei  btn  naturoölliern,  Qbtidjtsooll  unb  lijftcma- 
tifd)  iurifti(d)  buK^gebilbet ,  derart,  ba^  bie  natiirlictje  Öulommen' 
gelyörigtteit  bei  ^amilienglieber  burd)  BlutsoeriDanbtfc^aft  (Kognation) 
to  gut  mie  gänjiid)  ju  gunften  bei  ausid^liegUc^en  tjerrfdiafl  bes 
[)ausl}enn  ignoitcit  rourbe.  3unäd](t  mar  bie  Dennanblfdrafl  im 
alten  Red^t  Itritit  unb  e;tilufiD  „agnati|d)"  gegliebert:  Hui  bie  Dei> 


I 


F.  Bit  (Et^  in  Tlom  uitb  Im  römiFd)eii  IDtllretc^. 


15* 


intitfd)aft  burd)  ben  lllanncsitamin  Ijat  Ted)l[i(t}c  IDirfiungeit.  Dtr 
tlSdtfte  DrriDonMe  im  Itlaniiesltamm  Ijt  gcjc^Iit^cr  Doimunb  unö,  in 
iErmangilung  von  fjaushinbern ,  geiel)lid)eT  (Erbe.  Die  niutter  als 
loldfc  galt  nad)  bem  ur{prilu9ltd)en  Hed)t  iuriftijd)  als  nid^t  Der- 
tnonbl  mit  it^rcn  Kinborn,  unb  iDfbcr  |te  nod)  ttjre  Hngetjärlgcn  waren 
besijalb  urfptünglid)  burdj  ein  aus  bem  DlutSDctl)äItnls  ffcrDorgefienbts 
<{ibrtd)t  mit  lljnen  Dtrbunben.  S°H*  *"  männlidjen  im:inus'.  tuar, 
6ab  fie  ctbred)tli<t)  mte  eine  S  o  d;  t  e  i  it)res  lllannes,  unb  bes()alb 
wie  eine  SdriDcftei  iI)ieT  Kitiber  brljanbelt  würbe.  5il<ti[dr  pflegte 
bet  fjausoater  meift  burd)  leftament,  aljo  bis  ju  feinem  (tobe  frei 
miberruflid; ,  für  il}ren  Unterljolt  311  forgen.  —  fliibreiieits  honnte 
bei  f)ausf]en,  aud)  menn  er  Kinber  beia^,  burd)  äboption  $rember 
nad)  Belieben  fiüTiftUd)e  DerR)anbtid]aftsDert)äUnijfe  (dtaffen.  bie  bann 
gonj  bieielben  rcd)tlid}en  $olgen  tjattcn.  mie  bie  natürll(^en.  (Er 
konnte  bte  Kinber  in  jeilneilige  Sklaoerei  oertiaufen  unb,  na<^bem 
öle  12  Cofeln  auf  5mal  mieberijolten  Derhauf  ben  Derluft  bet  Dälet« 
lldfen  (fieivalt  gtictjl  l)atten,  gab  bies  bas  llttltcl  an  bie  tjanb,  burd) 
3  Sdfeinoeritäiife  bas  Kinb,  unb  jtvar  aüi^  gegen  feinen  IDillen,  aus 
ber  5>"*iil<'  iu  entlaffen  (>['maiici|>.ui>><)  unb  it^m  babuid)  foioot]!  bie 
Samilienjugetiörigheil  icie  aud)  bas  lErbicd)t  3u  entsielfen.  Die  ab« 
jolute  ffeftlerfreiiieit  ber  alten  Seit  geftaltete  iljm  femer  beliebige 
Cnteibung  aller  (Erbberedjtigten  3U  gunfteu  bdiebiget  Ditller,  unb 
biefe  (Erftrediung  bei  ^ausgemalt  über  ben  <Eob  t)lnau5  iDUibe  etft 
{pätiepublihanifdiei  Seit  babuid)  bui^biodgen,  bag  man  im  SoQ 
lei  gän3iid}  giunblofen  (Enterbung  ber  eigenen  Kinber  ben  leftolot 
feiner  Sinne  nit^l  nmdjtig  unb  bas  .pfllditwibrige*  Seftament 
(»tcitnimnlum  moffif  iosiini')  als  aus  biejtm  (Sninbe  nid}tig  ftit« 
gierte.  iErft  bie  Kaiferjeit  entioidtelte  ben  fpäter  in  bie  meiften  mo* 
bcmen  Redete  übergegangenen  Begriff  bes  „Pflid]ttet[s*  als  einer  nui 
bei  t<4n)eniiiegenben  (Srünben  ent3iet)baien  lErbquote  ber  ndd)tlen 
Dtnudnbten,  insbefonbcrc  ber  Kinber.  3n  altrepublihanildier  Seit 
lebrnfoHs  galt  alfo  bie  >f.imi1ia<  als  eine  iuii{ti|d)e  (Semeinfd)aft, 
beten  (Slieber  alle  im  gleid^en  Bla^e  unb,  bei  Rit  nad),  in  einer  Don 
ben  Sttlaoen  ni(^t  Der{d)iebenen  n>ei|c,  jcinci  (Bemalt  unterftanben, 
unb  fie  umfaßte  neben  biefen  letzteren  nid)t  nur  toie  unfre  l)eutigt 
Kleinfamilie  Daler,  ITIutler  unb  beten  uneimadifene  Kinber,  jonbcm 
and),  unb  31001  lebenslängltd),  bie  unoerl^eiiateten  lödilrr  unb  bie 
ober  unpcrtftiratelen  ermadifenen  Sö^nc,  famt  benn 


160  Die  (E^e  bei  öen  antiften  Kultutüölftem. 

Stauen  unö  Kinöem,  enöli^  alle  etoa  com  fjaus^erm  aöoptierten 
freien  perfonen. 

Der  tpater  familias«  war  öer  abfolute  SouDerön  öiefes  Meinen 
Staats  im  Staate.  5tau,  Kinber,  Kinbesftinber  unb  St^ioiegerftinber 
„gehörten''  i^m,  rote  i^m  Sftlaoen,  (Eiere  unb  Sa^en  gehörten.  Das 
£eben  ber  neugeborenen  lag  in  feiner  fjanb,  Kinbesausfe^ungen 
maren  ni^t  feiten  unb  oft  fielen  bie  neugeborenen  in  bie  Qänbe  oon 
Spekulanten,  bie  fie  5U  Sftlaoen  auf3ogen,  ober  oon  Bettlern,  bie  fie 
oerftümmelten,  um  fie  für  i^re  Sme&e  ausbeuten  3U  ftönnen.  —  Da 
im  (Begenfa^  5U  (Brie^enlanb  bie  oöterli^e  (Bemalt  au^  über  bte 
Sö^ne  5eitli^  unbef^rönftt  mar,  ftonnte  er  biefe  fo  gut  loie  bie  (Töchter 
5ur  (E^e  nötigen  unb  fogar  bie  (E^e  ber  6erDaIt*untenz)orfenen  Sö^ne 
immer,  bie  ber  Höxter,  menn  er  bei  ber  Dergebung  feine  (Beioalt 
über  fie  fi^  oorbe^alten  ^atte,  löfen.  IDenn  er  mollte,  ftonnte  er 
aüerbings,  mie  mir  f^on  fa^en,  ben  So^n  „eman5ipieren'',  aber  er 
brauste  es  ni^t.  Bei  Delikten  ftanben  bie  Kinber  mie  bie  Sftlaoen 
bem  Die^  glei^:  ber  fjausoater  mugte  für  einen  oon  i^nen  angert^ 
teten  Stäben  (noxa)  entmeber  5a^Ien  ober  fie  bem  Kläger  ju  be- 
liebiger Derfügung  überlaffen.  3it)ilre^tli^  ftonnte  bos  Qausftinb, 
mie  ber  Sftlaoe,  S^ulben  ma^en  unb  für  fie  au(^  —  im  (Begenfo^ 
5um  Sftlaoen  -  oerftlagt  merben;  ba  es  juriftif^  nichts  befag,  uHtr 
es  bann  Sa^e  bes  Daters,  ob  er  es  oor  ber  St^ulboerftnec^tung  be- 
hüten monte.  (Eigne  Re^te  5U  befi^en  unb  alfo  eoentueü  Dor  (Bericht 
geltenb  5U  ma^en,  mar  es  bagegen  unfähig,  fein  (Ermerb  galt  ak 
(Ermerb  bes  Daters.  Diefer  ftonnte  bem  Qausfo^n  mie  bem  Sftlaoen 
ein  »peculiumc  3U  eigner,  aber  jcberscit  miberruflic^er  Derfügung 
überlaffen.  Dann  haftete  ber  Datcr  für  bie  bei  ber  Dermaltung  bes» 
fclben  gemalten  S^ulben  bis  3um  Betrag  bes  peculium.  (Ebenfo 
ftonnte  er  i^n  (mie  btn  Sftlaoen)  3um  Dermalter  (institor)  eines  t^ 
gehörigen  (Bef^öftsbetriebes  ma^en  unb  haftete  bann  für  feine  Ab« 
fdjiüffe.  Hber  bis  in  bie  Kaifcr3eit,  mo  3uerft,  im  3ntereffe  bes  Qeeres, 
ber  (Ermerb  bes  S  0  I  b  a  t  e  n  ber  (Bemalt  feines  Daters  ent3ogen 
mürbe,  blieb  bie  (Eigcntumsfp^äre  ber  Kinber  -  unb  bie  5tau  >in 
manu'  ftanb  i^nen  mie  in  allen  ermöl)nten  Be3iel)ungen,  fo  au(^  l)ierin 
glci^  —  re^tli^  bur^aus  unfi^er.  -  Die  oon  fteiner  irbifc^en  IRac^t 
befdjränftte  6emalt  bes  E)ausDaters  fog  il)re  Kraft  fomo^I  aus  reti« 
giöfen  Hnf^auungen  —  er  mar  ber  E)auspri6fter  -  mie  auc^  aus  bem 
fpe3ififd)  altrömifd)en  Prin3ip  ber  ftraffen  autoritatioen  (Drganifation 


¥ 


F.  Die  (Lift  in  Rom  und  im 

\tbtt  4)«nieinf<!^a1t.  Die  ^ausbis}iplin  glid;  6er  im  tDelen  mtlilänldifn 
Slaats&UjtpIin,  unb  her  Bürger,  der  ftd)  t>en  dffeiitlidfen  (üetsalten 
untcrmerten  mugte.  muröe  für  bie  (!teI)or|ainspfIidlt  tiTaii^tn  tiuid;  üie 
DRi  |o  unbcidiTänkleie  f;crr1(t]afl  im  eignen  fjau\i  entfd)äbigt.  Das 
unumic^iänkle  t£igentum  ifti^t  lateiinjct)  ilomininm,  .fjoiisred)!".  fln 
6rr  Sd)D<ne  öes  f)aü\n  mad\tt  bit  Staatsgemall  fjalt,  in  feinem  3nnern 
gob  es  nur  reltgioft  S<t)rüntten  für  öen  flb[olutismus  öes  f)ausfrerni. 
Die  aUgemeine  Untcrorönun«)  btx  S''«"*"  "Is  |oIdfcr  unter  öie 
IHänner  muttie,  wie  In  (Btiedienlanö.  butd}  bie  (Befdfledjtstiormunö' 
l^aft  gefletgert,  bie  itjren  näd)ften  müni)lid)en  Dertnantiten  5uttanb. 
tt  oti^ab  |ie,  iric  in  flttjen.  in  aller  3fi(  3UI  (Et]e,  u^oburd)  fic  aus 
ftfaier  l^eisalt  in  bic  bes  (Satten  öfter  ftie  iljrcs  Sd^roiegeninters,  fo 
lange  btcjer  lebte,  übergingen.  ~  ills  Domel^mfte.  für  getoifi'e  priefler 
Qud)  nod)  in  fpälerer  3eit  unentbebrlic^e  5orm  ber  (Et)rid)lie^ung  galt 
in  altn  5eil  bie  Sattra[-<Ef)e,  ber  5onn  nai)  eine  (Dpftrung  bes 
t)eiligen  Sal5me[)ls  oor  ben  piitfteTn  ii<)nijrr(^aiioi,  nitldie  nur  ben 
Putrijiern  jugängiid;  mar.  Dagegen  trugen  bei  ber,  fo  oiel  et- 
fid)tllil),  Don  Anfang  an  baneben  befle[)<nben ,  isenn  nidft  älteren 
3iDUcl)c  «i'iKTiiiii.j  bie  Ublid]en  Formalitäten  nod)  ganj  ben  (DiaraliteT 
eines  Kaufgt|(t)äfls,  tt)elct)($  erft  fpäter  aümä^ltt^  in  bie  5orm  eines 
jegenleitigen  Kontralils  jmildjen  lHann  unb  Stou   libergel)t.    Sie  iff 

til|rcn  Reit)tsiDirltungen  (ebenio  loie  bie  Satiral'i£be)  ein  (Eitveib 
Stau  als  BcfibobjeM  buri)  ben  tllann.  Die  Srou  gelangt  In  bfe 
inm-  ((fietsall)  ilires  hatten  unb  unlet  bie  [latn^i  ]lut(,-^!J^  fljtes 
St^tDiegetiKittrs  unb  petlieit  bie  red]tli(t)e  3uget)öriglteit  ju  tifctx 
ctgneit  Samilie,  aud)  itjr  <£rbced}t,  ooDftänbig.  Daffir  til^ält  \it 
rrdrll^  nlttft  eloio  bit  Stellung  einer  (6eno{rm  ober  „Sdimefter'  i^res 
Aotttn,  [onbern  mirb  -  inie  |d]on  ermäl}nl  --  red^tlic^  als  beffen 
Sodjtet  lAlinv  1'it-oi  unb,  eoentucU,  als  .(EnhcHn'  feines  Datcts 
an^clcifcn  unb  j.  B.  im  <Etbre<^t  cntfpTed)enb  be^anbelt.  (Eine  eigne 
ne4tsfpl)&rc  bcm  (I>atlcn  gegen&bct  befi^t  fte  |o  OKnig  loie  iigenb 
tintt  IdncT  Kinber.  <Er  hann  flc  urfprfinglidr  einem  5reunbe  auf  Seit  ju 
eigen  geben,  bamil  fie  biefem  ein  Kinb  gebäre;  aud|  fie  als  Shlanin  ju 
orrkoufen,  mor  red)t[ti^  mögli^,  galt  aber  als  lahTalcs  Dcrbredien, 
unb  tt^  Ibtung  joUle  nur  nac^  dujietiung  i^rer  eignen  BIufsDet- 
wanWen  jam  Samillengeridjt  |tattfinben:  —  offenbar  Konjeffionen  bes 
onDÜditlgcn  ßefi^flanftpunftts  an  bas  mll  Derfetnerter  Sitte  genad^lene 
3iiletef1e  bet  Sooii'tc  ^^  5c<'''  °"  ^^i^^«  Sd}i(hial. 


4 


162  Die  (EV  bei  tien  anttiten  KuItuntöIftffR. 

n>as  aber  doi  aliem  bh  ie(l)tlid}e  £age  btt  rSmif^en  5tau  ia'^ 
[lltiepu&Iiliani|(t)eT  Seit  toeit  ungünftiget  als  bei  aDen  andern  antitttn 
KuItuiDÖIItent  geftaltete,  mar  ber  cöUlge  ITlangel  jebes  Sdieiftungsiet^ts 
für  fie  in  6er  IIIanus.lEl)c-  Dagegen  honnfe  ber  Utaiin  roenigltens 
bie  3iDiIet)e  ot)ne  aQe  5d)tDierig6eiten  unb  unter  geioifTen  ^öimiic^keiten 
jpätec  aud)  bie  5akiaM£t;e,  jeberiett  I&Ien.  flUerbings  i}alte  bie  rein 
n}illkürlid)e  Derftogung,  b.  If.  eine  nii^t  butdf  S^tbtudf,  [^etmUifien 
tDeingenug  ober  6et}e[ung  ber  Kinüer  oeranlagte,  Cermögcnsnac^teilt 
für  itjn:  (Er  niuftte  itfrer  Somilie  unÖ  ber  deres  tine  Strafe  jaulen, 
aud)  rügte  fie  unter  Umftänben  ber  iIen[or  als  ein  Deiftog  gegen  Üt 
gute  Sitte. 

Ebenfalls  int  (fiegenfat|  ju  ben  übrigen  antilten  (E^eTe<^t«n 
ni<f)tete  bie  Tnanus'(£t;e  aud)  bie  <Eigentumi|pt)äie  ber  $rau  Dollftönblg. 
Dies  mar  dou  um  |o  eif)ebltd)erer  prQhti[d)er  Bcbeutung,  als  ITlännei 
unb  Stauen  im  <E  r  b  r  e  d)  t  in  l]ijtoritdier  Seil  fd)on  materiell  odUig 
gleid)ge|tellt  maren  unb  nur  einige  formale  Unter|d)iebe  im  (Enlerbungs* 
ritus  nod)  an  bie  utfprünglid)e  Derid|iebenl)eit  erinnerten.  -  Düs 
gan3e  Dermögen  ber  $rdu  gel)t  auf  tl)ren  (Satten  über  Sc^miegerDdler 
über,  mas  fie  erroirbt,  erroirbt  (ie  ii)nen,  benn  fie  kann  ebenfoioenig 
roie  bie  Kinber  unb  Shlaoen  etwas  eignes  6er%u. 

Bber  in  t)i{tori|<I)er  Seit  milderte  bie  aus  ber  Higenarl  ber  Kultur» 
entioidilung  tjenionDac^Ienbe  Sitte  ben  f)atten  Red)tS3n)an9,  ber  auf 
ben  $antiliengliebern  laflete,  |o  ba^  bie  to6ti[d]e  £age  au<^  ber 
QltrÖmi|d]en  lEf)efrauen  tDefentlid)  mürbiger  nsar.  als  bie  itfrer  r«l(t* 
lid)  günfliger  gefteUten  QHiI<t)en  Sdjroeitetn.  Dor  aQem  Dereinte  Dotet. 
lUuttet  unb  Kinber  in  ber  Blüteseit  ber  HepubÜft  eine  oiihlidK 
tebensgemeinfi^aft.  <ls  fet)Ite  bie  raffinierte,  orientalifc^  beeinfluß 
Kultur  ber  großen  [7afen[tabt  fltfjen,  es  fet)lte  batjer  bas  5T(iuenl;aus, 
bie  feingebilbete  ()etäTe  unb  iibeTl}Qupt  bie  [ittlid)e  Dulbung  fdrronken* 
io|er  flusfd)Q)eifungen,  es  fef)lte  Dor  allem  aui^  bas  gried)t[d)e  Klub* 
unb  Kafinoroeien  mit  {einer  ejlilu|io  männlii^en  <Be|elIigfieit ,  bie 
Knabenliebe  unb  bie  bamit  cerbunbene  unb  im  übrigen  auc^  polttifd) 
bebingte  „Bust)äu[igbeit'',  bas  ma^Io|e  Rtbe>  unb  KonnerfaticnS' 
bebflrfnis  bes  gried)ifd]en  lUannes.  Die  römiji^en  domitien  waren  nidjt, 
Qtle  bie  atti|d)e  lEItttlelia,  ein  S(t)aupla^  für  porlamentaciftlfc  Rebe- 
[<l)lad)ten,  (onbem  bas  gegliebert  „angetretene"  fjeer,  roeldjes  auf  bie 
$ragen  bes  Illagiftrats,  unb  mir  auf  biefe,  mit  .ja"  ober  .nein"  ab- 
flimtntc,  im  Übrigen  aber  ju  (d)roeigen  unb  5U  getford^en  ^atte.  Xü^ 


'.  Die  Cffc  in  Rom  urtti  Im  TÖmifificn  IPtltrtic^. 


163 


I  im  ffau]t  faii6  bal]cr  btr  Römer,  im  6egenia$  3um 
,  bcn  SdjiDtTpunht  [einet  per|önli<fien  SntereHen.  Da  in  olteter 
3etl  hfinerld  öffenllid)e  S<i)ulen  bejlanben,  muröen  bit  Kinber  ganj 
im  Ejaufc  erlogen  unb  unterrichtet.  Der  Dater  (elblt  untermtes  )eine 
S9^n<  ionol)!  In  Ceibes  Übungen  unb  in  allen  Arten  praliti|it)er  Sätig* 
ktit,  roic  aud)  in  ben  cinjigen  „tt]eorctij<i)en"  $äd)eTn,  roeltfie  ber 
ftets  nuT  auf  bie  pialtti|<l)e  Bei)eir|d)ung  bes  tebens  geridjtetf  Römei 
-  bis  jum  (Einbringen  giiedfiidter  Kultur  in  ber  Spätjcit  ber  Re* 
publili  -  jur  S(t)ulung  bes  (5ei|lfs  für  notmenbig  fjiell;  3m  le|«n, 
Sd}rriiKn,  Rcdjnen  unb  ber  6e|e^esltunbe.  Die  IRutter  untenoies  bie 
niäbdien  im  Spinnen  unb  IDeben.  Reben  ber  Pflege  unb  (Eriietfung 
ber  Kinber  unb  ber  Leitung  bes  f)au5n}efens  beflanb  tt]ie  iDirt|d)<ifl- 
Iid}e  Qältglitll  in  ber  „tDoUnrbeit":  im  Spinnen  unb  £Deben  mit  bcn 
nidg&en:  an  gröberer  t^ausarbcil:  Korf^en  upib  inat)(cn,  gefibireige 
benn  an  ber  fldierbeiteUung,  nQljm  |ie  nit^t  teil,  ffro^btm  ober  oiel« 
mebr  offenbar  grabe  besroegen  galt  fie  als  (Eebieterin  bes  Kaufes  unb 
isurbe  fludf  oon  ifjtem  ITtann  als  >)<)miii:i  nngerebet.  Sie  galt  als 
[ittenltreng ,  |tol3  unb  ielbltbemugt.  Die  liebenstsurbige  Rnmut  bet 
t&riet^in  (dieinl  ii)r  gefet^It  ju  t)aben. 

IPeientlid)  für  bas  Dert)ällnis  ber  (Ealten  war,  ba\\  blt  römijd)« 
mater  i;imili:i>  nidjt,  iiiic  bie  griediifc^e  S^*""'  '"  befonöere  Räume 
oeibonnt  iputbc.  Sie  lebte  Dielmel]T  mit  bcm  Rlanne  jufammen,  letlle 
leine  3ntereffen  unb  I)äufig  aud)  {einen  politi{d)en  iEt)rget],  niäbrenb 
er  in  allen  5oii<l>c"'"i9'lc9">l)cit^"  it]ren  Rat  eintfoUe.  Sie  nQf)m 
auct)  in  vollem  Umfang  am  gefeUigen  £eben,  j.  B.  an  ben  ibaftmäblem 
teil,  aDerbings  in  bei  „guten  alten  Seit"  md)t  licgcnb  n>ie  bie  ITIänncT, 
lonbem  \i^tnb  unb  fid)  bes  IDeingenuffes  enti)altenb.  Später  burftc 
fic  aaii  im  Sf^eater ,  mie  im  Sirfius  eift^einen  unb  fid;  auf  Hlaikt 
Knb  Straften  frei  bemegen.  ftllerbings  pflegte  fie  nt<I[t  oljne  IDiffcn 
bes  ntannes  unb  im  allgemeinen  nid)t  oi)ne  Begleitung  aussugcben. 
<s  galt  als  Pflld)t  bet  IRänncr,  ber  „IRatTone'  (b,  I].  (eber  etfibaren 
Srau)  ouf  bei  Strafe  ausjua)eiii)en.  llnb  oenn  aud)  bie  Radfrid^t, 
baii  fldf  im  3abie  251  d.  dbr.  ein  Römer  als  „erfter"  oon  feinet 
5iau  |d|etbcn  lief;,  weil  fie  einen  It6rptili<tren  S'M^r  ^^tle  unb  il]m 
bfsmfgen  keine  Kinber  fcbenhen  konnte,  auf  einem  3ittum  betuift, 
ba  bie  etfte  lltfef^eibung  fdjon  im  3abre  306  ernäbnl  loirb,  |o  3elgt 
flf  bodf,  ba\i  btr  lUann  non  (einem  Re^t,  iBiahürlid)  bi«  S"»"  J" 
Mfftoficn,  nur  ausna^msatelle  unb  untn  aDgtnteinei  IRigbilligung 


164  Die  (E^e  bei  öen  antiken  Kulturoölftem. 

6ebTQu^  ma^te  unö  öag  alfo  5ie  (E^emoral  öer  Römer,  umg^ 
fte^rt  mie  in  Attifta,  über  i^rem  Re^te  ftanö.  Auc^  ber  mutter 
mies  öie  Sitte  eine  geartetere  Stelle  3U,  als  öas  Re^t  Sie  oKtt 
ni^t  nur  öie  Pflegerin  öer  Kleinen,  fonöem  beeinflußte,  mie  aus  ber 
(Befriste  -  im  f^arfen  6egenfa^  3U  (Brie^enlanö  —  bekannt,  aud) 
öie  ^eranroa^fenöen  Kinöer. 

Diefe  fafttif^  müröigere  Stellung  öer  Sxan  fanö  nun  im  Cauf 
öer  3eit  au^  in  öer  Re^tsentcoicfelung  i^ren  flusöruA,  inöem  ber 
ftriftte  patriar^alismus  öer  inanus*(E^e  ni^t  me^r  ertragen  ourbe. 
S(^on  öie  aus  öem  5.  3a^r^unöert  0.  (E^r.  ftammenöen  12  (Cafdn, 
kennen  neben  öen  bisher  erroö^nten  beiöen  normalen  Sinnen  ber 
(E^e  öur(^  confarreatio  unö  coemtio  no^  eine  öritte  Art  i^rer  Cnt- 
fte^ung:  öurt^  formlofe  Uebereinkunft  öer  Beteiligten  unö  ^injutretenbe 
„(Erfi^ung"  öer  manus  feitens  öes  ütannes,  im  5^11  ununterbroi^er 
^äusli^er  (Bemeinf^aft  na^  Ablauf  eines  3a^res.  (Es  liegt  öie  Am 
na^me  na^e,  öag  au(^  in  Rom  in  öer  Seit,  mo  öie  coemtio  no(^  ein 
reales  Kaufgefd)äft  mar,  öer  mann,  votnn  er  öen  preis  nit^t  jo^en 
konnte,  öie  > manus«  über  öie  S^ciu  juriftif^  ni^t  ermarb.  Die  jnwlf 
(Eafeln  Ratten  öann,  öurt^  Regelung  öer  Beöingungen,  unter  öenen 
öiefer  3uftanö  meiter  öauem  oöer  aufhören  follte,  ®rönung  unb 
Re^tsfi^er^eit  gef^affen.  Daöurd)  muröe  öer  Abf^lug  öer  (E^e  o^ne 
(Ertoerb  öer  manus  3roeifellos  bcgünftigt.  Der  Stoecfe  einer  (ol^ 
mar  urfprünglid)  offenbar:  einer feits  öem  (Ehemann,  sunö^ft  für  bas 
erfte  3a^r,  öas  Red^t  5ur  beliebigen  £öjung  öer  (E^e  o^ne  fittlic^ 
(Eaöel  unö  Dermögensnad)teile,  anörerjeits  aud)  öem  Dater  öer  5^^ 
oöer  i^rem  6efd)led)tsDormunö  öie  inöglid)keit  5U  geben,  kraft  Doter« 
lid^er  be5m.  oormunöj^aftlid^er  (Bemalt  öie  (Eo^ter  mö^renö  jenes 
„Probejahrs''  3urü&5une^men.  IDir  öürfen  als  fi^er  annehmen,  öag 
graöe  öie  furd)tbare  Konfequens  öes  fjerrenred^ts  in  öer  inanus«(E^ 
angelesene  5ömilien  in  Rom  ebenfo,  mie  mir  öics  in  Arabien  fanöen, 
oeranlagte,  i^re  (Eöd)ter  in  öieje  j^rankenlofe  6emalt  eines  fremöen 
lUannes  ni^t  Sinein5ugeben.  Xladi  3al)resfrift  gemann  nac^  öen  5mdlf 
(Eafeln  öer  mann,  mie  bei  Sa^gütern,  öas  (Eigentum,  fo  ^ier  öie 
manus  öurd)  (Erfi^ung  (usus)  mit  allen  il)ren  IDirkungen,  falls  öies 
ni^t  öaöurd)  oerl^inöert  muröe,  öag  öie  5^^u  minöeftens  3  nä<l^te 
ins  (Elternhaus  3urü&kel)rte  unö  {0  öie  (Erfi^ung  unterbrad).  (Bef<l^aS 
öies  nun  aüjäl^rli^,  öann  blieb  öie  (E^e  eben  eine  (E^e  „auf  Kün« 
öigung",  ö.  S.  mit  beiöerfeitigem,  gan5  freiem,  prioatem  S^etöungs« 


F.  Die  C^  in  Rom  unö  im  römif^en  IDeltrei^.  165 

rec^t.  Dabei  ftamen  aber  bie  Kinber  jold^er  (E^en  immer  in  bie  DoUe 
(btmali  i^res  Daters,  was  -  beiläufig  bemerkt  —  allein  fdjon  aus» 
{(j^Iiegt,  in  biefer  (E^e  etma  ,,Rü&ftänbe"  oon  „mutterred^t"  5u  erbli&en. 
(Segen  dnbt  ber  Republift  bröngte  nun  bieje  „freie  dlft"  bie  ftrengere 
5orm  gan3  in  btn  fjintergrunb,  fo  bag  baburd)  bie  Red^tsftellung  ber 
C^frau  in  eine  neue  P^fe  trat.  Auguftus  ^ob  fd^Iiegli^  bas  (Ent* 
\it^tn  ber  manus  burd)  usus  überl^aupt  auf,  jo  ba^  von  ba  an  bie 
freie  C^e  als  überhaupt  ein5ige  tlormalform  übrig  blieb. 

Daburd)  ftieg    nun    bie    römij^e  5^^u,    w^nn   fie    au^    als 
ntutter  red)tIos  blieb,  als  6attin  aus  i^rer  faft  fklaoenartigen  Ab« 
Engigkeit  3u  einer  Stufe  re^tlid^er  Selbftönbigfteit  empor,  bie  fie  in 
btn  meiften  mobernen  Kulturlönbern  nod)  je^t  ni^t  mieber  erreid)t 
V^t.    Da  aber  bie  ftarre  Daterred)tlid)e  S^ntilienglieberung  5unäd)ft 
nt(^t   oerminbert   mürbe,   entftanben   ^öd)ft  jeltjame  juriftif^e  Kon* 
fequensen.    Die  5tau  galt  nun,  ba  fie  ni^t  me^r    filiae  loco*  roar, 
iDeber  als   Angehörige  i^res  ITlannes,   no^   als  Derioanbte  ibrer 
Kinber,  unb  geroann  bes^alb  au^  gegen  i^ren  (bauen  nid\t  bas  geje^* 
li^e  tjaustodjtererbre^t.    Sie  behielt  aber  bafür  i^r  (Erbredjt  in  i^rer 
eignen  S^ntilie.    Aud)  perfönli^  blieb  fie  in  ber  (Bemalt  unb  unter 
bem  Sd)u^e  i^res  Daters.   Cr  berieft,  jolange  er  lebte,  bie  rid)terlid)e 
StrafgeiDalt  über  fie,   er   konnte  au^  roillliürlidj  bicfe  „freie  €^e" 
löfen,  ebenfo  roie  roir  bies  im  Solle  bes  a^^aphos'gamos  in  Äegi)pten 
fanben.  Starb  aber  i^r  Dater,  fo  tourbe  |ie  getoaltfrei,  bennfie geriet audj 
bann  nid)t  in  bie  manus  i^res  (Batten.  Unb  ba  bie  geje^Ii^e  (Bejd)Ied)ts« 
iK>rmunbfd)aft  glei^3eitig  abftarb:   -  jie  mar  allmöl^Iid)  baburd)  3ur 
fc^attenf^aften  5ormaIttät  gemorben,  bog  man  ber  gemaltfreten  ß^^^ 
geftattete,  fi^  ben  6e|djIed|tsDormunb,  ber  als  iljr  Beiftanb  in  Redjts- 
gef(^ften  formell  nötig  blieb,  jebcrseit  ad  hoc  frei  3u  möl^Ien,  unb 
iDurbe  oon  (Ilaubius  audj  formell  bcfeitigt,  -  |o  mar  bie  S^öu,  audj  bie 
(E^frau,  jebenfalls  n  a  d)  bem  (Eobe  t^res  Daters,  eine  ooll  l^anblungs' 
fällige  unb  felbftönöige  Red)tsper{önli^hett. 

Cntfd)eibenb  mar  babei  für  i^re  Stellung,  ba%  au^  bie  Der- 
mo g  e  n  ber  in  freier  (E^e  Cebenben  prin3ipicll  getrennt  blieben.  (Es 
galt  3a}ar  f^on  in  frü^  republihant{^er  Seit  als  moralifd^e,  unb  feil 
Auguftus  aud)  als  gefeftlid|e,  Pfli^t  jebes  Daters,  feiner  lo^ter  eine 
ntttgift  —  »dos«  -  als  Beitrag  3U  bcn  eljelidjen  £aften  in  bie  (Elje 
3U  geben.  Urfprüngli^,  in  ber  IUanus-(El)e,  bebeutete  bie  dt.s,  ©ie 
im  (Drient,  fafctifdj  aud)  i^re  (Entfdjäbigung  für  bie  oäterlidje  (Erbfdjaft, 


itti.. 


166  Die  (E^e  bei  ben  antiften  KuIturooKem. 

öeren  fie  öurt^  eintritt  in  bie  ntanus'C^e  oerluftig  ging.  Bei 
ber  freien  (E^e  galt,  ba  fie  ja  formlos  eingegangen  ourbe,  bie  Be- 
fteHung  einer  Ulitgift  bur^  Urfeunbe  (instrumenta  dotalia)  naturli^ 
als  fid)erftes  nierftmal  (menn  au(^  nit^t  als  ret^tlic^  unentbe^rl^es 
(Erforbemis)  bafür,  bag  iDirftli^  eine  „(Ef^z**  Dorlag.  Diefe  dos  cDurbe 
nun,  im  (Begenfa^  3um  grie^ijd)«orientaIifd)en  Red)t,  in  ber  monitS' 
C^e  Eigentum  bes  (Batten,  iiber  bas  er,  fo  lange  bie  (E^  bauerte, 
gan3  frei  verfügte.  Denn  eine  S^ronfte  ber  Derfügungsgetoalt  bes 
ntannes  3U  (Bunften  ber  (Battin  pa^it  nun  einmal  in  bta  ftrikten 
Patriart^olismus  bes  altrömij^en  Re^ts  nit^t  hinein.  3n  ber  mamis- 
C^e  behielt  er  fie  fogar  na^  i^rer  Auflöfung,  unb  beja^Ite  nur,  mie 
nir  ja^en,  bei  ungere^tfertigter  Derftogung  eine  Sc^eibungsftrofe, 
nö^renb  im  5<^Q^  \tines  dobes  bas  (Eod)tererbre^t  ber  5tau  ben 
6egenn)ert  gegen  i^re  dos  bilbete.  —  3nt  3.  3a^r^unbert  d.  C^r. 
iDurbe  es  jebod)  übli^,  bie  Rü&5a^Iung  ber  dos  burc^  oertragsmä^e 
Derabrebungen  5U  fidlem.  Daran  knüpfte  bie  loeitere  (EntiDtddung 
bes  Dotalre^ts  an.  —  3n  ber  freien  (E^e  befag  bie  Sxau  beim 
(Eobe  bes  IRannes  auf  {eben  5<^n,  unb  urfprünglic^  3iDeifenos  au<l^  in 
jebem.  S^n  ber  Trennung  ber  (E^e,  Anfprud)  auf  Verausgabe  t^res 
„Äingebra^ten"  (»res  uxoria«).  Starb  fie,  fo  fiel  jebo^  iDenigftens 
biejenige  dos  (»dos  profecticia«),  mel^e  i^r  oon  i^rer  5<imUie  be« 
ftellt  mar,  an  biefe  3urü&,  ba  ja  meber  IRann  nod)  Kinber  ein  (Erb« 
red)t  gegen  fie  Ratten.  3e  me^r  nun  aber  bie  freie  (E^e  3ur  normalen 
(Eljeform  tourbe,  befto  me^r  näherte  man  bie  Be^anblung  ber  »res 
uxoria«  berjenigen  ber  »dos«  an.  Die  5^öu  erhielt  fie  fpäter  bei 
Sd)eibung  nur  bann  ungefd^mölert  3urü&,  nenn  fie  baran  unfc^ulbig 
©ar.  5fl"^  bagegen  ber  Ridjter  im  „Sittengeri^t"  fie  fc^ulbig,  ober 
maren  Kinber  oor^anben,  fo  burfte  ber  lUann  Ab3üge  bis  3U  insge« 
famt  V2  ber  dos  madjen,  -  eine  unter  Umftönben  füi^Ibare  Binbung 
ber  5tau  an  bie  C^e.  3e  langer,  je  me^r,  mürbe  bie  Rü&erftattungs« 
pflid)t  burd)  allerlei  gefe^Ii^e  Dorfd)rtften :  feit  Auguftus  UnDerpfonb- 
barfteit  unb  fpäter  au^  UnoeraugerIid)heit  ber  Dotalgrunbftücke,  bann 
(Beneralpfanbred)t  ber  S^^^  ^^  Dermögen  bes  lUannes  (enbgültig 
feit  3uftinian),  unb  Red)t  ber  S^au,  bem  ITlann  bie  Derfügung  über  bie 
dos  3u  ent3ie^en,  falls  er  fie  burd)  Derfd)Ieuberung  geföi^rbete,  3U  fiil^em 
gefud)t,  fo  bog  fid)  bas  Der^öltnis  bes  römifij^en  (Ehemanns  3ur  mit- 
gift,  tro^  ber  oerfd)iebenen  juriftifd^en  Konftrufttion,  boc^  faktifc^ 
immer  mei^r  bem  bes  gried)ifd)en  unb  orientalifd^en  annäherte,  bis 


F   Die  C^e  in  Rom  unb  im  tömt|(t)«n  IDeltreii^. 


167 


ftitlitglid)  -  wie  oorgreifenö  id)on  t)tei  bemerkt  iei  —  3uftinian  aud) 
bas  Klaq]dttma  öet  i^lgentunishlage  (vindicatJoj  auf  Die  dos  anju- 
Dcnben  geftalttte.  flnI>reT|etls  entioicbclte  fl(^  ein  ber  OTientali|i^n 
Ctre|liftung  ent|prc4)eTi6es  3nflituL  3n  ber  lepublifiantld^en  wnb 
fTÜt)hai|erlid)eii  Seit  [or<}te,  tute  trii[}er  erinäl)iit,  btt  lUann  {cinerfeils 
6uTd|  ttftamentaTi[(f)e  Beitimmungen  füt  bie  tDltoic.  Dt(  tjerhunft 
bti  fpätiömi[d)en  Sitte,  öag  btr  Xilann  ber  Stau  ab  tDiltDcniieilot' 
gung,  -  mie  im  I)enciiitli|if)eit  0iient,  bei  ben  (Balüetn  unb  (btima- 
I  Bf n  -  eine  Sdfenliung  für  feinen  Qobesfall  f'cionalio  anu<,  feit 
■  Suftinian:  .|""l''er-.  .mi|iii;i>-i  mcii^te,  ift  beftritlen,  i^re  IntmiA. 
hing  aus  ben  Dolhsredjlen  ber  in  ber  Kaljer^eit  jii  Bürgern  gemod|ten 
Proninjialien  uon  ITlittets  jebod)  iel)r  iral}rid)einlid)  gemadfl.  Sie 
»urbe,  —  mos  mir  t^ltr  ebenfalls  fdgon  Dormeg  net^men  —  im  £auf 
6er  fpäteren  Kai(er5eit,  als  bie  Kettele  ber  unlcroiorfenen  Döiber  i^ieti 
Cinfluft  ouf  bas  Rci(l)sre(f)t  immer  flärhcr  gellcnb  mad)ten,  ber  'los 
in  t^rer  red)tlld)en  Be[)anblung  immer  mttjT  angenähert  unb  fiel 
fdllie^Itd;,  feit  3uttinian,  nur  bei  flufiö|ung  ber  dift  burd)  ben  dob  bcs 
ITlannes  ober  buritf  eine  oon  ber  Sri"  nidjt  oerfdfulbete  S^eibung 
oIs  IDiloienperlorgung  an  \\t.  Auf  biefe  Art  mar  in  ber  freien  (Elje 
june^menb  bo^  ein  .etjeUdjes  (Büterredit"  entmlAelt  unb  bas  ftatre 
.<£ntii>tbeT-<nber"  bes  alten  Redfles  burdflödieTi.  Aber  leine,  iojulagen 
.auftetel>ell(^»"  fjerkunft  t)ot,  uiie  wir  immer  roleber  fel)en  »erben, 
tDctttragenbe  fri|t()rif(f]e  Konftquenjen  geljabt. 

3m  6egen|ag  jum  griediiic^en  Red)t,  menigflens  ber  klafllfdien 

3eit,  mar  ber  $rau  in  ber  freien  (E!}e  ber  hlaffifdien  TÖmi|d)en  (tpod^t 

«ine  für  btn  UTann  unongretfbare  felbfiänbige  Derfügungs|pl]Öre  ba- 

burd)  geroai^rt,  bag  fie  alles,   oas  oon  iifrem  Dermögen  nld)t  aus« 

brödilt^  als  dos  bem  Ulanne  übertragen   mar,  unb  alles,  isas  fte 

jp&ter  burd)  (Erbfdfaften.  Sdjenhungen  u.  bgl.  erioarb,  ols  il)ie  -  im 

Spra^gcbraud)  ber  ipälgried)i|dien  unb   ipütrömlf<f)eii  Seit  -   »bonA 

L{Kird|>hernuli;i-:  ,17arbet)altsgut'  roürben  mir  Ijcule  lagen,  jur  gönj» 

Ifid)   freien  eignen  Derfägung   beljielt.     Allerbtngs   muffte   ble   Srau. 

r  awnn  fie  um  biefe  inögli<t)tteil  ni<^t  betrogen  locrben  aollte,  fid)  mit 

Beweismitteln  über  tt)Ten  Oennögensftanb  unb  (Ertrerb  Derfel;en,  benn 

We  fo^en.  •^facsumim  Miiiianu-  ber  römi|d)en  iKerid)tspia;ls  ftellte 

im  3ntcreffe  ber  Sidjcrung  ber  (üläubiger  bes  lüannes,  bie  .Hed^ts* 

Dcnnutung'  auf,  ba^  alles,  n>as  nict}t  nad)i»et£lid)  uon  ber  Sta» 

S&ltig  ermorben  fei,  jum  mannesDermögen  get)öre,  -  ein  5a%  ber 


168  Die  (E^e  bei  ben  antiften  KuItun)5I6em. 

bis  in  öie  moöemen  (Befe^gebungen  feinen  IDeg  gefunben  ^at 

Don  öiefer  prin5ipienen  Trennung  ber  6üteT  profitierten  überbies 
natürli^  nur  bie  Stauen  ber  befi^enben  Klaffen,  bie  me^r  als  i^ 
flusfteuer  befagen,  bena^teiligt  aber  blieben  Aue  bem  IHomie  gegen* 
über  baburd),  bag  fie  fteinen  Anteil  an  bem  iDö^renb  ber  (Bft 
ttwa  burd)  i^re  ITlit^ilfe  unb  burt^  gemeinfame  Arbeit  (Errungenen 
getoannen,  ba  fie  in  ber  freien  C^e  urfprünglid)  ftein  gefe^« 
li^es  (Erbre^t  gegen  btn  6atten  Ratten.  Sroar  l^attt  ber  Prätor, 
ber  in  Rom  kraft  feiner  Amtsgetoalt  unb  kraft  feines  Rechts  ben 
6ef^n)orenen  binbenbe  3nftruktionen  für  bie  Prinzipien  ber  Prozeß 
(Entfd^eibung  geben  l^onni^  unb  ba^er  faktifd)  eine  Rec^t  fc^offenbe 
Stellung  einnahm,  ebenfo  roie  er  aUma^Iid)  neben  bem,  urfprünglid^ 
in  (Ermangelung  Don  fjauskinbem  allein  erbbere^tigten  nä^ften  Agna« 
ten,  au^  btn  Kognaten  (Erbanfprüd^e  fi^erte,  fo  aud)  btn  in  freier 
(E^e  lebenben  ©atten  ein  gegenfeitiges  (Quafi*(Erbre^t  (>  bonorum 
possessio«)  gegeben,  jebod}  erbten  fie  oon  einanber  erft  hinter  aßen 
erbbere^tigten  Derroanbten  bes  Derftorbenen.  Diefes  ungünftige 
C^egattenerbre^t  ift  biejenige  ^arakteriftif^e  Konfequens  ber  freien 
(E^e,  bie  im  (Beltungsbereid)  bes  römif^en  Red)ts,  bis  in  bie  (fregen« 
roart  hinein  fortbeftanben  ^at. 

Die  freie  (E^e  als  re^tli^e  3nftitution  befag  nun  offenbar  i^ 
eigenartiges  (Bepröge  baburd),  bog  ebenfo  mie  i^r  Abf^Iug,  au(^  i^re 
S^eibung  DöUig  als  Privatangelegenheit  ber  (Butten  galt  unb  bag  anö^ 
bie  einfeitige  £öfung  nur  (unter  Umftönben)  gemiffe  oermögensred)t' 
li^e  Ra^teile  mit  fid)  braute,  im  übrigen  aber  lebiglid)  an  beftimmte 
5ormen:  3ufteIIung  einer  Sdjcibungserklärung  oor  3eugen  ic.  gebun* 
ben  war.  Das  ^eute  mieber  unter  ben  oielbeutigen  S^Iagmorten 
„freie  Ciebe"  ober  „freie  (E^e"  aufgeftcüte  3beal  einer  Dereinigung, 
beren  Dauer  bem  Belieben  ber  3nbiDibuen  DÖIIig  an^eimgefteüt  ift, 
roar  bemnad),  fo  f^eint  es,  bamals  ja^r^unbertelang  praktifd)  fo 
gut  roie  DoUftönbig  oertDirkli^t.  3ankte  man  fid)  morgens,  fo  ging 
man  eben  abenbs  auseinanber,  unb  ebenfo  fd^nell  lieg  fi^  bas  3er' 
riffene  ober  aud)  ein  neues  Banb  roieber  anknüpfen.  Selbft  bie  Der« 
ftofeung  (repudium)  bes  einen  (bauen  burdj  ben  anbem  gegen  öeffen 
IDunfd)  unb  IDillen  mar  ja  oöllig  freigegeben  unb  man  pflegte  babei  ben 
anbem  einfadj  mit  ber  Sormel  3U  oerabfdjieben:  >  Vadc  foras«  „ge^  ^in« 
aus",  ober:  »Tuas  res  tibi  habeto*  „Du  magft  Deine  Sadjen  für  Dic^ 
^aben".  Das  S^i&fal  ber  Kinber  rourbe  babei  nid^t  in  Betrad)t  gebogen. 


F.  IHe  (E^e  in  Rom  unb  im  römif^en  IDeltreid).  169 

Aber  aüeröings  blieb  im  übrigen  öie  freie  (E^e,  aud)  qan^  abge« 
fe^n  oon  6en,  nie  nir  fa^en,  anmö^Iid)  entoiAelten  Dermögens*  unb 
erbre<l^tlid)en  ([onfequen3en,  burd^aus  nid)t  o^ne  fe^r  beftimmte,  au(^ 
perfönlid^e  Red^tsmirftungen.  Dor  ollem  gel)örten  bie  in  i^r  gebore« 
nen  Kinber  perfönlid)  ausf^Iieglid)  bem  Dater,  unb  bos  nor  frei« 
lid)  ein  gewaltiger  Unterft^ieb  gegen  bie  mobemen  3beale  monier 
für  ^freie  Ä^e"  begeifterten  5tciuenferei(e.  Der  uns  bekannte,  ftrifet 
patriort^ale  (Brunbfa^,  bog  nur  burt^  b^n  ITlannesftamm  geerbt  mirb, 
fd)Iog  -  nad^  urfprünglid^em  Re^t  -  jebe  erbred)tli^e  Be5ie^ung 
jiDifc^n  ber  Hlutter  unb  il^ren  Kinbem,  feien  bieje  nun  e^elid)e  ober 
une^elic^,  aus.  3n  ber  lUanus-C^e  galt  fie,  tDenigjtens  im  Red)tsfinn, 
als  ,,SdnDefter''  ber  Kinber.  fludj  bies  fiel  Ijicr  fort.  Sie  trugen 
feinen  Ramen,  erbten  nur  oon  i^m  unb  vererbten  (na^bem  eignes 
Ktnbesoermögen  e^iftierte)  nur  an  il)n,  nid)t  Don  unb  an  i^re  Rlutter. 
Crft  bas  prötorift^e  Red)t  unb  bann  bie  6efe^e  ber  ftoifd^en  Kaifer 
änberten  bas.  toie  ©ir  fe^en  toerben.  3ufoIge  ber  patria  potestas 
unb  ber  erft  im  £auf  einer  langen  (EnttDi&Iung  gemilberten  (Eeftier* 
frei^it  lag  alfo  i^r  Sd)i&fal  allein  in  feiner  E)anb.  Hber  aud)  ab« 
gefe^en  oon  ber  burt^  fie  entfte^enben  patria  putestas  blieb  bie  freie 
(R^  nt(^t  o^ne  Red)tsfolgen.  Der  Rlann  ertoarb  aud)  in  i^r  bas 
»jus  mariti«  b.  ^.,  nie  mir  fagen  mürben,  bas  e^emönnli^e  (Entfiel« 
öungsred)t  gegenüber  ber  5tou.  Cr  beftimmte  ben  IDo^nfi^,  btn  bie 
5rau  ebenfo,  ©ie  feinen  Rang  unb  Stanb  3U  teilen  Ijatte,  fo  lange 
bie  (E^e  beftanb.  Der  Prätor  gab  iljm  ferner  bas  Re^t,  [\t  oon 
Dritten  Ijeraussuoerlangen ,  was  aber  erft  in  na^Waffiifdier  Seit 
aud)  i^rem  Dater  gegenüber  galt.  Die  S^öu  fdjulbete  iljm  femer 
„(Ehrerbietung"  (reverentia)  unb  „©eljorfam",  wogegen  er  fie  3U  be» 
fc^ü^en  unb  3U  alimentieren  ^atte.  (Er  befag  fogar,  fo  lange  bie  (Ef^e 
beftanb,  oüerbings  nur  unter  3u3iel)ung  tl)rer  eignen  Derioanbten, 
eine  Art  Strafred^t  gegen  fie.  (Ein  oon  oielen  mobemen  Rekten 
übernommener,  geiDol)nl)eitsred)tli^er  6runbfa^  bes  römifd)en  Re^ts 
beftonb  enblid)  barin,  ba^  Sd)enhungen  unter  6atten  3um  Sd)u^  fo- 
TDOlfl  il}rer  (Bldubiger  gegen  (Ent3iel}ung  oon  Pfänbungsobjehten,  mie 
au<l^  3um  Sd)u^  ber  Cf^egatten  gegen  bie  eigne  „Sd^n^ö^e"  (bie  fid) 
bei  ber  leisten  Sd^eibung  ja  fd^n^er  rö^en  konnte)  als  nid^tig  be« 
I^nbelt  tDurben. 

Die  freie  (E^e  i^at  fi^  alfo  il)rer  fahtifd)en  Struktur  nad^  nid^t 
toefentltc^  anbers   als  unfre  mobeme  (El)e  entmidielt,  nur  gab  fie 


170  Die  (E^e  bei  btn  antiften  Kultutüoftem. 

neben  öer  oermögensre^tlit^en  Unabhängigkeit  im  Unterfc^ieö  ju  unfrer 
(E^e  au^  öer  5^<^u  bas  toi^tige  Red)t,  fi^  jeberseit  oom  manne 
3U  befreien,  alleröings  unter  Umftönöen  mit  empftnöli^en  Dermögens* 
na^teilen  unö  immer  um  öen  preis  öes  Derlufts  aller  i^rer  mütter« 
li^en  Besie^ungen.  Don  mütterli^en  ,,Red)ten''  fiann  man  fiber^oupt 
ntd)t  reöen:  fte  roar  ja  re^tli^  ein  5temöling  im  fjaufe  bes  IHonnes, 
öem  {ie  Kinber  gebar;  irgenb  ein  „(Ersie^ungsrec^f,  au^  nur  im 
Dor3ug  cor  ben  Seitenoermanbien  bes  IHannes ,  ^atte  fie  nait  feinem 
(Eobe  in  ftlaffif^er  3eit  nit^t. 

Die  fittengef^i^tli^en  IDirftungen  ber  freien  St^eibung  ftnb  nic^t 
mit  Sid)er^eit  ab3ufd)ä^en  unb  ^aben  offenbar  ^iftorifc^  gemec^felt 
IDit  ^ören  bis  in  bie  fpäteren  Seiten  ber  Republik  nid)ts  Don  er^eb* 
li^en  Schöben,  bie  fie  gebraut  ^atte.  (Erft  als  nad)  ben  großen 
(Eroberungen  in  btn  legten  3a^r^unberten  ber  Republift  orientaIif<^ 
^elleniftif^e  £ebensformen  bie  fjerrf^aft  geroannen,  o^ne  ba^  bo^ 
eine  ber  grie^ifd^en  ebenbürtige,  innere  Derfeinerung  bes  gefeüigen, 
geiftigen  unb  ftünftlerift^en  £ebens  eintrat,  unb  als  mit  bem  Sc^tDin« 
ben  bes  Rlittelftanbes  burd)  bie  SftlaoentDirtf^aft  bie  römifc^e  Kultur 
i^ren  bürgerli^en  (E^araftter  oerlor,  rourbe  fie  minbeftens  in  ben 
^errfd)enben  Klaffen  -  benn  nur  oon  biefen  ^Ören  mir,  was  roo^I 
3u  bea^ten  ift  —  3um  IDerft3eug  ber  allgemeinen  Sügellofigfteit  - 
Die  römifd)e  (Befellfd^aft  ber  fpötrepubliftanif^en  unb  frü^ftaiferlid^en 
Seit  mar  ni^t  me^r  ein  llebeneinanber  oon  A&erbürgem  unb  ftabt* 
fähigem  Hbel,  beibe  Dereint  im  Bürger^eer,  fonbem  über  bem,  feit 
(Enbe  bes  3CDeiten  3a^rl)unberts  o.  (E^r.,  rein  proletarifdf  rekrutiertem 
l)eer  ftanb  eine  IJerren-S^i^t,  bie  als  Beamte  mit  ftöniglic^er  VHad^t 
in  btn  ungeheuren  überfeeif^en  (Bebieten,  als  (Dffi3iere,  als  £atifun- 
bienbefi^er,  als  (Brogl^önbler,  Steuer«  unb  Domänenpöt^ter  über  ein 
lUag  oon  ma^t  unb  babei  Don  Ungebunben^eit  oerfügten,  loie  nie 
Dörfer  ober  nad)^er  eine  fo  kleine  nienfd)engruppe  befeffen  ^at  Sie 
maren  bie  (Eröger  ber  freien  (E^e,  unb  nad)  i^rem  Belieben  geftaltete 
fid)  bie  (Befd)Ied)tsmoraI.  Die  freie  (E^e  als  fold^e,  in  ber  (Beftalt,  bie 
fie  in  Rom  befag,  roar  3tDeifeUos  nid)t  -  roie  manchmal  behauptet 
mirb  —  bie  U  r  f  a  d)  e  bes  DÖUigen  SittenoerfaUs.  Sie  leiftete  i^m 
^öd)ftens  Dorf^ub.  Dor  allem  oerlor  bas  5c^niilienleben  unter  bem  (Ein* 
flug  bes  £upts  jeben  ftttUd^en  {)alt  Der  oorne^me  römifd^e  Qaus^lt 
blieb  nur  für  bie  ungeheure  Shlaoenf^aar  eine  Statte  ber  Arbeit, 
für  btn  E)aus^erm  unb  bie  fjausfrau  mürbe  er  lebiglic^  3ur  Statte 


r 


F.  Die  Cf)t  in  Rom  unb  im  römtli^cn  IDeltteid). 


ni 


I 


{innlid^tn  Bel)agms  unb  motvricUen  ffienutfes.  Die  Kintiei  iDU(lr|«n 
je^t  mei|t  tn  bn  (ficieltftttafl  Don  Sklaoen  auf,  unti  nad)  bem  (Ein* 
bringen  gr{«drli<i)cr  Bilbungselfitientc  unb  UnlrTTi<^t$metI)oben  murtien 
nidit  nur  öie  beranmadiienben  SÖ!ine  in  öeti  Sd^ulen  unterridftet, 
(on&ern  fdfon  öle  pflege  ber  Kleinen  war  öem  griect}il<l)en  pai&ago- 
gos  unb  6er  gritii)it<t)en  IPtirterin  öberlaf[en.  flud)  btx  iI[]araEiter 
fter  (Sejelllgiieit  mar  ftath  neränbcrt.  Bei  öen  prunttt^aften  Belagen 
ertötete  bas  Diel-Uffen  unb  'atinhen,  öos  (1nid)auen  öer  poifentcifeer 
unb  ber  üppigen  onentalifd^en  Sänjerinnen  bie  $reube  unb  S^^^'g* 
hell  ]u  geilligerec  llnterl;altung,  unb  nun  mugte  bie  Beteiligung  ber 
Hausfrau  unb  ber  Kinber  baran  aud}  auf  fie  bcmoralifterenb  irtriien, 
Die  Siouf"  lagerten  fid)  jmijc^en  öen  ffiä|ten  unb  3editen  mit  bm 
ntönnem  um  bie  IDeltc,  unb  bie  Kinber  fatjen  iljre  Däter  oft  finnlos 
betrunken.  Stelgenbe  (&enugfuct)t  jerftörte  fo  bie  pflidytengemein- 
|tl)aft  )t(>iid)en  (ßattc  unb  <Sattin.  —  Dcsf)alb  mürbe  gegen  dnbe  ber 
ncpublik  oud)  bie  iEf|e  grabe  in  ben  fiii)renben  Kreifcn  ni<f)t  feiten 
aus  ben  aI(eregoifti{d}ften  moltDen  ge|d)ieben,  3.  B.  loegen  |d)a>a(t)cr 
(bcfunb^eit  ober  Crlirankung  eines  (hatten,  megen  Derpf1ict)tung  bes 
niannes  ju  Kriegsbienften  u.  f.  m.  Der  IDed)|ei  ber  jiauvn  burd) 
Derflotiung  fteigerle  |id).  dicero,  <Doib.  piinius  b.  3.  t)atten  bergeftall 
nod)einanbcr  5.  däfar  unb  Antonius  4.  SuUa  unb  pompejus  5  (Süt* 
tlimcn,  unb  d)rif[ltd}c  SdtiiftltcIIer  bcridjlen  Don  einem  $all,  a>o  bei 
ber  Ct)e|d)Iie6ung  beibe  Seile  auf  Über  20  ältere  i£t)e"  jurüdiblidtten. 
Sd^ibung  unb  IOieberDert)eiratung  Sd)Iag  auf  Sd^Iag  folgten.  Unter 
läfars  Konfulut  IjeiTatcte  3.  B.  ein  Tömifd]er  Briflohrol  eine  S^ou 
jiDtl  (Tage  nud;  it)rer  $d}eibung.  niand^mal  tourbcn  <Et)en  3UT  (Er* 
langung  irgtnb  eines  momentanen  äußeren  Dorteils  ge|d)lotfcn:  Sibe- 
rins  fe^te  einen  Staatsbeamten  ab,  ber  fid],  um  beuorjugl  ju  merben, 
am  Sage  Dor  ber  Dergebung  eines  ^ot^en  Amtes  verheiratet  ^atte 
unb  feine  tEl;e  ^im  Sage  barauf  micber  löfte.  Aber  abgejetjen 
boft  bie  freie  Sdjeibung  bem  flbroedjslungsbetricb  bretleflen 
Spielraum  gen)äl]rle,  -  nad)  ben  5at)IIo|en  Satiren  ber  Did)ter  unb 
ben  Klagen  ber  inoTaI>pt)ilofopl]cn  mürbe  in  biefei  Seit  aud)  bas 
ncbcneinanber  von  met)reren  Dctt)äitniffen  für  St)eleule  burt^aus  gc* 
robl)nlid).  Offenbar  bot  namentlid)  bas  l}äuslid)c  3u|ammenleben 
mit  ben  3um  Heil  t^oi^gebilbeten,  aus  bem  (Dflen  importierten  Shlaoen 
unb  Shlauinnen,  |oa)ot)l  für  bie  mänucr  mit  fQr  bie  S^outn  jeier 
Spod^en  bie  fläiftlten  Derjudjungen  3UI  el)clid)en  Untreue  unb  dügel« 


172  Die  (E^e  bei  ben  antiken  KuItutDöIftem. 

lofigkeit^.  Unb  baneben  bürgerte  ftc^  in  ben  oberen,  auf  eine  fc^Iec^t- 
^in  „ilbermen{(^Ii(^e"  Stufe  ber  £ebensfü^rung  gehobenen  Sc^t<l^ten 
eine  allgemeine  (E^e{(^eu  ein,  toeil  bie  ITlanner,  beren  poIittf<l^e  unb 
ökonomt{(^e  Spekulationen  eine  IDelt  umjpannten,  es  bequemer  fanben, 
i^re  {epieüen  Bebflrfniffe  in  einer  Art  5U  befriebigen,  bie  t^nen  bie 
per{önlid)en  unb  pekuniären  £a{ten  ber  Kinberersie^ung  erfporte. 
Sd)on  im  3a^re  131  0.  (E^r.  ^atte  ein  (Eenfor  in  einer  Rebe  bie  (E^ 
als  ein  Uebel,  aber  als  ein  unoermeibli^es,  erklart,  bem  fic^  ber 
Bürger  aus  (Brünben  ber  Staatsraijon  ni^t  ent3ie^en  bürfe. 

IDie  immer  {u(^te  man  btn  (Brunb  bes  Uebels  oor  allem  in  ben 
5rauen.  S^on  als  in  btn  legten  3a^r^unberten  ber  Republik  bie 
freie  (E^e  bie  1Tlanus>C^e  oerbröngte,  Ratten  bie  republikamfc^ 
Reaktionare  oer{ud)t,  i^re  5^^i^^tt  toieber  ein5uf^ränken,  offenbar  in 
bem  (Blauben,  baburi^  ben  im  (Befolge  ber  orientaIif(^en  Kriege  be* 
ginnenben  Sittenserfaü  aufhalten  5U  können.  Dor  allem  erf<l^ien  t^nen 
bie  {elb{tanbtge  Verfügung  ber  Stauen  über  größere  (Belbjummen  als 
(Queue  ber  {teigenben  (Benugfui^t,  bie  oerjtopft  toerben  mugte.  Dtan 
glaubte  bie  Sitten  beffem  3U  können,  inbem  man  {pe5ien  ben  Stauen 
bie  mittel  3U  einer  lu^uriöfen  £ebenscDei{e  entsog.  Auf  bie  balb 
toieber  befeitigte  Lex  Oppia,  ein  3ur  3eit  ber  puni|(^en  Kriege  ge- 
{d)affenes  Anti>£u;usge{e^,  folgte  3U  (Eato's  b.  Ae.  3eit  bie  komplijierte 
Lex  Yocon ia,  bie,  um  3U  ^inbem,  bafe  jelbftänbig  unb  in  freier  (E^ 
lebenbe  Stauen  rei^  tDurben,  btn  (Eigentümern  größerer  Dermögen 
oerbot,  Stauen  me^r  als  bie  fjälfte  baoon  3U  oermai^en.  Die|e  (Beje^e 
blieben  {d)on  rein  öugerlid)  oöllig  tDtrkungsIos.  Cs  fanben  fi<j^  allerlei 
'0)tQ^,  |ie  3U  umgeben  unb  3U  Beginn  ber  Kaiferseit  toar  bie  3a^I 
unabhängiger  retd)er  Stauen  größer  als  je  3UDor.  Ilunme^r  perfuc^te 
man,  bie  Stauen  burd)  (Ein{d)rankung  i^rer  iurt{ti{(^en  fjanblungs* 
fö^igkeit  3um  ^öuslic^en  f}erbe  3urü(k3ufü^ren.  Die  (Be{(^Ie<j^tsoor* 
munb{d)aft  tDteöer  aufleben  3U  laffen  {c^ien  ausjic^tslos.  Aber  ber 
Prötor  oerbot  kraft  {einer  Amtsgetoalt  ben  Stauen  toenigftens  als 
SteHoertreterinnen  Dritter  oor  6eri(^t  auf3utreten.  Prakti|(^  tcic^tiger 
roar,  baß  ein  Senatsbe|cl)Iuß  oom  3a^re  76  n.  (E^r.  (S.  C.  Velleja- 
niim)  i^nen  bie  Sä^igkeit  na^m,  für  anbre  Bürg|cl)aft  3U  leiften,  tcas, 

')  €ine  Oeblingsfigur  6er  römi|d)en  Satiriker  mar  3.  B.  6er  fd)ön  ge* 
kraufelte  Prokurator,  6er  als  eine  Art  Don  Hed)tsbet|tan6  un6  3ugletd)  als 
beliebter  6te  Srauen  6er  Dome^men  Kreife  in  6as  f)aus  i^res  6atten  be« 
gleitete. 


F.  Die  (t^t  in  Rom  unö  im  römif^cn  IDcItrci^.  173 

ba  6er  Begriff  6er  >intercessio<  in  6er  Prajis  fe^r  ge6e^nt  tx)ur6e, 
eine  unter  Umftan6en  siemltc^  fil^Ibare  Schranke  i^rer  Beteiligung 
am  (Befc^äftsleben  be6eutete.  Bis  auf  6ie{e  Dor{(^rift,  6ie  fic^  als 
eifemer  Be{tan6  im  römifd)en  Red)t  6ur(^  6as  Ütittelalter  ^in6ur(^ 
er^Iten  ^at,  |(^tx)an6en  ie6o(^  alle  an6ren  ertDö^nten  Cin|(^rankungen 
tx)ie6er  fo  Ic^nell,  mit  fie  gekommen  coaren. 

Die  £ocherung  6er  Se^ualmoral  ^atte  natürlich  tro^  allem  i^ren 
£auf  genommen.  (Erft  als  i^re  5oIgen  |id)  6a6ur(^  politifd)  fühlbar 
machten,  6ag  6ie  ju  6en  Staatsömtem  berufenen,  fenatorif^en  un6 
ritterli^en  (Befc^Ie^ter  fi^  nic^t  genügen6  fortpflansten,  begann  einer 
6er  offenbar  größten  politifc^en  Organifatoren  aller  Seiten,  fluguftus, 
fein  Augenmerk  auc^  auf  6ie|en  Punkt  3u  rid)ten.  Sein  £ebens5iel 
iDor  6ie  Sorge  um  6ie  Cr^altung  6er  politif^en  un6  kulturellen  Dor* 
^rrfc^aft  6es  Römertums  in  6em  immer  me^r  ancDad)fen6en  Reid)e. 
€r  lieg  (^arakteri|tifd)ertx)eife  6as  tief  in  6ie  (BetDo^n^eiten  6er  Ration 
eingelebte  freie  S(^ei6ungsre^t  6ur(^aus  unangetaftet,  fud)te  6agegen 
mit  allen  IRitteln  6er  für  6te  politif^e  f}errfd)aft  6es  Römertums  ge- 
fat)r(i(^en  C^e*  un6  Kin6erIo|igkeit  entgegensutoirken,  un6  erlieg  3u 
6iefem  3tx)ech  ein  ganses  Sijjtem  oon  Dorjdjriften  (lex  Julia  un6  lex 
Papia  Poppaea)  3ur  Bej^ränkung  6er  3ucl)tIojigkeit  un6  Reform  6er 
(E^emoral  un6  5a^Irei(^e  6ie  Dere^eli^ung  priDtIegieren6e  Be|tim> 
mungen,  6ie  freiließ  im  tx)efentlid)en  auf  (Eigennu^  un6  (BetDinnfuc^t 
fpekulierten.  f}agefto(5e^)  un6  unverheiratete  Stauen  im  e^emün6igen 
Riter  CDer6en  oon  ^ö^{t  empfin6Hd)en,  oermögensred)tIi(^en  Rac^« 
teilen  betroffen.  Kin6erreid)e  a)er6en  kin6erIofen  (Ehepaaren  im  (Erbred)t 
Dorge3ogen,  ja  kin6er(o{en  gemiffe  Rrten  6er  (Erbfähigkeit  birekt  ent« 
jogen.  £eute  mit  3  Kin6em  a)er6en  oon  aner^an6  öffent(td)en  £a{ten  be* 
freit  un6  in  ii)rer  öffentlid)  red)t(id)en  Stellung,  namentlid)  in  Be3ug  auf 
6ie  Crlangung  6es  Doübürgerred^ts,  beDor5ugt.  -  flnörer jeits  oerbot  er 
6en  Steien  6ie  (B)t  mit  fittlic^  anrüdjigen  S^^auen:  projtituierten,  Boröell» 
roirtinnen  u.  6gl.  un6  -  um  6as  Blut  6es  römif(i)en  R6els  unDermtfd)t  3U 
erholten  -  6en  Senatoren  un6  ti)ren  Rad)kommen  auger6em  aud)  6ie  <Ei)e 
mit  5t^ig^I<2{f^nen.  Cr  {d)ränkte  aI|o  6en  Kreis  6er  3ur  <Ei)e  S^^tg^n  ein. 


M  Die  Cinfü^ning  einer  f)age{tol3en|teuer  i{t  neueröings  fogar  Don 
pf)tIo|opl)tfd)er  Seite,  Don  €.  v.  f7artmann,  als  f7eilmittel  6er  „3ungfernfrage" 
iDteöer  aufgen>finnt.  Seine  Ausfül^rungen  öarüber  3eigen,  öag  aud)  pi}tIo« 
fopl^en  eTfd)redien6  trioial  fein  können,  loenn  |ie  fid)  mit  Problemen  be« 
faffen,  in  öic  fie  fid)  nid)t  genügcnö  oertieft  l^aben. 


174  Die  (E^e  bei  ben  antiben  Kulturoölbem. 

Offenbar  3UT  (Erleichterung  ftanbesgemöger  C^efc^Iiegungen 
oenoanbelte,  toie  {(^on  enoä^nt,  Auguftus  bie  moralifc^e  Derpfltc^tung 
bes  Daters  3ur  Dotierung  feiner  ([ö(^ter  in  eine  gefe^Iic^e  unb  fuc^te 
3ug{ei(^  im  3ntereffe  einer  streiten  f}eirat  bie  Rilcherftattung  ber  dos, 
bur(^  bie  fril^er  ertoä^nte  Bef(^ranltung  ber  Deräugerung  unb  Be* 
laftung  botaler  (Brunbftüdte,  ftörker  als  bisher  3U  fc^ü^en.  Hur  biefen, 
bas  e^elic^e  (Bilterrei^t  betreffenben  Dorf(^riften  cooren  bauembe 
tDirfeungen  bef(^ieben,  alle  übrigen  ITIaferegeln  erlagen  in  t^rem  (Er- 
folg f(^liegli(^  bem  heftigen  IDiberftanb  ber  beteiligten  Klaffen,  gegen 
beren  erbitterte  Oppofttion  Auguftus  feine  Reformgefe^e  burc^gefe^ 
^atte.  Die  (Befe^e  gegen  bie  C^elofigkeit  courben  3.  B.  manchmal 
bnxii  S(^eine^en  umgangen.  Reiche  S^^uen  kauften  fic^  arme  IRönner 
mit  ber  Derpflid)tung,  fte  ni(^t  als  (Battinnen  3U  betrachten  u.  f.  m. 
Der  Kinberreid)tum  na^m  ni^t  3U  unb  bie  frioolen  Sc^eibungen  na^en 
ni^t  ab.  (Bering  blieb  3unä^ft  au^  ber  CrfoIg  beqenigen  Beftim* 
mungen,  bie,  f^anb  in  fjanb  mit  ben  eben  enoä^nten,  bie  öffentliche 
3uc^tIofigkeit  im  3ntereffe  ber  (Er^ö^ung  bes  Rnfe^ens  ber  legitimen 
Samilie  unb  C^e  einbämmen  feilten  unb  beren  ungeheure  fjörte  lebig- 
(ic^  erkennen  lögt,  tote  bebenkli^  einem  keinescoegs  bigott  ober 
moraItftif(^  geftimmten  Realpolitiker,  tx)ie  Auguftus  es  fic^erltc^  tDor, 
bie  (Befa^r  bes  ^eute  fogenannten  „Raffenfelbftmorbs"  erf^ienen  fein 
mug.  Cr  fud)te  ber  tro^  freier  Sd)etbung  über^anbne^menben,  ge- 
tDerbsmögigen  Un3ud)t  unb  bem  (E^ebru^  ber  Rtänner  mit  verhei- 
rateten 5^^uen  burd)  folgenbe  Rtagregeln  3U  fteuem:  Die  Un3uc^t 
mit  einer  freien,  unbef^oltenen  Bürgerin  tDurbe  als  istuprumc  bem 
Strafred)t  unterfteüt.  Der  (E^ebrud)  ber  5tau  unb  i^res  Rtitfc^ulbigen, 
beffen  Beftrafung  bis  ba^in  bem  (Batten  unb  bem  Dater  ber  S^on 
überlaffen  toar,  tDurbe  3um  öffentltd)en  Delikt  gemacht.  Der  (baut 
mugte  öie  bes  (E^ebrud)s  überfüijrte  5tau  oerftogen,  fonft  iDurbe  er 
als  Kuppler  beftraft.  Cine  (E^ebred)erin  feilte  toeber  als  3eugin  auf- 
treten, nod)  eine  neue  (E^e  eingeben,  ne^  ein  £egat  ober  eine  (Erb- 
fd)aft  annehmen  bürfen.  Aud)  l}ier  ftieg  Auguftus  auf  ben  ^eftigften 
IDiberftanb.  Um  btn  (E^ebru^sftrafen  3U  entgegen,  ergriffen  3UCDeiIen 
bes  C^ebrud)s  angeklagte  römifd)e  Rtatronen  formell  bas  (Becoerbe 
ber  Proftitution,  tDoburc^  fte  nur  bie  (Erbfähigkeit  perloren.  Durc^ 
bie  Beftimmung,  ba^  jeber  römifd)e  Bürger  als  Anklager  in  (E^e* 
bruc^sfadjen  auftreten  konnte,  f(^eint  ber  römifc^en  (Befeüfc^aft  in  (Be- 
ftalt  gea)erbsmagiger  C^efpione  im  cDefentIi(^en  nur  ein  neues  Uebel 


I 

y 

I 


V.  Die  (EE}e  in  Hom  unt)  im  römif^en  tDeltreid).  I7S 

Pju  bm  DOi^anbenen  fiipadifcn  311  |cin.  tt>ot]lgeineiltt  übiigens  iiianbten 
fid)  t>\t  $e|ef|e  bes  fluguitus  nur  gegen  6ie  (E[)efiau  unb  il)cen  mit' 
f^ulblgen,  bie  Unhcue  bes  IKannes  gegen  bie  (Satlin  blieb  -  fofem 
fttnid^t  unter  bem  Begrilf  bcs  tnafbaren  -tuiinini-,  insbejonbere  aljo: 
t>ertfit)Tung  einer  unbetdjoltenen  freien  Bürgerin,  fiel  -  fttaflos. 

Ruguitus  tjal  aber  &b«Tbies  bei  |ciiien  Deriu(t)en,  bte  Süqellofig' 
kttt  einjubämmcn,  bem  BcbQrfnis  nacE)  geid)Ied)IIi(^(r  Ungebunbenl)eit 
(ogor  birelit  enfgegenhommen  muffen.  (Offenbar  oIs  (Erfaft  für  bie 
Don  ll)m  perbotenen  llt)<fd)lie^ungen  finbet  fid)  feit  fluguftus  bie 
ttgutrnbe  tiugere^elid)c  Derblubung,  mal)rfd)einli(t)  juerft  jmifdien 

kperfonen,  bcncn  natf)  feiner  lüefe^gebung  eine  DolIef]e  nid)t  geflatttt 
>i-onciibina[us.  unlct  biejem  Ilamen  audj  offtsieD  on- 
eritonnt.  Seifv  ba\b  |d[on  pflegte  ber  Konkubinat,  über  feinen  ur« 
fprfinglld)en  Sntedt  als  <tx\a^  oerbotener  Derbinbungen  t)inaus,  aud) 
mit  freien,  anftänbigen,  jur  DoDgÜlttgen  <H)t  quallfijlerten  ^''ok*'* 
eingegangen  3U  rocrben.  4s  genügte,  ba^  ber  ttlann  tor  Scugen 
(einen  tDÜIcn,  bie  $rau  jur  Konkubine  3U  net^men,  erklärte.  Don  ba 
an  iDurbe  er  bann  )el)r  fiflufig  flatt  einer  üoUef)e  als  bauembe  unb 
aiisfd)Iiegli(!l)e  (Bei(t)[ecf)lsgemdn|d)aft  )iiiit<f]en  einem  {o3iaI  tfötter 
|tet)enben  Iltann  unb  einer  freigelaffenen  ober  einer  freien  5r<iu  aus 
6«n  unteren  Sctfidften  eingegangen.  (Jr  mar  alfo  -  was  bei  feiner 
Beurteilung  nid]!  ju  nergeffen  ift  —  tocfentlid)  in  ber  poIitifd]en  unb 
flänbifd)en  Unglei<t]t;ctl  ber  Dolhsgcnoffen:  ber  llnteifd)ei' 
bung  Don  fenataTifd)em  Abel,  freien  Bürgern,  IIid[tbQrgern  Derfd)tebener 
Red)t5fteIIung  unb  5i^eigelaffenen,  bie  ben  Kreis  ber  3ur  ooHen  lEl)e 
Sftljigen  einengte,  Deianhert.  Die  Konliubine  galt,  eben  roegen 
blcfrr  |länbifd]<n  Sd)Tanfien,  jidot  nid)t  als  bie  ebenbürtige  unb 
gefeOfdjaftsfäliigc  (Bcfätiittn  bes  Ulanncs  unb  getoann  tieinerlei 
lted)Ie  an  i^n.  mar  aber  aud)  nidjt  „betilaffiert*  ober  mit  einem 
mokel  betfoflet.  Dos  (fiefe^  ertiannle  bie  moralifdfe  (Reitung  il|rer 
Derbinbung  Injofcrn  an,  als  ber  Begriff  bes  .^lujiniTtf  auf  fie  nid)t 
angetoenbet  mürbe,  es  oerliei}  itir  aber  im  übrigen  heine  pofitnien 
Red)lsiDiriiungen,  mas  3.  B.  u.  a.  bie  5<*[d^  f)t)lte,  ba^  bie  unter 
tbatitn  oerbolenen  Sdienhungen  ben  Konkubinanten  erlaubt  »aren, 
■nb  ba^  im  (Segenfa^  3U  ben  proftiliiierlen  ober  ber  in  gan3  fIQd;tigen 

I  Derbinbungen  lebenben  ^i^iocn,  bie  Konkubine  eine  (Erbju&ienbung 

Itcs  ntanncs  anne[)men  burfle. 

3m  fibrlgen  fi^uf  ber  Konkubinat  ftelne  Soniilie  Im  He^tsfinn. 


176  Die  C^e  bei  ben  antiken  KuItutDöthem. 

Die  in  i^m  erseugten  Kinöer  „geljörten"  öes^alb  -  im  (Begenfa^  3.  B. 
3U  ben  ber  ägpptif^en  ,,Probee^e"  entftamntenben  -  nic^t  t^rem 
Dater,  |onbem  regneten  nur  3ur  5awiiK^  i^^^t  ITtutter,  trugen  t^ren 
Hamen,  folgten  i^rem  Staube,  Ratten  ein  (Erbrecht  nur  gegen  fie  unb 

-  tx)ie  bis  auf  ntarc  flurel  alle,  {eien  es  legitime,  feien  es  illegitime 
Kinber,  -  au^  bies  nur  nac^  prätorif^em  Re^t,  an  britter  Stelle,  als 
„Kognaten",  alfo  hinter  ben  ge|e^Ii(^en  (Erben  i^rer  Itlutter,  b.  ^. 
i^rem  nad)ften  Agnaten.  Ilac^bem  bie  Alimentationspflicht  ber  IHutter 
unb  i^res  Daters  gegenüber  i^ren  Kinbem  ilber^aupt  als  Re<l^tsfa^ 
galt  (feit  Antoninus  pius),  kam  biefe  aud)  b^n  Konhubinenhinber,  toie 
allen  une^eli^en,  3ugute.  3^r  (Er3euger  ^at  bagegen  nur  ben  An- 
fpruc^  auf  »rcvcrentia«,  fonft  aber  toeber  Rechte  no^  Pflichten  i^nen 
gegenüber.    Sie  leben  alfo,  kur3  gefagt,  na(^  Rlutterrecl^t,  aber 

-  oorbe^altlic^  bes  in  ber  fpöteren  Kaifer3eit  jeber  ÜTutter  3uerkannten 
Re^ts,  btn  Daterlofen  Kinbem  einen  Dormunb  teftamentarif<l^  3U  be* 
ftellen  -  ni(^t  unter  ÜTuttergetDalt.  Sie  finb  gecoaltfrei  unb  rec^tlic^ 
felbftönbig:  >sui  juris«.  5Q^tifd)  pflegte  naturgemäß  ber  Dater  burc^ 
([eftament  für  fie  unb  bie  Konkubine  3U  forgen. 

3e  me^r  ftc^  nun  im  £aufe  ber  3eit  ber  mit  ben  C^gefe^en  bes 
Auguftus  eng  3ufammen^angenbe,  urfprüngli^e  Sroedtgebanke  bes  Kon* 
hubinats  DenDifd)te,  befto  mei}r  bürgerte  er  p(^  in  ^Q^^  Kreifen  als 
C^eerfa^  ein  unb  nal}m  bes^alb  immer  me^r  ben  (E^arakter  einer 
bauemben  Derbinbung  für  Säue,  u)o  bie  DoIIe^e  ni^t  möglich  ober  nic^t 
enx)ünfd)t  toar,  an.  So  tDurbe  er  ni^t  nur  oon  Solbaten,  benen  bis 
in  bie  fpötere  Kaiferseit  bie  DoIIe^e  oerboten  tDar,  als  beren  Surrogat 
angeroenbet,  fonbem  es  courbe  aud)  Sitte,  baß  bie  in  bie  untertDorfenen 
Prooin3en  gefd)i(6ten  l}o^en  Beamten,  btntn  aus  (Brünben  ber  Staats- 
raifon  eine  (E^e  mit  Prooin3ialen  oerboten  tcar,  ftatt  beffen  mit  einer 
foId)en  5^QU  im  Konitubinat  lebten.  (Ebenfo  kam  es  oor,  ba^  ber 
Kaifer  biefen  Beamten  bei  Antritt  i^res  Amts  „nebft  anbren  notroen- 
bigen  Dingen"  aud)  eine  Konkubine  mitgab.  Die  brei  Kaifer:  Defpafian, 
Antoninus  pius  unb  IRarcus  füljrten  i^rerfeits  felbft,  entfpredjenb  ber 
mobernen  Tnonard)ene^e  „3ur  linken  f^anb",  nad)  bem  (Eobe  i^rer 
©attinnen  ftatt  einer  3U)eiten  (Ehefrau  eine  Konkubine  ins  I)aus,  - 
offenbar  teils  aus  Rü*rid)t  auf  bie  Kinber  erfter  (Ef)e,  teik  aus  Ab- 
neigung  gegen  bie  RepräfentationspfIid)ten  einer  Kaiferin  gegenüber. 

Der  ftets  monogame,  öff entlidj  erklärte  Konkubinat  galt  alfo 
als   burc^aus   unanftöftig.    Das  Aushalten  einer   »paelcx«,  roie  fie 


F.  Die  1EI)C  in  Rom  unö  hn  lömjft^en  IDdtreii^. 


177 


I  UTitfi[(i]ieb  Don  btx  Koatiutiine  genannt  voirb  -  tjtutt  mürben 
■  »it  ntoittene  jogen  -  oon  [eiten  eines  oertiettateten  ntannes 
galt  ftagegen  an  |1<1)  als  fittlict)  anflö^ig;  ba  es  aber  nid)!  wie  [)eute 
unter  btn  Begriff  ftes  ,(El}ebru<iis"  fiel,  lo  blieb  öem  Utonn  oljo  na^ 
mie  vor,  aud}  der  Sitte  nod},  ooUftes  Ausleben  (einei  Iriebe  geftattet. 
So  (anli  benn  trotj  6er  (6e|e^e  öes  fltigujtus  ble  Öffentlidje  ITtoral 
immer  metter,  bis  jie  unter  ben  claub{|(t]en  Kiiifern  itjren  Siefftanb 
rrreidfte.  lactlus  f(t}Tcibt  nod)  60  3af)r  (vätcr,  öafe  Derfiiljrcn  unö 
Derfütirtioetben  in  Rom  als  .mo^em"  be3eid(net  tperbc,  unb  Seneca 
Ifatte  gehlagt,  ba^  Keu{d]I)eil  nur  nod}  ein  Bemets  ber  [)äglidfliett  |ei. 
TTod)  jur  Seit  bes  Seplimius  Seoerus  fänb  ein  Konini  bei  jeinem 
Regierungsantritt  angeblidj  3000  Klagen  auf  (Elfebrudf  nor.  flUer- 
bings  geben  alle  biefe  nad)iid)ten  ftein  fii^cres  Bilb  oom  3uflanbe 
ber  bamaligen  lE^emoral,  ba  fie  fid)  inefentlid)  auf  bie  ^auptltäbti|d)en 
Q)bcri(f)ldften  besiegen,  bagegen  bas  £eben  ber  unteren  im  Dunkel 
laffen.  Unb  audj  für  bie  anftobratift^en  Kreije  beseugen  man<^e 
Atabfd)riften  bie  Bea7al)rung  langjätiriger  etjelidier  Sreue  unb  £tebe. 
Se  ^ifil  es  j.  B.  in  einer  berUt)mten  <Sebenh|d}rift,  bie  liurj  Dor  Be- 
ginn unfrer  deitred)nnng  vin  KonfuI  jum  £obc  |ciner  (battin  Quria 
Derfu^te,  bog  i[;re  iEt)e  unjerriffen  buT^  Sd)eibung  41  3al}r'  long 
gebauert  fjabe,  ba^  (Euria  ein  lIEulter  aller  t)äu$lid)en  unb  roeiblictitli 
Sugenbfn  mar,  bag  )ii:  ii)m  fogar  it]r  Dorbei)altsgul  unb  alles,  was 
fie  errootben,  überlaffen  t(abe  (!)  u.  f.  ro.  Unfer  Ijcutiges  (ßefflt)!  be- 
Till)rl  CS  aber  |eltjam,  bafj  Surias  (Ebelmut  logar  fo  meil  ging,  bem 
iftotlen  nadj  bem  Höbe  ber  einjigen  (Iod)ter  blc  Sd^eibung  ror5u|d)lQgen, 
bamil  et  Don  einer  jüngeron  5rau  aufs  neue  Kinber  gewinnen  hönne. 
—  Dafe  es  oollenös  in  ben  anleren  Polhsldjidjten  nod)  gefunbe  itjtn 
gab,  crfat)ren  wir  anbeutungsweife  aus  jat)Irei^en  (Brabldfriften: 
„nie  l}abe  id)  einen  Sd}mer5  von  il)r  eifaliren,  als  burd)  il^ren  Hob" 
ober:  „nie  tjobt  id)  eine  Kränkung  oon  it)r  erfahren"  |inb  bie  für 
Snnien  feljr  Ijäufig  gcträlfltcn  Sor""!"-  flu<*f  itjre  Ijäuslid^e  (Tugenb 
unb  (tiid}ligiieit,  namentlid)  il)r  ,, Steife  bei  öct  IDolIarbeit",  mirb  oft 
gerühmt  f)ier  flanb  offenbar  bie  überhommene  ttleinbiirgerlid)e  $a' 
milie  uneT|d)&ltert. 

üllein  für  bie  K>ürbigung  ber  nntihen  Kultur  ift  ju  berüdifld^tigen, 
bafi  unterl)alb  biefet  hlcinbürgerüdf  freien  Benölherung,  unfrem  Pro- 
letariat ent|pred)enb,  aber  oon  if)m  in  feiner  £ebenslagt  |et)T  Der- 
Idgieben,   bie  breite  Illalie  bet  S  h  I  a  n  c  n  ftanb,  bie  ret^tlii^  [eben 

~  Uli  BIl^  Itlyiirr  J2 


178  Die  (E^e  bei  ben  antiken  Uulturoölftem. 

5cimi(ien(ebens  entbehrte.  Die  gef^Iec^tlic^en  Besie^ungen  öiefer 
S^i^t  toaren  oöllig  bem  Belieben  ber  Sblaoenbefi^er  an^eimgeftellt 
unb  ba^er  entfc^ieben  feine  ökonomifc^en  3ntere{fen  barüber.  in  tod* 
(^em  Umfang  er  etioas  bem  ,,5antilienleben"  Cntfprei^enbes  unter  i^nen 
3u(affen  CDoIIte.  Au(^  bas  fe|te  monogame  (Befc^Iecl^tsper^ältnis  ber 
Sfelaoen,  bas  »contubernium«,  ^atte  feeinerlei  Re^tsfolgen,  auger  bo^ 
bie  Kinber  baraus  im  $allt  ber  S^^ü^ffung  ak  (Befc^tDifter  einanber 
ni(^t  e^eli(^en  burf ten.  So  lange  fie  Sklaoen  toaren,  konnte  ber 
fjerr  bas  contubernium  jeberseit  aufgeben  unb  CItem  unb  Kinber 
auseinanberreigen.  Draußen  auf  bem  £anbe  auf  ben  großen  plan* 
tagenartig  bea)irtfd)af teten  (Bütern  lebten  aber  offenbar  meift  nur  bie 
Sltlaoenauffel^er,  bie  eine  Sonber5eI(e  unb  ein  peculium  befagen,  - 
toie  töir  früher  ja^en,  ein  (Qua|i»Dermögen,  bejfen  fffiftenj  im  Utdfis» 
oerlte^r  3U  (Bunften  ber  (Blöubiger  anerkannt  tDurbe  —  im  contu- 
bernium. Die  Sblaoenmaffen  kamen  fe^r  oielfacl^  über^upt 
nid)t  5u  einem  au(^  nur  falttif(^  monogamen  Der^öltnis,  ba  fie  in 
kafernenartigen  Sd)(affälen  untergebracht  toaren,  gemeinfom  a^en  unb 
keinerlei  Sonbergut  befagen.  Die  Art  ber  Befriebigung  i^res  dt» 
fd)(e^tstriebs  coar  i^rem  Belieben,  ober  rid)tiger,  ber  IDillbür  ber 
Auffe^er  überlaffen.  (Es  l}errfd)te  „Promiskuität".  —  Alfo  Derfall 
ber  5Q^iIi^  „oben",  sufolge  allgemeiner  Sittenlofigkeit,  i^r  na^ju 
Dölliges  5^^I^n  „unten".  IDefentlid)  nur  ber  infolge  bes  Anfc^meUens 
ber  Sklaoenarbett  ftark  eingeengte  Ütittelftanb,  oon  bem  jene  frü^r 
ern)äi}nten  3nfd)riften  fprad)en,  toar  ber  ([rager  relatio  beftänbiger 
monogamer  ©efdjledjtsbesieljungen.  - 

(Eine  teilmeife  IDiebergeburt  ber  Se^uaMRoral  rourbe  nun  in  btn 
®berfd)id)ten  ber  6efenfd)aft,  um  mit  il^nen  5U  beginnen,  bur<l^  An« 
fc^auungen  gefc^affen,  bie  aud)  ben  nt  a  n  n  unter  bas  3o(^  ber  Sdbß* 
beljerrfc^ung  3U  3a)ingen  fudjten.  3m  3U)eiten  3a^^^uwbert  unfrer 
3eitred)nung  fe^te  3uerft  eine  berartige  Reformberoegung  oon  immer« 
fyn  betrad)tlid)er  (Eiefe  ein,  unb  yaoax  im  moralp^ilofop^ifd^ 
(BetDonbe  ber  Stoa.  Die  fittengefd^iditlic^e  Bebeutung  bes  Cinfluffes 
ber  Stoiker  tnufonius,  Seneca  unb  (Epiktet  beftanb  barin,  bag  i^re 
Don  ber  (Empfinbung  bes  „(ErIöfungs"'Bebürfniffes  getragene  (Et^tk 
bie  gefd)led)tlid)e  Sinnlichkeit  in  bie  Sphäre  ber  nieberften  menfc^Iid^ 
([riebe  oertDies.  Demgemäß  muteten  fie,  ak  bie  e  r  ft  e  n  Denker  bes 
I)eibentums,  bie  bisl^er  nur  ber  S^^u  aufge3n)ungenen  Hormen  bes 


r 


K.  Dl*  (EI)e  In  Korn  unö  im  römifi^en  TOeltteli^.  179 

monogamen  (&(|d|ltd)lsltbens  in  DoUer  Stren<|t  auif  btm  IHann  3U, 
unb  le[)nttn  öie  Beugung  bn  \iitM)tn  Zbee  3U  «Bunften  {einer  beton* 
ö«en  „nalurDeianlagimg"  ab.  ITtuIontus  oenoirtt  mit  öemlelben 
Higorismus  mir  t>as  ([Iirittcriluni  allen  augerfialti  bti  (Etje  unt)  oDen  nid)! 
3um  5meäi  bcr  Kinöererseugung  gepflogenen  ()iei(t)led}t$Derhet)r,  ja  tr 
gc^t  jogac  {0  meit,  jcbes  ..natuired]!"  ^es  inen|d]cn  auf  (bv)d)lti)tS' 
genufi  ab}ule[)nen.  Unb  in  6emfelben  Sinne  erKlärt  Seneca  ,,nid)ts 
ijt  nii&crltd)er  als  Me  (haU'm  ju  iieben  toit  eine  Butjletin".  T>as 
d;nfllid)-puTllantid)e,  ashetifdje  3beal  i|t  tfier  nlfo  [(f)on  DoUjtänbig 
hcnjipicrt.  Aud]  lEpiklet  gilt  bic  n)JIlens|tarlte  Uebeiroinbung 
oOcs  rein  fmnUd)en  Beget)i<ns  als  3iel  ber  fitlli(t)en  unb  inleOelttU' 
cDrn  Cntmidilung  unb  bie  llt)e  als  einjig  beied]tigte  firt  feiner  Be- 
friebigung-  Hud;  er  forbetl  tiom  niann  abfolule  Qitue  in  ber  (Et)e 
unb  Ueberroinbung  [ogor  ber  gcbanlilidten  Cüflemijcit.  Smmerliin 
maiit  er  ber  6ebunbent)eil  bes  inen|ct)cn  an  ben  Halurtrleb  grögrtc 
Konseitionen  als  iein  £ct)reT  niufonius,  inbem  er  feine  BefrieMgung 
aud)  oor  ber  tEfje  unter  llmftänben  für  suläffig  erhlärt.  -  Dafi  biefe 
fc;ual*etttifd)en  flnfd]auungen  bei  btn  fiil;renben  Sd)id]len  nid)t  o^ne 
praMif(f)en  (Einflufj  blieben,  jeigen  Kaifet  roie  lllarh  flurel,  ber  in  fdnen 
.Selbftbetrflrfitungen"  ben  *öltcm  auct(  bafür  banlit,  öafe  iljm  bie  Be. 
tDat;tung  feiner  ,,3ugenbutifd)ulb"  unb  bie  Ueberminbuiig  unreiner 
Ctibenid)aflen  gelungen  |ei.  -  Rw  ber  Reint)eil  unb  Slrengc  ber 
ttoifdien  ffiefdiledjtset^ih  era)äd)ft  3um  criten  ITTal  oudj  eine  oertlefte, 
»ir  mit  Ipäter  fetjen  merben,  aud)  in  ber  (J)e|etigebung  biefei  Koifcr 
3uni  Ausbruch  gelangenbe,  fluffatfung  über  ben  IDerl  bes  etrrlidirn 
<£emetn{d)aftslebens.  llIu(onius  bcjcirfinet  bie  Uljc  als  bie  noltoenbigfle 
unb  innigfte  men|cf)lid)e  (l>emein|d)aft,  ber  gegenüber  felbft  bie  (Ellern' 
liebe  jurfltblieten  niQffe,  Antipuler  als  bie  „Dönigfte  Dur<t)bnngung". 
VU  Abneigung  il)reT  Seit  gegen  bie  dticfttilie^ung  etfdjeint  il]ncn  als 
StjRtpton  bes  SittenperfaUs  unb  ber  brutalen  <&enu6tuci]t.  Unb  mit 
bet  Deitiefung  ber  (Sefdilet^tS'  unb  <£t)e''<i>'^ol  9tid  bei  ben  Stoikern 
eine  Heumertung  ber  $iau  als  foldfer  ^anb  in  t>anb.  Sie  prohlamlcten 
sie  piaton  il)r  gleid)es  Ante<t)t  auf  tiöd^fle  Bilbung,  bcgrünben  iebot^ 
Mc|<  5^^berung  seit  liefer  als  jener,  nämlid)  nidjt  nur  butd)  ben 
Aebonfien  i\}xn  im  ptinsip  gleidfen  Befäl;igung  für  bie  btm  Utannc 
iwrbei)allenen  ditigfteits  formen,  fonbein  mit  bem  [)intDeis  auf  bie 
AI(td)l)eit  it)ret  1 1 1 1 1  i  dr  c  n  Beftimntung  unb  it)reT  gleidien  Befäl)i- 
)  3UI  titllic^en  Donttommen^it. 


180 


Die  lEI]e  bei  ben  antiken  KuIturpSUtem. 


iotoeit  fic  R^'^H 

mir  mn-SfIt     ^^ 


Die  £eljren  bcr  Stoa  roirkten  öireM  greifbar  nur,  (ottKÜ  f 
in  ben  Konjtitutionen  öer  ftoi|d)en  Kaijet  nieberldilugen,  IDir  iDcrben 
fpäter  bei  Der  (Erörterung  ber  (Enbergebniiic  öer  antiften  Kec^tseirt' 
miiiilung  (eijen,  bo^  bis  ju  öer  großartigen  jtiJlemaHidjen  Heuorbnung 
bes  (Eljegüter.  unb  (Erbtcdfls  burd)  Juftinion  fajt  alle  auf  „innere" 
(Eljereform,  ö.  Ij.  auf  Beieitigung  bes  bie  lEijefrau  unb  IITuMeT  als 
„Srembling  im  eignen  Ijau|e"  beljaubelnben,  notional-römifi^en  tEtje- 
redfts  unö  auf  (Einidjräntiung  ber  IDiliKür  bes  paier  lamilius  9eni^ 
teten,  Reformbeftrebungen  lebiglid)  5oT'f^äU'i9^'i  ^^'  ^k 
ben  (toi[dfen  Kaijern  fcfion  begonneneu  Arbeit  waren.  Die  *Ein|djrän« 
fiung  ber  abfoluten  IDillkür  bes  tjausoaters,  bie  (jeTltcHung  non  Ali' 
mentations-  unb  birehten  (Erbanlprüdjcn  jntifdien  lUutter  -  eljelit^ 
toie  uneljelidjer  —  unb  Kino  [inb  (Eingriffe  in  bie  überlieferte 
Samilicnform,  wcldfc  fict}erHif)  bem  Sinfluf)  ber  Stoa  ocrbantit  merben. 
Dagegen  be{d)räuitte  fid;  bie  tDirhung  bei  Stoa  auf  bie  feiuelle  IRoroI 
unb  bie  Dcrftttlid)ung  bet  ct|eUii)en  Bejiefjungen  natürlid)  nur  auf  bit 
intellektuell  ge|d)ulten  oberen  Sd)id}len  ber  römi|d)en  (BejeUfc^aft.  ■ 

mit  bem  Su(aninienbrud)  bes  ejklufio  römifdien  (I[(OTalitets  bttM 
füljrenöen  Klaffen  öer  antiken  (bciellidfaft,  feit  Seoerus  unb  öen  orien* 
tali|d)en  Kaifern,  brang  im  brüten  3''[trt)unöert  oon  unten  btrauf 
aud)  bas  d  1}  r  i  f  t  c  n  t  u  m,  3unäd){t  in  bas  Kleinbürgertum,  feit  bem 
oierten  3al)rl)unbert  aber  aud)  in  öie  mafegebenöcn  Sdiid)ten  öer 
Reid]sregierung  ein. 

flUeröings  ift  ber  (Einfluß  bes  Urdiriftenlums  auf  bas  Derl(öUnis 
öer  <&e[d)Ied!ter  kein  eint)eitli^er  unb  einöciitiger  geivefen  unb  nidjt  auf 
eine  feurjc  Sormel  ju  bringen.  IDir  begegnen  benn  audj  öen  nerfdiicftcn' 
flen  flnfd)auungen  über  [eine  pTaitli[d}en  IDitkungen  unb  man  kann  mit 
gleichem  Ked)t  bcl)aupten,  etnerfeits,  ba^  es  wie  keine  anbre  <AeifIeS' 
ftrömung  bns  Dcrl)ältnis  öec  <Befdj[ed|tcr  oerebelt  unb  baburdf  ber 
Srau  eine  neue  IDürÖe  oerlieljen,  nnörerfcits,  öafe  es  fcutd|  eint 
Renaiffauce  öes  patriard;alismus  if^re  faktifd^e  unö  Tcd)tlid)C  UntmJ 
oibnung  bis  in  unfre  3eit  fanktioniert  ijabe.  I 

Um  öas  Refultat  ber  folgenben,  ettoos  einget)enberen  Bettodftungl 
öer  d)n|tlid}en  (Se|d)Icd)tS'  unb  lI[)emoiaI  gleid)  Dortoeg  ]U  nel^men: 
TOas  öie  Stau  bem  llffriftentum  por  allem  ueröankt,  ift  bie  Dereöelung 
öer  männlichen  l£e|d)led;lsmora1  bei  ben  HTaffen  in  berfelben 
Rld)lung,  wie  fie  öie  Stoa  bei  ber  Ariflokratie  bes  (Seiftes  erftrebt 
unb  teilweijt  erreid)t  tfalte:  Die  Beugung  bes  Illannes  unter  6te  Hop 


.^x_ 


^ 


K.  Die  (Et)e  In  Rom  unb  im  [ömifdttn  IDdtrtK^.  191 

nwn,  ticrtn  Jod)  bislj«  nur  tiie  Sro"«"  getragen  t)aK<n.  Konhret 
formuliert:  bit  rigorole  Soröerung  an  ben  mann  aüä)  feinetleits 
f  a  h  t  i  ( <tr  monogam  ju  leben,  <&e|d)Iect)tsbejiet)ungeti  mit  nur  einer 
Stau  3Ut  gleldien  Seit  elnsugetferi  uiib  jmar  nur  tu  ber  Jorm  btt 
bouemben  St]c,  roeil  birfr  aHein  bie  <])arantie  bii'tel,  bdf)  ber  ITIonn 
fiil  allen  ous  bem  (Be|(!)Ied(lsoechci(r  trtt)ad]|enbcn  pflidjten  unterjielfcn 
mtll,  Stent  man  fld)  oor,  iselt^e  Demütigungen  unb  £eiben  3.  B.  btn 
.elirbarcn'  grie<})i|d](n  Stauen  in  ber  Seit  bei  l}od)bIilte  lltl)fns  botaus 
emiac^len  mußten,  bag  it;re  (hatten  bie  Sreitteit  3um  ganj  unge3Ügelten 
Ruslebrn  itirer  ge|d)Ie(^tli(f)en  Siunlldjlteit  beanlptud^ten,  |o  mug  flt^ 
die  (Einfittrt  aufbrängcn,  ba^  bie  Dom  Ht^rittenlum  unternommene  Cr» 
jie^ung  bes  nionnes  3ur  De^erridiung  bes  Hiieblcbens  bie  |  i  1 1 1  i  (^  c 
£öge  ber  S^au  in  |et)r  entldjeibenben  punhten  iunerlid)  unb  äugetltdt 
Qcnialtig  lieben  mugte.  (lnbtei|eils  lic^  nun  aber  bie  neue  £ct)re  bos 
Prinsip  bes  patriardialismus:  faiiti{ct)e  unb  ied})1i(^c  llnterorbnung 
ber  Siaa  1^^  (Battin  unb  lIluHer,  loie  fit  ts  im  (Drient  Dorfanb, 
unangetaftet,  ja  fle  oerflärlite  in  mandier  (}lnfid)t  (eine  (^runblagcn 
unb  o)iriite  bestjalb  im  Bereid]  ber  (Gebiete  Teifftli(t]CT  5^(iucnfreil)eit 
bitefet  als  .reolttionäre'  Gewalt.  t£s  i{t  ja  aud)  jeitgef(i]id]tii(^  doO> 
kommen  Der|ldnbllct),  ba^  bec  il)rittlictten  Uix&ie,  bis  btn  lltann  ber 
ttpieDen  Sw'lieit  beraubte,  angcfidits  ber  Sittcnlolighcit  ber  antiben 
IDelt  anif  bie  Belcfiränliung  unb  llnterorbnung  ber  lEi^efrau  als  fit>- 
lid)  notroenblg  ert(t)einen  mujite.  Duft  ober  bann  jene  bur^  bl«  3u. 
flänbc  ber  bamaligen  3eit  bebingten  An|d)auuncien  ßber  bie  Kon|truii* 
Hon  b«  iEf)e  unb  bie  SttDung  ber  5^au  als  (Sott  geroolll  galten, 
jum  Dogmo  erttarrten  unb  als  ioId}es  für  bie  gan3e  (l}r1|tlid)e  Kultur 
bis  In  unfre  ^til  maßgebend  rourben,  t)at  fd)lieglid}  bie  nunmel)r,  tm 
3ntrtcffc  einer  weiteren  Derfeinerung  ber  peridnlidifieltshullur,  oon 
uns  Iffutt  geforberte  lEntioidilung  öes  >irauenre(^ls  unb  ber  Stauen- 
perfönlic^lieil  b<nausge3Ögeit.  -  Sud)en  mir  uns  3unäd}(t  etiiias  ndl^er 
Uar  3U  matten,  unter  meictien  <Ktji<^lspunhten  bie  itiri|lli<f)e  Kirit)C 
an  jene  Probleme  tjerontrat. 

I        DoT  d^riitus  {elbft  galt  iiein  i1n|el|en  bes  (5(id|Ie(f)ts.    (Er  ^tte 

rjnuicn  unb  männer  in  gleid)et  lX)ei\t  3ur  (Sotteshinb|c^oft  berufen 

Biib   in  feinem  (^el|t<  |d)rieb  Paulus  an  bie  (Balater;  ,^iei  tft  kein 

3ub<  nott)  (firitd)(.  ^ter  l|t  kein  Kucdft  nod)  ^Tcier,  t^ier  i  |t  kein 

IRannnocI)  IDclb,  it)r  ftib  aUsuntal  (Eins  in  (II)ri|to" ...  Hbenn 


182  Die  C^e  bei  ben  antiben  Kulturoöthem. 

i^r  feib  (Boitesittnber".  Ueberbies  bebeutete  bas  neue  <l^riftlt<l^e  per« 
fdnlid)keitsibeal,  tx)ie  es  unstoeibeutig  in  Aus{prü(^en  3efu  felbft  ge- 
geben mar,  eine  betDugte  Umprögung  bes,  fpe3ifi{(^  monnltcl^e  3üge 
tragenben,  antiken  3beals,  inbem  es  eine  SMt  berientgen  (Eigen* 
{(^aften  oer^errU^te,  bie  {pe5ien  an  ber  5^QU  entu)i(6elt  maren  unb 
oon  je^er  Don  i^r  geforbert  tDurben.  Den  p^ilofop^ifc^en  Sü^tern 
ber  antiken  (Beifteskultur,  au(^  ber  Stoa,  galt  IDiffen,  bie  Be^err« 
fc^ung  unb  Ueberminbung  bes  materiellen  Seins  unb  bes  ([rteblebens 
burd)  Crbenntnis  bes  SeinjoIIenben,  als  bas  ^öc^fte  (but,  Dtägi* 
gung,  ([apferkeit,  (Bere^tigkeit  als  bie  ^ö(^{ten  ([ugenben.  Als  IRerk« 
male  ber  IDiebergeburt  burc^  ben  (Blauben  an  (E^riitus  galten  feinen 
kongenialften  Derkfinbigem  ni(^t  ber  Befi^  intellektueller  unb  p^i^fif^r 
(Baben,  fonbern:  ein  reines  f}er5,  bienenbe  £iebe,  Selbftoerleugnung, 
ntitleib,  (Bebulb  unb  Sd)am^aftigkeit,  Cigenfc^aften,  burc^  bie  bas 
(B  e  f  il  ^  (  unb  nic^t  ber  3ntenekt  bas  IDoIIen  ber  ÜXenfc^en  be^errfc^t. 
Selig  finb,  bie  ba  ,,reines  fjersens",  r»9^i|tig  arm"  finb,  bie  ,,^ungert 
unb  bilrftet  nac^  (Berec^tigkeit",  bie  ..Sanftmütigen",  bie  mit  ben 
(trauemben  tceinen  u.  f.  m.  — 

Aber  biefe  Umprögung  bes  perfönli(^keitsibeals  burc^  bie  (Er« 
Hebung  sa^Ireii^er,  bisher  fpesieü  oon  ber  5^au  geforberter,  €igen« 
{d)aften  3U  allgemein  gültigen  normen,  bie  Anerkennung  ber  religiöfen 
Ebenbürtigkeit  ber  S^^^  ^^^  ^^^  „^errlidjen  S^^^i^^Jt  ber  Kinber 
(Bottes"  fönte  bie  iljr  im  ©rient  sugetciefcne  Stellung  in  ber  S^milie 
unb  6emetnbe  3unad)ft  ebenfotoenig  änbern,  mit  ttwa  bie  AusbUbung 
ber  d)riftU(^en  Brüber(td)kettsibeale  bie  5^{f^In  ^^^  Sklaoen  (Öfen 
tDonte.  Der  (Eröger  ber  (^ri{tK(i)en  Propaganba,  ber  gegen  bas 
„6efe^"  eifernbe  unb  für  btn  Bru^  mit  ber  (Erabition  kömpfenbe 
Paulus,  ftanö  in  Besug  auf  bie  S^^u  tbtn  gans  auf  bem  Beben 
jübijcl)»orientanfcl)er  Ueberlieferung,  utib  oieneidjt  fc^ien  iljm  bie  Unter» 
orönung  ber  5tau  5ur  (Erhaltung  ber  5ami(ie  um  fo  nottoenbiger,  als 
bas  (Einöringen  ber  neuen  £e^re  eine  feelijc^e  (Entfremöung  ber  be» 
keljrten  unö  nidjt  bekeljrten  Samilienglieber  unb  erfdjüttembe  Kon« 
fliktc  namcntlid)  3U)ij(l)en  öcn  hatten  oft  unoermeiblic^  machte.  Seinen 
Dielberufenen  Befei}!  an  öie  Korint^er  „(Eure  IDeiber  lagt  fc^meigen 
unter  ber  ©emeinöe"^),  erlöst  er  ni^t  foroo^I  in  erfter  £inie  ber 
öffentlidjcn  ©rbnung  in  öer  Kirdje  3uliebe,  als  oielme^r  offenbar  im 
3ntereffe  bes  altgetoo^nten  patriard)alen  f}ausregiments;  bas  ergibt 

»)  1.  Korint^er   14,  D.  34. 


K.  Die  CV  in  Roin  »nb  hn  t6nilfd)en  tDdtTtl^. 


1S5 


I 


fld)  aus  btn  Mefc  5ii^tr>i"9  btyTÜn6«n&en  nad^fag:  .Denn  es  |oD 
i^ncn  ni^l  jugtlaHen  fein,  ba^  fit  xtbtn,  \cnbexn  untcLtan 
l*in,  mit  Qud)  öqs  ffieie^  logl"  -  [eiies  „(felt^",  bas  öottf,  iiad| 
btz  (firunblel]re  eben  öiefes  Apoitcls,  ([t)H|tiis  Don  uns  gtiiommen 
fyibtn  loHle!  —  flud)  ber  im  (Iimotl)euS' Briefe  als  leine  flniidjt  über- 
milldtf  flusiprudj:  „(Einem  IDeibe  aber  geltatte  idj  nidit,  bafi  lie  le^re, 
duc^  nidft,  öufe  |ic  des  lllnnnes  f)ctr  |ei,  lon&ein  jtiDe  Iti" '),  jeigt  in 
6«r  iSeöanhenperbinöunq  oon  „tcljren"  unö  „fjerr  (ein"  Iel)r  draroli* 
lctifli|d),  6q6  &as  Ijcrousticteii  öer  Sr«"  aus  ilfter  getftigen  puffiDitdl 
i>em  Sctfieibet,  tnie  iio<t)  tiiuU  \o  Dielen,  als  <Eefat)r  für  tien  Beftanti  i>er 
palitatd)al<n  Soxiili^  erid)ien.  Ilamenllid)  bas  ungeisolinte  ^einor- 
treten  ber  5rauen  in  ben  eriten  (Scmeinbeneiicimmlungen,  in  bencn 
jebet,  ben  ber  (Seift  bes  l^ertn  ergriff,  oon  ben  (Erlebniffen  feines 
3nneren  Seugnis  ablegen  honnte,  mar  Paulus  anlipatt;if(^,  unb  als  bas 
«iiflall|(^c  ^ungenreben  ber  in  it(rer  (Tiefe  ertd)ülterten  lllcn((^en 
einen  bie  ftillc  Sammlung  unb  Cäuterung  bes  ICtUens  gcfät)Tbenben 
Umfang  aiTnat)m,  gebot  er  ben  lITännern  i!)re  Rebeluft  ju  jügeln,  ben 
Sraueii  aber  überljaupt  3U  fd)a)eigen.  flud)  foDten  fie  nac^  orien- 
tall|<t)er  Silte  il)r  Iraupt  mieöer  mit  bem  Stbleiei,  ben  fie,  als  Seltnen 
lljrer  Dienjtbarheit,  abgemorfen  {]allen,  Deiljailen,  tpÖI)Tenb  ber  lHann 
-  im  (Begenfa^  jum  jübift^en  Kitus  -  unbebedit  dot  Uiott  erfd^einen 
burfle. 

n)as  nun  Paulus'  fluffaffiing  unb  IDcrtung  ber  <£V  anlangt,  Me 
für  bie  Ee^re  ber  Kirdjenoäter  unb  bas  gan3e  (l)riftli(l)e  Ulittelaltci 
maftgebenb  mürbe,  fo  ift  aud)  fie  burdjaus  }0iefpältig  unb  3.  H.  ba- 
burd}  bcbingt,  bafi  er  mit  ben  erften  ([t)riilen  in  beftänbiger  (Erroar- 
tung  ber  nat^en  tDicbertiunft  bes  Tjerm  3ur  •£rci(l)tung  bis  mt|fiani' 
W(en  Reidies  lebte.  3"  biejer  ilrwarlung  muftle  i^m  einerfeils  jebe 
äu|eilidr<  Aenberung  ber  surjeit  beflel)enben  (Drbnung  in  Staat, 
IBefeDIdtatl  unb  SomÜl'  bebeutungslos,  anbier|eits  alles  mas  bie 
menfdfen,  unb  namentlid)  bie  3UT  Ausbreitung  &«s  (Epangeliums  be- 
rufenen Diener  <Ii)riftt,  von  ber  Porbereitung  auf  bie  Suhunft  ablenkte 
unb  iljren  Sinn  im  3rbifd}en  fejtlfielt,  als  S<f(f'  erfd)einen.  Desl^lb 
empfaltl  er  ben  3>inglingen  unb  Jungfrauen,  bie  gleid}  il^m  tl;r  £eben 
ber  Porbereilung  auf  ben  tjerrn  ipei^n  moDtcn,  leb  ig  3U  bleiben: 
„benn  ber  Ccbige  lorget  loas  bes  (jerm  ift,  roie  er  bem  fjerrn  gefalle, 
b«r  D(ri]ttiatcte  aber  forget,  tpos  ber  IPell  ift  unb  mie  er  bem  IDelbe 


<)  Cint.  2.  0.  12. 


184  Die  C^e  bei  bm  antilten  Kulturoölkem. 

gefalle. "  —  flnörer{eits  galt  i^m  für  biejenigen  {^tDäc^eren  Brüber 
unb  S(^CDeftem,  bie  nod)  im  5I^tfd)e  tDanbelten,  bie  bauembe  €tne^ 
als  bie  einsig  tDürbige  unb  {ittli(^e  5orm  bes  (Beji^lec^tslebens.  Cr 
forbert  bes^alb  -  unb  bies  i{t  ein  ITlarkftein  in  ber  (Enttoiddung 
ber  C^emoral  -  im  An{(^Iug  an  ein,  {einem  ur{prünglid)en  XDorilaut  nac^ 
ni(^t  gan5  fieseres,  f)erTenn)ort  i^re  Unaufldslic^bett  unb  bie 
unbebtngte  Betoa^rung  ber  e^elic^en  ([reue  au(^  oom  manne  unb 
oergeifttgt  bie  (E^e«Auffa{fung  bur(^  bm  mpftifc^en  Derglei<j^  ber  e^ 
liefen  Besie^ungen  mit  ber  Besie^ung  (E^rifti  5U  {einer  6emeinbe. 
Aus  bie{em  Dergleid)  ergibt  {i^  i^m  aber  au^  unmittelbar  ber  R{(^« 
punitt  für  bie  oer{d)iebenartige  Stellung  ber  (Batten  in  ber  (E^e  unb 
bie  Regel  i^res  Der^altens  5U  einanber:  ,,Die  IDetber  feien  Untertan 
i^ren  ITtännern  als  btn  f)erren,  benn  ber  Itlann  ift  bes  IDeibes  f)aupt, 
g(ei(^CDie  au(^  ([^ri{tus  ift  bas  fjaupt  ber  (Bemetnbe  unb  er  ift  feines 
£eibes  f}eilanb"  —  ,,aber  toie  nun  bie  (Bemeinbe  i|t  (Et^rifto  Untertan, 
aI|o  aud)  bie  IDeiber  i^ren  ITTännern  in  allen  Dingen"^). 

Als  Dorbebingung  ber  DertDirltli^ung  jenes  mt){tif(^en  (Ebenbilbes 
in  ber  (E^e  er{(^eint  aI{o  Paulus  bie  unbebingte  Untertänigkeit  ber 
5rau,  unb  offenbar  gilt  i^m  (Be^or{am  auf  i^rer  Seite  für  loeit 
uner(äglid)er,  als  irgenb  eine  anbre  (Empfinbung,  benn  inbem  er  00m 
ntanne  forbert:  „3^r  ITtänner,  liebet  eure  IDeiber  ....  qUid^wit 
(E^riftus  aud)  geliebet  ^at  bie  6emeinbe  unb  ^at  fi^  fe(b{t  für  {ie 
gegeben  .  .  ,**  fagt  er  im  Anjdjlufe  baran  btn  Sxauen:  „aber  bas 
IDeib  f  ü  r  d)  t  e  ben  ITtann".  (Ero^  ber  oergeiftigten  (E^emoral  gilt 
babei,  in  Anlehnung  an  bie  jübifd^e  Auffaffung,  bem  Schreiber  bts 
([tmoti}eusbriefes  als  n)id)tig{te  iröi{d)e  Aufgabe  ber  (Ehefrau  bie  (Er- 
füllung i^res  6attungs5n)edts:  „fie  toirb  aber  {elig  {ein  burc^  Kinber« 
Seugen"  (1.  (Eim.  2,  D.  15),  unb  er  begrünöet  bie{e  Be{(^rankung  unb 
Unterorbnung  mit  ber  Berufung  auf  bie  göttlid)e  Offenbarung  bur<!^ 
bie  <Er{d)affung  bes  erften  Tnen{d)enpaares  unb  Coas  Sünbenfaü: 
„benn  Abam  ift  am  erften  gemad)t  unb  bana(^  (Eoa,  unb  Abam  ift 
nic^t  oerfül^rt,  aber  bas  IDeib  iDorb  oerfü^rt  unb  ^at  bie  lieber« 
tretung  eingefüljrt."  -  Die{e  aus  bem  alten  (Eeftament  übernommene, 
bie  fakti{d)e  Unterorbnung  ber  5^ou  {anktionierenbe  Dorfteüung  Don 
Abam  als  bem  (Erjpus  bes  ooUen  nien{(^entums,  bem  (Erftge|<j^affenen, 
ber  in  fid)  allein  {(^on  bas  (Ebenbilb  (Lottes  repröfentiert  unb  oon 
(E  D  a  als  ber  für  i^n,  aus  i^m  unb  nad)  i^m  <Er{d)affenen  unb  ber 

»)  (EpMer  5,   D.  22-24  f. 


K.  Die  Ütit  in  Rom  ur6  im  rÖmtfd)en  IDeltretd). 


185 


r  Btullei  btt  Sünbt,  bittb  nun  aud)  im  dttrijtentuin  3unäd)1l  beftimmen* 
bcr  füi  blt  tDcitung  btt  (l>t\ijlti)itx  als  ttie  ganj  neue  Dor|leUung, 
bog  öurdf  dtjriltus  &ie  5i^au  8i*^^  ^*ii>  IHanitc  jur  (Botlcsktn^dtaft 
beruftn  unö  in  ifirem  ijeiitigcn  Sein  it^m  ebenbürtig  fei:  „Denn  bn 
mann  i|t  nic^t  Dom  IDeibe,  fonEiern  bas  Wtib  Dom  tttann.  Unö  btt 
mann  t|t  nid)t  geidtaffen  um  bts  Q>eibts  willen,  {onbern  bai  tDcib 
um  bn  mannes  lOiTIcn" ').  —  $iir  bas  innfrlidje  Ringen  ber  alten  unt) 
neuen  IDeitung  bes  IDcibes  warbt  ein  Rusgieid;  öalj«  m(^t  gefunben. 
Dielmet]!  ivurbe  bie  ^roiefpältige  IDeitung  fonjol}!  bei  Srau  mie 
6cT  itit  von  ber  an  paulus  orieulierlen  Kitd)enlet)Te  nod]  f^ärfer 
ausgeptögt.  dunod)|t  btü(bte  bie  <Enlmidilung  bes  Qsfteti|d)en  3^^ils, 
bie  DeTa<^tung  aller  fefueDen  Sinnlti^tteit ,  bie  eine  unDenneibIid)e 
Rtalilton  gegen  bie  ^ügeiloligkeit  ber  iÖmiid)'I}elIeni|tif<!^en  IDelt  mar, 
bcn  lOeit  öet  <Et)e  gegenüber  bem  llölibol  bei  (£oll  gcitieiltten  mannet 
unb  S''""*"  Ijerob.  Sic  erif^eint  oicien  ber  großen  Kirrf}enlcf(ter 
lebiglid]  ais  ein  3n|titut  iux  Dermeibung  ber  Unju<t)t,  bas  nai^ 
Augultln  burit)  bas  lltoili),  Kinber  3U  jeugen  unb  jur  <ft)re  Uljrifli 
fromm  3u  ersictjcn,  eine  gcmiffc  IDürbe  ert^äll.  —  So  angcicl}en.  mu^ 
aber  bie  (El)eIongkeil  als  ber  t;eUigeie  Suitanb  er|d)einen.  Unb  feit 
bie  Ktrd)e  ron  btn  Dcrmittlern  itirer  l)eilsgiilcr  bas  <Iälibat  ju* 
nct)menb  forbcrte,  mürben  bie  in  ber  „tDelt"  lebenben  Jrauen  Don 
allen  benjenigen,  bie  fid)  bem  DruA  il)rer  Sinnlid)heil  nur  burd)  Der* 
meibung  jeber  Berübrung  mit  bem  anbcrn  <Bcid]Itd]t  ent5icl]en  honntm, 
eis  Dcrfudjerlnnen  jur  51ci|djcsluit,  »IDursel  alles  Uebels",  .IDcthjeug 
bfs  Qeufels"  u.  |.  m.  in  einer  bis  bal)in  feit  flri|lo(>I)anes  nii^t  g^ 
kannten  flrt  gef(f)mQt)t,  ja,  uneingebenh  ber  tt)nen  5uerlianntcn  iellgiii|en 
Cbenbiirtighcit,  mürben  fic  fogac  non  einem  im  6. 3atii^unbert  tagenben 
fian)öfi|<i)en  proDin5ialfton3iI  für  untsürbig  erklärt,  bas  tlbenbma^I 
mit  blossen  [}änben  ju  empfangen.  Sieben  3alirl)unberte  Ipätet  nodj  lehrte 
Sltoniäs  pon  flquino,  bie  Srnn  {ei  eigcntlid)  ein  mi^gebilbeler  lllann 
unb  <fiotl  t)älte  beffer  getan,  Bbam  als  (Sei)ilfen  einen  joieiten  IHann 
jujugefellen.     Hur   metl   Hbam    nun   einmal  bie  Fortpflanzung  ntd)t 

»diein  l)obt  beforgen  können,  t)ixbt  <boU  it)m  ein  IDtib  belgefelll. 
Dagegen  ftieg  bie  IDcrffdiÖ^ung  bes  jungfiäulidien  !Dei- 
tes,  bas  unter  Der3i(^t  auf  noUes  men|d}entum  fein  Ceben  im 
Klofter  (hott  unb  bem  CJenfte  bes  lUdiiten  iiieit)te.  unb  nur  auf  biefem 
BobcR,  als  Klofterfiau,  mürbe  jie  oon  bem  gltid)  itjr  meltabgemanbten 
■(  I.  Korintlier  U.   V.  8-12. 


186  Die  C^e  bei  ben  antiken  Kulturoölbem. 

ntann  tatföc^Iii^  als  (Benojfin  im  Kampfe  für  bas  (Bottesretc^  an« 
erkannt.  3m  3ntere|fe  öes  hlöfterli(^en  £ebens  tat  |ogar  5te  Kirc^ 
i^rerfeits  öen  erjten  Schritt  3ur  (Emansipation  öer  unoer^eirateten  Stau 
oon  ber  S^Tnilie:  na^  bem  Sprud):  ,,man  mug  6ott  me^r  ge^^ 
als  bem  ntenfd)en'\  gab  fie  ber  f}aiisto(^ter  bas  Rec^t,  auc^  gegen  ben 
IDinen  i^rer  (Eltern  bas  f^aus  5U  oerlaffen  unb  fi(^  allein  (Bott  als 
ii)rem  f}errn  5U3utx)enben.  (Eoa,  bem  ([i]pus  bes  fleif^Iic^  geftnnten 
(ErbentDeibes,  toirb  bte  )ungfraulid)e  ntaria,  bie  Derkörpertn  über* 
irbi{(^er  Reinheit  unb  unfinnltd)er  TTlütterlii^keit,  gegentlbergefteUt 

Aber  obmo^I  alfo  bie  C^e,  religiös  betrachtet,  auf  ber  einen  Seite 
nur  als  Konsejfion  an  bie  Sinnli^keit  er{d)ien,  courbe  i^r  bo<l^  jiDeifel« 
los  auf  ber^anbem,  burd)  bie  oon  ber  Kir^e  memg{tens  geforberte 
(Blei^^eit  ber  (Bef(i)Ied)tsmoraI  unb  burc^  i^re  (Erhebung  3um  Sakra« 
ment,  eine  neue  fjo^eit  oerlie^en.  f}iftori{d)  toi^tig  tDor  baneben  por 
allem,  ba^  bie  Kirche  uner{d)iitterli^  auf  bem  Boben  ber  bauemben 
Cine^e  als  allgemein  gültiger  Ilorm  ftanb  unb  polygame  Derbinbungen 
in  ieber  5orm  bebingungslos  bekämpfte. 

Die  fpesieü  uns  ange^enbe  5tage  ift  nun  -  unb  yoax  eine  fe^r 
beftrittene  -  tx)e(d)en  praktifc^en  Cinflug  bas  (E^riftentum  auf  bie 
(EnttDi(kIung  bes  (E^ere^ts  unb  ber  (E^emoral  ber  antiken  IDelt  ge- 
tDonnen  ^at.  Dabei  ift  5U  berückfiditigen,  bag  ber  00m  (E^riftentum 
erftrebten  5^fttgung  ber  (E^e  getDiffe  allgemeine  (Enttoicklungstenbensen 
in  ber  fpätantiken  6e{eII{d)aft  entgegenkamen.  Ili^t  nur  geiftige, 
mie  ber  {d)on  ermäi^nte  (Einfluß  ber  Stoa,  fonbern  auc^  materieDe. 
Das  römifd)e  TDeltreid)  rückte  ben  Sd)tx)erpunkt  ber  Beoölkerung  30* 
nel}menb  Don  ben  Küftenftöbten  fort  in  bas  Binnenlanb.  Heben  bie 
in  {patrepublikani|d)er  3ett  oortDiegenb  in  ber  (Brogltabt  ^eimif^n 
(5e{d)Ied)ter  trat  mit  3unel}menbem  (Einfluß  bie  breite  Sc^id^t  länb* 
Iid)er  Befi^er  (posscssorcs)  als  ökonomifd)  unb  politifc^  maßgebliche 
Klaffe,  unb  es  liegt  auf  ber  f}anb,  ba^  ber  Kampf  gegen  bie  abfolute 
fejuelle  Steilheit  bei  biefen  (Elementen  immerhin  günftigere  (E^ncen 
l)atte,  als  bei  ber  raffiniert  gebilbeten  unb  geniegenben  (Befeüfc^t 
ber  fpätrcpubHkanifcl)en  unb  ber  crften  Kaifer3eit.  (Ero^bem  mar  ber 
IDiberftanb  gegen  bie  c^riftlid^en  3beale  bis  in  bie  legten  Seiten  ber 
Rntike  ein  ungemein  ftarker,  in  entfd^eibenben  Punkten  unübenoinb* 
Iid)er.  An  ber  (Befc^Ioffen^eit  bes  römifd)en  Rechts  glitten  3unac^|t 
bie  Dogmen  ber  jungen  Kir^e  wirkungslos  ab.    Die  5orberung  (Eer- 


I 


F.  Die  C^  in  ttom  unb  Im  rämifct}en  IDeItT<idr.  187 

tuOtans  an  Koil«  flUfanöer  Senerus  (örtttes  3alir^unöcrl),  iie  freie 
S(l)ci(ung  abjiildtaffen ,  blieb  naiUrlltt]  unntrört.  <Eifol9Tetd)er  wai 
fi^on  tiamals  it)t  Bemüljen  für  6ie  UmbilbuuQ  bex  Sitte.  Dur^  die 
unüblöjfig»  preMgt  öes  ^errenroortcs  »IDas  ffiott  julunimengefügt  Ijol, 
6as  (oU  btx  mcnjd)  nidjt  |d)eilien"  gelang  es,  ble  (Kemiflen  btr  (Balten 
511  binbeit:  Keu|dtl)eit  un&  (Battentreue,  dot  allem  aber  (Etfebeftänbigiieit, 
tsurbc  ein  ITIerliinal  ber  3u9et)Örlgfiftt  jur  d)Tlitlicl]cn  (Kcmelnbe. 
Streng  nerpönt  mar  naliiTlicf)  jeber  flü(f]tige  (Be{(l;Ie(^tsperi(eI]r  iinb 
alles,  tvas  iinfer  bcn  neuen  eriDeiteiten  Begriff  bes  (Etiebrutfis  fiel. 
IDir  |al)en  oben  bie  (Einmtrhung  bes  (Iljrtftentums  ouf  örn  3nljall  b« 
A9i}pti|(f)en  <Ei)tiiontraiile.  ftuci)  gegen  bcn  KonbiiMnal  erl^oben  fd)on 
in  bcn  erflen  3al)iliunbertcn  Derfd^iebene  Kirii)enlei)tet,  u.  a.  aud) 
QeituIIian,  if)re  Stimme.  Allein  bie  Kirdje  bes  flbtnblanbs  übert^Örtc 
fie  lange,  toeil  (ie  ben  Konkubinat,  |ciner  urfprtinglicfien  Bebeutung 
«nl|pied)eub ,  oIs  (Etreerja^  für  Stanbcsungleii^e  anfat;.  Bifc^of 
Calltftus  (biiltes  3iit)it]unbeTt)  erlaubte  fogar  ben  oornelimcn 
Srauen  feiner  fficmeinbe  ausbrüdtlitt)  ben  Konfiubinaf  mit  Sklaotn 
unb  5"igtlaffencn.  Unb  nod)  ein  nationalhon3tI  311  ntain3  im  neunten 
3atti(;unben  erltlärte  ben  bauernbcn  Konkubinat  als  „eint  bes  <n)ii{ten 
nid)t  unjlemlid^e  Derblnbimg".  Dies  cntfptad)  nun  alleibings  bcr 
ftrengeten  Buffaffung  keinesroegs.  Aber  fclbfl  in  bec  kiTdilit^cn 
l^fe^gebung  gelangte  btefe  erfl  fpäl  3UT  formellen  (Geltung.  Der 
Konkubtnot,  b.  t).  bie  der  5orm  ber  (Elje  ermaiigelnbe,  fabttfc^  bau« 
cmbe.  aber  rcdttlid)  jeberjeit  löslid)c  (Bc|d)led2t5rerbinbung  -  .nllbe 
Oje-  _  ^ai  bemgemäg  im  (Dtnöcnt  bas  ganse  ITIittelaltcr  ItinbuTd) 
and)  kiTd^Iid)  gebulbet  beftanben  unb  ift  -  mie  mir  t)ier  norgretfenb 
gleid)  feflflcllen  tnoDen  —  befinitiD  eift  an  ber  Sdftuelle  ber  Refor* 
malion  burd)  bas  £ateTankon3iI  oon  ISI6  unb  tnciter  burd)  bas 
Kon3U  Don  Srient  kirdili^  tierboten,  unb  in  Deutf^lanb  bann  burd} 
bie  polijeigefe^gebung  bes  Heidjs  (Reidrspoliseiorbnung  oon  1530) 
tmb  bcr  <Ein3el|laaten,  Ipesiell  in  btn  proteflaniiidjen  (i>ebieten,  au(^ 
mit  öu^eiec  (Bemalt  unlerbrüdit  morben.  Auf  bcm  Boben  bes  römi« 
|d)en  IDeltreidis  felren  mir  bagegcn  einen  ftetigen  Kampf  3[Di|d)en  btn 
tfbdtften  3bealen  bes  Itjriftenlums:  3ulaffung  nur  ber  l?olltl)e  unb  nur 
alt  einer  unauflbslidjen  Derbinbung,  -  unb  ben  IKotiven  ber  tntit' 
lidftn  Celeftgcbung,  meldje  3mar  an  ber  Jeftigung  ber  5antilie  inter- 
«ifitrt  mar,  ober  aud)  auf  bie  feft  eingemurjelten  (fieu)o^n!)eilen  ber 
f0]ial  ^trr|d)tnben  Sd}idtten  KQdific^t  nel)men  mugte. 


L 


iBIdd)  Honftantin  fud)te  jur  $efHgun9  bex  <E[]e  bie  augeretielt^tn 
Derbinöungen,  insbefoitöere  audj  öie  bistrctige  StcDung  6es  Konhubi* 
nafs,  jii  be|eitigen.  (Er  ift  tier  erfte  römifctje  Haijer,  t>tT  bas  „päli- 
fial",  öie  au6eref]eliii[c  Detbiiibung  eines  oetfjeitoteten  ITTonnes,  MwM 
Derbot,  anöieifeits  bie  DeriDanblung  ber  Honlitibinate  in  Do[let)en 
er[eid)terte.  <£$  { cf)  e  i  b  e  t  fid)  baburd)  nunmct^T  aud)  bie  Stellung 
ber  Konhubinenfiinöer,  tueldje  uoii  je^t  an  allein  als  -liberi  naturales" 
bescidind  meröen,  oon  ben  ■spurii«,  ben  im  Itrengjten  Sinn  .un- 
et]elid)en~,  bie  aus  gar  tteiner  aneriiannten  Derbinbung  ftammten. 
Honftcintin  |u(I)te  aber  auif  tut  bie  6c|d)iän!tung  bes  monogamen 
Konitubinats,  obrooljl  er  jelblt  in  einem  (old^en  geboren  tpor,  ^in» 
juwiThen,  unb  traf  es  am  empfinblid)(ten  babut^,  ba^  et  -  übet 
bas  Derbot  bex  Sdienhungen  unter  litjegatten  toeit  !)inausget)enb  - 
olle  Sd^enltungen  unb  te{taTnentaTijd)m  Sumenbungen  bes  Konkubi* 
nanlen  an  {eine  (Benojfin  imb  [eine  K  i  n  b  e  r  für  ungültig  erftläite. 
Damit  toar  bie  nibgliii)iteit,  Hlutter  unb  Kinber  moteriell  ju  fii^ecn, 
t>e{eittgt  unb  ein  f^arfer  S(^nitt  jtDifi^en  (£t)e  unb  Konkubinat  gf 
sogen. 

Konftantin  iurfjt  aber  nidjt  nur  bic[es  ju  be&lajfieren,  (onbetn 
aud^  bie  legitime  (Et(e  3U  befeftigen,  tnbem  er,  bem  Prinjip  btr  freien 
5d)eibung  ju  üeibe  geljenb,  bie  einjeitige  Derfto^ung  «n  gemiffe 
Bebingungen  hnflpfle,  öie  allerbings  no(b  lieine  Spuren  d)riftli(^eT 
Sejualetfjik  tragen.  Die  Jrau  barf,  ungeftraft  öurd}  Dermögensoerlufh, 
nur  ben  lHörber,  Sauberer  unb  (Srabftliänber ,  aljo  ben  t)ffcntltd;en 
Derbredjer  pcrlaffen,  bet  lllann  hann  nur  Öie  4t[ebred)erin  unb  (Bift- 
mi|d)crin  oljne  veitcies  fort{ct)id<en.  Die  freie  Sdteiöung  ouf  (6ruRÖ 
gegenfeitiget  llebereiiiHunft  blieb  aber  uuangetaftet.  flud)  Konftontins 
d)rtfl(i(^e  Hac^folger  bef(t)äftiglen  fid)  mit  ber  Sc^eiöungsftage  unb 
bem  Konkubinat,  unb  es  ent{tanben  (Sejc^e,  meldge  bas  einfeillge 
5d]eibungsred)t  an  Beöingungen  knüpften,  öie  nunmeljr  beutlid)  einen 
<i)rt|tltt^cn  <Einfd)Iag  erkennen  laffcn:  bie  $rau  barf  ben  Hlann  nid]t 
nur  oeriafftn,  rocnn  et  il)r  nad)  bem  £eben  trad)tet  obtx  fie  mifi' 
ijanbelt,  {onbcm  and]  mcnn  er  als  <Et)ebred)er  (b.  I).  allerbings  aud) 
t(ier  no^:  als  mitjdjulöiger  einer  ucrffciratelen  Stixu)  oenirleflt 
ift  ober  öffentlid)  mit  ([ourtiianen  uerkel^rl.  Den  oon  Konftantin 
feftgefe^lcn  einfeitigen  Sdieibungsgtünben  bes  Itlannes  aber  ift  tiinju* 
gefügt:  IDenn  bie  Srau  gegen  feinen  IDillen  mit  fremöcn  ITIännem 
Ipeift,  menn  fie  ol)ne  au5retd)en&en  Ibiunö  bie  llac^t  on^et  6cm  ^auf« 


>3i^ 


F.  Die  Ii)e  in  Rom  un&  im  iömi(d)en  tDedrei^. 


189 


» 


i^ttbtingt,  menn  fie  gegen  bas  Derbol  bts  (Balten  ben  Slilnis  unti  tias 
Sdiaufpiel  übennägts  bejuc^t  l)ierin  tritt  uns  ganj  ttlar  bh  Bbfidit 
entgegen,  fturd)  eine  jtrengete  6e!d)ränbung  bei  Srau  auf's  t^aus  f&T 
6ie  sröge»  R(int)eit  t>cr  <Et[e  5U  {orgen.  TDk  mtit  biete  (Belege  bie 
tiftmoTül  ber  oberen  Sii)id)ten  tefotmiert  Ifäben,  ift  nidit  ju  ermitteln. 
Die  r)eTitellung  normalerer  5aTiiilienitabi[itäl  mar  [[ter  inot)l  in  "ftn 
Cinie  probuht  ber  tlnhenben  materiellen  unb  äill)etijd)en  Kultur.  Die 
Art  ber  £tbensfüi)rung  ber  ralfinirrten  unb  gebilbelcn,  tjauptitäbtitif)' 
römi|(f)cn  lBcicII[d)a(t  mar  mit  öem  Surfidttreten  bes  Römettums  unb 
bem  Sinlten  ber  Bebeutung  ber  f)aupl{tabt  unb  ber  Stäble  übertjaupt 
geftt)n>unben,  unb  ba  ein  3ntcrei(e  an  ber  (Ertjaltung  einer  beftimmten 
poUti|d]  bebcut|amen  Sct)idit:  bes  t!i|tori|d]en  Itömcriums  ~  mit  fie 
iluguitus  eiltrebt  liatlc  -  nun  bei  ben  Kaifem  ni(f)t  mel)r  beltanb, 
iDUtben,  im  3ntere(1e  ber  (Entmidtlung  bes  eljelojen  tebens  ber  (^rift- 
lidien  flskefe,  bie  flugultei](t)en  Strafen  gegen  (Etie-  unb  Kinberlofe 
eine  nad)  ber  anbern  befelligt. 

3n  ben  unler|lcn  Dolhsidjidjtcn  anbrerfeits  ging  bie  IDieberljer* 
(Idbing  monogamer  iüefdiled^lsbe^ietrungen  Tfanb  in  E)anb  mit  jener 
Umivflnbiung  ber  n)lrt[(t)afllid]en  £ebensbebtngungeu,  tDcld)e  eben 
jenes  äulammenjinhen  ber  materiellen  Kultur  au<lj  ber  (Dber|dfi<t)ttn 
tfcrbeifül^ren  tjalf.  3nfoIge  bes  regellofen  (Eeit^le^tsnerhelirs  unb  ber 
Samilienlofigfieit  ber  länölit^en  fltbeilsihlnwen  ffollen  fii^  biefe  Don 
jcljei  —  tro^  ber  Prämierung  bei  ShloDinncn  für  eine  \)o\)t  (Beburlen* 
jolfl  -  |o  wenig  oermeljrt,  öafe  ber  Bebarf  an  flrbeitsliräflen  nament- 
Ild)  auf  ben  grofien  piantagen  nur  burc^  bie  beftänblge  dufut^r  pon 
Kriegsgefangenen  gebedtl  merben  honnle.  Als  nun  bie  großen  €t* 
oberungsfiriege  auft^örten  unb  besljatb  bas  Angebot  auf  bem  Sfelaoen- 
martite  uerfiegte,  louröe  bte  alte  Soxm  ber  SWoDenmirtjdiaJt  übertjaupt 
unrentabel.    Die  (Brunbbert^er  fuditcn  besl^alb  ttilrocife,  |o  nomenlltit) 

»auf  ben  oerpatffteten  Domänen,  ben  freien  Pürjellenpä(f)lern  dolunii 
neben  bei  (ßtibienle  fefie  i1rbetlsDerpf1id)tungen  aufsulegen,  vor  allem 
f»  in  ber  Sreijügigheit  5U  befdrränhen,  unb  brüditen  fie  baburd)  ofl' 
niäE)Ii<fr  }u  einer  Art  oon  f)örigen  ^erab.  Strntx  aber  »urbe  bit 
Sklaoene^iltenj  iniofern  berjenigen  ber  dolonen  angenähert,  als  f^ntn 
3unetfmenb  Italt  ber  mllilärifctr  bisjipUnierten  fiüljeten  „hommuntfti' 
jdfen"  Ka|cTncne;iften3  bns  leben  in  <EinjeI-Katf]en  mit  einem  SlSdl 
Canb  geflattet  mürbe,  ntie  mir  es  gleidj  nad)  ber  DölhertDanbecungs- 
finben.    Damit  maren  il)nen  aber  bie  Dorausiet)ungen  eines 


190 


Die  <E\)e  &e{  btn  antilten  KultuTDÖlftem. 


Samilienlebens  unb  öauernber  ®e[(l)led)tsbe3ief(ungen  jutüdigegelwn. 
Die  er[len  Anfänge  eines  ,,S&IaDenfd)u^es"  gegen  bie  IDiiniür  6er 
^erren  entlprangen  bei  3ntHatiDc  &ct  Itoijd)  beeinflußten  Kaifer  ba 
jtreiten  3atfrl)unöerts.  öraetfeUos  fjaben  bann  (pöter,  trog  feinet 
neutralität  öer  SMarerei  als  foldjer  gegenüber,  öie  f1nfd;auungen  6es 
<II)ri(tenluins  fpejiell  auf  b\e  Reipelttierung  ber  SkiaDcnfaniilien  ge- 
iiiirfit.  (Ein  erftes  Si]mptom  öafüt  i|t  ein  Derbot  öcs  Koifers  Kon- 
ftanlin,  bie  SIiIaDenfamilien  auf  ben  )tai|eTlid]en  Domänen  Don  Kocfifia, 
Sorbinien  unb  Sisilien  beim  Canbteilen  oiiseinanber  5U  reißen.  Später 
folgten  äi)nli(^e  Detbote  aud}  für  Prioatbefi^er. 

Die  eigentltd)  familienredjtlidie  (Sejeggcbung  bes  britten,  oietten 
unb  fünften  3a!)rl;unberl5  ift  ein  mat^res  (Cijaos  Don  unfi}fteniatild}tn 
unb  roiberjpnidjsDotlen  ®elegenI)eitsgefeQcn.  Dies  iBuröe  bobut^ 
bebtngt,  ba^  ieit  bem  (Ebiht  (taracaüas  (aus  bem  britten  3af)rt)un6ert) 
bäs  römi[d)C  Bürgerred)t,  mit  wenigen  ilusnabmen,  allen  (Einroatincm 
bes  roeltreidjs  3uiiani.  Dos  aus  IjÖcfjtt  eigenartigen  l)ittorild)(n  Be» 
bingungen  ertDad)|ene  romifii)e  $amilien',  (E[;egüter>  unb  dxbrtift  (tief) 
nun  auf  eine  groge  mannigfattigkeit  Don  altüberlieferten  „DoIitS' 
re<f)ten"  ber  einseinen  (&ebiete  bes  Reichs,  unb  es  begann  ein  Piojefi 
gegenfeitiger  Beeinfiuffung,  ber  bis  in  bie  bi]5antinifd]e  3eit  I^inein  in 
forttoätfrenbcn  öeriudjen  ber  Romanifierung  ber  Doütsretijte  einerfeils, 
ber  Anpaffung  bes  römitd;en  Hationalred^ts  an  bie  (&en)ot)n[}eiten  ber 
ProDinjialen  onbrerfeils  (einen  flusbruA  fanb.  Damit  treusten  \\if 
bie  (Einflüife  ber  feirtljlid)en  flnfprüdje  unb  ber  mit  it)nen  nidjt  immer 
tjarmonierenben  „Staatsraijon"  unb  |o  roar  ber  Umgeflaltungen  ttein 
l£nbe,  bis  im  (Dften  3uftiman  (527-565)  IoQ)oI|l  auf  bem  (Gebiete  bes 
€rbred}ts  toie  bes  5Qiiii[i<^rired]ts  ein  gegenüber  ber  Eigenart  ber  ui> 
fprünglic^en  römiidfen  3n|Htutionen  (tarh  abgeblaßtes,  immcrlfin  aber 
bot^  nod)  an  [\e  Dornebmlid)  anhnüpfenbcs  ,.IDeltrcd]l*  im  tvefentlidftn 
endgültig  |o  feftlegte,  mie  es  bann  im  Rlittelaiter  in  bie  mefteuropS* 
ifd)en  Uniaerfttäten  unb  bie  Don  il;nen  beeinflußte  (Kerit^tspra^is  ein* 
brang.  Die  ein3elnen  Dorgänge  innert^alb  jenes  Umbilbungsproseffes 
l|ier  eingel)cnber  barjulegen,  Ijat  für  uns  licin  3nterefie,  €5  mu^ 
genügen,  (eine  uetentltc^en  (Ergebniffe  feftjuftellen. 

(Gegenüber  bem  Honhubinat  fd^iDankte  bie  iStfe%geI»iiq 
unter  btn  erften  (l]nflli(^en  Kaijeni  l)in  unb  ^er.  Die  bem  Kon* 
fiubinal  feinblidje  (ßele^gebung  Konftantins  mürbe  uon  feinen  lloij^ 
folgern  faft  ganj  mieber  befeitigt,  gelegentiid)  ber  Konhubinat  grabtju 


^ 


.  Di*  (Et(e  in  Rom  im6  Im  iömi(<l)en  HJeltrcidf. 


Hwgünfligt,  an6rei|eits  ftets  mitba  neTfuc^l.  niöglit^lt  feine  DerisanO' 
timg  in  tint  DoIIeI)e  3U  prömiieren.  Den  Drudi  6er  d)iiftltd)en  Celjie 
balantlertrn  aber  bie  tiefeingemuTjelten  t>oltt5gei]>oI)iitfetten  nod)  ct< 
föigrrid),  unö  eift  für  3uftmian  tritt  öqs  3ntetefjt  an  bn  Stdfcrung 
bex  Konhubinen-Kinüei  als  dntieillittier  tScriditsputi&l  in  ften  Dotöer- 
gninö.  Ausl^lie^lii^  baian  oiientiert,  l)ebt  ei  5at)lTeii^e  e<n(d)Tän' 
kcnbe  (Erlan«  [einer  Dorgänger  luieber  auf:  (Er  erlaubt  -  im  fln|d)luf) 
an  bie  (ficfi^grbung  brr  Kai|er  brs  5.  3iiI]rt]unbCTls  -  öie  Cegiti' 
mation  bet  .natürlii^en  Kinber"  baiäi  üermanölunQ  bes  Konhubinats 
in  eine  (Ei)c,  (elbft  menn  {(^on  eb^'^^  Kinbei  bd  finb.  l£r  erlaubt 
fcmrr  btm  Konltubtnanten,  [ein  gQn3es  Dcrmögen  (abjüglic^  bes 
Ptlii^tteils  ber  allem)  ber  Konhubine  iinb  ben  Kinöem  3U3ua)enben, 
falls  er  keine  etfelidjen  befi^t.  (Einen  gan)  neuen  ned)tsgebanfien 
aber  prägte  er  baburi^,  ba^  er  it^nen  |ogai  ein  getet]Iid)es  (Erbre<frl 
an  ein  '/»  bes  näterüf^en  Dermögens  geroäbrte,  falls  bei  Illann  Ittine 
tl)c[i(t)en  Kinbtr  befa^,  unb  lt)nen  unter  allen  Umftänben  fllimenlations- 
onfprüii^c ')  gegen  i[)n  gab.  Bis  baE)in  l)atlen  bie  Konfmbinen'Kinber 
nur  bas  feit  ber  barauf  bejüglidren  ftoifd^en  (Befe^gebuiig  unter  bin  An- 
toninen  (|.  u.)  beftetienbe  ilrbre(^t  bes  Kinbes  gegen  feine  ITIulter  geljabt: 
nunmclfr  gewonnen  fic  autt)  Kcd)te  am  oäterlitfftn  Hadilafe.  Dafür 
wirb  anbietieits  bem  Dater  bos  Hcdjt  gegeben,  feinen  minberjalirigen 
Konhubinen-Hinbern  einen  Uormunb  lUitort  ju  beftimmen.  Ilur  menn 
er  es  unterlägt,  fo  hann  (lole  f(t)on  bistjer)  bie  Illutter  [elbft  bies  Amt 
übernehmen,  flud)  bies  ift  ein  nöllig  neues  prinjip:  -  alles  aber 
bebingt  burd)  ben  IDunjc^,  bas,  niie  fid)  jeigle,  Dorerft  ni<i)t  3U  unter- 
bril<kenbf  Konkubinat  indglidifl  in  eine  firt  tton  (Et)e  ,.3ur  linfien 
Qanb'  umjuiDanbeln.  Denn  rciot}lgcmerkt  rocrben  biejc  Dergiinftigungen 
nur  ben  im  förmlid)  erklärten,  bauemben  monogamen  Konkubinat 
erjeugten  Kinbern  unb  beren  ITIulter  5U  teil,  alle  übrigen  aus  DOt* 
fibcrget^bem  ober  unet)renl}aftcm  (^ef(f)Ied)isDerket]r  ftammenben 
bleiben  gcgenftber  bem  Dater  unb  [einem  Itarfilag  DÖllig  rcd)tlos.  €s 
JoDJe  eben  ber  Konkubinat  als  formlofc  4iie  betraiiitet  unb  non  allen 
(I&^tigen  Besieliungen  unterfd)ieben  iDerben.  lEbenfo  gab  er  ben  im 
contuhcmiiim  (ber  Sklaoenel^e)  Geborenen  im  Jal!  ber  SreUaffung 
ani^  bas  Crbred)!  eV'itf)"  Kinbci.  -  Sr[l  £eo  ber  IDei[r  erklärte,  tm 
Ittengercn  hirc^lidien  £el;re  gemäg,  bog  es  5iDtfc^en  (£[)e  unb  <Et^- 
*)  3u]linlans  6r{tinimung(n  llnb  bthannlllil)  fitr  einige  moticintn  ^t- 
lefgdrungen  Qbti  öie  au6«t«^«li(l|tn  Kinbci  oocbilMidi  etnoiben. 


192  Die  (E^e  bei  6en  antihen  KuIturuSIftem. 

lofigfteit  ftein  ITIittelbing  geben  könne  unb  feit  6em  9.  3a^r^un6ert 
tDuröe  alfo  in  Br^iani,  im  (Dcciöent  dagegen  enbgiiltig  erft  feit  bem  16. 
bie  ^milbe  (t^t**  ber  Unsuc^t  gleic^geftellt  unb  beftraft 

Die  juftinianifc^e  (Befe^gebung  iiatit  i^rerfeits  natürlicj^  keines« 
toegs  bie  Erleichterung  {e|ruellen  £ibertinismus ,  fonbem  lebigßc^  bie 
BeDor3ugung  monogamer,  ber  (E^e  ö^nlic^er  Derbinbungen  oor  füify 
tigem  (Befd)Ied)tsDerbe^r  bestoecbt.  Dor  allem  fuc^te  fie  au<j^  bie  OoD* 
ef)e  3U  erleid)tern  unb  5U  befeftigen.  Die  (Befe^gebung  ber  <j^nftli(^ 
Kai|er3eit  folgte  auc^  ^ier  ben  Spuren  ber  Stoa:  So  ^atte  fci^on  flntontm^ 
pius  bas  Rec^t  bes  Daters,  {eine  ([od)ter  aus  ber  (E^e  3urü(b3une^eii, 
3u  be|d)ränften  geiuc^t.  3m  4.  3a^r^unbert  toor  es  gan3  fortgefafie«. 
Unter  bem  gleichen  (Befid)tspunltt  uoll3og  enbgülttg  3u{ttmaii  ben 
Brud)  mit  ber  Dergangen^eit,  inbem  er  erftens  olle  C^inbemitfe 
iDegen  Stanbesungleid^^eit  5^^i^^  aufhob,  unb  3iDeitens  bie 
{({)on  Don  {einen  Dorgöngem  mit  Dermögensftrafen  bdegte,  frek 
grunbIo(e  Sd^eibung  gefe^Iic^  einfc^rönbte.  Da^tn  ge^rt  pmocl^ft  bie 
Durd^fü^rung  bes  prin3ips,  ba^  ber  an  ber  Sc^ibnng  fil^ttlMge  feil 
bie  ilos  be3iD.  donatio  propter  nuptias  oollftanbtg  DerBert.  Aber 
bei  biefen  permögensre(^tlid)en  llac^teilen,  bie  nur  eine  S^^tf^Qb— 9 
fd^n  befte()enben  Red^ts  toaren,  blieb  3u{ttmaii  iri^  f^^em.  fr 
montf  bie  Sd^ibung,  in  Bnnöl^ntng  an  bie  kinj^ci^ 
im  )>rin5ip  übed^upt  nur  beiDerfd^uIbung  eines 
unb  erklärte  -  ein  pnn5ipiell  ungemein  roid^ttger  S^^ritt  —  Me  St^ 
Idiung  ber  C^  bun^  gegenfeitiges  UebereinkonDRen  fix  ni^^ig.  üb 
^tten.  bte  ein  Keufd>l^itsgelüb6e  ablegen,  allo  ins  Klolter  gd^ 
nK>tten«  foBtt  fie  gemattet  fein.  -  HHetn  aml^  ie%t  WMfe  jeigte  M  die 
doeiikt  3ra<^non  auf  bem  Red^tsgehtel  irdilKT  ^  bäe  AradUc  ^i> 
k^c&mg.  Sii^K  Hin,  Ilod^K^lger  (3nitiii  11.)  »femiff  d«ae 
we^KK.  bie  üsn  im  iNtexen  bi>5antiKild^  Re^  dcrMcxaifeL 
>ni  Hkb  <is^  ^9e  cmi(i%e  Sd>etb«ng  f^ktS^  b»^ 
%r  Cd  TXT.  iMKS  kein  Q(nigen^et  ^^□ll^  s^icifi«;. 
TSAäcdkr  nx  >px  Sv5'al>c»R  belegt.  3TOBKtci  hiet  m  ^^nia^  I^k 

r*>ii<j[    Nc^  rröe  ße  Txr  hir^  K :  ü- : e r bcn^  sbü^  me  JikA 
aiirrrrt  mnäet  ^-öc  -ar^  thöi:  3ciL  hixrdipnte:  5«.  «nr  fcfc 


F.  Die  €^e  in  Rom  unb  im  römifc^en  IDeltreic^.  193 

f{<j^  bie  Kird^e  ber  €^poIi3ei  bemSd)tigte,  uerfc^tDanben  bte  Hefte  ber 
antiken  fepieUen  Dertrogsfrei^eit. 

Die  re({)t(i(^e  S^emb^it  ber  in  ber  freien  €^e  lebenben  IHutter  im 
fjaufe  i^res  IHonnes  unb  i^rer  Kinber  liattef  mit  mix  fa^en,  urfprüng- 
(i<j^  im  (Erbrecht  barin  i^ren  Busbrudt  gefunben,  ba^  toeber  fie  unb 
ber  niann,  noc^  fie  unb  bie  Kinber  gegeneinanber  ein  ge|e^(i({)es  (Erb« 
re^t  t)atten.  (E^elic^e  unb  augere^elic^e  Kinber  ftanben  fic^  barin 
gan3  gleich :  beibe  Ratten  keinerlei  (Erbrecht  am  nad^Iag  i^rer  IHutter. 
(Erft  ber  Protor  gab  btn  (Ehegatten  hinter  allen  (in  ber  Kaiferseit 
au^  btn  entfemteften)  Seitenuenoanbten,  unb  ebenfo  ber  IHutter  unb 
ben  Kinbem  gegeneinanber,  in  ber  oon  if^m  gefd^affenen  Klaffe  ber 
Kognaten,  b.  ^.  hinter  btn  ^^gefe^Iic^en"  (Erben,  ein  oon  i^m  gefd)ü^tes 
<Duafi-(Er6re(^t.  3n  biefer  Klaffe  erbten  nun  mieberum  bie  une^elic^n 
mit  ben  e^elic^en  Kinbem  5U  g(eid)em  Rec^t  oon  ber  IHutter.  Sc^on 
bie  pf^ilofopf^ifc^  gebilbeten  Kaifer  bes  britten  3af)r^unberts,  fpesiell 
fjabrian  (Scnatus  consultum  Tertiillianum)  unb  ITIarc  Hurel  (Senatus 
consultum  Orphitianumi  Ratten  barin  IDanbel  3U  fc^affen  begonnen, 
inbem  fie  IHutter  unb  Kinber  oon  einanber,  unter  beftimmten  Be- 
bingungen,  oor  btn  meiften  Seitenoenoanbten  erben  liegen.  Bud) 
biefe  Reform  war  nic^t  nur  ben  ef)elid)en,  fonbern  auc^  ben  une^e- 
Iid)en  Kinbem  -  Konkubtnenltinbern  unb  Kinbem  unbekannten  Daters 
ober  aus  oerbotenen  Derbinbungen  -  3ugute  gekommen.  Sie  maren 
alfo  im  Der^öltnis  3ur  IHutter  nunmehr  ebenfo  in  ben  Redeten  ben 
e^Hc^en  gleic^geftellt ,  mit  urfprünglic^  in  ber  Red)t(oftgkeit.  Die 
(^riftlic^e  Kaifer3eit  bagegen  befc^ränkte  biefe  Ileuerungen  teilmeife 
toieber.  (Erft  3uftinians  groge  Reform  ftellte  ebenfo  mit  Kognaten 
unb  Bgnaten,  fo  auc^  Rlutter  unb  Dater  in  il^ren  (Erbbe3iel)ungen  3U 
btn  Kinbem  burd)n)eg  gleic^.  (Er  oerlie^  ferner  -  DieUeid)t  unter  bem 
€inbrudt  ber  im  (Orient  üblichen  IDitmenoerforgung  burd}  (El^eftiftung, 
{ebenfalls  aber  in  ber  Hbfic^t,  bie  Beftönbigkeit  ber  (E^e  3U  prämiieren 
-  ber  nic^t  botierten  unb  oermögenslofen,  „armen"  TDittoe  Bnfprudj 
auf  ein  Diertel  ber  (Erbfd)aft  bes  Rlannes  unb,  menn  biefe  an  feine 
Kinber  fiel,  auf  ein  Kopfteil  (alfo  bem  Rlage  nad)  tote  in  ber  alten 
inanus*(E^e)  bis  3U  einem  beftimmten  t}ö(^ftbetrag,  unter  ber  Doraus« 
fe^ung,  bog  bie  (Ef^e  bis  3um  (Eobe  gebauert  l^abe. 

(Enblic^  bilbete  er  bie  ftarre  oaterrec^tlic^e  Konftruktion  ber  (E^e 
baburc^  um,  bog  er  auc^  ber  Rlutter  offisiell  bas  (Er3iel}ungsre(^t  unb 
geu)iffe  oormunbfdjaftlic^e  Rechte  über  iljre  Kinber  oerlielj. 

Wtbtx.  «Cbrfran  nnb  niuttrr.  13 


194  Die  (E^e  bei  ben  antilten  KuItutDÖlftern. 

Bllerbtngs  enoarb  {ie  btefelben  erft  naö^  bem  (Eobe  bes  Daters  unö 
nur  bann,  mertn  bte|er  nichts  anbres  be|timmt  ^atte  unb  fte  überbtes 
oerfprac^,  {t(^  nic^t  toiebersuoerl^eiraten.  3mmer^tn  bebeuteten  btefe 
{parlieren  Konseffionen  einen  prin5ipie((en  Sortfc^ritt  bes  ^IHutterre^ts": 
mar  bo(^  bis  ba^tn  nic^t  nur  bie  Dormunbfc^aft,  fonbem  au^  bos 
Srsie^ungstec^t  beim  (Eobe  bts  Daters,  —  falls  biefer  nic^t  ausbrüA« 
Ii(^  teftamentarifc^  bie  ITtutter  3ur  (Ersie^erin  beftimmt  ^atte,  —  auf 
beffen  Dettoanbte  ilbergegangen.  — 

mit  ber  engeren  Derltnüpfung  von  IHutter  unb  Kinbem  ging  bie 
Bb{(^n)ä(^ung  ber  urfprünglic^en  perfönlic^en  unb  uermögensrec^tlic^ 
Unfelbftanbigbeit  ber  Kinber  gegeniiber  bem  Dater  fjanb  in  fjanb.  3a>ar 
oerbot  ein  Senatsbefc^Iuft  bes  erften  3öljrljunberts  (Senaius  consultum 
Macedonianum),  5ur  Der^ütung  leichtfertigen  Sc^ulbenmac^ens,  Da^ 
le^en  an  fjausbinber  unb  fd)ranbte  infotoeit  i^re  (Befcj^aftsfa^igbeit 
ein.  Bber  bafür  tourbe  i^re  Rec^tsftellung  gegenüber  bem  Dater  g^ 
beffert.  Die  perfönlic^e  IDillltür  bes  pater  familias  mürbe  3uerft  in 
einigen  befonbers  Itraffen  Itonftreten  5^^^  ^on  (Erajan  unb  fjabrion 
geftraft,  unb  bie  Seoere  unb  bann  Diokletian  gingen  auf  biefem 
IDege  meiter.  Konftantin  befeitigte  enbgültig  bie  (Bemalt  fiber]£eben 
unb  ([ob,  3u{tinian  bas  Rec^t  ber  fjingabe  bes  Kinbes  an  btn  megen 
Befc^öbigung  burc^  basfelbe  Klagenben.  IDas  bie  Dermögensfö^igkeit 
bes  t}ausktnbes  anlangt,  fo  gel}t  ein  entfprec^enber  Pro3e6  burc^  bie 
gan5e  Kai|er5eit.  Sunöc^ft,  mie  fc^on  früher  ermähnt,  auf  btn  (Enoerb 
ber  Solbaten  be|(^ränkt,  ermeiterte  fid)  bie  Sö^igbeit  bes  fjausbinbes, 
eignes  Dermögen  3U  befi^en,  3uer|t  auf  bie  »bona  materna«,  bos 
mütterltd)e  (Erbgut,  bann  {eit  3uftinian  auf  alles  oom  I}ausftinb  felb« 
{tönbig  ermorbene  ober  il^m  3ufallenbe  Dermögen,  an  bem  ber  Dater 
nur  Tliegbraud)  unb  Dermaltung  bel^ielt.  Diefe  5orm  bes  ^ausftinb- 
nd)en  Dermögensrec^ts  ift  bann  in  bie  oom  römifc^en  Rec^t  beeinfluß 
ttn  mobernen  Redete  übergegangen. 

Hm  (Enbe  ber  römifd)cn  lDeltIjerrfd)aft  befte^en  aI|o  immer  no(^, 
abgefel^en  oon  bem  nebeneinanber  dou  DoIIel^e  unb  Konhubinat,  fol* 
genbe  (5runbpfetler  bes  römifc^en  (El^e*  unb  S^^ili^^^^^ts  fort:  1) 
bie  relotio  nod}  immer  leichte,  nur  mit  Dermögensnad^teilen  für  ben 
Sd)ulbigcn  belegte,  Sdjeibung,  2)  bie,  oom  S.  C.  Vellejanum  abgefe^n, 
DoIIe  iuriftifd)e  t}anblungsfäl)igkeit  ber  Stau  überl^aupt  unb  insbefon- 
bete  aud)  ber  (El^efrou,  3)  bie  prin3tpielle  oermögensrec^tlic^e  Selbfton« 
bigheit  ber  (El^efrau  auf  (bxunb  bes  Sonberguts,  bas  fie  neben  ber 


F-  Die  (Eljt  in  Rom  unft  Im  tömiiii^fn  IDelt«fd^. 
Ken   flngtt>ia< 


195 


n  ■Ins  btli^tn  Itontile,  anbrer(eits  4)  b\t 
Unbc[(t)iänf(tl)ctt  bn  valtcWiim  (Bnoalt  bei 
Cebjciten  6es  (Satten,  unö  5)  öet  Uebcrgong  öer  «Ins  in  bas  (Ei^en- 
tum  bei  ntannts  als  ItÜdiftanb  bex  alten  ITiaiius-tEfje.  detbrödielt, 
(|t  bagegen--  enbgüitig  |fU  3u[tinians  (Erbre(t)lsre(orm  -  bie  eiitieilig 
agnatildje  Derroanbtt(t]af[5juTcdinung  unb  (Erhberedrtiguitg  ju  (fünften 
6et  hognatifdien,  eben|o  bic  iir|pniglid)e  <E;Itiurioität  unb  Sdjranhen' 
iofigbcit  bei  pairiu  pr)ii-s(j>  JU  (Buniteii  ber  Deimögensfä^igheit  ber 
^nslllnber  ur.ö  ber  SÄljigtteil  ber  5rflu  jur  DormuTiblcftaft  übet  ilfte 
Kinbct.  b)  (Enblid)  t)at  man  fid)  grgenmäTtig  3U  l]al(en,  bag  ber 
tfnbjuftanb  bcs  nntiftcn  (Eljcrcdjtcs  [cfjr  njcit  pon  einem  (Selten  bes 
Priitjips  DoUeT  P  er  tca  g  s  fie  il}e  il  t)infi(t;tli{!r  bei  Bejieffungen 
btt  ili(|(t)le(^tei  entfernt  ift.  XDas  ni(t}t  (£f)e  ober  legaler  Konkubinat 
npor,  mar  .unfilllid)",  iinb  Kontralile  über  unfHIIidie  Bejiettungen 
OHiren  nichtig,  flud]  innerljalb  ber  legitimen  (!i)e  ^err|(i)tc  lieine  Det> 
tragsfreititil ;  In  ben  p  e  r  |  ö  n  I  i  d^  e  n  Derl)ältnif1en  ojar  «in  oer- 
tragsmä^iger  Ausfct)lu^  bes  bem  l£bemann  ju|tei;cnben  palnarcl)altii 
Reil)ls  gegen  Smu  unb  Kinber,  j,  B.  ettoo  3ug((tänbnis  ber  5ict3Ügig> 
bett  an  bie  5rau,  redttlid;  bomals  |o  ipcnig  mit  t)eut«  möglid).  3a 
|elb|l  bas  (ROttrred)t  roar  bei  Deitragsfreit]eit.  oud)  abgefef^en  Don 
btm  Sd^enkungsoerbot.  in  mand)en  punhten  cntjogen.  Die  BejIeDung 
«faiec  'liii  3.  B.  mar  jinat  nidjt  notmenbig  für  bie  (El)e.  IDurbe  ab« 
Ine  'los  beftellt,  fo  fui^te  bie  (Reje^gebung  ber  Ipäteren  Kailerseit  bie 
iterellen  ber  Stau  babiird)  311  [diüften.  ba^  hontroktlti^e  Beftimmun- 
gen,  meldte  bie  Red)tslage  ber  $rau  gegenüber  bem  gefeftlid)  gellen* 
ben  Rcdtt  Derid)Ied!terten,  nur  bann  als  gültig  anerfiannt  rourben, 
menn  T«  3"  (Sunlten  il)rer  Kinber  getroffen  murcn.  Illan  fiefft:  bie 
|pätrömi|d}e  dift  i|t,  im  Dermbgensied]t  3U  (Bunften  ber  S'^u,  in  ben 
pCTfönlidjen  Be3iebungen  aber  ju  ©unften  bes  Htannes  .norm''gebun' 
b«n.  l&cgcn  biefc  llicbunbent)ei(  I)a[f  lebiglid)  bie  lelalio  leidste  Si^ei* 
bung.  -  ttlenn  man  -  Alles  in  Allem  -  oon  bem  aus  ber  (6e(d|id)le  ber 
.freien"  C^e  erMärlit^rn  |d)led)ten  Srbrcc^t  ber  (ntc^l  .armen")  DDitm« 
abflefit,  |o  kann,  troft  ein3elner  ttarh  patriard)oler  Beftanbteile,  bas  buid) 
3ufttnlan  enbgaitig  feflgeflellte  römi|<^e  K  e  i  d)  s  r  e  d)  t  in  Betreff  bei 
Somilie  unb  (Elje  als  ein  tmmert]in  relalio  „mobcines"  (fiebilbt  gelten. 
$rellid)  ift,  mie  namentlt^  nillteis  geijtDoU  nadtgcmie|cn  Ijat. 
eine  obUlge  DereinI}eitHdrung  bcs  geltenben  Red)ts  im  Reid)  au(^ 
jtDei  3al)it/unberte,  nad)b<m  Saracalla  allen  freien  Reit^sbemo^nern 


1%  Die  (E^e  bei  ben  anüken  KuIturDÖIbem. 

bas  römi(d|e  Bürgerrecht  oerlie^en  Ijatte,  noc^  nic^t  eingetreten.  3ii 
öen  promn3en  6es  römifc^en  (Dftreic^s,  in  (Briec^enlanb,  Aegi)pten, 
3u6äa,  Serien,  Hrabten  liat  ftc^  bas  alte  „I'olftsre^t"  grabe  im 
Somilienrec^t,  mit  mix  es  früfjer  kennen  gelernt  ^aben,  fo  lange 
3iemli(^  3ä^  erljalten,  bis  ber  3slam  es  3erftampfte.  Die  eine,  formal' 
juriftifc^  tx)i(^tig{te,  (Eigentümltc^heit  bes  gan3en  ^elleniftifc^'Orientalifc^en 
(Bebiets:  bas  (Eigentumsrecht  ber  5^ou  an  ber  »pherne«,  n>ar  in 
bem  Rec^tsbeiDugtfein  ber  (Dft^ölfte  bes  Reichs  niemals  uerf^munben, 
unb  ber  3slam  übernal)m  es,  mie  toir  fa^en.  Die  yaotiU  vom  3slam 
übernommene,  prafttifc^  noc^  wichtigere  Derfc^ieben^eit  ber  orientali* 
fc^en  (agt)pti|c^en,  fübifc^en,  f^elleniftifc^en,  {pat«arabi{c^en)  ebenfo  gegen 
bie  a(t-griec^i|c^e  tote  gegen  bie  römtfc^e  (Ef^eoerfaffung:  bog  im  (Drient 
bie  (El^efrau  burc^  bie  für  bie  DoII>(E^e  unentbel)r(ic^e  C^efc^enkung 
bes  niannes,  im  (Dccibent  (in  biefem  ß^^  ^^o  in  fjellas  unb  Rom) 
bagegen  burc^  bie  oon  ber  5^aw  eingebrachte  ITtitgift  (dos,  pheme) 
materiell  gefiebert  unb  -  eoentuell  burc^  eine  fingierte  Rlitgift  -  in 
i^rer  Stellung  als  legitime  (Battin,  im  (5egen{a^  3U  Konhubinen  un5 
„niagben"  gehenn3eic^net  tourbe,  fanb  auf  bem  Boben  bes  römifc^n 
Reichs  baburc^  einen  geiDtffen  Rusgleic^,  bag  auc^  im  XDeften  bie 
oolhstümlic^e  Sitte,  ber  S^^^  ^o^t  Seiten  bes  IRannes  uor  ber  (E^ 
eine  (El)e{ci)enltung,  als  tDittDenoerforgung  {otoie  für  ben  So^  i^^^ 
{ci)uIbIo|en  Derftogung,  aus3ufe^en,  3U  einer  rechtlichen  Regelung  biefer 
(Einrtci)tung  gefül^rt  ^atte.  (Ebenfo  bebeutete  bie  Befc^rönbung  ber 
Derfügung  bes  IRannes  über  geiDtffe  Dotalobiehte  unb  bie  oon  3ufti> 
nian  festgelegte  „Derfangenfci)aft"  ber  bei  (Efjejc^eibung  oon  bem 
fc^ulbigen  (bauen  oermirhten  Dermögensteile  3U  (Bunften  ber  Kinber, 
eine  Hnnäljerung  an  bie  flnjci)auungen  bes  ljellenifti|djen  ®ftens.  Die 
(Einfeittgkeit  ber  lebiglici)  oäterlic^en  (Betoalt  über  bie  Kinber 
beftanb,  bei  aller  Derfci)tebenl}eit  il^res  Umfangs,  boc^  gegenüber  ber 
niutter  überall,  im  (Drient  loie  im  ®ccibent,  toeiter.  (Ebenfo  beftanb 
nod}  überall  bie  prioate,  wenn  auij  feit  3uftintan  nic^t  me^r  „grunb- 
lofe"  Sci)eibung,  unb  fd}liegltci),  unb  oor  allem,  Ratten  bie  (Briec^n 
unb  Römer  überall  im  Bexeiif  iljres  tjerrfdjaftsgebiets  bie  formal» 
juriftifd^e  RIonogamie  er3n)ungen.  Sie  galt,  mie  fc^on  enoö^nt, 
ben  (}ellenen  als  Kenn5eici}en  iljres  Unterfc^iebs  oon  ben  Barbaren, 
unb  bie  römifdje  Regierung  ftellte  fdjon  in  ber  oorc^riftli^en  Kaifer« 
3cit  ausbrücklici)  ben  (Brunbfa^  auf,  ba^  kein  ber  römif^en  tjerp 
fdjaft  unteriDorfencs  Dolk  poIi}gam  fein  bürfe. 


£tteratur.  197 

3m  Qf!atif({)«afTiftant{(^en  (Orient  blieb  allerbings  6ie  propagonba 
6er  nionogamie  infolge  bes  Sieges  öes  3s(am  o^ne  bauernben  (Erfolg. 
Das  (E^riftentum  übernahm  bagegen  für  fein  tjerrfc^aftsgebiet  feinerfeits 
bie  Aufgabe,  ber  nionogamie  aud)  fafttifc^  bie  AKeinf^errfc^aft  3U  ge« 
»innen,  burc^  Unterbrildkung  ber  oon  allen  antiken  Dölbern  (auger 
ben  3uben)  fittlic^  gebulbeten,  prinsipiell  nur  oon  ber  Stoa  bekämpf« 
ten,  fepieden  Ungebunben^eit  bes  IHannes.  Rec^tlic^  {uc^te  es  femer 
-  auf  bem  Boben  bes  Altertums  oljne  (Erfolg  -  bie  Bllein^errjdjaft 
ber  DoIIef^e  bur(^5u{e^en.  Dor  allem  aber  burc^  {einen,  ebenfalls 
er{t  naii  bem  Sufammenbruc^  ber  antiken  Kultur  erfolgreichen  Kampf 
für  bie  Unauflöslic^keit  ber  (E^e  trat  es  in  fc^arfen  (Begen» 
fa^  3u  allen,  im  Umkreis  ber  römi{d)en  lDe(t^err|(^aft  geltenben,  |on)O^I 
orientalifc^en  n)ie  ocdbentalen,  (Ef^erec^ten.  Die  enbgültige  Deklaffie* 
rung  aller  501^^"  ^<>"  Sejualbe3ief)ungen  aufeer  ber  im  3s(am 
unb  bis  ins  9.  3af)r^unbert  auc^  im  3ubentum  p  0  1 1)  gamen ,  im 
fpöteren  3ubentum  unb  Don  Anfang  an  im  dl^rtftentum  ftrikt  mono« 
gamen  „legitimen"  (E^e  aber  ift  bas  gemeinfame  IDerk  ber  am 
(Enbe  ber  antiken  IDelt  fte^enben  brei  großen  monotl|eifti|(^en  Reli- 
gionen, meiere  5uglei(^  alle  in  gleid^em  IHag  bie  p  a  t  r  i  a  r  (^  a  ( i« 
f^e  Unterorbnung  bes  IDeibes  in  ber  (El^e  als  göttliches  (be- 
bet oertraten. 

£iteratur. 

A.  a  e  9  p  p  t  e  n.  Sür  bie  Kultur9e{d)t(i)te  ift  neben  ben  mel)r  populör 
gef^altenen  Aufffi^en  Don  (Ebers  (in  6en  „Aegpptifd^en  Stubien'*)  befonöers 
€  r  m  Q  n ,  Aegi^pten  un6  ägpptifdies  £eben  im  Altertum,  2  Bönbe  ( (Tübingen 
1885)  braud^bar,  loenn  {d)on  begriff lid)  nid^t  fel)r  prasis.  Die  Arbeiten 
€.  ReDtllouts:  (^uurs  de  (in>it  c^'vpticn  (I  Parts  18s4)  un6  bas  fd)on 
rein  formell  {d)iDer  benu^bare  breite  tberk:  Trcci^  du  droit  e^ypiicn  (2  ftarke 
Bfinbe,  Paris  1903:  keine  3nl)altsangabe  ber  unförmlid^en  Kapitel  bei  größter 
IDtllkür  in  ber  Stoffeinteilung!)  {in6,  tro^  6er  erl^eblid^en  Deröienfte  öes 
üerfaffers  als  ^Pfabfinber",  nur  mit  großer  Dorjid^t  3U  benuften,  un6  3U)ar 
gilt  bies  leiöer  befonöers  für  bie  überfe^ten  Urkunöen,  6a  nic^t  nur  R. 
|elb|t  feine  3nterpretation  fortiDöl)ren6  änöert,  fonöern  aud)  feine  pi)an< 
tafie  nid)t  sügelt.  duoerlöffige  Uebertragungen  3.  B.  bei  VO,  S  p  i  e  9  e  l* 
berg:  Demotifdje  papprus  aus  6en  ITIuieen  in  Berlin  (1902)  un6:  Die  6e« 
motifd)en  papprusurkunöen  aus  6er  Strafjburger  Bibliotl)ek.  Die  delNel* 
Amarna  (Tafeln  in  U)  i  n  dt  l  e  r  s  Ueberfe^ung  in  Banö  5  6er  „keilinfd^rift* 
lidftn  Biblioti^ek"  (I)erausgegeben  oon  Sd)ra6er).  5ür  bie  ptolemäerjeit  ift. 
ndd}ft  6en  teiltoeife  aud)  auf  Reoillout  fuf)cn6en  Bemerkungen  bei  ITIitteis, 
Reid)sred)t  un6  Dolksred)t  (f.  unter  K.)  je^t  6ie  befte  Darftellung:  nieQol6t, 
Die  (Ei)e  in  Ae9i)pten  (Ceipßig  1905). 

lt.  B  a  b  p  1 0  n  i  e  n.  5ür  f)ammurabis  Kobifikution  ift  6ie  oon  Koller 
unb  p  e  i  f  e  r  kommentierte  Ausgabe  (f)ammurabis  (befe^,  I.  Ban6,  Ceipjig 


198 


Die  (Et)«  bei  ben  antifien  Kultuiuöl^em. 


1904)  am  bcquemiten  ju  beiiu^fn.  UebcTJtQungen  oon  btilinfdiriftlii^ni 
SI|euTfeunaen  befiiiöen  jid)  in  Banft  IV  öet  „Kei[in(diriftliiJ)tn  Dibliolbch', 
fttner  in  Meigners  Beiträgen  3uni  a[tbabiiloni)ci)«n  prieatie<l)t.  |ä||i}> 
Tiolo^ift^e  Bibliotl)t^,  t)»nusgegebcn  Don  DdiQld)  unb  I^aupl,  Banb  iV) 
unb  in  3af)lreid)en  anbien  publihalioncn  jeTllteut. 

C.  3ubentiiiii.  Utbet  Das  moloilt^«  Hed)!  ill  imiRtt  noi^  IH  i- 
(^  a  e  1  i  s  tnio)ai!(t)cs  R<d)t,  Ijitr  Ipejiell  Banb  2,  Stonhturt  1776)  b[aud)bat. 
Vgl  abtx  je^t  bie  parijec  ■Th^sc  oon  £ouis  ffi  e  r  m  a  in>  £  c  c  p,  U 
famille  dHns  l'aiiiiquitt  i,Ta,=lin.-  (pcris  1904).  Dom  IE  0  I  m  u  6  i(l  jt^t  (in* 
beut|d}e  Dolittdnbige  Ausgabe  aller  leile  von  Cajarus  (fiolbld^mibt 
|4  Bönbe  1897-19041  im  (Er)  die  inen,  fleltere,  mange[l}afte,  beuljdie  Utbet* 
[ctiung  bcs  f)auptle^es  |bet  niitEt)naI))  Dan  Rabe  |(DnoIbsbad)  1761).  Dos 
IE[)eT«d)t  finbcl  jii^  iiaupllödilid)  in  tteil  NI  inaid)im)  Rbtd)nitt  It  (Ketnbot). 
Uebtr  bas  lalmubil<f)e  iEt)eT<dit  ngl.  Klug  mann.  Die  ^rau  int  lalmnb 
(oergleidjenbe  Stubien  3nr  Slcllung  bcr  5^""  im  fllterlum  I.  Banb  IPiw 
1898)  unb  namtntlid)  Ht.  Duidiah,  Dos  mo|ai|d)'lalmubifd|e  i£t)errd}l  (IPiin 
1864). 

n  Biaber.  Die  ntutterFed|tsl}i)pott|e(e  bejonbers  bei  tOiilien. 
Das  T1Iatriard)at  b«i  b«n  oltcn  Acabecn;  Dor|i(f)tiger  in  bet  bie  Cigebnütt 
einer  gansen  Reilje  dou  Arbeiten  sujammenfaflenben  Befprcd)ung  oon  3. 
TD  eilt)  au  Jen  (bie  SI)c  bei  ben  allen  Arabern)  in  ben  lEöttingtr  <£(■ 
1e[)rien  f1n5cig(n  1893.    Dan    ben    bort   betprodjenen  Rrbcitcn    ijt  ttilb«m 

DJ.  RO  b.  Sm  itl),   Kinilnj.   onA   innttiaKe  in  ancicnt  Anbiü,    in    2.  Aufloft 

1904  (f)ecausgtgeben  pon  Slonlei)  fl.  Cooli)  «t|d)ienen,  nodg  immer  Dclent* 
lid)  auf  IRac  Crnnans  Srfjema  fu^tnb  unb  bie  neuere  Kritik  btt  niiiH»* 
ied)lstf)eone  nid)t  berfidi|id)tigenb.  5^^  tiie  Shi33e  bes  islamiti|d|tn  C1)r- 
icd)ls  iit  I)iei  bie  Thtsi-  oon  R.  Eiilou  (mu^ammebonifditt  fligtiteri,  tiixli 

sur  ia  cuuüUiun   )Qniii.|Uc    dt-s   fcmims  mlisulmane.s.  l'atis    iS.jf,,    benu^I    Unb 

btaud|bar.  Dom  Koran  e|i|lieren  jotilreid)«  Utberie^ungen  (ou<^  bei  Reklam). 

E.  iSTiedieuIanb.  Don  ben  (ßueI1«n  liegen  auger  ber  belletiilli' 
((^*n  unb  l)i|töril(f)en  Citeralur  aud)  bie  mei(len  Heben  bes  Demoiltienes  unb 
pieubo.Otnio|tl|enes,  3)005,  EiiJias  in  Ueberfe^ungen  oor,  oor  allem  ob« 
bas  Hed|t  Don  (borli;»  in  btr  Ausgabe  von  $.  Büd)eltr  unb  iE.  ZittU 
mann  iRt)eini|(t)es  ITIufcum  für  Philologie,  Banb  40).  Die  Srage  ber  IRono- 
gamie  i]!  in  ber  unter  r  silierten  Sdjrift  oon  p.  Ri  e  i|  e  c  oudi  für  Sri*. 
d|enlanb  hui3  3u(ammenfaj(enb  bel^anbell.  Söt  att|eniid)e$  iIE)etc<^t  i|t  je^ 
bie  elmas  übermäfii^  breite  Darflellung  oon  C.  Benud)et,   lliMoiii'  iIb 

Jroil   priii'  dt   Ia   [ii.DHIi<]ue  Alhi-nitniK-,   l'aris   I^ciy,   öflS  r)<]uptn>erfl,  obtOOl^ 

mand)e  feiner  fjifpolljeien  unb  uon  bet  dlteten  Ciletotur  obiDeid)enben  flu- 
Iid|ten  3meifell]aft  er|d}einen  müfjen.  Sür  bie  iiulturge|d)id|i[id)en  Derifült. 
niijt  ift  3-  Burhl^arbts  altes,  neuerbings  1)  er  ausgegeben  es  Kollegbefl 
über  bie  ,.<Kned)i!d)e  Kulturgcfdiidite"  in  ben  auf  bas  5rauenleben  tit3iig* 
lid)en  Seilen  biaudtbar. 

F.  Rom.    Die  monograpfiifdie  Citeratur  über  juriilildje  Probleme  bes 
Dotal',  Srauenerb-  unb  tjausgemall.Rcdjts  ift  unecmeglit^.  Don  ben  venigee 
umfongteid|en    jufammenfaljenben    „Reditsgeldtidtten"    ijt   S  r.    Sif|ulin, 
Ztifibui)  ber  (Ee|d}id)te  bes  Tömiid)en  Red)ts  (Stullgarl  1SS9)  mefenilid)  ffti 
Repetition53n)edie  ber  Slubierenben  berecl)net,  batjer  fiillematijd).  fiait  liiltM    i 
ri|d)  georbnet,  pabelletli's  ins  Deui|d)e  fibetfefilei  Bud)  etioas  ju  knapp  3»  J 
fafet.  p.  aiibc.ffsmetn,  K.mic  ^j-  i.  c,i..ii[,M„  ,.r,«,-,.  ,1,- h>  f,-,„„.c  [Poritl 
ISS.*)!  eiitl)äll  aud)  eine  Dnrftellung  ber  römifdien  Red)tsenla)idilung,  in  bn^ 
aber  bas  S,  C  Dellejanum,  bas  ur|prünglld]e  ^auptobjekt  ber  Schrift,  oi^i  ' 
|el)t  in  ben  Dotbetgtunb  Irilt.     4^.  Eef^bpie.  l.hiM.i.rf    du   dr.>u  im- 
irimonial  fringni-  iporis  1900),  gel)!   ebenfalls  barauf  ein,   mit  ganj  Über- 
Itiebenei  Sd)a^ung  bes  d)rifilid)cn  üinflulies.  51'  bie  |pät)iai|erlitl)e  ,IDtU' 
ted)tS->€nt&iiAluiig  i|t  £.  IR  i  1 1 1  i  s ,   Rtid)sred)t  unb  Dolfi»e<t)t   in 


£iteratur.  199 

öftÜAen  prooinjen  bes  römi|(^en  Kailerreic^s  (teipsig  1891)  grunblegenö. 
5ür  oie  itttiDidilung  bes  Konftubtnats  i)at  bie  offenbar  |e^r  exakte  Unter* 
fud)ung  oon  p.  nie  per,  Der  römt|d)e  Konftubinat  (£eip3tg  1895)  mand)e 
frfl^ere  (Tl^eorie  mobifisiert.  Sflr  bie  Kulturge{(^i(i)te  |tnb  neben  ber  „Sit« 
tengej(^i(^te  Curopas"  oon  tD.  €.  f).  £edti}  (dberle^t  Don  f).  3oIoQ)tc3, 
£eip3tg<f)etbelberg  1870)  befonbers  bie  betreffenden  Partien  in  £.  S^i^^' 
loenbers,  Sittengefqi^te  Roms  (4.  Auflage  £eip3ig  1873)  3.  ITlar* 
quorbt,  Das  prioatleben  ber  Römer  (2.  Auflage  £eip3ig  1886),  für  bie 
Stellung  ber  Stauen  in  btn  (^riftlic^en  Urgemeinben  A.  f)ausrati)'s  Reu* 
teftamentli(^e  3eitge|(^id|te,  für  bie  €^eauffaf|ung  ber^toa  A.  Boni)dffer, 
Die  €t^ift  bes  Stoifters  €ptfttet  (Stuttgart  1894)  3U  Dergleichen.  5ür  bie 
ökonomi|(^'|o3iaIe  ^nttoidilung  ift  ITla;  IDebcr,  Römifc^e  Agrarge{d|i(^te 
(Stuttgart  lb91)  le^tes  Kapitel,  unb  be|{en  Huffa^:  Die  |03ialen  (brünbe 
bes  Untergangs  ber  antiften  Kultur  (in  Rr.  63  ber  n)al)r^eit,  Stuttgart  18%) 
benuM.  Dom  Corpus  Iuris  e^iftiert  eine  beutfc^e  Ueberfe^ung  Don  ((Dtto, 
Shilling  unb^  S  i  n  t  e  n  i  s ,  2.  Aufl.  £etp3ig  1839  ff.,  7  Bönbe;  eine  neuere 
t|t  im  €rfd|etnen. 


200 


III.  Kapitel. 

Die  <E^e  im  germani|^*mittelalterli^en  Re(^t. 

A.  Altgermantldies  unb  5eutf (^*mtttelalter(t(^e$  Re<^t 
S.  201—241. 

tDtrtfd|afts*  unb  Redjtslage  5er  Samilie  3U  dacttus'  3ett.  Hngebltd^cs 
ITlutterredit  S.  202.  —  patnarc^aUsmus  unb  f^errfdiaft  bes  ITlannes  über 
ble  Srau  (»munt«)  S.  204.  —  poIi)gamle  unb  Kebse^e  S.  206.  —  IDaffen- 
unffi^tgkeit  ber  S^au  unb  6efd|Ied|tsDormunbf(^aft  S.  210.  —  ITlüberung 
ber  ^ausl)errltd|en  6eiDaIt.  (Hinflug  bes  (E^riftentums  S.  211.  —  5<>rt^<* 
\tanb  bes  patrtard|QUsmus  in  btn  per{önUd|en  Besie^ungen  ber  €^egatten 
im  beut{d|en  ITIittelalter  S.  215. 

Dermögensred|tlid|e  Derl)öltni|fe.  Urfprünglic^er  Aus« 
|d|Iu6  ber  (L5d)ter  Dont  6runbbe{i4  S.  217.  —  Kontrafttlic^e  Sicherung  ber 
5rau  in  ber  legitimen  (E^e  S.  218.  —  Beginn  ber  (Enttoi^Iung  eines  „ef^e« 
Itd|en  (büterredits"  S.  220.  —  3mmobiIiarerbred)t  ber  (Löd|ter  unb  3mmo« 
biliarbos  3U  6unften  ber  tDihoe  S.  221.  —  So3iaIe  Derfd|iebungen:  £e^n« 
mefen  S.  222.  —  Ari{toltrati{d)es  (Ef)egüterr ed^t:  tDittum  unb  £eibgebinge 
S.  222.  —  „Gemeines"  (EI)egüterred)t:  Prin3tpien  ber  (bütergemeinfd^aft 
unb  6üterDerbinbung  S.  224.  —  (Dekonomifd|e  unb  f03tale  Bebingungen 
ber  6ütergemein{(i)Qft  S.  226.  —  Hed)tlid)er  3ni)alt  ber  6ütergemetn|d)Qft 
S.  227.  —  ini|(f)fonnen:  (Errungen{d)Qftsgemeinfd)Qft,  Derfangen{d|aft  unb 
(Leilred)t  S.  230.  —  Bebingungen  unb  S^Igen  ber  (büterDerbinbung  S.  231. 
Das  5<t4^nts^^<4t  bes  Sa(i){en{piegels.  6erabe,  Ungerabe,  ITlugteil,  ITlor« 
gengabe  S.  232.  —  pralttifd^e  Bebeutung  ber  Derfd)iebenen  6tlterred)ts< 
{p|teme  für  bie  S^^u  S.  235.  —  Dorbringen  unb  be{d)rönftte  Bebeutung  bes 
römt{(i)en  Red^ts  S.  240. 

H.  6ermani{d)es  unb  r5mt|d)es  Rec^t  bei  btn  romani> 
f(f)en  Döhern  S.  241—249. 

3taUen  S.  242.  —  Spanien  S.  245.  —  Srauhreid}  S.  247. 

C.  (Englijdjes  Redjt  bis  3ur  mobernen  Reform  S.  249— 261. 

(Eigenart  bes  englifd^en  common  law  S.  250.  —  Prin3tp  ber  »ideniity« 
unb  »coveriure<  im  (El)eredjt  S.  251.  —  ©üterred^t  S.  252.  —  IDtttum 
(dowcr)  ber  S^CLU  S.  254.  —  S^wbaler  (Ef)arakter  bes  engli{(^en  €^ered)ts 
S.  255.  -  Red^tsoerljältnis  3U  ben  Kinbcrn  S.  255.  —  (Equiti)*Red}tfpre* 
djung  3u  6un{ten  ber  S^^u  S.  257.  —  Sonbergut  ber  (Ehefrau  unb  restraim 
on  anticipation  S.  258.  —  Red^tltellung  bes  unet)eli(i)en  Kinbes  S.  258.  — 
flnl)ang:  SltanbinaDi{(i)es'mitteJaIterItd)es  Red)t  S.  259. 


A.  Oltgermanifc^es  unb  6eutf4'mittelalterli(^s  Rec^t.       201 

D.  5afitif(^e  Zaqt  6er  mittelalter liefen  5rau  S.  261— 276. 

Bedeutung  6es  fianoni|(^en  C^erec^ts  fflr  bie  C^emoral  S.  261.  —  infi6> 
^enbUbung  S.  263.  —  <be|en|(^aftlt(^e  Stellung  ber  Stau  in  ber  Srfl^seit 
IS.  265.   —   Bejie^ungen  ber  (hatten  S.  265.  —  3ettatter  bes  ritterU^en 

Srauenbtenftes.  Sein  €influb  auf  bie  ge|enfd}aftlid)e  Stellung  ber  5rau 
S.  265.  —  €influ6  auf  bie  €^emoraI  S.  266.  —  Sejualmoral  in  btn  Stäbten 
S.  269.  -  U)irtl<^aftli<^e  £age  ber  Srau.  Die  (Lätigfeeit  ber  fjausfrau  S.  270. 

-  Die  £age  ber  unoer^eirateten  Srau  im  Der^ältnis  3ur  C^efrau  S.  274. 

£it er at u r  S.  277. 


A. 

Um  ein  an{({)auli({)e$  (Befamtbilb  von  ber  (Entroiddung  bes  mittel- 
olterltdien  (E^erec^ts  3U  getoinnen,  müften  toir  auf  eine  (Epoche  iuxüA» 
greifen,  in  ber  unfre  Dorfa^ren  nod)  btesfeits  ber  (Brense  ftanben, 
iDel^e  bie  KuIturDÖIfter  uon  ben  naturoölltem  fc^eibet.  (Einige  IDieber* 
Ölungen  in  ber  Sd^ilberung  {(^on  bekannter  (Erfc^einungen  fmb  babei 
ni^t  3U  oermeiben,  benn  getoiffe  für  primitioe  (Entn)i(b(ungsftabien 
cl^akteriftif({)e  3üge  bes  Red^ts,  bie  mir  [c^on  an  anbren  Dölftem 
beoba^tet  ^aben,  finben  fid)  au(^  bei  btn  (5ermanen. 

Als  fie  3u  (Eöfars  Seiten  ben  Zid^tixtis  ber  (Befc^ic^te  betraten, 
trug  t^re  Cebenstoeife  bas  Doppelgepröge  3iDeier  lDirt{d)aftsformen, 
bie  erft  bei  ^o^erer  Kultur  3U  fo  unlöslicher  (Einheit  i)er{(^mo(3en 
omrben,  bag  i^r  oerfd^iebenartiger  (Einfluß  auf  bie  Sormen  bts  (bo 
meinfc^ftslebens  nic^t  me^r  3um  Ausbrudk  kam.  (Ein  groger  (Eeil 
ber  germanifc^en  Stämme  toar  bamals  auf  kriegeri|(^  erobember 
IDanberfc^aft.  Die  IDirbungen  ber  IDanberungen  unb  ber  ftarben 
Bebeutung  bes  Die^befi^es  unb  Beutemac^ens  brüdkte  il^rem  äußeren 
Dafetn  ben  Stempel  auf.  Die  gemaltige  Dölltermoge  er^ob  fic^  Don 
Seit  3U  Seit,  oon  bfirftig  befiebelten  (Bebteten  3u  neuen  eilenb,  |obaIb 
bie  natur  nid)t  me^r  mühelos  bie  materiellen  Bebürfniffe  befriebigte, 
babei  ^aufig  bie  (Bren3en  ber  Hac^barftaaten  über|d)n)emmenb,  bis 
bas  römi{d)e  Reic^  i^rer  Unftötigheit  Dorlaufig  fefte  Schranken  50g. 
3^  Reichtum  beftanb  3um  fcf^r  erljebüc^en  (Teil  in  ben  Diefjfjeröen. 
Daneben  biente  aber  Don  )el}er,  aud}  in  oorge|(^id)tli(^er  Seit,  felbft 
ben  toanbemben  Stammen  ber  Hdterbau  5eita)eilig  als  Ral^rungsqueUe, 
unb  imax  mit  fjilfe  Don  lDerh5eugen,  bie  auf  eine  lange  Sad^itunbe 
fc^Iiegen  laffen.  Sie  kannten  im  (Begenfa^  3U  ben  Römern  ben  Pflug 
im  eigentli^en  Sinne  öes  IDorts,  unb  im  (Begenfa^  3U  früheren  An> 


202  Die  (E^e  im  geTmanifd)*mitteIaIterKd)en  Re^t 

{d)Quungen  ertDeifen  bie  neuften  5or{d)ungen  auc^,  bag  (Eafors  Crjo^' 
lung  von  ber  genoffen{d)aftIi^en  ProbufttionstDcife  groger  Vexwanbt' 
f^aftsperbönbe  ft^  eben  nur  auf  biefe  Stamme  besiegt,  bie  nac^ 
Perioben  ber  Seßhaftigkeit  tDieber  eine  jahrelanges  toanbembes  Krieger« 
leben  führten  unb  tDö^renb  bie{er  3eit,  allerbings  nur  poriiberge^enb, 
von  i^ren  Stammespuptern  5um  fläerbau  {05ufagen  „ftommanbiert' 
tDurben.  0b  bagegen  bei  ben  feg^aften  Stammen  bie  Sippe  and^ 
eine  probufttionsgemeinf^aft  VDOt,  ift  pollftänbig  ungetDtg.  (Ero^bem 
mug  aber  i^re  Bebeutung  unb  i^re  Iltad)t  für  bie  C^iftens  bes  (Ein* 
seinen  no^  überragenb  getDefen  fein:  fie  allein  getDä^rte  i^m  Rechts* 
{d)u^  unb  Sic^er^eit  für  £eben,  (E^re  unb  (Eigentum.  Die  Bebeutung 
unb  Art  ber  Sippenorganifation  ift  nun  au^  eine  ber  (Eatfa^en,  bie 
von  mannen  mobemen  5orf^em  als  Argument  für  bie  Annahme 
einer  allgemeinen  inutterred)tsepod)e  unferer  inbogermani|^en  Dor« 
fahren  angeführt  tx)irb.  Aber  tro^  feigen  Bemühens  unb  ^i^iger 
Kontroperfen  ift  es  ni^t  gelungen,  fixere  Betx)ei{e  bafür  3U  erbringen. 
IDas  5.  B.  einer  ber  getDiffen^afteften  ber,  jene  Qi}pot^fe  oertretenben 
5orf^er,  Dargun,  als  {ol^en  anfpri^t:  bie  Beporsugung  ber  ITlutter« 
pertDanbten  bei  ber  (Erbfolge  in  betDegli^es  (But  in  einem  ber  olte^ 
germanif^en  Re^tsbenfemäler  (Lex  Salica),  erWärt  ber  für  bieje 
(Epo^e  unbebingt  {a^ftunbigfte  (Bermanift,  Brunner,  überseugenb  als 
neu{d)öpfung  einer  relatip  fpöten  (Epod)e,  bie,  grabe  umgeftel^rt,  ent« 
gegen  it)rem  bisherigen  grunbfa^ti^en  Ausfd)Iug  5um  erftenmale 
im  altgermanif^en  Re^t  überhaupt  au^  bie  ntutterpertDanbten  5ur 
5amitie  red^net.  IDeitere,  ebenfalls  mutterred)tli^  gebeutete  Beftim« 
mungen  bes  gteid^en  (Befe^es  füt)rt  er  fogar  auf  römtf^«re^tli(^e 
(Einflüffe  5urüA,  unb  über  bie  Bebeutung  anbrer  Red)tsetgentümli(^' 
ketten  tDogt  ber  Streit  ber  Uteinungen  no^  ^in  unb  ^er.  Allerbings 
ift  bie  rabikate  Abtet^nung  jebes  Dorkommens  Don  IHutterre^t  nid)t 
unbebingt  stoingenb  ertDiefen.  Die  Don  (Eacitus  beri^tete  (Eatfad^e, 
ba^  bei  einigen  Stammen  au^  ber  Rtutterbruber  gegenüber  ben 
Kinbem  eine  autoritäre  Stellung,  öt^nlid)  bem  Dater,  einnahm  unb  oft 
als  ber  ßUDertöfftgfte  (Betfei  galt,  lägt  fid)  nid)t  toegbisputieren.  Aber 
ni^t  nur  toäre  beibes,  3.  B.  als  Ausflug  bes  Dorkommens  Don  „Bina- 
(Eljen"  natürli^  aud)  oljne  jebe  Besugnaljme  auf  „ntutterre^t"  er» 
klärt,  fonbem  Dor  allem  kann  biefe  Stellung  bes  IHutterbrubers 
allein  überl^aupt  nt^ts  entfd^etben,  ba  bei  entrotAeltem  5<i^Uienem« 
pfinben,  grabe  unter  ber  Qerrfd)aft  bes  patriard)alismus  unb  ber  po* 


Iilgamie  tx  her  tiatüilid)e  Sdjirm»  feinet  Stl^tDeftet  vnb  il}cei  KiitCier 
gtgtnfltieT  tut  IDiUliür  bes  Daters  ift.  Uni  in  htm  allein  niadget» 
tldren  Punkt:  btx  i£e1lallung  bes  (Erbrechts,  ift  bei  (Eacitus  auf  bas 
Un3tDei6euti9ftr  öie  Ifibfolge  DOm  Dcitei  auf  bte  Kin&er  unb  bann 
auf  bie  beibei(eiligen  nä(^|ten  DcttDanöteii  (unter  öenen  öet  Datei- 
biuber  3uetjt  genannt  iftf  beseugt.  Das  iDäre  alfo  beiöeifeitige  Der< 
iDanMi(^aft$]UTe(f)nung:  ein  mciti  jltmlid)  jpätes  (Entmtdtlungsttablum, 
tpenn  man  nirfft  annet)men  min,  öafe  Cacitus  biet  unteretnonöer  wr« 
|d}ie&ene  (Erborönuncien  Deric^iebenei  Ddlftei{d}aften  mtteinanber  Der- 
mengt.  Unö  es  finben  fid)  grabe  in  benjenigtn  KedilsqueHen.  ii)eld)e 
am  rein|len  gtrmaniicf)es  Red]!  enlt)alten,  ben  angellödiriftticn,  to 
mairioe  Dokumente  Don  ftrihtem  patiiard)alisinus,  bag  an  beffen  lli- 
müdfllgheif  nid^t  511  jiveifeln  ift.  Set)t  q)oI)1  mögltd)  unb  logai  niattr* 
(dffirtlidf  ift  bagegcn,  ba&  audj  Ijicr,  mit  |o  oft,  ts  Dorkatn,  boft 
Krmögenbe  unb  atinenftol^e  Sippen  üjre  SÖi^ter  nur  ju  unerldfising« 
lldgcn  pntftn  ober  aud)  gar  nid^t  bem  freier  in  (ein  tjaus  folgen 
litten.  no<4  in  öen  langobaibttdien  Sc^^"*'«  i<*irb  bet  S<^^  oli 
mögiii^  Dorausgefe^t,  ba%  ber  lllann  bas  Illunbium  nt(^l  erworben 
^t.  ftlsbunn  blieb  notürlid^  ber  Befly  bei  5iau  bei  il)iem  ICobe  in 
ii}rti  $amilie. 

3m  übrigen  können  bie  enlaild(lungsgeid)i(f)tlid)en  5or|dtungen 
fibet  bas  etopaige  Dotfconimen  »on  niuttettedil  bei  unfrcn  Dorfafjun 
nad)  ntc^l  als  abge|d|loffen  gellen.  Uns  aber  kann  bies  ungelöflc 
Problem  nldft  mtl]i  ionberüd)  etregen,  feit  mli  tpiffen,  bafj  5.  B.  bas 
blofee  Dorkomnien  oon  .Bina"-iEljen  mdjts  für  iljre  Bebeutung  oli 
cinftmaliger  Duid)gangsftufe  bemetft,  unb  ba^  aud)  eine  au5gebet)nle 
^Itung  bes  .lUutterredrts"  In  |old)en  Sollen  uns  nod;  keinen  Auf' 
|(^Iu|  über  bie  Stellung  ber  Siaa  gäbe.  Keine  ein5ige  Spur  beutet 
barauf  !tin,  ba^  i[)i  bas  germanift^t  Rec^t  ober  bie  gcrmani|d)c  Sitte 
t  e  m  a  1  s  eine  beDor.<tuglc  Stellung  angeroiefen  liabtn ;  Reftc  eines 
.matriarc^ats"  finb  niigenbs  ]U  entbcdien. 

Dielmetjr  treten  fd)on  3U  lacitus  Seiten  bie  IDirhungtn  ber 
liriegeil|(^cn  (E^iltenj:  ber  dneb  bes  lüannes  nad)  peiiönltdicT  Un* 
gebunbenlitit  unb  fein  llladitbebiirfnis  gegenüber  ben  r^ausgenolfen, 
^nbgitifltd)  3U  läge.  Dci  5"il)eitsbTäng  bes  lllannes  freüid)  hrfujt 
fl<^  im  Deiliältnis  nad)  .uu^en'  mit  bem  6ebanken  bei  (Mefd)lKil 
aOtt  Krieget  unict  elnanbet.  Der  (^runb  unb  Boben  ift  mot)!  oon 
m.jüttt,  icbenfaDs   fd)on   Dor  ber  Dölkermanbtiungsjeil,  btn   einjclnen 


204  Die  (E^e  im  germanif^'mittelalterlic^en  Re^t. 

Qausporftönöen  5ur  ITu^ung  ilbertDiefen,  aber  bie  3bee  öer  öbono- 
mifc^en  (Blei^ftellung  aller  (Benoffen  an  Dorf  unb  Utarft  Ronimt  in 
ber  über  fe^r  Diele,  unb  stoar  grabe  bie  ^reinften"  (Bebiete  beutf^er 
Befieblung  ^errf^enben  flgraroerfaffung  3um  flusbrudu  3eöe  ^aiis* 
gemeinfdjaft  erhält  babei  als  „Qufe"  in  jebem  ber  (Eeile  ((Betoanne), 
in  tx)eld)e  bie  5^Ii^^<i^ft  serlegt  tx)irb,  ein  gleid)  großes  Canbftüdt 
unb  nimmt  augerbem  5U  gleiten  Redeten  an  ber  „AUmenbe"  (IDeibe 
unb  IDalb)  teil.  5ür  bie  BeaAerung  mug  fie  fic^  infolge  ber  ,,<Be* 
mengelage"  ber  sa^Ireic^en  flAergenoffen  btn  Regeln  eines  gemein* 
famen  lDirtfd)aftspIans  („Slurstoang'O  unterorbnen,  unb  au^  re^tli<^ 
tritt  bie  (Bemeinbe,  anf^einenb  nod)  im  falifc^en  (Befe^,  menigftens 
bann  tDieber  in  i^re  Re^te  am  £anbe  ein,  toenn  eine  Qausgemein* 
fd)aft  bur^  ftinberlofen  (Eob  erltfc^t.  Dauernb  an  bie  Qausgemeinf^aft 
gebunbenes,  b.  ^.  alfo  ,,erbli^es'\  (Eigentum  ift  {ebenfalls  ^ier,  niie 
immer,  am  fril^ften  bie  Qofftötte  unb  bas  fte  umgebenbe  (Bartenlanb. 
(Es  ^errfd)en  roenigftens  bei  ben  Bauern  f^on  frfi^  nic^t  bie  großen 
Qausftommunionen  ober  bie  umfangreid^en  (Brogfamilien  bes  Sübens 
unb  0ftens.  Stoar  kommen  Qausgemeinf^aften  bes  Daters  mit  feinen 
verheirateten  Söhnen,  ebenfo  |oIc^e  pon  Söhnen  nad)  bem  (Eobe  bts 
Daters  überaus  ^öufig  Dor,  aber  auf  bie  roeiteren  Derroanbtfi^ofts* 
grabe  erftreAt  fi^  ber  Beftanb  ber  Qausgemetnf^aft  feiten;  fie  oer« 
fällt  fd)nell  ber  (Eettung.  (Es  übertoiegt  alfo  f^on  in  fe^r  alter  Seit 
ein  ber  Kleinfamtlie  angenäherter  Umfang  ber  Haushaltung.  Sie  ift 
normale  (Trägerin  bes  3n^iDibuaIbcfi^es  gegenüber  ber  (Bemeinf^afi 
Das  (Drganifationsprinßip  biefer  relatio  nic^t  an5u  umfangreid)en 
5amilic  aber  ift  b\^  3bee  ber  Hlannesljerrfdjaft. 

Aue,  bie  bas  ^aus  umfdjliefet:  S^QU,  Kinber  unb  (Beftnbe,  finb 
5unäc^ft  in  gleichem  niage  ber  (Betoalt  bes  Hausherrn  untenoorfen. 
Seine  Derfelbftänbtgung  gegenüber  ber  Sippe  beftanb  eben  barin,  bag 
bie  Qausinfaffen  bie  (Objekte  feiner  flUein^errfc^aft  unb  niemanbem  als 
it)m  botmägig  toaren.  Die  Summe  feiner  Rechte  bilbet  bie  patriar^ale 
QausgetDalt.  Heben  tt)r  bleibt  kein  Raum  für  3nbiDibuaIred)te  ber 
anbern,  unb  fein  Redjt  crftredit  fid),  loie  in  Rom,  fotoo^I  auf  i^re 
Perfon,  roie  auf  iljr  Dermögen.  Die  S^^u  genofe  3iDar  bei  ben  (Ber« 
manen  in  getDtffem  Sinne  eine  relatio  l)ot)e  XDertfd^ö^ung,  toar  fie 
bod}  (Benofftn  bes  Dlannes  auf  feinen  IDanberungen  unb  3un>eilen 
felbft  im  Kampfe,  bcforgte  fie  bo^  nic^t  nur  ben  ^aus^alt,  fonbem 
Dor  allem  aud}  bie  oon  bem  freien  ITIann  —  auger  in  5ä!Ien  ber 


1  unb  6eut[d)<mittela1teilii^es  Heilet.       205 

DCTfdfmäftte  Acheraibeit.  Aber  it^r  roirtfii}aftlid)er  Ilu^eii  fanb 
te^tlti^en  flus6ruA  nur  in  öer  fjöijt  ^es  IDergdöes,  bas  öet  ITIörter 
für  bit  <£i{d)la9cnr  an  i[)re  Sippe  entTid)tcn  mu^te.  Diefes  mar 
nämlid)  bei  btn  tntiltcn  Stämmen  ebenio  ijort]  unb  bti  einigen  - 
füUs  bie  (Sctolete  im  gebötfätiigen  flitct  (tanö  -  |ogar  tioppelt  imft 
breifädf  |o  Ijod)  mie  bas  n)ergelb  bes  ntannes.  Aber  biete  5UT 
iltjaTahteTilteTung  ber  I}oif)fd]ät}ung  gcrmani|ct)cr  5rauen  ()äufi(|  sitierte 
Ilattcidie  bringt  Itbiglid}  it)Te  allgemeine,  aud)  im  Drauthaufpreis  [\A) 
äugtmbe  Bewertung  als  PTobujenlia  uon  Ktnbern  —  ttfinftigen 
Kamptgenoffen  -  jum  flusbni*.  Sür  il)te  Hecf^lsflellung  bein  ein- 
gehen ntanne  gegenüber  ift  |ie  belanglos,  ganj  ebenio  mic  bie  t]ot]e 
aitTli(f)aftli(l)e  S(f}ägung  öer  Shlaoeiiarbeit  im  flilertum  für  beren 
Red)tsflellung  ober  f03iale  S«f)äfiung  belanglos  mar.  lDiTt((f)aftIid)e 
.Bebcutung'  unb  red}llicl)c  ober  tojtale  Cagt  get)cn  eben  an  fid)  in 
keiner  U>eije  fjanb  in  Ijanö.  Der  UTann  allein  ilt  ber  fjerr  unb  bas 
Ijaupt  btt  Somilie.  $rau  unb  Kinber  „getjöien'  Ofm,  unb  (eine  (Eigen- 
tumsgemall  über  bie  Seinen  mirb  bei  ben  (Kennanen  genau  |o  gut 
ipie  bei  allen  primitiven  Dölhcrn  auf  ben  redjtmäfeigen  Kauf  ber 
5  r  d  u  begrünbet.  Unb  jmar  war  aud]  bei  ben  Oiermanen  ganj 
jmeifellos  junäd^fl  bie  Perlon  ber  Braut  fclbft  (I>bic)tt  bes  Kaufes. 
Die  berbe  gefd|äftli(i)e  ftuffaffung  öer  lEt^eidilie^ung  fpiegelte  nod; 
bcutlid)  ein  angelfäd){iii^es  (£e[e^:  .n)enn  man  ein  mäbd^en  häuft, 
fo  |et  es  mit  bem  Kauf  gehäuft,  falls  hein  ([rüg  babei  ifl.  3|l  aber 
Znig  babei,  \o  bringe  er  fie  narf)  I^aufe  3urfldt,  unb  man  gebe  il)ni 
jein  (Selb  mieöei."  Das  flnb  elma  öic  Regeln  bes  Diei)t)onbels.  Unb 
dl^nlitt)  cerpflid^tet  König  Aettielbirll]  ben  (Etjebredier  jur  Cieferung 
einer  anbten  Srou  an  Stelle  öer  Dcrffiljrten,  aicl(^  legtere  er  öem 
iftfemann  überöies  mit  it^rem  IDergelb  abkaufen  |olI.  3nfolgeöeffen 
galt,  unbefdiabet  öer  oon  Sacitus  berid^teten,  abergläublfdien  DeTet}iung. 
n)eld)e  gennani|d)e  5r>i"t<t  g'noffen,  noenn  man  itfnen  proptfeltjc^e 
(Eaben  unb  3aubertiräfte  jutraule,  öie  6attin  bem  Rtanne  gegenüber 
red)lli<^  nld)t  als  Perlon,  (onben  als  Sadfc.  Das  burd;  öen  Kauf 
begrünbete  H(d)t5oerl)ältnis,  -  roie  ber  Kaufpreis  •mumlium-,  -niiim- 
genannt  -,  beseidjnete  genau  wie  bie  römlfdie  manus  ein  (Semalt-, 
nidjt  ein  5d)ut)Dert)öItni5.  Si^mbol  ber  •nmui.  mar  öcst^Ib  bas 
Sd)i»ert,  bas  öer  Derlobcr  bes  Ifläbdiens  bem  Bräuligam  &beneid)te. 
Der  mann  oerteibigtc  bamit  bas  Ceben  öer  Seinen,  konnte  es  aber 
aud)  gegen  fie  felbft  rtd)ten.    flu  Konlequenj  feines  <Elgentumsnil)ts 


206  Die  (E^e  im  germonif^'miitelalterli^en  Re<!^t. 

ftonnte  er  ^ier,  toie  überall,  roo  bie  öffentltd)en  (BenKtlten  ber  patriar« 
d^alqtwali  no^  fteine  Sd)ranken  fe^en,  qu^  bie  5^^u  töten,  oer* 
f^enften,  Derlei^en,  Derftaufen  unb  le^ttoillig  oermac^en,  unb  \owo\fi 
bie  Sage  toie  bie  (Befd)td)te  roeig  von  ber  toirhli^en  Ausübung  6ie|ct 
Hed)te. 

Aud)  i^ren  Kinbem  gegenüber  befag  bie  5tau  ebenfotoenig  Red|te 
©ie  im  alten  Rom.  ITad)  bem  (Eobe  bes  Daters  ging  —  ©ie  bort  - 
bie  >munt€  über  fie  ni^t  etma  auf  bie  niutter,  fonbem  auf  ben 
nad)ften  mönnli^en  DaterDertoanbten  (^^S^roertmagen")  über.  3n  ber 
Regel  tDurbe  fd)on  ber  me^r  als  I2iä^rtge  So^n  niuntioalt  feiner 
niutter  unb  (Befc^tDifter,  unb  bei  einigen  Stammen  konnte  fi^  fogor 
ber  ftebenjö^rige  fd)on  ba5U  auftoerfen. 

Die  überall  bas  IDefen  bes  primitiüen  patriard)alismus  beftim* 
menbe  Auffaffung  ber  S^^^  <its  Sad)e  {piegelte  fid)  au^  bei  unferen 
Dorfa^ren   beutli^   in   ben  für   bas   gefc^le^tlid)«ftttlic^e   Der^ltcn 
geltenben  Rechtsnormen.    Die  Don  (Eacitus  gepriefene  unb  feitbem  oft 
als  {pe5ifi{c^  germanifc^es  Utonopol  in  flnfprud)  genommene  Sitten* 
rein^eit  wax  Derpfli^tenb  natürlich  nur  für  bie  5^^u.    Itliga^tuiig 
ber  (Bef^le^tse^re  rourbe  nur  bei  ber  5^flu  als  IHiffetat  ö{fentfi<^ 
beftraft.    3^^^"  Hlitf^ulbigen  traf  nur  eine  (Belbbufee,  bie  er  an  t^ 
Derwanbten  entri^ten  mugte,  ba  fie  nun  bas  ütäb^en  ni^t  me^r  31 
bemfelben  prcije  loie  bie  3ungfrau  Derftaufen   konnten.    Der  Brau* 
tigam  burfte  bie  fd)ulöige  Braut,  ber  (baut  bie  fc^ulbige  (Battin  felbft* 
Derftönbli^  o^ne  toeiteres  töten  ober  fie,  falls  er  i^r  £eben  fronen 
tDonte,  fc^impfli^  Dcrftofeen.   Bei  ben  Burgunöem  iDurbe  fie  oon  i^rer 
eignen  Sippe  im  Sdjlamme  erftiit.  -  (Eine  abermalige  Der^eiratung 
ber  IDittDe  galt  nad)  (Eacitus  manchen  Stämmen  als  anftögig.   5^^^f<4 
konnte  [xt,  ba  bie  S^Qu  ja  Bcfi^objcRt  öcr  (Erben  bes  ITIannes  loar, 
gegen  öeren  IDillen  überl^aupt  ni^t  erfolgen. 

3m  Kontraft  ba3u  ftanb  auc^  bei  unfrcn  Dorfa^ren  bas  bem 
manne  erlaubte  ITIaB  {e|rueller  5^^^^^^^^^.  Die  (El)e  galt  3tDar  bem 
Dolksbewugtfein  als  innigfte  £ebensgemetnfc^aft,  unb  (Eacitus  berichtet, 
öag  öie  (Bermanen  fi^  „faft  allein  oon  allen  Barbaren"  mit  nur 
einem  IDeibe  5U  begnügen  pflegten,  aber  polt}gamifc^e  Derbinbungen 
toaren  re^tli^  bem  Dlanne  erlaubt,  unö  il^re  (Bebräud)lid)fteit  bei 
benen,  bie  iljre  Koften  3U  tragen  oermodjten,  btn  Surften  unb  Dor» 
neljmen,  l)at  öie  (Bef^ic^te  überliefert.  Dabei  blül^te  in  jenen  Kreifen 
neben  öer  allmäljli^  3urü*tretenöen  Doll«poli}gamie  bie  Qalb'Pofa)« 


r 


A.  flltgeimanifd^cs  unCi  tieut|d)>mitlr1alteTlid)es  llcd)t.        207 


gamic.    5fä»kiid|e  Könige  Ratten  gl«id)3eitig  meistere  (El)efrauen  un6 

nod)  Kütl  der  (Sioge,  öer  jroar  nidjt  melir  n(beneinanöer,  aber  öod) 

nodietnanifr  nm  OKniger  nis  8  legitiine  iSaltinncn  b{\a^,  ifitU  ba- 

neben  nod)  Diele  Konfiubinen.    Die  idjon  ben  äUeften  Hcdjten  [elbft' 

crrftänötid)«  Uiilerfc^ei^urig  Don  legitimer  „dtiettnu"  unö  „Kebje"  tft 

nalüiltd)  audf  Ifier  erlt  proöuht  einet  (Eiitoidilung,  roeldje  öiirdj  öas 

3nletrrie  der  Sippe  ^eT  Srau  an  beren  uiiö  ittrer  Kinbei  Sidjeijletlung 

^^cgenübcT   btr  Konhurrenj  anberer   S^""«"   »"&  Kinber  bes  |e|iiell 

^■nü>c|(^räniiten  niannes  bebingl  war.   Die  Dertragsmägtge  Sufidiening 

Htfncs  fitT  ben  $all  ber  Auflöfung  ber  l£t)e  ber  5r<iu,  naä)  i^iem  Hobt 

™-ttbeT  iifTtn  Kinbern  jufüUenfcen  Heils  bes  männlitfjen  üermögens  (in 

ben  Iateim|d)en  (Quellen   "l"-'-  genannt),  -  bas  ent|(iijeibenbe  nterk' 

mal  ber  „legitimen'  (Et)e,  ~  Dera>anbelle  fid[  jc^on  in  oielen  beutfc^ 

Hetzten  ber  frül)eften  Seit  (|o   in   ber  kx  Salica)   in   einen  ber  <&<• 

ii<ot}nt]eit  gemäht  generell  fixierten  t)n{pruil]  ber|tnlgen  Stau.  &k  unter 

ben  (ür  „legitime"  <E[)en  üblid)en  ^i^i^oi 'täten  ((.  u.)  oom  manne 

enoorben  toai. 

fU)ct  bet  BetH)  (inei  „legitimen'  (Gattin  fdjränkte  ben  lUtinn 
nur  öiloROmifdi,  nic()t  feruell  ein.  (Einen  „l£l]cbru<l]"  bes  niannts  gab 
ts  ui|prüngli(^  begiifflid)  iibeil^aupt  nid)l.  Ru&t  bem  Ipöteren  "Rtift 
galt  er  mir  bann  als  Dcrle^ung  ber  Ited)tc  ber  Srau.  menn  Me 
Konliubine  förmlid)  ins  E)ous,  in  bie  ^ausgemein|cl)aft ,  in  neli^e 
|tc  md)t  geEförte,  aufgenommen  vauxbt.  Set)T  <i)araltterifl!((l)  ipiegell 
fU^  btele  Anfittauung  im  n>cftgotitd]cn  neä}t ,  meld)«;  bie  Konltubine 
bts  IHannes  feiner  legitimen  (Baltin  iieTkned)tete,  alfo  nid)t  btn  <Et)c> 
bnii^  bes  ntannes,  fonbern  nur  ben  (Eingriff  öer  unberedjligten 
Dritten  in  bie  Redjtsfpljäre  ber  legitimen  5rau  als  Dcrgcljen  betjanbelt. 
Die  Konhubine  honnte  olfo  -  eine  IDirkung  bes  (I)riftlld)-r^mi- 
lijtn  Prinjips  ber  tTtonogamle  -  aus  ber  r)ausgcmcinfct)aft  üusge- 
fd)loffen  (Derben.  Dagegen  iric^  bas  Red)t  bes  IXiltrs,  frei  barüber 
3u  [»rfügen,  mei  als  fein  Kinb  gelten  folle  unb  mer  nic^l,  fei;r  Dtel 
longfamer  ben  mit  Itird)Iiii)em  (Einfluß  fid)  nerbilnbenben  3nleref|en 
ber  legitimen  5tiuen  unb  it]rer  Kinber.  Die  ni^l  legitimen  Kinber 
»aien,  irenn  er  fie  nnetttanntc,  feinen  el)eli(i}en  nidft  nur  erbiei^tliit) 
-  flufeer,  notürlidf,  bejüglid)  ber  mI,,s<  ber  „legitimen"  niutler  — 
gleit^geftelll,  jonbtrn  |ic  pflegten,  roenn  er  es  rooEIte.  aud)  mit  ben 
el)clld)en  jufammen  crjogen  3U  merben.  Der  IDine  bes  Dalers  enl- 
Hllrb,  isie  utfprQnglid)  überall,  aOein,  loraottl  über  Aufnat)me  ober 


208  INe  (Ef)e  hn  germanifc^-mittelalterU«^  Rei^t 

Auslegung  legitimer,  als  ilber  bie  5<nnili^n5uge^örigfteit  .fllegitfaner' 
Kinber.  Die  «legitime  (Battin"  mugte  es  ftd)  alfo  gefalleti  laffen,  ftok 
bie  Kinber  ber  Konkubinen  btn  i^ren  —  tDO^Igemerbt:  nur  tnfoQcit 
biefe  nid)t  burd)  bie  Dom  Iltann  perfd)riebene  >dos«  gefiebert  OKtren- 
im  (Erbe  porge5ogen  mürben,  unb  bie  lebige  Htutter  onbrerfetts  oerlor 
i^re  fa6tifd)e  £ebensgemeinf^aft,  benn  von  einem  «He^f  UMirkeiiK 
Rebe,  mit  einem  Kinb,  bas  beffen  Dater  anerkannte. 

IDie  in  ITortDegen,  fo  ift  au^  bei  btn  Uteroüingent  mancher  uR' 
e^eli^e  Sprößling  feinen  DoIIbürtigen  (Befd)U)iftem  in  ber  (Thronfolge 
oorgesogen  roorben.     (Erft  unter  btn  Karolingern  oerf^tDanö  öie 
(Erbfolge  une^elid)er  Königsfö^ne  für  btn  Soll,  ba^  e^li^e  am  ZAn 
waxtn.  3n  S^cinkrei^  folgten  bie  Baftarbe  eines  ritterbürtigen  Daters, 
falls  er  fie  anerkannte  unb  i^nen  erlaubte,  feinen  Ramen  3U  trogei, 
fogar  bis  ins  16.  3al)r^unbert  feinem  Staube  unb  trugen  fein  IDappen, 
5ur  Unterfd)eibung  Don  feinen   e^eli^en  Rad)fa^ren  meift   gekieiQt 
mit  einem  Sd)ragbalken.     (Db  bergeftalt  anerkannte  Baftarbe  awi) 
bamals  no^  (Erbre^t  gegen  il^ren  (Erseuger  gewannen,  ift  unbekaimi 
Dagegen  befagen  in  ber  Seit  ber  Dolksrec^te,  5.  B.  na^  König  Rot^oris 
(Ebikt,  bie  filü  naturales,  falls  fie  oon  freigeborenen  Jtauen  abftammten, 
bei  ben  £angobaröen  ein  gefe^lic^es  (Erbred)t  fogar  neben  ben  e^ 
li^en  Kinbem  eines  Rlannes.    Ratürlt^  nur,  wtnn  i^r  (tc^tnqtx  fie 
anerkannte.    Sie  erhielten  bann  -  fo  Diele  iljrer  maren  —  bis  3» 
Vt  feines  Radjlaffes  in  Konkurrenß  mit  eljcli^cn  Kinbem.    flnbers 
ftanben  fc^on  bamals  bie  unet)eltd}en  Kinber  aus  Derbinbungen  mit 
unfreien  Stauen.    Sie  folgten  faft  überall,  aud)  im  norbif^en  Rec^t, 
„ber  ärgeren  ^anb",  b.  l).  bem  Staube  iljrer  Dlutter,  unb  konnten, 
aud)  mit  (Einwilligung  it^res  Daters,  keine  5<i^^Ii^Yi^^<i)^<  erroerben, 
falls  fie  nt^t  förmlt^  in  bie  Sippe  bes  Daters  mit  beren  (Einwilligung 
aufgenommen  würben.  Dagegen  ftanben  5.  B.  im  bai}rifd)en  Dolksred)t 
(lex  Bajuvariorum)  bie  Don  freien  S^öuen  geborenen  Sö^ne  offen» 
bar  ol)ne  Rüdiftd^t   auf   tl^re  £egttimttät  im   (Erbred)t  untereinanber 
gleid),   fo   bog  nur  bie  Sid^erung   burd)   bie  dos  einen  Dorjug  ber 
„legitimen"  bilbete.    Die  Kcbselje  Ijat  in  ein3elnen  Reften  bie  3^^^' 
taufenbe  überbauert.    2^x  ITIcrkmal  war  ftets  bas  S^^I^n  Dertrags* 
mäßiger  Sid)erftellung  ber  5tau  unb  iljr  (Erwerb  entweber  gans  form» 
los,  ober  burd)  bloge  fakttfd^e  f}tngabe  eines  einmaligen  (Bef^enkes, 
öas  fpäter,  unb  3.  B.  in  ber  Ijicrnad)  fogenannten  „morganatifc^en* 
(El)e  („(El)e  3ur  linken  f}anb")  bes  l)ol)en  ftbels  noc^  bis  in  bie  Reu» 


ftü,  als  .inorgengabt"  bejtidinet  muibt  unb  bit  Besict^ung  oon 
(tnfad)  legellolem  (^eti4Ied]tsDeiket)T  id)teö.  Die  Kitdi«  t^ieijeits  tjat 
bit  Htbitt^tn  unb  Konhublnalr  in  btr  Karoltngerjfil  utl^  Im  frilf^tTen 
mitlciallcT  austiriidilicE)  gföulöct  iinö  nur.  mit  junctfincnticr  Konicqueiij, 
bas  Dtrlangen  gcflellt,  Ciag  dt)«  unb  Konftubtnal  tttt^l  nebeneinander 
tinscgangen  mtiben  burflen:  fie  erltrebtc  bunials  ieöiglid)  btt  nionc 
gamif,  ni(t)t  6ir  Unlfonnierung  bn  legalen  (5e|(^lcif)tsbrjieliungcn.  - 

au«  öiejc  Hatfadien  bcjüglidi  ber  Stellung  öer  .unel)elid)en' 
Kbtber  3Cigen  abermals  3Ur  (EDibenj,  mie  Döllig  unffaUbar  au(^  in 
Bejug  auf  unfre  DoTfat)rcn  bi<  Dulgär>jo5iali11it(t)e  III)coTle  i|l,  bie 
■Einet}«  |ei  im  3"'"'(f<  öes  ITtanncs  -  jur  Hrseugung  .legitimer" 
Ctben  für  (ein  „Privateigentum"  9e|(f)anen ').  Das  „prioateigentum" 
beftanb  längft  ooi  bem  Steg  6er  lltonogamie  unb  jur  (Erseugung 
.lc(]{timti'  <ETben  bTaud)lt  fiil^,  nie  mir  faf]en,  in  ftQtieren  Seiten 
hcin  Qtann  mit  einer  Srau  ju  begnügen.  Dtelmeljr  ^at,  um  es  ju 
micbertiolen,  junädtft  bas  3nteTe||e  ber  Sippe  bet  $rau  beten  pekuniäre 
S(dier(ttllung  für  ben  Sali  ber  Rufli^luntj  bei  <ll)t  unb  bie  etbre(f)llid)e 
Std)er(leIIung  il)rcr  Ktnber  crjinungen  unb  bann  [[)eitcif)tn  bei  unab- 
läffige  Kampf  bes  (II]rt{tentums  ganj  allmäl^lidr  ben  Sieg  ber  lllono- 
gamic  erftrftten,  mie  mir  feljen  njerben,  junädgft  auf  Koften  ber  Cebens- 
djancen  bet  nidjt  aus  Dollctfcn  ftammenben  Kinbcr. 

Die  allgemeine  Unterorbnung  ber  5<^<»<  entldfieb  nun  nid^t  nur 
über  bit  rccl}tlidfc  SttQung  ber  $ra]x  Inncrl^alb  i[)reT  $amlllc,  [onbent 
audf  über  i[;re  Stellung  im  Red)tsDctliet)r.  3n  einer  ftaatlofen  ober 
bod)  )<benfall$  polijcilofen  Seit  beruf)!  bie  per|önll(i)e  Sid)til}e{l  bes 
(Einjtlnen  auf  ber  Radfe  feiner  Sippe,  bie  bem  ITlörbcr  ober  (Enttül(ret 
bio^L    5iif<t>f<I)  itonnte  im  i£in3elfal[  outt)  bie  5cou  ftd)  3111  Hebung 

')  nnt)rer|(lts  ift  »  aud)  nii^t  unbcbtngl  julrtfftnb,  mtiin  man  (j  B.  oud) 
Bnimifi.  <Vtttit)T.  f.  R«i)lig(|dt..  «etman.  flbl.  Danti  X\ll  S.  11)  btn  Sinn 
ber  Itgltimen  <EI)e  n  u  r  in  ber  |>(r|3nlid)tn  Sidittung  btz  S  '  <■  <■  oh  lol< 
dfn  |i<l)t.  Dan«btn  |(ct)t,  (o  oitl  (r|id)lltd),  (ttts  oud)  bit  Sidjtning  itjttr 
K  i  n  6  (  T ,  iti  (s  —  mit  in  fltgQpItn  -  butii)  birthtf  Dtt|d}reibung  bet  l[rb> 
I4afl  b<%  qanjtn  mannMDtcmfiijtns.  |ti  et  —  mie  mti\l  —  butd)  Sid)ri 
nttq  «in«*  bet  S'a"  unb,  bti  tuen  Hob,  i  ij  r  »  n  Kinb«tn,  jufalUnben 
Seil*  bes|tlb«n  .(Quott  aber  |r|tr  ■l{<'^.l,  Die  g  c  1 1  B  I  i  d)  t  Dtnorjugung 
ber  .legdimtn"  KinbcT  tit  bonn  uili  ein«  SiEierung.  t(ils  «in«  IDtiticbllbun^ 
be«  |d)i]n  roif)«i  bt|ttl)enbtn  D(ttTag$trd)l».  dUnbinst  al\o  ^nbrll  et 
|ld)  um  bie  5d)affun9  .Itgtiimet'-  diben  bes  IltannM,  —  ober  nid|l  ber 
m,  (onbetn  bie  Stau  (ober  il)re  Sippt)  er|lrtbt  (ie. 

ir  r  »  r  t  .  Chrtrou  nnK  mutiti  14 


21U 


Die  (Et(e  im  gennani[d)>initte1alterlid)en  Redjt. 


bei  Had)e  fät)tg  ermei{en.  Rbex  als  Pfltd)t  galt  fic  nur  für  öte 
mannet,  öie  baifer  audj,  roenn  öie  Sippe  fit^  eittfdftog,  eine  ffielb- 
juntme  als  Siiljne  anjuncljmen,  als  öie  allein  ju  il)rem  (Empfang 
BeiedjHgten  galten.  -  Süz  öic  geordnete  (Erleötgung  von  Streitiglteiltn 
unb  für  alle  poIiti(d|en  (Be|[i|äfte  Ijatle  öer  ffiau«  oöer  Slammesfürp 
als  l)öd)fte5  „|taatlid)es"  (Drgan  neben  (id)  öie  Derfammlung  &et  freien 
Oolftsgenoffen:  fie  entfdiicö  enögüUig  über  Krieg  unb  Srieben,  Ilut 
roaffenbetedjtigte  hminteti  6al)er  in  iijr  erji^einen.  Sic  bilöete  ferner 
ben  lBerid}bfiof.  Konnte  öer  Streit  ni(f|t  frieblii^  geJ(f)U<^tet  iiietben, 
fo  entfdjieb  öcr  geridjtlic^c  Smcifiainpf.  Hur  n)affenbered)tigte  ftonnlen 
batjtt  il)r  Hed)!  |elbjt  uertTeteri,  jo  lange  nid}t,  mte  |pätert}in,  bit 
Dcrtrctung  burd)  geworbene  „Kämpen"  julajfig  mar.  Der  Srau  ober 
würbe  bas  IDaffenredit  oorentlialtcn,  obmofjf  iljre  bamals  fieinesmegs 
(tUene,  falttifi^e  tDaffenfÖtriglteit  in  ben  Berid]ten  über  bie  Seilna^me 
bet  (Bermaninnen  am  Kampf  überliefert  i(l.  Allein  im  Stieben  [ollte 
fie  fid}  nidft  auf  niarttt  unb  Sttafee,  wo  fie  bet  IDaffe  beburfle,  jeigen. 
<Ein  bai)ri|d)es  unb  ein  Iangobarbi|d)es  (Befe^  beftimmteit,  ba^  ein 
IDeib  butd)  IPaffetttragfn  il)ren  Hn|ptudr  auf  ein  boppeltcs  Det)igelb 
oetliete,  rooraus  ifcrporgefjf,  Öa^  bic  Stauen  jelbft  ben  faktifd[en 
IDaffengebtQurff  nid)t  unbcbingt  Idjeuleit.  Der  flusfcfflu^  bet  Stau 
pom  öffentlidjen  feben  unb  geridftlid)en  Petheljt  galt  bet  .,3bee"  nad) 
als  S°l9^  ber  burd;  militSrifd^e  3itereffen  geflüttlen  pattiatdjolen 
SamiHenDetfaffung,  baneben  aber  bet  Art  bes  prose^ncrfaljtcns.  Sn- 
folge  bes  mongcinbeu  IDaffentet^ts  feonnte  au^  bie  niiftt  untet  (!(«• 
trerrlid)ei  (Bemalt  fteljenbe  Sr>iu  il^te  Anfprüc^e  nid)t  felbfl  doi  (bt- 
ric^t  oetttetcn,  fie  osar  aI|o  aurf)  im  Redjtsnerfeeljr  toetirios.  Desl;alb 
fotberte,  ätjnlid)  roie  in  6ried)enlanb  unb  Rom  unb  Qbetall,  no  bic 
IDet!T[}aftigiteit  ber  Stammcs'  obet  Staatsgenoffeii  bie  (Brunb« 
läge  il)rei  Öffentl)d)en  Ked)te,  bie  iSemeinbe  ber  tDaffeiipfüd^tigen  unb 
IDaffcnbered)ligten  ber  politifd)«  Derbanb  i<!)le(^tt]iM  war,  iljr  eignes 
petjönliii|es,  por  allem  aber  bas  äi(onomi{(^e  3nleref{e  iljtet  Samilie 
bie  3nflitution  bet   @e{d)led]tspotmunb{d)aft.    tlad)  bes 

£angoborbenl<bnigs  Roll^ati  (Ebiht  (oll  „keine  freie  Sfi" i» 

Selbftmünbigiieit  isclpmundium}  leben,  [onbern  ftets  enla)ebeT  untR 
miindiiim  eines  ITlannes  obet  abet  bes  Königs,  unb  o^ne  IDillen  iljres 
muntroalts  joll  fie  nid)ts  Bemeglid)es  unb  Unbemegllc^es  oetäu^tni 
können".  Der  Potmunb  trug  für  \it  öen  (&er  3ur  Sci)bc  unb  jum 
d&etidft.  et  oetttat  fie  jotpol)!  als  Klägerin  loie  als  Bctilagte,  et  rä^te 


\ 


I 


A.  flllgermaniie^K  unb  tteutldt-mitttlalterlidies  Red)t.       211 

M<  ilfr  jugtffigicn  BtlciMgutigtn  un&  tiitb  bit  Ütlbbu^en  ein.  Als 
CntjcU  für  bk\e  TRäiitwallunq  mar  abtr  au<^  bas  Xllünbtl  |oiDot)I 
pcti^nli^  ait  Dennögens[ect)tli(t)  DÖUici  Don  \}jm  abt]äTigig.  (Er  oer- 
gab  (l(  oor  allftn  jur  (Ilje,  in  leine  ffiaidje  floft  fter  Btautpieis,  er 
t)atte  il)t  Dermögtn  in  ieinei  Dtnoallung  unb  bejog  btn  nuQgenug 
6oDon,  ol)ne  sur  Kedjitungslegung  0frpPi(t)tet  ju  lein.  Sie  beöutfte 
ju  \tbtm  R((i)t5getd)äft  feinet  ({rlaubnis.  Kein  IDunber  baljtx.  ba^ 
ntungtl  an  i£t|(t)ättsPieniitnis  unt>  „Un(rfatfrenl)ei'  i»  bürgerli^en 
Dingen"  |d)on  im  ntiltclaltet  als  (pejiflld)  „meiblidie"  (Eigenfi^aftcn 
galten.  - 

Die  $e|d)lc(^lSDOimunti|draft  erl)ielt  fid;  im  gennant|dien  Red^ts- 
hicis  au^eroTbenllid)  jä^.  Ilur  für  b'ie  XDlttoe  oet\<t}wanb  T\t  ld)on 
in  einem  Heil  btx  Dolhsrcdtte:  [dion  in  bex  Iix  S^ilica  äußert  f\äi  bit 
(Itnbtni,  i^re  IDieöerDerl)eiratung  gegen  &as  mifrerltrebenCit  öhono- 
mi|it)(  3nlerefie  Üet  lIIaiineseTbcn  3U  erleif^tem.  Als  bann  im  nTitiel- 
attei  bit  critaihenbe  Slaalsgevalt  bem  (Etnjelnen  auä)  au^eil^alb 
|(intr  Sippe  Red)ts>  unb  Sid)erl)eitsid]u^  gtn>ät)rlr,  oervanbeltt  |ie 
Rd)  aniRäl)II<4  aus  einem  it^rem  3nt)aber  Dorleile  gemal^renben  (^eir- 
|d)afts>  in  ein  bloßes  5ür|orgei)(rl)äItnis.  eine  Pflii^t,  nad)  Rrt  btx 
mobernen  I)ormunbfd)aft  Qbei  minbeijäl^nge.  Die  •Enttoidilung  in 
bw\tx  Rid)tung  geljt  aber  bis  in  Me  IlteroDingerjeÜ  jurüdi. 

3n  bie  geidjilberte  Redftslage  ber  5rau  griff  aud)  öie  erftarkenbe 
Xnaiit  bei  ([I^riflentums  ein,  uteldje,  obmot)!  orientiert  an  3bealen, 
blc  aus  bem  Altertum  tmmmten,  bie  (Entioidilung  bes  beul|d^mittel< 
<ilteiUd)en  (Efie*Red)ts  bod)  in  ganj  anbien  Bafjnen  (e(tfflelt,  mie  (le 
bas  römiid)e  Iled)t  gegangen  mar.  Die  Kird)e  erkämpfte  jmar  im 
germanifd)en  Qlitlelalter  ber  Srau  ju  allererft  geivi|^e  Per|önlid)tieitS' 
rcd)te,  aber  nur  foiseit  fle  mit  ber  Autorität  bes  ITIannes  in  ber 
Somilie  vereinbar  eridjienen.  Unter  iljrem  (Einflug  |d)manb  oor  allem 
ber  I^eiratsjmang.  -  bie  (üninilligung  ber  Brout  mürbe  aud)  Ted)tlidf 
getoibert,  unb  öamit  geldjaij  ber  crfle  Sdirilt  jur  flnerhennung  eines 
Stibilbefllmmungsredfts  ber  S'^<^^  ii^rem  tüctoalt^aber,  insbefonbtre 
bem  Dormunb  gegenüber.  (Etroa  00m  II.  3Qlirt)unbert  an  burfte  bann 
(Uidf  bie  unoerliej  ratete  ooUläljilge  unb  (elbftänbige  S^'^^  "i^il'  —  \o 
int  S<id)[eniptegel  -  il}t  Dtrmi)gen  (rlbft  oermulten  unb  im  eignen 
ITamen  Ret^tsgetdfäfte  ab{d)lie^en.  Hur  3uni  felbftänöigen  Derhel)r 
mit  ben  (Berid}ten  mürbe  (i<  -  mit  leltencn  Ausnat^men  -  nldjt 
befugt:  .ntäbd)en  unb  St*""»  inü)fen  Dormünber  Ijabcn  ju  ieglldjit 

14' 


212 


Die  lEIje  im  gennanildi'mittelalterlidien  Red^t. 


Klage",  fagt  norfj  öer  SadjjeiitpiegeL  Segen  Ausgang  öes  ITIittelatten^ 
bagtqen  bcöurften  (le  oielfad)  jogar  roieber  5ur  Deräugerung 
£jegen{d)aften  bts  Beiftanbes  i()res  Doimunds,  un5  tn  tite|rm  Umfang 
IjOt  fid)  bie  (Be|<^Ied}tsDotmunö[(i)aft  an  oielen  <J>rten  bis  in  6ie  neueftt 
3eit  ert)alten.  3n  Sc()Eesuitg<fjo(ftein  un6  fjannover  wuxbe  fte  j.  B, 
crft  1869,  in  t)amburg  erjt  1871,  in  IDismar  1875  Qiisötli(feli(^  auf. 
getfoben.  - 

Die  (teigenöe  Kultur  unö  Öie  Detfeineiung  des  tittlid)en  <£inpfin- 
öens,  luelttje  bas  3ntereffe  öer  Samilie  öer  Jrau  an  itfrer  SteDung 
in  ber  tElje  fteigerte,  jdiuiemmte  öann  im  Derlauf  bes  Itliltelaltcn 
atii^  einen  (Teil  ber  nTad)tDoUkommenI)etten  bts  t^ausvatets  fori. 
Seine  Illunbialrei^te  öifferensieren  fid)  im  3nnern  ber  5oniiItt<  fl* 
»erfdiärfen  fid)  teilaiei|e  gegenüber  bem  6efinbe,  |d)iiiäd]en  fid}  ab«  oka 
gegenüber  Srau  unö  Kinöern. 

Die  Däternd)e  (üemalt  mar  urfprünglid)  aud)  bei  ben  (Ber 
ein  reines  Beti§DcrI)äItnis.  Dem  Dater  9e!)orten  öie  Kinbcr  iirafi" 
(eines  (Eigentumsred)ts  an  il)rer  lHutler,  er  honnte  (ie  unter  Uni' 
(tänöen  töten  unö  nod)  bis  ins  13.  3al)rl)unöert  Dcrhaufen.  Seim 
(EeiDall  cDar  jebod),  |oa)eit  mir  jurüdtic^auen  hönnen.  inenigltcMl 
gegenüber  öen  Sölinen,  befdjränftter  ah  öie  bes  romi|d)en 
milias.  lErftens  jeitlid):  Der  SoI)n,  öer  einen  eignen  ^ausl)a[t  grünbed^^ 
würbe  bamil  geioaitfrei.  5aliti!d)  allerbings  fionnte  er  bies  urjprfing* 
lid)  gemig  normalertDeife  nur  öann  tun,  luenn  er  enttoeöei  fid)  als 
Krieger  ober  flnfieöler  auf  neuem  £anbe  eine  gau3  neue  <E|iflen) 
fd)Uf,  ober  roenn  öer  Dater  einnerftanben  mar  unb  il)n  aus  feinem 
Dermögen  ausftattete.  Aber  bei  bem  geringeren  Ilugtoert  öer  Arbeit 
im  norben  ^atte  öer  öater  im  allgemeinen  toeniger  3ntereffe  als  ira 
Süöen  öaron,  it)n  öauernö  mit  Srau  unö  Kinöern  im  l)au[e  fcftjii* 
fjallen.  Smeitens  ober  mar  öie  DäterUd)e  (Beioalt,  im  (&egcn|aQ  jnr 
liatrja  jiok-si.is,  Dermo  gen  srerf|tlid)  begrenst.  ®ft  finöen  mir,  öaft  öen 
eni»ic^|enen  Söt)nen  jur  Bcgrünöung  eines  eignen  r)au5l)alts  öer  An> 
fpnid)  auf  Ijeraiisgabe  öes  Klutterguts  juftetft.  5<ift  immer  beftanb 
öies  Re(^t  minöeftens  öann,  roenn  öer  Döter  jiir  30)eiten  (Ei)e  fd)ritt. 
Aber  aui^  für  feinen  eignen  Befig  mürbe  er  burd)  bas  Dat)infd)minben 
ber  alten  Red)tc  ber  Dorfgemeinfdjaft  nid}t  einfach  ein  frei  |d)altrabtr 
Prioaleigentümer.  Rur  über  bcmeglid)es  (But  konnte  er  auc^  3«  un- 
gunften  ber  Kinber  unb  «Erben  frei  |d)alten.  Dagegen  an  feinen 
(firunöftüchen  galten,  nadjöem  ber  (Bebanlie  öes  „(Erbrei^ts"  anfleEIe  btt 


d}  ab«  tk  ^H 

(BemtonM^^H 
"--  'rafr^ 

lim- 

eine 


A.  flltgnmanlli^es  unb  beutldcrnUtelalteTlic^ts  Re^t.       213 

,,UntlcibIt(^heil  bn  fjausqtmein^ä^a^"  getreten  unb  aud]  6er 
Boben  aaui<l)objcht  gtmor&tn  mar,  KJnber  und  ITIagen  bergtttall 
als  finmärter  bts  (Erbes,  öag  ber  [^aiisDater  normaleriVFile  nur  mit 
i^rer  •Suftimmung  öarüber  oerfügen  Konnte  ((Erbernjprucfisredjt).  3" 
großen  Heilen  öes  beutid^en  Siibens,  ujo  ber  BeRt)  ni(^t  in  erfler  £inie 
aU  <Eibe  von  ben  DoTfat)rcn,  jonbcrn  als  lEnoerbssprobuht  unb  Be> 
arbcitungsobjeltt  ber  [)ausgenoffcn  ange|ei)en  mürbe,  fteigerte  fid)  bic 
Reditsftcllung  ber  Söt)ne  -  benn  nur  biefe  tiamen  als  (Erben  Don 
Arunbbffit)  in  Belrad]t  -  jogar  io  ireil.  ba^  bas  Rerfjt  jebes  „(Semein- 
bers",  bte  Aufteilung  ber  t^ausgemeinjcliaft  ober  bo(t(  bie  Aiis|(^eibung 
frines  .Anteils"  am  Beji^  ju  »erlangen,  auäi  auf  fie  (nad)  Sno^- 
l&Irtiglwll)  gegenüber  bem  Dater  erftredit  würbe.  Die  Kinber  tourben 
l)<er  gemiffermagen  Nraft  Rcdftens  .(Be[dräftsteilt]aber"  bcs  Daters 
mit  Anteil  an  allem  Befig:  bas  rabiNale  (Gegenteil  bes  allpatriard)alen 
SamilienD  t  imöge  n  sredjts.  —  3m  auffleigenben  ITIiltelalter  5er' 
brbdiellc,  idoI)I  im  Sutammentrang  mit  bieler  (Enttoichlung,  augeibem 
aber  unter  bem  iinflug  bes  dt^riftentiims,  audj  bie  abjolule  perfonen' 
rt<tftlid)e  (bemalt  bes  Daters.  Kinbsti>tung  mürbe  nerbotcn,  Kinber- 
vtrhauf  roar  aber  nod)  im  13.  3al)rt)unbert  .bei  edfter  Hol'  grftattet 
-  mit  Ausnat]me  it^res  Derhaufs  „in  ben  Sob,  bie  fieibenf^aft  ober 
ein  f}urtnl}aus" .  3Üd)tigiing  auif  ern>ad)|ener  Kinber  blieb  erlaubt. 
Sür  bie  C[ö(^ter  i]örte  bie  Datergemalt  natürlii^  nur  mit  bem  Beginn 
ber  et}elid}e>i  lllunt  auf.   — 

(EtUKi  um  bas  12.  unb  13.  3al]r{funbeTt  feniiti  fld},  mit  bem 
Sd^ivtiiben  ber  unofK^fig  patriard^alen  prinsipien,  cuc^  bie  £age  ber 
une^Iidfen  Kinber.  Der  Kampf  ber  Kird)e  gegen  bcn  Irieb  bes 
IRannes  3ut  polqgamie  unb  bas  ivad)[enbe  (Kefüf)!  für  bie  e^hlufioen 
Rcdflc  ber  legitimen  fl)efrau  oerbleten  es  nun  bem  mann,  nad) 
feinem  Belieben  auger  ber  (Ef^e  gejeugte  Kinber  In  feine  l)ausgemein- 
((^tl  auf5unet)nien  unb  an  feinem  (Erbe  teilne[)mcn  ju  [äffen.  Die 
3ur  Seit  ber  Dolksred)te  nur  für  unfrei  geborene  Baftarbe  geltenben 
Regeln  oicrben  allmälilic^  auf  alle  unel;elid)  <Seborenen  ausgebe^nl: 
Bis  auf  einen  Untfrt)altsaniprud)  hönnen  flc  nun  hetne  5amilienred)te 
met)r  ^egen  il^ren  Dater  ermerben.  Dagegen  t^atlen  fle  in  großen 
Heilen  Deulldflanbs  ein  tErbred)t  gc^en  die  ITIutter  unb  bie  müttcrlii^ 
Dmoanbtfd}afl,  fie  lebten  aljo  nunmel^r  na<^  ITtulterredjt,  mas  burt^ 
bas  Rec^ts|pri(ftaiört  „heln  Kinb  i(t  (einer  ülutter  Kebshinb"  aus- 
t  wnibe.    3n  ben  |d(l}fi|dien  Reii]tsgebieten  roarcn  fle  bagegen 


Brtt^rt  würbe.    3n  ben 


214 


i>ie  C^e  im  germani[d)'inittela(teilid)en  Red^t. 


ob  freigeboteit  o^et  nidjt,  oller  5t»n'Iienred|te  audj  gegen  iiirt  ItTuttet  1 
beroubt,  fic  {tonnten  alfo  aud}  DOn  ii]i  nidits 
Sacbienfpiegel  geljöten  jie  jogat  3U  ben  „Redjtlofen",  b.  1).  (ie  mangeln 
ebenjo  vok  Spielleiite,  Seiltänjer,  fal)renbes  Dolk  unb  Ceute,  bit  ein 
oeiäd]tlid)e5  6eiiieTbe  treiben,  aller  Stanbesrcdite  unb  ftnb  besbolb 
Don  allen  geridjtlidjen  Sunhtioncn  unb  biirgcrtidjen  lEf)tcnÖmteni 
ausgefd;Ioffen.  Sie  ftönnen  roeöer  Rirffter,  nod}  SdjÖffe,  iiodi  5euge, 
no<^  Dormunb  merben,  nod)  aud)  il)ret(eits  einen  Dotmunb  jur  DmJ 
tretung  iljret  3"t<tenen  ror  ffieridjt  geioinnen,  unb  gef)öten  bami 
im  ®runbe  3U  ben  ouilaws  bet  (Beiellldjaft. 

Uliataliteriftiid}  für  öie  mit  ber  langiamcn  ftbbröthelung  bes  oltai  1 
l)errenred|ts  beginnenbe  flnerltennung  aud)  Öer  Srau  als  foId)cr  ab  I 
Red)tsper|önlid)keit  roar  bie  ttufenroeile  Umbilöiing  bcr  (EtjefdilieSung. 
bte  fid]  gleid^falls  unter  bem  mac^fenben  Sinflug  ber  Kiri^e  DoK5og. 
TIid)t  nur  für  ben  i£efd}led)tsi:iormunb ,  aud]  für  ben  Dater  beginnt 
ber  Derkauf  [einer  Üoditer  in  bie  (Elje  als  unfittlid)  ju  gelten.  Sdjon 
frBl)  iDirb  ber  Brautpreis,  ben  ein  Dormunb  bei  fjeirat  bes  ITlünbtls 
eri]ält,  nidjt  metjr  als  Entgelt  für  bie  Abtretung  öcr  perfon  ber  5ran, 
{onbern  als  (Ent{d;äbigung  für  bie  Abtretung  ber  inuntred)le  an  il}rem 
Dermögen  aufgefaßt.  3n  ber  „legitimen"  (Elje  roirb  ber  Srau  jelbfl 
JU  iljrer  unb  itfrer  Kinöcr  Sicherung  eine  ■'l"s-  nom  Rlanne  befteüt, 
tDeld)e  nun  junefimenb  ben  an  bie  Deriuanbten  ju  leiftenben  Braut' 
preis  abforbiert.  Aber  bie  Huffaffung  ber  <£befdfliegung  als  .<Bf 
f^äft",  bei  bem  il;re  Dernianbten  einen  profit  mad)en,  erijält  ftdf 
boii  nod)  bis  tief  ins  IRitlelalter.  ITod)  bas  Honjtl  ju  Irier  Don 
1227  mugte  oerbieteu,  ba^  bie  Deriuanbten  ber  $rau  unter  irgenb 
ioeId)em  Dormanb  (Selb  für  ben  flb|d)lug  ber  i£^e  net)mcn  —  in  TAtÖf 
marfi^en  unb  5^i«^lanb  mar  I)eiiaten  unb  «Srau  kaufen'  tto%bcm 
bis  in  15.  3«[)rt)unbert  ibenlijd). 

Die  Der|d)iebung  ber  ökonomifd)en  Bebingungen  ber  (Et)^  befitjenbn 
Sd)id]ten:  öie  fteigenbe  SörfTge  für  bas  öltonomi|d)e  Sd)idt{al  ber 
$iau  unb  it^rer  Kinber  unb  für  bie  niöglic^Iieit  „ftanbesgemägcn* 
{}aust)alts,  Derönberrt,  unter  fteter  lüittDirkung  ber  kird)lid)en  Hb** 
auffaffung,  bie  (Brunblagen  ber  l£l)e(dilieftung  allmät]lid)  |o  wett,  bofe 
fdilieglid)  regelmäßig  ber  gonje  Kaufpreis  bem  Rläbdjen  jelbft  über» 
lafftn  wirb,  unb  bamit  tjal  fid)  bann  bie  befinitice  Unimanblung  bes 
Kaufakles  in  bie  feierlid)e  BefleUimg  bes  niuntldfa^es  luiiium,  tncta. 
doEj  für  bie  Braut  ooDjogen.    Sie  bebeutet,  bag  ber  Bräutigam  btt 


A 


A.  aitgennanifc^es  unb  öeutfc^-mittelalterlic^es  Rec^t.       215 

Braut,  bie  i^rerfeits  nur  Qausgeröte,  Kleiber  unb  IDaf^e  in  bie  (E^e 
bringt,  einen  (Eeil  feines  Dermögens  „oerfc^reibt"  bafür,  „ba^  fte  feinen 
IDUIen  erftieft".  lieber  bie  IDirkung  biefer  (Einrichtung  auf  bie  per« 
in5gensre(^ttid)e  Stellung  ber  S^^^  toerben  mir  fpöter  fpred)en.  Die 
IDittumsbeftenung  galt  —  toie  toir  fd)on  fallen  unb  balb  toeiter  5U 
erörtern  ^aben  ujerben  -  sunä^ft  ebenfo  loie  früher  bie  (Erlegung 
bts  Brautpreifes  als  (Erforbernis  jeber  re^tsgültigen  (El^ef^liegung. 
(Erft  allma^lid)  tourbe  biefe  i^res  rein  tDeltlid)«gefd)aftli^en  (El^araftters 
entkleibet,  um  ftatt  beffen  me^r  unb  mel)r  ein  ftird)lid)es  (BetDanb 
an3U5ie^en. 

Aber  bie  bas  Red)t  burd)bringenbe  Derfeinerung  ber  Sitte  lieg 
bos  f}auptprin5ip  bes  ,, gemäßigten"  patriard)alismus,  bie  pöllige 
re^tlid)e  Unterorbnung  ber  (Battin  unb  IHutter,  unangetaftet,  unb  bie 
nKt^fenbe  IHa^t  ber  d)riftlid)en  Kir^e  ^at  ni^t  baran  gerüttelt, 
fonbem,  getreu  ber  paulinifd)en  (El^eauffaffung,  feine  (Brunblagen  e^er 
oerftörftt.  Die  ungebro^ene  perfonlidje  unb  Dermögensredjtlic^e  ^err- 
fd^ft  bes  ntannes  behauptet  fid)  bis  in  bxt  neuere  3eit  baburd)  nur 
um  fo  fefter,  bag  fie,  bei  fteigenber  Kultur,  i^re  Rol^eit  fomeit  ab5u« 
ftreifen  tx)eig,  bag  bie  ITIunt  ni^t  met)r  als  eigentumsartige  (BetDalt, 
fonbem  als  Sd)u^«  unb  Dertretungsoerl^öltnis  aufgefaßt  toirb. 

Dafe  iljr  tro^  biefer  oeränberten  unb  ibealifierten  Huffaffung  noc^ 
immer  eine  re^t  kraftige  Subftantialitat  antraf tet,  bekunben  bie  mittel« 
alterli^en  Re^tsquellen  aller  beutf^en  Zanbt  So  erklärt  ber  Sd^tDaben* 
fpiegel  (13.  3a^rl)unbert)  knapp  unb  plaftifd),  „ber  ITIann  ift  bes 
IDeibes  Dogt  unb  ii)r  IReifter"  („ber  man  bes  mxbes  Doget  is  unbe 
ir  meifter"),  unb  ber  i)öflid}ere  Sag  bes  Sad)fenfpiegels  (13.  3al)r> 
l)unbert):  „ber  ITIann  ift  Dormunb  feines  IDeibes,  fobalb  [xe  it)m  an« 
getraut  iff,  bebeutet  praktifd)  gan5  basfelbe.  Denn  überall  fd)log 
biefe  perfönlic^e  Qerrfd^aft  bes  (El^emannes  noc^  ein  coeitgel^enbes 
3üd)tigungsred)t  ein,  unb  bie  tDeltltc^eu  (Berid)te  mifd^ten  fid)  im 
ganßen  nic^t  gern  in  biefe  patriarc^ale  „(Er3tel)ungsmett)obe''.  So 
^igt  es  in  einem  paffauer  Rec^tsbuc^  aus  bem  13.  3al)rl)unbert: 
„IDas  ein  Rlann  mit  feiner  Hausfrau  3U  l^anbeln  Ijat,  baljin  geljört 
kein  meltlic^  6ertd)t,  nur  geiftlic^e  Buge''  unb  in  Breslau  mugte  im 
14.  3aljrl)unbert  ein  u)egen  Brutalitäten  oerklagtcr  6atte  oerfprec^en, 
feine  Stau  künftigl^in  „nur  nod)  mit  Ruten  5U  ßüd^ttgen  unb  3U  ftrafen, 
toie  es  3iemUd)  ift  unb  einem  Btebermann  3uftet)t  nac^  (Ereu  unb 
(blauben".    Dagegen  erlitt   d^arakterifttfd^ertDeife  überall   bie   $rau, 


216 


Die  (E^e  im  C|ennaiiifif)'mUteIatterIi([)en  Rei^t 


bie  i^rerjeits  oom  „Saultred)!"  gegenübet  öem  (Balten  (Bebrau^  ge- 
madjt  fjatte,  mit  iljm  julammen  eine  (ijmbolijdfe  Strafe,  bie  beide  öem 
öffeiitlict)en  Spott  preisgab:  „3n  f}<:]\ttt  mu^te  bie  S^^u,  öic  fi^  on 
iljrem  mann  oetgriffen  Ijatte,  ücrhet}rt  ouf  einem  lEjel  burd)  öen  ®rt 
reiten,  bcr  IHann  fiifjtte  öas  EEier.  Bie  Ijerren  Don  STO'>''enft«n 
trotten  bvn  <Etel  btiju  ju  (teilen,  fie  trugen  bas  (Efelle^en.  Bis  ifnbt 
öes  18.  3af)rl)unöerts  ift  öiefer  franfeenftein|cffe  (Ejcl  burt^  bas  barm- 
(täblildfe  fanö  gemaitbert" ').  3m  $ürftentum  Sulöa  ourbe  bem 
ITTanne,  ber  Y\if  f(t;lagen  lieg,  unter  allerlei  Spottgebtäud)en  bas  Da^ 
abgebe*!  ■).  Die  pt)t)fl(rf)e  Ueberlegenljeit  öes  llTannes  blieb  aljo  au^ 
ba,  voo  fie  nidjt  aatiadje  mar,  bodf  immer  „po(tulat":  I^atte  aI|o  ira 
(Einselfall  bie  ITotur  öct  Srau  bie  größere  pl)i)iif(l)c  Kraft  ocrlieljcii, 
fo  DCtlangten  bodj  bie  flnldjauungen  über  ben  ()errenberuf  bes  mann- 
Iid)en  (Ecldjlw^ts  als  |old|CTi,  ba^  fie  baoon  Iicincn  (Bebraud)  mad^, 
lä^t  fid)  ein  ITIann  oon  {einer  5r(iu  idjlagen,  |o  gcfd)iel]t  bem  ganjtn 
(bef(E)led)t  Sdjmod],  unb  öcsl)alb  mürbe  nidit  nur  fie,  (onbcrn  aui^  « 
mitbeftraft.  Die  6efd)le(t)tse[!re  ber  ^rau  würbe  bagegen  burd;  Si^Iäge 
Dom  ntanne  nid)t  beeinträdjtigt.  Jn  bm  unteren  Kteifen  unb  im 
mittetftanbe  galten  fie  als  unDermetblid)c  Beflanbteilc  bes  el)elid}en 
Gebens.  (Es  5eigt  boct;  eine  fii)ier  eljrerbietige  Sd}eu,  fid;  in  bieje 
Befugniffe  bes  (EE}«manns  einsumijdjen ,  nienn  in  bem  Sali,  roo  ri« 
niann  beldjulbigi  »irb,  bafe  bie  Srou  infolge  feinet  ITItgtianMimgen 
geftotben  fei,  bas  fi)itematifd)e  Sdjöffenredfl  (14.  3Qt)rt)unbert)  itjm 
bas  Red)t  bes  einfadjen  Heinigungseibes  gibt:  „lEoritc  ber  man  bor 
ju  tei}n  rcdjt  tum  (getraut  fid)  ber  ITtann  ju  fd)n>ören),  ba^  (eqn  toib 
Don  fqnen  {legen  nid)t  geftorben  mere,  |o  blibel  tjer  boromb  billig 
unbekümmert  oon  rcd)tis  Dnegen". 

ßngefidjts  -  nidit  jorooljt  jener  latfadjen,  bie  ja  aud)  l(eute 
paffieren  —  als  melme[)r  biefer  i[)rer  Beurteilung  burij  bie  öffenUii^ 
llleinung  unb  burc^  ben  Rid)ter,  berül)tt  es  nun  allerbtngs  t)bdtft 
homifd^,  menn  felbfl  3uri|ten  ben  Sag  bes  Sad)fen|piege1s :  „bas  IDetb 
ift  bes  lllanncs  (Benoffin,  fobalb  fie  in  fein  Bett  tritt",  oIs  nierkmol 
bei  befonberen  tiamerabfd;aftlid)en  3nnigtteit  ber  beutft^en  (E^e  unb 
ber  ljo(^fd)ä5ung  ber  (Eljefrau  im  Illittelalter  Iferansietfen.  Sd(on  aus 
bem  nadjfag  „nad]  bes  lUannes  üobc  ift  fie  lebig  Don  bes  Tllannes 
Red)t"  getjt  tjernot,  bafi  jener  Sag   lebiglid)  oon   ber  Unttrftellung 

<t  lDeint)Olii  a.  a.  (D.    2.  fluflage  Bb.  II.    S.  6. 

')  lEbenbaf. 


1 


Inttrftellung  ^M 


■  flUgennam((^K  unti  Eieul{<^'mUtelallerli(^  Red)t.       217 


V6tr  $taa  unlet  ^as  für  It^ren  Kann  qeltenbt  partifiulacted)t  beiiti^tet, 
nnd  fcie  Ijier  gemeinte  (Benonenldfoft  öer  Srau  mit  öem  Rlanne  be- 
öeutet  infofern  fogar  einen  nadjteil  für  T«.  «'s  f'«  ftaöutdf  öet  ita^esu 
ausnat)mslo|en  Regel  nad;  aud;  dann  bem  5  t  a  n  !>  e  i^res  ITIannes 
Wgelellt  miti>.  rocnn  er  Itjr  u  n  e  b  e  ii  b  ü  r  1 1  g  ift.  Sie  Derliert  olio 
in  ^eI  41}<  ""'t  einem  niebrlgei  (Geborenen  iljre  Stanöesporteil«, 
näljrenft  fie  aiiöret|eits  an  öen  StanöesDorrcdjten  öes  f)öt)er  (Eeborcntn 
nic^t  teilnimmt.  Diefe  im  Sac^|en{ptegel  überlieferte  .Red)ts(|leid)[)eit'' 
(et  (Flatten  coelft  fid)  {lemnad)  als  d)atatiterittifd)es  Rleriimal  bet  ei)e* 
t|erTli(t)en  Illunt  unb  ber  iic)ICTTed)t[id)en  Sami(tenorgani|atlon  aus, 
ober  iDal)rli(^  nidjt  als  RTerkmal  einer  für  bic  Sran  erfreulichen  (Er* 
i)cbung  jur  gleictiberet^ttgten  „(üenDifin"  bes  Rlannes. 

UnmittflbOTer  fliisflu^  ber  ci]et]err[id)en  ITIunt  ift  nun  neben  ber 
bisber  [Kijjierten  perföiilidfen  aud)  bie  Dermögcnsrtdjtlidje 
Stellung  bei  5cii">  "'■e  H^  i^i^  burd)  bie  überaus  mannigfaltigen 
5onnen  ber  miltelallerliit^en  iljegülerrerffte  ongemiejen  uiuibe.  Da 
nrii  ibre  (bmnbjiige  aud)  in  unleren  mobernen  lKiiterred)ts|i){temen 
»tebcr  finben,  Itonnen  roir  uns  Ijier  iljrcr  etrons  eingeb^nbeien  Be- 
bonntfi^aft  nidjt  entjieljen.  Ueberbies  Deran{d)aulid}t  uns  bie  (Ent- 
midilung  bes  tBüteried)ls  doi  allem,  in  aield]cr  IDtlie  bie  vfrt' 
i  <f|  a  f  1 1  i  d)  e  n  unb  f  o  3  i  a  I  e  n  (Enebtträfle  bie  periönlic^heitsgeltung 
6er  Sri"  beeinflußten.  t»äl)renb  mir  bie  Ijebung  itjtcr  pcr|önlicben 
Rtt^lsftellurtg  gegenüber  bem  (Ebcmanne  DOrtDiegenb  als  Rcfultat  ber 
Deifeinerung  ftttlidfen  (Empfinbens  in  bas  Redjt  einflicken  latjen. 
H  3n  ben  erften  5  3at)r!}unbertcn  unfrer  3eitrcd)nung  mürbe  bort, 
Htto  bie  ptimilioe  $orm  ber  Kaufeb«  \^on  iiberinunbcn  iqqt,  bie  ner- 
■  lRftgtn5red)IIid)e  Stellung  ber  ocr^eirateten  toie  ber  lebigen  Srau  am 
cntf^ibenbften  buT<^  ben  Rus|d)lu^  ber  (jauslödrter  Dom  (Erbe  am 
tSrunbbefift  beftimmt.  Dies  er((^einl,  „öhonomifd)"  betrad}tel,  auf 
ben  erften  Blidi  um  |o  auffallenber,  als  nad|  ber  Uebetlleferung  ba- 
mals  ber  Bobenbcu  3U  ben  (pejiellen  fflbliegentieitcn  ber  5rau  get)örte. 
Aber  es  gab  eben  bamals  hcin  Kriegsrei^l,  iDe1d)es,  roie  jetit,  bas 
PrlDcteigentum  ber  lEinjcInen  aud)  bann  |<t)ügte,  ttienn  bas  Dolh  als 
<^n3cs  Im  Kampfe  unterlug.  Bradfcn  fetnblidfc  l)orben  ins  Canb, 
fo  begehrten  fie  nid)t  nur  bie  polilifdje  Ejerrft^aft.  fonbein  Dor  allem 
aud)  bie  Sd)oIIe  bes  lEinjelnen,  um  bort  3U  ernten,  n)0  fie  nid^t 
geföt  tfolten.  Rur  bie  IDaffengemalt  ert}ielt  bas  £anb.  Cs  aiirb 
'  ctUdr[i<^,  bag  bamals  -  mie  uns  bies  \a  aud)  bei  oitbren 


218  Die  (E^e  im  germani{^«mittelalterli^en  Re^t. 

Dölftem  begegnet  ift  —  ber  (5runb  unb  Boben  als  f}au$oennögen  ber 
waffenbere^tigten  5^ntUiengIieber  galt  unb  ba^  bte  5tauen,  ba  i^nen 
bos  IDaffenre^t  DorentI)aIten  war,  ffir  unfähig  3um  (Enoerb  oon 
£iegen{^aften  galten.  Selbft  wenn  einem  (Brunbeigentümer  Sö^ne 
oerfagt  waren,  erbten  -  im  (Begenfa^  3um  ^»(Erbtö^terre^t*'  ber 
(5ried)en  unb  3uben  -  ni^t  feine  (Eö^ter,  fonbern  bie  nä^ften  mann« 
li^en  Seitenoerwanbten  bie  Ijofftätte:  in  Hüringen  fogar  bis  ins 
fünfte  (Blieb.  (Eine  ent{pred)enbe  (Entf^äbigung  ber  Höxter  bur^ 
BarDermögen  aber  war  in  (Ermangelung  einer  entwidbelten  (Belbwirt- 
f^aft  unmögli^.  Sie  mußten  fid)  besl)alb  mit  ben  etwa  oon  i^er 
niutter  ftammenben  Kleibern  unb  S^mudbfa^en  unb  i^rem  Hnfpru^ 
auf  Unterhalt  im  elterlidjen  f}au{e  begnügen.  Diefer  fi^erte  i^nen 
au^  na^  bem  (Eobe  ber  (Eltern  i^r  Brot:  -  Brüber  ober  ®nftel  burften 
fie  nidjt  oom  Ijofe  fortweifen,  —  aber  au^  ni^t  me^r.  Dor  allem 
blieb  i^nen  kein  Sd)atten  oon  Selbftänbigfteit,  \a  fie  galten  ni^t 
einmal  als  ITliteigentümerinnen  ober  5um  (Erbeinfprud^  bered^tigte 
Anwärter  bes  elterlichen  (Erbes,  ftonnte  es  boc^  oon  ben  neuen  Be> 
ft^em  o^ne  i^re  (Einwilligung  oerftauft  unb  belaftet  werben.  Schieb 
bie  (Eod)ter  ober  S^wefter  burc^  f}eirat  aus  bem  (Eltem^aufe,  fo  würbe 
fte  für  ben  Derluft  i^res  Unter^altsanfpru^es  bur^  eine  aus  fjausrot, 
aus  ,,Bett,  Banft  unb  Stühlen'',  Kleibung,  IDäfc^e  unb  Sd^mudb  be« 
fte^cnbc  flusfteuer  („flSerabe")  entjc^äbigt  („ausgerabet"). 

Die  junge  Stau  bradjte  bemnad)  ifjrem  (Batten  nur  eine  5ö^tnis« 
ausfteuer  aber  kein  Adterlanb  5U,  bas  bamals  bie  wic^tigfte  (Quelle 
ber  ITIac^t  unb  bes  Reichtums  bes  freien  ITIanncs  war.  Diefe  flus- 
fteuer aber  würbe  frei  oerfügbares  (Eigentum  bes  ITlannes,  bas  er 
nac^  Belieben  Deräufecrn  konnte  unb  auf  feine  Sö^ne  oererbte.  Hur 
ber  weiblid)e  Sdjmudt  (ornamcnta  muliebria)  unb  einselne  3um  aus« 
fd)lieglid)en  perfönlidjen  (Bebraud)  ber  Stau  beftimmte  Stüdke  blieben 
if)r,  unb  nac^  ifjrem  (Eobe  il)rcr  (Eödjter,  eigen.  Don  einem  „€rbre<^t" 
ber  Stau  gegenüber  bem  ITIannc  konnte,  ba  bie  Stau  urfprüngli^ 
eben  Befi^>0biekt  war,  ebenfowenig  bie  Rebe  fein,  wie  umgekehrt  oon 
einem  „(Erbrcdjt"  bes  ITIannes  if)r,  öcr  bcpölofcn,  gegenüber. 

Die  crften  flnfä^c  3u  einer  Befferung  ifjrcr  oermögensrec^tlid^en 
£age  knüpfen  nun  naturgemäß  grabe  an  bie  Sidjerung  ber  ^^tegitimen" 
(Eljefrau  für  ben  (Eobesfall  bes  ITIannes  an,  wcldje  i^re  Sippe  3U» 
neljmcnb  erreidjte.  Die  bcmgemäfe  f)ier,  wie  überall,  aufteile  ber 
3aljlung  bes  Kaufpreifcs  an  bie  S^ntilie  ber  Stau  getretene,  feierliche 


A.  Hltgermanif^es  unö  beutf^-mittelalterlt^es  Re^t.       219 

BetDibmung  ber  5^<^u  bei  ber  (E^ef^Iiegung  mit  einer  beftimmten, 
metft  geiDO^n^eitsmagig  fixierten  £eiftung  aus  bem  e^emannlid)en 
Dermögen  wirb  noc^  immer  gelegentlich  als  ITlerftmal  ber  bejonberen 
^f^oc^fc^ä^ung"  unb  günftigen  Re^tslage  ber  germanif^en  S^(^^  int 
(Begenfag  3ur  römifc^en  angefüf^rt.  Sie  ift  aber  natürlich  grabe  um« 
gefie^rt  als  Reft  ber  alten  Kaufe^e  3U  betrauten.  Denn  fie  befag 
urfprünglid^  nur  bie  uns  aus  ben  (Erörterungen  bes  erften  Kapitels 
über  bas  IDefen  ber  legitimen  (Ef)e  unb  {eitl)er  aus  3af)Ireid)en  Bei- 
fpielen  bekannte  Bebeutung,  bie  S^<^^  i^  (begenfa^  3ur  SMaoin  unb 
KonfKubine  als  f}errin  bes  {}au{es  unb  b  a  b  u  r  c^  aud)  i^re  Kinber 
als  ^legitim"  3U  ftenn3eid)nen,  unb  bemgemög  ber  IDitroe  gegenüber 
i^ren  Kinbem  ober  btn  Dertoanbten  bes  ITlannes  nid)t  nur  mitleibige 
Dulbung,  fonbern  bas  Rec^t  3U  fiesem,  mit  il^nen  im  {}au{e  3U  bleiben, 
iDoran  i^re  eigne  SöwiWie,  ber  fie  fonft  3ur  £a|t  gefallen  wäre, 
intereffiert  toar.  Aus  biefer  Dertragsmägigen  Sidjerftellung  ber  legi- 
timen 5^<^u  entroidtelten  fic^,  toie  fc^on  ertDÖ^nt,  im  £aufe  ber  3eit 
Dielfac^  fefte  (5etx)oI)n^eiten  be3üg(i(^  ber  f}ö^e  unb  Art  bes  if)r  aus- 
3ufe4enben  Dermögensteils.  (Ebenfo  iDurbe  nun  -  entjpredjenb  ber 
(Entroidblung  im  alten  Orient  -  ber  £lbfd)(ug  befonberer,  ber  lieber- 
gäbe  ber  S^<^^  (^(Erauung")  Dorange^enber  (E^epaftten,  toeldje  jene 
Sic^erftellung  enthielten:  bie  ^Derlobung",  aud)  g  e  f  e  ^  l  i  d)  e  s  merk- 
maP)  ber  „legitimen"  Dolle^e  im  (Begenfaft  3ur  bloßen  Kebse^e,  bie 
unter  ber  (Einwirkung  ber  Kir^e  3iDar  —  roie  mir  fallen  —  gebulbet, 
aber  boc^  meljr  unb  mel|r  als  reines  ^^Konkubinat"  be^anbelt  iDurbe. 
Dagegen  oerfc^affte  ber  i^r  auf  bem  Papier  eingeräumte  Anteil  am 
Dermögen  ii)res  (Satten  ber  S^^u  weber  wöf^renb  ber  (E^e,  noc^  nad) 
bem  (Eobe  bes  IlTannes  irgenbioelc^c  Derfügungsfrei^eit:  er  oerblieb 
nömlid),  mit  ber  übrigen  (jabe  bes  ITlannes  Dereinigt,  ausfd)lieglid) 
in  feiner  (janb  unb  ging  nac^  feinem  (Eobe  auf  bie  Söi^ne  aus  ber 
betreffenben  (Elje  über.  Diefen,  btn  legitimen  Kinbem,  unb  nidjt 
ber  S^<^^  f^Ibft,  kam  [i^  alfo,  ber  Subftans  nad),  3ugute. 

So  iDor  bie  S^^^  —  ^b  lebig  ober  Derf)eiratet  -  tQtfädjlidj 
eigentumslos,  unb  besf^alb  tx)irtfd)aftlid)  tote  perfönlid)  ooll- 
ftönbig  abf^öngig:  IDar  im  (Elternf^aufe,  tx)0  bie  (Eodjter  f^inter  bcn 

')  Die  im  germant|d)en  (Eroberungsgebiet  in  hallten  |d)on  in  ber  ITlerO' 
otn9er3eit  geltenbe  Dor{d)rtft  ber  Sd)rtftltd)fteit  ber  <El)epaftten  fül)rt  Brunner 
Q.  a.  CD.  auf  ben  (Hinflug  bes  rdmi{d)en  Dulgarred)ts  unb  ber  nooelle 
majorians  (unten  S.  242)  3urück. 


220  Die  (E^e  im  germanif^'inittetaltertic^en  Re^t. 

Söhnen  3urii(6ftanb,  bie  i^r  mangeinbe  (Btei^f^ä^ung  ber  (Bruno, 
fo  toar  fte  im  f}au{e  bes  (Satten,  bem  f^e  fteine  tDertDoIIen  (Biiter  su« 
bringen  konnte ,  bie  5  o  l  g  e  i^rer  (Eigentumslopgfteit.  3^re  oer- 
mögensrec^tti^e  Stellung  gegenüber  Dater,  Brübem,  (Bütten  unb 
Söhnen  entfprac^  bes^atb  grunbfö^li^  lebenslänglid^  ber  Stellung 
eines  unmünbigen  Kinbes  im  (Ettem^aufe.  (Erft  als  bie  IDieberoer- 
^eiratung  ber  IDitme  —  toel^e  5unä(^ft  nur  in  Soim  eines  Rü(6kaufs 
ber  Sxan  bur^  i^re  Sippe  ober  in  (Beftalt  i^rer  Dergebung  feitens 
i^res  ITluntiDalts ,  b.  ^.  bes  (Erben  i^res  ITlannes,  möglid^  mar  - 
Sune^menb  üblic^  tourbe,  erhielt  bie  Dotierung  ber  5tau  burd^  ben 
mann  bei  ber  (E^ef^liegung  für  fie  {elbft  eine  er^ebli^ere  praktifc^e 
Bebeutung.  Sie  galt  nun  als  (Begenleiftung  für  i^re  Dom  niannes« 
Dermögen  abforbierte  Ausfteuer  unb  Derblieb  i^r  perfönlid^  au^  in 
einer  streiten  (E^e  5ur  Hu^niegung. 

Seitbem  bie  Beftellung  bes  IDittums  (ITleta,  Dos)  3ur  konkreten 
IDitmenoerforgung  getoorben  toar  unb  bei  ber  Derlobung  rechtskräftig 
Derfproc^en  tourbe,  brachte  man  bie  (Erhebung  ber  5tau  5ur  ^us* 
^errin  bur^  ein  freies  £iebesge{^enk,  bas  ber  (Ehemann  ber  iungen 
(battin  perfönli^  am  morgen  nad)  ber  f}o^5eit  (^^lErauung")  bar> 
braute:  bie  fpäter  fogenannte  ^^morgengabe",  3um  HusbrudL  Sie 
beftanb  in  biefer  periobe  meiftens  aus  Sd)mu(kftü(6en,  beren  IDert 
Ttd)  na^  bem  Stanbe  unb  Dermögen  bes  mannes  ri^tete:  fo  iDor 
ber  Tltbelungen^ort  Kriem^tlös  morgengabe.  Bei  ben  Bauern  tourbe 
i^r  n)o^l  bas  befte  Pferb  ober  bie  befte  Ku^  bargebrad^t  (Erft  im 
Jpäteren  mittelalter  konnte  fie  aud)  in  einer  (Belbfumme  befte^en,  bie 
itix  bann  jeboc^  -  loie  mix  fe^en  werben  -  erft  nac^  bem  (Eobe  bes 
mannes  ausgesal^It  würbe,  alfo  bem  Sinne  na^  etroas  oon  ber  ur« 
fprüngli^en  morgengabe  Derfd)iebenes  war. 

Don  einem  wirklichen  ,,ei)elid)en  (Büterre^f  als  einer  allgemein 
geltenben,  rechtlichen  0rönung  ber  bur^  bie  {}eirat  entfte^enben  unb 
wai)renb  ber  (Ef)e  geltenben  Dermögensoerl^ältniffe  konnte  praktifc^ 
erft  bie  Rebe  fein,  nad)bem  bas  öltefte  Rec^t  fic^  ba^in  umgebilbet 
^atte,  bafe  auc^  bie  (Eöd)ter  neben  i^ren  Brübern  (Erbre^t  am  (Brunb 
unb  Boben  erlangten  ober  5ur  (Entfd)abigung  bafür  mit  barem  (Belbe 
als  Ijeiratsgut  abgefunben  werben  mußten.  Denn  nun  wuc^s  bas 
Sdjwcrgcwi^t  ber  5rau  als  „Befi^erin".  -  Bereits  bie  (EntQ)i(klung  ber 
»dos*  ober  bes  „IDittums'*,  weldje  ber  (Ehemann  ber  5rau  als  IDitwen- 
oerforgung  oerfdjrieb,  3U  einer  Derfdjreibung  oon  Renten  aus  einem 


A.  Rllgemtaiii|d)es  unti  beulfdli'mittelalKTlidfes  Re^t.        221 

Fbtflimmten  ITtil  feiner  Immobilien,  mit  fie  ft^on  in  btv  Seil 
6<r  Dglksrfd)te  jur  größeren  Sit^ertfeil  ^er  „legitimen"  Srau  fid) 
burd^teQle,  fül^rte  oielfad)  baiu,  ba^  bei  IMann  nid)t  met)r  o^ne  it)Te 
3u|limmung  über  öic|e  Studie  oerfügen  honnle.  Unö  nidit  nur  ju 
i^ren  perfönlit^en  (Bunften  voutbt  -  juerft  tiurd)  <£l)ekontrattl,  (pdter 
barm  batitj  (BeiiioI)iit)ettsre(t)l  unb  4Be|e^  (•Cn[>iiiilare<i  -  ber  il)r  als 
.IDittuin"  beflellle  Boöeii  gebunben.  Sonbern  ruir  laljen  Irfjon  oben, 
ftd^,  -  ganj  ent|pred)enb  jenem  Sd^ema  öer  tEntroldilung  &es  £egitimi' 
tälspiin3ivs  in  ber  £t}e,  mie  es  uns  am  klariten  in  flegi^pten  ent> 
gegentrat,  -  nad)  it)rem  eltoaigen  Sobe  nor  bem  Itlann  bas  IDithtm 
gebunden  toar  ju  gunficn  iljrer  Kinber.  Sie  bonnlen  bei  DolIjäEriig' 
keit  3UiDeiIen  bie  fierausgabc  nom  Dater  Derkngen.  ^ebenfalls  aber 
tollten  |ie,  eben|o  toie  bei  ben  ägt;ptit(i)en  Kontrakten,  nid)t  burd) 
Ipälere  (Et)en  ober  roillkürlit^e  Derfügungeti  bes  üaters  in  ii)rer  erb- 
tcd)t[ld}en  Stellung  geidimälert  werben.  De$t)alb  blieb  lt)nen  öos  ber 
niutter  Dom  Doter  bcitcllle  unben)eglid)e  <But,  bie  3'i""obilior'<ios, 
.Derfaiigen'.  -  tlod)  (tärker  mugte  \\<ij  nun  naturgemäß  bas  fftgen- 
rct^t  ber  Srau  in  ber  iEE}e  entfalten,  wenn  fie  (elbft  als  mitttbin 
bes  3mmobilienbeJiBes  itjrer  S<"nilie  <£nmbbefiö  in  öie  (E^c  biad)te. 
Die  flu$bei)nung  bes  (Etbred^ts  auf  bie  Söd^ter  f)a[tc  nun  fornolil 
iDirt|d)aftlid}e  unb  politi|d)e,  tvie  aud)  eiffifd)«  IIlotiDc.  Sie  ge|(t)at}, 
ab  in  o)irt[d]aftlidier  Be3iet}ung  bie  ]unet]menbe  3ntenfität  bei 
Arbeit  unb  bie  allmätilid)  beginnenbe  Berufsglieberung  einen  gea>tffen 
Atab  erreid)t  unb  jugleid^  politifd]  bie  Differensierung  jiui|d)en 
brn  arbeitcnben  unb  n)irtfd)uftenben  Sd)id)len  auf  ber  einen  unb  einer 
mtlttdn|<i)en  6runbf)erreri'f1ri{tokratie  auf  bet  anbern  Seite  fid)  doU* 
jogen  t)atte.  -  IDaren  in  ältefter  3eit  Krieg  unb  3agb  bie  einzigen 
bes  freien  Iltannes  mürbige  Beid)äftigungcn  unb  beft^rönkte  fid)  feine 
niit^ilfe  auf  .(belcgenl^itsarbcit",  fo  er3inang  bie  Derengrrung 
6es  naf)rungs|piclraums  infolge  öer  roadifenben  Beoölttetung  bie 
ftetige  Rrbett  aud;  bes  lüannes.  Dabei  ermies  fid)  bie  jtete  Kriegs' 
b«tetl|it)aft  febes  l£in3elncn  als  unueceinbor  mil  geregelter  ^Ernieibs' 
tätigheil,  unb  mil  ber  niadiienben  Bebeutung  ber  Reiterl]cete  ging  bie 
Pflicht,  bem  König  in  ben  Krieg  3U  folgen,  ouf  ben  fic^  entsidiclnbcn 
Stanb  titterlid^er  Dafallen  über,  gegen  tanboerleitjungen  unb  meiter' 
^tn  aud)  f^usflatlungen  mit  po[ili[d]en  Rechten  unb  ben  baran  t^aftenben 
Ctnk&nften  als  „£el]en",  bie  3unel;menb  erblid)  mürben.  Der  Bauer 
•  bei  feiner  Arbeit  ju  f}auf(  bleiben,  benn  bas  üolksf)«!  Mi* 


222 


Die  (E^e  im  germanif^-mittelalteilidien  Red^t. 


manbehe  fid]  tn  ein  Ritterl;eer,  öas  öie  iniUtän|d)e  unb  polittf<4e 
Sü^rung  übernafjm  unö  Kroger  btx  (Drganijation  bes  intttelaltcrli(ff«n 
Seubalftaats  tciicbe. 

Die  juneljmenöe  politijdje  UngIeiiJ)I)eil ,  bie  ftd}  smj^en  ben 
Itneg5pfltd]tigen  Rittern  unb  ben  übrigen  Sd)id)ten  auftat,  bcftimmtt 
nun  audj  bie  oermögensredjtlidie  Stellung  ber  Stauen  öer  oerjdfieöeiien 
Slänbe.  Der  beti  Da(QlIen  3U  „Seijen"  gegebene  (BrunbberiB  '"or. 
ba  auf  itjm  bic  Pftidjt  ber  hriegenfcfjen  Dienftleiftung  laflete  unö  « 
öem  Dienftpflidjtigen  nom  Ferren  nur  erblid]  „geliel)en"  mürbe,  [eilens 
bes  Dafallen  unb  ieinei  Redjtsnadifolger  nidjt  Deräugeriidf  unb  ntd}l 
im  Hibgang  tetibac.  (Er  honnte,  (einem  mililürifrfjen  Stoe*  entfpred)tnb, 
au<^  niemals  auf  einen  bes  tDaffenrei^ts  (Entbet^renben  übergetrcn, 
blieb  alfo  als  ^ausoennögen  meifl  eines  einseinen  männlichen  Crben 
gebunben,  fobag  bie  t[öd)ter  ebenfo  mie,  im  allgemeinen  menigftens, 
bie  jüngeren  Söt)ne  im  (Erbgang  leer  ausgingen.  Unb  diejenigen 
ritterlich  lebenbeu  (Brunbtjerren,  uiel<l)e  iljren  Befi^  ju  freiem  (Eigen' 
tum  („fllloö")  betauen,  eiitroiiielten  im  Jntereffe  ber  lErljallung  eines 
bie  ritterlidje  Cebensfüljrung  garantterenbcn  Befiges  in  ber  Somilie 
Dielfa^  äl)nli(t)e  (Erbgeroat^nljeiten.  Als  Konjeguenj  biefcs  (Erbreittts 
cnttoidtelte  ftd)  nun,  in  ben  Kreifen  bes  fränki|(t)en,  idjmcijerij^en  unb 
|(i)tciäbiicl}en  Abels,  bie  fogenanntc  IDittumseffe,  roeidre  ber  Be- 
mibmungselje  ber  älleften  Doll(sred)te,  bie  mir  oben  hennen  gelernt 
t}aben,  oennögensted)tliiif  am  näd)tten  fte^t. 

Der  (brunöbefi^  bleibt  audj  je^t  bem  ober  ben  männlidjen  (Eiben, 
bie  löditer  erl)aUen  bei  ber  fjeirat  eine  fiusfteuer.  Da  aber  i^r 
Bus{d)Iug  vom  lEibe  |d)on  als  Ungereditiglieit  empfunben  roiTb,  pei' 
iud)en  bie  meiften  Däter,  jie  aufierbem  burc^  ein  aus  (Üelbfiopital 
beftef)enbes  Ijeiratsgut  m  ent|d)äöigen.  IDas  nun  bie  junge  5'<u> 
iljrem  6<itlen  als  flusfleuer  unb  Baroermögen  subringt.  mirb  in  ber 
Regel  [ein  frei  oerfügbares  (Eigentum,  Als  (}>egenleiftung  rierfd)reibl 
er  iljr  bann  einen  öem  Werte  it)res  (Eingebradftcn  «ntfpre^enbcn  Bei! 
(eines  eignen  Dermögens,  bas  (ie  nac^  feinem  loöe  ober  bei  unurT- 
(i^ulbetet  Trennung  öer  (Etje  als  „£e  i  b  g  ebin  g  e",  b.  t).  nur  3ur 
ItuBniefeung,  nid}t  ober  ju  frei  oerfügbarem  Sigcnlum  erljält.  3m 
übrigen  erljält  fie  Iteinerlei  Anteil  am  mannesuermögen ,  bas  Eeib- 
gebinge  entfpnd)t  aI(o  i)iet  rec^tlid]  etma  bem  IDitlum  ober  llluntfiljat 
bet  älteften  Seit  unö  roirö  in  (Erinnerung  buran  aud)  öirtkt  als 
IDittum  btjeii^neL    (Barantierte  bas  .tDittum"  ber  Srait  nur  eine 


A.  Detttf^'tnittetalterKc^es  Rec^t.    (Büterre^tsfqfteme.       223 

5em  IDerte  i^res  eingebrachten  entfprec^enöe  IDtttoenDerforgung,  fo 
entmidbette  fi^  in  ben  fogen.  Rttterredjten  bes  ^o^en  Abels  baneben 
nod^  ein  für  bie  Stau  Dorteil^afteres  Dertragsrec^t:  bie  „IDtbertegung". 
Sie  fügte  ber  btogen  (Erfa^*  unb  Sic^er^eitsleiftung  für  i^r  (Etnge- 
brad^tes  burd)  bas  IDittum  no^  eine  pofitioe  3utx)enbung  bes  ITlannes 
i^insu  unb  sioar  berart,  bag  ber  boppelte  Betrag  i^res  (Etngebrad)ten 
auf  feine  6üter  eingetragen  tourbe,  bt]]tn  3tn{en  bann  bie  IDitroe  als 
lebenslängliche  Rente  besog. 

Aber  ob  nun  „TDittum",  ob  „IDiberlegung",  -  in  ben  ariftolira- 
tifci^en  Kreifen  ftanb  bie  S^au  oermögensrec^tlic^  regelmäßig  bennod) 
als  eigentumslofe  5tembe  i^rem  ITlann  unb  feinen  Dertoanbten  gegen- 
über. 3^r  eigenes  f}eiratsgut  war  in  bie  fjanb  bes  ITlannes  gegeben, 
an  bem,  toas  er  roö^renb  ber  (E^e  enoarb  aber  ^atte  fie  ftetnerlei 
Anteil,  unb  bas  (Eigentum  an  bem  i^r  nur  3ur  Tlu^ung  oerf^riebenen 
£eibgebinge  ging  aud)  nic^t  einmal  Dorüberge^enb  in  i^re  {}anb  über. 

(baxii  anbers  geftaltete  fid)  bas  Dermögensred^t  ber  Stau  in  ben 
Kreifen  ber  oon  i^rer  Arbeit  lebenben  nic^tritterltc^cn  Sdjidjten.  Ijier 
oerlor  ber  Srunbbefig  mit  fetner  mtlitörifd^en  Bebeutung  feine  Un- 
antaftbarfteit  für  bie  bes  IDaffenrec^ts  (Entbe^renben.  IDenigftens  in 
(Ermangelung  Don  Söhnen  konnte  er  ben  (Eöc^tem  3uf allen,  ober  er 
tDurbe  im  (Erbgang  gar  3tx)ifd}en  Söhnen  unb  (Eö^tern  geteilt.  Stei* 
lid)  tDurben  babet  faft  überall  bie  Söl)ne  nod)  3a^rf)unberte(ang  ftarfi 
beoorsugt,  t^nen  fielen  in  ber  Regel  5tx)et  Drittel  bes  (Erbes  als 
«Sc^roertteil",  ben  (Eödjtem  ein  Drittel  als  „SpinöeUeü"  3u:  -  btefe 
Ausbrü(6e  fetbft  [inb  ein  3eid}en  bafür,  n)te  aud)  in  ben  ern)erbstatigen 
Beoölfterungsftreifen  bie  (Beringfd^ö^ung  ber  ^ausn)irtfc^aftlic^en,  ja 
auc^  ber  ^inbuftriellcn"  Stauentättgkett  gegenüber  bem  Kriegsfjanb- 
loerfe  noc^  immer  nadjrotrkte.  3mmcrl)in  mar  aber  burd)  bie  Beteili- 
gung ber  {}austod)ter  am  Adter*(Erbe  bie  inögltd)keit  gefd)affen,  ba^ 
aud)  bie  Stau  £iegenfd^aften  in  bie  (Ef)e  brad)te.  Unb  nun  erft,  als 
aud)  fie,  als  (E  igen  tum  er  in  bes  nod)  immer  n)ertgefc^a^teften 
tDirtfd^aftlic^en  6uts,  mit  materiellem  (Etgengen)id)t  ausgeftattet,  in 
bie  (El)e  trat,  loar  bie  Dorausfe^ung  gegeben,  aus  ber  bie  feomplt3ter» 
teren  Ii)pen  bes  e^elidjen  (Büterrcd)ts  entftef)en  konnten.  Diefe  ent- 
toidtelten  fid^  nun  unter  ber  (Eintoirhung  ber  großen  fo3taIen  Der- 
fc^iebungen,  loeldje  fidj  im  Derlauf  ber  (Epodje  bis  3um  13.  3a^r» 
l^unbert  inDeutfc^Ianb  —  oon  bem  wir  n)etter^in  3unad^ft  allein 


224  Die  (E^e  im  gennani{d)«mittelatterti(i^en  Rec^t 

fprcd^en  —  Doüsogen:  suerft  ber  Robung  unb  Aneignung  bts  UrtDoIbes, 
bann  ber  me^r  ober  minber  Doltftänbigen  Dur^fe^ung  ber  feubalen 
Abhängigkeit  ber  Bauern  bei  gleid)3eitiger  Steigerung  ber  3ntenfttät 
i^res  Bobenanbaues,  bann,  feit  bem  10.  3al)r^unbert,  ber  (Entfte^ung 
ber  Stäbte.  Die  ITlannigfattigfteit  ber  in  beutf^en  Biirget'  unb 
Bauemftreifen  nun  entfte^enben  Si)fteme  übertrifft  toeitaus  bie  Diel^ 
ber  beutf^en  Dolftsftämme ,  b^nn  in  (Ermangelung  einer  ein^itlic^ 
(Befe^gebung  unb  ba  überbies  ber  6runbfa^  galt,  ba^  portifaildres 
Re^t  bem  gemeinen  Rec^t  überall  Dorge^e,  konnte  faft  febe  Stabt 
eine  i^ren  befonberen  Bebürfniffen  entfpre^enbe  Ruance  ^erausbilben, 
bie  fie  bann  auc^  auf  btn  i^rem  (Einfluß  unterfte^enben  £anbkreis 
übertrug.  3ebod}  tDirken  fi^  in  biefer  faft  unüberfe^baren  IRannig' 
faltigfteit  ber  partiftularrec^te  immer  3U)ei  f}auptprin3ipien  aus:  bie 
^^Sütergemeinf^aft"  ober  bie  „(BüterDerbinbung",  loefa^ 
kaleibofkopartig  bie  Derfd^iebenften  Kombinationen  miteinanber  ein- 
geben. (Brunbfö^li^  boten  fid)  nämtic^  stoei  ITlöglic^fteiten,  um  aus 
ber  alten  Bemibmungse^e  (Bütenec^tsformen  3U  tntmiAün,  bie  ber 
bur^s  (Erbre^t  in  grunbfä^li^  glei^em  ITlag  mit  bem  Rlonne  ya 
(Eigentümerin  erhobenen  Stau  aud)  in  ber  (E^e  i^r  materielles  (Eigen- 
getx)id)t  wahrten,  o^ne  bo^  babei  ber  Dor^errf^aft  bes  IRannes 
irgenbiDte  Abbrud^  3U  tun. 

(Entu)eber  bie  (bauen  oerf^molsen  i^r  beiberfeitiges  Dermögen 
3u  einer  ein^eitlt^en  ITIaffe,  3U  einem  ein^eitli^en  ^^iBefamtgut",  als 
beffen  gemeinfame  (Eigentümer  fie  galten,  fobag  im  (Erbfall  bie  ein- 
gebrad)ten  (Brunbftüdte  nid)t  wieber  an  bie  5<intilie,  Don  ber  fie  kamen, 
3urüdtfielen,  fonbern  als  e  i  n  Dermögen  oererbt  unb  eDentuell  geteüt 
iDurben,  unb  ba%  bie  Stau  toenigftens  bei  ber  Derfügung  über  Ciegen- 
{d)aften  meift  in  (5emetn{d)aft  mit  bem  ITlanne  auftrat,  ber  Iltann  ni^t 
o^ne  \\e  Derfügen  konnte.  IDo  immer  fid)  in  ben  mannigfad^  abg^ 
toanbelten  partikularred)ten  btefe  6runb3Üge  finben,  prägt  ft<l^  in 
i^ncn  bas  „(Büter  gem  einjd)  af  ts''-prin3ip  aus. 

®ber:  bie  in  ber  (Ef)e  Deretnigten  liege  nben  (Büter  blieben 
(Eigentum  beffen,  ber  fie  eingebrad)t  ^atte,  fobag  fie  bei  Huflöfung  ber 
(E^e  wteöer  an  bie  S^ntilie,  Don  öer  fie  ftammten,  3urückfielen ;  fit 
muxbm  aber  tx)öf)ren5  ber  (EI)e  burd)  bie  einf^eitlic^e  Dermaltung  unb 
Hu^niegung  bes  ITIannes,  o^ne  Beteiligung  ber  S^^^^^r  Derbunben.  3n 
ben  Si)ftemen,  bie  biefe  (Elemente  auftDetfen,  toirkt  fid^  bas  Prinsip 
ber  „(5  ü  t  e  r  D  e  r  b  i  n  b  u  n  g"  aus.   (Es  d)arakterifiert  fid^  äu^li<4 


A.  Bltgermanllc^es  wb  beul(^'tn<lt([altetli(^<s  Red)f.        225 

büxi)  b\t  AMclnpcraallung  im  ntannes  uiit>  oturbr  6esl]a(t)  in 
neuer  3<it,  cigcnllic^  icd)l  migvnfläntilid),  .Detmaltungsgemeinlt^aft" 
genannt.  - 

U)ir  Qeranfd)auUd}(n  uns  f^icr  Itbiglld)  bie  gt|<i)i<t)tll<f)c  Stellung 
btx  für  un|et  Dcrftdnbnis  Cier  mobecnen  Sijflemt  iDi(l)lig|len  <bütti' 
redftstijpcn,  öic  teils  buxi)  bas  Dotmoltcn  eines,  teils  öurd}  bie  Der« 
mijdgung  beider  Piin3ipien  entftetren.  Beibe  gelten  als  Reditsprinjipien. 
Die  mir  uns  junöd))!  überjeugen  iDoIIen,  bereits  auf  bie  3eit  btx 
{]tDi|(f)en  500  unb  800  aufgejcldineten)  „Dolhsrec^le",  aljo  ouf  eine 
Periobe  3uräA,  loeldfe  o  o  r  ber  öeit  bei  (Entoidilung  jener  Ipejififd) 
feubalen  IDittumsetie  liegen,  bie  u>ir  oben  befpradjen. 

Als  Kon[cqiiert]  bes  neuertuorbentn  (ETbred}t$  ber  grauen  am 
lEninbbeiiQ  finbet  |i<f]  teils  in  bcn  „DoHtsrediten",  teils  in  ben  lEI)e> 
Dcrträgcn  jener  unb  ber  unmittelbar  folgenben  3eti  ber  <!irunb|ät| 
burd)gefüIfTt.  ba^,  ba  aud)  bie  Jrau  liegenbe  (hüter  ober  iljren  <Segtn* 
iDCTt  in  bie  lfl]e  bringt,  il]i  IDittum  nid]l,  roie  bis  bat/in,  aus  fat]renbcr 
Qabe,  lonbein  ebenfalls  aus  Itegenbem  <£ute  beftetfen  mug,  tvcldics 
bann  entmcber  nur  jur  nuftmegung,  ober  ju  formatent,  aber  nii^t 
jmn  nad^lell  ber  Kinber  DeräugeTlid;em,  (Eigentum  öer  IDilme  ausgelebt 
würbe.  Der  IDitroc  |ollte  ein  Dcrmögensobjclit  lidjer  [ein,  bos  bem 
IDerte  it)rts  (Eingebrachten  genau  entiprad),  an  bem  übrigen  DermÖgen 
des  nionncs  erioarb  jie  bagegen  heinen  flnjpruc^.  3n  bitfcm  Be- 
(heben,  ber  IDitme  genau  ben  IDert  il)res  (Eingebrad}ten,  aber  nidfts 
meitei,  ju  {id)ern,  ^aben  mir  ben  Keim,  aus  bem  fic^  bie  .(Süter- 
wrblnbungsfiifterne"  cntniidieln. 

(Küttigemeintdiaflstenbenjen  aber  flnb  barin  ju  finben,  bofj,  j.  B, 
nod)  fränblfdien  Urfiunbcn  bieicr  3tit,  ntann  unb  $rau  bei  bem  Der- 
kauf  oon  £iegen|d)aften  f)äufig  gemeinfam  auftreten,  unb  bei  IDittDe 
nl<l)l  nur  it)r  IDittum,  jonbern  au^erbem  aud)  ein  Drittel  bes  in  bct 
(Elfe  mit  bem  (Motten  gemeinlam  (Erworbenen  jufällt.  Dleje  Reuerung 
nnirbe  für  bie  Srau  namentlidi  bort  bebeutungsDolI,  roo,  mic  3,  B.  in 
ben  nod)  bünn  befiebetten  Heilen  (Dfifrankens,  jebes  (Eliepaoi  burd) 
Heurobung  im  milben  DJalb  ober  in  ber  Dorfmarli  Adierlanb  erioeiben 
konnte,  tjatte  ein  Ubepaar  burc^  tlufpflügen  oon  Ileulanb  {einen 
<trunbbeftf  erft  ipäl)renb  bet  (Ef)c  ge[d)affcn,  |o  natjm  bie  5iiu  an 
bem  öuTd)  gemelnjame  Arbeit  lErrungenen  baburd)  teil,  ba%  fie  nad^ 
brm  lobe  bes  (ßotlen  nidjt  nur  Anfprud)  auf  Hutiniegung  Ibtes 
0)tthiins  l)atte,  fonbern  mit  il)ien  Kinbecn  im  «Bel|iS'  blieb,  b.  t|. 


L 


15 


226  Die  (E^e  im  germani{^«mitt6lalterli^en  Re^t. 

Sufammen  mit  i^nen  öte  Derwaltung  bes  (Befamtguts  iibema^m 
unö  3tDar  öerart,  öag  bei  Deröugerungen  aud^  i^re  Stimme  ins  (Be* 
roi^t  pcI.  Der^ctratcte  |ie  |i^  roicöcr,  |o  na^m  fie  Vs  öcr  ^(Errungen- 
Idjaft"  mit  in  öie  neue  (E^e.  Diefer  flnfa^  3ur  teiltoeifen  (partiku- 
laren) (5ütergemein{d)aft  öurd)  öie  Beteiligung  ber  5^<^u  an  ber  e^ 
liefen  (ErTungen{d)aft  ^ob  i^re  Stellung,  toenn  ni^t  bem  (batttn,  fo 
bod)  bzn  Kinbern  gegenüber.  Sie  mußten  ber  ntutter  ein  Re<j^t  ^ur 
ntitoeriDaltung  bes  (Erbes  suerftennen  unb  konnten  fie  nid^t  auf  ein 
bloges  Altenteil  fe^en. 

Die  niannigfaltigfteit,  in  toeldjer  feit  ber  „Dolftsre^ttic^en"  3eit  biefe 
an  fid)  einfad)en  prinsipien  bes  in  ber  (Entfte^ung  begriffenen  <E^ 
güterre^ts  [xii  (treusten,  war  eine  fo  ungeheure,  ba^  es  für  uns 
^ier  unmöglid)  wäre,  bie  (Einsel^eiten  3u  oerfolgen.  3n  ber  uns 
^ier  befd^äftigenben  pertobe,  alfo  im  beutfd)en  frühen  mittelalter 
(etiDa  10.— 13.  3a^r^unbert),  mürben  fpesielt  bie  fc^on  in  btn  DoIkS' 
regten  enthaltenen  Anfö^e  5ur  teilweifen  (Bütergemeinf d^af t 
Sumetft  bort  weiterentwickelt,  wo  bie  (E^tftens  ber  5<^initi^  nic^t  auf 
altererbtem  (brunbbefi^  ru^te,  fonbern  burd)  bie  inbioibuelle  Hrbeit 
bes  etnselnen  (Ehepaars,  Dorne^mlid)  alfo  im  ftöbtif^en  (Bewerbe  unb 
(janbel,  aber  auc^  auf  neugerobetem  A(6erlanbe,  gefc^affen  würbe. 
Heben  biefen  wirtfdjaftlic^en  trieben  aber  auc^  fosiale 
IHomcnte  3ur  Durdjbtlöung  bes  (5emeinfdjaftsprin3ips.  Die  (Ein« 
wol}nerfd)aft  ber  neugegrünbeten  Stabte  bilbete  I)auftg  ein  buntes 
(5emtfc^  Derfd)tebenartiger  Staube.  {}örige  unb  Untertanen  oerf^ie« 
bener  £eib»  unb  (Brunb^crren  Bereinigten  ftc^  mit  freien  £euten  im 
Umkreis  ber  Staötmauern,  biteben  aber  3unädjft,  entfpredjenb  i^rer 
(jerkunft,  fowoi)!  perfönltd)  wie  Dermögensred)tltd}  Derf d^iebenen  Re<l^ten 
unterworfen.  Damit  ftd)  nun  biefe  Tleubürger  miteinanber  Der^eiraten 
unb  fid)  3U  einer  einl)eitlid)en  Rcd^tsgenoffenfdjaft  oerf^melsen  konnten, 
mugte  t[}nen  erft  ein  befonberes  ein^eitltdjes  Stabtrec^t  Derlie!^ 
werben,  weld^es  cor  allem  il)re  perfon  unter  beftimmten  Doraus« 
fe^ungen  oon  öen  Rnfprüdjen  il)rer  frül|eren  (Brunb^erm  befreite:  - 
„Stabtiuft  madfi  frei",  fagte  ein  altes  Redjtsfpridjwort.  Da  nun 
aber  überbtes  bas  beutfd^e  Red)t  ein  gegenfeitiges  gefeglic^es  (Erb* 
red)t  ber  (Ef)egatten  urfprüngltdj  ntdjt  kannte  —  bie  Der^dltniffe 
würben  ja,  feit  bie  (Ei^efrau  überl)aupt  Dermögens f  u b i e k t  war, 
wie  wir  fallen ,  burd)  Kontrakt  geregelt  -  fo  war  bie  6efa^r 
fortwäljrenber   Sugriffe    auswärtiger   fjerren   ober   Derwanbten   bei 


A   filigetmaniliiies  unb  fteut|d|-mUteIalterIii^es  Becfft.       227 

SobnfAtlen  gegebtn.  Soldje  erbie(t)tlidren  f1n|prüct)t  SreTnix'  i"  ^<^ 
Crbc  eines  (EVgattcn  ivurtien  aber  am  lei^leften  fturcf)  bit  Der- 
[(i)mel3ung  bes  beiberteitig  (Eingebtadjten  ju  einer  Tita^i  beieltigl. 
Denn  aisbann  ttonnten  jid)  6ie  Satten  mit  Busidflu^  aller  fremden 
RnipTÜd)e  gegenfeitig  beerben,  ober  Dlelmet}r:  ber  tDegfall  bes  einen 
I(i[|]abets  ber  (fiütergcmein(d]aft  mürbe  -  isenigftens  menn  Kinber 
ba  »aren  -  gai  iiid;!  als  „(Ejb]i)a\t' ,  |onbern  als  „SoTt|ef)ung  ber 
<£ütergemein|(f)a1f"  (ingefet]en.  6anj  äf]n1i<t;F  TtlotiDC  t]aben  bas 
<Mittrgcmctnid)aft5'Sp{tem  pielfac^  auif  bei  ben  unfreien  ober  grunb* 
IjÖrigen  Bauern  nerbreilet :  tjitr  \u<i]tt  man  ber  beim  lobesfaH 
brolfcnben  <tlnjiet)ung  von  Seilen  bes  nadjlüHes  bes  oerltorbenen 
Bauern  burct;  ben  Ijerrn  unb  ben  jablreid^en  auf  i£rb Übergängen 
laftenben  Abgaben  (Caubemien),  bie  ber  !)eri  bei  (Eibfällen  erlfob, 
buburdf  nat^  niöglidflteil  ju  entgel)en,  ba^  man  bas  Dermögen  (es 
I)anbelte  \iAt  bann  freilid)  }unäd)ft  nur  um  ben  beroeglidjen  Bcfi^) 
als  .SamilienpermÖgen"  Nonftiluierle. 

Unter  btrartigen  {ojialen  (Einflüft^'i  f'^t'  l<4  bas  Mteigemein- 
f<f)aftspiin3ip  auf  bem  £nnbe  Didfacf]  bei  ben  urfpTiinglid)  gtunblfdrlgtn 
Bauern,  ferner,  am  reinften,  in  ben  oft-  unb  mitte[fräniiifd)eit  (Drten; 
Kbln,  Sfouhfurt,  Bamberg  ftutdj.  inöem  es  [irtj  Ifier  3U  ben  löge- 
nannten  (Be|amtbanb$|t)ftem<n  entmiAelte.  Dieter  Begriff 
bebeutet  bic  formell  gleichartige,  genoffenf^aftlidte  Beteiligung  brr 
Ct)egatlen  an  bem  ju  einer  IKaffe  uerldimol^encn,  beibtTfeltigen  Der' 
mögen.  IDle  ,£elb  an  Eeib",  fo  .(fiul  anffut":  Eigentum  bes  elnw 
ift  autt]  lllgenlum  bes  anbcrn,  ^esI]aIb  miiffen  bie  (hatten  bei  ber 
Derdugerung  unb  Belalliing  ocm  tiegenfdiaften  3u|ammen  auftreten 
unb  ,mit  getarnter  ^anb"  oeifiigen.  Die  Aatlen  finb  aber  ni(t)t  nur 
gemtlnfame  (Eigentümer  lt)res  (Ejngcbrad]ten.  lonbern  cor  allem  auif 
bes  In  ber  4I(C  (Errungenen  unb  als  l£rgän3ung  basu  Ifaften  fie  aud) 
fflt  ailc  S<t)uiben  gemetnfam:  Sie  loirlfi^aften  auf  gemein|amen  .(Be- 
beit)  nnb  Derberb*,  fo  beseldjnet  ein  Redftslprldjaiorl  i^e  oermögens- 
rei^liidte  Be3ie^ung. 

Starb  einer  ber  (Satten,  fo  geftaltele  fid)  bie  Stellung  bes  Heber- 
Icbenben  oft  oerf^ieben,  |e  nadjbcm,  ob  bie  (Elfc  mit  Kinbem  gefegnet 
mar  ober  nidil.  3m  erfteren  S«"'  wuren  3.  B.  bei  bem  foeben 
flil53{erten  fränki|ci)rn  (Ke|amt([anbs|t)flem  tPitmer  unb  tDilroe  einonber 
nie i(^ gefiel II.  Der  Ueberlebenbe  blieb  in  .fortgefe^ter  6üttrgrme)n< 
fdfaft'  mit  ben  Kinbem  unb  Ijatte  bie  lebensldnglid)e  Hu^ung  unb 

15* 


228 


Die  Hft  im  germanijdj'inittelalterlidien  Re^t. 


Dermaltung  bts  (Sefamtciuts  bis  5U  einer  etisaigen  stoeiten  <EI)e. 
lieber  bas  mhtmeg\ii)t  (Eigentum  tionnte  aber  nur  mit  il)i 
ftimmung  oerfügt  unö  Qud]  nur  öie  fQl)renöe  I^abe  mit  in  eine  jioeitt 
(Et[e  genommen  ipcröeii.  fliiörc  Rcdite  oetfügten  für  öiejen  Sali  öie 
leilung  ^es  iBeiamtuermögeus  unti  3ivar  nad)  Dec{(f)ie&eneii  (Quoten: 
nad)  SdjiDert'  unö  Spinöelleil  in  öer  oberrffeiniIet|en  (Ebene,  3ur  t)älfte 
in  btn  meiften  nor6t)eut|d)en  Redeten.  IDar  &ie  (EI]e  ftinberlos.  io 
fielen  entioeter  -  jo  in  öem  ertDÖffnten  fräiihildien  Stjftem  —  öte 
Don  6en  iBatten  eingebrad)ten  Dermögensleile  tDte^er  an  bie  Det|<i)ie' 
benen  S^milien  surü*  unö  nur  öie  eljelidjc  (Errungenfdjaft  (aljo  öos 
tDäljrenö  öer  (Etje  öurd]  Arbeit  (Errootbene)  rouröe  3roildfen  öem  lieber- 
lebenöen  unb  öen  Denoanöten  öes  Derftorbenen  geteilt.  Unö  jtoar  fiel 
bann  öem  ITtanne  ober  feinen  Derroanöten  öer  Sdiroertteil,  ber  Jrau 
ober  iljren  Derroanöten  nur  öer  Spinöeileil  3U.  (Döer  es  fanö  Heilung 
jur  fjälfte  flatl.  (Döer  enölid),  öer  Unterj^ieö  5mi{d)en  beerbter  unö 
unbeerbter  <Etjt  fetjUe  gauj  unö  öer  Ueberlebenöe  galt  als  (Erbe  b«s 
(6an3en. 

(Es  kann  nun  |o  fd]einen  unb  miiö  aud)  t]äufig  fo  bargeftelll,  als 
ob  in  öiefem  gütergemein|d)aftlid)en  (Seiamtl}anös|t)ftcme  bie  innig« 
perfönlii^e  unb  tDirt|d}afl!td]e  Derbtnbung  ber  (Balten  am  nollltom- 
menftcn  sum  flusöru*  liäme.  (BlüdiS'  unö  Sorgengemeinfdjaft  in 
btjuq  auf  bie  roirtfd)aftlict}e  (Brunölage  öer  <Et)e,  —  bies  fd}eint  in 
öer  Hat  auf  öen  erften  Blick  am  beften  öie  DercDirltlidtung  einer 
ibealen  Cebensgemeinfdfafl  ju  geroälirleifteti ,  namentlidf,  öa  öiejes 
Sifftem  tifjon  roäfirenö  öer  4lje  öer  5rau  ein  IlIiiDerfügungsredjt  auif 
über  öie  £iegenic^aften  öes  niannes  einräumt.  tDirö  fie  nidft  Öabur4 
menigflens  Derntögensred)tlid)  als  bes  Hlannes  (^euolfm  an  feine  Seite 
get)oben?  Die  Sadje  ijai  nur  einen  f)aken-.  öie  per{önlid)e  fjerrfdiaft 
bes  nitinnes,  öie  „(EI;eDogtei",  befiel;!  nämlid)  tiogöem  ungefi^ivödit 
fort  unö  barf  fid),  mie  wir  nod^  an  einem  Beijpiel  feigen  merben, 
graöe  in  öen  (Sütergemein|drafts|t}ftemen  |o  unge^mmt  ausroirlieii, 
baft  öie  prin3ipielle  (Erifebung  öer  St«"  W  rHiteigentümerin  bes 
(Sefamtguts  praklifd;  -  näntlid)  in  öer  lEIje  mit  einem  leii^tfinnigen 
unö  getoiffcnlolen  Tllann  -  3um  Danaerge|d)enl)  für  fie  werben  hann. 

Stellen  n>ir  uns  vor,  ba^  bas  Srauengut  |orDol)l  als  (Eigcntiiin. 
tsie  3ur  Dertoaltung  unb  Ilaftnie^ung  in  öie  fjonb  öes  lüannes  ge- 
geben ift.  Bis  3nt)aber  ber  Illunt  ift  er  ebenlomenig  Derantwortlid) 
ffil  bie  (Etl)allung  il)res  toie  (eines  (Buts,  er  kann  beiöes  öuTdtbnngm 


1 


A.  (Utgcnndnll^es  un6  ti(ul|d)'mittelalterlfi^  Rei^t.       229 

►  oer((fjuIöm,  ol)tif  60^  bk  ysax  jur  ITIlttigeiilümmn,  nidjt  aber 
3ut  mttoernjalferin  »rlfobcnc  Srau  if)ren  linfliife  gcitenö 
mad)tn  ftann.  S«ilid)  [oII  tic  3Ut  Dcröuftcrung  unb  Belaftung  pon 
£it9rn|d)äf(en  lt)Te  ?u|limmuiig  geben.  Dies  hann  aber  bei  itfrer 
fonftigen  abjoluten  Unii-Ibllänöightit  damals  bex  Tiegel  nac^  riid)t  picl 
met)r  bebeiiteit,  als  öaf;  fte  als  (E(t)o  bes  ITIonncs  fungiert.  Unb  Qbrr 
alles  bemeglidte  (üut,  olfo  3.  B.  fibec  (Belöiiapttalien ,  unb  aud)  über 
ben  lErlbs  aus  vtrliouflen  Ciegenfc^aften  oerfügt  ber  Illann  Itraft  feinrc 
munt  gan3  aUein. 

Die  n)id}tt9fte  Konfe quenj  bec  ffiüf ergemeinldfaft  ober,  bie  S  d^  u  I- 
btngemein|(^att,  |o  {elbftnerftänblid)  fte  aud)  für  bie  .ibeale" 
IEt)e  fein  mag,  in  ber  bie  $rau  fid)  aus  fteiem  (Entld^lu^  aud]  gtfd)äft- 
Ii<^  mit  if)ieiii  (hatten  tolibanjd)  erhlärt,  bringt,  fo  lange  bte  Der* 
mögensDerttiailung  allein  in  ben  f)diiben  bes  HTannes  rufjt,  lebiglid) 
i[)m  Dorleile,  bagegen  bem  $rauengut  beftänbige  (BefaI]T.  Dies  f^aftet 
nämltd),  menigfttns  ber  Regel  nodf,  nidft  nur  für  gemeinfame 
f}ausfialtungs{diulben  ober  ge[d)(ifllid)c  Detbinblid)iieiten,  fonbern  un- 
befc^iänkt  aud)  für  bte  rein  petiÖnUdjen,  nidit  nur  isäl}rtnb,  fonbern 
au(^  DOT  der  <£l)e  entflanbenen ,  \a  im  prinjip  felbft  für  bie  Dtüht« 
fdfulbcn  bes  Itlannes.  Unb  3tDaT  ift  blt  5^1»  *>»<')  perfönlid)  tjafl- 
bar,  b.  I].  nad)  bem  (lobe  bes  lllannes  traben  feine  Gläubiger  fotvo^f 
Anfprud)  auf  ttit  oorljonbcnes  tuie  aud)  auf  if)r  ganjes  3uiiÜnftiges 
Dermögen,  —  falls  nid]t,  mos  ollerbings  öfters  norham,  bas  Redjt 
fie  tvcnigftens  baoor  f^üBt.  Diefer  RntDarlfcbaft  bcr  ifiläubigci  i^tes 
niannes  konnte  fid)  ble  tDittoe  nur  baburdt  ent3iet]en,  bag  fit,  angetan 
mfl  it)rtm  beften  Klelbe  unb  Sd)mudi,  binter  bem  Sarge  bes  inannes 
bas  (jaus  DcrlieB  unb  il)re  Sdflüffet  auf  bie  lialjTe  nitbtrirgtc,  ober 
U^ren  Itlantel  aufs  <Brab  fallen  lieg,  3um  Seidjen  i^res  Derjidits 
out  bie  gan3e  IjinterlaffenfdjafI  3U  gunfttn  ber  (Mdubiger.  Sie  roaT 
bann  meilcren  Dtrpf1id)lungen  entt)oben,  ntrlor  aber  3ug1etd)  jeben 
Rnfptui^  auf  Rüdiforberung  iifres  eigenen  Deimögens. 

Das  (Eütergemeinfd)aftspTiii3ip  ermöglid)te  aber  noc^  eine  roettert 
Steigerung  ber  el)(J)errnd(en  llIadjlDolIhommenffeiten  baburd),  bafi  bem 
manne  als  Dormunb  fctnes  tDeibes  nid)t  feilen  aui^  bie  uu5|d)Uf^lid}e 
Dertretung  ber  £iegenfd)aften  geftattet  würbe.  So  entftanb 
3,  B.  in  einigen  lübmeilUdien  unb  noTbbeutid)en  Slübten  (iu  Sreiburg, 
Bnn,  KltDc.  KaDtar,  Brahenlietm,  l^umburg,  Bremen)  (fiülergemein> 
|<^aft  of)ne  Sefamt^nb.    Die  bem  Illann  buid)  biefes  Sqftcm  oer- 


230  Die  (E^e  im  germanif^-mittelalterli^en  Red^t. 

Helene  Befugnis  erklärt  uns  bas  (alterbings  erft  tm  16.  3a^r^unbert 
oerfagte,  aber  sweifeltos  älteres  Re^t  toieöergebenbe)  Stabtred^tsbuc^ 
von  Braftenl)eim:  „bietoeit  ein  burger  ober  eine  burgerin  leben,  fte 
^aben  ftinb  ober  nit,  gibt  ber  man  bietoeit  er  reiten  unb  gen  mag 
(b.  ^.  {olange  er  gefunb  ift),  aigen  unb  le^en  unb  farenb  gut  unb 
alles  bas  fein  eelic^  tourtin  ^at,  toem  er  toill  unb  toas  in  luft!"  Qier 
erhält  alfo  ber  ITlann  burd)  bie  „(Biitergemeinfä^aft"  eine  pafc^- 
(Bewalt  über  bas  f}ausDermögen,  toie  fie  i^m  fetbft  bie  alten  Dolks- 
redete  nid^t  3uerftannt  ^aben.  ITlit  ber  {^rankenlofen  (Bemalt  eines 
abfoluten  Königs  liat  er  IDeib  unb  Kinbem  gegenüber  bas  ausbrüdt' 
lidje  Re^t  3U  fagen  >car  tel  est  mon  plaisir«,  loenn  er  i^r  I)ab  unb 
(ßut  oerfdjleubert!  - 

Die  ^ö^ft  mannigfaltigen  Sqfteme,  bie  burc^  Derfd^iebenortige 
Kombinattonen  bes  (5ütergemein{d)aftprin3ips  mit  e  i  n  3  e  l  n  e  n  3&gen 
bes  6üterDerbinbungs{i}ftems  entfte^en  ftönnen,  wollen  toir  ^ier  nic^t 
erörtern.  Als  bie  in  Deutf^lanb  Derbreitetf te ,  au^  im  mobemen 
Re^t  fortgebilbete  3n)itterf orm  fei  nur  bie  (Errungenfd^aftS' 
gemeinf^aft  ertoä^nt,  bie  babur^  entfte^t,  bag  bie  (Eigentums« 
unb  Sd}ulbengemeinfd)aft  fi^  nur  auf  bas  in  ber  (E^  burc^  gemein« 
fame  Arbeit  ber  (Batten  (Erworbene  (bie  „(Errungenfc^aft")  erftredd, 
toä^renb  bas  Don  beiben  Seiten  etngebra^te  unb  ererbte  (But  nur 
burc^  bie  Denoaltung  bes  ITlannes  oereinigt,  im  (Eigentum  aber  g^ 
trennt  bleibt.  Diefes  namentlid)  für  ftleinbürgerlid^e  Kreife,  a>o  bie 
5rau  bem  ntann  im  Caben  unb  in  ber  IDerliftatt  ^ilft,  Je^r  lebens- 
fähige St){tem  tft  im  ITlittelalter  in  Deutfc^Ianb  in  (Eeilen  bes  R^in> 
gebiets  {d)on  in  fränftifdjer  3eit  bekannt,  bann  in  einigen  toeftfälifd^n 
Stäbten  ftonfequent  enttoidtelt  unb  I)at  Don  bort  aus  ein  toeites 
(Beltungsgebiet:  S^^^^^n,  ([t)üringen,  Sd)tx)aben,  Bat)em,  Oefterrei^ 
erobert.  Bei  biefem  Dorbrtngen  nac^  Süben  unb  (Dften  ftieg  nun 
aber  bas  (Errungen|d)aftsprtn3ip  auf  bie  alte  tDittumse^e,  a>eld)e  bie 
5rau  unb  i^re  Kinber,  burd)  5«ftlegung  ber  beiben  3u(te^enben  fln» 
{prüd)e  im  (Eobesfall  bes  ITlannes  gegen  bie  Konfturren3  anberer 
Kinbcr  fidjerte.  Die  Solge  war,  bafe  ^ier  bas  „(Errungenfc^afts'« 
Prin3ip  überl^aupt  auf  bas  beroegltd^e  (5ut  befdjränkt  blieb,  bas  ge« 
famte  unbeu)egltd)e  Dermögen  aber  als  b^n  Kinbem  „0  er  fangen', 
alfo  als  unoeräugerlid)  galt^.  -  Auc^  bie  (Errungenfc^aftsgemeinfc^ft, 

')  (Es  bebeutete  bies  naturgemäß  eine  fel}r  ftarfte  (Erfd^verung  einer 
3n)eiten  <El)e  aud)  für  ben  ITlann,  gan3  tote  im  ägtiptifd^en  Hed)t,  mit 


A.  Hltgermanif^es  unb  beuti^-mtttelalterlid^es  Rec^t.        231 

namentlid^  in  öer  reinen  5onn  bes  r^einif^en  St){tems,  tft  ein  (Büter* 
red^t,  toe^es,  ä^nlic^  ber  (Bütergemetnfd^aft,  Dorausfe^t,  bag  beim 
(E^abf^Iug  ber  (Er tD erb,  burd)  Arbeit  ober  6e{d^äftstatigkeit,  toenig- 
ftens  mit  im  Dorbergrunb  ber  (EriDögung  fte^t.  (Es  oerbankte  alfo 
meift  öfionomifc^  fortfc^reitenben  Der^öltniffen  feine  (Entjte^ung,  - 
iDomit  ni^t  gefagt  ift,  bag  es  n  u  r  unter  folc^en  e;i{tieren  konnte.  Denn 
bie  Regel  toar  naturgemäß,  bag  Koloniften  i^r  getx)ot)ntes  Rec^t  au<l^ 
in  gans  anbersartige  Derl)a(tniffe  übertrugen  unb  ba^  bie  Red^ts» 
fi}{teme,  5.  6.  bei  ber  Reugrünbung  Don  Stöbten,  nad)  irgenb  einem 
-  oft  natürlich  ^iftorifc^  3ufälligen  -  lTIu|ter  einer  anbren,  als  blü» 
litnb  bekannten  Stabt  kopiert  tourben.  — 

Auf  gan3  anberer  toirtf^aftlid^er  unb  fosialer  6runblage  als  bie 
bisher  fkl33ierten  (5emein|d)afts|i)|teme  Ijat  |ic^  meift  bas  Prinsip  ber 
6üterDerbinbung  burdjgefe^t  IDar  für  bie  (Entmidtlung  jener  ber 
auf  (Befc^äfts«  unb  Arbeitsoerbienft  beru^enbe  unb  infofern  ,,bemokra« 
tifc^e"  Befi^  ber  Reu-  unb  Kleinbürger  mitte(alterlid)er  Stöbte  unb 
k(einbäuerlid)er  Derl^ältniffe  ber  günftigfte  Boben,  fo  prägte  ftd}  biefes 
bort  am  reinften  aus,  n)o  in  (Ermangelung  ftabtifd)er  (Erwerbsarten 
Rnfe^en  unb  Reid^tum  einer  S^Ynilie  oonDiegenb  im  altererbten 
Befig,  namenttid)  (Brunbbefi^,  murselte.  (jter  bel^auptete  fid)  bis  in 
bie  Reuseit  bie  (Eenbens,  bm  ererbten  Boben  als  5<intiIienDermögen 
3ufammen3u^alten.  Sie  behielt  ^wax  bei  bm  oom  fjeerbann  befreiten 
Bauern  ni^t  me^r,  toie  im  Ritterftanbe,  bie  Kraft,  bie  (Eöc^ter 
Dom  (Erbe  aus3uf(^(tegen,  aber  fte  wirkte  fid)  nod)  barin  aus,  bog  bie 
ber  f}austod)ter  Dererbten  (Brunbftüdte  burc^  tl^re  (jeirat  nid)t  bauemb 
ber  Sfliwili«  entfrembet  roerben  follten.  Starb  insbefonbre  bie  S^^Qn 
kinberlos,  fo  follte  i^r  (5ut  aud),  unoerfd^ulbet,  an  t^r  eigenes  (5efd)(ed)t 
3urüdtfanen.  Desl^alb  enoarb  ber  (Ehemann  kraft  feiner  Hlunt  imax 
Derumltung  unb  Ruftntefeung,  nid)t  aber  bas  (Eigentumsredjt  am  (Ein- 
gebradjten  ber  S^u,  unb  umgekeljrt  Ijatte  aud)  bie  S^öu  keinerlei 
gefeftlidjen  flnfprudj  an  bas  Dcrmögen  iljres  ITIannes. 

Diefes  Softem  fe^te  fidj  3.  B.  unter  ber  freien  b  ä  u  e  r  lidjen  Be- 
oölkerung  ber  fc^n)ei3erifd)en  Urkantone  burd).   (Es  fanb  aber  auf  ber 

6em  biefe  Art  ber  Sid^erung  ber  Kinber  6te  offenbarftc  Analogie  jetgt. 
Später  (13.  3al}rl}un6ert)  fud)te  man,  um  bie  3tDette  <Ef}e  3U  ermdglidien,  bas 
Derfangenf(^aftsred)t  ab3ufd)n)öd)en,  inbem  man  bem  überlebenben  unb  ftd) 
neuoerel)eIt(^enben  (Elternteil  bas  Hed)t  ber  (Teilung  bes  (Butes  mit  ben 
Kinbem  gab  («(Eeilrec^t"). 


232 


Dfe  lE^e  hn  geTmant((^'imtt(lalterIi(^en  Rettet. 


anöern  Seite  butrfj  äljeDertröge  audi   in   \ol&}tn   älteteit  füMeut|<tKn  1 
unb  Idjnieijenidjen  S  t  ä  b  t  e  ii  fingaitg,  in  öenen  fltf)  jufolge  bes  ]» 1 
nel[tnenben   (Belöreiit|tums  eine  bürgerlii^e  Bcfi^atiftobrotte,  bie  i 
erftet  £inte  ttjr  Dermögen  ju{aTnmeiiI)alten  mollte,  entmidtelle. 

Sel)r  rein  in  ben  (Brunbprinjipien,  ober  mit  einigen  <f)arQfetftilti[d)fn 
dutaten  im  cin5elnen,  prägt  es  ftd)  im  oftfäH[d;en  £anbTed]t  aus,  bas 
burd)  lEihe  oon  Repgoro's  „Sadjienipieger,  anfang  bes  15.  3a^r' 
tfunberts,  {eine  {tlairildje  Dar|tellung  fanb  unb  Don  ba  aus  na<^  ITlagbe' 
bürg  unö  ©eiterljin  im  (D[ten  unb  Itorben  ücrbrcitet  toorben  i(t.  Demi 
^ier  beicaiftte  ber  6runbbefi^,  bei  kräftiger  ÖhonomiidieT  Blüte  bes 
£anbbaues,  ben  ([f)arafiter  bes  an  bas  <&e{d![ed)t  gebunbenen  (Erbguts. 
Dcranid)au(itf|en  roir  uns  in  oenigen  Sttid}en  6ie  butc^  bie(es  Sijlttm 
ge(d)affenen  oermögensrecbtUdien  Besielfungen  ber  (Batten.  Beibe  bleiben 
■Eigentümer  ber  non  itfnen  eingebradjten  £iegent(t;aften.  Die  Srau 
brau(^t  bcsl]alb  —  nad)  ber  !feute  übertoiegenben  Rnfid^t  —  mit 
it)rem  (briinbbefi^  nid)t  für  bie  Sd}ulben  bes  lllannes  ju  I]aften,  aud) 
bann  er  nidjt  oI)ne  iljre  Snjtimmung  neräugert  ober  bclajtet  »erben. 
Bei  ilfrem  dobe  fällt  er  lt)ren  (Erben,  alfo  in  (Ermangelung  oon  Kinbem 
itjrer  Stammfomilie,  nidit  aber  öem  (Etfemann  3U.  Dogegen  liegt,  fo 
lange  bie  (Eije  befteljf,  infolge  öer  .,(EI}etiogtei"  bie  geri(^llid)e  Der- 
tretung,  Dertsaltung  unb  Hugniegung  bes  unbenieglid)en  ^rauenguts 
ebcnfo  mie  ber  etina  ausgelie[)encn  Kapitalien  ober  anbrer  nut|ungen 
ober  Renten,  bie  itjr  jn|lcl)en,  üusjd)Iie6tid)  in  bes  2E[emanns  l^anb, 
loas  ber  Sad}fen{piegel  in  bem  Sat)  ausbriidit:  „lEr  nimmt  in  ittnt 
(Bcmere  all  it)r  (But  ju  redjter  Dormunbtd)aft".  flu^erbem  aber  De^ 
fügt  er  ganj  frei  über  bas  oon  ber  5ctiu  eingebradjte  beweglid)c 
(But,  tooju  aud)  it)c  Baaroermögen,  unb  auf  bem  £anbe  cor  atlrm 
als  oiertDolIfter  Seil  bas  <brogtiiefr,  mit  bem  fie  ausgeftatlet  loorben 
toar,  gehört.  «Er  ruitb  nidjt  nur  Derroalter,  [onbern  -  in  unfrer 
tterminologie  -  „(Eigentümer"  biejer  Si^t^nis.  besljalb  tjaftet  btefc 
auc^,  Utas  aüerbings  gelegentlid)  beftritlen  rnirb,  {einen  (Gläubigern. 
Hur  bei  (E[)efd]eibung  mu^  er  fie  t)erausgeben  ober  iffien  IDert  et' 
feften,  Alles  ferner,  roas  toäfjrenb  ber  (£i)e  burd)  gemeinfame  Rrbcil 
ober  aud)  burd;  aus!d)lieftlic^e  Arbeit  ber  Si^au  errungen  njurbe,  fällt  bem 
DTanne  3U.  3n  bejug  auf  bie  £iegenid)aften  unb  ben  flrbeitsenperb 
ber  Srau  entjpric^t  bies  öem  Red)ts|prid)uiort:  „Jrouengut  (oH  meöet 
»adjlen  nod)  fdiminben".  -  ein  3eid)en.  ba^  bort,  nio  bie  (Ejiftenj 
ber  5amilie  burd)  ben  Befi^  oon  „(Erb  unb  (Eigen'  gefi<^eit  mar,  < 


A.  Allgemiani|i!^cs  unb  !)eut|d)*mittc(alt(rli(f)es  Re<^L       233 

io  b«Drgli<^c  (Kiö^t  rofe  fter  tDirtid)aftU<f)e  „IDfrl"  ti«T  einjdnfn 
Bäuerin  D<tmögtn6ied)tli(^  gamid)!  m  flnlditag  gebrad)!  Durfte.  3t)re 
p<i[JinK(^tii  mtrt|d)aftHd)en  Ceiflungeii  fanö«n  übert^aupt  Keinen  flus< 
ftrudi  im  Rcd^t. 

Auf  6en  erften  Bli*  nidjl  leidjt  Der|l(Stil)ll(^  iff  nun  b\t  flrt.  »ie, 
im  5oU  ^<T  (Trennung  bei  Oft  bmii  ben  Hob,  bas  in  btr  l)anb  des 
mann»  .ungejinnel"  Deretnigic,  bcireglid;«  (Sut  ausclnanber^efettt 
iDirb.  Stirbt  bei  Be(tan6  öer  4i)(  öie  dlfefrau,  |o  pcrcrbt  flc  —  wie 
»It  |<t)on  |a[)en.  ii]r  .(Eigen"  ((^Tunbbefitl)  »n  <i)t(  näd}ft(n  (Erben 
{Ktnber  ober  Stilenntrroonbtt).  Don  ber  Don  i^r  eingebcad)ttn 
Sd^ntis  bagegen  »itb  nur  ein  be(timmter  Kompicj  con  5a(f;en,  Me 
Jogrnonnle  .(Rerabe",  in  gl*ii!iem  Umfang,  mit  öie  5rau  Sadjen  biefet 
Art  clngtbrad)!  t^alte,  aus  btm  ungejtneitrn  (üul  ausgejonbert  unb 
an  bie  .niftel"  ber  Srau.  b.  ij.  ilire  näd}fte  roeiblidtc  DtrnjcmWe 
bur<4  bic  meiblid^  £inie:  ([od)ter,  SdimefleT,  lltt^le  Deterbl.  9ur 
Oentbc  gel^brni  3.  B.  Sd^afe  unb  (Eän|e,  unt>ertDobrnes  (Rarn.  lild)' 
unb  £cibivät(f)e,  Betten,  meibUd)e  Kleiber  unb  Sd)mudi{ad}en,  bann 
RofenKianj  unb  pjaltei,  „alle  Büd)er  bie  3um  iBottesbienft  gehören, 
Vt  5tauen  ju  letcn  pflegen"  u.  [.  10.  Die  alten  .ornarnnta  mu 
[Bclfria-:  bie  Kleiber  unb  Sdimudifadjen  bcr  5r<"'.  öle  |d)on  In  ber 
Seit  bet  DoIltsTed)te  oft  eine  An  Sonbergut  ber  5tDU  waren  unb  ben 
iDeibIid}en  (Erben  3uftanben,  traben  fid)  alfo  l)ier  ju  einem  Komple; 
SWTtDoDerer  Sadjen  ausgewadifen.  Alle  nid}l  3U  biejer  ,nifltl>(fi(> 
tob*'  gei)Drigen  Beftanbteile  bes  cingebrad)len  (6uts  ber  Sro"  -  bie 
.Ungerabe*  -  nierben  im  5^n  bes  (Eobes  ber  5tou  nid)t  aus 
ungejroeiten  (but  eiflatlet,  fonbern  bleiben  bem  IKann  unb  [einen 
feben.  -  Dos  prinjip  i|t  in  bleiern  Süd  relalio  einfüdj.  Seljr 
eigenartig  unb  oerroldiclf  finb  bagcgen  bie  Regeln,  nat^  benen 
fid)  im  Sali  bes  lobcs  bes  niannes  Me  IDitioe,  loenn  fie  nii^l,  mJe 
,  mit  ben  Kinbem  „in  ber  tDere"  bleibt,  mit  lt)ren  KInbcm 
mit  ben  SettenDenoanblen  bes  l^crftorbcntn  über  ben  benicgi 
icn  na(^Ui^  auseinanbrrfc^t.  tjöufig  veijorgl  bcr  ITTann  fie  bo» 
itd),  bat)  "  ")''  für  feinen  Sobesfall  ein  Slfl<ti  Adterlanb  mit  einem 
iusd)en  barauf,  als  [og.  .Ceibiud)!',  3ur  Ilu^nirftung  i]eri<^rleb. 
lod)  »ar  er  baju  nid)!  uerpflidilei.  3^1'  eigener  «runbbeflft  bleibt 
ttotärlii^  itfTen  Klnbein  ^oerfangen',  r>e  hann  besf)alb  nidjt  bar> 
ftbet  Mrffigcn;  au^  mirb  it}r  bei  ber  Deroialtung  ber  näc^fte  Der* 
vanbtc  l^rts    oerflorbenen  manne*  als  Dormunb  ^ugcfellt.     S&r 


K 


—  tobe 
■feh. 


234  Die  (E^e  im  germQnifc^'mittelQlteTlic^en  Rec^t. 

ben  Oerluft  i^rer  „Ungerabe''  ferner  toirb  fie  bur^  bie  i^r  oon 
(Befe^es  toegen  sufallenbe  „nTorgengabe"  aus  bem  na^Iag  bes  Illannes 
ent|d}abigt^).  Sie  umfagt  Ac&erpferbe,  Rinber,  Schafe,  Siegen,  S^weine 
unb  3Qun^ol3,  {oII  alfo  offenbar  ber  IDitioe  bie  wertDoIIften  (teile 
i^res  (Eingebrad}ten,  tüelc^es  ber  ITTann  erhalten  f^attt,  erfe^en.  (Es 
f^eint  Itlar,  bag  bie|e  fog.  ,,ge{e^Ii(^e  nTorgengabe"  bes  Sa^fenfpiegels 
re(^tsge{d}i(^tli^  aus  ber  alten  lDihDenDer|orgung  bur^  ben  „lHunb* 
|(^a^''  bes  Itlannes  ftammt,  ber  ^ier  in  eigenartiger  IDeife  in  ein 
(Erbteilungsprinsip  umgebilbet  ift.  Das  prinsip  felbft  ift  einfach  unb 
pralttifc^.  Das  (but  ift  „ungestoeiet",  bie  Auseinanberfe^ung  na<^ 
(battungen  ber  falttifc^  Dor^anbenen  (Erbobjeftte  ift  bei  lanbli^r 
RaturaltDirtfc^aft  leidster  als  etwa  eine  Abfc^a^ung  bes  (Eingebrachten 
unb  eine  (Erftattung  bes  {o  ermittelten  ,,lDerts".  Sugleic^  erhielt  fo 
bie  5^^u,  toenn  ber  Oie^beftanb  in  ber  (E^e  getoac^fen  mar,  Anteil 
an  ber  (Errungenfc^aft.  Ae^nlid^e  ber  Raturatoirtld^aft  entfprec^enbe 
(befic^tspunltte  bet)err{(^en  nun  aud}  bie  übrigen  Regeln  bes  IDittDen* 
erbred}ts  im  Sad}|en{piegel.  Damit  bie  5tau  nic^t  gleich  in  ben  erften 
(CrauertDod^en  felbft  für  i^re  tlatirung  [orgen  mug,  erhalt  fle  ben 
fog.  „Rlufeteir'  b.  \).  bie  t)älfte  ber  auf  bem  t)ofe  Dor^anbenen  Speife« 
Dorräte.  S^mer  aber  er^It  fie,  neben  ber  ben  alten  „lltunb* 
fc^a^''  erfe^enben  ITlorgengabe,  als  (Erfa^  i^rer  Ausfteuer  an  f)aus' 
rat  unb  £einen  bie  ,,lDittDen'(5erabe'\  5U  ber  alle  biejenigen  oben  auf* 
ge3ät)Iten  (Begenftänbc  aus  bem  tladjlafe  bes  Rlannes  —  b.  ^.  bes 
unge5CDeiten  (buts  —  get)ören,  tüeld^e,  tüenn  fie  felbft  geftorben  n>äre, 
aus  it)rem  eigenen  tlad^Iag  an  i^re  lliftel  gefallen  toaren.  Bei 
Ritterbürtigen  entfpridjt  es  anbrerfeits  bem  ©eraberec^t  ber  tliftel 
im  5^11  ^^s  (Cobes  ber  S^au,  ba^  ber  nöd^fte  Sc^tDertmagen  bes 
ITIannes  bei  beffen  (Eobe  fein  „tjeergeroäte":  feine  befte  Rüftung, 
Sdjtoert,  Pferb  unb  5^Ibbett,  oom  (Erbe  Dorroeg  erhält.  Diefe  ur« 
roüdjfigen  (Einri^tungen :  „©erabe"  unb  „tjeergeroäte'*  bie  in  bie 
Seit  3urüÄcDeifen,  ©0  ber  (Bebanke  eines  „(Erbre^ts"  im  heutigen 
Sinn  nod)  fel)Ite,  bas  Dermögen  einfadj  ber  Ijausgemeinfc^aft  blieb 
unb  nur  ein3clne  (Bebraudjsgegenftänbe  an  beftimmte  ITIitglieber  oer« 


*)  Diefe  gefe^Uc^e  ITlorgengabe  ift  nid^i  3U  oermec^feln  mit  jener  nior* 
gengabc,  6ie  nad)  6cm  Sad)fcn|picgcl  6cr  ITIann  oon  ^Ritter  Art*  feiner 
Srau  am  Blorgcn  nad)  6cr  I)od)3cit  in  6e{taU  eines  Kned^ts  ober  einer 
ITlagb  3u  it)rer  Beöienung  un6  nu^t^cljes  um  ftd)  tDol)n(t(^  etn3urtd)ten,  gab. 
Dies  ift  ber  Heft  ber  alten  ITlorgengabe  (f)0(^3eitsgef(^enk)  ber  5rttl}3eit 


A.  Altgermanifc^es  unb  öeutld^-mittelalterlid^es  Rec^i       235 

teilt  würben,  finb  bis  an  bie  Sd^roelle  ber  (btqenwaxi  in  sa^Ireid^en  norb« 
beutfc^en  (Bebieten  erhalten.  Selbft  bas  Allgem.  preugifd^e  £anbre^t 
fyä  in  RüÄflc^t  auf  i^re  Sortejiftens  in  oielen  preufeif^en  proDinscn 
noc^  einge^enbe  Beftimmungen  über  lliftel-iBerabe  unb  f)eergerate 
getroffen.  -  Dagegen  iDanbelteii  fid}  bie  übrigen  (Einrid^tungen  nament- 
lich in  btn  Stäbten  unter  bem  (Etnflug  ber  (Belbtüirtfd^aft  {c^on  im 
taufe  bes  ITlittelalters.  Die  gefe^Ii^e,  aus  bem  (Brogpie^  bes  Bauern- 
f^fs  beftef)enbe  ,,inorgengabe''  ber  IDitroe,  meiere  bei  bem  geringen 
Die^ftanb  in  btn  Stäbten  naturgemäß  Iteine  angemeffene  (Entf^öbigung 
ber  5^<tu  fiir  i^r  eingebrad^tes  <But  bebeutet  f)ätte,  tDurbe  burc^  eine 
„gelobte'',  b.  !j.  fpesiell  oereinbarte,  ITIorgengabe  erje^t:  ber  Tllann 
oerfprac^,  oor  3eugen,  oor  (Eingang  ber  (Ef)e  ber  5^^^  eine  bejtimmte 
(Belbfumme,  bas  „(Ef^egelb'S  für  feinen  (Cobesfall.  Die  £eib5ud}t,  ber 
IDitiDenfi^,  tourbe  oft  ebenfo  in  eine  auf  feinen  Befi^  etngefd^riebene 
fefte  (Belbrente  (ober  bie  3infen  eines  it)r  5ur  llu^ung  gegebenen 
Kapitals)  oenoanbelt,  toel^e  if)r  bas  mieten  einer  IDof^nung  geftattete. 
Das  „TTtufeteir*  fiel  in  btn  Stäbten  gans  fort.  Die  „(Berabe"  blieb 
im  (Bebtet  ber  (Cöd^terre^te  bes  Sad^fenfpiegels  beftef^en.  Der  Kreis 
ber  5U  i^r  gehörigen  ®bjeltte,  btn  bie  fog.  „(Berabeltataloge''  5u  um- 
fd^reiben  pflegen,  ift  loanbelbar  unb  natürli^  in  ben  Stäbten  ein 
anberer  als  auf  bem  Zanb^.  Was  aber  tDid)tiger  ift:  bie  S^ciu  Itonnte 
nad^  mandjen  fpäteren  Rekten  (Dom  14.  3o^r^unbert  an)  fdjon 
tDäf)renb  ber  (Ef)e  frei  über  [x^  perfugen,  falls  fie  biefelben  ftönbig 
unter  if^rem  befonberen  Derfd^Iug  f)ielt  unb  fo  in  if)rer  eigenen 
„(Beioere"  befjielt.  3n  einigen  Stabtredjten,  bie  auf  (Brunb  bes  Sac^fen- 
fpiegelre^ts  entftanben  finb,  fd^eint  [xe  fpesieU  aud}  biejenigen  if)rer 
Arbeit sprobuftte,  toel^e  it)rer  Art  rxad^  5ur  „ntfteI>(Berabe''  gel)örten, 
alfo:  Don  ber  S^^u  perfertigte  lDäfd)e«  unb  Kletbungsf tüdie,  oon  il}r 
aufgesogenes  Kleinoiefj  u.  f.  w.  in  ifjrer  „(Beioere"  5u  beljalten  be- 
fugt getüefen  5U  fein,  —  ein  (Blieb  in  ber  (Enttüidtlung,  3U  unferem 
gefefeli^en  Dorbefjaltsgut,  beffen,  freilid)  ftümmcrli^en  Keim,  ©ir  fdjon 
in  ben  alten  omamenia  mulicbria  finben.  — 

nad}bem  tüir  nun  bie  tüi^tigften  güterre^tltd)en  prinsipien  bes 
beutfd^en  ITlittelalters  unb  il^re  Ausprägung  in  einigen  I}auptfi)ftemen 
kennen  gelernt  traben,  tDollen  loir  uns  no^  einmal  5ufammenfaffenb 
i^re  IDirliungen  auf  bie  I}anblungsfäl)iglieit  ber  S^^u  in  ber  (El}e  unb 
im  bürgerltd^en  £eben  klar  mad^en. 

Beibe   —   forooljl    (Bütergemeinfdjaft   loie    (Büteroerbinbung    — 


236 


Die  (Et^e  im  gennaiii1d)'mittelalterlicf)en  Hed|t. 


bringen,  gegenübet  öem  Pcin3ip  ber  alten  [tarcen  IHunt,  6ie  rooifiienlM 
flnetfiennung  öet  Stau  als  ffienoifin  öes  IHannes  jum  Ru$t>Tudi.  D« 
ftrenge  patriaidjalismus  bei  erften  fünf  3at]Tt)unbeTte  unferer  Seit- 
redjnung  Idjloö  bif  <£igentumslofi9fteit  unö  öesl}alb  öie  oollftänöitie 
materielle  Hb!)ängig)ieit  ber  5tau  ats  tToditer,  Sd]n>efter,  (Sattin  unb 
ItTuHer  ein.  Dos  mitlelaltetlid)e  Redjt  muftte  aber  öie  jur  nTilerbin 
eil]obeite  $rau  aud)  in  bei  <El)e  als  „Sigentümeiin"  in  Au[d)lag  bringen. 
So  begann  man  für  die  (Elfe  aud)  StauenrccEjte  absutoäcien  unft  öer- 
oit  311  Tegiiliereit,  bog  bie  ^rau  nad)  bem  Höbe  bes  Utannes  oenig* 
ffens  formal  unb  grunblö^Iidi,  b.  Ij.  (olls  öer  Derftotbene  ein  ge- 
roinen^after  (EE)en)irt  getoefen  war,  -  ni^t  id)Ie^ter  geflellt  fein 
fotite,  als  beim  Abjdrlug  ber  i£I)e,  unb  aud)  ttrren  Söl)nen  gegenubtt 
eine  gemi||e  Selbftiinbigtieit  beljielt.  3l]re  (Qualität  ats  (Eigent&merin 
trug  il)r  besf)alb  in  bcn  (Büter  oerbinbungs  [i}ftemen  bas  Kedjl 
ein,  bei  Derßauf  unb  Belastung  il]ier  eigenen  £iegenld)aften  mitju- 
roirfien,  in  oielen  ®emein[d]afts[i)|temen  (efjen  mir  fie  bei  Derfügungen 
über  bas  unbeu)eglid)e  C5e|amtgut  an  ber  Seite  üjies  (hatten  cr|d)etn(n. 
Damit  finb  aber  aud(  öie  Betötigungsredjte  öer  S^au  an  iifrem  eigenen 
ober  bem  Sefamtgut  er|d)öpft.  3i;te  eigenen  mirt|d]aft[id)en  £eiftungen 
als  proöU3entin  jofiilojcr  nidjt  nur  für  ben  (EigeuDerbraud^  ber 
Samiüe,  ionöern  aud)  für  ben  Derliauf  beftimmtcr  BcÖarfsgüter  toerben 
nii^l  in  Rnfd)[ag  gebrai^t,  ber  (Erlös  ifjrer  Arbeit  fällt  jebenfaüs 
mäljrenö  öer  <E\)e  in  öas  (Eigentum  öcs  Utannes.  Die  roai^fenbe 
PerfÖnlidflieitsgeltung  ber  ^rau  äußert  fid)  alfo  nidjt  |on>ol)l  po^tio, 
als  ein  Red)!  auf  |elbftänöige  t}anblungsfäl;i9iteit,  |onöem  toirfct 
nefentlid)  negattn  als  formelle  Sdjran&e  öer  Derfügungsgevait  6es 
ntannes  über  liegenbes  (Sut. 

IDie  lnd)t  aber  biefe  Sdfranke  nid]t  nur  fatttifd),  [onbem  bei  öcn 
®üter gemeirtldjafis fijftemen  aud)  rcdjtlid}  beifeite  ju  (d^ieben 
mar,  jeigte  öos  Derfdiaiinöen  ber  „(Bejarnttjanb"  in  einigen  ]äl)iiiigi* 
fdjen,  fr5nfeiid)en  unb  norböeuifdjen  Siäöten.  I7icr  ftanö  öem  nionne, 
unter  öer  Dorausfe^ung,  ba^  er  „ein  Bieöermann"  (ei  -  roie  es  in 
einer  fjamburgei  Derorbnung  t[eigt  —  bie  abjolute  Derfügungsgetrall 
Über  öas  (fiefamtgut  ju,  ja  er  mürbe  fogar  als  öeffen  alleiniget  (Eigen* 
tümer  bejeti^net. 

Das  in  allen  Sqftemen  roirltenbe  Sdimergcmid)!  öet  (Etfcoogte) 
lieft  in  heinein  Sijiteme  öen  IDillen  öer  Jrau  neben  bem  bes  ITtannes 
]um  Rusbrudt  tiommen,  Desf^alb  bebeutete  öer  Don  unfren  (Eiermant' 


A.  RItgermaniid)es  unft  ti«iil[d}'mtttelaUetItd)es  Red)!.       237 

I  KOi^  immer  gele^euUJdr  mit  einer  getDiffen  Rn5ad)t,  als  ITterh- 
mal  6*r  belotiötrtn  3nni9helt  öet  &eutid}en  (Et/e  im  Derl)QlIiiis  3ur 
[ömit<i;en,  jitiertc  Sag  bes  Sa(l}{cn|piegels:  „Tllann  unb  VOtib  tjabcn 
kein  gtjrociel  (fiuf  (man  unbe  mib  nt  Ijebbet  nein  gctmnet  gut  lo 
irme  Iloe")  fietnesmegs,  loie  fein  IDortlaut  glauben  mad]!,  eine  gegen- 
[eilige  E)tngabe  bes  irbifdjen  (5uls  bei  (batten  ju  gleid)beiec^llgieni 
Befift.  lonbern  et  beiagl,  näl)tx  inlerpretiert  öurd)  ben  anbein  Sa^; 
.IDenn  ein  ITlann  ein  tOeib  nimmt,  \o  nimmt  er  in  (eine  6eiiieie  aD 
ibr  iBut  ju  xtäjtex  Dormunöjdjalt",  boö  öer  Dlonn  (traft  jeinet  Illunt 
aScs  beiiiegli<f)e  unb  unbeiveglid)«  i^ut  bei  Stau  in  jeinen  Befig 
nimmt,  es  sufammeti  mit  feinem  eignen  Derroadet,  es  doi  (Bcnd)t 
mrtiitl,  unb  allein  öen  Hu^genug  boDon  b(3ief)t.  Die  beutf(f]e  5rau 
mar  alfo  im  mitteloller  in  aUen  Heilen  unferes  Daleilanbs  Deimögens- 
reditli«^  loeit  ungünftiger  geftellt  als  bie  römifc^e  Srau  fctfon  in  frilljer 
Seit,  benn  bas  römiid^e  Üotalied})  legte  nur  einen  Heil  bcs  Stauen- 
gnis  als  Beilrag  ju  ben  (Et)tloften  in  bie  i)anb  bcs  lllannes,  ftd)erte 
ober  nidft  nur  öcffen  Hüdierftattung  bei  fluflöfnng  ber  ffl}<  "lit  ben 
ftäiliften  mitteln,  fonbeiu  geflaltete  ber  Siou  autf).  ben  Heit  als 
Sonbetgut  felbjtäubig  ju  uermallen  unb  .^u  oeiticten,  fo  ba{t  ii)i  ba- 
burd)  eine  Splföte  öer  Srctljeil  im  Dcrheljr  mit  ber  Bu^entDelt  blieb. 
Dagegen  mar  bie  Deutfdje  abfolul  unfäbig  über  irgenb  einen  teil 
ilfies  Bermögtis  {elb|tänbig  ju  ueifügen:    .<Iin   meib  enmag  an   ir 

mannes  Urlaub  ir  guotes  nic^t  I^in  geben ba3  i|l  baoon  baj  er 

ir  oogi  ift".  Sie  honntc  au&i  ofjne  tl)res  Ütannes  ttlaubnis  keine 
It^tmillige  Derfiigung  treffen,  nui  über  ,it)r  Derfd^nitten  gen>anb  .... 
unb  iffrc  hitinob  bie  il)r  l'rüdit  \\nb"  burfte  f«  "fd)  Derfdriebenen 
Stablied)ten  allein  bcftimmen.  Uebertjaupt  ftnb  alle  jelbftänbigtn 
Re(l^tsgefd)äfte  bei  $rau  bem  manne  gegenüber  unoerbinblidt:  Der* 
kaufte  fie  Studie  Don  tt]iem  llingebiad)len,  |o  konnte  er  ben  Kauf 
rfldigängig  matten.  Anberfeils  iia^tlt  er  iveber  mit  lf)Tem  nod)  mit 
feinem  Dermögen  für  elronige  Sdjulbcn  bei  Jrau.  fln  ber  Dennaltung 
il^res  eignen  ober  bes  iüefamtguts  ipat  fie  nid)t  beteiligt.  Selbfl  bei 
Hrunkbcit  ober  längerer  ilbu)efent}eit  bes  Itknncs  konnte  er  it)i  einen 
3nteTlm5Dormunb  bcflellen.  r)atte  er  bies  unterlaffen,  fo  burfte  fie 
nur  bei  il)t  unb  iljret  Kinber  „teibesnot"  jelbflänbige  Deifügungcn 
tMntet)men,  bie  ber  lllann  jebotb,  wenn  er  nad)  l)aufe  harn,  »iebcr 
iflfkgängig  mad)en  konnte,  IIui  jum  flbfd^Iu^  bei  für  bie  f^auttralts* 
ffllfnoifl  vnbebingt  noliDenblgen,  täglidien  ilintiäuft  beim  Dle^ger, 


238  Die  (E^e  im  9ermani|(^*mittelQlterIi(^en  Rec^t 

Bac&er  u.  {.  w.  mar  fie  bis  5U  geioiffen,  ortsüblich  fi^rierten  Betrögen 
felbftänöig  befugt.  Ueberfd^ritt  fie  aber  i^re  Kompeten5,  fo  ^ftete  6er 
mann  für  nichts,  toesf^alb,  pielfac^  Dariierenb,  ftöötifc^e  Statuten  bie 
Bürger  alfo  tüarnen:  „Itein  nad^bar  foll  ainer  ober  me^r  nac^borin 
ot)n  Dormiffen  unb  tüillen  it)res  manns  mel}r  porgen  als  V^  Pfb.  Pfg., 
fo  er  ir  met)r  porgt,  fo  ift  man  bem  porger  nichts  me^r  borumben 
f^ulbig  3U  besaln".  Der  Umftreis  ber  (Befc^äftsfa^igfteit  ber  S^öä 
erftredtte  fic^  alfo  nur  fotüeit,  tüie  es  bie  (Erfüllung  i^rer  allemöc^ften 
fjausfrauen-Obliegen^eiten  erforberte.  —  (Ebenfo  mangelte  i^r  au^  bie 
Prosefefä^igfteit.  3n  proseffen  über  i^r  eigenes  Dermögen  trat  ber 
Itlann  regelmäßig  allein  auf,  unb  fie  burfte  i^m  im  prinsip  ni<^ 
^ineinreben.  Alle  gerid^tlid^en  £abungen  bie  fie  betrafen,  ergingen 
nid}t  an  fie,  fonbern  an  it)ren  ITlann.  (Eine  Ausna^mefteüung  na^m 
generell  nur  bie  tjanbcl»  unb  (becoerbetreibenbe  ein  -  ein  Rec^tsfol, 
ber  bis  auf  bie  (begenioart  Itontinuierlic^  fortbeftanben  ^at:  „(bt* 
toantfneiberin,  cramerin,  tüed^flerin,  offen  gaftgebin  unb  bie  3U  offen 
markt  ften"  ©aren,  foroeit  es  fic^  um  i^ren  „ftram"  ^anbelte,  fc^on  im 
1 4.  3af)r^unbert  Derf ügungsf ö^ig  unb  im  3ntereffe  ber  Si^er^it  oon 
f)anbel  unb  IDanbel  geftattete  man  i^nen,  im  oollen  Kontraft  mit  ber 
offisieHen  £e^re  Don  ber  ,,natürli^en"  Unfähigkeit  unb  Unmfinbigbeit 
ber  S^öu  als  fol^er,  alles,  loas  ben  tlur-tjausfrauen  im  3ntereffe  ber 
IJerrf^aft  i^res  ITIannes  unterfagt  ©ar:  Sie  traten  felbftänbig  oor 
(Beriet  auf  unb  führten  bie  aus  i^rem  (Befdjäftsbetrieb  entftanbenen 
Proseffe  im  eignen  tlamen.  tlatürli^  ©ar  ni^t  etroa  ber  Umftanö, 
baß  jene  Dermeintlidj  angeborene  gefdjäftli^e  3nf^rioritdt  fic^  bei 
il)nen  als  nidjt  oorljanben  erroies,  ber  (Brunb  für  biefe  SonberfteHung, 
fonbern  bie  sioingenben  Bebürfniffe  bes  Derftel)rs,  bie  3ntereffen  ber 
(Blöubtger  ber  (Bef^öftsfrau  unb  bamit  au^  il)rer  eignen  Angehörigen. 
(Dl)ne  freie  Beioegung  konnte  fie  eben  ni^ts  Derbienen,  unb  bies 
gefd)aftlid)e  3ntereffe  überioog  bas  3ntereffe  bes  IHannes  boron,  fie 
im  Ijaufe  in  Abl)angtgkeit  3U  l)alten.  —  llo^  beutli^er  tüirb  uns  bie 
Bef^rönktl^ett  ber  l)ausfrauli^en  !}anblungsfat)igkeit,  tüenn  loir  fie 
mit  bem  Umfang  ber  eljeljerrli^en  Befugniffe  Dergleichen,  bie  eine 
f^iDei5erif^e  Urkunbe  folgenbermagen  umf^reibt:  „er  mag  ido^I  i^r 
Dogt  fein,  it)re  guet  5U  befi^en  unb  bas  niegen,  als  ein  biebermann 
feines  roeibs  guet  niegen  foU''.  Seine  Dispofition  über  bas  bewegliil^ 
5rauengut,  tD05u  au^  il^r  Baroermögen  gel)örte,  fanb  überhaupt 
keine  re^tlici^en,   fonbern  l)öd}ftens  moralifd^e  Sd)ranken.    Dag  aber 


A.  Oltgermanifc^es  un5  beutfc^-mittelalterli^es  Re^t.       239 

ber  f)aus^erT  feine  MBiebermann$''quaIttaten  ItetnestDegs  überall  ba* 
burd)  Derlor,  ba^  er  3.  B.  bie  beiDegli^e  f)abe  feiner  Stau  3ur 
lilgung  {einer  S^ulben  Derbraud)te,  ift  baraus  3U  fd^Iiegen,  ba^  3.  B. 
in  Sübbeutf^Ianb  bie  f^ulblos  gefd^tebene  S^<^^  Iteinen  Anfprud^  auf 
Rüc&erftattung  ber  Don  if^rer  S^^^is  Derltauften  ober  oerlorenen 
Stü(&e  befag.  3n  folgern  Saüt  toetg  i^r  ber  Sc^toabenfpiegel  ni^ts 
anbres  als  Reflgnation  3U  raten:  ^3ft  e3  Derloren  . . . .  fl  muo3  e3 
mangeln*,  tjatte  berlTIann,  o^ne  bie  Stau  3U  fragen,  alfo  loiber- 
r  e  d^  1 1  i  d} ,  leile  it)rer  eignen  £iegenf d^af ten  ober ,  bei  (Büterge« 
meinf^aft,  bas  unbetDeglid^e  (Befamtgut  Derltauft,  fo  ftonnte  fie  bas 
(Beträft  3tDar  anfe^ten  —  aber  erft  nad^  bem  (Cobe  bes  IHannes. 
Der  S^n,  ba^  fie  ifjn  jelbft  3ur  geridjtlidjen  DerantiDortung  3ie^en 
fcönnte,  ift  3.  B.  im  Sac^fenfpiegel  übert)aupt  ni^t  Dorgefet)en  -  fie 
bann  nid^t  o^ne  if)ren  Dormunb  3U  (Beriet  gelten,  folglid^  auc^  ni^t 
gegen  i^ren  ITlann  Itlagen.  3n  Standen,  Sd^toaben  unb  aud}  im 
ITlagbeburger  Stabtre^t  tDurbe  it)r  bagegen  für  Pro3effe  gegen  if)ren 
mann  Don  (Beritts  toegen  ein  anberer  Dormunb  befteüt. 

3e  tDeniger  bie  S^ciu,  um  fo  mef)r  Itonnte  er  auf  if)r  unb  fein  eignes 
Konto  Sd^ulben  machen.  Denn  bei  (Büterperbinbung  tüar  auger  feinem 
eignen  Dermögen  aud^  bie  e^eltd^e  (Errungenfd^aft  unb  alles  b  e  tD  e  g  > 
(id^e,  bei  (Bütergemeinfd^aft  aber  alles  betoeglid^e  unb  meift  auger« 
bem  axiii  alles  liegenbe  (But,  tüel^es  bie  S^ou  einbra^te,  btn 
(Blaubigem  bes  IHannes  perfallen.  Diefe  Konfequen3  tDor  natur« 
gemög,  Dom  Stanbpunitt  ber  (Blöubiger  aus,  ein  tDefentli^er  Dor3ug 
bes  <Bütergemeinfd}aftsfi)ftems  unb  au^  einer  ber  (Brünbe,  aus  btmn 
es,  tüie  tüir  fallen,  gerabe  in  ben  Gebieten  intenfioer  Kleinbürger' 
lid^er  Dermögensbilbung,  mo  bie  Krebitfai)iglieit  bes  IHannes  ins  (Be* 
tüic^t  fiel,  [\6n  bef^auptete. 

Diefe  augerorbentli^e  Ungleidjljeit  ber  Redjtsfpfjärcn  ber  ©atten, 
iDie  in  perfönli^er  fo  aud}  in  oermögensred^tlid^er  Be3tel)ung,  3eigt, 
baft  bas  beutfdje  ITIittelalter  feljr  roeit  baoon  entfernt  mar,  bie  Auf« 
faffung  ber  (Efje  als  einer  „genoffenfdiaftli^en"  Be3iel)ung  im  Re^te 
3um  Ausbrucb  3U  bringen.  Dtelmel^r  übertönte  bie  3^^^  ^^t  trabttio* 
ntUtn,  (bott  getoollten  unb  natürlt^en  I}errfd)aft  bes  fjausl^errn  alle 
anbren  IRotioe  no^  mit  fo  elementarer  Kraft,  bag  baneben  bie  Per« 
fönlid}fceitsgeltung  ber  S^ctu  nur  fd)iDad)  3ur  IDirhung  fcam  unb 
bis  3u  ben  grogen,  oon  tnbioibualtfttfd)en  (Ct)eonen  beeinflußten, 
ft)ftematif^en  (Befe^gebungen  ber  neu3eit  nur  f)ie  unb  ba  (Ein3elpunlite, 


240 


Di«  <£t)e  im  geintant|(^>mittelalterlid)en  Re^t. 


ni<f)t  abtt  bit  6TunÖ5Üge  ^er  5aniiüeriform  tei^t5$e|taltenö  beein{]uf|tt. 
IDo  roir  öle  iEnt|teffung  oon  materiellen  Sigentedften  i>et  S^oa  btob' 
achten,  i(t  es  —  nid)t  immer,  aber  meiltciis  -  nic^t  i  Ij  r  e  Stellung 
in  öer  €i)e,  öie  öaöurd}  gerntjett  uieröeii  ioll,  jonöem  öas  ma- 
terielle unft  iöeelle  Snterefje  iljrcr  Jamitie.  Der  für  öie  (EnhniAIung 
entl<l]eibeni)e  punttt:  itjre  Sulaf^ung  jum  (Brunöbefi^,  roar,  (Die  roit 
iai(en,  öie  S^h^  öes  Umtlanös,  öafe  mit  bem  3erfan  bet  alten 
l7eerestierfa{{ung  bie  rein  militäri{c[}en  I^inter  ben  „men{<l]nd}en"  (Befidils- 
punEttcn  surüdttreten  bannten.  Der  lUann  rouröe  öamaU  in  ben  unlern 
Staffeln  aud)  öet  freien  ®e[eU(ä]üfl  mof)!  ober  übel  junädjlt  Arbeits- 
genofje  bcr  $Tau  unb  balb  t^atiptträger  ber  ötionomtid}en  Probuktion, 
mätfrenb  jugleid)  bie  Beüeutung  bei  Siau  als  eines  bem  SMarxn 
gleidiioertigen  Probutitionsmittels  juriidtfrat.  Unb  je  m  e  n  i  g  e  r  |ie 
rein  öhonomifd)  als  bloge  HtbeitsKraft  geroertet  mürbe,  befto  ^öl^t 
(lieg  i[}re  josiale  Stellung.  Die  öhonomifdjcn  ärmägungen  bes  Itlannes 
ritifteten  fid)  je^l  nid[t  meljT  allein  auf  itjre  flrbeitsqualitäten,  fonbem 
meljr  unb  metjr  auf  ben  Sad)gütecbefitj,  ben  \ie  enentuell  als  Aus- 
[tattung  milbrad)te.  Die  Kiid)e  l)atte,  mie  toir  |al)en,  bie  IDirkungen 
brutaler  Barbarei  in  ber  Kaufetje  allmätjürf)  unterbrüdit,  unb  bie  in 
Deutfdilanb  sunädilt  auf  d)ri|tlid)er  (Brunblage  erioadilene  Derfeinerung 
bes  (Empfinbens  gegenüber  ben  grauen  oeranlagte  bie  $amilie,  a>tli)t 
itit  Kinb  einem  Illanne  Ijingab,  es  ausreid)enb  ausjuitatten  unb  in' 
folgebeffen  aud)  auf  ein  gcioiffcs  Ula^  materieller  Sidferjtellung  öes- 
[elbeu  bebad}!  3U  fein.  Itt  e  t)  i  3U  tun  als  bas,  mas  bies  3nlertf|e 
ber  Samilie  forbertc,  log  jener  3eit  nod|  fern,  Don  einer  grunbfä^- 
ltd)en  Aenbeiung  ber  Rnfdiauungen  über  bas  allgemeine  Red}lsoer- 
l]ältnt5  ber  (ßefd)le^ter  lionnte  im  europäift^en  niittelalter  not^  nttgenbs 
bie  Rebe  [ein. 

Die  bunte  niannigfaltigkett  ber  eljelidien  >ßüten;ed)te  beftanb  bis 
in  bie  neuefte  3eit.  Itlit  (Enttoidilung  bes  gelefirten  BerufsTid^tettumi 
anftatt  ber  alten  Redjtsfinbung  burd;  ungeletfrte  Sd)öffen,  unb  unter 
bem  (Einfluß  ber  3bee  bes  Haiferlums  als  ber  Soctie^ung  bes  tömi* 
fd)en  Reidfs,  begann  jiuar  bas  auf  ben  italienild^en  Unioeifitäten 
juerft  gepflegte  römijdie  lted)t  im  13.  3at)rf]unbert  [einen  Siegesjug 
nac^  Deutfdjlanb.  Das  gegen  (Enöe  bes  15.  3al)rl)unberts  geftl)afftnt 
Reidf5liammergcrid]t  toenbcte  es  prinzipiell  als  „gemeines  Re<t)l' 
an,  unb  nur  ber  alte  (brunbfag,  bag  bie  partittulariet^le  bem 
gemeinen  Rec^t  uorgelien,   u)at)rte  ben   beut[<^en  Kcd)tsgetDOl)nl)cittn 


< 


H.  (Bermanifd^  un5  rdmif^es  Rec^t  bei  6en  romanif^tn  Oölftem.  241 

6ie  (Epltenj.  Allein  bas  beutf^e  Sontilienre^t  ift  öerjenige  leil  6es 
öeutfd^en  Red^ts,  öer  in  faft  allen  öeutfd^en  (Bebieten  öem  römifd)« 
rec^tli^en  (Einfluß  am  ungebro^enften  {tanb  f)ielt,  tüeil  bie  feft  aus- 
geprägte (Eigenart  ber  beutf^en  3nftitutionen  ^ier  gegenüber  ber 
antifcen  5cintilie  an3u  f)eterogen  mar.  Das  römifd^e  Re^t  getüann  im 
allgemeinen  nur  öugerli^,  namlid}  auf  bie  Begriffsbilbung  unb  bie 
Benennung  ber  Dorgefunbenen  3nftitutionen  bes  (Et)ered)ts,  (Einflug. 
Jüan  50g  btn  beutfd)en  <Biiterre(^ts{t)ftemen  Dielfad^  romanifti{d)e 
Kleiber  an  unb  bonftruierte  5.  B.  bas  gefamte  Oermögen  ber  Stau  als 
beren  »dos«  ober  be5eid)nete  bie  Redete  bes  Rlannes  am  S^^uengut 
als  ususfnictus  mariialis.  Damit  mürbe  jebodj  il)r  redjtlidjes  IDefen 
nur  iDenig  Derönbert:  ber  beutfd^e  (Et)emann  badete  burd^aus  nid^t 
baxan,  irgenb  eines  feiner  überlieferten  Re^te  3U  opfern.  lDät)renb 
man  fi^  besi^Ib  auf  anbren  (Bebieten  mei(t  ber  Ueberlegen^eit  ber 
juriftif^en  le^nik  bes  römifd^en  Red)ts  bamals  toillig  beugte,  fo  er« 
oberte  bas  Dotalred^t  in  Deutfd^Ianb  nur  ein  relatio  3iemlid^  unbe« 
beutenbes,  serftreutes  (Beltungsgebtet.  Die  BebenMtd}heit  ber  bei 
Dotalre^t  beftet)enben  <BeneraI^t)pott)eIt  ber  S^^u  am  Dermögen  bes 
niannes  5ur  Sidjerung  ber  »dos«  für  beffen  (Blaubtger  unb  alfo  für 
[einen  Krebit  fpielte  babei  molfl  eine  getüiffe,  bie  !}auptroIIe  aber  bie 
Abneigung  gegen  bie  -  tüie  man  nod)  freute  3U  t)ören  bekommt  - 
^unbeutfdje"  Selbftönbigkeit  ber  S^au  im  römij^en  Re^t.  - 

B. 

€ine  tüirkli^e  DarfteUung  ber  mittelalterli^en  Re^tsenttüicblung 
in  ben  augerbeutfd^en  £anbem,  in  meldte  bas  germanifd^e  Red)t  Don 
ben  (Eroberem  ber  DöIkenDanberungs3eit  getragen  tDurbe,  tDÜrbe 
minbeftens  je  ein  tüeiteres,  umfangreidjes  Kapitel  füllen.  IDir  muffen 
uns  f)ier  begnügen,  3unad}ft  in  einer  hur3en  Skt33e  einige  djarakte« 
riftifc^e  3üge  ber  (Enttoidilung  in  ben  romaniid)en  £anbern  3U  fd}i(bem, 
um  bann  etwas  eingcl)enber  bei  ber  in  Dicler  Be3iel)ung  intereffanteften, 
augerbeutfd^en  Ausgeftaltung  bes  germanifd}en€f)ered}ts,ber  englt{d)en, 
ju  oenoeilen. 

Das  genuine  5ö"^iH^nte^t  ber  römifd)en  ^freien  (Ufe"  l)atte  in 
ber  legten  Seit  bes  römijd^en  Reidjs,  mit  mix  frül)er  jafjen,  feinen 
urfprüngli^en  Charakter  3U  önbern  begonnen.  Abgefe^en  oon  ein* 
seinen   (Einf Kränkungen   ber   Derfügungsfreif^it    ber   ß^^^   i^-   ^  - 

WthtT,  Cbefratt  mnt  Vllnntr.  ]5 


242  Die  (E^e  im  geTmanil^'mittelQlterli^en  Rec^t. 

Vcllejanum)  ift  im  (Bebiet  bes  toeftrömifc^en  Rei^s,  welkes  uns  ^ter 
iDefentlid^  angebt,  namentli^  bas  immer  ftörbere  fjerDortreten  ^er 
:>dc)natio  ante  nuptias«  ^araftteriftif^.  Sie  ^atte,  auc^  in  öer  Art 
if^rer  re^tli^en  Be^onölung,  na^esu  btn  (E^araltter  eines  „niunb* 
[d^Q^es'',  unö  es  Itann  kaum  stoeifel^aft  fein,  bog  fie  5em  ^DuIgoT' 
red^t"  ber  römifc^en  prooinsialen  entflammt,  btntn  bie  (E^e  ber 
Tömifd^en  Stabtariftoftratie  fremb  geblieben  war.  Die  >dos€,  vhU^ 
nad^  Tömifd^em  Red}t,  bie  Stau  bem  Itlann  subra^te,  unb  über  n)elc^ 
in  ben  ^»(E^epaltten''  quittiert  würbe,  mar  bementfprec^enb  au^  im 
IDeften  |et)r  ^öufig  lebiglic^  eine  Rüc&gabe  jener  »donatio  ante 
nuptias«  an  ben  ITlann,  bergeftalt,  bag  er  fie  für  bie  Dauer  ber 
(E^e  behielt.  IDenn  Kaifer  ITlajortan  in  einer  |pater  n>ieber  auf' 
gef)obenen,  aber  Dielfac^,  namentlid}  in  (Ballien,  fabtif^  in  (Beltung 
gebliebenen,  tloDeüe  bie  (bültigkeit  ber  (E^e  oon  ber  f^riftlic^  Be« 
fteUung  einer  dos  abt)ängig  mad^te,  |o  fe^te  er  babei  fef)r  n)a^rf^in* 
lid}  eben  biefen  3uftanb:  bag  bie  >dos<  nur  formal  oon  ber  S^^u 
„eingebrad)t'',  materiell  aber  Dom  IHann  Dörfer  ber  Stau  geftiftet  mar,  * 
als  ben  normalen  ooraus.  Die  germanif^en  Eroberer  brachten  i^rer« 
feits  bie  Kaufet)e,  biefe  aber  oielfa^  {c^on  in  5orm  ber  „legitimen  €l}e* 
mit  Dereinbarungen  3ur  Sid^erung  ber  S^^u  unb  Ausfteuer  berfelben 
bur^  if}re  5antilie,  mit,  alfo  ettoas  immert)tn  oermögensrec^tlic^  nic^t 
unbebingt  (begen|a^Iid}es,  nur  mit  ftrengfter  perfonenred^tlic^er  Unter* 
merfung  ber  S^QU*  Itro^bem  tjerren  unb  Untermorfene  fic^  anfäng- 
lid)  j^arf  fd^ieben,  beeinflußten  fid^  {pater  naturgemäß,  fc^on  sufolge 
ber  eintretenben  Dermifdjung,  bie  beiberfeitigen  Re^te  unb  es  b^ 
gann,  bis  3um  fd^ließli^en  flusglei^,  ein  Kampf  ber  römif^en  mit 
ber  germanif^en  Santilienoerfaffung.  5ür  ben  (Enberfolg  mar  es 
mid}tig,  baß  bie  patriard)alen  prinsipien  bes  germanifc^en  Re<^ts  bei 
ben  (Eroberern,  bie  eine  rein  kriegerifd^e  f)errenkafte  länblic^er  unb 
ftöbti{d)er  (brunbl^errn  bilbeten,  bie  ([enben5  3U  noc^  mefentlic^ 
{d)rofferer  (Entmidtlung  seigten,  als  bei  ben  in  Deutfd)Ianb  anlöifig 
gebliebenen  Stämmen,  flnbrerjeits  begann  mit  ber  (Entfte^ung  ber 
italienifd)en  3uriftenfakultaten  ber  (Einfluß  bes  römifd^en  Red^ts  in 
ber  5orm  ber  ju(ttnianif^em  (Befe^e  im  gan5en  (Dccibent  mö^tig  3tt 
fteigen.  Diefen  Kampf  bes  germanif^en  mit  bem  römi|^en  S^milien' 
red)t  l)aben  mir  nun  in  Kür3e  3U  oerfolgen. 

Yiadi  3  t  a  li  e  n  importierten  Dor   allem   bie  £angobarben  ger« 
manifd^e  unb,  feit  ber  Karo(inger3eit,  bie  Retd^sgemalt  i^re  feubalen 


B.  (Bermani{(^es  unb  römifc^es  Rec^t  bei  ben  romanif^en  OdOtem.  243 

3nftttuttonen.  Allein  ber  bürgerlid^-bemoftratif^e  (E^araftter  ber  empor« 

blfif)enben,   fetbftönbigen  italienifd^en   f)QnbeIsftabte  bot   im    gansen 

keinen  Boben,  in  bem  bie  le^teren  fid}  tief  eintDur3eIn  konnten.  Dtnn 

bie  ntac^t  gef)ÖTte  t)ieT  nid^t  btn  IDaffen,   fonbem  bem   burd^  kauf- 

mönnifd^e   unb   getoerblic^e  Untemef^mungen   getDonnenen  Hei^tum. 

Das  alte  ^perfonaIitätsprin5ip"  ber  Dö(kern>anberungs5eit:  bag  jeber 

nad^   bem    Redete  beurteilt  tüirb,   bem  er   burd}  (beburt  angehört, 

n)a^rte  bem  römifc^en  Re^t  als  bem  Re^t  ber  an  3at)(   toeit  iiber« 

(egenen,  untercoorfenen  Beoölkerung  feine  (E|riften5  unb,   bei   ber  au« 

mäf)Ii^  eintretenben  Derfc^melsung,   einen  ftarken   (Einflug  auf  bie 

Red^tsenttDicklung.    fllletn  grabe  im  S^^v^i^^nred^t  festen  fi^  aud^  in 

3talien,   in  btn   Stöbten   ebenfo   tüie   beim  £anbabel,  fpesieU   folc^e 

(angobarbi|(^en  3nftitutionen  bur^,  bie  im  Derl)a(tnis  5um  römif^en 

Red^t,  eine  tüeit  ftärkere  patriard^ale  Unterorbnung  ber  S^^uen  be- 

3n)e(kten.    (Es  fief)t  faft  tüie  ein  Rüdt^d)ritt  5ur  alten  inanus«(E^e  aus, 

wenn  mix  bie  italienifd^en  S^^uen  bis  auf  bie  f)öf}e  bes  IRittelalters 

iDieber  bes  (Erbred^ts  beraubt,  unb  oöllig  f)anblungsunfäf)ig,  5eit« 

(ebens   unter   ber   tjerrfc^aft   eines  »monovaldo«    (ITIunttDalts),   ber 

5.  B.   in   piftoja   noc^   im   12.  3al)rf)unbert   ben   Brautprets   feines 

niünbels  besog,   finben.     Diefe   (Erfjaltung   unb   Durdjfe^ung   einer 

Stufe  bes  germanifd^en  patriard^alismus,  tüel^e  3U  berfelben  3eit  in 

Deutfd^Ianb  f^on  lange  überiounben  tüar,  tDurbe  bur^  gewtffe,  grabe 

btn  Stöbten  3taliens  eigentümli^e,  poütifc^e  unb  toirtf^aftlid^e  IRotipe 

begünftigt.    3«ber   einselne   ber   felbftänbigen  Stabtftaaten   fjatte   in 

allen  anbren  ökonomifd^e  unb  politif^e  Rioalen  unb  mugte  mit  allen 

mitteln  auf  bie  (Erf^altung  feiner  eigenen  IRa^t  unb  bie  niebert)a(tung 

feiner  Konkurrenten  bebadjt  fein.    IDefentli^es  Tlladjtmittel  roar  bie 

(Erf^altung  bes  ftabtifd^en  Kapital'Reid^tums.  Deshalb  ma^te  man  etfer* 

füd)tig  barüber,  bag  baDon  einem  fremben  (Bemetnwefen  mögltd^ft  menig 

5ukomme.    Die  Koften  biefer  merkantiliftifd^en  ITla^tpoIttik  mußten 

in  erfter  £inie  bie  Stauen  tragen.    Um  3U  oerljinöem,  ba%  burdj  p« 

leite  bes  S^ntilienoermögens   nad)  auswärts   gingen,   tDurbe   if^nen 

3.  B.  in  einigen  Stöbten  überl^aupt  unterfagt,  nad^  auscoörts  3U  l)eiraten. 

Ho^  probater  mugte  natürli^  bie  Aufre^terf^altung  bes  ausfd)Iuffes 

oom  €rbre^t  toirken.    Sie   bef^ielten   bal^er   faft   überall   gegenüber 

i^ren  mönnlid^en  Angehörigen  nur  Unterf^altsanfprü^e  unb  ein  Aus* 

fteueranred^t  unb  bies  ertüarben  fie  oielfad^  erft  Dom  25.  3af}re  an. 

3m  übrigen  forgte  bie  faft  überall  3um  gemeinen  Red)t  gen)orbene 

16' 


244  Die  (E^e  im  germanifc^mittelalterlic^en  Rec^t 

lebenslängliche  (Bef^Ie^tsoormunöfd^aft,  —  von  btx  nur,  n>ie  überall, 
fjonöelsfrauen  ausgenommen  tDoren,  —  bafiiT,  bag  fie  ni^t  gegen 
bas  3nteTeffe  if)rer  mönnli^en  DertDanbten  in  Red^tsoerfte^r  mit  ber 
AugentDelt  traten.  Unb  grabe  in  ben  Kaufmannsfamilien  ber  f)anbels« 
ftöbte  bet)auptete  fid^  am  fefteften  eine  befonbers  ftarke  oaterlic^ 
IjausgeiDalt.  3n  biefen  oon  ITIauern  umfc^Ioffenen  unb  in  i^rem  Bau« 
grunb  befd^ranftten  Stöbten  ert)ielten  unb  entfalteten  fic^  nömlic^ 
toieberum  größere  f)ausgemein|d}aften,  loelc^e  als  (Ermerbsgemein- 
f^aften  bie  natürlid^en  (Brunblagen  ber  Kapitalanfammlung  iDurben 
unb  bas  ertDorbene  Oermögen,  bie  (Brunblage  i^rer  |03ialen  Stellung, 
mögli^ft  lange  burc^  bie  (Generationen  f)in  ungeteilt  als  (Ermerbs* 
kapital  3u|ammen3ut)alten  {ud^ten.  Die  oer^eirateten  Sö^ne  blieben 
mit  it)ren  S^ntilien  im  (EItemt)aufe  aud^  über  btn  lob  bes  Daters 
f)inaus  unb  oft  bur^  (Benerationen  sufammen  unb  betrieben  i^r  <&e- 
merbe  ober  (Befdjaft  auf  gemeinfame  (Befa^r.  Die  Rechtsfolge  oHtr 
bann  bie  Ijaftung  aller  Beteiligten  für  bie  S^ulben  jebes  oon  i^nen. 
Anbrerfeits  tüar  auc^  aller  (btwinn  if)nen  allen  gemeinfam.  IDie 
meift,  tüenn  bas  Dermögen  ber  f)ausgemeinfci}aft  me^r  als  n)erbenbes 
toie  als  (Erb'(But  ange|et)en  tDurbe,  galten  babei,  im  Unterfd^ieb  3ur 
®rgani|ation  ber  antiken  (Brogfamilie,  bie  Söf)ne  oft  fc^on  3U  £eb« 
3eiten  bes  Daters  als  inttbered)tigte  am  !}ausDermögen.  Aber  eben 
nur  bie  mönnlici^en  !}ausgenoffen,  bie  im  (Befd)öftsleben  ern)arben, 
galten  als  (Bemeineigentümer,  —  ni^t  bie  5^ouen^  tüeld^e  ja  kein 
(Erbred)t,  fonbern  nur  ein  gefe^Ii^  ni^t  fi^riertes  Ausftattungsrec^t 
befagen.  Sie  profitierten  alfo  nur  in  bem  ITlage  an  biefer  «(Büter« 
gemeinfd^aft",  tüie  es  it^ren  Dötern  unb  Brübern  beliebte  il)nen  3U« 
kommen  3U  laffen  unb  ftanben  alfo  lebenslönglid)  in  fci^örffter  öko* 
nomifd)er  Abl}öngigkeit.  3m  et)elid)en  6äterre^t  mußten  besf^alb  bie 
römifd}en  Red^tsgebanken  aud)  bann  DÖIIig  unterliegen,  als  in  btn 
befi^enben  S(i)id}ten  bie  Ausftattung  ber  (£öd)ter  unb  alfo  bie  mit* 
giftleiftung  ber  S^au  an  ben  Itlann  überall  bie  einfeitige  Sidjerung 
ber  S^öu  burdj  Derf^reibung  einer  >mcta«,  fpäter  eines  Dermögens* 
anteils,  feitens  bes  ITIannes  perbröngt  ^atte.  Die  Ausftattung,  meiere 
bie  S^^^  3ubra^te,  würbe  ya>ax  dos  genannt,  aber  rec^tli^  nic^t 
roie  eine  römifd)e  (ios  beljanbelt.  Da  ber  (Bef^äftskrebit  jener  €r« 
roerbsgemeinfdjaften  barauf  begrünbet  mar,  ba^  nid)t  nur  alles  Ijaus* 
oermögen,  fonbern  audj  alle  Ijausgenoffen  mit  i^rer  p  e  r  f  0  n  für  bie 
oon  einem  ifjrer  ITlitglieber  eingegangenen  Derpflidjtungen  eintraten, 


B.  (Bermanifc^es  unb  römif^es  Rec^t  bei  öen  romanif^en  Oölftem.  245 

fo  haftete  urfprüngli^  aud^  öie  Stau,  tüte  im  alten  Babt)Ion.  3^t 
Anfpnid^  auf  Rüc&gabe  öer  >d(>s<  mar  baffer  ni^t,  tüie  im  alt> 
römif^en  Hed^t,  öurd)  (beneralpfanbre^t  öen  (Bläubigern  gegenüber 
beDorre^tigt,  fonbem  bie  (Cenbens  ber  grogen  f)anbelsftäbte  ging  um- 
geftet)rt  im  3ntereffe  bes  Krebits  baf)in,  \\^  mit  bei  beutfd^er  (büter« 
gemeinfd^aft  gan5lid}  im  Dermögen  bes  (Et)emanns  oerfd^tüinben  3U 
laffen.  3m  13.  3al)rl)unbert  ©arb  5.  B.  in  S^orcns  alles  S^au^"' 
gut  für  bie  S^ulben  bes  ITlannes  Derf^aftet,  faft  überall  bas  Cor* 
3ugsre^t  ber  dos  ausbrücblid^  ausgef^Ioffen.  3nt  Oerf^öltnis  yaou 
f^en  btn  f)ausgenoffen  unb  (befd}öftsteil[)abem  anbrerjeits  f^Iugen 
bie  3unet)menb  betrö^tli^en  Illitgiften  fd)on  fel)r  früf),  tüie  überall, 
Bre[d)e  in  btn  oollen  Kommunismus  ber  (bütergemeinf^aft.  Illit  3U- 
ne^menber  Itapitali(ti{^er  (EnttDtdtlung  nat)m  aisbann  bie  alte  S^mi- 
tiengemein(^aft  immer  met)r  btn  (Ef^araftter  einer,  periobi(d^  burd^ 
Oertrag  erneuerten,  reinen  f)anbe(S'  ober  (beioerbegefellf^aft  an.  Der 
€in3elne  fjatte  fein  „Konto",  üur  ein  (Teil  bes  Dermögens  blieb  ge» 
meinfam  als  (bef^öftshapital,  bie  gemein{ame  Ijaftung  be|d)rankte  fid^ 
auf  (beld^aftsfd^ulben  unb  auf  bie  als  „Prin3ipale''  am  (befd^äft  Be- 
teiligten. Dagegen  für  bas  prioate  Dermögen  trat  nun  bas  römifd^e 
Red^t  toieber  in  feine  Stelle  ein.  Sd)on  auf  ber  !}öl)e  bes  mittel« 
alters  ^atte  bas  Dotalredjt  in  mandjen  Stäbten  bie  IJerrfdjaft  loieber 
gemonnen,  unb  als,  mit  bem  Ausgang  bes  Iltittelalters,  bie  Ijanbels« 
blüte  fd^rumpfte  unb  ber  ererbte  Befi^  ben  ertDorbenen  an  Bebeutung 
wieber  übertDog,  gemannen  bie  alten  Prioilegien  ber  römifd)en  dos 
faft  überall  tüieber  bie  Uebert)anb.  Hber  bas  groge  IRag  an  oer« 
mögensred^tli^er  Selbftönbigfteit,  n)eld)es  bas  Dota(ft)(tem  ber  Antike, 
gegenüber  allen  St)ftemen  germani{d)er  f)erhunft,  ben  Stauen  gefi' 
c^ert  f)atte,  blieb  nad)  mie  oor  -  unb  ^wax  bis  in  bas  19.  3a[)r[)un' 
bert  —  Donftönbig  paralt)ftert  buxif  bie  3urüdt{e^ung  ber  Stauen  im 
Srbre^t  unb  bur^  bie  (El}eDormunb|d)aft.  - 

3n  Spanien  mad)te  [id^  in  ber  3eit  ber  n)eftgotent)errfd)aft 
bie  Don  kird^lid^en  (Einflüffen  {et)r  ftark  beftimmte  Königsgeioalt  bie 
Begünftigung  bes  römifd^en  Re^ts  in  fteigenbem  IRag  3ur  Aufgabe. 
Der  erfte  für  bie  gefamte,  aus  ber  Der{d}mel3ung  ber  IDeftgoten  mit 
ber  römifd^en  Beodtkerung  entftanbene,  Ha  Jon  (beltung  beanfprud^enbe 
fpanif^e  Kobe^r,  ber  ^fucro  jii/«^o'  tDurbe  im  Auftrag  bes  Königs 
auf  einer  Derfammlung  Don  Bi|^öfen  oerfagt,  unb  aud)  ber  im 
13.  3a!jr^unbert  ge|^affene  Kobej^   ber    »Sictc  Partidas«    ift,   unter 


246  Die  (E^e  im  gemtanifc^-mittelalterli^en  Ktdft 

Oerbramung  mit  mancherlei  fpesififd^  ftanonilc^en  Beftimmungen,  im 
übrigen  eine  siemlid^  genaue  Kopie  bes  römifd^en  Reic^sre^ts,  wtld^ 
namentlid}  im  (Ef^erec^t  fid}  3ug  für  9ug  wieöerfinbet 

Sc^on  öer  >fuero  juzgo«  Derbot,  entgegen  öen  Iraöitionen  6er 
goti|d)en  (Eroberer,  in  öeren  Auftrag  er  oerfagt  n)urbe,  ben  gerieft« 
liefen  3tDeiftampf  unb  lieg  bementfpred^enb  au^  bie  6ef(^Ie(^tsoor« 
munbfc^aft  fallen.  3a,  er  erlaubte  ber  S^^^  nic^t  nur  in  Re^ts* 
gef^öften  unb  oor  (berid^t  [elbftänbig  3u  ^anbcln,  fte  konnte  fogar 
ebenfo  toie  nad}  3uftinians  tlooelle  als  IDitioe  Oormunberin  i^rer 
Kinber  n^erben.  flugerbem  oerlie^  er  i^r  gans  bas  gleiche  Crbrec^t 
mit  bem  Itlanne.  3m  e^elic^en  (büterrec^t  lourbe  ber  germanifc^ 
bie  legitime  (Ef)e  ftennseid^nenbe  ITlunbfd^a^  (arras)  in  bie  römif^ 
donatio  propter  nuptias  umgebeutet.  fWein  3um  minbeften  für  bas 
Samilienrec^t  gelang  es  bem  (Befe^geber  nid}t,  bie  oon  bem  germa- 
nifd^en  f)erren{tanbe  importierten,  ftreng  patriarc^alen  (brunbfa^e  5u 
oemid^ten.  Bis  auf  bie  f)ö^e  bes  ITIittelalters  lebten  neben  biefem 
offisieüen  gefd^riebenen  unb  oon  ber  Kirche  propagierten  Re^t,  unb 
in  IPa^r^eit  ft  a  1 1  [einer,  bie  germanifc^en  (betoo^n^eitsrec^te  fort  unb 
5tDar  blieben  i^r  Si^,  n)ie  in  3talien,  grabe  bie  Stöbte,  unter  i^nen 
^aupt{ad)Iid}  biejenigen  norbfpanifc^en  Stäbte,  bie  fi^  it)re  Selbftönbig« 
fceit  gegenüber  ber  inaurent)errfd}aft  3u  ert)alten  ober  balb  mieberjuge* 
tüinnen  tDugten.  Sie  kobifi5ierten  if}r  Red}t  in  eignen  Stabtredjten 
(fueros),  burdj  ©eldje  bie  Stauen  bur^roeg  nad>  germanijdjen  Re^tsprin* 
Sipien  bet)anbelt  tDurben.  lDat)renb  bie  unltriegerifd^e  Beoölkerung  ber 
ben  niauren  untenoorfenen  £anbesteile  naij  römtfd)em  Re^t  lebte,  ^ielt 
ber  kriegert|d)e  5^ubalabel  bes  tlorbens  unb  bie  ökonomifd}  auf ftrebenbe 
jtäbtijdje  Bürgerjdjaft  30^  an  |pe3ifif^  patriardjalen  3nftitutionen  feji 

Sel)r  merktDürbig  ijt  es  3.  B.,  ba%  grabe  bie  »fueros«  neben  ber 
Donel)e  bie  Kebselje  (»barraj^ania«)  als  eine  (El)e  3U  minberem  Red^t 
offi3ien  anerkannten.  Sie  Derliet)en  ber  Konkubine  (barragana)  .bie 
bei  iljrem  Ijerm  ifet  unb  rooljnt  unb  il)m  treu  ijt"  ein  (Erbre^t  an 
ber  !}alfte  ber  (Errungen{d)aft  if^res  (Qua{i*6atten.  3n  einigen  Stäbten 
beerbten  auf  ber  f)öt)e  bes  ITIittelalters  aud}  bie  Kinber  ber  Konku* 
bine  tt)ren  Dater  3u{ammen  mit  [einen  legitimen,  tüie  im  ölteften 
germani{d)en  Red}t,  unb  biefe  5<>tm  ber  (befc^Ied^tsgemeinfc^ft  mar 
fo  tief  mit  b^n  DoIksgetDot)nt)eiten  oerma^fen  unb  felbft  in  ben 
Kreifen  bes  Klerus  |o  eingebürgert,  bog  fie  pd)  tro^  bes  (Eifems  ber 
Kon3ilien  augerorbentlic^  lange  erhielt. 


R.  (Bermanifc^  unb  römifc^es  Rec^t  bei  ben  romanifc^en  Dölkem.  247 

Die  «legitimen"  5<i^ili^n  ber  befi^enben  ftSbtifc^en  Bfirgerfc^aft 
lebten  nac^  btn  »fucros«,  äl)nlid)  tote  in  3talien,  oielfac^  in  f}ausgemein« 
fc^aften,  bie  sugleic^  (EnDerbsgemeinfd^aften  maren  unb  auf  gemein* 
famen  «6ebeil)  unb  Derberb"  toirtfc^afteten,  mit  toeitgel^enber  f}aus- 
gemalt  bes  Daters  unb  Untermerfung  ber  meiblic^en  S^^ili^^Oli^i^^^ 
—  (Eöc^ter,  €l)efrauen,  IDitiDen  -  unter  lebenslängliche  (Bef(^Ied)ts> 
Dormunbfd)aft.  Die  Berül)rung  mit  orientalifc^en  (BetDol)nl)eiten  be« 
mirlite  fiberbies  jene  ftrenge  Domeftiliation  ber  5^^uen,  if)re  mög> 
Kd)fte  flbfc^Iiegung  Dom  Derliel)r  mit  ben  ITTannem,  meldte  bis  in  bie 
mobeme  3eit  Ijinein  fidj  beljauptet  Ijat.  3in"^«^l?tn  mieberfulir  iljnen 
fd)on  im  TTTittelalter  Dermögensred)tlic^  im  Derlauf  ber  Red)tsenttDidi« 
lung  größere  6ered)tiglieit  als  gleid)5eitig  in  3talien:  fie  l)atten  an 
allem,  aud)  bem  unbetoeglid^en,  (But  gleiches  €rbred)t  toie  bie  Itlanner. 
Die  ftrenge  (Befd)(ec^tsDormunbfc^aft  manbelte  fid)  in  ein  ef)emann- 
lidjes  Konjensredjt  für  €l)efrauen.  Dorljerrfc^enbes  eljelic^es  (Büterredjt 
mürbe  in  Portugal  bie  (Bfitergemeinfc^aft,  in  Spanien  bie  Errungen- 
fd)aftsgemein{d)aft.  Um  btn  eoentuellen  Hfidifall  bes  Befi^es  unb 
(Erbguts  an  bie  beiberfeitigen  €rben  möglic^ft  3U  fid^ern,  mürbe  aus 
bem  römifc^en  Hed)t  nod)  ausbrüdilic^  bas  Derbot  ber  Sd)enliungen 
3mi{d)en  6atten  übernommen:  bie  gegenfeitigen  Sumenbungen  mußten 
Dor  ber  (Erauung  feftgefteUt  merben  unb  bei  il)nen  f)atte  es  fein  Bemen- 
ben.  fluc^  bie  f}öl)e  bes  oom  ITIann  5U  beftellenben  IDittums,  meld)es,  mie 
in  Deutfdjlanb,  fo  auc^  l)ier  beim  Abel  (ben  Hidalgos )  bie  üblid)e  Sorm 
ber  Sidjerfteflung  ber  Stau  blieb,  rourbe  meljrfadj  fixiert,  flm  Seeluft  bes 
niittelalters,  unter  5^t^^"önb  unb  3|abena,  erfolgte  eine  Kobifiliation 
bes  5AntiIienred)ts,  meldte  mefentlic^  biefen  Hec^ts5uftanb  beftötigte.  - 

3n  S^önfereid)  blieb  im  ITIittelalter  bas  römifc^e  Rec^t  (droit 
ecrit)  nod)  einfluglofer  als  in  3talien  unb  Spanien.  Seine  faktifc^e 
Geltung  mürbe  auf  einen  [c^malen  Sübranb  bes  £anbes  3urüdige' 
brängt  unb  nur  gan3  menige  oon  benjenigen  feiner  Prin3ipien,  bie 
ber  rechtlichen  Selbftönbiglieit  ber  S^^^uen  günftig  maren,  f)aben  im 
mitte(alterlid)en  S^^n^^^ici)  Eingang  gefunben.  Dielmel)r  mürbe  bas 
5rauenred)t  in  gan3  mittel-  unb  Rorbfrankreid)  burc^  bie  l)auptfad)> 
lid)  Don  franliifd)en  Red)tsanfd)auungen  beeinflußten  (bemol}nf)eits> 
redete  (droit  contumitT^  beftimmt,  bie  in  ber  fo3ialen  ITTaditftellung  einer 
glan3enben  Ritterfd^aft  ben  Boben  fanben,  auf  bem  fie  fic^  tro^  alles 
gefellf(^aftlid)en  S^^uenkultus  ial)rf)unbertelang  erl)alten  konnten.  — 
nidjt  unoeränbert  freilidj.  IDir  finben  bie  fran3örtfc^e  5tau  unter  btn 


248  Die  C^  im  geniiamf<^«mittdaIterU(^en  Red^t 

KaroGngem  unter  lebenslöngli^er  (Bef<I^Ie<l^tsi)ormun6fc^aft  un6  aus- 
gefi^Ioffen  oom  (Erbe  am  (biunb  vaib  Boöen.  Dod)  erhielt  fte  immer« 
\im  im  (Erbgang  einen  (Eeil  ber  5<i^mis  unö  bei  i^rer  fjeirat  eine 
Husfteuer.  Hlerkmal  bei  legitimen  C^  bilöete,  gans  ebenfo  mie  in 
Deutfd)Ian6  3ur  Seit  bei  Do[ksre<!^te,  eine  3uu>en6ung  5es  ITlannes  an 
fie  für  öen  SaSi  ifyczx  DeriDitmung,  6ie  ^ier  3unad)ft  idos«,  fpoter 
><Jouaire<  genannt  muröe.  Run  begann  öer  Kampf  ber  beiöen 
Re(l^tspnn3i|)ien.  Ulittelft  bes  römifc^n  (Eeftamentsred^ts  fud^ten 
fd^n  in  fronkifd^er  Seit  €Item  öen  Rusfd^Iug  ber  (Eöd^ter  oom  (brunö- 
beft^  gelegentlid^  3U  burd^bred^en.  Der  (Einflug  bes  römifc^n  Re<^b 
unb  öer  königlich  Sd)u^  ber  lDitn>en  unb  IDaifen  gegen  Husbeutung 
burd)  bie  Sippen  bewirkte  femer,  bag  ^ier  Diel  frü^r  als  in  Beutfd^ 
lanb,  nömli^  f^on  im  12.  unb  13.  3a^r^unbert,  lebige  unb  oer« 
mitmete  S^^uien  Don  ber  prioaten  (Bef^Iec^tsDormunöfd^aft  befreit 
rourben.  Deshalb  burfte  3.  B.  bie  lDitn>e  fd^n  fe^r  frü^  Dormun- 
berin  i^rer  Kinber  roeröen.  Bie  feubale  Dormunöf^aft  bes  ^rm 
iiber  bie  (Erbto^ter  feines  Dafaüen  ober  Bauern  fd^manb,  unb  mit  öem 
(Erfa^  ber  Dafallenl^eere  bur^  bos  Solö^eer  gelangte  bie  (Erbfähigkeit 
ber  Softer  auc^  im  £el^nsbeft%  3ur  enbgultigen  Anerkennung.  3n 
ben  mächtig  aufblü^enben  ftabtifd^en  (bemeinmefen  mürbe  bie  (be* 
fc^Ied^tsDormunöf^aft  burc^  öie  königltc^n  Prioilegien  ausgefd^Iöffen. 
Aber  im  (begenfa^  Öa3u  behielt,  beim  Aöel  mie  in  ben  Kommunen,  öie 
€1^  if^re  ftrikt  patrtarc^ale  Struktur.  Bie  €l^frau  blieb  mie  bei  uns 
unter  >la  main  bournic<  (=  (El^eDogtei)  i^res  (bauen,  bie  bas  Re<^t 
ber  3äd)tigung  etn{d)Iog.  Als  normales  e^eltd^es  6üterre^t  galt  in 
einem  jel)r  ausgeöe^nten  Bereich  öer  droits  contumicrs  eine  teil- 
roetje  (bütergemetn|d)aft,  öie  mir  l^ute  als  »5^^^i^9^^^inf<4cift''  be« 
3eid)nen  müröen:  öos  Itegenöe  S^^u^ngut  blieb  (Eigentum  ber  S^<^^ 
muröe  aber  oom  Ulanne  kraft  {einer  (El^eDogtei  genügt  unö  Der« 
maltet.  Bas  Red)l  öer  Belaftuug  unö  Deröugerung  ftanö  il^m  nur 
mit  3uftimmung  öer  5^^^  5u»  bie  alfo,  im  (begenfa^  3U  öem  balö  311 
befpred)enöen  3uftanö  öes  englijd^en  Red)ts,  i^re  »Rec^tsperfönli^keit' 
bel^ielt.  Ba3u  trat  aber,  öafe  öas  Red)t  öer  S^au  auf  iljr  douairc 
if^re  tDitmenoerjorgung,  öie  öamit  belafteten  3mmobiIien  bes  ITlannes 
öer  Deräugerung  ol^ne  il^re  3u{ttmmung  ent3og,  fie  alfo  faktif^  am  Beft| 
öes  (El^emanns  mitbered)tigt  er|d)ien.  3i)re  bemeglic^  f>abe  bagegen 
muröe  fein  frei  oerfügbares  (Eigentum.  Bei  Auflöf ung  öer  (E^e  blieb  öas 
liegenöe  (but  öem  (Einbringer   oöer   öeffen  €rben,   Dorbel^altlid)   öes 


C.  (Englifc^es  Rec^t  bis  3ur  moöemen  Reform.  249 

Red)ts  5er  IDittoe  auf  il)r  IDittum.  Dagegen  muröe  3unei)menb  öas 
gan3e  betoeglic^e  (bni  unb  bie  ganse  ei)elid)e  (Errungenfd^aft  5i])ifd)en 
ben  (hatten,  aljo:  bem  Ueberlebenben  unb  ben  €rben  bes  Der|tor- 
benen,  nad)  (Quoten  geteilt.  Die  5^ou  ober  ii^re  €rben  eri^ielten  in 
alterer  Seit  meift  ein  Drittel,  fpöter  bie  fjälfte  baoon.  Bis  i^eutigen 
lages  beDor5ugt  -  mie  mir  feigen  toerben  -  bas  fran3öftfd)e  €f)ered)t 
biefes  Softem,  bas  aud)  in  btn  Dom  {ran5Öft{d)en  Red)t  beeinflußten 
Seilen  lDeftbeut{d)Ianbs  eine  Seitlang  lDur5eI  ge|d)Iagen  l)at.  Das  Dor« 
bringen  ber  römifd)>red)tlid)en  Red)tskon|truktton  |ud)te  bann  jenes  lDit> 
tumsre^t  ber  S^^^  ^^^  i^^^  begren3te  (Befd)aftsföf)igkeit  unter  bie 
<5runbfage  bes  römifd^en  >fundus  dotalis«  unb  bes  Scnatus  consultum 
Wllcjanum  3U  bringen.  Dem  barin  Ijeroortretenben  Dorbringen  bes 
römifd^en  Red)ts  nadi  Ilorben  begegnete  ein  Dorbringen  germanifd^er 
Rec^tsgebanlien:  BeDor3ugung  ber  mönnlid^en  (Erben,  {tiftungsmögiges 
3ufammenl)alten  bes  Dermögens,  bei  bem  reid^en  patri3iat  ber  Stäbte 
bes  Sübens.  Die  aus  biefem  Ringen  ft^  ergebenben  Sd^toankungen 
unb  Der{d)iebungen  bes  Red)ts3uitanbs,  meldte  toir  f)ier  nid)t  im  ein- 
3elnen  fd)ilbern  toollen,  überbauerten  bas  ITIittelalter.  Die  Konjtitution 
f)einri^s  IV.  oon  1606,  toeld^e  bie  oellejanifd^e  Bejd^rankung  ber 
5rauen  befeitigte^),  ftiefe  auf  ben  IDiberftanb  oer|djiebener  Parlamente, 
unb  erft  unter  £ubtDig  XIV.  er3i])ang  bas  3nteref{e  bes  Krebits  1664 
tl^re  enbgültige  Beftötigung.  Das  Einbringen  ber  romaniftifd^en  Kon> 
ftruktion  bes  (E^ered^ts  er{d)ütterte  3ugleid)  ben  Bejtanb  ber  (buUv 
re^tsformen  unb  {ud)te  \xt  aus  geje^lid^en  in  oertragsmögiges  (El)ere^t 
3u  oenoanbeln.   Red)tseinl)eit  {d)uf  erft  ber  (  (hIc. 

C. 

(bani  unberäl)rt  mittelalterlid)-germani{d)  enblid^  oerf^arrte  am 
löngften,  bis  an  bie  Sd^toelle  ber  legten  (5eneration,  bas  (£l}ered)t 
eines  £anbes,  bas  fonft  in  ber  neu3eit  am  frül)|ten  bie  perjönlid^e 
5reil}eit  bes  3nbiDibuums  3U  oertDirklid^en  ge{ud)t  l^at. 

Bis  Dor  ungeföl^r  30  3al)ren  l^ielt  bas  (El^ered^t  bes  engl  if d)en 

Common  Zam  unerbittlid)  an  allen  juriftifd^en  Kon|equen3en  bes  Sa^es: 

»(Er  foll  bein  f)err  jein"  feft,  unb  nirgenbs  toar  besf)alb  bie  DiDergen3 

*)  3m  3ntere|fe  ber  Deräugerlid^kett  bes  männlid^en  (brunbbe|t(es,  ber, 
ba  bie  Srau  nad)  bem  Vellejanum  nid)t  für  ben  mann  »inter3ebieren''  burf  te, 
burd)  bie  Haftung  für  tf)re  douairc  ber  Derdugerung  praktijd)  oft  gänjlid) 
ent309en  mürbe. 


250  Die  €l)e  im  germanif(^*mttteIaIteTlid)en  Rec^t. 

3i])if(^en  ber  Unterorönung  ber  5^ou  burd)  bas  Red)t  unb  öie  i^r 
burd)  bie  Sitte  bes  £anbes  sugeftanbene  Selbftänbigfteit  unb  perföit« 
Iid)fteit$geltung  fo  grog  toie  in  €nglanb.  Um  3U  oerfte^en,  mie  es 
überl)aupt  möglid)  toar,  bag  ein  l)eute  fo  frei  empfinbenbes  Dolk  mie 
bie  €ng(anber  fid)  bie  f}err|d)aft  Don  Red)tsregeln,  bie  nod^  aus  ber 
normannenseit  ftammten,  gefallen  lieg  unb  an  il)re  Unantaftbarkeit 
glaubte,  mie  ber  IDunberglauben  an  bie  burd)  il)r  Alter  geheiligten 
Reliquien,  mug  man  fid)  oergegenmärtigen,  ba^  bas  englifc^e  (Eontmon 
Can)  —  im  (Segenfa^  3U  allen  anbern  mobernen  (5e{e^en  —  ein  nur 
l)ie  unb  ba  burd)  (Einselgefe^e  (Statutes)  ergänstes  (5en)0^n^itsre<^t 
ift,  beffen  {d)on  von  btn  Puritanern  geforberte,  DoIIftänbige  Aufjeic^ 
nung  unb  Spftematifierung,  ebenfo  mit  bie  Reseption  bes  romif(^ 
Red)ts,  immer  mieber  an  bem  materiellen  Sntereffe  ber  gelernten 
3uriften  fd^eiterte.  So  konnte  bie  englifd^e  (Befe^eskunbe  bas  Iltonopol 
einer  3unft,  eine  Art  oon  (5el)eimn)iffenfd)aft,  bleiben,  oon  bereit 
Kenntnis  alle  tlid^tiuriften  faktifd)  ausgefd)Ioffen  maren.  Denn  öie  ein- 
seinen  Rec^tsföIIe  merben  übermiegenb  nid)t  burc^  Anroenöung  aller« 
feits  kontrollierbarer  (5efe^esparagrapl)en,  fonbem  burd^  f^eransief^ung 
rid)terli(^er  (Entfc^eibungen  in  frül)eren  äl)nlid)en,  oft  3a^rl}unberte 
lang  3urüdiliecienben  S^Ken  (Prajubisien)  bel)anbelt. 

3ufoIge  biefes  künft(id)  aufredet  erl)altenen  Kultus  einer  löngft 
burd)  bie  Sitte  übermunbenen,  juriftifc^en  (Erabition  {teilte  bas  geltenbc 
offi5ieIIe  £anbred)t  (dommon  £an))  bis  Dor  kur5em  bie  englifc^e  (E^^ 
frau  formell  bem  Sklaoen  unb  bem  Kinbe  gleid).  Unb  yDox  mürbe 
il)re  Döllige  per{önlid)e  unb  Dermögensrec^tlid^e  Unterorbnung  burd^ 
bie  5ifeHon  iljrer  rcdjtlid)cn  3bentität  (legal  idcntity)  mit  bem 
(batten  gered)tfertigt:  Husband  and  wifc  arc  onc  and  thc  husband 
is  that  oncv.  Die  5^^^  i|t  alfo  bei  biefer  ,,(Einl|eit''  nur  ^©bjekt*. 
Sd)on  oben  tourben  bie  Ausfprüd^e  ber  angel{ad)fi{d)en  6e{e^e  ertDÖ^nt 
Bis  meit  in  bas  Dlittelalter  I)atte  bie  Kird)e  gegen  bie  faktifd^e  Rvs» 
Übung  ber  5iDiIred)tIid)  niemals  befeitigten  Befugnis  bes  IRonnes, 
leine  S^Qw  einem  anbern  gegen  (Entgelt  ab3utreten,  3U  kämpfen.  - 

3ufoIgc  ber  3um  Prin3ip  bes  (EI)ered)ts  erljobenen  Si^tion  ber 
„3bentität"  iDurbe  nun  bie  Rcd)tspcrjönlid)keit  ber  Sxau  burdj  il|re 
f}eirat  faft  Döllig  Dernid)tet.  Sie  tourbe  Dom  (befe^  über^upt  nic^t 
als  3d)  betrad)tet  unb  toar  besl)alb  bis  3U  ben  mobernen  Reformen 
nid)t  nur,  toie  mel)r  ober  weniger  in  allen  Staaten,  in  il^rer  juri< 
|ti{d)en    f}anblungsfal)igkeit   be{d)ränkt,  fonbem   fie   oerlor  biefelbe 


C.  (Englifd^es  Rec^t  bis  3ur  moöemen  Reform.  251 

-  auger  (toie  fiberall)  falls  fie  f}an6elsfrau  toar  -  fo  DoIIftänöig, 
ba^  fie  Ttic^t  einmal  mit  Suftimmung  oöer  mit  Beijtant)  xtfcts  RlaTtnes 
Dertröge  {(^liegen  konnte.  Ru^  konnte  fie  toeber  Don  il)m,  noc^  Don 
Dritten  (Befc^enke  entgegennel)men,  öenn  mann  unö  5^ou  bilöeten 
eine  «(Einheit",  konnten  fid)  6esl)alb  untereinanöer  nid)ts  fd^enken,  unb 
ein  Dritter  befd^enkte  juriftifd)  ben  mann,  aud)  menn  er  5ie  5tau  meinte. 

Der  mann  roar  iijr  fjerr  (her  lord),  bem  fie  unbebingten  (Beljorfam 
fd^ulbete  unb  mit  allen  benjenigen  f}errenred)ten  ausgeftattet,  bie  aud) 
ben  mittelalterlid)en  „(Eljtüoqt"  aus3etd)neten.  Rud)  bas  obligate 
3fid)tigungsre(^t  fel)Ite  il)m  nid)t.  Die  5^ctu  ftanb  „unter  ber  3ud)trute 
iljres  ©atten"  (sous  la  vcrgc  de  son  marryc);  für  beftimmte  Dergef)en 
burfte  er  fie  «mit  Ruten  unb  Peitf djen  fc^arf  fdjlagen",  für  anbre 
»mäßige  Sfid^tigungen"  anroenben.  Rudj  burfte  er  fie  einfperren  irr- 
strain  her  from  libcrty)  unb  falls  fie  il)n  oerlieg,  mit  bemalt  3U 
i^ren  l^öuslid^en  Pflid)ten  3urückfüf)ren. 

Seine  konfequente  €rgan3ung  fanb  nun  aber  bas  3bentitätS' 
prin3ip  burdj  bas  prin3ip  ber  fogenannten  >covcrturr',  b.  l).  ber 
Dödigen  Deckung  ber  €l)efrau  burd)  ben  Sd)u^  il)res  (Satten.  Seinem 
abfoluten  f)errenred)t  entfprad)  feine  ausfd^Iieglid^e  DeranttDortlic^keit 
Dritten  gegenüber  für  alle  f}anblungen  ber  5^ou.  Da  bit  5^^u  mie 
ein  unmünbiges  Kinb  unter  fetner  Rufftd)t  ftanb  unb  juriftifd)  l)anb« 
lungsunfö^ig  wax,  mar  fie  auc^  jurifttfd)  unfat)ig,  Unred^t  3U  tun.  - 
Rllerbings  reid^te  bie  covcrturc  nidjt  foioett,  um  btn  Xilann  audj  für 
fd^mere,  bie  Perfon  Dritter  gefal)rbenbe  Derbred^en  in  Rnfpruc^  3U 
nehmen,  aber  für  iljre  „Dergel|en''  (»torts*»,  3.  B.  Derleumbungen  unb 
Beleibigungen,  unb  für  ben  materiellen  Sd^aben,  ben  fie  Dritten  3U' 
fügte,  fomie  für  oorel^elid)  ober  in  ber  (E[)e  kraft  ,,Sd)IüffeIgei])aIt" 
(f.  u.)  burc^  Rec^tsgefd)afte  übernommene  Derpflic^tungen  trug  ber 
mann  bie  Derantmortung,  bie  er  auc^  bann  betitelt,  menn  er  -  of)ne 
gerid)tli(^  oon  il)r  getrennt  3U  fein  —  getrennt  lebte.  3m  Umfang 
feiner  Unterl^altspflic^t  trafen  bann  alle  Derpflid)tungen,  bie  fie  wä^' 
renb  feiner  Rbtx)efent)eit  einging,  il)n  allein.  (Eine  Klage  gegen  bie 
5rau  ging  nid)t  an  fie,  fonbern  an  il)n,  unb  mk  im  mittelalter  ber 
(ßefc^Iedjtsoormunb  für  fein  münbel,  ber  €l)el)err  für  bie  (Battin, 
fo  erfd)ien  bis  1870  ber  englifdje  €ljemann  ftets  aufteile  feiner  $xavL 
oor  (Beridjt,  unb  bas  Urteil  erging  gegen  il)n.  Die  >frmmc  covcrtr 
konnte  alfo  urfprünglid)  eigentlid)  überl)aupt  keine  ftrafbaren  f}anb- 
lungen  begeben.  Sie  konnte  aber  anbrerfeits  aud)  meber  als  Klägerin 


252  Die  €l)e  im  germantfc^'mittelalterlid^en  Rec^t. 

gegen  iljrcn  mann,  nodj  gegen  Dritte  oor  (Beridjt  erjdjeinen.  Süx  i^r  3U» 
getilgte  Derleumbungen,  Beleiöigungen  unö  Derle^ungen  konnte  nur  if^r 
(Satte  Magen.  3e6od)  toar  er  nid)t  ettoa  6a3u  oerpflid^tet,  oielmel^r  ftonö 
es  gan3  in  feinem  Belieben,  ob  er  bie  Redete  feiner  Sxan  geltenb 
mad)en  toollte  ober  nid)t,  unb  bas  Common  £atD  bot  ber  5tau  feiner 
£äffigkeit  gegeniiber  keine  anbre  f}anbl)abe,  um  fid)  felbft  i^r  Rec^t 
3U  oerfc^affen,  als  bie  (Erlaubnis,  il^re  Klagen  nad)  Auflöfung  ber  (E^e 
anf)angig  3U  machen.  Das  fd^einbar  fo  ritter(id)e  unb  für  bie  5^<^u 
fo  bequeme  pnn3ip  ber  >coverture«  bebeutete  alfo  Red^tsoertDeigerung. 

Diefer  DöIIigen  Auffaugung  ber  perfönlid^en  Red^tsfpl^dre  ber 
5rau  burd)  biejenige  bes  IRannes  entfprad)  aud)  bas  bis  3um  3affct 
1870  geltenbe  (5üterred)t.  (Es  befiegelte  praktifd)  bie  Demid)tung 
il)rer  f}anblungsfal)igkeit ,  obtDol^I  feine  befc^ränftenbe  IDirkung  im 
ein3elnen  nid)t  gan3  fotoeit  reichte,  toie  bas  3bentitätsprin3ip.  Der 
burd)  bie  5^^u  eingebrad)te  ober  xlfx  in  ber  €l)e  burd)  (Erbf^aft  3U> 
fallenbe  (5runbbefi^  nämlid)  blieb  tro^  ber  „3bentttat''  i^r 
(Eigentum  unb  fiel  bei  Kinberlofiglieit  an  il^re  5^^ili^  3urü(&.  Alles 
bemeglic^e  Dermögen  aber,  mos  fie  in  bie  €l)e  einbrad)te  ober  fpdter 
ererbte  (5al)rnis)  unb  alles,  toas  fie  3ufammen  mit  il^rem  (Batten  er* 
iDorb  (el)elid)e  (Errungenfd^aft),  mürbe  —  ebenfo  toie  bie  €inftiinfte  bes 
unbetx)eglid)en  (5uts  —  ausfd)IiegUd)es  unb  frei  oerfügbares  (Eigentum 
bes  ntannes,  über  bas  er  fogar  teftamentarifc^  felbftl^errlic^  beftimmen 
burfte,  mät^renb  bie  5^^u  nur  mit  feiner  (EintoiKigung  le^troillige  An* 
orbnungen  be3üglid)  iljres  beweglichen  Dermögens  treffen  konnte.  Rud^ 
ber  Arbeitsoerbienft  ber  5rau  geljörte  bem  ITlanne,  benn  als  i^r  „f)en' 
Ijatte  er  ausbräcklid)en  Anfprudj  auf  iljre  Dienfte  (seniccs).  llur  i^re 
Sd)mu(6fac^en  unb  Kleibungsftüdie  bilbeten  infofern  eine  Art  Sonbergut 
ber  SxavLf  als  [\t  -  eine  Erinnerung  an  bie  Sonberftellung  ber  >oma- 
mcnta  mulicbria«  ber  germanifc^en  Dolksred)te  —  toenigftens  feiner 
teftamentarifd)en  Derf ügung  ent3ogen  loaren.  Bei  feinen  £eb3eiten  galten 
fie  jebod)  ebenfalls  als  fein  (Eigentum  unb  toaren  bes^alb  feinen  (5läu' 
bigern  oertjaftet. 

Aud)  menn  bie  (Satten  bie  gerid)tlid)e  (Trennung  ber  €t)e  oon 
lifc^  unb  Bett  erioirkt  Ijatten,  -  bie  Sd)eibung  bem  Banbe  nadj  ifl 
erjt  feit  1857  möglidj,  -  beljielt  ber  ITTann  bas  Dermögen  ber  S^o" 
in  feinem  Befi^,  ja  er  bel)ielt  aud)  bann  fogar  ben  formellen  Anfpru(i^ 
auf  iljren  au6crljäuslid)en  Arbeitsoerbienft  mit  ber  ein3igen  Derpfli(^* 
^>i9»  i^^  3ur  Beftreitung  il^res  £ebensunter^alts  eine  beftimmte  jö^r* 


C.  (Englifc^es  Red)t  bis  3ur  mobernen  Reform.  253 

Itc^e  Rente  3U  sal^Ien.  So  konnte  es  kommen,  bog  bie  Don  i^rem 
<Batten  böstDillig  oerftogene  5^ou,  bie  fid)  unb  il^re  Kinber  allein 
emal)rte,  il)re  gefamte  f}abe  o^ne  irgenbioeld^e  Std)erl)eit  in  ber  f}anb 
i^res  niannes  surücklaffen  mugte! 

flilerbings  erkennt  nun  bas  Common  Cam  ben  5^^uen  einen 
ftanbesgemögen  Unterl^altsanfprud)  gegen  btn  (Satten  3U.  Derle^t 
ber  mann  biefe  Pflid)t,  fo  ift  btes  ber  ein3ige  Sali,  in  bem  fie  bei 
bem,  eigens  für  (El)eftreitigkeiten  eingelegten,  (5erid)tsl)of  gegen  il)n 
Magen  kann.  Aus  i^rem  llnterl)altsan|prud)  toirb  ferner  bie  €pften3 
i^rer  Sd^Ififfelgemalt  abgeleitet:  fie  kann  bie  3ur  Beftreitung  ber 
f)ausf}altsbebürfniffe  notiDenbigen  (5e{d)afte  toenn  er  nid)t  toiberfprid^t, 
als  >hi.s  a^ent^  abfc^Iiegen,  unb  ber  mann  l)aftet  fiir  bie  baraus  ent« 
ftanbenen  Sc^ulben.  Hllein  (^arakterifti{d)ertDeife  ftel)t  biefes  Rec^t  aud) 
-  eine  Reminif3en3  an  bie  altgermanifd^e  Bel)anblung  ber  Kebset)e  - 
ber  m  a  i  t  r  e  { f  e  eines  mannes  3U,  fof em  fie  ein  längeres  Sufammen- 
leben  mit  ii^m  nac^toeifen  kann.  3m  übrigen  kann  bie  Stau  toeber 
fi(^  nod^  il)ren  mann  oerpflid)tenbe  Sd)ulben  machen,  moraus  folgt, 
bag  fie,  aud)  menn  fie  oon  if)m  getrennt  lebt,  il)ren  (gläubigem  immer 
burdj  bie  Berufung  auf  bie  covcTturc  3U  entfd}Iüpfen  oermag. 

Offenbar  gel)ört  bas  eben  fki33ierte  englifd)e  (5üterred)t  3ur 
Kategorie  ber  (5fiterDerbinbungs{t}{teme.  Sein  d)arakte« 
riftif^es  (Gepräge  aber  erl)ält  es  bur^  btn  (Einfluß  ber  3bentitats« 
fiktion,  bie  eine  nod)  rabtkalere  fluslöfd)ung  ber  el^etoeibli^en  Red)ts« 
perfönlid)keit  als  felbft  bie  (El^eoogtei  bes  beut{d)en  mittelalters  be« 
toirkt.  Denn  bie|e  le^tere  l)inberte  nid)t,  bog  bie  5^^u  menigltens 
mit  Suftimmung  il)res  (Satten  mit  Dritten  ober  aud)  mit  il)m  felbft 
Derträge  unb  Red)tsgefd]afte  abfd)(og.  flud)  konnten  bie  beutfd)en 
(hatten  einanber  (Eeile  il)res  liegenben  (5uts  3ur  £eib3ud)t  übertragen 
unb  ber  €l)emann  konnte  ber  3ungDermal)Iten  bie  morgengabe  bar- 
bringen, -  bie  3bentitatsfiktion  fd)Iog  urfprünglid)  bie  Red)tsgültigkeit 
berartiger  f}anblungen  aus.  3nnerl)Qlb  biefes  Sijftems  mufe  es  bes* 
l^alb  grabe3U  als  IDiberfinn  erfd)einen,  bog  bie  Sxan  im  auftrage 
Dritter,  3.  B.  als  (EeftamentsDoIIftredterin,  felbftönbig l^anbelnb  auf- 
treten konnte. 

flnbrerfeits  repröfentierte  bas  bis  1870  geltenbe  englifd^e  (5üter- 
rec^t  nid)t  einmal  ben  (Eppus  eines  DoIIentiDickelten  mittelalterlid)en 
(5üten)erbinbungsft)ftems,  toie  mir  es  3.  B.  im  oftfaIifd)en  £anbre^t 
unb   in   ben  Rechten   ber   f(^tDei3erif(^en  Urkantone  kennen  gelernt 


254  Die  (El)e  im  germanifc^'mittelalteTlt^en  Re^t 

l)aben.  Dort  erl)ielt  6ie  5^<^u  bei  Auflöfung  öer  (EI)e  entmeber  i^re 
5al)mis  3UTÜ(6,  ober  mürbe  bafür  burc^  einen  beftimmten  S^^^^vns* 
ftompleir  (bie  (5erabe)  entfd^abigt.  Hac^  englifc^em  Common  Zam  aber 
erl)ielt  fte  keinerlei  €rfa^  für  il)re  eingebrachte  S^^niis. 

Beim  (Eobe  ber  Stau  fiel  nämlid)  bem  ntanne  i^r  gefomtes  be* 
meglid^es  (5ut  ak  frei  oerfügbares  (Eigentum  }u,  unb,  war  bie  C^ 
mit  Kinbem  gefegnet,  fo  bel)ielt  überbies  ber  IDitroer  Seit  feines 
£  e  b  e  n  s  bie  Hu^niegung  aud)  i^rer  liegenben  6äter.  (Er  wat  na(i^ 
bem  ted)nifd)en  Ausbruch:  »tcnant  by  the  courtesy  of  England«,  ein 
Rec^t,  bas  il)m  in  biefer  Au$bel)nung  in  Deutfd)Ianb  nur  bei  fortge* 
fester  (bfitergemeinfd^aft,  unb  auc^  bann  nur  bis  3ur  n)ieben>er^efra- 
tung,  3uftanb.  Rad)  ben  mittelalterlic^-beutfc^en  ^fiteroerbinbungS' 
fpftemen  aber  konnten  bie  oolljal^rigen  Söl)ne  bas  Rluttergut  vom 
Dater  l^erausforbem.  Die  englifd^e  Einrichtung  bebeutete  alfo  ~  als 
Beftanbteil  einer  fold^en  (büterred)tsform  -  eine  mefentli^e  Steigerung 
ber  patriard)alen  (bemalt 

Diefer  oöterlid^en  Allgemalt  gegenüber  erfc^einen  bie  Anfprud^ 
ber  oermitmeten  Rlutter  fe^r  befd^eiben.  Sie  nal)m  nur  i^r  liegenbes 
(but,  alfo  i^ren  (brunbbefi^,  surücb,  il)r  bemeglid^es  Dermogen  aber 
mar  —  bies  galt  in  DoIIem  Umfang  bis  auf  darl  n.  —  {o  oöllig 
Dom  niannesDermögen  oerfd^Iudit,  bog  es  3ufammen  mit  biefem  an  feine 
€rben  überging.  Als  €ntfd)abigung  bafür  erhielt  fie  bie  »dower<, 
b.  l).  fie  be3og  als  IDitmenpenfion  ein  Drittel  ber  €inftünfte  bes  unb^ 
meglid)en  oererblid^en  ntannesoermögens. 

Dagegen  ftonnte  meber  -  mie  in  Deutfd)(anb  -  burd^  £eib> 
3ud)tsbeftenung,  nod)  burc^  Beifi^  ber  IDitme  am  (befamtgut  aud^  nur 
oorüberge^enb  irgenb  etmas  Don  ber  „Subftan3''  bes  Rlannesguts  in 
bie  f}anb  feiner  IDitme  übergel)en.  Die  $0^^  ^^^  englifd^en  6üter* 
rechts  ähnelt  bemnad)  am  meiften  ber  R)  i  1 1  u  m  s  e  ^  e ,  bie  fid^  im 
frül)en  Rtittelalter  in  Deutfd)Ianb  als  fpe5ifif(^es  3nftitut  bes  5^ubal> 
abels  aus  ber  alten  RIuntfc^a^el)e  ber  Dolhsrec^te  entmi&elte:  (Eigen* 
tumstrennung  unb  Binbung  bes  ererbten  (brunbbefi^es  ber  (Et^atten 
im  3ntercffe  iljrcr  (befdjiedjter,  Auffaugung  ber  S^^niis  ber  S^^ 
burd)  bas  Rlannesoermögcn ,  Ausfd)Iu6  ber  5tau  oom  Rtitbefi^  bes 
(enteren  mie  aud)  Don  öer  ef)elid)en  (Errungenfd)aft,  Derforgung  ber 
R)itme  öurc^  eine  fefte  Rente,  burdj  bcren  Anroartfc^aft  ein  (Eeil  ber 
3mmobiIicn  bes  Rtannes  feiner  freien  Derfügung  ent3ogcn  ift  RNr 
fallen,  bog  auf  bem  Kontinent  bie  erften  llmmö(3ungen  im  e^Iid^ 


i"  <^ffc-ii  ^  fc  "»fc-^ . . . 


C.  (Englifc^es  Rec^t  bis  }ur  mobemen  Reform.  255 

iSfiterred^t  mit  ber  (Eeilnal^me  ber  (Eöc^ter  am  6runbbe{i^  begannen. 
3n  (Englanb  ift  biefe  €ntoi(6Iung  gön3li(^  unterbrücbt  burd)  bas  - 
mit  Husna^me  Meiner  (Eeile  bes  £anbes  —  iiberall  fiegreid)  oorge« 
brungene  prtmogenitur-€rbrec^t  an  allem  (5runb  unb  Boben:  Der  öltefte 
Soi^n  erteilt  btn  gefamten  6runbbeft^  im  Doraus.  Dies  bis  l)eute 
geltenbe  Red)t  ift  eine  Uebertragung  Iei)nsred)tli(^er  Prin3ipien  auf 
bie  (5e{amt^eit  bes  Bobens,  ber,  im  Prinsip,  feit  n)tll)elm  bem  (Eroberer 
als  Befi^  ber  Krone  gilt.  — 

€s  ift  eine  merlimfirbige  (Erfc^einung,  bag  in  (Englanb  bie  fosialen 
unb  n)irtfd)aft(id)en  3ntereffen  eines  einsigen  Stanbes:  berjenigen 
ber  feubalen  (5runbbefi^er,  bas  el)elid)e  (5üterred)t  für  bie  (5efdmtl)eit 
bes  Dolkes  fo  lange  geprägt  ^aben,  ein  (5iiterred)t,  bag  bie  IDitiDen 
Qu^  aller  berjenigen  Klaffen,  beren  fosiale  unb  mirtfd^aftlic^e  Stellung 
n  i  ^  t  auf  unbemeglid^em  Befi^tum ,  fonbern  auf  ber  gemeinfamen 
Hrbeit  ber  Seeleute  rul)te,  fei  es  in  lileinbäuerlid)en  Betrieben  ober 
fei  es  im  ftäbttf^en  (btmtxbe,  von  ber  (5nabe  it^res  (5atten  ober 
beffen  (Erben  abl)ängig  mad)te.  (Erft  im  17.  3a^rl)unbert  oerfud)te  bas 
Statute  of  distributions  bie  unerljörten  fjörten  bes  €^ered)ts  für  bie 
IDittoe  3U  milbem.  €s  30g  bie  3ntereffen  ber  an  ber  Seite  if^res 
niannes  arbeitenben  5^<^uen  baburd)  in  Betrad)t,  bag  es  ben  über- 
lebenben  einen  (Teil  (V3  bei  beerbter,  V2  bei  unbeerbter  €^e)  ber 
5a^mis  als  frei  oerfügbares  Eigentum  3ufprad),  ein  Rec^t,  bas  nun 
bei  etma  Dor^nbenem  (5runbbefi^  neben  bie  oon  biefem  if^r  3U 
gemöl^renbe  „Domer"  trat.  Auf  ber  anbren  Seite  trug  aber  bie  €nt« 
mi&Iung  ber  (Selbmirtfd^aft  3ur  3erbrödielung  ber  Domer  bei.  Die 
Anmartfd^aft  ber  Sxaü  barauf  ent3og  (Eeile  bes  e^emannlid)en  (5runb> 
eigentums  bem  freien  Red)tsDerkef)r  unb  erfd)a)erte  baburd)  inbirekt 
au(^  bie  Don  (Generation  3U  (Generation  burc^  >entail«*Derträge  mit 
bem  (Erben  bemerkftelligte,  fibeikommiffarif^e  Sid)erung  bes  Bobens 
für  bie  5<i^ilie.  ([eftamentarifd)er  Ausfd)Iug  ber  Domer  mürbe  (enb- 
gültig  1833)  3uläffig.  -  Seit  f)einric^  VIII.  konnte  bie  IDitme  bie 
5a^rnis  bts  IHannes  3ur  Dermaltung  er  (galten.  Da  beren  Beben- 
tung  für  breitere  Dolkskreife  bie  bes  (5runbeigentums  übermiegt,  ift 
bur^  biefe  Aenberungen  ein  gcmiffer  Ausgleid)  in  ber  Stellung  ber 
Überlebenben  (Gatten  angebaf^nt. 

no(^  bis  ^eute  abforbiert  aber  ber  formale  Umfang  ber  ^oöter- 
lic^en  (Bemalt"  nad)  ed)t  mittelalterlid^er  Art  bie  Red)tsfpi)are  ber 
englif^en  5tau  als  niutter  faft  DoUftönbig.   Der  Dater  allein  t)at  bas 


256  Die  (El)e  im  germanifc^'mittelalterlic^en  Rec^t. 

Rcdjt  auf  öic  ®bl)ut  (custody)  6cr  Kinöer.  €r  allein  befttinmt  6es« 
f)alb  il)re  (Ersiel^uTtg  nnb  il)ren  £lufentl)alt.  Selbft  über  feinen  doö 
l)inaus  konnte  er  bis  1886  bie  TTtutter  entrechten,  benn  ein  oon 
tl)m  ernannter  Domtunb  ixbemal)m  nic^t  nur  bie  Demtögensüermal' 
tung,  fonbem  lionnte  felbft  gegen  btn  Willen  ber  ITlutter  iiber  i^re 
(Er3iel)ung  unb  tl)ren  Hufentl)alt  beftimnten.  Die  ganse  graufame 
HUgemalt  ber  englifd^en  patria  potestas  trat  aber  erft  im  C^efd^eibungs« 
red)t  3utage.  Den  Red)tsgrunbfa^en  bes  Common  £an)  nad^,  bef^ieit 
ber  Dater  bie  Kinber  felbft  bann,  wtnn  er  als  ber  fc^ulbige  Seil,  3.  B. 
megen  qualifisierten  (El)ebrud)s  ober  megen  fd^merer  ITlig^anblungeii 
Don  il)rer  ITlutter  getrennt  mar.  Selbft  über  bas  Kinb  an  ber  Iltutter* 
bruft  lionnte  er  oerfügen,  ja  bis  }um  3a^re  1873  burfte  er  nid^t  einmal 
freimillig  3U  gunften  ber  5^^^  ^uf  feine  Redete  Der5ic^ten.  IDir  e^ 
mal)nten  f(i)on,  bag  Sd^eibung  bem  Banbe  nad)  erft  feit  1857  erlaubt 
ift,  unb,  als  Denftmal  einer  boppelten  Hloral,  bilbet  einfache  Untreue 
bes  iriannes  nod)  l)eute  keinen  Sd^eibungsgrunb  für  bie  S^au.  IDie 
ein  nad)Mang  aus  König  Hetl)elbirtl)s  Seiten  berül)rt  es,  ba^  anbrer« 
feits  bei  Untreue  ber  Stau  bem  ITIanne  nid)t  nur  bas  Sc^eibungsre^t 
3uftel)t,  fonbem  er  überbies  eine  (Entfd)äbigungsfumme  oon  i^rem 
Tltitfd)ulbtgen  forbem  ftann.  3n  be3ug  auf  bie  Derteilung  ber  Kinber 
mar  offenbar  bi^  Dorausfe^ung  ber  bis  Dor  Kur3em  formell  gültigen 
(El)efd)eibungsregeln  bas  unbefd)rönftte  Aüetneigentum  bes  Daters  an 
feinen  Kinbern. 

Die  graufamen  Konfequen3en  biefer  Auffaffung  ber  Döterlic^ 
(Bemalt  mürben  unb  merben  in  ber  Pra|[is  nun  3mar  babur^  gemil' 
bert,  ja  teilmeife  fogar  aufgel)oben,  bag  ber  für  (£l)eftreitigkeiten 
3uftänbige  (5erid)tsl)of  bie  Kinber  nac^  freiem  €rmeffen  bemjenigen 
(Eltcrnteil  3ufprcd)en  burfte  unb  barf,  beffen  Cljaraliter  bie  größte 
(Garantie  für  il)r  Woljl  bietet.  (Erunlifud)t  unb  Brutalität  bes  Daters, 
ober  bie  Befürdjtung,  bafe  er  fie  unfittlid)  beeinfluffe,  beftimmen  bes- 
l)alb  bie  Rid)ter,  bie  Kinber  bis  3U  il^rem  16.  3al)re  ber  Iltutter  yi 
übermeifen  -  Don  biefcm  fliter  an  können  fie  felbft  3mif(^en  öen 
(Eltern  mäl)Ien.  3mmer  aber  beöarf  es  3ur  (Ent3iel}ung  bes  Kinöes 
aus  bem  tnad)tbereid)  ber  Däterlid)en  (Bemalt  eines  Antrags  oon  feiten 
ber  ITlutter  unb  3ur  Sd)eiöung  fül)renber,  qualifi3ier(er  (E^ebruc^  bes 
ITlannes  ift  3.  B.  bann  nod)  kein  genügenber  (Brunb  für  einen  ber> 
artigen  Antrag,  menn  er  bie  Kinber  nic^t  mit  feiner  Konkubine  in 
Berül)rung    bringt.     Dem    (Bered)tigkeitsgefü^I   moberner    englifd^ 


C.  (Engltfc^es  Rec^t  bis  3ur  mobemen  Reform.  257 

Rid^ter  erfc^eint  jeboc^  6ie  Auslieferung  ber  Kinber  an  btn  fd)ulbigen 
Dater  nic^t  mel)r  »just  and  proper«,  bes^alb  roirb  Ijeute  in  berartigen 
5änen  meiftens  3U  gunften  ber  IRutter  entfc^ieben.  Der  Dater  barf 
im  Uebrigen  feit  1873  auf  fein  €r3ief)ungsrec^t  freimillig  Der3id)ten, 
allein  er  ift  baburd)  niemals  juriftifd)  gebunben,  fo  bag  er  jeberseit 
feine  Daterred)te  aufs  neue  geltenb  mad^en  unb  bie  Ruslieferung  ber 
Kinber  er3n)ingen  ftann.  - 

Das  oerfeinerte  Red^tsbemugtfein  fd)uf  fid)  nun  aber  im  3ntereffe 
ber  5^ou  nodf  eine  anbre  3nftan3,  um  bie  formale  Starrljeit  ber  über- 
kommenen Red)tsregeln  {0  meit  3U  ertoeid^en,  bag  es  fd^Iieglic^  in 
neuefter  Seit  nur  eines  Anftoges  beburfte,  um  mejentlid^e  (Eeile  ber 
alten,  forgföltig  konferoierten,  aber  mit  neuem  3n^alt  gefüllten  5ormen 
gan3  3U  3erftören,  fo  bag  bie  neuen  Red^tsauffaffungen  nunmel)r  un- 
oer^ünt  3utage  traten.  Rel)nlic^  bem  römifd)en  Prötor  fd)rieb  fic^ 
ber  ,,£orb  üf^ancedor"  in  €nglanb  bie  IRac^tbefugnis  3U,  bas  geltenbe 
Red^t  ^nad^  (5rünben  ber  BiOigkeit"  (K(]uity)  3U  interpretieren  unb 
3u  ergän3en  unb  babei,  ber  Sad)e  nad),  oft  um3uftogen.  (Er  tourbe  ber 
€l)ef  ber  eigens  3ur  Umbeutung  unb  Durd^brec^ung  bes  Common  Zam 
bxtntnben  Courts  of  Kciuity.  3n  biefer  eigenartigen  3"f^!tution  loar 
alfo  bas  Dentil  gefdjaffen,  um  einerfeits  ben  Derkeljrsbebürfniffen, 
anbrerfeits  aud)  btn  oerfeinerten  fittlid^en  Rnfd)auungen  ber  neu3eit 
unter  formeller  Rufred)terf)altung  ber  Don  altersl^er  geltenben  Red)ts> 
orbnung  IDirkfamkeit  3U  oerfc^affen.  Diefe  (£inrid)tung  getoäl^rte  nun 
auc^  ber  Cl^efrau  bie  lTlögIid)keit,  \xi^  ben  prinsipien  bes  Common 
Zaw  3um  Cro^  eine  getoiffe  oermögensred)tIic^e  Selbltönbig- 
keit  3U  tDal)ren.  (Entgegen  ber  3bentitatsfiktion  bes  Common  Cam, 
bas  in  ftrenger  5oIgeric^tigkeit  ber  5^ou  nid)t  erlaubte,  burc^  Cl)e> 
oertrag  if)re  Dermögensred)tlid)en  Dert)altnif{e  3U  if)rem  (Satten  3U 
regulieren,  erkannten  feit  bem  18.  3al)rl)unbert  bie  K»|uity  Courts  Der» 
einbarungen  3tDifc^en  ben  (Batten  als  gültig  an,  bie  btn  Stoedi  l)atten, 
ber  5^<^u  tintn  Ceil  il)res  Dermögens  als  S  0  n  b  e  r  g  u  t  3U  erf)alten. 
Damit  aber  —  ec^t  englifdj  -  bie  f}eiligkeit  ber  äußeren  5orm  bes 
3bentitatsprin3ips  nid)t  angetaftet  toerbe,  burfte  bie  Sxan  nur  «fak< 
tijd^",  nidjt  aber  ber  5orm  nad)  (Eigentümerin  besfelben  bleiben.  Das 
Dilemma  3n)ifd)en  alter  5orm  unb  neuem  (5eift  tourbe  baburc^  gelöft, 
bag  man  btn  Rngef)örigen  ber  5^ou  geftattete,  einen  Ceil  il)rer  ITIit- 
gift  britten  perfonen,  fogenannten  Cruftees  (Creul^änbern)  als  Cigen- 
tum  3u  übertragen,  mit  ber  Derpflid)tung,  basfelbe  fomol^I  nac^  btn 

Wfbtt,  Chrfron  nnb  matter.  17 


258  Die  €l)e  im  germanifc^'mittelalterlid^en  Red^t. 

flnorönungcn,  mie  3um  ausfdjlicöllc^cn  Hu^en  öer  Stau  ju  oenoalten; 
6er  (Eruftee  toar  bemnad)  lebiglid)  ein  nai^  bem  IDiUen  ber  Stau  funktio« 
uierenber  Stroljmann,  roie  ber  geroäljUe  tutor  ber  römtfd^en  Spätjeit 
Aber  bie  3bentitätsfilition  mar  burd)  feine  €infd)iebung  geioal^ri.  Hlei* 
ftens  mürbe  fogar  bem  (Balten  felbft  bie  RoUe  bes  (Ereul^önbers  übertra> 
gen,  moburd)  er  genau  fo  mie  ein  Dritter  oerpflid^tet  mürbe,  basSonber* 
gut  3ur  aus{d)Iieg(ic^en  Derfügung  ber  Stau  3U  fteUen  unb  nad)  i^ren 
Anmeifungen  }u  oermalten.  3um  befonberen  S^u^  aber  ber,  im 
übrigen  ja  bem  Iltann  nad)  mie  Dor  perfönlic^  gän3lid)  untergeorbneten, 
Stau  gegen  il)re  Beeinfluffung  burd)  einen  eigennü^igen  (Batten  muröe 
eine  anbre  eigenartige  3nftitution  gefc^affen:  ber  (Erblaff er  bes  Stauen* 
guts  ober  aud)  fie  felbft  konnte  in  b^n  xljx  Sonbergut  betreffenöen 
Dertrag  eine  Klaufel  einfügen ,  meldte  jebe  Deräugerung  ober  Der* 
pfönbung  fomol)!  bes  (Einkommens  mie  ber  Subftan3  i^res  Dorb^ 
l^altenen  Dermögens  unmöglid)  mad)te  (restraint  on  anticipationl 
Die  red)tlid)e  Sulöffigkeit  einer  berartigen  Klaufel,  meiere  bie  fjonb« 
Iungsfal)igftett  ber  Stau  in  Be3ug  auf  xljx  Sonbergut  bef^rönkte  un6 
biefes  im  (Begenfa^  3U  allen  anbren  €igentumsarten  banb,  mürbe  mit 
ber  Begrünbung  gered)tf ertigt ,  bog  nur  auf  biefe  Art  ber  C^frcn 
ber  (Benufe  iljres  Sonberguts  fieser  gemaljrt  merbe:  —  >that  to  givc 
it  to  her  without  such  restraint  wouM  be  practically  to  give  it  to 
her  husband«.  -  Die  Befürdjtung  einer  3U  großen  (Butmütigkeit  öer 
Srau  i^rem  (Batten  gegenüber  lag  bemnad)  ben  englifc^en  Richtern 
naiver,  als  bie  in  Deutfd)Ianb  fo  l)äufig  geäußerte  Befürd^tung,  bai 
bie  felbftänbige  Derfügungsfal)igkeit  ber  Stauen  über  i^r  Dermögen 
iljren  (Egoismus  förbem  könne. 

Die  Betrachtung  ber  mobernften  Red)tsentmi(6Iung  im  folgenben 
Kapitel  mirb  uns  3eigen,  mie  biefe  burc^  bie  Equity  Courts  oorbereitete, 
anbersartige  Regulierung  bes  eljelic^en  (Büterredjts  bie  3bentitöts» 
fiktton  ausl)öt)It  unb  fd)lieglid)  gän3lid)  3erftört.  — 

mit  DoIIer  lDud)t  fiel  im  englifd)en  dommon  £am  bas  prin3ip 
bes  ftriftten  patriard)alismus  auf  bas  unel^elic^e  Kinb  3urüdL 
Auf  (Brunb  ber  Sorberungen  ber  Kird)e  mürbe  in  (Englanb  meit 
honfequenter  als  im  mittelalternd)en  S  ankreid)  il)m  bie  Be3iel)ung 
3um  Dater  burd)gefd)nitten ;  bas  oatcrred)tlid}e  Prin3ip  anbrerfeüs 
bannte  Dermögensred)tlid}e  Be3iel)ungen  3mifd}en  einem  Kinbe  unb 
feiner  lUutter  ober  beren  Samilie  urfprünglid}  überljaupt  nidjt,  unö 
bie  feubale  fomol)!  mie  bie  ältere  kird)Iid)e  Doktrin  mar  biefem  (Brunb- 


C.  Hnl)ang.    Skanbinooifc^es  mtttelalterl.  Rec^t.  259 

fa^  gegenüber  btn  «Kinbem  t>er  Sünöe"  günftig.  So  ergab  fic^,  öag 
6er  Baftarb  -  loie  im  Rec^t  öes  Sad)fenfpiegels  unö  nod)  bis  l)eute 
in  Rufelanö  -  im  Red)tsfinn  »filius  nullius«  mar  unö  ^Rlemanöes  (ge« 
{e%Ii(^er)  €rbe  fein"  konnte,  mos  öas  dommon  Zam  ftreng  burd)füi)rte. 
(Er  ftanb  gans  augerl)alb  5er  Befi^orönung  unö  l)atte  meöer  an  öen 
Dater  nod)  an  öie  Rlutter  Anjprüd^e.  €ine  Aenöerung  in  öiefem 
3uftanöe  muröe  nur  inöirekt,  auf  öem  IDege  öer  Ar  m  e  ngefe^gebung, 
angebal^nt,  mie  fpöter  3U  erörtern  [ein  mirö. 

3n  meld^er  Richtung  bei  öer  (5eftaltung  öes  englif d)en  €l)erec^ts 
öer  ftrenge  5^uöalismus  öes  Rormannenftaats  mitgefpielt  l)at,  seigt 
ein  flüd)tiger  Blick  auf  öas  3iDeite  (5ebiet  germanifc^en  Red)ts,  meines 
-  mie  €ng(anö  -  feinen  nationalen  dl^arakter  gan5  rein  beiDal)rt, 
öabei  aber  im  (begenfa^  3U  (Englanö  eine  feuöale  f}ierard)ie  nic^t 
entwickelt  l)at:  öas  n  o  r  ö  i  f  d)  e.  Die  Red)tsqueIIen  öes  noröifd^en 
ntittelalters,  öas  noriDegifc^e  (buIatt)ings!oeg,  öie  tslänöifd^e  „(Bragas", 
öie  fd^meöifc^en  (Beje^e  (0eftgoet^a(agen,  IDeftgoetl)aIagen,  Uplanös- 
(agen  etc.)  unö  öie  öönijd^en  Red)tsque(Ien  ((Erid)  SaeUanöske  £od), 
öurc^meg  öer  Seit  oom  10.  3al}rl)unöert  ab  angel)drenö,  3eigen  als 
öie  beiöen  IRäd^te,  toelc^e  öie  Starrf)eit  öes  primitioen  patriar* 
d^alismus  gebrodjen  traben,  auf  öer  einen  Seite  öie  Sippe  öer  5^^^, 
auf  öer  anören  öie  Kirdje.  Die  Sippe  öer  5^^"  interefRerte  fidj  für 
tl)r  S^ickfal,  feit  öie  (Eöc^ter  mit  €rbred)t  neben  öen  Söhnen  ausge- 
ftattet  maren:  3n  öen  noröifc^en  £anöem  mar  öies  im  Iltittelalter  im 
allgemeinen  öerart  öer  5^^»  ^^b  bie  ([od)ter  öie  l)a(be  (Erbportion  öes 
Sof^nes  erf)ielt ,  ein  3uftanö,  öen  nod)  öas  fd^meöifc^e  (Beft^  Don 
1734  für  öas  platte  £anö  (im  (begenfa^  3u  öen  Stööten)  feftl)ielt.  Die 
Kird)e  bejeitigte,  mit  im  Karolingerreid),  öie  Derei)elid)ung  Don  Iltaö- 
d^tn  unö  (befonöers)  IDitTDen  gegen  il^ren  IDillen  unö  {d)ü^te  überöies 
öie  S^aw  gegen  öie  IDillkür  öes  (Etjemannes.  3"  ber  t)anö  öes 
Bifd)ofs  rul)te  öaf)er  namentlii)  öie  Sd^eiöung.  Sie  erfolgte  im  S^^^* 
mittelalter  ol^ne  weiteres  bei  (EintotUigung  beiöer  ([eile,  aber  auc^  auf 
Anrufen  öer  5tau  allein  b:i  ITIigf^anöIung,  unö  unter  Umftänöen  felbft 
bei  lieöerlid^er  DermögensoeriDaltung  öes  ITTannes.  Die  gefd)ieöene 
5rau  unö  öie  IDitTDe  fielen  unter  öie  (Befd^Iec^tsDormunöjd^aft  ii^res 
nöd)ften  Agnaten  3urü(k,  aber  fie  oerfügten,  Dorbef)aItIid)  öes  (Erb> 
einfpru(^red)ts  beim  (Brunöbeji^,  im  übrigen  faktifd)  frei  über  if^ren 
Befi^  unö  konnten  fid)  ol)ne  (Benel^migung  öes  (Befd^Ied^tsoormunös 


260  Die  €l)e  im  geTmanifd)«mitteIaIterIi(^en  Rec^t. 

toieöer  oerel^elid^en;  in  (Ermangelung  eines  ertoad^fenen  Sohnes  ftan6 
il)nen  ber  (El)eftonfens  für  if)re  (Eöd)ter  3U.  5^r  öen  Derfte^r  mit  ben 
(5erid)ten  beftanb  bie  Dlac^t  bes  (5ef(^Ied)t$Dormunbs  für  fie  ebenfo 
iDie  fiir  bas  lebige  lHäbc^en  fort.  Die  toillftürlid^e  Derfügung  über 
bie  f}anb  bes  Dlünbels  gegen  beffen  IDiUen  l)atte  bagegen  aud)  ^ier 
bie  Kirdje  bem  Dormunb  fd)on  entriffen.  —  3n  3slanb,  roo,  als  in 
einem  Kolonifationsgebiet,  bie  Stau  Seltenl^eitsiDert  l)atte,  konnte  bas 
inäbd)en  unter  Umftönben  |ogar  felbftönbig  über  feine  f}anb  oerfügen, 
unb  aud)  im  (Befd)aftsoerkel)r  mar  bort  unb  in  normegen  bas  Donja^ 
rige  ITIäbc^en  an  bie  ITIittDirftung  bes  Dormunbs  nur  bei  gemiffen 
tDid)tigeren  Hftten:  Derfügung  über  ein  Seefd)iff,  über  £anb  u.  f.  »., 
gebunben,  tDäl)renb  in  Sd^toeben  unb  Dänemark  bie  ftrenge  <Bef^Ie<^ts« 
oormunbfc^aft  bis  in  bie  Ileuseit  fortbeftanb,  aber  allerbings,  nie 
überall,  aus  einem  Hu^ungsrec^t  in  eine  red^nungspflid^tige  Sütforge 
fic^  Dermanbelte.  Der  (El)efd)Iug  bel)ielt  fel)r  lange  öugerlic^  bie  5orm 
bes  Kaufs  bei,  aber  eine  „3bentitäts"»5i^tion  nadj  Art  bes  common 
law  bannte  bas  norbifd)eRed)t  nid)t.  Die  €t)efrau  mar  für  gen)ine  kleine 
mairimalbetrage  i)erpflid)tungsfäl)ig  unb  f)atte  DoIIe  „Sd^Iüffelgemalf 
in  £lbtDe{enl)eit  bes  IHannes,  unb  bie  ron  i^r  allein  abgefc^Ioffenen 
Re(^tsgefd)afte  toaren  überl)aupt  binbenb,  falls  ber  IHann  i^nen  ju* 
ftimmte,  ober  nid)t  bie  (5enel)migung  innerf)alb  einer  gefe^Iid)  b^ 
ftimmten  S^'ft  üerjagte.  flllcrbings:  mäljrenb  an  btn  eingebrad)ten 
3mmobiIien  ber  S^au  ber  ITlann  nur  Dertoaltung  unb  Ru^ung  ^attt, 
t)erfd)tDanb  il)r  eingebradjtes  bemeglid^es  Dermögen,  toie  in  (Englonb, 
in  bem  bes  (Et)emanns,  ber  barüber  gän3lid)  frei  oerfügte,  [o 
lange  nic^t  etma  bie  S^au  beim  Bi[d)of  bie  (Trennung  ber  (Büter 
toegen  Der|(^tx)enbung  burd)fe^te.  Bei  Huflöfung  ber  €l)e  fiel  an  bie 
5rau,  neben  iljren  3mmobilien  unb  ber  Illorgengabe  (bem  alten 
Brautjdjaft:  >mundr«),  entmeber  ein,  ben  Prin3ipien  ber  „5a^^isg^ 
meinfd)aft"  gemäß,  gemoljnljcitsredjtlic^  mei|t  auf  ein  Drittel,  3uii)eilen 
auf  bie  f)älfte  fixierter  Brudjtcil  oon  Sa^^^is  unb  (Errungenjdjaft, 
ober,  falls  bie  (Balten  getrennte  Red)nung  oereinbart  l^atten  -  mos 
für  bie  5tau  oorteilljafter  fein  mußte,  falls  [xe  bie  oermögenbere  mar-, 
ber  Betrag  it)res  (£ingebrad)ten,  über  meld)es  ber  ITlann  Rechnung  3U 
legen  liatte.  - 

lUan  pcl)t,  baß  ber  d)arahteriftifd)e  Unterfc^ieb  bes  englif<^ 
Red)ts  in  bem  fd)roffen  (Begenfa^  ber  Rcd)tsfteIIung  ber  fcmme  solc 
unb  fcmme  covertc  unb  in  ber  ungünftigen  Stellung  ber  IDitme  liegt: 


D.  5<ifttif(^e  £age  t>er  mittelalterltd^en  Stau  k.  261 

6te  mög(id)ft  fd^ranftenlofe  ölionomtfd^e  f}ausl)errfd)aft  bes  Seemanns 
als  fo(d)en  mar,  mie  im  alten  republikanifd^en  Hont,  fo  in  €nglan6, 
6as  36eal  fpesififd)  ariftokratifd^er  Red)tsbilbung.  - 

D. 

IDenn  mir  nun  je^t  nod)  -  fo  wtit  es  ber  Raum  unb  bas  in  biefer 
Richtung  nod)  menig  ausgiebig  oerarbeitete  ITIaterial  sulögt  —  auc^ 
^ier  fragen,  iDie  fid)  bie  Red)tslage  ber  €l)efrau,  |pe3iell  in  Deutjc^Ianb, 
3U  ii^rer  fafttifd^en  £age,  unb  3U  btn  Be3iei)ungen  ber  (5e{d)Ied)ter 
Derl^alten  l)abe,  fo  mfiffen  toir  uns  3unöd)ft  gegentDörKg  Italien,  bog 
bos  alles  mittelalterliche  S^niilienleben  eifern  umMammernbe  Banb 
bas  Dogma  Don  berUnlösIic^keit  ber  €be  mar.  Danach  erfd^eint 
(bott  felbft  als  Stifter  ber  €l)eorbnung,  bie  besl)a(b  ber  inbioibuellen 
IDiUftür  berer,  bie  fic^  il)r  einmal  untertoorfen  unb  bas  Salirament 
oollsogen  ^aben,  für  immer  entrüdit  ift.  Die  orientalifd^e  (griec^ifd^e) 
Kirche  geftattete  bie  Sd)eibung  menigftens  bei  (El)cbru(^,  bie  abcnb« 
Iönbifd)e  bel)auptete  bagegen,  einmiitig  etma  feit  fluguftins  (ber  feiner* 
feits  freilid)  nod)  fd^manMe)  Seit,  bie  oöllige  Unlöslid^keit  bes  €f}e- 
banbes.  Das  toeUKdje  Red)t  miberfc^te  fic^  bem  fotool)!,  toie  mir  fd)on 
fairen,  im  Römerreid)  mie  im  germanifd^en  HItertum  bis  minbeftens 
ins  9.  3a^rl)unbert.  Die  Kird^e  beanfprud)te  bie  (Bertd)tsbarlieit  über 
5ragen,  bie  als  „Sünbe"  gegen  bie  gdttlid)e  ®rbnung  an3ufel)en 
maren,  für  fid),  unb  ba  bie  (E^e  ein  Sakrament  mar,  ert)ob  fie  ben  An* 
fprud),  ba%  jebe  5^^9^  ^^^  (Bültigkeit  ober  Ungültigkeit,  bes  Beftet)ens 
ober  nid)tbeftel)ens  Don  €^en,  alfo  insbefonbere  bie  5^^9^  ^^^  Cöslid)* 
keit  ober  Unlöslid)keit  bes  (Ef)ebanbes,  il)rer  Kompeten3  allein  ange> 
^re.  Die  l)aIbtt)eokratifd)e,  karoIingifd)e  (5efe^gebung  notierte  ftd)  bem 
Dogma,  meld^es  etma  feit  bem  II.  3a(p:l)unbert  T^egte,  nad)bem  bie 
(5erid)tsbarkeit  ber  Kird^e  in  (£t)efad)en  [xd^  faft  überall  burd)gefe^t 
^tte.  -  Die  Kirche  ^ai  nun  3mar  feit  bem  £aterankon3iI  oon  1215 
bie  kirc^Iid^e  €infegnung  oorgef (^rieben ,  aber  im  Ulittelalter  meber 
biefe  no^  eine  anbere  augerlid)e  5  0  r  m  ber  (Et^ef d)Iiegung  3ur  Be> 
btngung  if)rer  (5üUigkeit  ert^oben,  fonbern  fid)  l^ier  an  bas  melt* 
Iid)e  Rec^t  gehalten.  Da  fie  in  biefem  feit  ber  fpötrömifd^en  3eit 
bie  €t)epakten ,  im  beutfc^en  Rec^t  bie  „Derlobung"  als  für  bie 
legitime  (Et^e  normales  lUerkmal  Dorfanb,  fo  übernaf)m  f^e  im 
mefentüd)en  biefen  3uftanb.  Das  Derlöbnis  galt  if)r,  oorbef^altlid) 
bes   Dispenfes  in  $äütn   einer  bas   €t)elcben  fittlid)   geföl^rbenben 


ik. 


262  Die  (E^e  im  geTmQnifc^'mittelalterlic^eiT  Rec^t. 

Abneigung,  als  reci^tlic^  binbenb.  Die  Mr^Iic^e  (Einjegnung  bes  flbts 
ber  Uebergobe  ber  Braut  ((Erauung)  lourbe  3une^menb  Sitte.  Die 
Kir^e  beftanb  babei,  loie  mix  {^on  früher  fa^en,  barauf,  bag  bie 
binbenbe  (Eintoilligung  5UT  (E^e  von  btn  (E^ej^Iiegenben  jelbft  bebunbet 
toerben  muffe  unb  bur^Iö^erte  baburc^,  tote  mix  bemerkten,  bas  IRtm« 
bialre^t  ber  DertDanbten.  IDeit  toici^tiger  aber  loar,  bag,  feit  ber  flii> 
er  Nennung  ber  bir^Ii^en  (Seri^tsbarbeit  in  (E^efac^en,  bie  fleifc^fid) 
DoUsogene  (E^e  unlösli^  tourbe,  inbem  ber  (Sefc^Iec^tsabt  als  ,,K<m' 
fummation"  ber  (EI)e,  alfo  bes  Sakraments,  galt,  nur  für  bie  yam 
gültig  gef^Ioffene,  aber  noc^  ni^t  burc^  (Sef^Iec^tsDerbe^r  ^^konfum« 
mierte"  (E^e  pflegte  „Ilici^tigfeeitserMärung''  bur^  Dispens  oft  erteilt  ja 
toerben.  (Seri^tlic^  konnte  bie  (E^e  nur  bei  Smang,  3rrtum  in  ber  pe^ 
fon  unb  bauember  3mpoten5  angefo^ten  unb,  in  (Ermangelung  oonen 
Bemeifes,  biefer  bur^  pdpftli^en  Dispens  ergönßt  toerben,  roos  bis  in  bie 
neufte  Seit  eine  fjintertür  für  bie  £öfung  ber  (E^e  fosial  f}od)fte^ber 
gebilbet  ^at.  5ur  bie  gültige  unb  konfummierte  (E^e  bagegen  gab 
es  nur  bie  „S^eibung  Don  (Eif^  unb  Bett",  b.  l).  bie  Auflöfung  ber 
I)äusli^en  (Semeinf^aft  unb  aller  äußeren  IDirftungen  ber  C^e,  wüi^ 
bei  (EI)ebrud},  falls  ber  klagenbe  (Batte  unfc^ulbig  ift,  lebenslänglich 
fein  bann.  Das  (El^ebanb  bleibt  jebo^  beftel)en,  fobag  ber  ge* 
trennte  (Satte,  fo  lange  ber  anbre  (Eeil  lebt,  heine  ITtöglid^keit  ^t 
fi^  anbermeit  3U  oerl^eiraten. 

Die  getoaltige  Bebeutung  biefes  Dogmas  für  bie  Uebercoinbung 
ber  tDillkür  unb  Regellofigkeit  in  btn  (&efd)led}tsbe5ie^ungen  borf 
getDtg  nid)t  unterfd)a^t  merben,  unb  es  mug  Staunen  uub  Be1X)unb^ 
rung  erregen,  bag  es  ber  Kir^e  gelang,  ein  fo  I)od}gefpanntes  3beal 
mitten  in  einer  tDelt  oon  Barbarei  jum  Red)tsfa^  3U  erleben. 
Aber  eben  inbem  fie  bies  tat,  mufete  fie  btn  (Eatfac^en  bes  fie  um« 
gebenben  £ebens  ntd)t  nur  babur^  Red)nung  tragen,  bag  fie  il^n 
l)interrü&s  roieber  preisgab:  -  bis  3um  16.  3a^rljunbert  bulbete  fie, 
coie  mir  fallen,  neben  ber  (El^e  bas  Konkubinat,  -  fonbern,  toas  fd^Iimmer 
toar,  fie  mugte  auf  bie  Dera)irklid)ung  eines  anbren  toeit  l^ö^en 
3beals  Der3  djt  leiften:  bie  Reinljeit  ber  (Elje  rourbe  iljrer  formellen 
Unlöslid)keit  3um  (Dpfer  gcbrad)t. 

(Es  ift  natürlid)  gan3  unmöglidj,  über  bie  Ijiermit  berül^rte  5wge 
ber  (El)erittlid)keit  unb  bes  inneren  (Eljelebens  überljaupt  für  eine 
räumlid)  unb  3eitli^  fo  ausgcbeljnte  Kultur  coie  bie  bes  ITIittelaltets 
etroas  Allgemeines  aus3ufagen.    3mmerljin  fällt  für  bie  Seftoltung 


D.  SakHfil^t  taqt  bn  mlttelolterliifien  Srau  n.  263 

(  (Etftlebtns  giinj  all(|(ni<in  ins  <fien)id)l,  baf)  bex  flu5[d)nitt  tics 
'iftilhirlebens,  mit  ftem  mir  uns  Ijier  befdjäfHgt  Ijaben,  (eintn  Sdjroet' 
punftl  in,  {iur(^[(f)iiitl(i(tr,  nÖTMid)eren  Regionen  fanb,  als  bie  Uultui 
&C5  AlltTtums.  n)tnn  nun  bns  mittelallerliit)«  jainilienleben,  auij  in 
D(ul|drlanb.  bei  aller  (ßrobi(l;läd)tiglieit  3üge  einer  giöfteren  .3nnis- 
keif  jeigt,  als  bos  antihe,  unb  menn  namcntli<f)  bie  für  bie  fiötff 
jell  b(T  antjtten  Kultur  ti)piid)e  i^ustjäufigheit  bes  IRonnes  im  ITIittelaltn 
geringer  mar,  \o  trug  basu,  neben  ber  anbersartigcn  poIiti|d)en  Der- 
faffung  unb  bem  (Einfluß  bcr  Kirdie,  bod]  Dor  allem  eben  aud)  bas  Klima 
bei.  nia(t]t  bie  |iiblid)e  Sonne  fa(t  bas  ganje  3afjr  bas  Sd;lcnöein  unb 
SditDo^en  auf  lllarhl  unb  SIragen  jum  heften  DergnÜgen.  (o  id)iebt  ber 
norbiFd^e  f>immfl  Hlonate  lang  ben  Sdjmerpunlil  bes  Alltagslebens  in 
6as  3nnere  bes  I)tiu[es:  bie  3bee,  ba^  bas  .f}eini'  unb  bie  .(jäuslld)- 
bKit"  nid}t  nur  meienlliif)  ein  Ilad)taft)l,  fonbem  nad)  ber  lagesarbeit  bie 
Bttupljtälte  ber  Cebensfreube  aud)  für  bentHann  fein  foHe,  konnte 
^fti^  nur  im  Itorben,  roo  bas  DTaugcniein  an  5at]llofcn  Sagen  nld)ls 
flnjiettenbes  f)al,  fo  ftoih  enln>idieln.  Dies  galt  allerbtngs  mefentlidi 
für  bie  Bürger  unb  Bauern.  3n  bin  Kreijen  ber  Hitlerfd)aft  1iU)rten 
Seljbe-,  r)of-  unb  lUinneblenlt,  3ngb  unb  llouniier  bie  IDege  bes 
niannes  meit  fort  oon  benen  ber  5i(iuen,  toie  mir  balb  fe^en  ivttben. 
im  jweiler  midjtlger  Umllanb  ipar  bas  Immer  Itärhere  5uTÜ<ii> 
treten  ber  Kauffhlaperei.  -  ein  llloment,  beffcn  Öiionamifd]e  <biünbe 
t^lcr  niil)t  JU  unterlud)en  finb,  uield]ts  aber  ietnerfetts  ber  Reinl)ett 
bes  St|uallcbtns  innettjalb  bes  l^aujes  offenbar  jugute  kommen 
mufite.  Aber  freili^:  audi  tjier  blieb  ber  Unterfi^ieb  nur  ein  rela« 
tioer,  unb  mir  werben  bas  allgemeine  nineau  ber  (Et)efittlid)kett  fUr 
bos  niittelaller,  an  Ijeutigen  Ütafiiläben  gemeffen,  uns,  nac^  allem, 
mas  brüber  bekannt  ijl,  jiemlid)  niebrig  Dor|tellen  muffen. 

Um  nun  ein  konkreteres  Btib  oon  ber  dfiften}  3U  geminnen. 
D)el(t)e,  alles  in  allem,  [ene  Hpodje  bei  $rau  ju  Meten  t)atte,  oei- 
folflcn  tpir  5unäd)fl  In  Kürje  btr  Art  it)rer  (Er]icf}ung.  - 

Don  planmäßiger  .IHäbdjenbilbung"  treffen  mir,  —  bei  bem 
5<t)Ien  Öffentlidjer  Sd)ulen,  ~  naturgemäß  nur  ein  fel^r  befdiefbenes 
nia^  unb  aud)  blefes  nur  in  ben  Titteilid}en  Kreiftn  an.  Sef^r  t)dufig 
iPUTben  Ijiei  fotool}!  Söljne  mle  Sbd)ter  jat)relang  fremben  JunttUen 
5ur  <Erjiel}ung  übergeben,  im  Rbel  mar  es  gerabeju  bit  Regel,  bofi 
bic  Knaben  bei  Pflegeeltern  aufmud)[en,  benn  bies  .in  Penflon"  geben 
nfd)icn  ber  Seil  als  ber  bcfte  tDeg  jum  iBewtnn  von  incniti)en>  unb 


264  Die  (E^e  im  germQni|(^«mittelaIterIi(!^en  Rec^t. 

IDeltkenntnis.  DieITtQbd)en  mürben,  fei  es  im  eignen,  fei  es  im  fjaufeber 
Pflegeeltern,  Don  (Erste^erinnen  in  fjonbarbeiten ,  Anftanbslel^re  imb 
ntuftb  unterridjtet.  Daneben  lernten  fie  enttoeber  burc^  „Prioatftunben* 
beim  (Beiftlid^en  ober  in  ben  Klofterf^ulen  £efen,  Sd^reiben,  Kated^ismus 
unb  eine  An5aI)I  kird}Ii^er  (befönge.  Der  ins  Deutf^e  überfe^te  Pfalter 
toar,  toie  ja  au^  ber  Sad^fenfpiegel  erkennen  lägt,  bie  ^äufigfte,  ^ie  iinb 
ba  au^  bis  in  böuerli^e  Kreife  verbreitete,  toeiblic^e  £ektäre.  —  Surften 
unb  Königstö^ter  ftubierten  5Uix)eilen  bie  Maffifc^en  Sprad^en,  unb  als 
bas  Aufblühen  ber  meltli^en  £t)rik  unb  (Epik  bas  literarifd^e  3ntereffe 
erweiterte,  lernten  Domel^me  3ungfrauen  bei  b^n  fal)renben  Spielleuten, 
mel^e  bie  poefien  il)rer  Seit  Don  £anb  3U  £anb  trugen,  auc^  bie 
Sprayen  ber  na^barpölker.  ((Eriftan  kam  als  fa^renber  Spielmaim 
5U  3fot  unb  unterrichtete  fie  in  Sprachen  unb  Saitenfpiel.)  Alle  ber« 
artige  Kenntniffe  konnten  natürli^  nur  äußere  Stetigkeiten,  nic^t 
innerlich  angeeigneter  Bilbungsftoff  roerben.  ID  i  e  befd)eiben  bemnad) 
au^  bas  niag  intellektueller  Kultur  fein  mo^te,  meiere  einer  bümien 
S^i^t  ftänbifdj  beoorredjteter  S^^uen  3U  teil  rourbe,  —  bie  unteren 
S^idjten  lernten  natürli^  nur  Ijaus«  unb  fjanbarbeiten,  —  fo  uwr 
es  bo^  immerhin  me^r  als  was  i^ren  Briibern  3ufIog.  Denn  bie 
ritterbürtigen  Knaben  mürben  lebiglic^  im  tDaffenl^anbioerk  unb  in 
ritterlid}en  £eibesübungen  unterliefen ,  ba ,  umgeke^rt'entfpre<^nb 
ber  mobernen  DorfteUung,  bag  5^^^^*^  bur^  intenfipere  Husbilbung 
il^res  3ntenekts  „unroeiblid}"  unb  für  (Erfüllung  il^rer  ^auslid^en  loie 
il^rer  fpe3tfif^en  „(battungspflid}ten"  untauglid)  werben,  bamals  bie 
Befürdjtung  Ijerrf^te,  bafe  „(Bclcljrfamkeit"  ber  kriegerifc^en  „IlXdnn« 
lidjkeit"  flbbru^  tue.  Dergeblid)  befaljl  besljalb  Karl  ber  (Brobe, 
jeber  £aie  foUe  feine  Söl}ne  lefen  unb  fd^reiben  lehren:  bas  frül^e 
ITTittelalter  l^inburd)  würben  biefe  Künfte  als  „weibtfd)  unb  pfdffifd)' 
oon  ber  IHeljrljeit  ber  Ritterfdjaft  oeradjtet.  -  Dies  HTönnlic^keits« 
ibeal,  einer  nod)  ausfd^liegUd)  körperltd)e  Kraft  unb  (&efd)i(klid)keit 
Wertenben  5eit,  beftimmte  in  ber  5eül)3eit  ebenfo,  wie  bie  red)tli(^en, 
au^  bie  gemütnd)en  unb  gefellf^aftlid^en  Be3iel)ungen  ber  (befd)Ie<^ 
ter.  Da  ber  ITTann  „oon  Ritters  Art"  in  Sel)be  unb  3a9b  ein 
unrul)Dones  £eben  l}atte  unb  bie  5wifd}enftunben  mit  IDürfeln 
unb  Bed)ern  im  Kreife  ber  Blutsfreunbe  3ubrad)te,  war  fein 
(befül}lsleben  nad)  ber  Seite  ber  (Erotik  gan3  unentwi^elt.  Ireibenbes 
ITTotiD  für  bie  (El)efd)negung  waren  Dorwiegenb  ökonomifd^e  (Er* 
wägungen:  ber  (Erwerb  ber  Srau  als  Arbeitskraft.  Dagegen  entfprang 


D.  5a6tif(^e  £age  öer  mitte(QlterIid)en  5^<iu  ic.  265 

6as  £tebe$gefü^I,  mit  manche  titeraturftü^e  öer  5^l^3^it  erkennen 
laffen,  meift  suerft  in  öer  3ungfrQu  unö  muröe  erft  öurd)  il^re  (Er» 
geben^eit  unö  öemütige  Unterorönung  ouc^  im  manne  ertoeAt. 

An  öer  6e{enigkeit  öer  5^ü^3eit,  öie  mefentlid)  aus  (Erinkgelagen 
beftanö,  nahmen  keine  S^^^^uen  teil,  auger  öer  fjausfrau,  öie  als 
IDirtin  öen  (Bajten  öen  Bedjer  reidjte  unö  iljnen  -  oft  redjt  kräftig  - 
Dortrank.  3m  Alltagsleben  agen,  mie  bei  öen  Bauern  nod)  roeit 
fpäter,  {o  öamals  auc^  bei  öen  Rittern,  suerft  öie  mönnli^en  5<i^tlten- 
glieöer  allein  unö  nad)  il)nen  öie  5i^<^uen. 

3n  eine  neue  pi)a{e  trat  öas  gefellfd^aftli^e  unö  fittlid)e  Der- 
f^Itnis  von  IlXännem  unö  S^ouen  öer  (Dber|d)i^ten  in  öer  Seit  öes 
ritterlid}en  5^^uenöien{tes.  (Er  entftanö  ettoa  im  11.  3al)rl)unöert 
in  öer  proDen<;aIifd)en  Ritterf^aft  unö  fanö  gegen  öie  mitte  öes 
12.  3al)rl)unöerts  auc^  in  Süööeut{d}Ianö  unö  (Defterreid)  (Eingang. 
3m  noröen  unö  in  öer  angelfa^{i{d}en  Ritterfc^aft  l^at  er  öagegen 
in  feiner  fpesififdjften  5orm  nidjt  öauernö  IDursel  gefaxt.  Die  Stanöes« 
fitte  Derlangte  öen  5^<iuenöienft  in  öen  (gebieten  {einer  fjerrf^aft 
oon  ieöem  Ritter,  öer  auf  IDo^ler5ogenl^eit  Anfpruc^  mad)te.  Auf 
6as  £iebesix)erben  muröen  öie  5ormalitaten  öes  feuöalen  Daf allen- 
öienftes  übertragen,  religiöfe  (Empfinöungsformen,  an  öie  ^alb-finn> 
lid^  Derel^rung  öer  maöonna  anknüpfenö,  mögen  aud)  I)inein  gefpielt 
traben,  auf  öer  anören  Seite  au(^  öie  (geöankenmelt  öer  Afkefe.  Unö 
in  Derbinöung  mit  öer  ftarken  Sinnlichkeit  öer  Süöfransofen  ent* 
toickelten  öiefe  motioe  einen  konpentioneüen  Begriff  von  ritterlid^er 
(Manterie,  öer  {eine  Spuren  bis  l^eute  in  öen  Be5iel)ungen  öer  (Se* 
{d)led)ter  ^interlaffen  ^at.  Der  Ritter  bot  einer  be{timmten  Dame 
feines  Krei{es  {eine  roirklic^e  oöer  fingierte  Reigung  unö  {eine  Dien(te 
an.  Ra^m  fie  i^n  an,  {o  betrad^tete  er  fie  als  (eine  fjerrin,  trug 
fortan  il^re  5<itben  unö  xlfx  IDappen,  beteiligte  fic^  in  il)rem  Auftrag 
an  (Eumieren  unö  5^^^n,  unö  lieg  fic^  oon  il^r  {elb{t  gegen  (einen 
IDillen  in  öie  Kreu53üge  {c^i^en.  3eöer  Sieg  öen  er  gemann,  erfod)t 
er  fortan  in  il^rem  Ramen.  (Er  roiömete  il}r  aber  auc^  {ub(tan- 
tieüere  Seiten  (einer  (Ergebenl}eit:  ko(tbare  Beute(tüAe,  Pferöe  unö 
Kriegsgefangene,  unö  (u^te  il)r  überl^aupt  auf  jeöe  n)ei{e  5U  seigen, 
bai  fie  öer  pol  (ei,  um  öen  ftd)  (ein  gan5es  (Sefül^lsleben  örel^te. 
3tDe(h  aud)  öes  be^arrlid){ten  minneöien(tes  wax  nun  nic^t  etma  öie 
enögültige  öauernöe  Dereinigung  mit  öer  (Era)aI)Iten  in  öer  (El^e, 
fonöem  leöiglic^  öie  innere  Spannung  öes  eroti(d)en  Spiels,  -  öie  (Be* 


266  Die  (E^e  im  germani|(^'mittelQlterIi(!^en  Rec^t 

^obenl^eit  ber  Stimmung,  bas  „l^od^gemuot  fin",  mit  bem  ^imlic^ 
£iebcsocrIangcn  unb  IDcrbcn  bic  Sccic  erfüllt.  »Gebe"  unb  »€l>e* 
fc^Ioffen  fi^  aud)  ^ier  aus,  toie  in  At^en,  btnn  aud)  t^ter  mar  eben 
bie  (E^e  eine  mefentlic^  ,,öfconomif^e"  3nftitutton.  Das  (C^arakteriftifd^e 
biefes  5^^uenbienftes  toar  bemgemäg,  ba^  er  faft  ausfd)ltegli(^  oon 
©erheirateten  IlXännem  ben  (Eljefrauen  -  anbrer  gemibmet  rouröe. 
nian^mal  biente  ber  Ritter  nur  um  gejenjc^aftlic^e  Bead^tung  tmb 
feeli|d}e  Suneigung  feiner  Dame,  oft  rourbe  aber  auc^  um  fd^Itegli«^ 
körper(id}e  fjingabe  geworben  unb  il)m  burc^  ^eimlic^es  nad^titc^ 
Sufammenfein  mit  Kug  unb  Umarmung,  aber,  -  ber  „(C^rie"  nad) 
roenigftens,  -  o^ne  „ffief^Iec^tsoerke^r"  im  engeren  Sinn,  getoa^rt 
Derartige  „probenä^te",  bie  gelegentlid)  als  afketifc^  Schule  ber  <Ent« 
l^altfamkeit  befungen  rourben,  fd^einen  in  ganß  IDefteuropa  in  rttter> 
li^en  Kreifen  Derbreitet  gemefen  3U  fein.  (Eine  gan3e  Kategorie  auc^ 
ber  beutfc^en  £i)rik  bes  12.  unb  13.  3ö^tl)unberts  -  bie  (Eagelteber— 
brel)t  fi(^  um  fie.  Au(^  IDoIfram  Don  (Efc^enbad)  mad^te  i^re  ^etni' 
liefen  IDonnen  unb  flengfte  3um  (Begenftanb  mehrerer  £teber.  —  Der 
(Ertrag  eines  folc^en  HXinnebienftes,  bem  immerhin  bie  fLtnbtni  nac^ 
f^lieglid)er  Befriebigung  ber  erregten  Stimmung  inne  too^nen  mugte, 
mar  für  bie  5^^uen  bur^aus  3n)iefpaltig.  5ötberlid)  für  i^re  fo< 
3iale  Pofttion  mugte  es  ja  fein,  bog  fie  baburd)  in  ben  Itlittelpunbt 
bes  gefeüf^aftli^en  unb  feelifd^en  £ebens  gefc^oben  tourben.  3n 
5rankrcidj  ©urbe  es  Sitte,  bafe  IlXänner  unb  Stauen  paanoeife  3U 
(Eifd)  fagen,  in  Deutfd)Ianb  fe^te  man  fie  in  biefelben  Räume,  aber 
an  oerfd^iebene  (Eifd^e.  3ebenfaIIs  enttot^elte  ftd)  überall  eine  Art 
oon  Kontakt  3a)ifd)en  btn  (befd}Ied}tern,  roeld^er  roa^rfd^einlid)  bei  ben 
nXannern  eine  Derfeinerung  bes  (befül^lslebens  in  ber  Rid^tung  jener 
3arteren  Aufmerkfamkeit  unb  RüAfid)tna^me,  bie  mir  als  „Ritterlid)* 
keif  3U  be3cidjnen  pflegen,  gewirkt  Ijat.  Die  S^^uen  konnten  i^re 
nia^t  als  (befd)Ie^tsa)efen  kennen  lernen  -  unb  il^r  gefeüfd^aftlid^es 
SelbftbecDugtfein  gewann  baburd). 

flnbrcrfcits  rourbe  aber,  coie  u)ir  uns  leidet  oorftellen  können, 
bas  Dcrl)ältnis  ber  (Befdjlcd)ter  in  ber  (E  1}  e,  überljaupt  bas  Sdmilien« 
leben  unb  bie  fe^ueOe  Sittlid^kett,  burd)  berartige,  pnn3ipiell  augerel^elic^ 
Be3iel)ungen  nidjt  oertieft,  fonbern  3erfe^t.  3«  intenfioer  unb  beljan« 
Hd)er  fidj  ber  Ritter  um  feine  „^errin",  bie  frembe  (Battin,  bemühte, 
um  fo  läffiger  unb  rü^fid^tslofer  mugte  er  in  ber  Regel  gegen  bie 
eigne  (Battin  werben,  -  unb  was  biefe  an  Aufmerkfamkeit  unb  Sart* 


D.  $<iWitdte  tagt  tiei  mUtelalttTitdtni  S^an  ic. 


267 


^re^tittt  Don  btm  fietnfien  Kanolier  «ntgegenna^iit,  iioitnte  \xt  um  |o 
neniger  Dom  (Igntn  6atten  beau|pTud)en.  Der  [)entii)en&en  ITtoIie 
mu^trn  m  bit  iEt)cfTau«n  tben  anbequfmtn,  un&  r<c  bequemten  fid]  Il)t 
an.  tDir  i;ören  3.  B.  non  btr  treuen  (batlin  öes  ooDkommcn  oei' 
Riegenen  Kitlers  Ulrid)  oon  £id)lenftein,  ber  fi(^  einen  {einer  5i<i30^ 
abt)adilt,  um  fljii  öer  Dume  öer  er  Mente,  als  3ei(t)en  |ein«  (Ergeben* 
l|*it  5U  präfentieren,  öaft  fie  mit  iljm  in  .glüAlidier"  (El)e  leble.  Allein 
bai  ünbtTt  natöiltd)  nict}ls  tiaran.  ti<](;  tro^bem  bie  iHiefrau  als  iolif^e 
bic  Koflen  biefer  Hblenhung  bes  (}icfiif)lslebens  auf  Dtlltt  i<f)on  rein 
äugeilictf  3U  tragen  tjalte.  Das  immer  madjc  mißtrauen  bes  Ufte- 
^crm,  bd^  leine  5tau  mit  einem  fremben  Ritter  äl]nlid;e  Bejietfungen 
pflegen  mö(f)lt,  mle  er  felbft  fie  bei  anbern  $rauen  iud)te,  filterte  3U 
bauernber  ftrenger  Bedufliif^tigung  bcr  (Eljefrauen  unb  jur  Bc|d)ränkung 
it)rei  BetDcgiin^sfrctl^eit  im  Rütncisleben.  IDät)renb  ber  (Eatte  auf  t1b<n> 
leuer  ausjog,  louiben  fle  ron  „Itlerfienr  bemadjt  unb  gleit^  Harems- 
frauen im  3""«n  ber  Burg  ocrborgen  gel)allen.  Der  btenenöe  KiUer 
konnte  nur  burd;  Bc!te(f]ung  ber  irierlier  (Einlafi  ju  it^nen  er|<i}[ei(tfen. 
Di<^teT  jener  Seit  eifern  benn  aud)  gegen  bie  Itrenge  Benadfung  ber 
Srauen  unb  uerltlären  bie  £i{t  unb  Klit]nt}eit  befftn,  bem  es  gelingt, 
fie  3u  burd)brect)en ;  nile  teuer  aber  für  bic  S""  bit\eT  Kampf  um 
bie  oetbolene  ^rud^t  erhauft  mürbe,  läftt  fid}  leitet  ermeffen.  flud) 
ber  baraallgen  ?eit  fet)Ite  bns  Umpfinben  fär  ben  cnlfittlld)enben  (Ein- 
fluß bes  minnebienites  heincsmegs,  flud)  U.  d.  Ctf^tcnftein  löftl  in 
ieinem  .5rauenbud|"  einen  Ritter  mit  einer  5i'(i»  ^ic  S'co9^  bisitU' 
lieten,  mcldres  ber  beiben  (Se|d)Ied)ler  bl<  größere  Sd)ul6  am  Dcrfall 
ftes  ge|cllid)afllidien  Cebens  trage.  Der  Ritter  be|c^ulbigt  3unjld)|t 
Me  Stauen  3U  großer  Spiöbigheit,  Steifljeit  unb  Unliebensmürbigfieit  im 
Derhcl)r,  bJe  5rau  erltidrt  als  bereu  Uriad)e  bie  Klalld)>  unb  prat)l- 
|u<l)t  ber  Hlänner,  bie  fid)  mit  i^ren  {enieOen  (Erfolgen  brfiften  unb 
jebc  STau,  bie  unbefangen  mit  ü^nen  oerketfre,  übler  Uac^rebe  aus* 
legten.  Ruf  ben  meiteren  Dortuurf  bes  lllannes,  ba^  bie  reine  Rlinnc 
»egm  Käuflid)heit  ber  5rau  jdttninbe,  anlwoilet  fle  mil  bem  Ejlnmefs 
auf  bie  unnatüiUdfen  tajter  ber  Rlanncr,  melt^e  -  nac^  ber  Citeratur 
bts  niittelallers  ju  Idflieben  -  in  ber  Sal  t}ie  unb  ba  in  ber  Ritterfd)aft 
6aum  geringere  Cimenfiunen  angenommen  ju  Ijaben  |{t)einen,  als  etma 
in  at^en.  3m  13.  3ol)rI)unbert  Mögt  U>.  p.  b.  Dogelroelbe  MUer 
aber  bas  Sd;iDinben    non  Sud)t    unb    Sitte   bei  beiben  (£e|d|l«t)lern. 

ttUlif)  |<f)B)(r  abju|d)tSt|cn,  ob  bas  ju  allen  Seiten  txlieble 
M 


268  Die  (EI)e  im  germanif^'inittelalterli^en  Red)t. 

Preifcn  öcr  bcffercn  Dcrgangcnljeit  feinen  (Bruno  me^r  in  &em  qt» 
^obenen  nioeau  öer  ftttlid)en  Anfprüc^e  o6er  in  öem  {tn6en6en  tliDeau 
öer  fobtifc^en  Sittlid}keit  Ifattt.  Dag  aber  freiließ  ber  oon  {einer 
Dame  nur  „platonif^"  für  feine  Dienfte  entfc^ööigte  Ritter  fic^  im 
übrigen  too  unb  toie  er  mollte  f^ablos  3U  galten  pflegte,  oerfte^t 
fi^  von  felbft.  Die  (EI)e  mugte  ni^t  nur  ben  auger^alb  i^rer  ^ 
DoIl3ieI)enben  ITIinnebienft,  fonbem  beibe  mußten  fid)  überbies  -  mit 
mix  gleich  na^er  feigen  roerben  -  bie  Proftitution  neben  fi(^  gefallen 
laffen. 

IDas  ber  ritterli^e  S^ctuenbienft  auc^  na^  feinem  Derfall  ba 
Stau  als  foId)er  pofitip  eintrug,  toar  gemig  nic^t  roenig:  eine  Bon* 
bigung  ber  ro^en  3nftinkte  bes  tltannes  burc^  bie  gefenfd^aftlidje 
Konoention,  bie  „IJöflic^feeit"  unb  ,,RitterIidjfeeit"  im  Derbe^r  öer 
(befd}Ie(^ter  miteinanber.  Aber  3uglei(^  bef (^rankte,  roie  roir  fa^ 
biefe  Konpention,  burd)  bas  mißtrauen,  mit  bem  fie  bie  Stau  umgab, 
au^  il}re  Bea)egungsfreil)eit.  Diefer  Proßeg  fe^te  fid)  bas  gony 
ITlittelalter  I)inbur^  fort.  Die  in  ber  5i^ül)3eit  unbeanftanbete  ntög* 
li^beit  für  Stauen,  3.  B.  allein  3U  reifen,  fc^manb:  Sie  fe%te  {i(^  üblen 
Rad^reben  unb  5ubringlid}keiten  aus.  IDeitere  Sd)ran6en  fül)rte  bie 
Kir^e  in  bie  Be3iel)ungen  ber  (Befd^Iec^ter  ein.  3m  Kampf  gegen 
gef^Ied}tlid)e  Rol^eiten  Derni^tete  fie  Dielfad)  aud)  bie  alte  Unb^ 
fangenl^eit  bes  Derkel}rs.  So  courbe  bas  urfprüngli^  allgemein  üblic^ 
gemeinfame  Baben  oerpönt.  Das  Ueberl^anbnel^men  ber  (Erunkfud)! 
mit  bem  Auf  kommen  ber  IDirtsljäufer  füljrte  fd)lie6lid)  (im  16.  3al|r» 
Ijunbcrt)  3um  Derbot  iljrcs  Befud)s  burdj  Jrauen.  Den  gemeinfamen 
([an3  ber  (Bcf^le^tcr,  ber  bem  Altertum  als  üergnügen  ber  ©berfdjic^t 
unbeliannt  toar,  fod)t  bie  Kird^e  nid}t  grunbfä^li^  an,  bo(^  fud)te  fte 
iljn  oon  feinen  gefd)led)tli^  feljr  berbcn  Bcftanbteilen  3U  fäubem.  — 
(Ero^  biefer  (Eingriffe  blieb  jebo^  bem  gcfelligen  Derfee^r  ber  (B^ 
fd)lcd)ter  toäljrenb  bes  TTIittclalters  ein  ITIaö  oon  Unbefangen^it 
beix)al}rt,  coeld^es  bas  Altertum  nid)t  kannte.  Rid)t  nur  bas  gemein* 
fame  Ballfpicl,  ber  gemeinfame  (Ean3,  fonbem  aud)  ber  gemeinfame 
Kird)gang  gcljörtcn  baljin.  Der  le^tcre  Ijatte  für  alle  Beoölkerungs' 
kreife  l)öd)ft  roeltlid^e  neben5rDedie,  oor  allem  ben  ber  Brautfc^ 
Die  Ktrd)e  felbft  galt  als  (Dxt,  um  Reuigkeiten  aus3utauf(^en  unb. 
-  roic  übrigens  nod)  jc^t  oielfad)  in  katljolifdjen  £änbem,  3.  B.  in 
Spanien  -   „um  3U  fcl}cn  unb  gcfcljcn  3U  tocrben". 

Dicfe  „Unbcfangcnljcit"  bes  TTIittelaltcrs  toar  aüerbings  gepoort 


I).  5<^^ttf(^e  £Qge  ber  mittelalterlichen  5tau  ic.  269 

mit  einem  geioaltigen  IHag  urix)üd)figer  Rol^eit,  unö  öie  frö^Iid^e 
«natfirlid^keit"  ging  -  nad)  btn  Dielen  öerben  Spottüerfen  unö 
Sprid^tDÖrtem  3U  {daliegen  -  in  bürgerlichen  unö  bQuerlid^en  Kreifen 
mit  einer  grünölid^en  5^^uenDerad}tung  fjanö  in  fjonö.  Au(^  öie 
(Be{d)Ied)tsmorQl  öiefer  breiteren  Sd)id}ten  -  öeren  Betrachtung  oir 
uns  nod)  fcurs  suoenöen  mollen.  -  ftanö  auf  öer  fjöl^e  öes  mittel' 
alters  unter  öem  3eid)en  öerber  Sinnlichkeit. 

nid)t  nur  öag  Sd^aren,  ja  ganse  f}eere  fal^renöer  „Stäulein",  {ei 
es  als  Konkubinen,  {ei  es  als  proftituierte,  öie  f}eere  öes  ITIittelalters 
auf  i^ren  Kriegs3Ügen  begleiteten,  unö  im  (Befolge  oon  Böel  unö  (Beift- 
lic^en  auf  Reid)stagen  unö  auc!^  Kon5iIien  geöulöet  muröen^),  — 
im  14.  unö  15.  3al)rl)unöert  fanöen  öiefe  fal^renöen  5rauen  aud)  I^inter 
5en  mauern  öer  Staöte  öauemöes  (Dböa^  unö  rouröen  öort  5undd}ft  mit 
großer  Dulö{amkeit  unö  „(Louiiox\k"  bel^anöelt.  3^re  IDo^nfreil^eit 
mar  alleröings  öaöurd)  be{d)rankt,  öag  man  fie  in  beftimmte  ^au{er 
ober  Staötteile  oermies.  3eöe  größere  Staöt  l^atte  balö  2-3  {oId)er 
^5tauen^au{er''  nad)  Art  un{rer  BoiöeOe,  öie  aber  unter  (Dberauffid)t 
öes  Bürgermeifters  ober  einer  Ratsöeputation  ftanöen  unö  öafür  öer 
ftaöti{d)en  Dermaltung  öireht  abgabepflid}tig,  ober  aber  oon  il)r  an 
pripatleute  oerpad^tet  rouröen.  S^r  öerartige  Saue  muröen  jeöod) 
Don  {eiten  öer  Staöt  eingei^enöe  unö  l^umane  f}ausorönungen  aufge* 
ftellt,  um  öie  proftituierten  oor  Ausbeutung  3U  (d)ü^en,  il^nen  eine 
getoiffe  Bemegungsfreil^eit,  öas  Red)t  3um  Kird)enbe{ud}  unö  5^i^^tags> 
ruf^e  3U  fidlem. 

Aber  öie  StaötoerxDaltung  begnügte  fic^  nic^t  nur  öamit,  öer 
getoerbsmägigen  Proftitution  eine  5i^^iftatt  3U  bereiten  unö  fie  mit 
Sd)u^{d)ranfcen  3U  umgeben,  (onöern  glieöerte  fie  {ogar  geiDi{fermagen 
ofti3ien  in  öas  ftaöti{(!^e  £eben  ein:  3n  mand}en  Staöten  erl^ielten  \\e 
Korporationsrec^te  unö  u)uröen  öann  nad)  Art  öer  anören  (ben>erbe 
als  3unft  betrad}tet,  öie  gegenüber  öen  ^l^eimlidien"  $rauen  ein 
monopol  auf  il^ren  (betoerbebetrieb  be(ag.  Bei  5ur{tenempfängen 
figurierten  fie  als  be{onöerer  Stanö  in  öen  Auf3Ügen  öer  Bürger,  bei 
öer  Durd)rei{e  ^ol^er  f)err(d)aften  n>uröen  aud)  n>ol)I  if^re  f)au{er  be* 
{onöers  ge{d)müAt  unö  erleud)tet,  unö  ,,in  dürid)  l^err(d)te  nod)  1516 
öer  Braud),  öag  öer  Bürgermeifter,  öie  (J)erid}tsöiener  unö  öie  gemeinen 
Srauen  mit  öen  fremöen  (Be(anöten,  toeld^e  in  öie  Staöt  bamen,  3U« 

*  I  Auf  öem  Basler  unö  Konftonjer  Konjil  {ollcn  fid)  nid)t  weniger  als 
1500  Dirnen  etngefunöen  f)aben. 


270  Die  (E^e  im  germanifc^'mittelalterlic^en  Red)t 

lammen  fpeiften" ').  flm  djaraftteriftif^ften  für  5ie  Sitten  öer  Seit 
mar  es  aber  5oc^,  bag  {ie  au(^  bei  btn  von  öer  e^rjamen  Bürgerfd^aft 
arrangierten,  öffentlichen  5^ftlid)6eiten ,  {a  felbft  bei  f}0(^3eiten  er* 
(feinen  öurften,  um  (SIüätDünfd^e  unb  Stränge  3U  überretd^en,  iDofnr 
fie  bemirtet  unb  mit  einem  (&elbge{d)enft  beel)rt  tourben.  —  3m  15. 
3a^rl)unbert  jc^eint  bann  in  allen  Kreijen  bie  £ieberlid)keit  berart 
geftiegen  3U  fein,  bafe  eine  Reaktion  im  3ntereffe  ber  „eljrbaren*  5w»<» 
bagegen  einfette.  Sünfte  unb  (SefellenDerbanbe  Derboten  nun  i^ren 
ITlitgliebern  btn  Derkel)r  mit  ben  proftituierten.  Dor  allem  aber 
fuc^te  man  bas  Uebel  burc^  möglid)fte  DeMaffierung  biefer  felbft  jn 
bef^neiben.  Um  fie  oon  ehrbaren  S^^^uen  3U  unterfd^eiben,  mugten 
fie  nun  bejlimmte  Abseic^en  an  il)rer  Kleibung  tragen,  ber  Befuc^  Don 
Zänyn  unb  fjo^seiten  mürbe  il)nen  Derboten,  in  ber  Kirdje  tDuröe 
i^nen  ein  befonberer  pia^  angetoiefen,  ftur3,  fie  rourben  3une^men5 
3U  einer  Hafte  geftempelt,  bie  ber  ehrbare  Bürger  nid)t  entbehren 
monte,  aber  bafür  um  fo  ftärher  migac^tete,  -  ein  Pro3eg,  ber  bann 
in  bem  f^arfen  Auftreten  ber  Reformation  gegen  bie  offtsieüen  Swuw» 
^öufer  feinen  Abf^Iug  fanb. 

IDie  bie  Kombination  ber  Unlöslic^heit  ber  (EI)e  mit  toeiteftge^nber 
(Eolerans  gegen  bie  proftitution  unb  bie  Konkubinate  auf  bos  (E^eleben 
getoirkt  I)at,  barüber  ergibt  bas  l^eute  bem  ni^tfpe5ialiften  suganglidje 
lUaterial  über  bie  konkrete  (El}emoral  bürgerli^er  unb  bätterlidjer 
Sd}id}ten  ebenfotDenig  etmas  Sid^eres,  toie  über  bie  gemüt(id)en  unb 
fittnd)cn  Bc3icf)ungcn  ber  (Eljcgattcn  breiterer,  bürgcrlidjer  unb  bäuer« 
Ud)er,  S^id}ten.  ITTan  ift  im  mefentli^en  angecoiefen  auf  bas,  qhis 
jdjon  bie  Rcc^tsquellcn  rDiebcrfpiegeln. 

(But  bekannt  ift  uns  bis  je^t  nur  bie  mirtf^aftlid^e  Seite  bes 
mittclaltcrli^en  (Eljcicbcns,  oor  allem  bas  IDirken  ber  fjausfrau, 
unb  bies  ift  f^on  fo  oft  gef^ilbert  toorben ,  ba^  toir  uns  ^ier  nur 
gecoiffe  d)arakteriftifd)e  5üge  kur3  3U  oergegentoärtigen  brau(^ 
Die  (Befamtentroidilung  ift  3unäd}ft  burd^aus  bie  tppif^e:  Der  mann 
in  ben  nidfi  in  bie  Krcifc  ber  ©runbfjcrrcn  aufgeftiegenen  Sd)i(^ten, 
rDcld)cr  in  ber  gcrmani[d)cn  Srül)3cit  bie  5röu  3ufammen  mit  Sklaoen 
ober  Jjausgcfinbc  in  ber  (jauptjadje  allein  für  bie  f}erftenung  ber 
täglid^en  Bebarfsgüter  forgen  lieg,  l^at  fid)  unter  bem  Druck  bes  i>er' 
cngertcn  Haljrungsfpiclraums  unb  fteigcnber  Bebürfni|fe  aud)  feiner« 
fcits  3ur  regelmäßigen  Arbeit  bequemt  unb  babur^  bie  Stau  3unä(^ft 

yBüdfcr  a.  a.  (D.  S.  47. 


O,  5<iltttfd)e  Cage  bn  mittelallerli^  $ran  ic 


271 


einem  leil  6et  Htherarbeil  entlaftet.  Sotoeil  lott  beobad)ten 
~  höimcn.  t)ebt  frielrr  Um|tanti  überall  öie  tage  6er  Sciu'n.  4lT|t  Don 
btm  Hlomcnt  au,  wo  fJe  nidfl  me()t  leltigUdr  als  (tibellstier  unb 
Auibeutungsobjeht  gcmtrlel  unb  3UT  <fl)e  beget^rl  mecben,  verlierl  il^re 
Be}tebu»3  jum  lllann  ben  iIt)aTatitec  ber  auf  jeiner  <£igenlumsgeiDaIt 
büflerlen  fteftijIedjtsfitlaDerei.  -  (Jine  neue  pi)Q(e  beginnt  bann  für 
ft«  niirt|(ifa(llid)e  Derljaltnis  bei  (Balten,  als  ftie  für  bcn  flbjaS 
probnjierenbe,  gdserblidic  lllanneiarbeit  neben  ben  „(>ausf(ei|[''  bet 
Srauen  tritt.  Die  auf  pt)i)fiologifd)en  dSrünben  beru^enbt,  grö^c 
Konftanj  ber  Ribeit  bes  tllannes  begilnftigen,  gegenüber  ber  Sriio, 
(l)n  in  btr  fEntroidilung  jum  Spejialiften  unö  (Qualitälsocbeiter.  Seine 
Arbfilsprobuhte  gel)en  nun  3une!;menb  auf  ben  Dlaclit  unb  ftnb 
gdbcsiDcil,  roätfrenb  bie  iljiigen  Dortsiegenb  im  t}auje  ceibrau<i)t 
locrbcn.  3t  mclir  nun  bie  allgemeine  Ctbtnstrallung  fteigl,  ein  um 
(0  gröberer  Brudjleil  bes  5<>"t<'''"<'"i"^°'«^s  '"'"^  für  bos  oom  ITtann 
ermorbcne  iBelb  brauf)eri  gebauft.  Die  Bebcutung  ber  .piobuktinen' 
iD([t|d;äftlid)tn  Qätigltett  ber  I)ausfrau  tritt  bemnadf.  aud)  Ha,  mo  fic 
in  it)Ter  (Quantität  tud)t  Derrtngerl  unb  in  il}itr  (Qualität  oerfeinert 
vitb,  immer  ftärtter  t)inter  ber  Bebeutung  ber  IlUnneiarbeil  fUr  blf 
3unet}menb  gelüa)irtid)aftlid)e  Dcrforgung  bes  [jausl^altt  jurfldi.  (Eine 
3eit  lang  blieb  aeiiigjtens  nod)  bie  IDoUen'  unb  Ceinenaiebtrei  unb 
blc  Derferligung  bei  Kleiber  Iptjifiid)  CDeibllitrc  (}ausarbett.  ADc 
5raufn.  |elb|t  5ii<^i>tnnen,  peritanben  jum  minbeften  |o  oiel  oon  bltfer 
Ribeit,  um  it)r  (Befinbe  bann  anlernen  unb  beauffid)ligen  3U  ttönncn. 
Unb  (PO.  roie  j.  B.  an  Siiillf "Ijofcn .  dIcI  unfreies  (Bcflnbe  5ur  Dci- 
fügung  flanb,  rourbc  unter  11u{fi(^t  ber  l7ausfrau  nid)!  nur  für  ben 
CigenbebQif,  fonbeni  aui^  für  ben  Ab\a^  gearbeitet.  Dies  alles  per* 
(<i)ab  Rd)  jeboi^  mit  junet)meiiber  (Entfallung  bes  männlid)en  Ir^tÜ' 
^nbmerits.  Dom  13.  Jalirl^unbert  an,  mürbe  ber  größere  Hell  ber 
IDebetei  unb  ein  großer  Heil  ber  Sdjneiberei  tianboierlismägig  oon 
männem  bemältigl,  unb  ipenn  aui^  bie  Stauen  no(t)  jatfil^unöcrlelang 
f&r  ben  liausbebaif  toriteT  ipannen.  moben  unb  |d)neibertcn  unb  fldf 
aud|  il)Teiftil5  balö  an  ben  entiprc<^enben  Ifieaierbcn  beteiligten,  |o 
flb«i(dratleicn  bod)  Umfang  unb  Bedeutung  ber  lllilnnerotbcit  aud) 
auf  biffem  (fteblet  balb  ilfre  Cciflungen.  (Es  i(I  fibcrall  bie  gröfjtre 
Stetigkeit,  bertn  bie  plrpfiologild)  unget^emmtere  Illännerurbett  fä^ig 
i]!,  wcldre  bies  Hefultct  Ijcrbei  üt)rt.  Daneben  kam  bie  nolnxnbtg« 
,  bei  einem  ITttttltr  in  bie  £et)te  ju  gc^en.  für  bie  I1Iäbd}cn  er* 


272  Die  (E^e  im  gennanif(^«mittelalterlid)en  Rec^t. 

f^merenb  in  Btttad^t,  -  allein  nic^t  ausjc^Iaggebenö,  benn  mix  ftnöen, 
öag  bies  tatfa^Iic^  9^l^<i^r  f>ts,  loie  glei^  3U  erioa^nen,  bie  sfinftige 
(Drganifation  bes  f)Qnbtx)er6s  für  bie  S^^uenarbeit  oud)  rec^tlid^ 
Ijinberniffe  f^uf. 

5ragen  oir  nun  3una^ft:  toie  toirbte  jenes  Vorbringen  öer 
lUönnerarbeit  auf  bie  fo5iaIe  Sd^ö^ung  ber  5tau,  {0  fte^t  bie  ([atfa<^ 
unbe3ix)eifelbar  feft:  3n  b  e  r  f  e  I  b  e  n  (Epo^e,  100  bie  S^ou  beginnt, 
rein  öbonomifc^  getoertet,  l^inter  btn  mann  in  ben  Schatten  5U  treten, 
beginnt  il)re  rec^tli^e  unb  fittlid^e  £age  il)m  gegenüber  langfam  }u 
ft  e  i  g  e  n :  Der  ftribte  patriard^alismus  serbröäelt  immer  roeiter, 
ber  ntannesgeroalt  merben  Dom  Reci^t,  oon  ber  Konoention  unb  ber 
Kird}e  getoiffe  Sd}ran6en  gefegt.  Ratürlid)  möre  es  oerfte^rt,  biefe 
(Erfd}einungen:  finftenbe  Bebeutung  ber  probufttipen  Q)irtfd)aftli^ 
(Eötigkeit  ber  S^^^  unb  gleid}3eitiger  longfamer  Aufftieg  5ur  perfon« 
li^beitsgeltung ,  beren  paraüelismus  ft(^  bis  in  unfre  Seit  ^b* 
greif Ii(^  oerfolgen  lägt,  in  einen  birehten  urfa(^Iid)en  Sufammen^g 
3u  ftellen.  IDir  mollen  uns  burd)  ben  ^inoeis  barauf  nur  nod)  einmal 
Derbeutlid)en,  bag  bas  S^^^^  ober  Steigen  bes  ökonomifc^en  »Ru^ 
©erts"  ber  S^^uen  ni^t  ber  entfdjcibcnbe  S^Wor  für  bas  RIaft  ber 
Rnerkennung  i^rer  perfönlid^heitsrec^te  ift,  roie  ^eute  ntx^ 
immer  toieber  beljauptet  wirb.  -  Damit  i|t  aber  natürlidj  keines« 
iDcgs  gcfagt,  ba^  bas  Dorbringen  ber  Rlännerarbeit  bie  3ntereffen 
ber  5^ßu  öIs  |old)er  unbcrül)rt  gclaffcn  Ijabe.  U)ir  roollen  uns  oiel» 
meljr  nun  alsbalb  ber  fcljr  bcbeutcnbcn  (Eragtoeite  biefer  Dorgänge 
für  bie  ö  k  0  n  0  m  i  f  d)  e  £age  bes  toeiblid^en  (Befc^Ied)ts  erinnern. 

Bekanntlid}  oerlangte  ber  mittelalterlid^e  f)ausl)alt,  im  Dergleid) 
3U  bem  mobernen,  Don  ber  Hausfrau  nod)  eine  überaus  Dtelfeitige 
ix)irtf^aftUd)e  (Eötigkeit.  Das  f)errid)ten  ber  täglichen  £ebensmittel 
3um  Derbraud):  bas  Kod)en,  Badien,  Sdjla^tcn,  U)af^en,  bos  Spinnen, 
n)eben  unb  Ralfen  für  b^n  (Eigenbebarf,  bie  Pflege  bes  (Bemüfe*  unb 
(Dbjtgartcns,  bie  Dertocrtung  ber  Srüd)te  boten  eine  5ülle  perfd^ieben* 
artiger,  mit  ber  3a^^«S3cit  u)ed)|elnbcr,  Tätigkeit.  Daneben  fanb  in 
n)ol}Il}abenben  5^^i^i^n  ^^^  kün{tlerifd}er  (Erieb  3U  5n)e(kponeni 
Sd^affen  reid^Itd)  (Belegenl}eit.  (Eafeltüdier  unb  n)anbbel)ange  rourben 
3.  B.  kunftDoü  mit  S3enen  aus  ber  f)elben{age  unb  btn  Dolkskampfen 
beftiÄt  unb  bejahen  als  Denkmäler  ber  roirklid^en  ober  erbic^teten 
(Erlebniffe  bes  Dolkes  nid)t  nur  äftl}ett|d}e,  {onbem  auc^  geiftige  Be- 
beutung für  iljrc  3eit.    -    3n  b^n  tjanbroerkerfamilien  Ralfen  bie 


I D.  5()liti((tK  ^09*  t><T  mitt«laIleTl)<frcR  $niu  K. 


278 


^^^^^Hpctfad)  ncbrn  (&t|rlleii  und  Cciirlingen  bei  ötr  9<a)eTt>[id(en 
AtML  So  longe  bi«  lllännerorbeit  itoc^  btn  äljaiabter  6cr  .Ejeim> 
«tlwil"  trug,  IDertifCatt  unb  tDoI)nun9  (Id)  unt«  6fiii|elben  Üoi^* 
cintm,  unti  t>er  ttbensflil  ffnfud;  mar,  honntr  bie  (jousftau  aud)  tm 
(frttDttbt  b«m  manne  jur  ffanb  gttien.  vSufolge  l^rer  .^äusIidjtiHt" 
ütb  lU}  eben  bit  geinerbhit)«  tlrbeil  ber  bamali^fn  ?rtt  rorit  befltr 
mit  ben  (fioltungsfunlilfoncn  Dcrrinigtn  als  bw  mobtmt  ^abrikarbeit. 
Tloij  Ijtutt  til  es  in  fisilianifdfen  Stäbten  ju  ft^en,  nie  bie  ganj« 
Samilie  bes  Klein ttanbmcihers,  in  einem  grbfieren  Räume  otTelnt,  |i<4 
an  ber  .(Rüterprobulttton"  bes  IHannrs  beteiligt. 

Srotl  biefcT  Diel|eitigcn  PenpeTtungsmögliditieil  fonb  bennod) 
audf  fdfon  im  inittelalteT  ein  gro^ei  Brudjleil  von  Srauen  helnen 
pia^  im  5amllieiif)ausl)alt.  IDle  biird)  Büd)tTs  ftatiitiftf)«  Unter> 
[ud)ungtn  über  bie  mittelnlterlidie  Deoöliieruii^s-  unb  Berufs^lieberung 
kidrgeftellt  \]t,  flarben.  jufolge  bet  btftänbigen  S'^lben  unb  nudf  infolge 
Ifjrer  gr&fteren  Unmäftighelt  in  ftber  Rrt  oon  <btmi^,  bumals  jo  Diel 
mc^r  mannet  als  5i^o>i(^"  •  ^o!l  \ifon  oHein  aus  btejem  iKtunb  bie 
3a^I  ber  im  Cebenskampf  auf  fid)  oDein  angemiefenen  5rouen  ganj 
genwlllg  roar.  So  lebten  3.  B.  im  15.  3al)rljunb««  in  Hümberg  "- 
Bteljr  Srtiuen  ols  ITlänner,  unb  in  5<'''"l'fi't'  betrug  oon  ber  Ütilte 
bn  14.  bis  iux  ntittc  bes  15.  3at)rt(unberls  aUtin  bie  ?a)}l  ber  |elb- 
(täitbig  IteuerpRidftigen  ftets  '.-"«  ber  Seiomljoljl,  obrootfl  bie  in 
Klbflern  unb  Deiiorgungsttäutem  lebenben  nid)!  milgeredfnel  roaten. 
Der  prosentfa^  ber  lebigen  5rauen  mug  über  natürlid)  incit  größer 
g«w«{(n  |eiit,  als  ber  bes  nitlbüd)en  Utberfc^uffes,  nid)l  nur  jufolge 
6«*  Ollbats  ber  (Ktiftlld)en,  fonbern  dot  allem  infolge  ber  (Drgani' 
lation,  a>eld)e  bie  3  ü  n  f  t  e  ber  Probubtion  goben. 

3m  3nIere[U  ber  fluftedjterlialrung  ber  flutoriröt  b^s  .meiiters* 
mufften  tn  ben  mtiften  jQnftig  organifiertrn  l7anbiiiCTlini  bie  (freirllen  im 
fjouf«  ber  nie ifter  leben  unb  konnten  bat)er,  fo  lange  fte  ,<brltllen"  iDOten, 
nid)t  fjetiaten.  3e  me^t  nun  bie  SQnfte,  bei  aUmät^lidjer  .Sättigung' 
bes.  nad)  nta^gabe  ber  (ted^nih,  gegebenen  (Ernterbsiiiielraums  mH 
l7anbtDerkeni,  bie  5aif\  ibrer  ITIetilerftellen  hontingenlierten,  um  |o 
breiter  würbe  bie  Sdjii^l  berjeuigen,  bie  Itbenslänglid)  dwiellen  blieben, 
(jie  unb  ba  (d]on  bas  ausgetjenbe  IlTittelallcr,  nod)  meljt  aber  bie 
Ünnengefe^gebung  ber  entltelietiben  Staaten,  griff  ferner,  jur  Per- 
binb«ung  ber  Btlaftung  ber  (6enieiiiben  mit  flrmenlaften,  in  flets  3u- 

tmenbcm  IHafte  ju  ber  Dorldtrifl,   ba\i   bei   ilbid)luf|  ber  Ütt  an 


274  Die  (E^e  im  germanif(^«mittelalter(i^n  Rec^t 

btn  nac^ioeis  5es  Befi^es  einer  ausftömmlid^en  „tla^rung",  ober,  nod^ 
einfacher,  an  5ie  (Erlaubnis  öer  (Semeinbe  geknüpft  fein  folle:  -  eine 
toeitere  empfinölic^e  Senkung  ber  fjeiratsc^ancen  ber  S^ciuen,  roel«^ 
in  Deutfc^Ianb  bis  oor  40  3a^ren  fortbeftanben  ^at.  Die  „3ungfeni« 
frage",  mit  (E.  d.  fjartmann  3U  reben,  roar  alfo  bamals  nohoenbig 
akuter  als  ^eute. 

Offenbar  konnte  ja  nun  bamals  ein  fe^r  Dtel  größerer  (Eetl 
lebiger  Stauen  bauernb  als  „Zant^n,  ITtu^men  unb  Bafen"  im 
Samilien^aus^alt  Dertoenbung  unb  ,,Derforgung"  finben.  (Db  fretfid^ 
bie  £age  biefer  bauernb  Don  ber  fjausfrau  unb  bem  Qaus^erm 
abhängigen  ,, Angehörigen''  angenehmer  roar,  als  fie  ^ute  em* 
pfunben  mirb,  mag  ba^ingeftellt  bleiben.  3^^nfans  fanb  au(^  ba* 
mals  fc^on  ein  groger  (Eeil  Stauen  keinen  pia%  in  ber  S^nuilie  unb  pe 
mußten  bes^alb,  gans  auf  fic^  felbft  gef teilt,  fei  es  als  gemerblic^e  £o^n« 
arbeiterinnen  ober  Kleinunteme^merinnen,  fei  es  im  Klofter  ober  im 
Derforgungsl^aufe  Unterl)alt  fuci^en.  Bei  bem  Derfuc^,  in  btn  aufblü^ 
ben  fjanbroerken  i^r  Brot  3U  gewinnen,  fanben  fie  fic^  nun  aber  ni«^ 
nur  —  mie  f^on  ermahnt  -  ber,  burc^  größere  p^qfiologifc^  Stetig* 
keit  unb  größere  Bewegungsfreiheit  im  (Ertoerb  ber  erforberlitl^ 
Sd}ulung  überlegenen,  mönnlid^en  Konkurren3  gegenüber,  fonbem,  mit 
(Enttoi^Iung  ber  sünftigen  ®rgani{ation  ber  (beroerbe,  ftettg  ftei* 
genben  (jemmungen  feitens  ber  3ünfte.  Wo  bie  Stau  nidjt  in  ber 
Samilie  als  „(Beljilfin"  bes  ITtannes  oerroertet  werben  konnte,  fonbem 
auf  btn  niarkt  trat,  galt  fie  eben  au^  bamals  fc^on  als  oer^^ 
Konkurrentin.  IDo  —  roas  ^äufig  ber  S^U  roar  -  bie  Sünfte  nic^t 
nur  prioate  gcroerblidjc  Dcreinc  roaren,  fonbem  sugletd)  beftimmte 
politif^e  Rcdjte  unb  Pflidjten,  3.  B.  bie  Derpflidjtung  3um  IDoffen« 
unb  lDad}>Dtenft  übemal^men,  lag  es  in  ber  Ratur  ber  Sad^e,  bo^ 
fie  bie  oon  btn  politif^en  Sanktionen  ausgefc^Ioffenen  Stauen  os^ 
il}rerfeits  nid}t  3uliegen.  (Ero^bem  roaren  biefe  ia^rl^unbertdang  ondi 
in  3ünftigen  (Bewerben  tätig  unb  erlernten  fie  orbnungsmä^ig,  fo  oor 
allem  in  btn  nebengcroerbcn  ber  tDeberci  unb  in  ber  IDeberei  felbft 
3m  14.  3aljrljunbcrt  gab  es  fogar  jclbftänbigc  tlteifterinnen,  bie  eigne 
£el)rlinge  galten  burftcn.  S^tncr  burften  bie  nteifterstDitioen  bos 
(Berocrbe  i^rcr  lUänner  fortfe^cn,  audj  bilbeten  fidj  an  mand)en  (Wen 
(BctDcrbe  mit  3Ünftiger  (Drbnung,  3.  B.  für  bas  (bammac^en  in  Kobi. 
bie  nur  aus  Stauen  bcjtanbcn. 

3e  jd)U)crcr  jcbodj  mit  Dcrengung  bes  (Erroerbsfpielraums  ber 


I>.  5<i^f(^^  £<^9^  ^^^  mittelalterlid^en  5^ciu  k.  275 

Hufftieg  6er  männUd)en  (BefeUen  5ur  Selbftönötgkeit  als  ITTeifter 
cDuröe,  befto  me^r  fud}ten  fi^  5ie  mönner  öer  5tctuenkonkutTen5 
3u  eroel^ren.  3wt  15.  3öljr^unöcrt  eroberten  3.  B.  nad^  langem 
Streit  in  5en  rl^etnifd^en  Stäbten  bie  Sd^neiber  bas  ITTonopoI  auf 
Derfertigung  ber  Hlännerbleiber.  Dann  Der{ud}te  man  überall  ben 
nteifterstoitroen  il^re  Red)te  3U  ent3iel)en,  unb  fd^Iieglid)  fud)ten  bie 
(KefeüenDerbanbe  felb{t  bas  mitarbeiten  ber  roeiblid^en  5^TTtiIien> 
gHeber  ober  niägbe  baburd)  3U  erfd)ix)eren,  ba^  fie  fid)  weigerten, 
überl^aupt  mit  5^<iuen  sufammen  3U  arbeiten.  Bis  3um  17.  3<i^t> 
f)unbert  rourbe  fo  bie  gemerbli^e  S^ctuenarbeit  in  b^n  3ünttigen 
f}anbtDerken  faft  gans  Derbröngt,  unb  nic^t  lange  banad)  30g  \d^n 
bie  (Epod)e  I)erauf,  in  ber  bie  auf  (Ercoerb  Angen>iefenen  als  Hf}cim' 
arbeiterinnen''  bem  kaufmänntfd)  ge{d}ulten  „Derleger''  in  bie  f}anbe 
fallen,  unb  fo  in  bas  il^nen  perfd^Ioffene  3ünftige  (Bemerbe  l^interrüdts 
Brefd)e  legen  foOten  für  b^n  Kapitalismus. 

Das  nXittelalter  ift  eine  3eit  ftetig  abnef^menber  Stauenarbeits* 
gelegenl^eit.  Unb  felbft  too  fid)  bie  Steinen  am  3Ünftigen  (Becoerbe  be* 
teiligen  burften,  blieben  il^rer  natürlid)  eine  übertDöItigenbe  ITIel^rl^eit 
übrig,  bie  barin  keine  Unterkunft  fanben.  (I)leid}3eitig  mit  bem  Hufblüt^n 
ber  3ünfte  ftieg  benn  aud)  im  13.  unb  14.  3a^rl)unbert  bie  3al^I 
ber  5^^uenklöfter.  Aber  Ijier  fanb,  ba  bie  Klöfter,  je  meljr  iljr 
Befi^  3una^m,  befto  l^öf^ere  (Eintrittsgelber  3U  beanfprud^en  pflegten, 
nur  ein  (Eeil  ber  (Eöd^ter  bes  rool^Il^abenben  Bürgerftanbes  Unterkunft, 
geiftige  Ausbilbung  unb  (belegenf^eit  3U  mannigfad^er  fürforgenber, 
er3tef)fri|d)er  unb  kun{tgea)erblid)er  Tätigkeit.  Hnbre  begüterte  Stauen, 
bie  nid)t  ben  Beruf  3ur  oölligen  IDeltentfagung  in  fid)  fül^lten,  fd^loffen 
ftc^  öfter  3um  gemeinfamen  ^ausf^alten  3ufammen.  3n  Strasburg 
entftanben  baraus  bie  {ogenannten  „Samenungen'':  f}ausgemeinfd)aften, 
oberen  dwtÖK  ein  gemeinfames  £eben  in  jtiüer  3urüdtge3ogenl)eit  mar". 
3f)re  niitglieber  nal)men  eine  beftimmte  ([rad}t  an  unb  unterfteüten 
fid)  gei{tlid)em  Sd)u^,  konnten  aber  icber3eit  l^eiraten  unb  ausfdjeiben. 
Bebingung  ber  ITTitgHebfd^aft  n>ar  jebod)  aud)  f)ier  ber  Befi§  eines 
3um  Aüeinleben  ausreid^enben  Dermögens.  Sie  gen>öf)rten  aljo  nur 
Bemittelten  Unterkunft. 

Sal^Uofe  unbemittelte,  alleinftebenbc  fronen  (ud)ten  |eit  bem  15. 

3al)rl)unbert  Unter|d)Iupf   in   ben   Bekinen-  ober   H(l>ottes»t)äu[ern*': 

toeltlid^en  Derforgungsanftaltcn ,   bie   meift   baburd)  entftanben,  ba^ 

reid)e  Bürger  IDof^nung,  5^uerung,  £id)t  unb  eine  kleine  jöl^rlid^e 

18* 


276  Die  (E^e  im  9ermQntf(^>'mttteIaIterIt(^en  Rec^t. 

Rente  ftifteten;  öqs  Uebrige  mußten  bte  3n{Qffinnen  burd)  (Ertoerbs« 
arbeit:  Striaen,  Höllen,  IDeben,  Spinnen  ba3u  perbienen.  flugerbem 
übemaljmen  fie  meift  beftimmte  religiöje  Derpflidjtungen  unb  £iebes* 
merke ,  Dor  allem  Krankenpflege  unb  Bejorgung  ber  (loten.  Die 
tLraifi  ber  Bekinen  l^atte  einen  klöfterlic^en  3u|(^nitt,  aud)  mar  i^re 
Cebensfüljrung  einer  feften  f)ausorbnung  untertoorfen:  fle  burften 
5.  B.  immer  nur  5U  5a)eien  ausgeben  unb  keinen  männerbefuil^ 
empfangen.  tDie  grog  bie  3al)I  ber  auf  fol^e  Anftalten  angemiefenen 
5rauen  mar,  5eigt  ber  Umftanb,  bag  bie  Bekinen  gegen  Cnbe  bts  14. 
3al)rl}unberts  in  Srankfurt  a.  ITI.  über  6"/o  ber  meiblid^en  BeDÖIkemng 
ausmachten.  —  (Ero^  geiftlid^er  Auffid}t  unb  fjausorbnung  entarteten 
biefe  Hnftalten  regelmäßig  ebenfo  mie  bie  Klöfter  unb  Samenungen, 
{obalb  fie  burd)  Dermäd}tniffe  unb  Sd^enkungen  {0  mo^I^abenb  mürben, 
bag  bie  Bekinen  ni^t  me^r  ftramm  3U  arbeiten  braud^ten.  Sc^n 
im  15.  3al)rl)unbert  mürben  bie  S^ankfurter  mit  btn  proftituierten 
auf  eine  Stufe  geftellt  unb  Sebaftian  Brant  beseic^nete  bie  Stragburger 
als  ni^tsnu^iges  Sd^maro^eroolk.  Unb  bei  ber  (Eenbens  ausnahmslos 
aller  biefer  (Semeinfd^aften,  aus  Arbeitsgemeinfd)aften  Beft^gemein« 
{d}aften  3U  merben  unb  fi^  bann  nad)  äugen  absufc^Iiegen,  blieb  unter 
allen  Umftänben  ein  ftarker,  fi^erlid)  ein  fteigenber  Prosentfa^  oon 
au  biefen  lUöglidjkeiten  ausgefdjloffen.  Dafe  bie  Rot  bie  Rtutter  ber 
Projtitution  mirb,  galt  bcmgcmäfe  für  bas  TTIittelalter  smeifellos  in 
minbeftens  bem  gleid^en  (brabe  mie  l}eute.  Unb  menn  auf  bie  (Tineen 
Dermiefen  mirb,  meldte  öas  Klojtcrlcben  ben  lebigen  5^ouen,  im 
(Bcgenfa^  3ur  (Begenmart,  eröffnet  l)abe,  fo  ift  anbrerfeits  baran  5U 
erinnern,  bog  ber  Beruf  für  bas  Klofter  aud)  bamals  nur  ber  Rlinber« 
3al)l  gegeben  mar:  Die  Säue  unfrcimilligen  (Eintritts  in  bas  Klofter,  unter 
bem  äußern  Drudi  ber  JaniiHe,  jtclltcn  fi^er  einen  gemaltigen  prosent* 
ja§  bar.  Das  Cos  bcrjenigcn  IRöb^en  aber,  mel^e  in  ber  „TOelt* 
blieben,  meil  fie  bm  religiölen  Beruf  für  bas  Klofter  nun  einmal 
nid)t  in  fid)  füljltcn,  mar  bamals  nidjt  erfreuli^er,  fonbem  fi^rlic^ 
el)er  trübfeliger  als  l}eute:  {d)on  in  ber  (Era^t  mürben  fie  oon  ber 
Dereljclid)ten  Srau  untcrjd)icbcn,  unb  ber  Begriff  ber  „alten  3ungfer*, 
b^n  mir  Ijcute  l)abcn,  ijt  nidjt  ein  (Er3cugnis  ber  Reu3eit,  fonbem  ein 
Sortlcben  mittclaltcrlidjer  patriard)aler  Roljeit. 


Citcratur  277 


£  i  1  c  r  a  1  u  r. 

A.  Deut|d)(an5.  5ür  6ie  iDirt|d)aftsge{d)id)tIid)en  Bebtngungen 
5er  Struktur  5er  5amtUe  im  früf)en  IHittelalter  ifto.  3nama'Sternegg*s 
Deut|d)e  TDirt|d)aftsgef(^td)te  (£eip3ig  1879),  für  5te  fiuIturgeld^td^tUd^e  Seite 
5es  S^auenlebens  lDeinf)0l5:  Die  5eutfd}en  S^^^^^n  in  ^^^  IHittelalter 
(2.  aufläge  IDien  1882,  3.  aufläge  IDien  1897)  un5  B  ü  d)  e  r's:  Die  Srauen. 
frage  im  nuttelalter  ((Tübingen  1882i  benuQt,  loeld^e  aud)  5er  gefamten 
moSernen  S^^^uenliteratur  über  5ie|e  Dinge  3U  grun5e  liegen.  Spesiell  über 
5as  fakti|d)e  (Ef}eleben  bringen  5ie|e  IDerke  aller5ings  nic^t  oiel.  (Eine  ju* 
|amment)öngen5e  kulturf)i{torifd)e  Darftellung  5ie|er  Seite  5er  Sad^e  märe 
5rtngen5es  Be5firfnis.  Den  3u|amment)ang  5er  I)dä)|t  oera)idtelten  Hed)tS' 
formen  mit  5en  ökonomi{d)en  Be5ingungen  berüdtfid}tigt  unter  5en  Hed)ts< 
l}i{torikern  be|on5ers  5as  geniale  IDerk  oon  a.  f)  e  u  s  l  e  r:  3n|tituttonen 
5es  5eut{d)en  priDatredjts  (3uerft  £eip3ig  1887,  2  Bön5e),  5em  id)  in  5ie|er 
f)in|td)t  meift  gefolgt  bin.  dur  erften  (Drientierung  in  5er  5eut{d)en  Hechts« 
ge{d)iqte  i|t  jeQt  ^.  Brunne r*s  (brun5rig  5er  5eut|d)en  Hed)tsge|d)td)te 
(2.  aufläge  1904)  3U  empfel}len.  5ür  5ie  Kenntnis  5er  (Entroidtlung  5er 
mittelalterlid)en  6üterred)ts{t)fteme  i{t,  roenn  aud}  in  mand^en  (Ein3elijeiten 
überl}olt,  un5  nid)t  überall  leidet  lesbar,  5od)  nod)  immer  unentbef)rlid)  5as 
groge  IDerk  oon  H.  Sd}rd5er:  (befd)id}te  5es  ef)elid)en  (büterred)ts  in 
Deut{d)lan5s  I  un5  II  (1863,  1868  74).  Desfelben  autors  mit  Hed}t  fet)r 
beliebtes  „£et)rbud)  5er  5eut|d)en  Hed}ts9eid}id)te"  i4.  aufläge  1902,  5.  in 
Dorbercitung)  gibt  in  überfid)tlid)er  5orm  5en  jeQigen  Stan5  5er  5or|d)ung 
aud)  auf  5tefem  (bebiet.  3^^^^  einget)en5e  Stu5tum  t)at  por  allem  aud) 
Don  5en  bisf)er  oorltegen5en,  lei5er  nur  5ie  altere  perio5e  umfa{|en5en 
Bön5en  oon  f).  Brunner*s  Deut|d}er  Hed}t$gejd)id}te  (Ban5  I,  II,  1887, 
1892)  aus3ugelien.  Desfelben  autors  auffa^:  Die  unef)elid}e  Daterfd^aft  in 
5en  älteren  germani{d)en  Hed)ten  lim  17.  Ban5  5cr  3eit|d)r.  f.  Hed}tsgefd}. 
18%)  a)irft  auf  5ie  (Enta)idtlung  5es  £egimitatsprin3ips  klares  £id)t.  (begen 
gemiffe  inutterred)tst{t)pott)efen  i.  oon  5em{elben:  lieber  5en  (Eitel  5er  l.i  s 
^.ilu  i  »ic  rcnni>  (Beridjt  5.  Berliner  aka5emie  1894t.  Bequeme  3ufammen* 
ftellungen  oon  Quellenftellen  laber  unDollftän5ig)  bietet  Kraut:  (brun5ri6 
3U  Dorlefungen  über  5as  5eut|d}e  prioatred^t  (Berlin  1886).  3m  übrigen 
ijt  5ie  £iteratur  unermeglid).  Das  tbid)tige  ift  in  5em  IDerk  oon  Sd}rd5er 
3itiert.  5ür  5ie  etioas  eingel)en5ere  lbic5ergabc  5es  Hed)ts  5es  Sad^fen* 
fpiegels  |in5  5ie  neuften  Darftellungen  5er  nod}  fet)r  beftrittenen  Kon* 
(truktion  5es  el}elid)en  (büterred)ts  oon  (E.  Bet)re:  Die  (Eigentumsoerl^ält* 
niffe  im  et)elid)en  (büterred|t  5es  Sad}|en{pie9els  un5  nTag5eburgifd}en  Hed)ts 
(TDeimar  1904)  un5  K.  Kiefel,  Die  i3e5eutung  5er  (btwtxt  5es  ntannes 
am  5f<iu^ngut  für  5as  (Et)egüterred)ts{i)|tems  5es  Sad)jen|piegels  <  Breslau 
1906),  foroeit  es  5ie  groge  Knappljeit  5er  Ski33e  möglid)  mad}te,  berüdi« 
itd)tigt.  5ür  5as  aItnor5i|d}e  Hed)t  un5  5ie  ITlutterreditsfrage  ift  5-  Bo5en's 
{d)on  im  erften  Kapitel  erroäl^nte  arbeit  3ur  (Einfüt)rung  geeignet,  näheres 
Stubium  t)ätte  an  ni  a  u  r  e  r  un5  a  m  i  r  a  an3uknüpfen.  B  a  r  t  {  d) ,  Die 
Red)ts|tellung  5er  (battin  un5  Hlutter  (£eip3ig  1903  >  befd}ränkt  {id}  auf  5ie 
Darftellung  5es  perfönlid^en  Hed)tSDerl)äItnif{es  5er  (Elfcfrau  un5  bietet  5arin 
nid)t  oiel  Heues. 

K.  Homanifd|es  IHittelalter.  Stark  katf)oIi{d}  gefärbt  un5  wilU 
kürltd)  kon{truteren5  ift  5as  Bud)  oon  dl).  £efebDre:  I  (.c<i>-  «1  in:'.Miisiii<  i. 

;;cncralc   d  rhiNli>irc  ilu  <lr«Ml    matnimunal    »Ic    France  (Paris  1900).     5ür  5ie 

erfte  (Einfüt}rung  kann  t)ier  auf  5ie  aller5ings  fet)r  knappen  Kapitel  in  5em 
|d)on  3ttierten  n)erke  oon  (!)i5e*€smein:  I  tuJc  >ui  Li  c.  n«liti<M  priM« 
ile  U  femmc  oermtefen  a)er5en,  für  einget}en5ere  3nformation  auf:  Saloioli, 

Mona  dcldirm.i  italiano  (1892)  un5Diollet:  l'rtcisdv  1'  1Iisi.hu  iludt..u  ;i;iijc.^> 


278  Die  (Ei^e  im  germanif(^-mittelalterli(^en  Rec^t. 

(1886).  5ür  btn  Uebergang  von  6  er  £lnttke  3um  ITTtttelatter  tft  Brunn  er, 
Bertdfte  6er  Berliner  afta6emie  1894  S.  545  f.,  iDtd)ttg.  Sfir  6as  Red)t  6er 
mtttelalterltd)en  f)ausgemeinfd)aften  in  3talien  gibt  III  a  ;  'TD  e  b  e  r's  eben« 
falls  {d)on  3tttertes  Bud):  5ur  6e{d)td)te  6er  Qan6elsgefenfd)aften  im  mittel* 
alter  (1889)  einige  llotisen  —  (Einge^en6eres  Stu6ium  ^ötte  für  3tatien  an 
P  e  r  t  i  I  e's  un6  für  Stankreid)  an  6  I  a  f  f  o  n's  groge  TDerfie  ansuknüpfen. 

C.  (E  n  g  I  a  n  6.    (Eine  filtere  aber  red)t  braud^bare  S<i^nft  über  ben 
Hed)tS3u{tan6  oor  6er  Reform  tft  3.  (C.   (Cplfaoru,   Du  mariagc  et  du 

contracl    de    mariage    cn  Angleterre    et    aux    Etats-Unis   (Paris    1858).      Den 

3uftan6  3ur  3eit  6er  smeiten  Married  Woman's  Property  Act  be^anoelt  (E^. 
Barrett'£ennar6,  The  position  in  law  of  women  (£onbon  1883). 
Das  IDerft  oon  p  o  11  o  dt  un6  RX  a  1 1 1  a  n  6 ,  History  of  the  English  La« . 
gibt  über  6en  Derlauf  un6  6ie  Urfad)en  6er  (Entroidilung  nur  fe^r  6ürfti9e 
noti3en. 

D.  Die  (EnttDidilung  6es  kanont{d)en  (E^ered)ts  ftn6et  man  in  6en 
£ef}rbüd)ern  6es  Kird)enred)ts  6argeftent,  fo  3.  B.  in  £{tm.  £.  Hinters 
„£e^rbud)  6es  kat^oIifd)en  un6  eoangelifd^en  Kird^enre^ts"  (6te  fofiteren 
Auflagen  bejorgt  oon  D  0  0  r)  §  263  ff.  5^^  eingebenberes  Stubium  Ifittt 
iDof)l  5  ^  i  c  0  b  e  r  g's  Dar|teuung:  Das  Re<i^t  6er  (E^efti^ltebung  in  fetner 
gefd)id)tUd)en  (Entmidtlung  (1865)  6en  ^Ausgangspunkt  3U  btiben.  Die  nenerc 
£iteratur  ift  ungemein  umfangreid). 


tab: 


279 


IV.  Kapitel. 

<Ef)eQuffaf|ung  unö  (EI)ere(^t  im  3eitalter  6e$  Rotionalis« 

mu$  unö  6er  Koötfikationen. 

A.  Die  allgemetnen^runblagen  6er  naturred)tltd)en 
d^eauffaifung  S.  280    318. 

Die  beginnenbe  kapitalifttfd)e  (Enttoidilung  S.  280.  Die  Renai||ance 
ttnö  6ie  meltlid^e  rDi|{en|d)aft  S.  281.  Die  Reformation  S.  282.  £uti)ers 
(Ei)eauffa{|ung  S.  284.  Der  daloinismus.  daloins  Ortlounnnrc^  cciK-Ma- 
sti(|uc^  S.  286.  Die  puntaitifd)e  (Et^eauffaKung  S.  288.  Der  religiöfe 
3ii6i])i6ualismus  6es  ddufertums  S.  290.  Der  Bnbioiöualismus  6er  Huf« 
klArung  un6  6ie  ..IHenfäienred^te"  S.  292.  Die  rationaIi{ti|d)e  ITaturred^ts- 
lef^re  un6  6ie  Ci^e  S.  295.  d^r.  IDoIff's  Cf)etf)eorie  S.  297.  Rou[ieau*s 
Ci^eorie  6er  „TDetblidifteit"  S.  298.  Die  naturred)tslef)re  6es  6eutfd)eii 
36ealismus:  6run6Iagen  6er  i6eali{ti|d)en  (Etf}ih  S.  ^)\.  5i4lc*s  36eoiogie 
6es  patriard)alismu$  S.  306.  prahtt|<i^e  Be6eutung  6er  naturred)t$6oii« 
trinen  S.  312  Sdhularifatioit  6er  dije:  Befeitigung  6er  fiird)Iid)en  (Ef)€- 
gerid^tsbarkeit.  Stoatlid^e  Reglementierung  6er  (Et^e  S.  313.  ^Sioilebe' 
.Sreie**  €l)e  S.  316. 

It   Dn  s  (Ef)ered)t  6  es  <'o<lc  ci\  il  S.  318-331. 

Der  allgemeine  dtjaraliter  6es  <  «ulc  un6  {eine  6rfin6e  S.  318.  Die 
pcrfdnlid)en  Dert)ältnif|e  6er  (Ei^egatten  S.  320.  Red)tsDerf)äItnii[e  jmifd^en 
€ltem  un6  Kin6em  S.  322.  Die  unef)elid)en  Kin6er  S.  324.  (Ei)e- 
fd)ei6ungsred)t  6e$  CoiW.  Reftauration  oon  1816  un6  (Ef)e{d)ei6ungsge|et 
Don  1884  S.  325.        Cf)elid)e$  (Bfiterred)t  S.  327. 

<Da$preu6i{<i^e,,angemeine£an6red)t''   S.  331-341. 

dljarahter   6e$   6e|etbud)s  S.  331.         Red^tsftellung   6es   (Ef)emann$ 
S.  332.        Cf)elid)e$    (Küterred^t  S.  334.         CI}e{d)ei6ungsred)t   S.  336. 
DöteTlid)e   (Bemalt  S.  337         mutterpflid)ten  S.  339.         Red)t$Iage   6er 
IDitmen  S.  339.        Die  unef)elid)e  IRutter  S.  340.        Die  nooelle  oon  1854 
S.  341. 

I»DieKo6ifihationen  in  Oejterreid)  un6  Ru6Ian6 
S.  341-361. 

Per[dnlid)e  Hed^tsltellung  6er  5rau  un6  IRutter  im  dfterreid)i|d)en 
BöB.  S.  343.  €I}eIid)e$  (Büterred)t  6es{elben  S.  344.  Red)tslage  6tc 
nOittiDe  S.  345  -  Die  unel}elid)e  IRutter  S.  345.  -  Das  offtsielle  Sami« 
lienred)t  6es  ru||ifd)en  >s>wnd  S:ik<>ti,.w  S.  346.  Permdgensre<!)tlid)e 
Sefb|tön6igiieit  6er  ru|fi{d)en  Srau  S.  347.  3i)re  perfonenred)tIid)e  Unter- 
onfung  S.  348.  Deri^öltnis  oon  (Eltern  un6  Kin6ern  S.  349.  Die  uiu 
«fKlid)en   Kin6er.     <f>e{e«   oom    12.   mär3    1891    S.  350.         €f)e|d)ei6ung 


280    (Ei^eauffaffung  unö  (Ei^erec^t  im  Seitalter  6es  Rationaltsmus  ic 

S.  351.  —  Ilidjt  legale  „(Eljen":  1.  Die  „freien  (Eljen"  6er  «3nteUi9en3* 
S.  352.  —  2.  Die  „freien  (Efjen''  unö  bie  6efd)Ied)tsmoraI  öer  Sc^tsmatüier 
unö  SeftHerer  S.  353.  —  Das  5amilienred)t  öer  ru|fi{d)en  Bauern  S.  355. 

—  Samilie  unö  Dorfgemeinöe  S.  356.  —  Allgemeiner  (C^arafiter  6er  böuer- 
lidjen  (Elje  S.  357.  —  Bäuerlidjes  (E^egüterredjt  S.  359.  —  Hllgemetne  Coge 
öer  Srau  S.  359. 

K.  Die  engli{d)en  >Married  women's  property  Actst 
S.  361-371. 

materielle  unö  iöeelle  Beöingungen  öer  (Ef^ereform  (blaöftones  S.  361. 

—  Die  erfte  Married  women's  j^ropcrty  Act  (1870)  S.  362.  —  Die  smeite  Akte 
(1882)  S.  363.  —  politioe  (Eragroeite  öer  6ütertrennung  für  öie  (Be|<^ft$> 
föf}igfteit  öer  Srau  S.  363.  —  Re(te  öes  common  law:  im  Strafproseg  S.  364, 

—  in  öer  Art  öer  {)aftbarheit  unö  Derfügungsfäf}igfteit  öer  Srau  S.  365,  — 
in  öer  Unter^altspflid)t  S.  366,  -  in  öer  Sd)lüffelgen>alt  S.  366,  —  in  öer 
oäterIid)en  (bemalt  S.  367,—  (Reformen  öur(^  öie  moöeme  Kinöerf<i^utgefet|* 
gebung  S.  367),  —  im  (Erbredjt  S.  368.  —  Die   unehelichen  Ktnöer  S.  368. 

—  (Ef}e{d)eiöungsred)t  {eit  öen  Hkten  von  1857  unö  1860  S.  369.  —  (befamt* 
d)arakter  öes  geltenöen  Hed)ts  S.  370. 

K.  Das  moöeme  amerikani{d)e  (El)ered)t  S.  371. 

Das  „Ilaturredjt"  in  öen  amerikanifd^en  Kolonien  S.  371.  —  S^rtbe« 
jtanö  öes  common  law  S.  371.  —  Derlauf  öer  Heformbemegung  unö  gegen* 
märtiger  Stanö  öes  (Ef}ered)ts  S.  372. 

Hnf)ang:  Anöre  (Eoöifikationen.  (Ereibenöe  Kräfte  öer  (Entmidilnng 
S.  375. 

O.  (Ergebnifje  unö  neue  Probleme  S.  378. 

Die  Dollentmidtlung  öes  Kapitalismus  in  i^rer  Hüdimirkung  auf  öie 
Probleme  öes  (Ef}ered}ts  S.  379.  —  6eringe  (Eragmeite  öer  öirekten  ^< 
mirkungen  öes  Kapitalismus  S.  380.  —  IDanölungen  öes  Srauenlebens  unter 
öem  (Einflug  öes  Kapitalismus  S.  383.  —  Die  augerl)äu|ige  Berufs«  unö 
£ol)narbett  öer  (El)cfraucn  unö  iljrc  (Eragroeite  für  öas  (Ef)ered)t  S.  388.— 
3öeologijdje  Reaktion  gegen  öen  Kapitalismus  S.  3%.  —  Itieöergang  öes 
naturred}tltd)en  Rationalismus,  ^ijtorismus,  IXaturalismus  unö  dkonomi|d)er 
(Eoolutionismus  S.  397. 

A. 

Die  perioöc,  bcr  u)ir  uns  jc^t  3uu)enöcn,  fteljt  ökonomi|d)  im 
3eidjcn  öer  (Entroicklung  öes  „Kapitalismus",  tlaturgcmäfe  loirö  man 
3unädj{t  fragen,  ob  unb  roeldjen  (Einfluß  fein  Hufftieg  auf  öas  Söwiilien« 
redjt  geljabt  Ijat.  Die  HntiDort  kann  nur  lauten:  Bis  in  öie  aüer« 
ncufte  3eit,  etwa  bis  1870,  gar  keinen.  Dcsljalb  keinen,  tocil  öie 
erften  3öl)rl)un5erte  kapitaliftijdjer  (Entroidilung:  öie  3eit  öes  „S^fy 
kopitalismus"  (nadj  Sombarts  (Terminologie),  öie  innere  ökonomifdje 
Struktur  öer  Samilie  im  a)efentlidjen  unangetaftet  liegen.  IDenn  öer 
Kapitalismus  auf  lanön)irt{d)aftltd)em  (bebiet  öen  felbftönöigen  Bauern 
öienftpflid)tig  unö  {d)lieglid)  5um  grunöbefi^enöen  Arbeiter  machte,  ober 
wenn  er  im  (Beu)erbe  öie  (elbftänöigen  fjanöroerker  in  Qausinöuftrtelle 
Derroanöelte,    fo    berüljrtc    öas    öie    innere    Struktur    öer    5ö"^iKe 


A.  Die  aOgemeinen  (Krunblagen  öer  naturre(^tUd)en  (Ei^aujfaffung.  281 

ntd)t.  Dies  aber  waxen  bie  beiben  mefentltc^en  Richtungen,  meiere 
bie  (EntmiAIung  in  biefem  Stabtum  naf)m.  Die  3af)(  bei  etgent- 
lid^en  ftonsentrierten  Arogbetriebe  im  f^eutigen  Sinn  war  bis  3um 
Anbrud)  bes  ina|(^inen3eitalters,  bas  f^eigt  aber  bis  3um  (Enbe 
bes  18.  3af)ri)unberts,  oerfd^ioinbenb  gering.  Die  6eftaltung  bes 
$amilienred)ts  ift  baljer  bis  3ur  erften  englijdjen  Reform  im  3o^re 
1870  äberf}aupt  nid)t  bireht  burd)  Probleme,  bie  ber  Kapitalismus 
als  foId)er  gefd^affen  liai,  beeinflußt. 

IDenn  er  g(eid)n)of}l  nid)t  of}ne  Bebeutung  aud)  für  bie 
CnttDtAIung  bes  5<intiHenred)ts  blieb,  {o  finb  feine  (Einflüffe 
inbirehter  Art  gemefen:  (Es  ift  klar,  ba%  bie  öftonomi{d)e  Ratio- 
naiifierung  bes  £ebens,  bie  (Eman3ipation  oon  ber  öhonomi{d)en 
unb  (03ialen  (Erabition,  inbireM  ba3u  beitragen  mußte,  bie  lltad^t 
unb  3uDerfid)t  bes  rationaIifti{d)en  6eiftes  überf^aupt  3u  ftärhen,  unb 
fo  ba3u  Ijalf,  ba^  bie  5^ög^  ob  bie  überlieferten  Jormen  ber 
5amilienbe3tel)ungen  aud)  bie  „oernunftgemäßen''  feien,  geftellt  tourbe. 
Aber  geftellt  mürbe  jene  $xaqe  nid^t  aus  öhonomifd)en  (Brünben  unb 
unter  öhonomifd^en  6efid)tspunftten,  fonbern  oon  etbifd)en  Zbetn* 
gangen  aus.  IDir  muffen  uns  alfo  bem  (Bebtet  ber  ibeengefd^id^t* 
Iid)en  3ufammenf}ange  3un)enben,  um  bie  (Entftel)ung  bes  Problems 
unb  bie  Art  feiner  Beantn)ortung  3u  oerfteljen.   - 

Die  (Epod)e  ber  mobernen  fi)ftematifd)en  (Befe^gebungen  n)urbe 
burd)  gen)iffe  aus  ber  Reformation  entftanbene,  religtöfe  Ben)egungen 
unb  burd)  bie  naturred)tslel)re  bes  Aufklarungs3eitalters  oorbereitet, 
bie  bem  gemaltigen  Drang  nad)  neu«0rientierung  bes  £ebens  an  ber 
f}anb  eigner  (Erkenntnis,  ftatt  an  überkommenen  unb  paffio  bingenom* 
menen  lllaßftaben,  burd)  (El^eorien  über  bas  Derf}ältnis  ber  (Ein3elnen 
3ueinanber  unb  3ur  6efamtl)eit  genug  3u  tun  fud>te. 

Die  „Renaiffance"  trotte  3unad)ft  nur  in  ben  an  (Beift  unb  (Bütern 
Reid^en  ben  artftokratifd^en  (Erieb  3ur  inbioibuellen  Selbftbei)auptung, 
gegenüber  allen  überkommenen  kird)Itd)en  unb  politifd)en  Autoritäten, 
ervedtt.  Sie  f}at,  oor  allem  in  3talten.  burd)  bie  Beteiligung  aud) 
ber  5r<iuen  einer  bünnen  füt)renben  Sd}id)t  an  btn  Btlbungselementen, 
a>eld)e  burc^  bas  IDieberentbedien  ber  klajufd^en  Ku!turid)ä^e  ein* 
ftrömten,  geiftige  Be3iel)ungen  3U)ifd)en  ben  (Befd)Ied)tern  gefd)affen. 
Aber  bas  (Enoac^en  ber  iDeItIid)en  IDiffenfd^aft  unb  bie  (£ntftef}ung 
3af)Ireid)er  „Berufe",  meldte  miffenfc^aftlid^e  Sd)ulung  oorausfegten, 
»urben   auf  ber   anbren  Seite   ben   Stauen   aud)   3um   Derf^öngnis. 


282    (Ei^eauffaffung  unö  (Ef^erec^t  im  3eitalter  bes  Rationalismus  k, 

11Tetf)o6if(^e  Unioerfitatsbilöung  fern  oom  (EItetnf)aus  blieb  öen 
ntäöd^en  unter  öen  öamaligen  Umftönöen  oerfc^loffen,  unb  je  me^r 
von  öen  bisljer  „fjanörDerksmäfeig"  gefibten  „freien"  Berufen  -  3.  B. 
öem  öer  Aerste  -  an  öie  Doraus|e^ung  öer  Unioerfitatsbilöung  9^ 
ftniipft  muröen,  je  mei^r  öie|e  überl^aupt  unentbef)rlid)e  Dorausfe^ung 
öer  ([etlnal^me  an  öen  geiftigen  Kulturgütern  n)uröe,  —  öefto  me^ 
(d)Ioffen  fi(^  öie  ,,l)öl)eren''  Berufe  öer  5^^u  unö  öefto  breiter  mürbe 
öie  geijtige  Kluft  3U)i((^en  öen  6efd)led)tem.  Die  breiteren  bürger< 
ltd)en  Dolhsftreife  aber  blieben  überhaupt  oon  öer  Renaiffance  unö 
il)ren  IDirkungen  unberührt.  Sie  trugen  öie  Ketten  öer  mitteloUer* 
ltd)en  IDeltorönung  fo  lange  geöulöig,  rote  if)nen  if)re  Binöung  als 
(Bott  gesollt  galt,  unö  fie  öas  Qeil  i^rer  Seele  öurc^  (Be^rfom 
gegen  öie  überlieferten  6ebote  öer  Kirche  5U  fiesem  glaubten,  (hft 
als  öie  Reformatoren  fie  leierten,  öag  nic^t  öie  Befolgung  äußerer 
ftird)li(^er  Regeln,  fonöem  allein  öie  Kraft  öer  inneren  (Befü^Isbe* 
5iei)ung'3u  6ott  feöen  (Einseinen  feiner  6naöe  Derfid)ern  könne,  öa  konnten 
aud)  öie  breiten  S(^id)ten  öer  bürgerlichen  Berufsarbeiter  fi(^  vieöer, 
iDie  in  öen  Seiten  öes  Urdjriftentums,  tro^  i^rer  äußeren  6eörü(ftt^, 
als  allen  tTTäd)tigen  unö  Reichen  ebenbürtige  (Eräger  einer  unftd^t« 
baren  geiftigen  (Bemeinfdjaft  füllen  lernen.  5^^Ui<f)f  ^i^  Kreife,  in 
öenen  öie  Konfequen5  öiefes  (Beöankens  roirklic^  gesogen  mürbe: 
bie  öes  (Eöufertums,  blieben  eng,  unö  oon  öen  offisiellen  Reformations« 
ktrd}en,  meldte  fi^  an  öie  0brtgkeit  anlef^nten  unö  öie  (5Iaubens> 
einf}eit  öes  ^riftti^en  Staats  ersmingen  mollten,  maren  fie  Derfef^mt. 
3mmerf)in  aber  ift  allen  Reformationskird)en  öas  flbftreifen  öer  flc^ 
tung  Dor  öer  gefd)id)ttid)  gemoröenen  Soxm  öes  öamals  alles  be^errf^* 
öen  kird}ltd)en  £ebens  unö  öas  3urüdtgreifen  auf  öie  Bibel  gemein* 
fam.  Biblif^e,  fpesiell  aud)  altteftamentltd)e,  Sittlichkeit  gemann  fo 
einen  gefteigerten  (Einfluß  auf  öie  (Eti}ik  öes  Alltagslebens. 

Der  (Einfluß  öer  Reformation  auf  öie  Stellung  unö  IDertung  öer 
5rau  ift  nun  ebenfomentg  etnl)ettti^,  tote  öer  jener  (Queue,  aus  öer  fie 
iljre  TTTafeftäbe  entnaljm.  IT  i  dj  t  öirekt  3U3ured)nen  ift  if)r  öie  enb« 
gültige  Befeitigung  öer  Dulöung  öes  Konkubinats,  b^nn  öiefe  ^tte 
öas  Caterankonsil  oon  1511  bereits  öekretiert.  Das  (Eriöenttner 
Konsil  erkannte  öann  nur  no^  öie  in  redjtsgiltiger  5orm  einge« 
gangene  (Ei}e  als  fittlt^  3ulaffige  Art  öer  Aefc^lec^tsbesie^ung 
an,  unö  in  öen  proteftanttfd)en  (Bebieten  griff  öie  Kirc^en3ud)t  unö 
öie  ftd)  enta)idtelnöe  ftaatlid)e  Poltsei  gegen  öie    „milöen  (Ef^en",  bte 


A.  Die  allgemetnen  (Krunölagen  öer  naturrec^tlid^en  (Ei^eaujfaffung.  283 

ie^t  als  ».f^urerei"  galten,  öurd).  Ru&i  5te  £age  6er  Dirnen  mugte 
gegenüber  6em  IHittelalter  fid)  oerfc^ieben.  Der  (Einörudi  6es  erften 
(Einbruchs  6er  oon  Amerika  einge|d)Ieppten  St)pi)ilis,  (1498  in  Heapel) 
un6  öer  größere  fittlid)e  Rigorismus  6er  Reformation  (befonöers  6er 
^reformierten"  Kirdjen)  unö,  unter  ifjrem  (Ein6ru<h,  aud)  6er  Gegen- 
reformation, brauten  fie  in  jene  fd)Ied)tt)in  prehäre  £age,  in  6er  roir 
fie  |eit6em  fin6en. 

IDas  nun  6ie  pofitioen  e  1 1)  i  f  d)  e  n  IDirhungen  6er  Reformation 
anlangt,  {o  coertete  [xe  sroar,  gegenüber  6em  oon  6er  katf}o(t|d)en 
Ktrd)e  als  Stan6  f}öd)fter  DoUhommenf^eit  propagierten,  filöfterltd^en  ' 
dölibat,  5<^nii(ien(eben  un6  (Ef}e,  un6  6amit  6ie  oerf^eiratete 
5rau  als  [olc^e,  f}öf}er.  Damit  roar  je6od)  an  fid)  keinesn)egs  eine 
größere  S^ö^ung  6es  n)eibli(^en  (&efd)Ied)tes  in  {einer  6e{amti^it 
gegeben.  Denn  als  $oIge  6er  Sd)Iiegung  6er  Klöfter  un6  Bekinen* 
l^ufer  mußten  auf  6er  an6ren  Seite  6ie  (  e  6  i  g  e  n  grauen  innerl^alb 
6es  proteftantismus  3unäd)ft  ent|pred)en6  an  |o3ialen  dl^ancen  ein* 
bügen,  6a  if}nen  fo  6ie  ITIöglid^keit  genommen  max,  [xdf,  eben  auf 
6run6  if}rer  3ungfräulid)keit,  6urd)  6en  (Eintritt  ins  Klofter  6ie 
(Beltung  eines  IDefens  l)öl)erer  (Dr6nung  3U  fd)affen.  Sie  alle  waren 
nun,  -  bis  fi(^  il^nen,  erft  3u  (En6e  6es  oorigen  3af}rl)un6erts,  all- 
mäl)lid)  6ie  Selbftän6igkeit  un6  lDür6e  6er  augerl)auslid)en  Berufs*  ^ 
tötigkeit  3U  eröffnen  begann,  -  gleid)ermagen  oerurteilt,  als  „alte 
3ungfem''  eine  abl)ängige  5<i^iliene^iften3  3U  fül^ren  un6  alfo  {d)on 
äugerlid),  6em  gefell{d)aftlid)en  Range  nad),  t}inter  6er  oerf^eirateten 
Srau  3urü*3ufleljen.  Der  oerljeirateten  5^^"  an6rerfeits  ent3og  6ie 
Reformation  6ie  3uflud)t  3um  Beid)tDater,  melc^er,  {0  3n)eifelf^ft 
feine  Unterftü^ung  bei  Rot}t)etten  6es  IHannes  aud)  fein  mod)te,  ihr 
tmmert}in  einen  augerl}alb  6es  et)emännlid)en  ()errf^aftsbereid)s  liegen* 
6en  {eelifc^en  Rü(bt}alt  gegeben  trotte.  Der  (Be6anke,  6te  Konfequett« 
3en  6araus  für  6ie  Srau  3U  3iel)en,  6as  Ijeifet  alfo:  iljre  pttlidje  Auto- 
nomie un6  Selb{tDerantn)ortlid)keit  aud)  gegenüber  6em  IRann 
an3uerkennen  un6  3U  (d)ü^en,  lag  6em  6amaligen  -  mk  lei6er  oft 
nodj  6em  f}eutigen  -  Proteftantismus  feljr  fern.  Der  IHann  mar  6en 
Reformatoren  6er  geborene  f)auspriefter  für  IDeib,  Kin6er  un6  (Be* 
fin6e.  un6  erft  6as  (Eäufertum  fd)üt{te  menigftens  6ie  (F)en)if{ensfret- 
l)eit  aud)  innerl^alb  6es  ()au|es. 

Aber  au&i  6ie  poritioe  SteUungnal}me  6er  Reformation  3ur  (Ef^e 
als  {old)er  mirkte  keineswegs  gan3  einl^eitlid)  in  6er  Ridttung   einer 


284    (£f)eauffaf{ung  unö  (Ei)ered)t  im  Seitalter  öes  Hationalismus  ic 

^öf)eren  tOertung  öer  5t<iu.    tOas  5unä(^ft  £  u  t  f)  e  r  s  (El^eauffaffung 
betrifft,  fo  ift  fie  eben  tro^  man^er  3üge  gemütooUer  3nnigkeit  öoc^  |o 
öerb  naturaliftifd),  öag  fie  gegenüber  öem  tTTittelalter  keinen  prinji« 
piellen  Sortf^ritt  bedeutet.    IDenn  nämlid)  nad\  it)m  au(^  öas  dölibot 
5ie  (Bottesftinöjc^aft  ebenjotoenig  garantiert  toie  irgenö  toel^e  anören 
„guten  IDerke",  fo  fäUt  öes^alb  60^  öer  (Bef^lec^tsoerkeljr  als  folc^cr 
in  öie  Sp!)äre  öer  nieöerften  ttriebe,   öie  öer  UTenfd)  3U   übenoinöen 
trauten  foH:    „tOer  öie  (Babe  unö  (Bnaöe  Ijat  keujd)  3U   leben,  5er 
öanfte  (Bott!"    Da  fie  aber  nur  roenigen   gefd)enkt   ift,   fo   öarf  öie 
Keuf^!)eit  niemanö  aufge3U)ungen  roeröen,  öes^alb  ift  öen  Don  i^rer 
Sinnlid)keit  Hngefo^tenen  öie  (E I)  e  oerorönet  als  „eine  Hrsnei  miöer 
öie  Sünöe",  ein  „Spital  öer  Sieben,  auf  öafe  \it  nic^t  in   fc^merere 
Sünöen  fallen''.    So  angefef)en,   bleibt   alfo   fd)lieglid)   öer  (El^eftanö 
öo(^  öer  unDoUkommenere  3uftanö  gegenüber  öer  Döüigen  Keufdi^eit, 
eine  blofee  Hkkommoöation  an  öie  „natürlid)e  ©rönung".    Hllerbings: 
als  foId)e  l\ai  (Bett  felbft  i!)n  für  alle  Kreaturen  eingefe^t,   roä^renb 
Klöfter  unö  (Eölibat  nur  menfd)lid)e  unö,  toegen  il^rer  unDermei5lt(^en 
Derleitung  3ur  tOerkf^eiligkeit,  Deru)erflid)e  (Einridjtungen  finö.    (Et  ijt 
„(Bottes   ©rönung   unö   Stiftung",   urfprünglid)   il)m   3um  £ob  unb 
Preis,  „auf  öafe  öie  tOelt  oon  ntenfd)en  gemeljret  roeröc"   unö  „5er 
ntann  eine  (Be!)ilfin  Ijabe  in  allen  Dingen".    Mein   3U   öiefem  oon 
(Bett  urfprünglid)  beabfid)tigten  Sroedi  trat  nun  öurd)  öen  Sünöenfall 
als  (Eeufelstoerh  öie  Befrteöigung  öer  „böfen  £uft"  l)in3u  unö  be(u5elte 
il)n.    Die  el)elid)e  £iebe  ift   feitöem   finnlidj   getooröen   unö   öesl)alb 
nid)t  mel)r  rein,  unö  „(Elje  unö  fjurerei  finö  etnanöer  fo  gleidj,  mos 
öas  IDerk  anbelangt,   öafe  man  fie   haum   unterfd)eiöen    ftann,  öenn 
Beifd)lafen  ift  einerlei,   Kinöer3eugen  ift  einerlei,    allein  fie   finö  in 
öem  unterfd)ieöen,   öafe  in   öer  (Elje   ift  (Bottes  IDort  unö  (Einfe^ung 
oöer  ©rönung".  -  Hlfo  öie  Befrieöigung  öer  oom  (Eeufel  in  uns  tv 
roediten  gefdjled)tli^en  Sinnlid)lieit  ift  an  fid)  S  ü  n  ö  e,  ebenfogut  in  roie 
aufeer  öer  (Elje.    Hber  öa  (Bott  öie  (Elje  nun  einmal   fdjon    cor  öem 
Sünöenfall  eingefe^t  Ijatte,  fielet  er  öer  mit  öem  el)elid)en  Dert)ältni5 
Derknüpften  Sinnlid)lieit    „öurd)   öie  5i"9^^"    ""^    n^ält   fie   unjerer 
Sd)U)adjl)eit  3U  (Bute".    flufeeröem  toirö  öer  „£uft"  in  iljr  öas  (Begen« 
getoidjt  geljalten  öurdj  öie  oielerlei  Unluft,  öie  fie  uns  bringt,  ,,al5 
öa  finö  (für  öen  TITann)   öer  IDeiber  tounöerlidjer  Sinn,  öer  Kinöer 
l)eulen",   öer  3a)ang  3ur  Arbeit,    für  öie  Stau:   öie  Befd)U)eröen  öer 
inutterfd)aft  unö  öie  Unterorönung  unter  öen  TITann. 


A.  Die  allgememett  (Brunölagen  6er  naturred^tlic^en  (Ei^eaujfaffung.  285 

Dtefe  aus  6er  (Ef^e  für  bet6e  (Balten  ern)ad)|en6ett  Aufgaben  er« 
fd^etnen  aber  im  (I>run6e  nur  als  eine  (Entf(^uI6tgung  für  6ie  Sinnen» 
luft  nx&jt  etwa  als  einer  6er  prin3ipiellen  Smedte  6er  <El)e.  £utl)er 
tieftet  Die(met)r  it)re  Red^tfertigung  un6  3n)edtbeftimmung  an  6en  rein 
formellen,  äugerlid)en  (I>run6,  6af)<7)ott{ie  eingelegt  f)at. 
Dies  un6  nur  6ies  i|t  es,  roas  jie  Don  „tjurerei"  unter|(^ei6et.  Der 
(Bebanf^e,  6af)  iie  if)r  abfoluter  IDert  als  DoUenbetfter  fittlid)er  £ebens> 
gemein{d)aft  über  alle  flüd)tigen,  lebiglid)  6em  pi)t)fif(^en  6enug 
Ötenen6en,  (befd)Ied)tsbe5iel)ungen  l)inausl)ebe,  i(t  i^m  nic^t  hlar  ins 
Beu)ufjt|ein  getreten,  flufeeröem  Ijielt  er  in  jeiner  Auffaffung  6er 
perfönlid)en  Be^iet^ungen  6er  (bauen  an  einem  {el)r  robuften,  alttefta- 
mentariid)«paulini{d)en  patriard)altsmus  fe(t  un6  befag  aud)  perfönlic^ 
ein  ftarftes  männlid)es  Ueberlegenl)eitsgefül)(.  3ur  empfin6Itd)ften 
Strafe  für  (Eoas  Sünbenfall  -  empfin6Iid)er  {elbft  als  6te  Be{d)iDer« 
6en  6er  Sd)n)angerfd)aft  -  {oU  6es  IDeibes  IDille  6em  Hlanne  unter« 
morfen  fein:  ,,lDo  (Eoa  nic^t  ge{ün6igt  l)ätte,  jo  trotte  fie  mit  Rbam 
3ugleid)  regiert  un6  gef)err{d)t  als  {ein  mitgef^ilfe".  Da  (Eüa  tf)ren 
a>eiblid)en  Had^hommen  6ies  aber  (ief}r  3um  Dorteil  6es  Hlannes!) 
ein  für  allemal  oerl^er^t  f)at,  gefrört  1 1)  m  6as  ,, Regiment*  un6  fie 
mu^  {i(^  Dor  il}m  „buAen*',  als  oor  il^rem  fjerm.  -  Aber  aud)  ab«- 
ge|el)en  oon  6ie{er  ,,l)iftori)d)en''  Deranlaffung  {d^eint  £ut^  6ie  be* 
6ingungslo|e  Unterorbnung  6er  (El^efrau  felbftuerftänbltc^  un6  not- 
roenöig.  Denn:  „(Es  i|t  ein  arm  Ding  um  ein  IDeib*,  -  ,6ie  größte 
(El)re  6ie  es  l)at,  i{t.  6ag  coir  allzumal  6urd)  6te  IDetber  geboren 
»erben".  „Diefe  (El^re,  6ag  jie  unfre  ITlütter  finb,  foll  billig  alle 
Sd)n)ad)l)eit  6er  IDeiber  5u6e(ben  un6  oerfd^Iingen."  Der  IRann  foII 
alio  3rDar  in  6er  S^au  6ie  IHutter  alles  £ebenbtgen  ^oi^^Iten,  6ie 
5rau  ielbft  aber  |oll  |id)  immer  ben)ugt  fein,  bag  bcr  IRann  im 
übrigen  »f^öl^er  un6  beffer  ijt  als  {ie".  3f)re  Pflid^t  tft  es  bes^Ib, 
if^m  get)or|am  3u  fein,  un6  6urd)  Snebfertigkett,  S^^nblid^fieit, 
i}äuslid)heit  u.  {.  w.  it)m  6as  £eben  angenef^m  3U  ma<l^n.  Befleißigt 
fie  fid)  all  biefer  ([ugen6en  -  6ann  tft  [xe  bes  IRoitiics  i^Croft  un6 
feine  t)öd}fte  (habe" ').  Die  3at)Ireid)en,  fd^dneit  mib  treuf)er3ig 
innigen  Ausfprüd)e  £utf}ers  über  6ie  Bejte^tnigcfi  ber  6atten 
ftel^en  faft  6urd)n)eg  unter  6em  (Einfluß  6er  Bibel,  fbib  teUiDeife  6ireht 

')  Dor  6er  (Ef}e  mit  einer  retd^en  S^ou  mamt  er,  veil  fir  fie  6te  Dcr- 
fud^ung  naf)e  läge,  bes  HTannes  „f)err"  fein  3M  voQcH  «RÖ  il^m  ben  (l)e. 
l)orfam  3U  meigern. 


286     (Ef)eauffaf{ung  unö  (Ei^erec^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  k. 

i!)r  entnommen').    Diefer  fteigenöe  (Einfluß  6er  milben  orientalifc^ 
£ebensn)ets^eit,   n)ie  fie  in  öen  Pfalmen,   öem  Bud)e  3e{us  Sinu^, 
öen  Sprüchen  Salomos  nieöergelegt  ift,   auf   bie  nod)   ungebro(^ 
beutfc^e  Rof)eit  ift  oieüei^t  bas  für  bie  (E^eauffaffung  tDtd)tigfte  6< 
gebnis  ber  Reformation.    Aber  bie  S^ranken   ber  altteftament(i(^ 
Anfd)auungsrDeife  begrenjten  bei  £ut^er  au(^  bie  Dertiefung  bes  inneren 
6ei)alts   ber  (E^e.    Der   (b^barik^,  bag  tTTann  unb  5^^^  ^4  ^ 
g  e  i  ft  i  g  e  s  £eben  miteinanber  teilen  könnten,  liegt  if)m  oöOig  fern. 
Ueberf)aupt  fd^eint  if)m  geiftiges  Streben  ber  Stauen  3ur  (Erfolglofigkrit 
oerbammt  unb  besf^alb   überflüffig.    Als  {eine  Kotige  einmal  »klug 
fein"  unb  mitreben  roollte,  la^te  er  fte  aus  unb  oerfpottete  fie,  unter 
^inmeis  auf  i^re  (Be{^Ie^ts3uge^örigkeit,  mit  f)ier   nic^t  tDieberjtt' 
gebenben  Derbljeiten. 

Direkten  (Einfluß  auf  bie  mobeme  6e{e^gebung  l^at  bas  £ttt^* 
tum  im  n)efentlid)en  nur  burc^  feine  Stellung  3ur  Sdieibung  ber 
(E^e  gen)onnen.    Die  Gerichtsbarkeit  in  (E^efac^n  blieb,  oiet 
fa(^  bis  in  biefes  3<i^tl)unbert,  au(^  in  allen  proteftantif^^  £änieni 
btn  kir(^lid)en  Beworben,  roeld^e  an  bie  SteOe  ber  bifc^flid^en  (Kend)te 
traten.    Daf)er  blieben  für  bie  Sd^eibung  3unad)ft  lebiglic^  bie  kird^ 
Iid)en   6runbfa^e   maggebenb.     £utl^r   f)ielt,  —  unb   mit  if^m  olk 
anbren    Reformatoren,    -    trog    ber    Befeitigung    bes    Sakrament* 
d)arakters  ber  (El)e  an  if)rer  prin3ipiellen  Unaufiöslid)keit  feft    Die 
Sc^eibung  blieb  besl^alb  natürltd)  bem  freien  IDillen  ber  6atten  ent> 
rückt  unb  war  nur  bei  (El^ebrud)   unb  —  erft   fpät   unb   3Ögemb  - 
bei  „böslidjer  Derlaffung"    auf  (Brunb   ridjterlidjen  Urteils   geftottet 
3m  Gegenfag  3um  kanonifd^en  Red)t  aber  galten  bie  burd)  ein  öe^ 
artiges  Urteil  getrennten  (batten  aud)  bem  Banbe  nad)  für  gefd^ieben 
unb   konnten   [idj   infolgebeffen  -  wk  bie  Sd^malkolbifc^en   Artikel 
ausbrüdilid)  feftftellten  -  roieber  oerljeiraten. 

Au^  ber  (E  a  1 0  i  n  i  s  m  u  s  l)at  in  biefem  einen  Punkte:  ber 
Billigung  ber  lDieben)erl}etratung  gefd)iebener  (hatten,  mit  btm  kononi« 
idfen  Red)t  gebrod^en,  im  übrigen  aber  bie  Konftruktion  ber  6^ 
nid)t  umgebilbet.    (latoin,  nad)  beffen  Ann)ei{ungen  bie  Rec^tsorbmmg 

-)  So  5er  oben  S.  86  f.  roie^ergegebene  Paffus  aus  btn  Spruen  So« 
lomos,  öer  fid)  bei  Cutt^er  finbet.  B  ü  d)  e  r  a.  a.  (D.  S.  54)  3itiert  äfn, 
oftenbar  in  Unkenntnis  icines  Urfprunges,  als  Bemeis  für  bie  Ctefe  nnö 
3nnicikeit  b  e  u  t  f  <h  e  r  Sd^ä^ung  öer  ^befrau.  €s  l^nöell  fi^  l^ier  akr 
üielmcbr  um  5en  vEinflufe  j  ü  b  i  f  dj  e  r  £ebensftiiinnttng. 


A.  Die  aOgemetnen  (Brunblagen  öer  naturred)tltd)en  (Ei^auffaffung.  287 

bes  (Benfer  6emetniDe{ens,  öas  öen  irötfc^en  6ottesftaat  oertDtrfiUd^en 
woUU,  entiDorfen  touröe,  befaßt  fi(^  in  feinen  auf  öas  (Ef^erec^t  be- 
3flgli(^n  «Onlonnances  Kcclt^siasiitiurs-  loefentlic^  nur  mit  S^ögen 
ber  (Ei^fd^Iiegung,  Sd)eibung  unb  ber  allgemeinen  (Ef^emoral,  nid)t 
aber  mit  bem  Rec^tsoerf^öltnis  ber  (battm  3ueinanber.  (Es  fprid)t 
baraus  bas  Beftreben,  einerfeits  bie  (E^efc^Itegung  möglid)ft  3U  er- 
Ieid)tern  unb  ber  freien  Selbftbefttmmung  ber  Bnbioibuen  ani^im3U' 
geben,  anbrerfeits  if)r  bie  binbenbe  IHad^t  religiö|er  IDei^  ooO  3u 
erlitten  unb  burd)  brahonifd^e  ftirc^Iic^e  (E^epoIi3ei  bes  (^onsistnirc 
bie  Reinl)eit  bes  $amilienlebens  3U  fiesem.  Das  Konfiftorium  l^tte 
yxKLX  fieine  rid)terlt^e  Aemalt,  füf^rte  aber  in  (E^e{ad)en  {o3u{agen  bte 
Doninterfuc^ung  unb  lieferte  bem  „Rat''  bas  maßgebliche  6utad)ten. 
3ur  (Erleichterung  ber  (Ef^efc^Uegung  rourbe  bie  oater(t(i)e  (btwali  info- 
fem  be|c^ränkt,  als  bie  Söl^ne  nur  bis  3um  21.,  bie  (Eö^ter  nur  bis 
3um  18.  3al)re  ber  elterlichen  (Einroilligung  bebürfen.  Auc^  foU  ber 
Dater  jogar  ber,  mit  (Erlaubnis  bes  Konfiftoriums,  gegen  {einen  IDillen 
3ur  (El)e  fcf^reitenben  (Eod)ter  eine  Ausftattung  geben.  Sc^on  bas  Der- 
löbnis,  bas  mit  feierli^em  (Emft  oor  Sengen  3U  fdiUegen  ift,  gilt  als 
prin3ipieU  unauflöslich,  feine  eigenmächtige  Auff^ebung  ift  oerboten. 
(Ebenfo  natürlich  bie  eigenmächtige  ([rennung  ber  £ebensgemeinf(i)aft 
in  ber  (El^e.  £angeres  freiroilliges  6etrenntleben  ber  (batt^n  wirb 
bem  Konftltorium  ange3eigt  unb  mit  Kirdien-Strafen:  öffentlicf^en  (Er> 
maf^nungen  unb  (Entsie^ung  bes  Abenbmal)ls,  beftraft.  Rud^  alle 
Streitigkeiten  3rDifc^en  btn  6atten  {ollen  3unä(i)ft  nic^t  oor  bie  melt* 
Ii<^  Bef}örbe,  fonbern  oor  bas  Konfiftorium  gebracht  n)erben,  bas 
fte  burcf)  geiftlic^en  Sufprud)  unb  Kird^enbugen  bei3ulegen  trad^tet. 
(Es  erfe^te  alfo  für  bie  5rau  geroiffermagen  btn  Beid)tDater.  3ebod) 
fd^einen  nur  „ia^3ornige''  IHänner,  bie  fid)  gan3  grunblqs  an  il^ren 
5rauen  oergriffen,  ermafjnt  unb  beftraft,  fonftige  3üdjtigungen  ber 
$rauen  aber  als  gutes  Red)t  bes  IHannes  angefef^en  uoorben  3U  fein. 
lDid)tig  für  bie  i}ebung  ber  £age  ber  grauen  ift  aber,  bag  in  biefen 
daloin'fc^en  (Erlaffen,  uoie  übrigens  aud)  in  oielen  nid^t  calotniftifc^n 
Kird^enorbnungen  proteftanttfd)er  £anber,  ber  S^^u  ausbrücbltd) 
gan3  basfelbe  Anredet  auf  el)elid)e  (Ereue  3ugefprod)en  wirb,  mie  bem 
mann.  Dies  Prin3ip  ift  3iDar  an  fid)  ntd)ts  neues:  aud)  bie  katl^O' 
Itfd^  Kird)e  l)at  es,  n)ie  mir  loiffen,  3U  jeber  Seit  proklamiert.  Allein 
fie  f^at  ben  (Ein3elnen  mit  if}ren  kird)lid)en  (Bnabenmitteln:  Beid^te, 
Buge  unb  Ablag  bod)  immer  »ieber  oon  5I^if<f)^fünben  abfoloiert 


288    (Ei^eauffaffung  unö  (Ei^ere^t  im  Seitalter  6es  Rationalismus  k. 

unö  fie  öaöur^  natürli^  ipesiell  öem  tTTann,  6er  ja  keine  pf)i}{if(l^ 
unö  fo5taIen  S^Igen  3U  tragen  i^att^,  erlei^tert.  6an3  befonicis 
für  öen  dabinismus  tourbe  nun  aber,  infolge  ber  Konfequenjen, 
tjoel^e  bie  £e^re  Don  ber  göttli^en  (Bnabenn)af)I  in  ber  Praps  mit 
fi^  brad)te,  bie  fittlid)e  Reinheit  bes  tOanbels  tlterkmal  ber  Suge* 
!)örigkeit  bes  (Ein3elnen  3ur  „unji^tbaren  Kirdje",  3ur  (Bemeinf(^ 
ber  3ur  Seligkeit  (ErtDäi^lten.  Denn  aus  eben  jener  fur^tboren  £e^, 
nad)  ber  (Bottes  Ratfd)Iug  unb  IDille  ben  tTTenfc^en  unmibemiflii^ 
Don  (Ewigkeit  l)er  3ur  Seligkeit  ober  3ur  Derbammung  beftimmt  ^t, 
jprofete  bas  Streben  na^  „asketifdjer",  b.  !).  —  im  weiteren  Sinne - 
fittli(^'bis3iplinierter,  ft)jtemati(d)  in  ftrenger  Selbftkontrolle  tmb 
Selbft3ud)t  georbneter,  £ebensfül)rung  l^eroor.  (Es  über{d)attete  nunme^ 
ni^t  nur,  wie  im  Kati)oIi3ismus,  bas  augerweltlic^e  Klofterleben  eines 
befonberen,  (bott  getoeil^ten  Stanbes,  fonbern  bas  innenoeltUd^  fll' 
tagsleben  aller,  bie  ii^res  (Bnabenftanbes  gewi^  fein  wollten.  Denn 
obwohl  es,  nad)  ber  korrekten  kird)lid)en  £el)re,  ein  fid)erers  dufteres 
Unterf^eibungsmerkmat  ber  (Erwöf}lung  nic^t  gab,  unb  6ott  bie  Seinen 
au^  fpöt  im  £eben  no^  3U  fid)  filieren  kann,  fo  waren,  3umal  für  Me 
populäre  Alltagsauffaffnng,  3ügeIloje  £ebensffi^rung,  oor  allem  aber 
fe^ruelle  Husfd)weifung  unb  ()ingabe  an  Sinnenluft  für  ben  ntann, 
ebenio  wie  für  bie  5^^u,  bod)  ftets  Derbäd)tige  St)mptome  il^resDon* 
(Bott«Derworfen*|eins.  —  (Es  ijt  klar,  bafe  eine  berartige  asketift^ 
3udjt  bes  (Erieblebens,  grabe  weil  fie  bie  religiös  emfteften  Raturen 
n  i  d)  t  3um  weltflüd)tigen  dölibat,  fonbern  3ur  Arbeit  in  ber  IDelt 
unb  3ur  effektioen  ITlonogamie  aud)  bes  Rtannes,  3ur  6letd)l^it  ber 
(&efd)Ied)ter  in  ber  ITIoral  fül)rten,  inbirekt  aud)  bie  £age  unb  Sd^ä^ung 
ber  5^öu   im  Sinne   ber  (51eid)fteUung   beeinfluffen   mufete. 

Die  im  17.  3ö^^l?unbert,  oor  allem  auf  englifdjem  Boben  ent« 
ftel)enben,  religiöfen  Bewegungen,  bie  unter  bem  Begriff  bes  Puri« 
tanismus  3ufammengefa6t  3U  werben  pflegen,  trugen  jenes  asketif^ 
3beal,  -  wie  bies  im  Altertum  au^  bie  Stoiker  taten,  —  ausbrüd* 
lid)  in  bas  ef)elid)e  Der!)ältnis  felbft  l)inein.  Der  6ott  £utf)ers  fa^ 
in  großmütiger  lDeitl)er3igkeit  ber  e  1)  e  1  i  d)  e  n  Sinnlichkeit  feiner 
fd)wad)en  ITtenfdjenkinber  „burd)  bie  5i^9ct".  Die  Puritaner  ober 
beruljigten  pd)  nid)t  bei  biefer  üorftellung,  fonbern  arbeiteten  öen 
(Bebanken,  baß  alle  (Erotik,  als  „Selbft3we&",  Sünbe  unb  folglid)  ber 
(Befd)led)tsoerkel)r  aud)  in  ber  (Elje  nur  3um  3we&  ber  Kinbererseuguug 
3ur  ITteljrung  oon  (Bottes  Rut)m  3uläffig  fei,  mit  einer  fotd)en  S<^drfe 


A.  Die  allgemeinen  (Brunölagen  öer  naturre<4t(id)en  (E^auffaffung.  289 

l^aus,  öag  mand)en  ftrikten  piettften  fogar  öie  (E^efc^Uegung  aus 
rein  äußeren  6rünöen  für  beffer,  als  öie  öurd)  finnlic^e  £tebe  beötngte 
galt  IDenn  uns  eine  öerartige  (Ef^emoral  freute  loiöematärltd)  er« 
fi^int,  unö  roir  im  (5egen{a^  ba3u  graöe  bie  (Ef)e  of)ne  £tebe,  aud) 
im  erotifd^en  Sinn,  als  unfittUd)  ober  minbeftens  als  unooUkommen 
empfinben,  fo  bürfen  loir  bod)  nic^t  oergeffen,  ba%  jene  3been  in  ber 
Praxis  mäd)tig  auf  bie  feiruelle  Dis3tplinierung  ber  Hlänner  audf 
breiterer  DoIksfd)t^ten  geroirfit  ^aben,  unb  ba^  es  eben  fd)UegIid) 
bod^  biefe  puritantf^e  3ud)t  bes  männlid^en  (Erieblebens  ift,  ber  bie 
(Englönber  unb  Amerikaner  bie  Derfeinerung  bes  feelifc^en  Der^lt« 
niffes  ber  $e|d)le^ter  Derbanken.  Die  (Einbömmung  bes  eirklufioen 
UebertDuc^erns  ber  {e^uellen  pi)anta|ie  in  £iteratur,  6e{eUf(^aft  unb 
Konoerfation,  bie  babur^  erft  ermöglichte  Unbefangenl^eit  bes 
komeraöfc^aftlid^en  Derke^rs  ber  6e{d)Ied)ter  miteinanber  unb  bamit 
bie  Ritterüdtkeit  unb  Achtung  ber  5^^u  ntd)t,  loie  im  ITlinnebienft, 
nur  augerl^alb,  |onbern  nunmef^r  grabe  aud)  in  ber  <E  l) e  ift  es, 
loelc^e  biefen  Dölkern  bie  Durd)geiftigung  ber  e^elid^en  Besief^ungen  ge« 
fd^enkt  f^at. 

Dtnn  grabe  ber  Puritanismus  ift  keineswegs  bei  jener  natura« 
liftifc^en  (El^eauffaff ung ,  n)onad)  Kinber3eugen  als  if^r  einstg  legaler 
Sioeck  galt,  oon  ber  er,  n)ie  alle  d)riftlt(^en  6emetnfc^aften,  aus- 
ging, fte^en  geblieben,  dromroell  wertet  bie  6attenliebe  als  l^d^fte  | 
Sorm  ber  tlädtftenliebe,  unö  ITlilton  {iel)t  il^ren  Sweck  in  „bem  reinen  1 
unb  natärlid)en  tOunjd^e,  {id)  in  e^Ud)er  6emein{d)aft  mit  einer  3um  i 
Umgang  paffenöen  Seele  3U  oerbinben".  (Erft  mit  bem  3urü(ktreten 
öer  rein  feiruellen  Spannung  aber  konnte  öie  3nntgkeit  öer  gemütlichen 
unb  getfttgen  (5emeinfc^aft  öer  (Kutten,  -  il}r  f  e  e  l  i  f  c^  e  s  Sufammen« 
OHid^len,  -  als  Sinn  öer  (El}e  in  öen  ITlittelpunkt  treten,  eine  Auffaffung, 
bie  fic^,  in  öer  religiöfen  S^rbung  ber  Seit,  Dielleid)t  am  fd)önften  in 
IDilliam  penn*s  Abfd^ieösbrief  ausfprid^t,  öen  er  an  feine  (batixn 
rid^tete,  als  er  (Englanö  Dertieg,  um  jenfeits  öes  Illeeres  einen  neuen, 
(eine  religiöfen  3öeen  oermirklid^enöen  Staat  3U  grünöen:  »Dcrgig 
nicf)t,  öag  öu  öie  £iebe  meiner  3ngenö  unö  öie  f)auptfreuöe  meines 
Cebens  warft,  bie  geliebtefte  unb  würöigfte  meiner  iröifd)en  (Eröftungen. 
Der  6runb  jener  £iebe  beftanö  mel)r  in  Deinen  inneren  als  in  Deinen 
äußeren  Dor3ügen,  obn)ol}l  öer  le^teren  oiele  finö.  (boti  weig  es. 
Du  weigt  es,  unö  aud)  id)  kann  es  fugen,  öag  unfere  Derbtnbung 
ün  IDerk  ber  Dorfel)ung  war,  unö  (Lottes  (Ebenbilö  in  uns  war  es, 

Weber.  tCMruu  und  muttri  ]9 


290    (E^eauffaffung  unö  (E^erec^t  im  3ettalter  be$  Rationalismus  x. 

öos  uns  3umcift  ansog"  ^).  Der  6cm  puritanismus  leidjt  -  aber 
fteinestoegs  immer  —  an^aftenbe  Sug  3ur  „prüöerie"  ift,  oom  Stani> 
punkt  öer  Sxan  aus  geje!)en,  j^merlidj  ein  3U  teurer  preis  für  M«|e 
Derebelung  ber  ef)elid)en  Be3iel)ungen,  bie  eben  nur  auf  bem  Boöen 
fe^ueüer  Reinheit  au^  bes  tltannes  mögli^  mar. 

(Es  ift  nun  kein  Sufall,  bog  fene  IDorte  oon  einem  (Quato 
flammen.  'D^nn  ni^t  in  einer  ber  beiben  proteftantifc^en  »Kirc^', 
fonbern  in  btn  täuferifd)en  unb  aus  bem  ([öufertum  f^eroorgegangeneR 
„Sekten"  tourbe  Don  Anfang  an  mit  bem  urc^riftlic^en,  aber  fc^on  bei 
Paulus  erf^iitterten,  im  Katf)oIi3ismus  bann  ganslic^  Demifd^ten  (be> 
banften  ber  religiöfen  (Ebenbürtigkeit  ber  5^^u,  unb  iwax  auf  (fonnb 
ber  3bee  bes  „allgemeinen  priejtertums"  aller  Gläubigen,  (Em[t  g^ 
mad)t.  Als  religiöfe  perfönli^fteit  fte^t  besl^atb  in  ben  (bemeinöen 
ber  ftonfequenteften  Spätlinge  bes  ([äufertums,  ber  (Quöfter,  bieSrav 
imprinsip  burd)Q)eg  nid)t  unter,  fonbern  neben  bem tltann  unb  mmmt}.E 
amprebigtberuf  teil  toie  er.  Aber  au^  bei  bm  toeniger  rabikalen  Sveigei 
bes  ([öufertums,  ben  Baptiften  unb  tTTennoniten,  ftef)t  Don  Anfang  as 
feft,  bag  ber  tTTann  nid)t  bas  Re^t  ^at  —  fo  menig  mie,  nac^  tänf^ 
rif^er  £e^re,  bie  (Dbrigkeit  -  in  „(BeiDiffensfac^en*  (Be^rfom  ooii 
il)r  3U  oerlangen.  Die  töuferif^en  Sekten,  ti}eld)e  prinsipidl  nur  Me 
IDiebergeborenen,  aus  perfönlid)em  freiem  (Entfc^lug  in  bie  (bemembe 
(Eintretenben,  als  (Blieber  ber  Kir^e  anfallen  unb  besl^alb  alles  Staats» 
kird)entum  unb  allen  öugern  Stoang  in  (becoiffensfac^en  bebingungslos 
Dcrtoarfen,  toaren  ehtn  barum  aud)  bie  älteften  unb  allein  bon|e* 
quenten  (Träger  bes  (Bebankens,  ba^  bie  religiöfe  5^^^*^^  bes  (b^ 
iDiffens  ein  Red)t  bes  (Ein3elnen  gegen  bie  (befamtl^eit,  gegen  jebe, 
iDie  immer  geartete,  irbijd)e  Autorität  fei,  ba  man  ^(Bott  me^ 
ge!)ord)en  muß  als  ben  ntenfd)en".  Unb  toie  befeanntlid)  bie  (b^ 
roiffensfreiljeit  bie  RTutter  aller  anbren  „tllenfc^enrec^te*  geipeies 
ift,  fo  ftel)t  fie  aud)  an  ber  tOiege  ber  S^auenredjte. 

Allerbings  konnten  bie  (Bebanken  bes  (Eäufertums  in  ber  alten, 
namentlid)  ber  kontinentalen,  IDelt  neben  ber  erbrückenben  6errf<Haft 
ber  Staatskird)en  nur  in  fel)r  kleinen  Kreifen  prakti|d}  iDirkfam  loerben. 
Aud)  in  (Englanb  [inb  erft  in  ber  mobernen  ((Blabftone*f6en)  engfifc^iE^ 
gefe^gebung,  loie  loir  fe!)en  werben,  il)re  Rad^mirkungen  311  erkennen. 
(Eine  unmittelbare  IDirkjamkeit  aber  roar  iljnen  in  einigen  jener  neu« 
engliid)en  Kolonien  befdjieben,  bie  boburd)  entitanben,   ba^  bie  Heß« 

'  oiticrt  bei  d.  Sd)ul5c=(BäDcrni§  a.  a.  (D.  S.  48. 


A.  Die  aOgemetnen  (Brunblagen  öer  naturrec^tltd)en  (Ef^eaujfaffung.  291 

gionsoerfolgung  (Eaufenöe  au(^   augerlic^  3um  Bru(^  mit  öer  Der« 

gangetif^eit  3tDang.    Dort  roar  noc^  Raum,  bte  IDelt  in  Staat,  Kirche, 

Rechts*  un6  Sittenorönung  nac^  6em  reinen  IDillen  6ottes  unö   öer 

natfirlid)en  Dernunft,  öie  er  öen  IHenf^en  eingepflanst  f}at,   3U   ge- 

ftalten.    Der  (bebanke  von  religiös   f^eiligen  Rechten  öer  nienfd^en 

als  foId)er,  uoeld^e  keine  iröifc^e  Autorität  antaften  öarf,  kamen  öen 

Srauen  3unad)ft  in  öem  oon  Penn  gegrünöeten  (Quäkerftaat  unö  in 

öer,  f(^on  älteren,  baptiftifc^en  6emeinf(^aft  oon  Rf}oöe  3slanö  3U  gute. 

Als  fid)  3.  B.  in  Ri^oöe  3slanö  ein  (Ehemann  über  feine  $rau  megen 

if)res  aU3uf)äufigen  Befuc^s  öer  (Kottesöienfte  öes  berüf^mten  preöigers 

Roger   IDilliam's   beklagte,    erkannte    öie    6emeinöe    öer    5^ou  3U 

(Bunften  if}rer  (Beuoiffensfreif^eit  öas  Rec^t  auf  (E^fc^eiöung  3U.    3n 

öem  (Quäkerftaat  Pennfqloanien  aber  n)uröe,   mie   roir  fallen,  aud) 

mit  öem  paulinifd)en  6runöfa^:   mulicr  taceat  in  cccicsia  für  öas 

kird)Iid)e,  -  freiließ  no(^  nid)t  öas  poIitifd)e,  -  £eben  gebrochen.  - 

Aber  gan3  abgelesen  öaoon:  fd)on  öaöurd),  öag  öas  (Eäufertum  {(^lec^t* 

f^in  ieöe  (Beuoiffensbef^ränkung  öurc^  iröi{d)e  Autoritäten  ablei^nte,  muröe 

aud)  öie  Befeitigung  öer  patriard)alen  (El^eaujfaffung  befd)leunigt.  Den 

konfequenteften  (Eöufern,  öen  (Quäkern,  galten  felbft  öie  (Offenbarungen 

öer  propf^eten  unö  Apoftel  nid)t  als  öefinitio,  fonöem  nur  als  3uge- 

t}orig  3u  öen  oielen   oerfc^ieöenen  5o^^^n,   in   öcnen   öas   «innere 

Cic^t"   öen  ITTenfc^en   erf^ienen   ift.    Die  Stimme   6ottes   fpric^t  3U 

jeöem  öer  fie  frören  roill,  unö  fein  IDiUe  offenbart  fic^  in  jeöem  (Ein* 

3elnen  immer  auf's  neue  unö  fiir  alle  oerfc^ieöen.    (Es   ift  klar,  öag 

man,  oon  öiefem  Stanöpunkt  aus,   au(^  öas  Dogma   oon   öer  6ott 

geioonten  llnterorönung  öer  S^<^^  tro^  aller  etioa  entgegenfte^enöen 

Sd^riftuoorte   fallen   laffen   konnte.     So   erklart  penn:    «6efd)led)ter 

mad^n  keinen  Unterfd^teö,  öa  3a)ifc^en  öen  Seelen  keiner  beftel)t;  fie 

ftnö  öie  (Eräger  öer  5r^unöf(^aft.''    Die  Uebertragung  öiefer  6eöanken 

in  öie  pra|ris  touröe  bann  oor  allem  öurd)  öen  prin3ipiell  anti-mili- 

tänfd^en,  öen  Krieg  unö  alle  bemalt  DeTn)erfenöen,  öaf}er  im  (Krunöe 

unpolttifc^en,  (Keift  öer  (Quöker  unö  IHennoniten  -  in  etn)as  geringerem 

niage  gilt  äf)nlid)es  aud)  oon  öen  Baptiften  —  erleid^tert.  IDo  öer  Rlann 

nid)t  nad^  Beteiligung  an  öer  uoeltlid^cn  Staatsgemalt  unö  polttifd)en  (El^re 

ftrebt  unö  oor  allem  öie  (Erpanfton  öer  politifd)en  Rlad^t  öurd)  kriege- 

rif(^  (btwah  als  fünöl^aft  öirekt  ablel^nt,  öa  mug  fein,  tote  mix  immer 

loieöer  fallen,  öurd)  öen  ntilitarismus  in  erfter  £inie  genät}rtes  lieber* 

legen^itsgef ü^l  unö  Rlac^tbeöiirfnis  au(^  öer  5rau  gegenüber  abnehmen. 

19' 


292    (E^eauffaffung  unb  (E^ere^t  im  3ettQlter  öes  Rattonolisrntts  x. 

Diefer  religiös  bebingte  3nbiDibuQUsmus  bes  robibalen  »dissent« 

*  in  (Englanb  unb  ber  Sekten  in  Amerika,  QoUanb  unb,  oerftreut,  <md| 
in  anbren  kontinentalen  Staaten,  flog  nun  mit  alten  (Bebanben  bes 

i  „n  a  t  u  r  r  e  ^  t  s"",  loel^es,  bie  biblif(^en  (Gebote  ergan3enb,  f(^n  in 
ber  kat^olif^en,  unb  bann  ebenfo  in  ben  proteftantifc^en  Kirc^ 
neben  ber  (Offenbarung  als  bas,  allen  menf(^en  Don  (Bott  ins  fyxi 
gef(^riebene,  „natürli^e"  (Befe^  ftanb,  ineinanber,  unb  mit  bem  ol* 
mö^Ii^en  Oerblaffen  ber  religiöfen  ([riebkräfte  blieb  bann  biefes 
„Ilaturre^t"  allein  übrig.  IDie  ber  Sa^,  ba^  man  „(Bott  me^r  9^ 
^or^en  muffe  als  ben  nienf^en'',  fi^  in  feinen  prakttfc^en  S^lqt» 
rungen  gegen  bie  überkommenen  Autoritäten  unb  £ebensformen  g^ 
rietet  ^atte,  fo  nunmehr  bie  oon  (Bott  gegebene  „natürliche  Pemunft'. 
Die  Kirnen,  unb  no^  me^r  bie  rabikalen  Sekten  beriefen  ftc^,  jeöe 
in  i^rer  Art,  auf  fie,  ido  bie  Bibel  felbft  keine  AnttDort  auf  praktifi^ 
5ragen  gab.  Unb  bie  „Aufklarung''  bes  18.  3a^r^unberts  mit  i^r, 
im  f^arfen  (Begenfa^  gegen  bie  Auffaffung  ber  Reformatoren,  fo  übe^ 
aus  günftigen  Beurteilung  ber  gottgegebenen,  fittlic^en  5^i9keiten 
bes  3nbioibuums,  tat  es  erft  re^t.  Das  „Itaturre^t",  toel^es  ans 
ber  unoerönberli^en  „tlatur  ber  Sa^e"  mit  5iDingenber  £ogi6  btbxiß 
5ierbar  fei,  Mnm  „felbft  (boit  ni^t  umftogen'',  ^ieg  es  fc^on  in  ber 
3eit  DoIIer  kird^Itd^er  Gläubigkeit.  3e^t,  mit  bem  S^roinben  ber 
religiöfen  n)ur3eln  bes  fficbankens,  rourbe  bie  fficftaltung  aller  menf«^ 
lid^en  Be5tet}ungen  (Objekt  einer  an  kein  Dogma  fi^  binbenben  Sp^ 

.  kulation.  (Eine  nüdjterne  Klarljeit  begann  biefe  nunmehr  gan3  bies» 
fcitig  geu)cnbcte  6cbankenu)clt  3U  burdjbringen.  Denn  bie  aus  ber 
allmäl}lid)en  Auflöfung  ber  mittelaltcriidjen  ffiefellfdjaftsformen  ^eran« 
roadjfenben  mobernen   „bürgerlidjen"  Klaffen  fanben  in  ber  „natür« 

I  lidjen  Dcrnunft"  bas  mittel  ber  Kritik  an  ber  feubalen  unb  3Ünftigen 
©ebunbenljeit  bes  tDirtfdjaftsIebcns  unter  bem  ©efidjtspunkt  ber  »Hü^« 
lidjkeit",  bie  nun  aud)  für  bie  Politik  oer  neu  entfte^enben  mobernen 
Staaten  mit  iljrcr  Rationalificrung  bes  Derroaltungsapparats  äuge« 
meiner  objcktioer  nia^ftab  ber  Betocrtung  rourbe.  Subjektio  aber 
getoann  bie  Scl)nfudjt  nad)  Befreiung  bes  3nbiDibuums  oon  ben  poli» 
tifdjcn,  roirtfdjaftlidjen  unb  redjtlidjen  Rüdiftänben  bes  IHittelalters 
nunmcljr  burd)  bie  oon  ben  Reften  religiöfer  Rlotioe  losgelöfte,  rein 
biesfeitig  orientierte  llaturredjtsleljrc  bes  18.  3a^rl)unberts  bie  War« 
l}eit  unb  Dcutlid)kcit  bcgrifflidjcr  5ormuIierung.  3n  ber,  roie  ©ir 
fatjen,   urfprünglidj  religiös  motioierten  3bee  ber  „unoeräufeerlidfen 


A.  Die  aDgemeinen  (Brunölagen  öer  noturre^tli^en  (E^eauffaffung.  293 

menf^enre^te"  unö  öer  aus  il)nen  ab5uleitenben  rein  ^oer- 
nunftgemögen"  (Beftaltung  bes  {05ialen  £ebens  {(^uf  fie  fi^  eine  tDeit- 
^in  f^aüenbe,  bie  gan5e  alte  IDelt  erfc^ütternbe  Spraye,  „natürli^" 
unö  ^oemfinftig"  Der{(^mol5en  miteinanber.  Der  (Beöanke  öes  «natür- 
lic^n"  Anfpru^s  aOer  (Einseinen  auf  freie,  ö.  ^.  aber:  Dom  Staat 
unö  öen  l)tftorif(^en  (Beroalten  unbel)inberte,  Dertoertung  il)rer  «natür- 
lichen" Sö^igfc^iten,  -  unö  unter  öieje  „Söljigfeeiten"  f^lic^  fi<^ 
öabei  gan3  unoermerht  öer  B  e  f  i  ^  „oemjertbaren  Kapitals*  ein  - , 
fanö  feine  (Brunölage  in  öer,  in  fo  manchen  moöemen  naturaliftif^en 
pijra(en  fortlebenöen,  Dorftellung,  öafe  «öie  Hatur"  mit  öer  Art  öer 
(Einrichtung  öer  IDelt  beftimmte,  für  uns  maggebenöe  „SmtAt"  oer- 
folge:  fie  trat  öarin  an  öie  SteOe  öes  kird^Iic^en  (Bottes. 

namentli^  öie  Beobachtung,  roie  öie  (Entfeffelung  öes  kapitaliftif(^en 
(Erioerbstriebs  gan5  ol)ne  aOe  planmäßige  £eitung,  fd^einbar  ,,pon  felbft", 
»Reichtum"  unö  tDirtfd^aftlic^e  Blüte  entftel)en  lieg,  unterftü^te  öie  (Ent* 
ftel)ung  eines  optimiftifc^en  (Gattungsbegriffs  oom  ITIenfc^en,  toel^em  Don 
öen,  aOen  3nöiDiöuen  gemeinfamen,  ITlerkmalen  nur  öiejenigen  einoer* 
leibt  iDuröen,  auf  (Srunö  öeren  aOen  ein  gleiches  „natürliches"  Anregt 
auf  £eben,  S^ei^eit  unö  (Eigentum  3ugefpro(^cn  roeröen  mugte.  3eöer, 
öer  nienf^enantli^  trägt,  ^at  öen  An|pru(^  öarauf,  über  fi(^  felbft 
unö  öie  (Seftaltung  feines  eignen  Dafeins  5U  oerfügen,  btnn  „Don 
natur"  finö  alle  ITIenfc^en  „frei"  unö  „glei^"  unö  mit  öemfelben 
Anfpruc^  auf  „(BIüA"  geboren.  IDoOte  freili^  jeöer  Don  öiefen 
»Hechten"  gän3li(^  rüdific^tslos  (Bebrauc^  machen,  fo  iDÖre  öamit  öer 
eioige  Krieg  aOer  gegen  aOe  erklärt.  Desi)alb  ift  öie  (Einfügung 
aller  in  eine  He^tsorönung  naturgetDoOt  unö  nötig.  Aber  öer  „natür* 
lic^e"  unö  öest^alb  5uglei(^  oernünftige  StoeA  aller  pofitipen  (Befe^e 
kann  nur  öer  fein,  öen  Anfpruc^  jeöes  (Ein3elnen  auf  unbef (^rankten 
(btbxaudi  feiner  „natürlichen"  Redete  fo  tueit,  unö  nid^t  roeiter,  ein- 
3uengen,  öag  eben  allen  eine  S^^i^^i^^'  unö  (Eigentumsfpl^öre  bleibt. 
Unö  öie  Hec^tsorönung  kann  fi(^  auc^  öarauf  befc^ränken,  jenes 
minimum  pon  Begren3ung  öer  IDillkür,  tDie  es  für  öie  (Drönung 
fd)Ie(^tl)in  unentbel^rlid)  ift,  3U  Do03iel}en,  öa  ja  öie  unget^eurc  lieber- 
3al)I  öer  Ulenfc^en  nadf  öer  Ueber3eugung  öer  „Aufklärung"  mit  öer 
f^inlönglic^en  Befäl^igung,  öas  (buie,  Dernünftige,  it)nen  Hü^Iic^e  3U 
tun,  „Don  Uatur"  ausgeftattet  unö  nur  öurc^  perkel^rte  6efe^e  an  öem 
(btbxaudi  öiefer  5ät)igkeiten  get)inöert  ift.  IDenn  5^^i^^it  unö  (Eigen- 
tum öurc^  (Drönung  gef^ü^t  finö,  fo  kann  nur  öie  Dermirkli^ung 


294     (E^eauffaffung  unb  (E^ere^t  im  3ettalter  öes  Rattonoltsnuis  k. 

öer  „pemünftigen''  3ntere{fen  unb  bamit  bes  (Slüdts  aller  (Etn3eUien 
bic  „naturgcfc^üdjc"  5oIge  fein,  £ebigli<^  3unt  S^u^  oon  5^^ 
unb  (Eigentum  unb  3ur  Oermirftlid^ung  i^rer  unDeröugerlic^en  3nU' 
Dibualre^te  ^aben  fi^  ja  offenbar  au^  bie  Dielen  (Etnselnen  eines 
(Eeils  i^rer  ur{prüngli^en  Selbft^errli^fteit  entMeibet,  inbem  jte  fid^ 
bur(^  Oertröge  5u  6emeintx)e{en  5ufammenf^Ioffen  unb  pojttioen  (5^ 
(e^en  beugten. 

Balten  altere  Anhänger  ber  Haturre^tsle^re  fic^  bie  Cnt' 
ftet}ung  aller  {05ialen  Derbönbe  bur^  Oertrag  i^rer  urfprängli^ 
fouDerönen  6Iieber  ido^I  gelegentli^  als  realen  ^iftorif^n  Oorgang 
—  it^re  bebeutenbfte  IDirkung  l)at  biefe  OorfteUung  in  ben  amertttO' 
nifdjcn  „Staatsoerträgen"  ber  Ileufiebler  gehabt  — ,  fo  loaren  Jic^  öie 
legten  großen  Dertreter  ber  £e^re,  oor  allem  Rouffeau,  Kant  unb  5i<^ 
gan5  klar  barüber,  bag  fie  mit  it^ren  begrifflichen  Konftrufttionen 
nidjt  bas  IDerben  Ijiftorif^cr  ffiebilbe  erklärten,  fonbern  lebigli^ 
„regulatiDe  3been'S  magftöbe  alfo  3ur  Beurteilung  unb  Bemertung 
bes  6en)orbenen  unb  neue  3beale  5ur  Reform  ber  Rec^tsorbnung 
fdjufen:  2^i>^^  fo3iaIe  Derbanb  foll  fo  organifiert  loerben,  als  ob 
er  bnx&i  freiwilligen  Oertrag  aller  mit  aOen  entftanben  unb  bes^ 
ber  Repröfentant  bes  6efamttDiIIens  loäre.  (Ein  mögli^es  ITlapnifln 
geiftigcr,  politifdjer  unb  roirtfc^aftlic^er  Si^^i^^it  foII  als  unoeräufeer» 
Iid)cs  ®ut  aller  ITIenfdjcn  gelten,  unb  nur  biejenigen  Derfaffungcn 
Ijabcn  fittlidjen  flnfprudj  barauf,  Don  allen  refpektiert  3U  loerben,  bie 
fic^  btn  Sd)u^  unb  bie  Dern)irklid}ung  ber  3nbiDibuaIrec^te  aller  3111 
Aufgabe  fc^cn. 

Dicfe  3bccn  toarcn  nun  grabe  in  iljrer  inljaltlidjen  Unbeftimmt- 
Ijeit  unb  iljrcr  alle  tDcrtc  ber  3eit  umfaffenbcn  Dielbeutigkeit  3ur 
Kritik  bes  Befteljcnbcn  aufecrorbentlid)  braudjbar.  Sie  lieferten  b^ 
kanntlid)  bic  geiftigcn  tDaffcn,  mit  bencn  bie  fran3Öfif^e  Reoolution 
eine  tDcIt  3ertrümmcrte.  Dagegen  mu^te  ber  Derfuc^,  aus  i^nen 
3ugleid}  allgemein  gültige,  praktifd)  brauchbare  unb  erfc^öpfenbe  An* 
roeifungen  3um  Hcubau  bes  (Befellfdjaftsgebäubes  ab3uleiten,  fc^eitem, 
bcnn  bic  Probleme  ber  konkreten  gefd)id)tlid)en  tDirklic^keit  entf^lüpften 
ber  einbcutigcn  Heuorbnung  in  einem  aus  Begriffen,  bie  oon  ollem 
tDirklidjcn  abfcfjcn  toollten,  konjtruicrten  ©ebäubc.  Unb  oor  allem: 
„3u)ecke"  ber  „Hatur"  liefen  fid)  fdiliefelid)  boc^  tbtn  nur  aus  ber 
tDirklid)keit  ablefcn.  3m  (Ergebnis  erborgten  baljer  bie  Haturrei^ts» 
Icljrer  btn  (Beljalt   iljrer   Redjtsregeln   bodj    roieber  00m  gefd^ii^tlic^ 


A.  Die  aügemetnen  (Bruttölagen  öer  naturre(^tli(^en  (E^eauffoffung.  295 

(Bemoröenen.  Auf  öie  Steige  na^  bent,  als  3btal,  untDerfell  „gül- 
tigen" poftttoen  3n^Qlt  öes  „notiirltc^en''  unö  .^Dernunftgemägen" 
Red}ts  lag  ja  öie  AntiDort  nur  a03unaf}e,  öag  es  in  btm,  was  btn 
pofitioen  (Belegen  aOer  £anber  unb  Seiten  gemeinfam  t|t,  3U  er- 
greifen |ei.  Damit  ging,  -  unb  bies  ift  eine  grunblegenbe  (Eigentüm- 
lichkeit ber  rein  rationaIi{ti{(^en  tlaturre^tsle^re  -,  bas  «Sein- 
follenbe"  im  „Seienben*  unter.  Denn  bas  „ibeale"  Re^t  iDurbe 
bamit  3U  einer  blogen  Ab|trahtion  aus  bem  fahtif(^  f(^on  oor^anbenen 
Re^t.  Unb  bas  nioeau  bes  3beals  |anft  baburc^  no(^  tiefer,  ba^, 
mo  biefe  Ab|traktion  Derfagte,  als  IDegmeiler  ber  (Befi^tspunkt  ber 
ökonomif^en  „tlü^Ii^keit",  bem  utilitari|(^en  ([i)arakter  bes 
lebiglic^  bem  Dies|eits  {i^  5uo)enbenben,  bürgerli^en  unb  beamtli(^en 
Rationalismus  entjprec^enb,  maggebenb  5ur  (beltung  gelangte. 

(Es  kann  uns  best^alb  ni^t  a03u{e^r  befremben,  bag  man  bie,  in  bem 
po|itiD  geltenben  Re^t  aller  3iDiIi{ierten  £anber  Dorgefunbene,  patriar- 
c^ale  (Ef^eform:  bie  UntertDerfung  ber  perfon  unb  b^  Dermögens  ber 
5rau  unter  bie  Qaus^errf^aft  bes  ITlannes  unb  bie  Rec^tlofigkeit 
ber  Stauen  im  Staate,  tro^  aller  „natürlid^en"  S^^i^i^  ^^^  3nbiDibuen 
im  prin3ip  biOigte,  unb  bag  mei|t  nur  gemiffe,  öugerlic^  anitögige, 
Konfequen3en  bes  patriarc^alismus  als  lDiber|prü^e  gegen  bie  neuen 
3bea(e  empfunben  lourben. 

5a{t  alle  Raturre^tsle^rer  betonen  aUerbings  ausbrüAIi^  bie 
,,Demünftige  (blei^l^eif  unb  meinen  bamit  btn  „(bleic^mert"  ber 
(Be{^(e(^ter.  Do^  finb  fie  meit  baoon  entfernt,  aus  il)rer  begrifflichen 
(Bleic^mertung  ber  S^^^  Konfequen3en  3U  3ief}en,  loel^e  bem  Prin3tp 
bes  überkommenen  (E^ered^ts  miberftreiten.  Soor  loirb  bie  (Ef^e  als 
(Be|en{d)aft  «urfprüngli^  (bleicher"  and^  auf  btn  Boben  ber  Der- 
t  r  a  g  s  tf^eorie  gefteUt.  IDöl^renb  bie  (begenref ormation  auf  bem 
Iribentiner  Kon3i(  ben  Sakramentsc^arakter  ber  (El^e  bogmati|(^  firierte 
unb  bie  kir(^Ii(^e  (Einfegnung  generell  porjc^rieb,  unb  tDÖt^renb 
auc^  bie  Reformationskir^en,  im  (begenfa^  3U  £utl)crs  urfprünglt^en 
Stanbpunkt,  bie  kird)Ii(^e  (Erauung  burcbfüf^rten,  gilt  bem  Ilaturrec^t 
bie  (Ef^e  als  ein  bürgerli^er  Kontrakt  mit  anbre  au(^.  Diefer  Huf- 
faffung,  meiere  konfequent  aus  ber  Bblel^nung  bes  unbibliicben 
Sakraments-([l)arakters  ber  (El^e  folgte,  entfpred)enb,  mar  buxdn  bie 
rabikalen  Puritaner,  meiere  als  Anhänger  ber  (bnabcnn)a!)IIei)re  (Eob* 
fetnbe  aller  ^supcrstition',  b.  l).  afles  Dertrauens  auf  btn  IDert 
fi)mboIi{d)er  Akte   maren,   bereits   in   (Englanb    bie    So^^^^ung    ber 


296    (E^eouffoffung  unö  (E^ere(^t  im  Seitalter  öes  Rationalisimis  k. 

„Säfeularifation"  öer  (E^efotm:  6er  (Eioile^e,  erhoben  morbeiu 
Hus  öiefem  r  e  I  i  g  t  ö  { e  n  ITlotip  heraus  ^atte  (Eromroell  fte  totföi^Hd^ 
in  (Englanö  eingeführt.  Ila^  6er  Sitte  6er  ftonfequenten  ([äufer  ferner, 
|pe5tell  6er  Quöker,  iDur6e  6ie  (E^e  6ur^  einfache  überetnfttmmenöe 
(Erklärung  6er  bet6en  (batten  Dor  Derfammelter  (bemeinbe  ooD309en. 

Dag  6as  tDeltli^e  tlattirre^t  6te  Huffaffung  6er  (E^e  als  eines  |rri> 
Daten  Vertrages  {eIbftDerftan6Itd)  6ur(^n)eg  teilte,  bebeutete,  6ag  6ie  Un* 
teror6nung  6er  5tau  nun  als  eine  freiiDillige,  Don  i^r  mit  6em  (batten 
6ur^  6en  (E^epertrag  oereinbarte  galt,  -  iDoraus  oor  allem  praktift^ 
toi^tige  5oIgerungen  5u  gunften  6er  (Erlei^terung  6er  C^efd^i6uii9 
ge5ogen  tDer6en  konnten.  Hu^  folgerten  6araus  manche  naturret^ts* 
leerer  loeiter  Dertragsfreil)eit  für  6ie  Regulierung  6es  e^elt<j^n  (bütei* 
re^ts,  ja  man  ertDog  fogar,  ob  es  6en  (batitn  möglich  fei,  burd^ 
Oertrag  6ie  Qerrfc^aft  6er  5tau  5U  Derabre6en.  Mein  6ie  Spekulationen 
über  6ie  „flma3onenel)e'',  6ie  oiellei^t  6ur<^  6ie  erfte  Kunbe  üon  6en 
Samilienformen  einiger  Ilaturoölker  angeregt  loaren,  trugen  Ie6i9li(l^ 
6en  Charakter  einer  Begriffsfpielerei  un6  loaren  keinesfalls  als  em^' 
^after  Angriff  auf  6ie  Aügemeingültigkeit  6es  patriarc^alen  prinjips 
ge6a(^t. 

Dagegen  kenn5eid)net  6ie  ^öufige  5or6erung  nac^  UmtDan6Iun9 
6er  Däterli^en  in  eine  „eltcriidje"  fficroalt  immerhin  einen  b^ 
6cutjamen  5ortfdjritt  6er  flnfdjauungen.  Sie  iDir6  mit  6er  Be^oup« 
tung  begrün6et,  ba^  nur  6ie  (Er3iel)ungspflidjt  6en  (Eltern  ein  f)en» 
fd^aftsrec^t  über  6ie  Kin6er  perleit^e,  un6  es  n)ur6e  sugegeben,  bai 
besljalb  6er  ITIuttcr  mit  6enfclbcn  Pflidjten  au^  6ie|elben  Rechte  ©ie 
6em  Dater  3ujtän6cn.  Die  Kritik  6es  rec^tlidjen  Derljältniffes  3n)ifd|en 
(Eltern  un6  Kin6crn  richtete  jeöod)  i!jre  Spi^e  in  erfter  £inie  gegen 
6ic  römijdje  patria  potestas,  6ic  fajt  ausna!jmsIos  als  unoereinbar 
mit  6er  „incnfd)cnu)ür6e"  6cs  Kin6es  erklärt  U)ur6e.  Sie  kam  6a^ 
Dornetjmlid)  6cr  Redjtsjtellung  6cs  Kin6cs,  nidjt  in  gleichem  IlTafee 
aber  6erjcnigen  6er  ITIutter  als  fold)cr  3ugutc.  Die  Be|(^rankung  6er 
Döterlidjen  (BetDalt  auf  6ie  3ur  Sürforge  un6  (Er3iel}ung  notn)en6tgen, 
6em  IDcfcn  nad)  Dormun6jd)aftIid)en  Sanktionen  ift  6enn  aud)  im 
(befolge  6ie|er  Hnfd^auungen  oon  allen  neueren  (befe^gebungen  Der* 
u)irklid)t.  Die  rcd)tlid)c  (Bleid)ftellung  oon  Dater  un6  ITIutter  6agegen 
blieb  faft  überall  nod)  eine  flnroeijung  auf  6ie  3ukunft.  Ueber^upt 
3citigte  6ie  naturredjtlidje  Doktrin  bei  6cm  Derfuc^,  fidj  in  pofitioe 
Poftulate  an  6ie  6e{e^gebung  um3u{e^en,  wk  begreiflich,  6ie  benkbor 


A.  Die  angemetnen  (Brunölogen  öer  naturre(^t(t^en  (E^eouffaffung.  297 

oer{d}te6en|ten  Refultote.  man  konnte  ja  aus  öer  «notur  öer  Soc^e", 
fobalö  einmal  6as  ibeale  „SoUen"  mit  bem  generellen  «Sein"  Dermif^t 
muröe,  tat|a^(i^  eben  fc^Ie^t^in  jeöe  beliebige  Konfequens  bebusieren. 
IDir  mollen  nun  ^ier  3ur  näi^ren  Oeranfd^auli^ung  einige  ber  legten 
großen  Oertreter  ber  (El^eorie,  aus  bem  (Enbe  bes  18.  3af}ri)unberts, 
in  Kurse  5u  IDorte  kommen  (äffen. 

Die  aOgemeine  naturre(^t(id)e  Definition  bes  Begriffs  unb  «Smedts" 
öer  (Ei^,  bie  loir  in  einigen,  um  bie  IDenbe  bes  18.  3a^r^unberts 
entftanbenen,  öeutfc^en  Kobifihationen  mieberfinben  meröen,  mutet  uns 
freute,  il^res  rein  utilitarifd^en  Charakters  falber,  platt  unö  augerlid) 
an.  Au^  aus  ben  öaraus  abgeleiteten  (Erörterungen  über  bas  «fein- 
foUenbe''  innere  Der^öltnis  ber  (batten  3ueinanber  me^t  uns  keines« 
iDegs  ber  Qaud)  groger  neuer  perfönli(^keitsiöeale,  fonbem  me^r  bie 
kleinbürgerli^e  AUtagsIuft  öes  fogenannten  «gefunben  ITlenfd^enDer- 
ftanbes"  entgegen.  (Ein  (^arakteriftifd^es  Beifpiel  biefes  «(beiftes"  finb 
öie  (E^etl^eorien  öes  für  bie  Praxis  einflugrei(^ften  beutfd^en  Auf- 
klörungsp^ilofop^en:  ([l)r.  IDolff.  (Er  besei^net  als  „ZmtA**  ber 
(Ef)e:  Die  (Erseugung  unb  (Ersie^ung  Don  Kinbem  unb  öie  Beförberung 
öer  gegenfeitigen  (blückfeligkeit  ber  (Ef^eleute.  hieraus  folgt  für  ii)n 
mittelft  eines  boppelten  Arguments  bie  Derpflid)tung  jebes  ntannes, 
fi^,  im  3ntere|fe  öiefer  «(blückfeligkeit"  (au^  feiner  eignen!)  mit 
einer  S^^u  3U  begnügen:  erftens  kann  keiner  loiffen,  ob  fein  (belb* 
beute!  in  ber  £age  fein  loirb,  bie  Kinber  mel)rer  Si^^uen  3U  erhalten, 
Smeitens  aber  loürbe  fi(^  ber  poIi]gamt|(^  lebenbe  Ulann  bur^  bie 
Uneinigkeit  feiner  oerf^iebenen  IDeiber  mel)r  Derbrug  als  5^^ube 
bereiten.  Xlidni  nur  in  ber  Derma^nung  an  bie  (batten,  in  S^i^öen, 
£iebe  unb  (Einigkeit  3U  leben,  öamit  fie  fid^  gegenfeitig  kein  «ITtig' 
oergnügen"  bereiten,  fpiegelt  fi^  bas  (El^eibeal  bes  pi^ilifters,  fonbem 
als  nottoenbige  Dorbebingung  einer  glücklichen  (El)e  tDtrb  baraus  oon 
(ü^x,  IDoIff  überbies  bie  Ausftattung  ber  S^<^^  >nit  einem  «Sel^r-  unb 
(Ef^epfennig",  beffen  Ruggenug  unb  DenDoItung  natürlich  bem  Ulanne 
3uftel)t,  abgeleitet.  Auc^  empfiel^lt  er  angelegentlich  bie  (Errid^tung 
oon  (Erboertrogen,  benn  jeber  mug  bem  anbren  für  feinen  (EobesfaU 
fooiel  3uo)enben,  „ba^  er  (ber  lleberlebenbe)  nod)  ebenfo  oergnügt 
mie  Dorl)in  leben  unb  ben  Deduft  ntd)t  |o  leicht  empfinben  kann**.  Seine 
Rechtfertigung  ber  (bel)orfamspflid)t  ber  (El^efrau  ift  ti}pi)c^  für  bie  no^ 
bis  freute  über  biefen  Punkt  üblici^e,  beutfd^e  pt)ili|termeinung.  Als 
oemunftgemög  erf^eint  il)m  an  |i(^,  ba^  bei  nieinungsoerl^iebenl^eiten 


298    (Ef^eauffaffung  unö  (E^ere^t  im  3ettalter  öes  Rationalismus  x. 

im  konkreten  ß^^^  ^^^  Sa^oerftänbigere  entf(^eibe.  Daöur^  könnte 
nun  aber  leidet  öer  naturgetDoUte  3n)e(k  ber  (E^e:  bie  5otberung  ber 
(Blüchjeligkeit  ber  Beteiligten,  gefä^r bet  roerben,  benn  offenbar  jd 
bamit  ber  ffielegenljeit  3u  3anfe  unb  Streit  bie  lEür  geöffnet  3n  ftm 
betraft  biefer  Bebenftli^fteiten  f^eint  es  benn  bodf  beffer,  bag  ein 
für  allemal  unb  in  allen  Dingen  ber  IDille  bes  ITlannes  entfd^tbet, 
namentlid)  ba  er  im  Dur^f^nitt  bo^  ber  (bef^eitefte  ift.  Do^  foOte 
er  fügli^  ber  5^^"  i"  geioiffen  Angelegenheiten  eine  ^beratcnbe" 
Stimme  einräumen:  „Dem  IHann  gebührt  bie  f)err{^aft,  jeboc^  i|t 
biefelbe  bergeftalt  eingefd^rönkt,  bog  er  bas  IDeib,  fonberlic^  in  ben 
Sa^en,  bie  fie  beffer  als  er  oerfte^t,  3U  Rate  sie^t." 

Bemerken  roir  bei  (U^x,  IDoIff  unb  feinesglei(^en  immerijin  ein 
pl}iliftrös  tDol^ItDoIIenbes  Beftreben,  bie  patriar(^ale  (E^eform  mit  bn 
Hllgemeingältigkeit  ber  tlaturre^tsibeen  aus5ufö^nen,  fo  finben  mir 
bagegen  bei  3.  3.  R  0  u  f  |  e  a  u  bie  eigentümli^e  Kombinatton  pot^ 
tifdjer  ffilei^ljeits-  unb  5^^i^^WsibeaIe  mit  einem,  in  natoer  Unoer« 
^ot^Ien^eit  5um  Ausbrudi  gebrauten,  (&e{^Ie(^tsegoismtis,  toel^er  bie 
5rau  betDugt  unb  ausbrüAIi^  auf  ben  Boben  ber  Ueberlieferung 
3urü&u)eift.  -  3^^  lög  ni^ts  femer  als  ber  (Bebanke,  bafe  feine 
roelterfc^üttcrnbe  £e!jre  au^  3U  ben  (D!jren  ber  S^^^uen  bringen  unb 
andf  oon  it^nen  als  ITIagftab  5ur  Beurteilung  il)rer  re^tli^en  Stellung 
in  Staat  unb  Somilie  benü^t  roerben  könnte.  Dielme^r  htytl^i 
Rouffcau,  —  beffen  flnfdjauungen  barin,  roie  fie  btn  fran3Ö{tf(l^n 
nationalkonoent  be!jerrfdjtcn,  Je  im  roefcntlidjen  bis  ^eute  ben  Stanb« 
punkt  ber  „lateinifdjcn"  Dölker  d)araktcrifiercn  — ,  bie  S^tberung 
nad)  Anerkennung  aller  DoIksange!)örigen  als  urfprünglic^  gleid^be* 
redjtigter  Sdjöpfcr  ber  Rcdjtsorbnung  lebiglidj  auf  feine  eignen  (B^ 
fd)Ied)tsgenoffcn.  Hur  ber  ITIann  repräfentiert  iljm  ben  (Eijpus  bes 
DoUcn  ITIenfdjen,  ber  bcredjtigt  ift,  Staatsbürger  3U  fein.  Die  S^u 
aber,  -  in  oielem  il}m  toejensgleid),  in  oielem  oerfdjieben,  —  Ijat  bie 
Hatur  gan3  offenbar  nid)t  als  SeIbft3U)eck,  Jonbern  lebiglic^  für  ben 
mann  gejdjaffcn.  3^te  (Ejiften3  bebarf  bcsljalb  keines  eignen  inneren 
Sdjroerpunkts ,  benn  Ridjtung  unb  3iel,  3n!jalt  unb  Umfang  i^res 
Dafeins  empfängt  jic  oon  il}m,  ebenfo  toie  jie  iljm  äufeerli^  i^re 
J03ialc  Stellung  unb  bie  Bcfriebigung  iljrer  materiellen  BebürfniRe 
ocrbankt.  Billigerroeife  roirb  bcsljalb  jebe  S^öu  redjtli^  oon  irgenö 
einem  ITIann  ocrtrcten,  itjre  3uge!jörigkeit  3U  iljm  beftimmt  i^re  B^ 


A.  Die  Qllgemetnen  (Bninblogen  öer  noturtec^tli^en  (El^eauffaffung.  299 

3iel)un9  3ur  (Be|amt^eit.    Bei  ber  Reotfion  ber  (Sefe^e  brauet  bes^alb 
nt(^t  öie  OorfteOung  3U  toalten,  als  !)ätte  au^  fie  bei  ber  Konftituie- 
rung  bes  Staates  mit5ureben.    Dtelmel)r  können  bie  prioilegien  ber 
Starkeren,  bie  für  bie  re^tlic^en  Be5iel}ungen  Don  ntann  5U  ntann  5U 
befeitigen  ber  eigentlid^e  StoeA  ber  Staatsgrünbung  t|t,  für  bie  Be* 
3ieljung   bes  ITIannes   3ur  5^flw  nadi  roie  oor  mafegebenb  bleiben. 
«Das  IDeib  l)at  bie  Beftimmung,  bem  HTann  3U  gefaOen  unb  |t^  il)m 
3u  unteriDerfen",  -  bas  ijt  nac^  Rouffeau  ber  keines  weiteren  Be- 
loeifes   bebürftige  6runb{a^   3ur  Regulierung   bes  Derl)altni{fes   ber 
6ef(^Ie(^ter.    ([rogbem  braucht  naij  {einer  Bnfi^t  bie  Stau  ni(^t  3ur 
Sklaoin  bes  ITIannes  3U  merben,  |onbern  kann  fi^  als  {eine  (beföl^rtin 
bel)aupten.   Dtnn  bie  Ratur  oerlie!)  il}r  3um  Ausgleich  i^rer  Sc^toäd^e 
bie  überlegene  £ift  als  i  l)  r  e  befonbere  gei{tige  tDaff e  unb  bur^  bie{e 
kann  \it  ben  Ulann  innerlich  bet}err(d)en,  obn)ol}l  |ie  \\di  il)m  äuger* 
Ii(^   beugt,   unb   i^m,   bei  äußerer  5ug(amkeit,  bie  (Erfüllung  tl)res 
eignen  IDiüens  um  {0  ^öufiger  ab{(^mei^eln.    lieber  it^re  Abl)ängig- 
keit  prin3ipiell  l)inaus3u{treben   aber   i(t  töricht,   ba  (ie  fi^  baburd) 
bem  ntanne  nur  mißfällig  unb  lädjerlidj  ma^t  unb  {i^  itjrer  geljeimen 
niac^t  über  tt^n  entkleibet.    flI{o  i(t  nic^t  bie  Steilheit,  {onbern  bie 
rec^tlid^e,  (03iale,  ökonomi(d)e  unb,  wk  xdxx  nodn  (el)en  n)erben,  aud) 
m  0  r  a  I  i  { c^  e  flbtjängigkeit  bas  angeborene  „Raturrec^t"  bes  n)eibes. 
Diefe  Der(d)iebene  Stellung  ber  (fiefc^Iec^ter  3U  einanber  unb  3ur 
<Be{amtl)ett  rechtfertigt  Rouffeau  unmittelbar  mit  il)rer  naturgegebenen 
Oer((^iebenl)eit  unb  {c^Iie^t  roeiter:  tDeil  bie  (battungsfunktionen  bei 
Ulann  unb  S^au  per(c^ieben  {inb,  meil  il^re  Ausübung  für  beibe  oer« 
fd)iebene  S^Igen  3eitigt   unb   meil   fte   best^alb   Der(c^iebene   |eeli{d)e 
<Etgen((^aften  unb  Reigungen  l}abtr\,  -  (0  (ollen  {ie  aud)  einer  oer- 
f^iebenen  <Er3iel)ungsmet!)obe  unb  einem  Der{d)iebenen  Sitten- 
kobe;  unter{teUt  merben.    3um  Beifpiel:  ^Der  Ulann  (oll  tatig  unb 
ftark,   bie  5t<iu  empfangenb  unb  (c^toad)  (ein",  ber  Knabe  (oU  (id) 
gegen  jebe  Ungerechtigkeit  empören  unb  nur  auf  gerabem  XDcqe  {einen 
n)illen  bur(^{eöen;  Dorneljm{te  unb  tDid)tig|te  <Eigen(djaft  eines  Uläb- 
c^ens  aber  i{t  ^Sanftmut  unb  Süg{amkeit*',  unb  um  {päter  bie  t)ärtcn 
eines  (Satten  ertragen  3U  können,  mufe  {ie  {djon  frülj,  oljne  (idj  3U 
beklagen,  Ungeredjtigkciten  erbulben  lernen.    Aus  ber  Der{d)iebenljeit 
ber  pl)i]rtoIogi{c^en  Sw^^^tionen  ber  (be{djledjter  folgt  für  ihre  mora- 
Ii((^en  Pflichten:   „Die  Strenge  ber  gegen{eitigen  Pflidjten  beiber 
<Befd)(e(^ter  i{t  unb  kann  ni(^t  bie(elbe  (ein*'  -  -   «bie  untreue  S^au 


Ik 


300    (E^eauffoffung  unö  (E^ere^t  im  Settalter  öes  Rationalismus  ic 

begebt  ein  größeres  Unre^t  als  ber  untreue  niann'',  öenn  toenn  {te 
5em  manne  Kinöer  gibt,  öie  ni^t  öie  feinigen  finö,  fo  betrügt  {ie 
beibe  unb  fügt  5ur  Untreue  no^  ben  ITleineib.  Da  öie  S^^^  <^btt 
{tets  beftrebt  fein  mug,  btn  ITlann  por  mißtrauen  gegen  öie  £egi' 
timitöt  feiner  Kinber  5U  betoa^ren,  kann  fie  fi(^  ni(^t  öamit  begnügen, 
nur  tugenbt^aft  5U  fein:  fie  mug  Dor  allem  au(^  tugenb^aft  f  (feinen, 
tlur  ber  ITlann  ftann  es  fi^  alfo  leiften,  na(^  feinem  eignen  (Bemiffen 
-  innerlidj  frei  -  3U  ^anbeln,  bie  5^ow  aber  mufe  i^r  Oer^alten  in 
aOem  na&i  feinem  unb  bem  Urteil  ber  ITlenge  richten. 

man  fiet}t  f^on  bei  Rouffeau,  tDO^in  bie  naturaltftifc^e  Begrün* 
bung  ett^ifd^er  tlormen  fü^rt.  Dtnn  biefe  ganse  Kette  oon  Sd^IugfoI* 
gerungen  entfpringt  ber  au^  ^eute  no^  fo  beliebten  Dorausfe^ung, 
bog  bas  „Sittli^e''  aus  bem  „natürlichen''  ab5uleiten  fei,  unö  ba%  bie 
„Ilatur"  Don  mann  unb  5^^^^  je  einem  abftraftten  (Gattungsbegriff 
jebes  Don  beiben  gleid)  fei.  3n  ben^  oon  öer  augeroröentlic^en  Der* 
fc^iebenartigkeit  ber  ein5elnen  mönnli^en  3nbiDibuen  abfe^enöen,  flu* 
gemeinbegriff  bes  „mannes"  toerben  nun  ftiOf^toeigenb  alle  öiejenigen 
geiftigen  (Eigenf^aften  t}ineingelegt,  auf  (bxunb  beren  alle  m&rater 
ben  gleichen  Anfpru^  auf  S^^i^^it  ergeben  können. 

(Ein  gan5  anberes  Hefultat  ergibt  bagegen  basfelbe  Oerfa^ren,  auf 
bie  5i^ou  angetoenbct.  Bei  ber  Bilbung  bes  Gattungsbegriffs  oom 
„IDeibe"  finb  nämlidj  bie  unenblid)  oerf^iebcnartigcn  unb  befonberen 
geiftigen  (Eigenfdjaften  ber  konkreten  tociblid^en  Snbioibuen  3U  Boben 
gefallen  unb  nur  biejenigen  mcrkmale  3ujammengefa6t,  bie  fie  pt)t)ftf(i} 
als  „6cfd)Ied)tsu)cfen"  oom  manne,  mit  beffen  Hugen  gefe^n, 
untcrfd)ciben.  flifo  oor  allem  bie  größere  Abhängigkeit  ber  5^^^  oon 
i!jren  gcfdjiedjtlidjcn  Sanktionen  unb  iljre  geringere  muskelkraft. 
Dagegen  toerben  alle  biejenigen  (Eigenf^aften*  loeld^e  bie  5^^^  als 
benkcnbe,  toollcnbe  IDefcn  mit  btn  männern  teilen  unb  als  5üljlenbe 
Dielleid}t  oor  il}nen  ooraus  l}aben,  aus  ü^rem  (Gattungsbegriff  ausg^ 
fdjaltet.  Aus  bem  ftiIIjd)roeigenben  Dcrglei^  biefer,  an  3nl)alt  fo 
oerjdjieben  rcidjen,  Begriffe  oon  mann  unb  IDeib  roirb  bann  öer  Sd^Iufe 
auf  eine  oöllig  oerfdjiebene  tDefensbefd)affen!jeit  ber  beiben  (5ef(^Iec^ter 
gc3ogcn,  fobafe  es  gcredjtfertigt  erjdjeint,  aud)  i!jr  fosiales,  re^tlid^es 
unb  moralijdjcs  Derljältnis  3U  cinanber  nadf  oerfc^iebenen  (Brunbfö^en 
3u  regeln.  Dabei  ift  felbftocrftänblid),  bafe  ber  mann  fi^  allein  als 
Rcpräjcntant  bes  ooUen,  3ur  Kulturarbeit  berufenen  menf^entums 
begreift,  bafe  „mann"  unb  „mcnfd)"  überl)aupt  als  ibentifc^  erfd^einen, 


A.  INe  allgemeinen  (Brunölagen  öer  naturre(^tltd)en  (E^eauffaffung.  301 

unb  baxaus  mieber  folgt,  ba^  für  bie,  als  „(Befc^Iec^tstDefen"  gebac^te, 
5rau  als  ftttlic^e  Aufgabe  nur  bie  Steigerung  unb  (Entmtdtlung  beffen, 
mos  fie  oom  ntanne  unter|d)eibet  unb  für  if^n  an3tef}enb  mac^t,  alfo  il)rer 
<Be|d}le(^tsquaIttäten,  übrig  bleibt.  Sie  l)at  „IDeibc^en"  3U  fein, 
unb  es  Iol)nt  \\d^  fe^r,  jenen  flbf^nitt  von  Rouffeau's  epo(^ema(^enbem 
fyauptiDerft  „(tmxh*\  ber  fid)  mit  ber  <Er3iel)ung  Don  beffen  ,,3u- 
künftiger",  ,,Sopf}ie'\  befaßt,  in  |einer  anmutigen,  in  biejem  ß^^ 
„tdft  männlichen"  naioitöt  3U  Ie|en,  mtnn  man  bas  naturaliftifc^e  (E^e- 
ibeal  in  feiner  reinen,  ^eute  mei|t  buxdi  pi)ra{en  oerf^üOten,  (beftalt 
kennen  lernen  miO.  Hur  burc^  bie  ausfc^Iieglid^e  Betonung  unb  Be- 
wertung ber  faktif^  größeren  körperlichen  (bebunben^eit  unb  ber 
baraus  folgenben  pl)i]fi{<l^en  Befonber^eit  ber  Stauen  erf^Io^  ft^  für 
Rouffeau  unb  {eine  Seit  bie  ITlögli^keit,  bie  Re^tfertigung  if^rer 
Unterorbnung  mit  {einen  naturre^tli^en  3bealen  3U  oereinigen. 

IDie  uns  bas  £tc^t  mancher  Sterne  l)ier  auf  (Erben  erft  nadn  if^rem 
Oerfc^minben  im  IDeltenraume  erreicht,  {0  foOte  bie  genuine  3bee 
eines  Anfpru^s  aller  auf  bie  gleiche  ITIenfc^enmürbe  unb  auf  ge« 
toiffe  „unoeräugerlic^e"  ntenf^enrec^te  bas  Derl)altnis  oon  HTann  unb 
5rau  in  ber  (Et^e  erft  bann  3U  erleu^ten  beginnen,  als  bie  IDirkung 
jenes  (bebankens  für  bie  red^tlic^en  Be3iel}ungen  ber  männlichen  Staats« 
angel)örigen  löngft  in  btn  Derfaffungen  ber  Kulturlönber  \\d^  aus* 
gelebt,  ja  teilmeife  f(^on  roieber  burc^  bie  Schaffung  neuer  Kulturibeale 
unb  anbersartiger  Begriffe  Don  ben  Aufgaben  ber  (befamtt^eit  parali)- 
fiert  mar.  5^^  bie  Stauen  finb  bie  (bolbkörner  in  ber  naturrec^tlic^en 
(bebankenroelt  bis  t^eute  no^  nid^t  doII  ausgemün3t  roorben.  Dtnn 
mir  Derbanken  jener  (Epod^e  einen  meit  Härteren  3beenkreis,  ber  bie 
Be3iel}ungen  oon  nTenfd)  3U  menfc^  überl)aupt,  unb  fo  auc^  Don  Illann 
unb  IDeib,  unenblic^  oiel  klarer  unb  tiefer  als  bie  bist)er  befproc^enen, 
pl}iliftrös  befangenen  rationaliftifc^en  3been  erleud)tet.  Die  etl}ifd)e  5rei- 
l)eitslel)re  bes  beutfd^en  3bealismus  gab  bem  (bebanken  ber  „Sreif^if 
unb  .(bleidjtjeit"  unb  ber  ^Urredjte"  einen  neuen,  auf  bas  3nnenleben 
bes  <Ein3eInen  be3ogenen  Sinn,  unb  fd}uf  bamit  3ugleid}  auc^  bie  tiefften 
Begrünbungen  für  bie  S^^berung  na&i  Heugeftaltung  ber  äußeren 
Be3iel)ungen  ber  3nbiDibuen.  tDer  Ijeute  unfre  l)öd)ften  3beale  nidjt 
burc^  bie  blo^e  Berufung  auf  egoifti{d)c  „(befd^Ied^tsintereffcn",  fonbern 
e  1 1)  i  f  d)  begrünben  mill,  mirb  ftets  auf  bie  (brunbgcbanken  K  a  n  t  's 
unb  5  igte's  3urüdtgreifen  muffen,  fo  fern  ab  bie  praktifc^en  Solge- 


302    (E^eauffaffung  unö  £^ere^t  im  Settolter  öes  Rationalismus  ic 

rungen,  bte  mix  ^eute  aus  lenm  (Brunbgebanften  sieben,  oott  öenen 
liegen,  öie  jene  mannet  felbft  als  fol^e  ernannten.  IDir  toollen  uns 
i^re  £e^re  öa^er,  ni^t  nur  aus  ^iftorif^en  (Brünöen,  etoos  no^r 
in  (Erinnerung  rufen. 

3ene  etl}i|^e  „Autonomie",  6ie  fie  als  roa^re  S^^^i^^it  oerltünöeten, 
beruhte  it^nen  öarin,  bog  ber  men{(^  yoax  als  „(teil  ber  Itatur"  fic^ 
i^ren  6e{e^en  eingeorbnet  unb  bur^  eine  enblofe  Rei^e  oon  baufd 
oerknüpften  (Ereigniffen  in  pe  oerflo^ten  roeift,  als  „tLxaqtx  5er  Der- 
nunft"  aber  bas  (Sebot  in  ft^  fü!)It,  ,,|elbft  Ur{a(^e  feiner  Qanblungen 
3U  fein".  Diefes,  rein  oerftanbesmäfeig  nic^t  loeiter  3u  begreifenbe, 
Berougtfein  eines  (5rei«QanbeIn)«S  o  1 1  e  n  s ,  bas  in  uns  als  bas  (bt* 
fü^I  ber  „Pfli^f'  erf^eint,  ift  filr  fle  bie  le^te  Oorausfe^ung  unb  bas 
Kriterium  aller  Sittlichkeit.  Sittli(^  unb  pfli^tgemäg  ^anbelt,  loer 
„frei''  ^anbelt,  unb  frei  ^anbelt,  loer  fo  Ijanbelt,  roie  es  t^m  fein 
eignes  6en)iffen  Dorf  treibt,  wtx  fi^  alfo  innerli(^  keinem  anbem 
als  bem  felbft  erkannten  6efege,  biefem  aber  auif  bebtngungslos, 
beugt.  IDel^en  IDeg  nun  ben  (Ein3elnen  bie  Pfli^t  bei  jeber  einjelnen 
Qanblung  5U  ge^en  ^eigt,  —  bas  toeig  unb  fielet  jeber  nur  für  fii^ 
allein.  Dies  bebeutet  5una^ft,  bog  bie  innere  Stimme  bie  oerfc^iebenen 
3nbiDibuen  5U  gan5  oerfd^iebenen  Hufgaben  unb  Qanblungen  treiben 
kann.  Die  fubjcktioen  (Entfdjeibungen  bes,  im  etl)if<^en  Sinne,  „frei" 
u)ä!jlenben,  (Ein3elnen  finben  it^xe  Ri^tlinie  nur  an  bem  Berougtfein 
ber  objektioen  Hllgemein gültigkeit  ber  getroffenen  (Entfc^eibung, 
barin,  bag  fie,  nad)  bem  Pflid^tbetDugtfein  bes  Qanbelnben,  in^altlic^ 
geeignet  tDören,  als  allgemein  perbinblic^e  tlormen  5U  gelten.  (Bewig 
erkennen  toir  nun  au^  in  ber  (Befd)id)te  ber  ITIenft^^eit  ben  Pro3e6 
einer  ftets  fortfdjreitcnben  (Erkenntnis  „gültiger**,  „objektioer**,  normen 
bcs  t)anbclns.  Ueber  bas  ITIafe  ber  pcrfönlidjcn  Sittlidjkeit  bes  (Ein* 
5elnen  entfd^eibet  aber  keinerlei  öugeres  nterkmal,  alfo  au^  nid)t  bie 
Ucbcreinftimmung  einer  t)anölung  mit  jenen  jetDeils  konDentioneU  als 
gültig  anerkannten  Ilormcn.  Dielme!jr  entfc^eibet  über  iljren  IDert  in 
legtet  £inic  allein  öie  6  e  f  i  n  n  u  n  g ,  aus  ber  fie  entftanben  ift,  ber 
(Entfd)Iu6,  „fittlid)*\  bas  l^eifet:  einer  ibeal  gültigen  Ilorm  gemög,  3U 
Ijanbcin:  ber  IDille  3um  „6uten**. 

Hur  burd)  freie  S  el  b  ftb  eftimmun  g:  -  ni^t  aber  bun^ 
„Haturgefc^e"  feiner  „Sinnlid)keit'\  fonbern  gemäfe  ben  Ilormen  feiner 
„Dernunft",  u)irb  ber  ITIcnjd)  „frei".  Unö  als  (Träger  biefer  „Srei^eit" 
(Autonomie),  burd)  roeldje  ber  ITIenfc^  in  fic^  bie  finnlic^e  Ratur  mit 


A.  INe  aUgemeinen  (Brunblagen  ber  naturre^tli^en  (Ei^eauffaffung.  303 

einer  unfinnli^en  IDcIt  6cr  36cale  unb  geiftigen  IDerte  oereinigt,  öarf 
er  beanlpruc^cn ,  ab|oIuter  „SeIbft3rDe*"  3U  Jein,  beflftt  er  eine  fpc- 
5ifi((^e  IDüröe,  6ie  i!jn  als  „per|önli^keit*'  von  aUen  anören  n)e|en 
um  iljn  Ijer  als  „Sa^en''  untcr|^eiöet.  3e6es  oernünftige  3nöiDiöuum 
kann  unb  foO  öes^alb,  öen  ein5igartigen  fittli^en  Aufgaben  gemäg, 
öie  fein  Sc^idtfal  ü^m  fteOt,  ein  etn3igartiges  unb  urfprünglic^es 
merben,  bas  (einen  flbelsbrief  nid)t  von  anbren  empfängt,  fonbern  in 
fi^  trägt,  inbem  es  beftimmt  ift,  I)err  ber  „Ratur''  in  p^  unb  aufter 
(Ic^  3u  fein. 

Huf  tDeld^e  IDeife  näl)ert  fid)  nun  aber  ber  <Ein5elne  biefem  3u« 
(tanbe  ber  fittlic^en  Steiljeit?  Sunäc^ft  burc^  ben  perjönlic^en  (blauben 
an  bie  ITIöglid^keit  feiner  ftttlid)en  Selbftänbigheit  gegenüber  ber 
flufeenroelt.  IDer  (Ic^  „frei''  glaubt,  ber  f^afft  (ic^  „frei*',  btnn  er 
beftimmt  fi^  babur^  felbft  5ur  beftänbigen  UebertDinbung  ber  Schranken 
feiner  Haturgebunbenl^eit.  3nbem  toir  btn  tägli^  neu  auf  uns 
einftürmenben  Begef^rungen  unferes  (Erieblebens  unb  (Einbrüdien 
ber  Augenmelt  raftlofes  Kämpfen  um  fittlic^e  Selbftbeftimmung  ent« 
gegenfe^en,  hönnen  roir  itjrer,  in  btn  6ren3en,  bie  unfrer  Kraft  gefegt 
ftnb,  Ijerr  roerben.  Die  „Hatur''  in  uns  geljt  -  mit  fdjroffem  Ri- 
gorismus i)ielt  namentlid)  Kant  an  biefem  puritanifd)en  Sa^  feft  - 
auf  (benug,  Rul)e  unb  Bequemlichkeit  unb  fügt  fid)  tben  best)alb 
f^ufig  genug  blinb  fremben  Autoritäten.  Unfre  Beftimmung  3ur  Stei- 
lheit bokumentiert  fi(^  bagegen  in  uns  als  Streben  nad)  raftlofer,  buxdn 
bas  eigne  Pflid}tgef ül)I  biktierter,  felbf tbeftimmter  ([  ä  t  i  g  k  eit.  3nbem 
mir  babur(^  uns  felbft  unb  bie  Hugenmelt  nadn  unferen  3bealen  unb 
geiftigen  Stoedien  betonet  3U  geftalten  unb  3U  bilben  oerfud^en,  toerben 
mir  „perfönlid)keiten",  ftatt  in  paffioer,  geniegenber  f)ingabe  an  fie 
iljre  Knechte  3U  fein. 

Die  Dienftbarmad^ung  ber  gefamten  Hatur  für  bie  Smedte  ber 
Sittlichkeit  kann  natürlich  nur  burd)  alle  (Ein3elnen  gemeinfam  erreicht 
merben,  fie  ift  alfo  Aufgabe  ber  (befamttjeit.  3m  plane  ber  Dermirk- 
lid)ung  pttlid)-geiftiger  3medte  in  ber  Au^enmelt  -  bie  mir  als 
„Kultur"  be3eidjnen  -  Ijat  bestjalb  jeber  (Ein3elne  feine  beftimmte 
Aufgabe.  Unb  bie  (Erkenntnis  meiner  eignen  Beftimmung  3ur  fittlid^en 
5reil)eit  erleu^tet  mir  3ugleid}  bie  Beftimmung  meiner  ITTitmenfd^en, 
unb  gibt  mir  bamit  eine  allgemeine  Hid^tfc^nur  für  mein  Derl^ältnis 
3U  il)nen.  (Offenbar  follen,  oor  allem,  alle  gleid}  mir  ber  fpe3ififd)en 
nienfd^enmürbe  teill^aftig  3U  merben  beftrebt   fein,   alfo  nad^  i^xtm 


304    (E^eauffaffung  unb  (E^ere^t  im  Settalter  öes  Rationaltsmus  k. 

eignen  (BetDtffen  5U  t^anöeln,  unb  je  na^  i^ren  befonberen  Sä^ig^^iten 
einen  ([eil  ber  Augentoelt  ber  Kultur  unb  fittli(^en  3iDe&en  3u  unter* 
rocrfen  lernen.  Die  Dorbebingung  ba3U  aber  ift  für  jeben  ber  Bejt^ 
feiner  äußeren  5^^i^^^t:  bes^alb  barf  jeber  ben  IDillen  bes  anbren 
nur  5U  „mtAtn",  ni^t  aber  5U  „beftimmen"  {u^en,  unb  alle  {ollen 
fid)  gegenfeitig  f^Ie^t^in  als  frei  n^oüenbe  „perfönli^fteiten"  aner- 
kennen unb  be^anbeln,  b.  ^.  fi(^  gegenfeitig  eine  Sphäre  ber  Selbft* 
beftimmung  unb  freien  IDirkfamkeit  5ugeftet}en.  Diefe  Pfifft  aller 
gegen  alle  aber  f fliegt  unmittelbar  für  feben  bas  Oerbot  ein,  fid^ 
irgenb  eines  anbren  —  ©er  immer  er  fei  —  nur  als  ^IHittel"  für 
feine  eignen  perfönli^en  3tDedie  5U  bebienen,  benn  bas  bebeutet  bie 
(EnttDürbigung  bes  anbren  5ur  Sa^e. 

Die  Selbftbef  ^r  önkung  perfönli(^er  egoifttfd^er 
^errf^aftsgelüfte  foll  bemna(^  bie  Ri^tf^nur  für  bie  de« 
ftaltung  ber  Re^tsorbnung  fein,  unb  meldte  5ormen  fte  auc^  immer 
in  btn  ein5elnen,  ^iftorifd)  geworbenen  Staaten  annehme,  fie  foII  barauf 
ausge!)en,  bem  £eben  ber  6efamtt)eit  einen  folgen  öugeren  Rahmen 
3U  ©erleiden,  ba^  jebem  (Ein3elnen  bie  IHögli^keit  bleibt,  eine  fittlid^ 
geiftig  „freie"  perfönli^keit  3U  roerben  unb  na<^  feiner  Befonber^it 
tötig  an  ber  Umformung  ber  Augentoelt  na(^  fittli^en  3been  teilsu« 
neljmcn.  Dies  finb  bie  urfprünglidjcn  „Urre^te"  jebcs  (Ein3elnen, 
beren  Sdju^  unb  Deru)irklid)ung  fid)  jebe  Rec^tsgemeinf^aft  als  Auf» 
gäbe  fc^en  foII. 

Durdj  bicfe  erljabencn  poftulate  bes  et^ifdjen  3fibioibuaIismus, 
bie  bas  fittlidj  frei  rooUcnbc  3nbiDibuum  oon  ber  Unterorbnungs» 
pflid)t  unter  trabitionclle  Autoritäten  befreien,  um  es  burdj  bie 
3bee  ber  Selbftoerantroortlidjkeit  unb  ber  beftänöigen  Selbftkontroüe 
feines  tDillens  um  fo  fefter  3U  binben,  ift  -  möge  bie  Art  ber 
Sormulierung  nod)  fo  roanbelbar  fein  -  in  btn  cntfc^eibenbcn  punkten 
für  alle  Seiten  bem  (Ein3elncn  ein  prüfftein  gegeben,  an  bem  er 
felbft  ben  fittlic^cn  tDcrt  feines  t)anbclns  erproben  kann.  Sugleid) 
finb  bamit  aber  aud)  IHa^ftäbe  gefunben,  an  benen  bie  inneren  unb 
äußeren  Bc3icl}ungen  fo3iaI  aneinanber  gebunbcner  TTtenfdjen  3U  ein» 
anber  orientiert  tocrbcn  können,  unb  man  foUte  meinen,  ba^  oon  ifjnen 
aus  aud)  ber  tDeg  3ur  Umgeftaltung  ber  inbioibuellen  Be3ie[jungen 
ber  (Befd)lcd)tcr  nid)t  all3uu)eit  fein  könnte.  Denn  roer  fi^  über^upt 
3U  ben  poftulaten  bes  ctl}ifd)en  3bealismus  bekennt,  kann  iebenfaüs 
unmöglid)  auf  ©runb  ber  oerfdjiebenen  „Hatur"  ber  ffiefdjlec^ter  bie 


4.» . . 


A.  Die  allgemeinen  (Brunölagen  öer  naturre^tli^en  (E^eauffaffung.  305 

genereOe  äußere  flbl)angigkeit  unb  Unterorbnung  öes  einen,  öie 
genereOe  qcrrfc^aft  öes  anbren  forbern.  Die  tlatur,  bas  „Sein", 
feiert  für  fid)  allein  uns  ja  f(^Ie(^terbings  nid^ts  über  ben  „Sinn" 
unferes  Dafeins  unb  bleibt  uns  auf  bie  5^<i9^»  ®i^  ^i^  l)anbeln 
f  0  1 1  e  n ,  um  fittlic^  5U  fein,  etoig  bie  Bntroort  fc^ulbig.  Sie  ift, 
nad)  ben  Cel^ren  bes  3bealismus,  (Begenftanb  unfres  (Benuffes  unb 
®bjekt  unfrer  Pflichterfüllung,  aber  keineswegs  £eitftern  auf  unferm 
IDege  3ur  fittlid^en  S^^^^^it.  Die  naioe  Derquidtung  bes  „natu  r« 
I  i  (^  e  n"  mit  bem  „D  e  r  n  ü  n  f  t  i  g  e  n",  roeldje  bem  naturaliftijc^en 
Rationalismus  ber  £)ufklarungs3eit,  n)ie  n)ir  fallen,  eignete,  tft  i)ier 
für  immer  ocrnidjtet.  tDenn  roir  |o  l)äufig  bas  6e|onte  mit  bem 
„natürlidjen"  gleic^jeften,  (0  interpretieren  roir  bamit  in  bie  Hatur, 
bie  ja  bod)  als  {ol(^e  nadf  „IDerten"  nid)t  fragt,  etroas  pon  bem,  mas 
bas  |ittlid)e  Berougtfein  als  tDertüoU  erkannt  l)at,  i)inein.  ^^nber* 
(eits  leljrt  uns  -  fofem  roir  bzn  £el)ren  bes  3bealismus  treu  bleiben 
-  bie  Dernunft,  ba^  als  ber  le^te  Dafeins3tDedi  aud)  ber  5^ou 
kein  anberer  als  thtn  il^re  (EnttDidilung  5ur  ftttlidien  5^^<4^it  gelten 
kann.  Diefe  il)re  „Beftimmung  3ur  Selbftbeftimmung",  bie  fie  mit 
bem  Ulanne  teilt,  fd)liegt  aber  notroenbig  ein,  ba^  audf  il^r  tDille  nur 
„geroeÄt*',  nic^t  Don  aufeen  „beftimmt**  ©erben  barf,  ba^  es  audj  für 
fie  „unfittlid^"  ijt,  rotber  iljr  eignes  (beroiffen  nac^  bem  tDillen  anbrer 
3U  l)anbeln,  bag  auc^  fie  einer  gefd)ü^ten  Spl^öre  äußerer  5^^<^it 
bebarf  3ur  (Entfaltung  iljrer  Perjönlid)keit. 

3ebo(^  mit  ber  Be3iel}ung  ber  poftulate  bes  etl^if^en  3bealismus 
auf  bas  Derljältnis  ber  S^Q"  3wm  ein3elnen  ITTanne  unb  3ur  (bejamt- 
l)eit  l)atte  es  bamals  noc^  gute  tDeile.  Der  platte  „nüftlic^keitsftanb« 
punkf  IDolff's  unb  ber  naioe  Haturalismus  Houffeau*s  war  aOerbings 
auf  bem  Beben  biefer  £eljren  übertounben.  Rb^x  audj  oon  bem 
etlji|(^en  3bealismus  forberte,  u)0  er  bie  tDirklid}keit  nad)  Rvi  bes 
naturrec^ts  bebu3ierenb  3U  orbncn  |ud)te,  bie  3cit  iljren  (Tribut.  Rudi 
bie  großen  Derkünber  ber  neuen  Prin3ipien  bad}ten,  ebenfo  tDie  im 
Altertum  bie  Apoftel  ber  religiö|en  (Ebenbürtigkeit,  nidjt  baran,  ber 
patriarc^alen  Unterwerfung  ber  S'^Qu  in  ber  (Elje  grunbjä^lid)  iljre 
Berechtigung  3U  beftreiten.  Bllerbings  forberten  fie,  voie  andf  faft  alle 
rationaliftifd^en  Haturrec^tslel^rer,  bie  Anerkennung  ber  unbebingten 
fittli^en  unb  red)tli(^en  Derpfltd)tung  beiber  (batten  3ur  el}eli(^en 
Ireue.  3ebo(^  ©iberftreitet  es  3.  B.  nac^  Kants  HTeinung  „ber 
(Bleic^f^eit  ber  Derel}eltd}ten  nic^t",  toenn  bas  (befe^  oom  Ulanne  in 

IT  r  b  r  r ,  (Cbcfrau  unb  muttrr.  20 


\ 


306    (E^eauffaffung  unö  (Et)ere(^t  im  3eitalter  bes  Rationalismus  k. 

besug  auf  öas  IDeib  fagt:  ,,er  foU  bein  I}erT  fein".  3a,  5^4^^  9^ 
lang  es  {ogar,  ein  ftteng  patriar^ales  (E^eibeal  bireftt  aus  ben  oben 
ffti55terten,  et^if^en  unb  re^tli^en  poftulaten  absuleiten  unb  if)m  ba« 
bur^  eine  ^ö^fte  Oerklörung  unb  begriffli^e  Rechtfertigung  3U  oet« 
leit^en,  oon  beten  äft^ettf^em  Sauber  unb  f^einbarer  logifd^r  S^Iütfig« 
keit  man  fi^  nur  bur^  etnbringenbes  Ausbenften  i^rer  Konfequenjen 
befreit.  6rabe  meil  bies  3beal  no^  an  ber  S^toeüe  unferer  Seit  in 
einem  Vertreter  bes  et^if^en  3nbiDibuaIismus  einen  gifinsenben  5ür« 
fpre^er  gefunben  l)at  —  {einen  größten  feit  Paulus  —  foll  es  ^ier 
no(^  einmal  5U  IDorte  Kommen. 

Sunö^ft  ift  Säte's  Huffaffung  ber  (Ei)e  {0  tief  unb  toilrbig,  toie 
bei  keinem  {einer  Seitgenoffen.  Seine  Refiqrion  über  i^re  natürlid^ 
unb  ett)t{^en  (brunblagen  kommt  5U  bem  Re{ultat,  bog  fie  fomo^I 
i^rer  „Ilatur  na<^''  roie  au^  oor  ber  „Dcrnunft'*  als  Selb{t30)e(fc 
5U  gelten  !)at.  Denn  ü^re  ,,natürli^e''  Bebingung  i{t  5una(^ft  bie  Be> 
friebigung  bes  (befd^Ie^tstriebs,  n  i  ^  t  bie  fakti{^e  mögliche  S<>lqt: 
bas  Kinberseugen.  Sittli^  betrautet  aber  ift  fie  einmal  bie  einsige 
oon  ber  Dernunft  gebilligte  5^^^  bie{es  (Eriebes,  5uglei^  aber  aui^ 
eine  nottoenbige  (Exi{ten5form  für  bie  oolle  (Entfaltung  aller  ftttli<^ 
(Eigcn{d)aften  ber  3nbioibuen,  IDo  finben  loir  nun  einen  IHafeftab, 
an  bem  fidj  bie  fittli^  nottocnbige  Soxm  bes  inneren  unb  dufteren 
Derljältniffes  ber  (E!jegatten  able{en  läftt? 

SroeifcIIos  finb  ITIann  unb  IDeib  als  moraIi{dje  ]De{en  „gleich", 
b.  l).  fie  finb  beiöe  fäljig  unb  beftimmt,  (Träger  ber  Dernunft  unb  ber 
fittlidjen  S^^^^^'t  3U  roerben.  Sie  pnb  aber  Dcrfdjieben  in  be3ug  auf 
i!)re  ©attungsfunktioncn,  unb  ber  natursrocA  ber  (Elje  roirb  nur  ^' 
burd)  erreicht,  baft  [idj  bas  eine  ©ejdjledjt  bei  ber  (Erfüllung  biefer 
Sunktionen  nur  tätig,  bas  anbcre  aber  I  e  i  b  c  n  b  Derl}alt.  ©ffen« 
bar  gibt  uns  bie{e  pl}t}ftoIogi{d)C  Derfd)icben!jcit  oon  ITIann  unb  IDeib 
ben  Si"9C^3^i9  füi^  ^^^^  Der{d)icbcnartige  Stellung  3U  einanbcr^).  Be» 
bingung  ber  (Entroidilung  jcbes  (Einzelnen  3ur  fittltc^en  per{önlic^keit 
ift  aber  {clbjtbcjtimmtc  (Tätigkeit,  bcs!)alb  barf  kein  Dernunftn)e{en 
fid)  bloftcs  £eiben  3um  3u)cd?c  fe^en.  -  Da  nun  allein  ber  ITIann 

*)  ntan  bcad)tc,  bafe  tjicr  aud\  Sid)te,  im  |djärf(ten  IDi6er(prud)  3U  {einer 
erkenntnistt)eoreti|d}en  Stellung  5ur  ICatur  unb  3ur  Begrünöung  (einer  <Etl}ik, 
bas  Sollen  aus  bem  Sein  ab3ule{en  oerfud^t! 


A.  Die  oOgemeinen  Ctunblagen  ber  naturrec^tlti^en  (E^uffalfung.  307 

öie  Befrieöigung  feines  Haturtriebs  bur(^  „tLätiglktiV*  erreicht,  barf 
nur  er  allein  fi(^  biefen  ([rieb  eingef teilen  unb  fi(^  feine  Befriebigung 
3um  3iDe(be  fe^en,  -  bie  Sanktion  ber  5rau  jeboc^  befte^t  in  bloßer 
Pafftoität:  um  ii^ren  ([rieb  5U  befriebigen,  mug  fie  Objekt  ber 
([ötighett  eines  anbren  merben.  Offenbar  ftei)t  fie  besi^alb,  als  bloge 
naturetnri(^tung  betrachtet,  eine  Stufe  tiefer  als  ber  ITIann,  unb  3um 
Unterfc^ieb  oon  ii)m  kann  fie  fi(^  eben  barum,  o^ne  fi(^  3U  entmür* 
bigen,  i^ren  Se|[ua(trieb  meber  eingeftei^en  no(^  auf  feine  Befriebigung 
ausgei)en.  Dielme^r  mug  berfelbe  au(^  i^r  als  ,,([atigkeit"  5um  Be* 
oDugtfein  kommen,  unb  bies  gef(^iei)t,  inbem  er  fi(^  feiner  natürlichen 
(Beftalt  entkleibet  unb  fi(^  i^r  (ebiglic^  in  ber  (Beftalt  ber  ,,£iebe'' 
3eigt:  ~  als  ([rieb  ni(^t  3ur  Selbftbefriebigung,  fonbem  3ur  Befriebi« 
gung  eines  geliebten  niannes,  —  als  ([rieb  nid^t  3ur  Befriebigung 
iljrer  Sinne,  fonbem  i^res  I)er3ens. 

Vnxdi  bie|en  ebelften  Haturtrieb,  ber  nur  ber  5^<iu  angeboren 
ift,  im  manne  bagegen  erft  buxdi  bie  Derbinbung  mit  il^r  entmickelt 
»irb,  tritt  bie  S^<^^  <^^^  <^^^  „Hatur''  mieber  auf  biefelbe  Stufe  mie 
ber  niann:  3nbem  fie  fi(^  aus  £iebe  i)ingtbt,  bemal^rt  fie  ii)re  nienfc^en* 
oürbe,  obmoi)!  fie  fi(^  3um  „Objekt"  mac^t,  benn  ii)re  f}ingabe  kommt 
i^r  nun  nid^t  als  Hötigung  ii^res  eignen  Iriebes,  fonbem  als  frei« 
»illig  bargebrad)tes  Opfer  an  ben  geliebten  Illann  3um  Bemugtfein. 
natürlid)  kann  fid)  aber  bie  5tau  oi)ne  SelbftentiDurbigung  nur  bem« 
jenigen  liebenb  3um  Opfer  bringen,  ber  il^r  als  ber  Befte  unb  Ciebens« 
loertefte  feines  (Befd)Ied)ts  erfd^eint  unb  aud)  nur  unter  ber  Doraus* 
je^ung,  bog  er  il^r  e  cd  i  g  fo  erfc^einen  mirb.  An  biefen  aber  mug 
fie  fid)  aud)  oollftanbig  unb  ol^ne  Dorbe^alt  mit  ii^rer  gan3en  Perfon 
unb  aDem,  mos  fie  i)at,  oerlieren,  benn  bei)ie(te  fie  \\di  bas 
gering  fte  oor,  fo  legte  fie  baburd)  an  b  ^n  lag,  bag 
bas  Dorbe^altene  einen  i)öl)eren  IDert  für  fie  l^obe, 
als  ii)re  eigne  perfon  (bie  fie  ja  3um  Objekt  feines 
([riebesmad)t),  fe^te  alfo  bamit  fid)  felbftf^erab. 
Die  fld)tung  oor  i^rer  eignen  perfönlid)keit  forbert  bemnod)  if^re 
Döllige  Unterwerfung.  Hur  mit  bem  ITIanne  vereinigt  foU  fie 
no(^  £eben  traben,  fie  kennt  keinen  anbren  IDillen  als  ben  feinen,  fie 
^ört  auf,  bas  £eben  eines  3nbiDibuums  3U  fül^ren:  „bas  geringfte, 
OHis  baraus  folgt,  ift,  ba^  fie  il^m  ii)r  Dermögen  unb  alle  tl^re  Redete 
abtrete  unb  mit  il^m  3iel}e.''  Dies  alles  jebod)  nid)t  3ufolge  irgenb 
eines  Smangs  r  e  d)  t  s  ii)res  (hatten :  -  bas  mürbe  ber  5^^il?^i^^tbee 

20* 


308     (Ei)eauffaffung  unö  (Etierec^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  k. 

tDiberftreiten,  fonbem  sufolge  il^res  eigenen,  fitt(i(^  notoenbigen  tDun 
fc^es  unb  tDiüens. 

Aus  biefer  ftttli^en  Derpfli^tung  ber   5tau  3u  unbef(^rankt 
freitDiniger   Untermerfung    erma^fen    auf    ber    anbren    Seite   a 
bem  ntanne  bie  t}öd}ften  fittlid^en  Pfli^ten.    Denn  aüerbings   nu 
unter   einer   Bebingung  beojaljrt  fie  in  i!)rer  Untertoerfung   i^ 
tDürbe   unb    fittlid)e   S^^i^^i^-*   ^^^   ®ötte  muft  i^r  ftets   me^r 
alle  anbren  et}rn)ürbtg  unb  ad) tungstoert  er{(^einen.    3n  bem  flugen«- 
bliA,    tx)o   biefer   il)r   e^ftluftDer   (5Iauben   an   il)n   erf(^üttert   mvcb^ 
Derliert  fie  au^  ben  (5Iauben  an  bie  Unf^ulb  unb  Reinheit  i^r 
f}ingabe,    benn  nun   mug  ja  ber  Derbac^t  in  i^r   auffteigen,  ba 
ntd}t  mel)r  bie  £iebe  3U  it)m,  fonbem  il)r  eigner  (Befc^Iec^tstrieb  ft< 
3ur  f)ingabe  bestimmte :  bie  f}ingabe  an  einen  ni^t  mel)r  f(^(e(^t^t 
über  alles  geliebten  Iltann  n)iber|präd)e  alfo  i^rer  Sittlichkeit, 
^alb  betoaljre  iljx  ber  Iltann  mit  bem  ffilauben  an  b^n  IDert  feine 
Per|önli^fteit  ßugleicf)  btn  (5Iauben  an  ben  tDert  i^rer  eignen!    Ri 
mals  barf  er  it)r  unbegren5tes  Zutrauen  enttöuf^en!   Dor  allem  ent« 
miAIe  er  in  ftd)  bie  Anlage  3ur  „(5rogmut'\  bie  ii)m  bie  Ilatur  gab, 
ujie  it)r  bie  Anlage  3ur  £iebe.  (Er  ©in  ^max  3uerft  „tjerr"  fein,  TDer- 
ftd)  it)m  aber  freitx)illig  ergibt,  bem  gegenüber  entftleibet  er  fi(^  feiner 
(Beujalttätigfecit.    Aud)  ber  S^ou  gegenüber  mufe  er  feine  fjerrfc^fuc^t 
abftreifen  unb  it)r  baburd)  bie  Untertocrfung  erleid)tem.    3u)ar  barf 
er  fid)  heincstDcgs  von  if)r  bcf)errfd)cn  laffen,  benn  ber  Stol3  i^rer 
£iebe  bcftcl)t  ja  gerabc  barin,  ba^  fie  fid)  if)m  untertoorfen  U)ei6,  unö 
itjm  aud)  unterworfen  fd)eint.    Aber  er  foll  iljre  IDünfd^e  ausfpä^en 
unb  fie  eben  bas  als  feinen  IDillen  oollbringen  laffen,  n)as  fie,  fid^ 
felbft  überlaffen,  am  licbften  täte.    (Ebcnfo  wirb  aud)  bie  5tau  i^res 
fjer3cns   (bcnüge   nur   barin   finben,   ba^   fie   aud)  bie  oerborgenen 
tDünfd)e  bcs  ITIanncs  3U  erfüllen  trad)tet.    3e  größer  bas  ®pfer,  je 
oollhommencr  ift  bie  Befriebigung  if)res  fjer3ens.    „Der  Austaufdj  ber 
fjer3en  unb  IDillcn  roirb  oollfiommen.   3cber  roill  feine  Perfönlidjfceit 
aufgeben,  bamit  bie  bcs  anbren  allein  f)errfd)e," 

Run,  nad)bcm  tüir  bei  Ratur  unb  Dcrnunft  Bebingung  unb  Sroed 
ber  (El)e  erfragt  unb  baraus  bie  Rid)tlinicn  für  bie  fittlid)  notn)enbigen 
Be3icl)ungen  ber  (5efd)Ied)ter  gewonnen  f)aben,  läfet  pd)  unfd)U)er  auf» 
roeifen ,  toie  bas  äußere  Derf)ältnis  ber  (batten  3U  einanber  unö 
3um  Staate  georbnet  toerben  follte.  Die  (befe^e  bürfen  ber  Derujirfc» 
Iid)ung  bes  l)ier  ffii33icrten  fittlid)en  3bcales  nad)  keiner  Richtung  ent» 


A.  Die  allgemetnen  (Brunölagen  ber  naturrec^tUc^en  (E^eauffalfung.  309 

gegenarbetten.  3{t  bte  (E^e  in  abfoluter  5tet^ett  unb  Selbftbeftimmung 
gefc^Ioffen,  fo  I^aben  fte  überl^aupt  nid)ts  ^ineinßureben.  Die  äußere  Der« 
binbung  von  VÜann  unb  Stau  gilt  als  Setd^en  für  bie  Derbinbung  ber 
IDillen  unb  f^etßen,  -  bas  (Befeg  braud)t  bes^db  Streitfälle  3iDi|(^en 
i^nen  überi^aupt  nid)t  oor3u{e^en.  Da  ber  natiir(i(^e  unb  fittUc^e 
Smech  ber  (EI)e  nur  burc^  Unterwerfung  ber  5rau  oermirkHc^t  merben 
kann,  foD  ber  Staat  barauf  oersic^ten,  [it  als  juri{ti|(^e  perfön(id)keit 
3U  betrachten.  $vlx  i^n  ift  |te  oom  (Eage  ber  f}eirat  an  mit  bem 
manne  i  b  e  n  t  i  f  (^.  Diefer  mirb  a(|o  in  aDem  ii)r  gefeglic^er  Dor« 
munb  unb  gerichtlicher  Dertreter,  unb  fe(bftt)erftanblid)  unbefd^rönkter 
eigen tümer  aller  if^rer  (Büter:  (Er  allein  lebt  ein  öffeatlid^es  £eben,  fi^ 
{clbft  beliält  (ebiglic^  ttix  ^öusUd^es  £eben.  Unb  ebenfo  mie  in  ber 
Prioatred)tsfp^dre  e^riftiert  bie  Stau  auc^  im  Staats*  unb  Derma  Itungs« 
rechte  nur  in  unb  burc^  ii^ren  (hatten.  Da  bie  Stauen  als  Dernunft* 
mefen  btn  ITIannern  gleid^mertig  finb,  ftef^en  ii^nen  an  fid)  gan3  felbft- 
Derjtanblid)  biefelben  nienfc^en-  unb  Bürgerrechte  3U  mie  ben  lllännern, 
unb  3o>eifenos  [ollten  fte  unoerl^eirateten  münbigen  Stauen 
auc^  oer(ieI)en  merben.  Der  oeri^eirateten  Stau  aber  kann  es 
gar  ntc^t  einfallen,  ii^re  öffentlichen  Rechte  |e(b|tanbig  ausüben  3U 
»oDen:  i^re  (Eugenb  unb  IDürbe  i)öngen  ja  Don  ii^rer  freioiDigen 
odDigen  Untera)erfung  ab.  Deshalb  mäi^It  fte  ii)ren  ITIann  3U  ii^rem 
Dertreter  unb  baburcE),  bag  biefer  fid)  mit  il^r  berät  unb  aI|o  mit  ber 
feinigen  aud)  i^re  £in[\6)i  3um  Ausbrucb  bringt,  bleibt  |ie  ja  fahtifc^ 
im  Befig  i^rer  Bürgerrechte,  „nur  bie  Sud)t  nad)  (Eelebritdt  bei  ii^rem 
£eben  unb  nac^  i^rem  (Eobe  in  ber  (Befc^id)te  könnte  fie  oeranlaffen, 
i^r  Stimmred)t  auc^  felbftänbig  aus3uüben". 

Diefe  oöllige  red)t(id)e  3bentitat  ber  (Ratten,  beren  juriftijd^e  Kon- 
fequen3en,  mo  mit  il)r  (Ernft  gemad)t  mürbe,  mir  ja  im  englif d)en 
Common  £ao>  kennen  gelernt  traben,  ftei)t  nun  aber  nac^  S^^^^  ^^' 
türtic^  nur  fo  lange  im  (Einklang  mit  ber  3bee  ber  pttlid^en 
Steifheit,  als  [\t  ber  oölligen  Uebereinftimmung  ber  {)er3en  unb  tDillen 
ber  (batitn  aud)  fakti|c^  entfprid)t.  Hur  bas  6efüi)I  unbegren3ter 
£tebe  auf  bes  IDeibes  unb  unbegren3ter  ^(Brof^mut''  auf  bes  lllannes 
Seite  ermöglid)en  jittlid)  ein  berartiges  Rec^tsocrl^ältnis.  Sobalb 
bie|e  (Befül^Ie  bei  einem  ber  beiben  fd^minben,  kann  besl^alb  ber  Staat 
btn  (Rotten  aud)  nid)t  3umuten,  langer  3ufammen3u- 
bleiben.  „(Ei^eleute  fd^etben  fid)  besbalb  felbft  mit  freiem  IDillen, 
mit   fie   |id)  oerbunben  ^aben.    Sinb  fie  über  bie  Bebingnngen  ber 


310    (E^eauffaffung  unb  (E{)ete(^t  hn  Seitalter  bes  Rationalismus  x. 

S^eibung  einig,  fo  ^aben  fie  i^ren  (Entfc^Iug  bem  Staate  nur  on^iu 
jeigen.  Hur  in  Streitfällen  unb  falls  einer  ber  (Batten  bie  Sc^eibung 
oermeigert,  kann  ber  Staat  bem  Antragfteüer  f}i(fe  leiften,  unb  yaxa 
fon  er  fi(^  3um  (Brunb|a^  ma^en,  au^  bei  einfeitigem  IDunf^  - 
namentlich  ber  5^öu  —  bie  S^eibung  mogIid)ft  3u  erleichtern,  beim 
auf  jeben  SaU  betoeift  i^r  Antrag  -  mag  er  nun  objefttio  begrünbet 
fein  ober  ni^t  - ,  ba^  p^  ^^^  ri^tigen  £iebe  3U  i^rem  (Satten  mangelt, 
unb  oI)ne  biefe  '£iebe  kann  fie  oI)ne  (Enttofirbigung  nid^i  ywc  Unter* 
toerfung  genötigt  toerben." 

tla^  5'^*^  ift  flifo  fittlid)e  Steilheit  unb  Selbftbeftimmung  ber 
meibli^en  perfönli^fteit  mit  unbef^ranftter  Unterwerfung  unter  ben 
(batten  nur  fo  lange  oereinbar,  toie  im  (bemiite  ber  S^^u  keinerlei 
tDiberf prud)  gegen  IDillen  unb  Ilteinen  bes  ntannes  entfte^en,  ber  es  i^r, 
ujenn  aud)  nur  im  (Ein3eIfaII,  als  Pflicht  erfdjeinen  läfet,  i^rer  eigenen 
Ueber3eugung  3U  folgen.  -  3m  Rei^e  ber  Realitäten  -  bas  bfirfen 
ujir  tx)ol)I  nunmel)r  Sid^U  gegenüber  Ijin3ufügen  —  könnte  aber  als* 
bann  eine  5^Qu  nur  bann  in  ber  ri^ttgen  Stimmung  3ur  beftdnbigen 
freitoilligen  Untertoerfung  bleiben,  toenn  fie  auf  jebe  Kritik  bem 
ntanne  gegenüber  oöUig  Der3id}tet,  fi(^  blinb  mac^t  gegen  feine 
Scf)a)acf)en  unb  Scf)ranken,  unb  es  lernt  nur  mit  feinen  (bebanken  511 
benken.  Die  Dorausfe^ung  bes  faktif^en  Beftanbes  einer  nai^ 
5id)te's  3beal  geftalteten  (El)e  toäre  ber  Der3id)t  ber  5^öu 
auf  je  bes  felbftänbigefittlid)e  Urteil.  Um  alfo  bei  einer 
beftimmtcn  pf)t)fifd)en  5unktion  immerbar  als  „tätig"  3U  erfd^einen,  Ijätte 
fie  fid)  auf  allen  anbeten  £ebensgcbietcn  ieglidjer  geiftigen  Selbftänbig« 
keit  3U  entkleiben.  (Belange  if)r  ber  Der3id)t  auf  itjr  Urteilsoermögcn 
unb  if)re  gciftige  Selbftänbigkeit  nid)t,  fo  träte  ja  -  nadj  5i^te*s  eigner 
ITIeinung  -  jene  anbere  Konfequen3  ein:  fobalb  Dcrjtanb  unb  (Be» 
toiffcn  bie  S^^^  ^^^^^  anbren  TOeg  als  ben  if)rcs  ITIannes  ge^cn 
t)ei6en,  kann  if)re  Untertocrfung  nid)t  mel)r  fittlid^  gerechtfertigt  fein 
—  benn  es  ift  ja  bie  f)öd)fte  Pflid)t  jeber  fittlidjen  Perfönlidjkeit,  nac^ 
iljrem  eignen  (Bctoiffcn  3U  l)anbeln,  unb  Jobalb  bas  ©etoiffen  ber  5^0« 
fid)  gegen  bie  UnteriDerfung  fträubt,  müfete  fie  aljo  aus  bem  Dert^ält* 
nis  ausjd)cibcn,  ba  bie  5rage,  toer  „objektio"  oon  ben  (Batten  „redjt 
t)at",  ja  nad)  5id)te  gän3lid)  gleid)gültig  ift.  (Es  ift  mitt)in  klar,  bai 
icbcr,  ber  in  Rüdifid)t  auf  bie  überinbiDibuellen  SroeAe  ber  (Elje,  ins« 
befonbere  bie  K  i  n  b  e  r ,  ben  (Batten  ein  berartiges  Redjt  auf  oöllig 
freie,  aud)  einjeitige,  Sd)eibung,  toie  Sid)te,  unb  im  flnfc^luft  an 


A.  Die  allgemehten  (Krunölagen  ber  naturrec^tKc^en  C^eauffalftttig.  311 

i^n  }.  B.  au(^  Sd)(etemia(^eT ,  es  ganj  honfequent  forberten,  be« 
ftreitet,  fi(^  au(^  ni(^t  auf  bzn  Boben  von  5i<i)te's  patriarc^alem  (Ef)e- 
ibeal  fteDen  ftann. 

Angreifbar  erfc^etnt  nun  aber  au(^  bei  näherer  Prüfung  bie  Art  ber 
Begriinbung  bes  5i<i)tefd)en  3bea(s  felbft.  tDir  tx>oDen  babei  baoon 
abfeilen,  ba^,  mit  |(^on  i)en)orgeI)oben,  auc^  Sichte  -  ganß  im  IDiber* 
fpru(^  5U  ber  erftenntni$tf)eoreti|d}en  Begrünbung  aDer  feiner  fonfttgen 
fittlic^en  unb  rechtlichen  poftulate  -  5ur  Red)tfertigung  einer  fo  i>er« 
|d)iebenen  Stellung  ber  bod)  „moralifd)  gleidien"  (be|d}(e(^ter  audf 
feinerfeits  an  bie  „Hatur''  appelliert,  ber  er  im  übrigen  jebe  $^^^9* 
keit,  uns  über  bas,  was  fein  foU,  3U  belei^ren,  abftreitet.  f}ier  [ei 
nur  bie  Art  beanftanbet,  mie  $iiitt  bie  fd)ranhen(ofe  Untenoerfung 
ber  Stau  bamit  begrünbet,  ba^  (oermeintHc^)  ii)re  p^pftologijc^e  Be> 
fd^ffeni)eit  in  tDiberfpru^  ftei^e  mit  ber  Beftimmung  bes  nienfc^en 
3ur  ,,([atigkeit".  Da  fie  ftd)  bei  ber  pi)i)ft{d}en  Dereinigung  mit  bem 
manne  nur  ,,(eibenb"  oerI)aUe,  bürfe  fte  fic^  niemals  eingeftel)en,  bag 
aud)  i^r  eigner  (Erieb  biefe  Dereinigung  eri)eifd)t,  [onbern  |oIle  biefelbe 
ftets  als  ®pfer  an  btn  geliebten  ITIann  empfinben. 

Die|e  Konftrufttion  ift  offenbar  -  rein  logifd)  betrad)tet  -  nid)t 
fel)(erfret:  Aus  einer  (ebiglic^  mecf)ani{d}en  5unhtionsDer{c^tebenf)eit 
bes  Se|[ua(apparats  lögt  fic^  bod)  unmöglid)  bie  5orberung  einer  oer> 
{(^iebenartigen  pttlidien  Bewertung,  ja,  nid)t  einmal  eine  oerid^iebene 
p|i)d)oIogif(^e  Deutung  bes  (befd)Ied)tstriebes  bei  mann  unb  IDeib 
ableiten.  IDeber  mann  nod)  IDeib  können  fid)  bes  gelegentlid^en  Be« 
»ugtiDerbens  bes  il)nen  oon  ber  Ratur  eingepflansten  (5e|ci^Ied)tstriebs 
ermei^ren,  unb  traben  fi(^  [einer  an  [id)  offenbar  ebenfoioenig  mie 
irgenb  eines  anberen  pl}i)[i[c^en  Bebürfniffes  3U  [d)ämen.  (Es  ftedit 
ein  Re[t  Don  jener  bem  Rationalismus  nid)t  [citen  eignen,  asketi|d)en 
Deutung  bes  Sej^uallebens  als  eines  >pu<l(-n(Iiitnc  in  5i^te*s  Stanb* 
punkt,  -  nur  f^aben  [id)  bie  Kon[equen3en  gan3  unb  gar  auf  bie 
5rau  kon3entriert.  Dom  Stanbpunkt  ber  ibeali[ti[d)en  (Etl^ik  aus  aber 
mügte  es  als  erniebrigenb  für  b  e  i  b  e  -  gan3  gleid^gültig  burd^ 
meldte  äußeren  Sanktionen  [ie  bcn  „natur3tx)edt''  erfüllen  -  gelten, 
toenn  einer  ben  anbren  lebiglic^  3um  ..mittel"  ber  Befriebigung 
eben  bie|es  (Eriebes  mac^t,  ol}ne  babei  3ugleid)  ben  (Erieb  ber  £iebe 
im  Sinne  ber  tnnigiten  (Eeilnal^me  unb  tiefften  3ntercnes  für  bas 
(banit  [einer  Per[ön(id)kcit  3U  füllten.  A(|o  —  bas  wart  bie  walixt 
Konfequen3  -  nid)t  nur  bie  Stau,  auc^ber  mann  entkletbet  ii(^ 


312    (E^eauffaffung  un5  (Ei^ere^t  im  3ettalter  öes  Rationalismus  k. 

jcbcsmal  6er  „Iltenf ^cntoür 6e",  menn  er  fic^  öie  Be* 
frieöigung  öes  nagten  (Bef^Ie^tstriebes  als  fotc^en 
5um  ScoeAe  |e^t.  Damit  fiele  aber  au^  5^^^'^  Konfequen5, 
6a6  öie  £iebe  öer  5^öu  iöenlif^  fein  muffe  mit  unbefc^ränftter  ein« 
feitiger  Untertoerfung  unter  öen  tDillen  iljres  Iltannes,  unö  ebenfo 
öie  Dorfteilung,  öag  öie  £iebe  beim  Iltann  gemiff ermaßen  als  öas  Pro* 
öuftt  großmütiger  (Genugtuung  über  öie  fummarif^e  Untertoerfung  öer 
©attin  entftelje.  -  Sooiel  nur  3ur  Kritik  oon  5i<^te's  6ebankengängen. 
3ur  Kritik  öes  patriar^alen  (E^eiöeals  felbft  tx>erben  uns  unfere  fpä« 
teren  (Erörterungen  no^  3urü*fül)ren. 

tDeIcf)en  (Ein flu |3  nun  alle  btefe  Umbilöungen  öer  etl)if(^en 
(Ei^eorien  auf  öie  (befe^gebung  einerfeits,  öie  £ebenspraps  anörerfeits 
geübt  I)aben,  könnte  nur  eine  fel)r  in's  einßelne  get)enöe  Spe5ia(unter« 
fu^ung  aufseigen,  öie  i)ier  unmögli^  ift.  3t)re  IDirkung  oollsog  fi<^ 
naturgemäß  keineswegs  immer  unmittelbar  unö  öirekt.  (Ein  n)id)tiger 
{)ebe(  tx>ar  öie  neuerblüi)te  f^öne  £iteratur,  tx>elcf)e  fic^  öes  Problems 
öer  6efcf)Ie^tsbe3ie^ungen  bemäcf)tigte  unö  öabei  3unel)menö  öie  Stauen 
nicf)t  nur  als  Objekte  mönnli^er  (Eourtoifie  unö  3ntrigue,  fonöem 
aud^  als  „perfönlicf)keiten"  betoertete,  öie  ii^rer  eignen  S(^ulö  mie 
iljres  ©lüAes  Sdjmicöe  finö.  Die  IDirkung  öiefer  Dorftellungsroelt 
auf  öie  (EnttDiAIung  öer  ,,öffentlid)en  Ilteinung"  ift  nid)t  3u  unter» 
fd)ä^en,  aber  f^iDer  nad)tDeisbar.  flud^  öas  Iltaß  öes  (Einfluffes  öer 
eigentlid)  „tDiffenfd)aftlid)en"  Spekulation  toar  naturgemäß  fragmenta* 
rifd)  unö  feljr  oerfd)ieöcn  geartet.  So  fublimierte  ©eöankengänge 
loie  öiejenigen  Sid)te's  unö  öer  iöealiftifd)en  naturred)tslel)re  über» 
Ijaupt  fd)tDebten  —  öas  ift  felbftoerftänölid)  —  f)od)  über  allem,  was 
öem  Durd^fd^nittsöenken  feiner  3eit  3ugänglid)  roar. 

flnöers  ftef)t  es  mit  öen  älteren,  naturaliftifd)en  Dertretern  öes 
Rationalismus,  namentlid)  mit  öen  (Beöankenkreifen  öes  maffioen  Ratur« 
red)ts  öer  Rufklärungs3eit.  Die  etf)ifd)en  (beöanken  öes  religiöfen 
Raöikalismus  blieben  iniljrernaturred^tlici^enSorm,  audj  nad)  Rlilöerung 
öes  fektiererifd)en  (Eifers,  (bemeingut  breiter  kleinbürgerlid^er  unö  kauf« 
männifd^er  Sd^id^ten  (Englanös,  Amerikas,  fjollanös,  aus  öeren  Kreifen 
bann  öer  Kapitalismus  öas  moöerne  Bürgertum  öiefer  £änöer  empor« 
road^fen  ließ.  Die  f)eute  fogenannte  „bürgerlid^e  (Eljemoral"  fanö  in 
öiefen  Sd)id)tcn  if)re  (Erägcr.  3n  Rmerika  t)crrfd)ten  fie  oon  flnfang 
an.    Unö  als  fie  im   19.  3al)rf)unöert   aud)   in  (Englanö  Staat   unö 


A.  Die  allgemeinen  (Brunölagen  6er  naturre(^t(t(^en  (El^eauffaffung.  313 

(Befellfd^aft  in  i^re  f}an5e  bekamen,  brachten  fi^  ^i^  (Ei)ei5eale  5es 
Puritantsmus  5UT  f}erTfd}aft  andf  in  öer  öffentli^en  Ilteinung  öiefes 
£an5es,  beffen  fü^renbe  Klaffen  im  18.  3a^rl}un6eTt  oielfad)  no(^  fe^r 
noeit  oon  «bürgerlid^er"  Sittlichkeit  entfernt  getoefen  coaren.  3n 
Srankreidj  beljerrfd)ten  Rouffeau's  (Bebankengänge  bie  Sü^rer  ber 
Repolution,  -  wxx  merben  feigen,  mit  n)e(d)em  (Ergebnis.  3n  ben,  an 
kapitaliftif(^er  (Enttx>i(k(ung  unb  besl^alb  an  „bürgerlichen  Klaffen" 
im  fpeßififd^en  Sinn  ärmeren,  mitteIeuropatfd}en  Staaten  unb,  seitmeife 
in  Ruglanb,  bilbete  bas  an  3ai)(  ftets  anroad^fenbe  Berufsbeamtentum, 
melc^es  ber  „aufgeklarte  Despotismus''  fid)  überall  f^uf,  eine  ii^rer 
£ebensfüi)rung  nadi  übermiegenb  „bürgerli^e",  ii)rer  Sebankenmelt 
nad^,  \o  lange  if)re  f}errfd)aft  uner{d)üttert  ftanb,  faft  immer  rationa* 
Iiftif(^e  Sd)id)t.  Durc^  biefe  Dermittlung  roirkten  6ebanken  ber 
naturred)ts(el}re  überall  auf  bie  im  3eita(ter  ber  großen  Kobifikationen 
entftel)enben  Heuorbnungen  bes  (Ei^ered^ts.  Sie  alle  ßeigen  -  freiließ 
in  oerf(^iebenem  Sinn  -  ein  „rationaIifti{d)es  (Bepröge".  IDar  bodi 
fd^on  ber  (bebanke  felbft,  ba|3  man  bas  Red)t  nad)  „vernünftigen " 
Prinßipien  neu  orbnen  könne  unb  folle,  eine  erft  auf  bem  Boben 
jener  (bebankenroelt  mögliche  3bee,  roeld^e  3uerft  ber  rabikale  Puri- 
tonismus  in  (Englanb  vertreten  i)at.  Damit  fid)  eine  foId)e  3bee  in 
öie  Pra|[is  umfe^en  konnte,  mußten  erft  jene  großen  mobernen  Staaten 
entftel^en,  beren  poIiti|d)es  IRad^tintereffe  bas  tlieberreigen  ber  Sd^  ranken, 
loeld^e  bie  mittelalterlid^e  Red)tsorbnung  ber  (Entfaltung  bes  mobernen 
kapitaliftifc^en  „Reid^tums"  in  ben  IDeg  legte,  erforberte,  unb  beren 
Beamte,  -  nad)bem  bie  ti)eokratifd)e  Sittenreglementierung  buxd^  bie 
Kirche  gebrodjen  »ar,  -  nun  itjrerfeits  glaubten,  bie  „Untertanen**,  eoen» 
tuell  aud)  oiber  beren  IDillen,  5ur  „Slädtjeligkeif  lenken  3U  können. 
IDir  f)aben  nun  5U  unter{ud)en,  mas  ber  oon  oben  f^er  neues  Red)t 
fd^ffenbe  Rationalismus  biefer  (Bejeftgeber  ber  Jrau  gebradjt  Ijat. 
Dabei  muffen  mir  uns  natürlid)  auf  einige  als  (brabmeffer  ber  Per* 
fönlid)keitsgeltung  ber  S^^^  befonbers  d^arakteriftifc^e  Kobifikationen 
bef(^ränken,  um  nid)t  ins  Uferlofe  3U  fteuern.  - 

(Ef)e  oir  aber  an  bie  Betrad)tung  ein3elner  Redete  l^erantreten, 
mug  jener  großen  allgemeinen  (Ienben3  ber  mobernen  (El}eentn)idtlung 
gebac^t  merben,  n)eld)e  man  als  „Sökularijation"  ber  (El^e  be3eid)nen 
kann.  Die  Reformatoren  betradjteten  bie  (Elje  als  „bürgerliches  (be- 
fd^öft",  n)eld)es,  wit  aud)  alle  bürgerlid^e  Berufstätigkeit,  im  d)riftlid)en 
(Keift  3u  orbnen  fei.  Sie  liegen  aber  bie  geiftlid^e  (beric^tsbarkeit  in  (Ei)e* 


314    (E^auffaffung  unb  (El)ere^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  ic. 

fa^en  unb  bie  ftirditt^e  (El)eeinfegnung  unangetaftet.    Die  erftere  i^ 
aud)  in  ben  proteftanti{d)en  Staaten  Dielfac^  erft  in  biefem  3a^r^un6ert 
(in  (Englanb  1857)  befettigt  tDorben,  bie  leitete  teilmeife  no(^  freute 
gefe^Ii^e  normalform  ((Englanb,  ®efterreid}).     Die  Befeitigung  bei 
ftir(^lid}en  (E^egefe^gebung  unb  (E^egeri^tsbarReitunb  bie  Schaffung  einer 
roeltlic^en  (E^efdjliefeungsform  („Sioile^e")   roar  eine  So^J^^ning  bes 
(Eäufertums,   roeldje  bei  i^m,  roie  bie  „ffieroinensfreiljeit"  überljaupt, 
rein  religiös  motiüiert  tx>ar.    Beibe  So^^^^^O^^  mürben   bann  oon 
ber  ftufklörung  als  Kampfparole  gegen  bie  Kirc^enmac^t  übernommen 
unb   in   btn   ftonfeffionell   gemi|cf)ten   Staaten   au(^   ein   6ebot   bei 
Staatsraifon.    Die  Kird^en,  namentlich  bie  ftat^olifc^e,  {)aben  fi(^  bei 
5orberung  einer  „Der|taatlid)ung"  bes  (Eljere^ts,  ber  (Eljegeric^tsbarfeeit 
unb  ber  (Et)efd)(iegung  nur  unter  anl)altenben  Kämpfen  unb  proteften 
gefügt,  tx>eil  bamit  bie  religiöfe  tDürbe  ber  (EI)e,  in  ber  Rat^olild^ 
Kird)e  il)r  fakramentaler  (EI)araftter,  im  Dolftsbetou^tfein  bebro^t  fc^ien, 
unb  Dor  allem  aucf),  toeil  baburc^  bie  $rage  ber  (EI)e  (Reibung  in 
bie  Spt)are  ftaatlicf)er  (Be|e^gebung  fiel  unb  {o  bie  biblifd^e  norm  ge« 
fäljrbet  tDurbe.    Der  Derlauf  bes  Kampfes  ijt  Ijier  nic^t  bar5uftenen. 
Don  ben  (Brofeltaaten  füf)rte  3uer|t  5^^"^^^^  i"  ^^  Reoolutions» 
seit')  bie  „3ioiIef)e",  b,  ^.  bie  DoHsieljung  ber  (E^e  oor  einem  ftaat» 
lid^en  Beamten  unb  iljre  (Eintragung  in  ein  „Stanbesregifter"  burd| 
unb    bel^anöelte    alles   ftird)Iicf)e  (Et)ered)t   als   für   bie  bürgerlidjen 
5oIgcn  öcr  (Eije  irrelcüont.     3l)m  folgten  im   19.  3aljrljunbert  bie 
anören  europäifd)en  £änöer,  teils  in  ber  So^^t  baft  bie  „Sioileije"  als 
allein  gültige  Jorm  ber  (Ei)e|d)Iie6ung,  teils  bafe  fie  aufter  ber  ftirdjlic^en 
(Ef)ejd)lie6ung,  „Jubfibiär",  ftatt  il)rer  (für  nid^t  3U  ben  prioilegierten 
Kird^en  gel)örige  Perjonen),  ober  „fafeultatio",  (für  alle  perfonen  nad^ 
iljrer  tDai^I)  neben  iijr  3ugela|fen  tourbe.    Demgegenüber  f^aben  bie 
Kird^en  if)ren  Stanbpunfet  mcijt  baljin  genommen,  baft  fie  bie  kird}* 
Iid)cn  (Ef)eformcn  unb  bas  fiird)Iid)e  (Eijercdjt  als  bas  ©erDiffen  iijrer 
flngef)örigcn  binbcnb  aufredet  erl)ielten,  alfo  3.  B.  eine  Sc^eibung  oom 
Banbc    in  ben   kird)Iid)  nid)t  anerkannten  Sollen  infofem   nid)t  3U' 
laffcn,   als   [it   bem    gefd)iebenen   (5atten   bie   kird}(i^e   (Einfegnung 
einer  neuen    (Et)e   oertDeigern.    Diele  protejtantijdje  „£anbeskirdjen" 
jtellen  fid^  aber  f)eute  überf)aupt  auf  ben  Boben,  ba^  bas  ftaat(i<i^ 
6e|e^  aflein  ent|d)eibe.    3ebenfans  f)aben  bie  Kirnen,  audj  bie  katljo« 

*)  Die  f  a  k  u  1 1  a  t  i  0  c  3ioiIeljc  ©ur6e  bereits  1787,  oor  ber  Reoolution, 
eingcfüljrt. 


A.  Die  allgemetnen  (Brunötagen  ber  naturre(^tti(^en  C^auffaffung.  315 

It|<l^,  fi(^  infolge  übler  (Erfahrungen,  bie  befonbers  in  3ta(ien  3U 
läge  traten,  fd)Ke6(i(^  bem  Derlangen  ber  Staaten  mit  obligatorifd^er 
3iDi(ef}e,  bag  ber  <Beiftti(^e  feinerfeits  eine  Cf)e  nid^t  einfegnen  bfirfe, 
toenn  ni(^t  ein  bürgerlich  gültiger  (Ef)ef(^Iug  vorangegangen  fei, 
gefügt. 

Demgemäß  befte^t  ob(igatorif(^e  9ii)i(el)e  3.  B.  in  5^^nkrei(^, 
3ta(ien,  Deutfc^Ianb  (allgemein  feit  1875),  f}oDanb,  Belgien  unb  ber 
S(^tDei5;  fahultatioe  unb  fubfibtöre  3.  B.  in  (Englanb  (erfteres  für  Hon* 
conformiften,  (e^teres  für  3uben,  Quöher,  Konfeffionslofe),  Amerika 
(fakuttatio),  Spanien  unb  ®efterreid)  (fubfibiör),  Sc^meben  (fubfibiör). 
IDir  merben  biefe  überaD  im  Dorfd^reiten  begriffene  (Entnoichlung  im 
etn3e(nen  ^ier  nid^i  oerfolgen,  —  uns  interefftert  fie  oielmef^r  noefent* 
lidf  nur  in  il)rer  Be3iel)ung  3um  materiellen  <EI)ere(^t  unb  3um  Begriff 
ber  „freien"  €lje. 

Die  Cinfü^rung  ber  „StDilef^e"  l)at  ber  3nanfprud)na^me  ber 
Kird^en  für  bie  (Einfegnung  ber  (Ef)e  überall  einen  geviffen,  aber  meift 
keinesnoegs  einen  befonbers  ftarken  Abbrud)  getan.  Der  (bxunb  bes 
Dorf}errf(^ens  ber  kirc^Iid^en  (Ef)efd)(iegung  meit  über  ben  Umkreis 
ber  im  kirchlichen  Sinn  „gläubigen"  Kreife  f^inaus  liegt  in  ber  faktifc^ 
in  allen  £anbem  ber  IDelt  beftef^enben  f  0  3  i  a  (  e  n  prömiierung  bes 
kirc^Iid^en  (Ef^efc^tuffes,  fei  es,  bog  biefe  —  vie  in  ben  europöifci^en 
£önbem  meift  -  birekt  burci)  bie  Staatsgewalt'),  fei  es,  bag  fie,  vie 
in  Amerika,  burci)  bie  öffentliche  IHeinung  unb  ii^ren  Begriff  oon 
»rcsprrialnlitv'  erfolgt.  Die  kird^Iid^e  (EI)eform  nimmt  angefic^ts 
beffen  bie  inel)r3al)(  auci)  ber  tlici^tglaubigen  meift  (eic^t  in  btn  Kauf. 
Der  materielle  3nf)alt  bes  kirc^Uci)en  (Ef)erec^ft  ftögt  bagegen 
auf,  im  gan3en,  3unef)menben  IDiberfpruci).  -  tDo  nun  ber  Staat  eine 
kirc^Iici^e  (Eliefd^Iiegungsform  als  bürgerlici)  oollmirkfam  anerkennt, 
ba  bebeutet  bies  an  fic^  noc^  nici)t,  bog  er  für  bie  fo  Derbunbenen 
auif  bas  kirci)Iic^e  (Ef)ereci)t,  3.  B.  etroa  bas  kanonifci^e  Sdjeibungs- 
rec^t,  als  gültig  anerkenne;  boci)  ift  bies  allerbings  regelmäßig  ber  5^11, 
fo  3.  B.  nici)t  nur  in  Spanien  unb  Ruglanb,  fonbern  auci)  in  (Defterreid^. 
IDo  umgekef^rt  obItgatorif(i}e  Sioilehe  befielet,  ift  es  an  ftd)  trogbem  mög« 
lid),  bog  ber  Staat  bie  $rage  ber  iEf)efd)eibung  je  nad)  ber  Konfeffion 
ber  Derbunbenen  bem  kird)Iid)en  Red)t  gemöf)  geregelt  fein  \ä^t  ober 
felbft  ben  3ni)a(t  bes   ktrd)Iid)en  Rechts   als  Staatsgefe^   i>erkünbet. 

■)  3n  p  r  eug  f  n  3.  B.  ift  ernftlid)  urnftritten,  ob  ein  Staatsbeamter 
anil^  5  1  s  3  i  p  1 1  n  ö  r  3ur  htril^Iid)en  draunng  genötigt  meröen  könne  (!). 


316    (E^eauffaffung  unö  (Ei^erec^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  k. 

Dag  in  3talien  3.  B.  obligatorifd^e  Siüile^e  befielt,  l)inbert  ni(^t,  bag 
öte  (Ei^efd^eibung  Dom  Banbe  bort,  gemäg  ben  6runbfä^en  bes  hano* 
ntf^en  Red)ts,  ausge|^(offen  ift.  ftber  aüerbings  ift  es  bie  Regel, 
bag  ber  Staat,  toenn  er  bie  3iDtIe{)e  generell  einfül)rt,  aud^  fein 
eignes  materielles  (El^ered^t  auffteüt  unb  es  ber  Kird^e  überlögt,  bie 
3nneljaltung  iljrer  religiöfen  llormen  bur^  rein  religiöfe  IRittel  3U 
ermirken  (|o  in  I)eut{d}Ianb). 

tDo  nun,  tx)ie  es  bei  Hnerftennung  ber  ftir^Iic^en  (E^ef  orm  bur(^ 
btn  Staat  ber  5qD  l^ii^  kann,  feljr  ftrenge  flnforberungen  an  bie 
Betätigung  kir^Ii^er  6efinnung  gefteüt  tx>erben,  fu^en  ft(^  bie  un« 
kird)Iid)en  Klaffen  biefem  3tx>ang  5ur  f}eu^e(ei  3utx>ei(en  bur(^  (Ein* 
gei)ung  fogenannter  „6ea)iffensel)en"  3U  ent3ie^en,  b.  l).  fte  fd^liegen 
fid)  3u,  re^tlid)  betrad^tet,  augerel)eli(^en,  faktifc^  aber  monogamen 
unb  auf  Dauer  bered^neten  f}aus>  unb  6efd}Ie^tsgemeinf(^aften  3U' 
fammen.  Diefer  proteft  gegen  bie  kir^U^e  (EI)ef^(iegung  kamt, 
tx>enn  er  als  Rtaffenerfd^einung  auftritt,  ba3U  fül)ren,  bag  ber  Staat 
biefe  „freien  (Eljen"  feinerfeits  „anerkennt*',  b.  !).  unter  geu)iffen  for- 
malen Dorausfe^ungen,  3.  B.  ftbf^Iug  Dor  3eugen,  (Eintragung  in  ein 
Regifter  u.  f.  m.  ii^nen  bie  Red}tsfoIgen  ber  DoIIe{)e  beilegt.  Aisbann 
I)anbelt  es  ftd)  natürlid)  um  ni^ts  tx>eiter,  als  um  bie  3ulaffung  einer 
neuen  5orm  bes  (Et)e  a  b  f  d)  I  u  f  |  e  s ,  toie  es  bie  f akultatioe  Sioile^ 
aud)  ift,  aber  nid)t  im  minbeften  um  einen  neuen  (EI)e  i  n  f)  a  1 1  ^). 
(brabe  bies  ift  ja  ber  IDcg,  auf  bem  3af)Ireid)e  „fubfibiäre"  (E^e* 
fd^Iiegungsformen  für  Sd^ismatiker,  (Quäker,  dissenters  etc.  entftanben 
finb.  (5an3  ber  gleid^e  3uftanb  kann  aud)  als  Ueberlebfel  bes  mittel« 
alterlidjen  Redjts  oorkommcn:  fo  in  Sdjottlanb  bis  in  bas  19.  3aljr- 
t)unbcrt.  Jjicr  galt  ber  biege  Konfens  ber  Derlobten,  gleidjoiel  roie  er 
ertoicfen  toerben  konnte  (3.  B.  burd)  3eugnis  ber  Itadjbarn,  bog 
fie  fid)  offenkunbig  toie  (Ef)elcute  ocrf)aIten  I)ätten),  als  genügenb  3um 
(Ef)efd)Iug  0»  er  f)atte  natürlid)  aber  aud)  bie  5^19^  jeber  „legitimen" 

»)  (Es  ift  bal)cr  natürlid)  nur  Konfufion,  wenn  von  Dcrtretern  ber  „freien 
(El)e"  eine  fold)e  flnerhennung  gcroifier,  nid)t  in  ben  überlieferten  Sormen,  — 
aber  in  anbern,  oom  Staate  3ugelaffenen,  —  ooIl3ogenen  6efd)Ied)tsDer> 
binbungen  als  „(El)e",  mit  allen  Solgen  anberer  „legitimer"  (EI)en,  als  3u« 
laffung  einer  „freien  (El)e"  im  6  e  g  e  n  f  a  ^  3ur  „legitimen  Dollcl)^  be» 
3eid)net  loirb. 

-)  Darauf  berul)te  bie  aus  Romanen  bekannte  (El)eftiftungstätigheit  bes 
„Sdjmiebs  oon  6retnagrecn",  bem  fd)ottifd)en  6ren3ort,  für  entlaufene 
Paare. 


A.  Die  aügemeinen  (Brunbtagen  öer  naturrec^tltc^en  C^eauffaftung.  317 

Cf}e,  im  (Erbrecht  unb  für  öte  Un(ö$Itd)heit.  Ae^nUd^e  (E^efd^IiegungS' 
formen,  mit  gans  öenfelben  Solgen,  I)aben  fid)  in  manchen  Staaten 
öer  amerihanif(^en  Union,  3um  (teil  tro^  öer  Staatsgefege ,  bis  in 
öie  (begenvart  erf^alten.  f}ier  ^anöelt  es  fid)  |tets  nur  um  eine 
rein  „prioate"  Sorm  öes  (E^eab|d)Iuf |es,  ni(^t  aber  um  S(^af« 
fung  eines  neuen  (El^e r e (^ t s.  -  ttmas  abjolutanöres  i|t 
es  natürlich,  menn  aus  prin5ipienem  Proteft  graöe  gegen  öas  ma« 
t  e  r  i  e  n  e  (El^erec^t,  5.  B.  gegen  öie  patriard}a(e  Unterorönung  öer 
5rau  in  öer  (egalen  (E^e  oöer  gegen  öie  Be{(^ränhung  öer  S(^ei« 
öung  öer  (E^,  Derf^öltniffe  eingegangen  meröen,  tx>e((^e  f  a  h  t  i  |  (^ 
öauemöe,  auf  (bel^Ie^tsoerhef^r  ruf^enöe  £ebensgemeinfc^aften  fd^affen 
tDoIIen,  fi(^  aber  öer  £ega(i{ation  als  „tfit**  entßiei^en.  3ft  ein  foId}es 
Derf^alten  etmas  anöres  als  perfönlic^e  £aune,  gef)t  es  aus  einer 
prinßipieDen  Ueberßeugung  f^eroor,  —  öann  ift  es  eine  Reaktion 
n  a  t  u  r  red)t(id)er  poftulate  gegen  öas  pofitioe  Red)t.  Das  pofitioe 
Re(^t  leinerfeits  bef^anöelt  fold^e  Derf^öltniffe  öann  meift,  mie  mir  es  in 
Ruglanö  kennen  lernen  tx>eröen,  als  ,,auf)eref)e(ic^en  (l>efd)Ied)tsoerkeI)r'', 
toie  alle  flüchtigen  ge|d)Ied)t(id)en  Bestellungen  aud^.  IDeld^en  Sinn 
öie  5oröerung  einer  ,, Anerkennung"  jolc^er  »freien  (Ef^en"  f^aben  kann, 
öaoon  coeröen  vir  im  legten  Kapitel  reöen.  f}ier  ift  nur  über  öie 
Red)ts(age  3U  bemerken,  öag  im  (befolge  öer  Derpönung  öes  KonkU' 
binats  feit  öem  £ateranifd)en  unö  (Eriöentinifc^en  Konßil,  öen  Kirchen« 
orönungen  öer  Reformatoren,  öen  Reid)spoIi3eiorönungen  öes  16.  3af)r* 
^unöerts,  unö  öen  an  ii)re  Prin3ipien  anknüpfenöen  ftaatlic^en  (be|e^ 
gebungen,  öie  noic^tigfte  Sdjranke,  gegen  toeld^e  öie  »freien"  (Ei)en  3U 
ftogen  pflegen,  if^re  (b(eid)fe^ung  mit  »Un3ud)t''  ift,  -  oon  öer  fie 
fi(^  ja  nun  einmal  nid)t  öur(^  einöeutige  öugere  ITIerkmale,  fonöem 
öurd)  ii)ren  inneren  tDert  unterfd)eiöen.  Der  Staat  f)at  öen  Konku- 
btnat  teils  (fo  bei  uns  in  öen  füööeutfd^en  Staaten)  für  ftrafbar  er« 
Mart,  teits  (fo  in  Sad)fen  unö  für  (E^ebred^er  in  Preußen)  öer  poli- 
3eilid)en  fluflöfung  empfoi)(en,  oor  allem  aber  inötrekt,  öurd^  öie  Be« 
ftrafung  öes  f}ausa)irts,  öer  »Un3uci^t''  geftattet,  roegen  Kuppelei,  er- 
fc^coert.  - 

3m  übrigen  f^at  öagegen  nid)t  nur  öie  Kird)e  fid)  aus  öer  Regle* 
mentterung  öer  (Ef^e,  menn  aud)  a>iöera)ini9,  3unei)menö  3urü(kge3ogen, 
fonöem  in  getx>iffem  ITlaf^e  auc^  öie  ii>eltlid)e  0)en)alt.  Die  neue 
Ied}nik  unö  (Dekonomik  öer  Arbeit,  meldte  öer  Kapitalismus  fd)uf, 
fprengte  öie  3Ünftige  (Drganifation  öer  (bemerbe  unö   oerlangte  Der« 


318    (Ef^eauffaffung  un5  (Etierec^t  im  Settalter  bes  Rationalismus  k. 

me^rung  ber  Hrbeitsfträfte.  Die  flngft  dot  ber  BeodtfterungsDer' 
me^Tung  loanbelte  fid}  f^on  im  Seitalter  bes  ,,aufgeMarten  Despotis* 
mus''  in  einen  f}ei6i)ungeT  nac^  Dolftsoerme^rnng  im  3nteTejfe  ber 
Steigerung  bes  ,,Rei(^tums".  Sd^ritt  für  Stritt  mürben  ba^r  bie 
poliseilid^en  S^ranften  ber  Dere^eli(^ung  befeitigt.  Der  £ibera(ismu$ 
fe^te  biefe  Politik  im  3nterejfe  ber  Sittlichkeit  -  3ur  Derminberung 
ber  au|3ere^elid}en  (&ef^le(^tsi)erl)altnijfe  —  unb  aus  prinsipieüem  (K^ 
genfa^  gegen  alle  poHseili^e  Beoormunbung  fort.  Das  (Ergebnis  ift 
faft  überall,  mit  Ausnai^me  Don  (Eeilen  (Defterreic^'s  ((Eirol)  unb  in 
Deut{d)Ianb  feit  1868  nur  no(^  Baqem's^):  bog  bie  pon5eiIt(^ 
Sdjranften  ber  (Ef^efc^Iiefeung  gefallen  pnb,  ein  jeber  ,,auf  eigne  (B^ 
fal)r"  I)eiratet  unb  nur  ein,  in  ben  einßelnen  £änbem  oerfd^ieben 
beftimmtes,  ntinimalalter,  fotoie  unter{)a(b  einer  beftimmten,  ebenfalls 
oerf ^{ebenen  Altersgrense,  bie  elterliche  (Eintx>il(igung  Dorbebingung 
ber  (E^el^Iiegung  i{t.  Amtli^e  Konfenfe  fmb  ^eute  no(^  für  gemiffe  An* 
gepeilte  (meift  nur:  ®ffi3iere)  oorgefdjrieben,  bei  anbren  (£e^rerinnen) 
I)at  bie  Derl)eiratung  bienftred)tlid)  bie  Konfequens  bes  Ausfc^eiben* 
müffens  aus  bem  Amte.  —  IDir  erörtern  alle  bieje,  für  unfere  5rag^ 
{teüungen  im  einseinen  nic^t  intereffierenben,  Dinge  bei  ber  folgenben 
Darfteilung,  tx>eld)e  |a  bie  p  r  i  o  a  t  red)tlid)e  ®rbnung  bes  materiellen 
(Ei)ered)ts  tDieberßugeben  be^wtiitf  nid)t  toeiter. 

B. 

3nnerf)alb  bes  Kreifes  ber  großen  frjftematif^en  ffiefe^gebungen, 
bie  um  bie  tDenöe  bes  18.  3al)rl)unberts  entftanöen,  toenben  toir  uns 
Sunä^ft  bem,  im  3al)re  1804  in  Kraft  getretenen,  fransöfifc^en 
(E  l)  e  r  e  d)  t  3U,  toeil  biefes  —  unb  abgefd)ix)äd)t  aud)  anbre  (Befe^e, 
beren  Dorbilb  es  tourbe  -  oon  allen  je^t  geltenben  (Befe^en  bie 
3üge  bes  mittelalterlid)en  patriard^alismus  am  reinften  unb  längften 
betoaljrt  Ijat.  Das  (Ef)ered)t  erfd^cint,  im  ©egenfa^  3U  anbren  (Teilen 
bes  >C()dc  civil  <,  inf)altlid)  nid^t  fotDoI^I  als  Kinb  ber  Reoolution 
unb  iljrer  3beale,  toie  oielmcf)r  als  Kinb  ber  miIitärifd)«bespotif(^en 
Reaktion,  beren  Jjerrfd^aft  pd)  bas  fran3Öfifd)e  Dolfe  beugte,  als 
es  galt,  fid^  üon  ber  Sclbft3crfleifd)ung  im  3nnern  3U  befreien  un6 
bie    ^^loirc    ber  „großen  Ration"    kricgerifd)   über   ben  (ErbbaQ  3U 

*)  5ür  untcrjtü^te  Arme,  Angeklagte  unb,  innerl^alb  beftimmtcr  3eit« 
räume   rocgen  Derbrcdjens  Derurteilte. 


B.  Das  €^rc<^t  5es  Code  civil.  319 

tragen.  ADerbings,  in  Be5ug  auf  5te  aDgemeine  Stellung  3U  5em  6e* 
öanhen  einer  ^.Cmansipation''  öer  Sxan  I)atte  öas  Tlaturrec^t  über« 
f^aupt  unb  gan3  be|onbers  Rouffeou,  vie  vir  fairen,  ber  Reoolution 
Don  Anfang  an  ben  IDeg  gen)iefen,  ben  ber  dobe  gegangen  i|t. 

Die  ,,<ErMärung  ber  ITIenfd^en-  unb  Bfirgerred)te"  im  3a^re  1789 
mit  bem  naturre(^t(id)en  poftulat  ber  ftaatsbürgerUd^en  Red)tsg(etd)^eit 
i^tte  bemgemög  Dor  ben  5^ouen  f}alt  gemacht.  Hur  ^ie  unb  ba 
i^tten  fid)  Stimmen  erI)oben,  meiere  oerhünbeten,  bag  audi  bie  5tauen 
„nienfd^n"  unb  als  fold^e  befugt  feien,  bie  ,, ewigen  Rechte  ber  ITlenld^- 
^it"  mit  btn  Itlannern  5U  teilen.  Itlit  Berufung  barauf  forberte 
(DIpmpe  be  (Bouges  in  einer  ,, (Erklärung  ber  5rauenre(^te"  bie  gefe^* 
lid^e  (BIeid)f)eit  ber  (Bef(^Ied)ter,  unb  biefer  5orberung  erftanb  in  bem 
legten  fransöfifd^en  pi)iIofopf)en  bes  18.  3af)r^unberts:  donborcet,  ein 
begeifterter  Anwalt;  -  aber  biefe  Stimmen  würben  balb  5um  Sd^wei« 
gen  gebrad)t.  Diefelben  Kreife,  meldte  bie  5rauen  mit  (Erfolg  3ur 
aktioen  ([ei(nal)me  an  bem  großen  Serftörungswerk  ber  parifer  Re« 
Dolten  ange|ta(^elt  f^atten,  verboten  il^re  Beteiligung  am  poIiti{d}en 
£eben,  fobalb  fte  felbft  am  Steuer  fagen  unb  ii^nen  gewiffe  Anfd^au* 
ungen  ber  ffil)renben  5rauen  unbequem  würben.  Als  bann  S^^uen 
gegen  bie  f}inrid)tung  bes  Königs  proteftierten  unb  if^ren  Ab|d)eu  Dor 
ber  dkaulamkeit  ber  Sd)re(kensl)err{d)aft  seigten,  erld^ien  es  ben  ITIac^t« 
i^bem  an  ber  Seit,  bie  grof^e  IDoge  politifd^er  £eiben|(^aften,  weld^e 
aud)  fie  aus  bem  {)au{e  in  bie  Arena  bes  öffentlid^en  £ebens  f^inein* 
getragen  I)atte,  3urü(k5u|tauen.  Unter  Berufung  auf  bie  MÖffentlid^e 
Sid^er^eif'  unb  (El^rbarkeit  unb  bie  ,,natur"  bes  IDeibes,  fd^Iog  ber 
Konoent  1793  ni^t  nur  alle  politifd^en  S^^uenpereine,  fonbern  er 
i>erbot  aud)  bie  deilnai^me  ber  5i^<iuen  an  allen  poUti{d)en  Derfamm- 
lungen  *),  unb  man  brandete  nur  auf  Rouffeau's  Sd)(agworte  über  bie 
|pe3ifi|d)en  (Eigenfd}aften  unb  Aufgaben  bes  IDeibes  unb  bie  Unoer- 
einbarkeit  i^rer  ®attungsfunktionen  mit  il}rer  gefe^Iid)en  6Ietd)ftel- 
lung  3urüdt3ugreifen,  um  bie  Surüdtbrängung  ber  ß^^^  in  bie  trabi- 
tioneüen  Sd^ranken  3U  begrünben.  -  Sd)wäd)er  äußerte  fid)  bie  gletd^e 
([enben3  auf  bem  6ebiet  bes  PriDatred)ts.  3m  (Erbred)t  würbe  (Kleid)' 
fteüung  ber  (Befc^Iec^ter  burd^gefül^rt  (1793).  Die  erften  (Entwürfe  bes 
(Lo^  ftrebten  wenigftens  im  Prin3ip  aud)  naöai  (6Ieid)fteIIung  ber  (Ratten 
auf  (hrnnb  ber  naturrec^tlid^en  Dertragstl^eorie.    Sie  trotten,  wären 


*)  D9I   £.  Braun,  Die  iDirtfd)aftItd)e  Seite  öer  Srauenfrage  S.  80-88. 


320    (Ei^eauffaffung  unb  (E^erec^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  x. 

fte  6e|e^  getoorben,  ein  immerl)in  relatiü  mobernes  (E^red^t  ergeben 
können. 

(Ein  anberes,  nod)  per{önlid}eres,  Itloment  trug  basu  bei,  um  aud| 
bei  ber  (5e|taltung  bes  prioaten  (El^erec^ts  bem  patriarc^alen  Prin3ip, 
gegenüber  ben  naturred)tli^en  3bealen,  bas  tDort  3U  reben.  Sie 
fiel  in  bie  Seit  bes  Konjulats  unb  ber  nionar^ie:  Hapoleon's  eigene 
An|d}auungen  über  bie  ber  5^<^u  gebiil)renbe  Stellung  fielen  bei  ben 
(Kefe^beratungen  in  bie  tDagf^ale,  unb  es  i{t  für  bie  feelif^e  Um 
ftultur  unb  tx>oI)I  aud)  für  getDiffe  per{önlid}e  (Erlebniffe  biefes  mili' 
tärifd}<poIiti|^en  6enius  be5eic^nettb,  bajs  er  na(^  Art  eines  oriento« 
Iifcf)en  Despoten  bie  5rauen  lebiglic^  als  (Be{d}Ied)tsu)efen  mertete  un5 
Don  ba  aus  i^re  Unterorbnung  auf  allen  (Gebieten  bes  |03ialen  £ebens 
forberte.  Bei  ber  Beratung  bes  (EI)ered)ts  tat  er  ben  befiannten  Avis» 
fpru^:  „(Es  gibt  ettoas,  bas  ni^t  fransöfifd)  ift:  ba|3  eine  5^^^  ^ 
ftann,  toas  ii)r  gefällt".  tDas  il)m  als  Prin5ip  3ur  gefe^Iid^en  Regu* 
lierung  bes  Der^öltniffes  ber  6atten  Dorf^toebte,  Deranfd^aulic^t  er 
in  ber  Sorberung:  „(Ein  (El)cmann  foll  eine  abfolute  I)errf(^aft  über 
bie  f}anblungen  feiner  5^^u  ausüben;  er  I)at  bas  Rec^t  if)r  3U  fagen: 
ITIabame,  Sie  toerben  nid^t  ausget^en;  Sie  tx>erben  nic^t  bas  tL^tattt 
befud)en;  Sic  ©erben  mit  ber  ober  jener  perfon  nic^t  oerfteljren.' 
ITIitbeftimmt  burd)  ben  (Einfluß  biefer  flnfd^auungen,  würbe  bas  neue 
6efe^  im  toefentlid^en  eine  Spftematifierung  ber  Red)tsgetx)oIjnljeitea 
bes  fran3öfi|d)en  ITIittelalters,  unb  als  foldjes  toirb  es  audj  oon  fron» 
3örif d)en  (Belef)rten,  3.  B.  fcfebore,  nod)  tjeute  als  >unc  des  plus  bdles 
creations  nationales*  gepricfen  unb  als  Jru^t  jenes  d)riftlid)»fran« 
3ö|i|d)en  (beiftes  be3cid)net,  bem  aud)  bas  Rittertum  unb  bie  gotl)i[d)e 
Kunft  it)r  Dafein  üerbanfie. 

3mmerl)in  f)aben  in  it)m  aud)  bie  naturred)ts<3beale  einen 
nieberjd)Iag  t)interlafjen:  Das  fran3öfi|d)e  (Ef)ered)t  ermöglid)t,  im  Der« 
gleid)  3U  ber  Starrl)ett  bes  dommon  £atD,  aud)  of)ne  bas  Dentil  eines 
>Equity  Courts,  eine  größere  BerüÄfid)tigung  mobernen  (Empfinbens 
unb  moberner  Derf)ältnine.  Dor  allem  fef)It  bie  3bentitätsfifetion 
unb  bas  Prin3ip  ber  coverture«.  Die  Srau  bleibt  besf)alb  an  \iä\ 
I)anblungsfäl)ig  unb  für  it)re  fjanblungen  oerantujortlid),  ein  „Id^', 
mit  beffen  IDiflensäuöerungen  bas  (Befe^  red)net.  Aber  aüerbings 
toirb  aud)  f)icr  gan3  prin3ipien  bie  abfolute  fjausl)errf(i^aft  bes  ITIannes 
gefid)ert  unb  ^max  baburd),  bafe  j  e  b  e  ein3elne  Red)tsl)anblung  6er 
Srau  an  feine  „(Ermäd)tigung''  (autorisation)  gebunben  ift.   Sie  ift  bes» 


B.  Das  (E^redjt  öes  Code  civil.  321 

i^Ib  ntd)t  nur  ßufolge  tf^rer  Dermögensred^tli^en  Abtiängtgkeit,  lonöern 
fd^on  allein  öurd)  ii^re  p  e  r  { ö  n  l  i  d)  e  Unterorönung  in  tt)rer  fjanb» 
Iung$fai)igkeit  befc^ränkt.  Bas  (5efeg  get)t  -  gan3  im  mittelalter* 
Kd^en  (beifte  -  barauf  aus,  6ie  perfönlid^e  Autorttat  öes  ITIannes 
«als  f}aupt  6er  S^n^i^i^"  5U  ftü^en,  un6  öie|e,  mit  5ie  Dergleid)en6e 
BetTad)tung  ergeben  l}at ,  DÖIIig  ti)pi{d)e  (Erfdjeinung  wirb  ebenfo 
mit  Unred)t  Don  6er  nationaleitelfteit  fran5Öfifd)er  (belei^rter  als 
>la  |;(r;in«le  rrcation  juridicjuc  un6  Husfluft  einer  jpe3ifi|dj  djrijtUd)» 
fran3ö{i{d)en  (Ei^eauffaffung  be3etd)net,  mie  6ie  bei  uns  l^äufige  Bel^aup* 
tung,  bag  [\e  ipe3ifi{d)  ,,6eutfd)"  fei,  oöUig  millkürlid)  ift. 

(Offenbar  6urd)  6ie  Der{d)ie6enen  (E()e6efinitionen  6er  Haturred^ts« 
lel^rer  beeinflußt  un6  6esi)alb  etmas  banal  un6  pl^rafenl^aft,  fud^t  nun 
3unad}ft  6er  Artikel  212  6ie  gegenfeitigen  ,,moranfd)en"  Pflid)ten 
6er  6atten  3u  um{d}reiben:  ,,Die  (batten  {(^uI6en  einan6er  (Ereue, 
f}i(fe  un6  Bei{tan6".  Bekanntlid)  roar  6ie  red^tlid^e  Derpflid^tung 
bes  niannes  3ur  (Ereue  öamals  nid)t  ernft  gemeint,  6enn  —  mie  mir 
nod)  fpöter  feigen  tx)er6en,  —  galt  bis  in  6ie  neuefte  3eit  nur  6ie 
Untreue  6er  $rau,  nid)t  aber  6ie  feinige  als  Delikt  un6  als  Anlag  3ur 
Sd)ei6ungsklage.  -  Die  in  Artikel  213  unö  214  ooIl3oge^e  Pflid^ten- 
oerteilung  ftellt  fid)  auf  6en  Bo6en  6er  tra6itioneUen  Hangorönung 
6er  6eid)(ed)ter:  „Der  ülann  fd)uI6et  feiner  5rau  Sd^ut^,  6ie  5rau 
iljrem  ITIanne  ©eljorfam."  Die  Spekulationen  öes  naturred)ts  über  öen 
Red)tsgrunö  6er  ITIannesautorität  angefidjts  öer  „nienfd)enred)te", 
unö  öie  ftete  Angft  öes  fran3ö)ifd}en  (befet^gebers  Dor  öer  (befal^r,  öag 
öer  (Einfluf)  öer  S^<^^  ^^n  ITIann  5ur  (Etn)d)rankung  feiner  gefet)lid) 
ftatuierten  Pofition  oermögen  könnte,  })ahcn  öen  doöe  aud)  oeranlaf^t, 
in  Art  1388  ausörüdtlid)  öie  fjerrenredjtc  öes  ITIannes  über  öie  perfon 
öer  5rau  unö  öer  Kinöer  als  jeöer  üertragsmäfeigen  Hloöifikation 
ent3ogen  3U  be3eid)nen.  Die  5rau  ift  Derpflid)tet,  beim  lllanne  3u 
i]K>f)nen  unö  iljm  überall  l}in  3U  folgen,  tool^in  es  il^m  beliebt,  alfo 
aud)  ins  Auslanö  oöer  an  einen  für  [\^  gefunöf)eitsfd}aölid}en  (Drt. 
Der  mann  ift  oerpflid)tet,  öie  S^ou  ^^i  Pd)  auf3unef}men  unö  ihr  nad^ 
feinen  Kräften  ftanöesgemäßen  Unterf^alt  5U  geojöljren.  Die  Ar- 
tikel 215,  217,  223  bilöen  bann  öie  weiteren  Sd}ut)n)äUe  3ur  (Erl^al* 
tung  öes  patriard)alen  ^ausregiments.  Offenbar  \\nb  \\e  aber  3U* 
gleid)  als  Sd)u^)  öer  S^^u  gegen  il)re  „(befd)led}tsfd}n)äd}e''  unö  Mn» 
erfal^ren^eit  in  bürgerlid}en  Dingen"  geöad)t  unö  fud)en  auf  öiefem 
IDege  mit  öem  für  öen  Ulann  „Angenei^men"  öas  für  öie  Stau  ,,nü^ 

ZT  r  her.  {bcfraa  un^  mmtrr.  21 


\ 


> 


322     (E^eauffoffung  unb  (E^erec^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  k. 

lic^c"  3U  ocreinigcn.  Dic|c  Sürforge  bes  (Befe^gebers  erfc^eint  fr«» 
lic^  in  S^ottft^c^  bcfonbers  überflüjfg,  ba  grabe  bie  franjöfilt^« 
Sraucn  bes  ITIittcIftanbcs  unb  ber  ertocrbstätigen  Klaffen  p<^  notoriH 
f^on  feit  3a^r^unberten  bur^  augerorbentüc^e  (Befc^äftstüc^tigkdt 
unb  ftaufmönnif^e  Begabung  aus5eic^nen,  —  (Eigenfc^aften,  bie  fonft 
bekanntlich  ni(^t  bem  nationalc^araftter  ber  ntaffe  ber  Stanjofen  an« 
gehören.  (Ban5  nac^  Hrt  ber  mittelalterü^en  (5ef(^Ie^tsoonnun6f<^ 
toirb  ber  S^^u  —  au(^  ber  I)anbelsfrau  —  burc^  Art.  215  unterfogt 
in  3iDi(fac^en  o^ne  (Ermö^tigung  i^res  (Battens  oor  (Bericht  5tt  er* 
f(^einen.  -  Sie  ftann  aber  überbies  o^ne  fein  Beifein  ober  feine 
f^riftlic^e  (Erlaubnis  nichts  Don  i^rem  (Eigentum  Derfc^nken,  oer* 
Kaufen,  belaften,  noc^  aud^  burc^  Sc^enftung  ober  Kauf  irgenb  etiDos 
ertoerben.  Hur  bie  3um  felbftänbigen  Ijanbelsbetrieb  oom  mann  er» 
möc^ttgte  5^^^  ^^^f  r  ^i^  ^u^  im  ITIittelalter ,  i^ren  Qanbel  b^ 
treffenbe  (5ef(^afte  menigftens  felbftSnbig  abfc^Iiegen.  3m  ilbrigen 
gelten  alle  biefe  Befc^ränftungen  ber  e^eiDeibüc^en  Qanblungsföl^iglett 
!  f elbft  bann,  menn  bie  5^^^  laut  (E^eoertrag  i^r  Dermögen  f  e  ( b  fl 
oertoaltet,  ja  ber  ITIann  kann  fic^,  roenigftens  für  bie  3mmobt(ien  ber 
5rau,  nic^t  einmal  bur(^  gän3lic^e  (Bütertrennung  ober  —  toie  3.  B.  in 
3talien  —  bnxdi  (Erteilung  einer  (BeneralooIIma^t  feiner  Dormtmb' 
l^aft  entäußern,  flis  eine  prin3ipiell  immerhin  er^eblic^e  Kon3effion 
n  öie  inöiDibualre^tlic^e  3bee  erf^eint,  bog  bie  5^ciu  gegen  tDUßtür 
bts  TTIannes  iDenigftens  bei  ben  (Berichten  Sc^u^  fu(^en  barf.  Bei 
femer  ungere^tfertigten  SuftimmungsDertoeigerung  3U  pro3effen  ober 
Re]btsgef(^öften  kann  bie  S^^^  ^i^  geri^tlic^e  (Erlaubnis  ba3U  ein* 
Ijolai.  Der  Rid)ter  barf  3U  Rcd)tsgcf^äften  bie  3uftimmung  aber  nur 
nad)\gerid)tlid)er  üernc^mung  beibcr  (Batten  erteilen,  es  fei  benn,  bafe 
ber  Ifiann  eine  cntcljrenbe  Strafe  oerbü^t  ober  fonft  faktifd^  Derl^inbert 
ift  Doi  (Bcrid)t  3U  erfd)cincn. 

flU(^  bie  (Bcftaltung  ber  „DÖterli^cn  (Beroalt"  enthält  gecDiffe 
Kon3cffionen  an  bie  naturrcd)tn(^e  fluffaffung,  ba^  beiben  (Eltern  mit 
bcnfclben  Pflid)ten  aud)  bicfelbcn  Rcd)te  gegenüber  i^ren  Kinbem  3U« 
3ugeftel)en  feien:  Die  Unterljalts«  unb  (Er3iet)ungspfli^t  roirb  aus- 
btücklid)  beiben  3ucrkannt,  unb  bie  Kinbcr  rocrbcn  3ur  (Eljrerbietung 
unb  (Betjorfam  gegen  bcibe  Derpflic^tet.  Aber  bie  üorljerrfdjaft  bes 
üaters  roirb  baburd)  nidjt  im  gcringften  angctaftct,  benn  bei  beftel^m 
ber  (El)e  unb  fo  lange  er  !}anblungsfät)ig  ift,  roirb  bie  faktif^e  Aus- 
übung ber  Autorität  iljm  allein  oorbeljaltcn.  (Er  allein  oercoaltet  unö 


H.  Das  (Eljcredjt  öes  Code  civil.  323 

nu^niegt  bas  KinöesDcrmögen,  er  beftimmt  allein  il^re  Religion  unb 
bei  it^m  allein  {tel}t  bie  3uftimmung  5ur  (Et^ef^Iiegung.  Hu^  kann 
er  allein,  unb  5DDar  ot^ne  3uitimmung  ber  ITIutter,  Don  bem  {tark 
patriard^aliid}  anmutenben  3ud)tntitte(  (Bebraud}  mad)en,  kraft  {einer 
üöterlid^en  (Betoalt  bei  {d}Ied)ter  Huffül^rung  einen  Derl^aftungsbefel}! 
gegen  bas  Kinb  ermirken  3U  laffen.  Die  Autorität  unb  bie  Dormunb« 
fd|aft(id}en  Redete  ber  tlTutter  treten  nur  bei  ()anblungsunfat^igkeit 
6es  Daters  (HbtDe(enl)eit,  (Entmünbigung  etc.)  ober  naö:^  {einem  Hobt 
in  Kraft  unb  beft^en  bann  keinestoegs  ben(elben  Umfang  toie  bie 
Döterli^e  (bemalt  3mmer[)in  bebeutet  es  gegenüber  bem  engli{^en 
Common  Zaw  einen  getoaltigen  5ort{d}ritt,  ba^  bie  TTIutter  nad^  bem 
lobe  bes  Daters  als  natürlid^e  Dormünberin  ber  Kinber  aufgefaßt 
oirb.  Rllerbings  l^ai  ber  Dater  bas  Red)t  it}r  te)tamentari{d}  einen 
Betrat  für  bie  DermögensoertDaltung  3U  ernennen.  Rud}  kann  ber 
»Sö'nil'cnrat"  fie  als  DcrmögensoercDalterin  gan3  ab{eften;  oon  bem 
Red)te,  bie  Kinber  in  Rrre{t  {e^en  3U  Ia{{en,  barf  fie  immer  nur  mit 
3u(timmung  ber  Bel)örben  unb  ber  3DDei  nadelten  DateroertDanbten, 
unb  bann  nur  {0  lange  fie  IDitme  bleibt,  (Bebrau^  mad^en.  Sef^r 
Der((^ieben  ftnb  IDltxDer  unb  IDittDe  übcrt^aupt  bei  tl^rer  IDieberoer- 
^tratung  ge(tent:  ber  3ur  3tx)eiten  fjeirat  (d)reitenbe  Dater  oerliert 
ntd)t$  oon  feinen  Dormunb{d}aftlid}en  Redeten  über  {eine  Kinber  aus 
erjter  (Etje,  bie  IHutter  aber  mu^  ben  Jamilienrat  fragen,  ob  (ie  in 
ber  3n>eiten  <Et)e  bie  Dermögensoermaltung  bet^alten  barf,  bie  Ru^- 
nie^ung  oerliert  {ie  ot)ne  weiteres.  Don  ben  3ud}tmitteln  barf  {ie 
unter  keiner  Bebingung  met)r  (Bebraud)  ma^en.  Der  Kontrolle 
öes  S^niilienrats  be3Üglid}  ber  Dcrtoaltung  bes  Dermögens  ber  Kinber 
|inb  bagegen  bei  itjrcr  DertoittDung  beibe  (Eltern  unter roorfen.  -  3m 
Sali  ber  Sdjeibung  fallen  bie  Kinber  in  ber  Regel  bem  im  Pro3e6  ob- 
ftegenben  (Etjegatten  3U,  können  aber,  cDcnn  es  iljr  3nterc{{e,  -  coeldjes 
Ijier  erfTeuIidjercDei{e  oorange{teüt  roirb,  -  erl)ei{djt,  auf  Rntrag  bes 
StaatsantDalts  ober  ber  S^^i^i^  ^^^  bem  anbrcn  (Et^egatten  ober 
einer  britten  per{on  anocrtraut  rocrben.  -  Das  Redjt  ber  Uebern)ad)ung 
ii^rer  (Er3iel)un9  unb  bie  Pflid^t  3ur  Bei{teuer  für  beren  Ko(ten  bleibt 
in  jebem  Sali  beiben  (Et)egatten.  Rlle  bie{e,  teils  aus  ben  i^n(d}au< 
ungen  bes  Raturredjts,  teils,  unb  be{onbers,  aus  bem  patriard)alen 
ßlin^ig^  abgeleiteten  Redjtsregeln  für  bas  per{önlid)e  Dcrljältnis  ber 
eitern  unb  (Batten  tragen  keine  {pe3ifi{d)  nationalen  lllerkmale,  - 
fpe3ifi((^  fran3ö|iid}  aber   i{t  bie  grau{ame  Red}tlo)igkeit  bts  unel)e« 

21  • 


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324    (E^eauffoffung  unö  (E^ere^t  im  Seitoltet  bes  Rationoltstnus  k. 

lidjen  Kinbes  unb  [einer  IHutter,  eine  Ileuerung  ber  Reoolutionsjeit, 
bie  5um  (Eeil  bem  (Bef^Ied^tsegoismus  bes  Bürgertums,  5um  (Ceti 
ober  au^  bem  unmittelbaren  (Einfluß  ber  {o(bQti|(^en  Auffanungs* 
toeife  Ilapoleons  5U5u{^reiben  ift. 

Das  mittelalterli^e  Hed)t  5tanftreic^s  I^atte  allerbings  ^unef^menö 
ben  >bätards«  bas  (Erbred)t,  joroo!}!  oäterlic^er,  als  mütterlidjerfeits,  ab» 
gefprod)en,  bagegen  i!}nen,  ent|pred)enb  ben,  in  bie|em  Punkt  Ijumanen, 
Regeln  bes  kanonifd)en  Re^ts,  fllimentationsrec^te  gegen  ben  Dater 
5uge{tanben. 

(Einige  3ett  t)or  ber  Beratung  bes  (Eobe  ^atte,  unter  bem  (Einfittg 
humanitärer  3been,  ein  (Befe^  oom  12.  Brumaire  bes  3al)res  n  (1795) 
btn  uncl)end)cn  Kinbern,  toenn  |ie  als  folc^e  oon  ben  (Erseugem  an« 
erkannt  toaren,  bas  gleite  (Eljere^t  mit  ben  e^elid)en  gegeben,  gleich 
3eitig  aber  bie  „jkanbalölen"  Dater|d)aftspro3effe  ein3ujdjränken  g^ 
|u^t.  Der  (Eobe  unter|d)eibet  bcmgemäfe  3tx)ij^en  1.  freimillig  oner« 
kannten  unb  2.  ni(^t  anerkannten  unehelichen  Kinbern.  Die  an  er« 
kannten  „natürli^cn"  Kinber  Ijaben  einen  flnjprudj  in  Ijölje  Don  V» 
ber  (Erbportion  ber  Doükinbcr,  roenn  foldje  oor^anben  jinb,  fonjt  Va-^/i 
je  na^  bem  Dertx)anbtjd)aftsgrab  ber  anbren  (Erben,  in  (Ermangelung 
aller  (Erben  auf  bas  (ban^t,  Sie  können  oon  iljren  (Er3eugem  (Dater 
ober  TTIuttcr)  bei  £cb3citen  mit  ber  fjälfte  bie|es  flnjprud)s  abgefunden 
toerben.  3m  (E^cbrud)  ober  in  BIutfd)anbe  ge3cugte  Kinber  können 
nur  flUmenten»fln[prud)  crroerbcn.  Die  nid)t  „anerkannten"  unelje» 
lid)en  Kinber  tjaben  übcrl)aupt  keine  Red)te,  fie  finö  i^filii  nullius< 
toie  bas  englifdic  Rcd)t  [agt,  unb  können  au^  im  IDege  ber  Klage 
nur  ber  TTIuttcr  gegenüber  aus  bicfer  Situation  Ijerausgclangen.  Dos 
(Bcfe^  Dom  25.  Tnär3  1896  l)at  bie  Portion  ber  „anerkannten"  natür« 
lid)cn  Kinber  aulf  V^  in  Konkurren3  mit  el}elid)en  Kinbern,  ^/4  mit 
(Eltern  ober  (3)ejd)U)Htern  unb  (BefdjcDlfterkinbern,  bas  (ban^e  in  allen 
anbren  5öUen  Ijerauf gefegt,  ben  „flnfprud)"  barauf  in  ein  „(Erbredjt* 
Derma nbelt  unb  bas  Red)t  ber  flbfinbung  bejeitigt.  3"^  übrigen  ifl 
ber  Ijeutige  Red}ts3uftanb  folgenbcr: 

Das  unel)elid)c  Kinb  t]at,  —  felbft  roenn  leine  (Er3euger  bekannt 
finb,  -  juriftijd)  betrad)tet,  roebcr  üater  nod)  TTIutter,  b.  l).  bie  (bt* 
|e^e  geftct]en  il)m  aud)  gegen  feine  TTIutter  Unterfjalts«  unb  (Erban- 
|prüd)e  nur  bann  3U,  toenn  fie  es  mit  Beobadjtung  getoiffer  5onnafr 
täten  geje^lid)  anerkannt  l)at.  Allerbings  kann  bas  Kinb, 
toenn  es   nidjt   in  (Eljebru^   ober  Blut|d)anbe   er3eugt  ift,  bie  flncr« 


B.  Das  (E^erec^t  6es  Code  civil.  325 

kennung  ber  ITIutter  mit  fjilfe  ber  (Berichte  buxd^  Beibringung  von 
beugen  er3n)ingen:  la  rcchcrchc  (ir  la  materniie  est  a<lmises  wäl)" 
renb  ber  Dater  bas  Kinb  nur  freitDiOig  «anerkennen"  kann,  ein  ge> 
ri(^tlid}er  3n>ang  bußu  aber  nid}t  ftattfinbet,  n>as  ber  berü^tigte 
ftrtikel  340  mit  ben  IDorten  ausfpric^t:  la  nchcrdu!  <le  la  paicr- 
litc  CNi  inicnliic  :  angebli^  jollte  er  bie  S^öuen  oor  leic^tfinnigen 
Sei)(tritten  f^ügen.  HUein  bas  Kinb  kann  aud^  ben  pro3egn)eg  felbft 
jegen  bie  ITIutter  nur  bann  befd^reiten,  iDenn  es  (d}on  „btn  Hnfang 
rines  {d^riftlid)en  BetDeifes"  in  fjönben  ^at.  Alle  3nteref{enten  können 
sine  etmaige  freiiDiü'ge  Hnerkeunung  als  5U  Unred^t  erfolgt  anfed^ten. 
3fi  es  Don  ber  ITIutter  freitDillig  ober  er3n)ungenermagen  aner- 
kannt, bann  befi^t  es  bas  Red}t  auf  bie  ^albe  (Erbportion  oom  Der« 
nogen  feiner  ITIutter.  Unb  aud)  iDenn  bas  Kinb  oon  Dater  ober  ITIutter 
^efe^Iid)  anerkannt  ift  unb  baburc^  geiDiffe  (Erbanfprü^e  gegen  feine 
Er3euger  geiDinnt,  befigt  es  bod|,  aud^  nad^  ber  IlooeUe  oon  18%, 
letnerlei  (Erbanfprüd^e  ober  fonftige  Rechte  gegen  bie  DÖter(id)en  unb 
nütterli^en  Dermanbten.  —  Kein  anbres  3iDinfiertes  £anb  I)at  in 
>er  (fregentoart  -  -  angeblid}  im  3ntereffe  ber  meiblid^en  ITIoralitöt  - 
>ie  gefd)led}tlid^e  Sügeüofigkeit  bes  ITIannes  mit  einem  berartigen 
$retbrief  ausgeftattet! 

HIs  Probukt  eines,  burc^  Refte  kirdjlidjgr  Superftition ,  oöUig 
rregeleiteten   fittlid)en  (Empfin^ens   ift   es   aud^  3U   betrad^ten,   bag 

-  au(^  nad}  ber  IIooeHe  oon  18%  -  bie  in  (El^ebrud)  unb  Blut- 
d^anb^  er3eugten  Kinber  toeber  gegen  Dater  nod}  ITIutter  (Erbanfprüc^e 
^ben,  unb  au^  jebe  Don  ben  (Eltern  it)nen  gegebene  S^enkung  ober 
|U  it^ren  (Bunften  getroffene  erbred^tlid^e  Derfügung  nii}tig  ift.  XDie 
Hx  eifembe  (Bott  3sraels  )ud}t  fo  bas  fran3Ö)ijd)e  (Befe^  bie  Sd}u(b 
>er  (Eltern  t^eim  an  ben  Unf^ulbtgen. 

3n  neuefter  3eit  beginnt  nun  au^  in  $rankreid}  eine  Klarung 
HS  fittlid)en  Betou^tfeins.  Die  Don  fran3Ö)tid}en  5tauen  eingeleitete 
■Agitation  für  bie  Sulöffigkeit  ber  Daterfd^aftsklage  kann  auf  bie 
Dauer  nid|t  iDirkungsIos  bleiben. 

HIs  ein  unget^eurer  5ortfd)ritt  auf  bem  (Bebiet  ber  ferueOen  ITIoral 
|t  es  3U  be3eid}nen,  ba^  im  3abre  1884,  bei  ber  IDtebereinfut^rung 
>er  (Ef^e)d^eibung,  enblid}  bas  Prioileg  bes  ITIannes  3ur  et^elid^en  lln* 
Teue   befeitigt   ift.     Der  (lobe   trotte   bie  (Ef)e|d}eibung   oom  Banbe 

-  alfo  mit  bem  Red)t  ber  IDieberoertjeiratung  -  toegen  (Eljebrudjs, 
nfamierenber  Strafen,  ferner    rxccs.  scviccs  ou  injuns  «^laviN-  unb 


326    (E^eouffoffung  unb  (E^erec^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  k. 

(Hrt.  233)  auf  (bxunb  gegenfeitiget  (Einmidigung  3ugelaf{en.  Den 
bogmati|c^en  Bebenden  ber  Kirche  mar  burc^  bie  (Erlaubnis,  \tQä  öer 
(E^efc^etbung  auf  bloge  „(Erennung  oon  (Eifc^  unb  Bett"  5U  Uagen, 
Re^nung  getragen.  Die  Reftauration  befeitigte,  fd)on  1816,  bie 
Sc^eibung  oom  Banbe  (divorce)  mieber  unb  lieg  nur  bie  kanonifc^ 
(Trennung  (Separation)  bejte^en,  unb  bies  blieb  Rechtens,  bis  18B4 
im  prin5ip  roteber  auf  bas  Rec^t  bes  (Eobe  surüdkgegriffen  isuröe. 
Die  Be|timmungen  bes  (Eobe  enthielten  in  Bejug  auf  ben  (E^ 
bru^  eine  efilatante  Prioilegierung  bes  ntannes  ^ur  fafttifd^en  Jkh 
Ipgamie.  Sein  (E^ebru^  galt  nämlic^  nur  bann  als  Sc^eibungs*  ober 
Separationsgrunb  für  bie  S^Qu,  toenn  er  bie  IHaitreffe  in  bie  g^ 
meinfame  e^elic^e  IDo^nung  eingebracht  ^atte.  Auger  bem  f^e 
tDar  i^m  jebes  TTIag  oon  Untreue  {traflos  unb  folgenlos  geftottet 
Dagegen  konnte  ber  betrogene  (Ehemann  fi(^  ni^t  nur  Don  ber  um 
treuen  S^au  f Reiben  ober,  na^  1816,  feparieren  laffen,  unb  jl« 
ftraflos  töten,  falls  er  fie  in  flagranti  ertappte,  —  bie  iDegen  G^ 
bxnii  gefc^iebene  ober  getrennte  5^^^  tDurbe  augerbem,  bis  5ur  B^ 
feitigung  biefer  Beftimmung  im  3a^re  1884,  auf  Antrag  bes  öffent* 
li^en  Anklagers  3U  einer  (beföngnisftrafe  oon  3  ntonaten  bis  5tt  2 
3a!}rcn  üerurteilt,  —  i!}r  TTIitj^uIbiger  blieb  bagegen  oöllig  ftraffrel 
Das  fran3Öjijd)c  Hed)t  kannte  aljo ,  roie  bas  germanij^e  3U  ttaritus' 
Seiten,  bis  1884  nur  für  bie  5rau  eine  ge|e^lidje  Derpfliditung 
3ur  cl}elid)cn  (Ercue. 

Als  (Ergebnis  eines  Derfeinerten  fittli^en  Berougtfeins  ift  es 
bcsl}alb  3U  be3cid)ncn,  bag  bie  (Beje^gcbung  ber  britten  Republik, 
fpc3iell  bas  (Beje^  oom  27.  3un  1884,  bie  (bauen  im  Prin3ip  glci^ 
bcljanbclt.  (Brünbe  unb  5olgen  ber  Sd)cibung  finb  für  beibe  leile 
glei(^:  bas  (Er5iel)ungsred)t  gebül)rt  bem  Unf^ulbigen,  aud)  kann 
biefer  einen  (Eeil  ber  (Einkünfte  bes  Sd)ulbigcn,  bis  3U  einem  Drittel, 
für  {einen  unb  ber  Kinbcr  Unterljalt  beanjprud)en.  Dagegen  ifl 
bei  ber  IDieber3ulaffung  ber  (El}e|d)eibung  Dom  Banbe  im  3a^re  1884, 
unter  bem  Druck  kird)lid)er  An|d)auungen,  bie  jeiner3eit  oom  (Eobe, 
-  naö:i  minbeftens  2iäl}rigem  unb  bis  3um  20iäljrigen  Befteljen  ber 
(El}e,  falls  ber  ITIann  über  25,  bie  5rau  über  21  unb  unter  45  3al|r< 
alt  ift,  unb  bie  Parteien  innerljalb  3a^resfri{t  brei  Rlal  einen  ent« 
fpred)enbcn  Antrag  geftcüt  Ijaben,  —  geftattcte,  fpe3ifif^  natune(^t« 
lid)e  (El}cfd)eibung  auf  (Brunb  gegenjeitigerUebercinkunft) 

^)  (bele^Hd^e  Solge  einer  lold^en  Sdjeibung  toar  naci^  Art.  305,  bag  bas 


B.  Das  (Eljeredjt  6cs  Code  civil.  327 

nxd^i  mieber  5ugela{fen  iDorben.  Derboten  blieb  qu^,  n>ie  im  (Lobt,  ^ 
bxt  fjeirat  3DDi{d^en  bem  toegen  (Et^ebruc^  gefd^iebenen  (Batten  mit 
feinem  ITIitjc^ulbigen.  Dies  Derbot,  coeldjes  auf  ber  flnnaljme  beruljt, 
bü^  es  bem  ftttlic^en  Bemugtfein  mtberftreite,  wenn  3n>ei  TTIenfdien  burd} 
|(^n>eres  Derfd)ulben  gegen  einen  Dritten  fid)  {osufagen  bie  Hntoart« 
f(^aft  auf  ^legitime"  Befrtebigung  it^rer  £etbenfd|aften  oerf^affen, 
iDirb  neuerbings  5unel)menb  beftämpft.  Das  5^ft^alten  an  it^m  iDürbe 
{ebenfalls  bie  Befeitigung  ber  Red^tloftglieit  ber  im  (El^ebrud}  er3eugten 
Kinber  erforbern. 

Den  bogmatif^en  poftulaten  bes  katf2oIi{d}en  (Et^erec^ts  iDurbe  aud} 
biesmal  babur^  Red)nung  getragen,  ba^  fernerhin  geftattet  blieb, 
ftatt  auf  (Et^e|d}eibung,  auf  srj)arati()n  de  corps-,  3U  ftlagen.  fludj 
biefe  Klage  barf  [xdf  ni^t  auf  ben  unkanonifd)en  (Brunb  ber  gegen« 
feitigen  (EinmiOigung  ftü^en.  Die  Sd^eibung  oon  difd}  unb  Bett  [)at, 
auger  ber  Unmöglid}keit  ber  IDieberDere[)eIid)ung,  fonft  biefelben  5oIgen 
n>ie  bie  Sd^eibung.  3eber  (Ehegatte  (im  dobe  nur  ber,  gegen  mtU 
d^en  ein  Separationsurteil  ergangen  ift)  t^at  aber  bas  Red)t,  nad}  brei 
3ai)ren  entmeber  bie  IDieberDereinigung  ober  bie  Sd^eibung  Dom 
Banbe  3U  oerlangen.  Die  d}arahterifti{d)e  Bestimmung  bes  (Eobe,  tx)o« 
nad)  ber  megen  <Et)ebrud}  feparierten  5^ou  jenes  Red}t  oerfagt  mar, 
ift  1884  ni^t  tDlebertjergeftellt  roorben.  -  (Es  jdjeint,  ba^  bas  3ur3eit 
am  Ruber  befinblid)e ,  io3iaIiftif^*rabiftaIe  Kabinett  bem  Don  einer,  aus 
Angel)örigen  beiber  (5efd}Ied)ter  gebilbeten,  Kommijfion  aufgefteOten 
CnttDiirf  gemäg,  auf  bas  früt^ere  Red)t  bes  dobe  3urüdtgreifen  alfo 
bie  Sd|eibung  auf  (Brunb  gegenfeitiger  (EintDiOigung,  unb  barüber  l^in- 
aus  aud}  eine  Sd^eibung  ,,auf  (Brunb  Don  Unoereinbarfteit  ber  (Et^a- 
rafetere"  3U  gecoäfjren  oorj^Iagen  cdiU.  — 

5ür  bie  Regulierung  it)res  Dermögensred}tlid|en  Der« 
i)Qltni{{es  gejteljt  bas  fran3Ö  .|d)e  (Eljeredjt  ben  (bauen  bie  IDafjIfrei- 
l^it  3n>i|^en  meljreren  (Büterred)tsformen  3U.  Heben  bem  Umftanb, 
bag  in  5tanftreid}  Dor  bem  (Lobe  eine  inel)rl)eit  oon  (Büterred)ten  be« 
ftanb  unb  ba^  ber  (Lobe  !}ierauf  Rüdtfid^t  nat^m,  3eigt  fid|  in  bie|er 
Beftimmung  bodj  audj  ber  (Einflufj  ber  naturredjtlidjen  3bee  ber  Der- 
tTagsfreil)eit.  AOerbings  ertoeift  fid)  tro^bem  au^  [)icr  bas  mittel* 
alterlid^e  (Element  als  bas  ftärhere. 

Dem  nianne  ift  3.  B.  ausbrüdtlid)  unterlagt  im  (Ei^eoertrag  auf 

Ctgentum  an   ber  f)älfte  bes  Permögcns   iebes  (Motten  ben  Kinbern  |ofort 
un6  5te   eigene  Derioaltung  unb  nu^ung  nad)  it^rer  (Bro^iäl^Tiglieit  jufiel. 


328    (E^eouffaffung  un6  (E^erec^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  k. 

irgcnö  eines  feiner,  aus  öer  »puissance  maritale«  abgeleiteten,  Red|te 
5U  t)er5id)ten  (Hrt.  1388).  ITamentli^  |oII  bie  Befc^ränkung  ber  f}anb> 
Iungsfat)igfteit  ber  S^^^  ni^^  ^^r^  bas  (Bütertec^t  abgef^mac^t  iDer> 
btn:  Sie  barf  [elbft  bei  üereinbarter  „einfat^er"  (Bütertrennung  kein 
Hed)tsgc|^äft  o^ne  (Ermäd)tigung  i^res  (Batten  ab|d)Iie6en.  fllsüer» 
tragsrc(^te  {teilt  bas  (Be|c^,  in  Anlehnung  an  bie,  oor  (Erlafe  bes  (Lok, 
in  ben  ein5elnen  (Bebieten  übli(^  getoefenen  (Büterred^te,  oerfd^tebene 
5ormen  oon  (Bütergemeinj(^aft,  ein  (Büteri)erbinbungs|i)ftem,  bas  Do» 
talrcd)t  unb  bie  (Bütertrennung  3ur  Derfügung,  —  beren  (Knjelet» 
örterung   mix  ^ier   unterlaffen.     3ebo^   kann   ber   (Büterftanb  nui 
oor  ber  Ijod)3cit  oereinbart  cocrben,  nad)trägli<^e  flenberungen  finb 
im  Prin5ip  ausge{d)Ionen.  So  lange  bie  (E^e  befte^t,  kann  a({o  (Bätet* 
trennung   überhaupt  nur   bur^   gerichtliches   Urteil   unb   nur  öaim 
ertDirkt  merben,  falls  fi(^  eine  {c^roere  (Befö^rbung  bes  S^^^^nguts 
bur^  bie  DertDoItung  bes  ITIannes  ermeifen  lägt.    Unb  felbft  meitn 
bie  „üönige"  (Bütertrennung  ausbrüdili(^  oereinbart  ift,  Jxann  bie  €^ 
frau  ntd)t  o^ne  (Benel^mtgung  il^res  ITIannes  über  i^re  3mmobi(ien 
oerfügen:  bies  Re(^t  il)r  3U  oerfd^affen,  gibt  es,  roie  ber  (lobt  (Art 
1538)  ausbrüdtltd)  befagt,  kein  ITIittel.    Dagegen  ift  ber  Illann,  falls 
bie  5rau  i^m  bei  ocrtragsmäfeigcr  (Bütertrennung  i^r  Dermögen  3111 
Dertoaltung  anoertraut,  oon  jegli^er  Redjnungslegung  geje^Iid}  b^ 
freit  (art.  1539). 

fjat  bas  Brautpaar  -  roie  es  naturgemäß  bie  Regel  ijt  -  keine 
be|onbercn  Dcreinbarungcn  getroffen,  |o  gilt  als  g  c  f  e  §  I  i  d|  e  s 
(Bütcrredjt,  ber  mittclaltcrlidien  Red)tsentnji(klung  entfpredjenb,  bi^ 
jcnige  S^^^  ber  partikulären  (Bütergcmeinfdjaft,  bie  toir  in  Deutfdj» 
lanb,  nid)t  gan3  3utrcffenb,  als  ,,Sal)rnisaemeinid)aft''  bc3eid)ncn:  im 
(Lobt  cioil  toirb  |ie  ^communautc  lc.<:jalc^  genannt.  3um  (Bemein* 
{d}aftsgut  get)ören  babei  alle  beo3egItd)en  (Büter,  fon^ol)!  bie  ei^g^ 
brad)ten,  mit  bie  in  ber  (El)e  ernjorbcnen,  aljo  alle  (Belbkapitalien, 
Ceibrentcn,  3infen,  alle  Arten  oon  fjausgerät,  roic  aud)  ber  außer« 
l)äuslid)C  jclbjtänbige  £Irbeitsocrbicn|t  oon  ITIann  unb  S^cl^',  ferner 
aber  gel}ört  ba3U  aud)  basjentge  unbeo3eglid}e  (But,  aI{o  (Brunbftudte 
unb  £iegen[d)aften,  bas  bie  (Batten  uoäljrenb  ber  (Elje  entgeltlidj  er» 
toerben,  (mitl}in  bie  ge|amtc  el)elid)e  «$.rrungen[c^qft" ).  Sonbergut  jebes 
Saiten  bleiben  aljo  nur  bie  in  bie  (El)c  eingebrad)ten  ober  bie  in  iljr 
burd)  (Erbfd)aft  ober  Sdjenkung  ertoorbenen  £iegenfd)aften,  beren 
(Einkünfte  unb  S^^ü^te  aber  ebenfalls  an  bie  (Bemeinjdjaft  fallen. 


H.  Das  (Eljerec^t  6es  («xic  civil.  329 

Soa)of)(  ÖQS  Sonbergut  öer  S^^^i  ^'^^  ^^^  (5emetnf^aftsgut 
ftei^n  unter  öer  ausf^Ite^Hc^en  DertDaltung  unö  ITu^niegung  5es 
niannes.  Seine  Derfügungsrec^te  über  Unteres  finö  annal)ern5  fo  grog, 
oie  6ie  eines  AUeinetgentümers.  ITur  5as  Derfd^enften  öer  (EotaUtöt 
öes  (5e|amtguts  oöer  öer  3mmobiIien  öer  (Bemeinfd^aft  ift  il^m  ver- 
boten, im  übrigen  kann  er  alles  oerpfönöen,  oeröugern,  oeripeftu« 
lieren  2C.,  ot^ne  öie  5^^"  5U  fragen.  Sie  t^at  keinerlei  Red^t 
feine  Dertoaltung  5U  kontrollieren.  Bei  {(^merer  (5efat^röung  it^res 
Dermögens  bleibt  it^r  öemnad^  kein  anörer  AustDeg,  als  öie  Tren- 
nung öer  (büter  öur^  gerid^tlid^es  Urteil  5U  beantragen,  ein  Aus« 
oeg,  öen  [xe  —  obgefel^en  oon  feiner  pfpc^ologifd^en  Ungangbar- 
keit -  DDoI)(  immer  erft  öann  befd^reiten  kann,  votnn  fi(^  öie  S^Ig^ 
feiner  f^Ied^ten  Dermaltung  fo  er^eblid}  bemerkbar  ma^en,  öag  es 
in  XDa^rt^eit  {(^on  3U  fpät  i{t.  3n  öer  praps  fte^t  nun  freilid^  öem 
freien  Sd^alten  öes  ITIannes  ein  gen>id)tiges  ()inöernis  im  XDege  in 
(beftalt  öes  prioilegierten  (Beneralpfanöred^ts,  meines  öie  5^^u  an 
feinem  Dermögen  für  il)r  (Eingebrad^tes  befigt  {Rxt  1211,  1235). 
Da  infolge  öiefes  Rechts  jeöer  (Ermerber  oon  <firunöftücken  öes  ITIannes 
riskiert,  öag  \xe  im  S^^He  {eines  DermögensoerfaUs  oon  if)r  in  Anjpruc^ 
genommen  meröe,  |o  pflegt  in  öer  projris  öie  Sxan  regelmäßig  5um 
3a)edi  öes  Der3id^tes  auf  i^r  Pfanörec^t  5uge3ogen  5U  toeröen:  öer 
mann  ift  alfo  in  öer  Derfügung  über  feinen  Befi^  öurd^  öie  (El^e 
faktifd)  gei)emmt,  es  ift  m.  a.  ID.  öie  alte  IDirkung  öer  douain-  öer 
5rau  in  anöerer  Rec^tsform  beftef^en  geblieben,  obiDol)!  öer  fTan3örtfd}e 
Konoent  öas  Dotalfpftem  geraöe  feiner  ,,Derkel)rst^emmenöen''  XDir- 
kungen  megen  oermorfen  ^atte. 

(begen  öas  Derfügungsred)t  öes  ITIannes  über  öen  felbftänötgen 
Arbeitsoeröienft  öer  S^<^^  °>^^^  neueröings  aud}  in  5^ ^n^" 
reid^  5^^"*  gemadjt.  3m  3aljre  1896  couröe  ein  Öiesbe3üglid|er  Re- 
fonnDorj(^Iag  oon  öer  Deputiertenkammer  angenommen,  er  i^at  aber 
-  unter  Berufung  auf  öie  «iöeale"  (brunölage  öer  dfje  -  bisljer  nod) 
nid^t  öie  Billigung  öes  Senats  erfat^ren.  Sd)üd)terne  Hnfänge  einer 
€man3ipation  toaren  öie  (Befe^e  oon  1881,  1886,  1899,  monad^  fie 
Sparkaffeneinlagen  felbft  Dermalten  (aber  nid}t  ot^ne  Konjens  3urüdt- 
^iet^en)  unö  Konfumoereinen  felbftänöig  beitreten  (aber  nid)t  of^ne 
Konfens  in  öie  Dertoaltung  eintreten)  öarf. 

Die  Deru)altung  öer  perfönlid^en  £iegen{d}aften  öer  5tau  liegt, 
oie  bei  allen  (Bemeinfd)aftsfi)ftemen,  aud)  f)ier  in  öer  f^anö  öes  ITIannes. 


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330    (E^eauffaffung  un6  (El)erec^t  im  Seitalter  6es  Rationalismus  k. 

Seine  Derfügungsfrei^eit  finöet  aber  in  i^rer  Subftans  eine  Sc^ranfce, 
über  öiefe  ftann  er  nur  mit  3u|timmung  öer  Sraxi  oerfügen.  Die 
Sub{tan5  öes  Sonberguts  I^aftet  auc^  ni^t,  mie  i^r  ganses  übriges 
Dermögen,  für  öie  S^ulöen  öes  ntannes.  Sie  felbft  ftann  über  öie 
Koften  bes  f}aus^alts  I)inaus  {elbftoerftönbli^  keine  rechtsgültigen 
Sc^ulben  ma^en,  nur  toenn  fie  mit  Suftimmung  i^res  ntannes  einen 
f}anbel  betreibt,  ift  i^r  eignes  unb  bas  (be|amtgut  für  bie  baraus 
entjte^enben  Derpfli^tungen  haftbar.  Stirbt  einer  ber  (Satten,  |o 
mirb  bas  (be|amtgut  3tDi{^en  bem  Ueberlebenben  unb  b^n  (Erben  bes 
Derjtorbenen  geteilt,  bie  ererbten  £iegen|^aften  aber,  ober  beren  (Er[a|, 
fallen  toieber  na^  i^rer  f}erkunft  auseinanber.  Das  (Erbrecht 
ftellt  al|o  bie  (Batten  gleic^,  roas  roieberum  gegetmbef^ 
/.  I  englij d)en  dommon  £au)  einen  rocfentli^en  -  in  5tanftreidj  j<^on  im 
TTIittelalter  erreidjten  -  Sortjc^ritt  bebeutet.  Bei  £eb3eiten  ber  (Batten 
aber  [xnb  bie  trabitionellen  priotlegien  bes  ITIannes  forgfam  bemaf^rt, 
unb  nid)t  Rüdipc^t  für  bie  5^ou,  fonbern  lebiglic^  bas  3ntereffe  ber 
beibcn  S^milien  an  bem  RüÄfaÜ  bes  oon  i^nen  jtammenben  (Erbguts 
je^t,  roie  bei  ben  mittelalterlidjen  Sijjtemen,  bm  3ntereffen  bes  Rlannes 
^ier  eine  S(^ranfte.  Der  überlebenbe  (Ehegatte  ^at  im  übrigen,  gleich 
oiel  U)el(^es  (E!}egüterrec^t  beftanb,  Jeit  bem  (Beje^  üom'lylnara  1891 
ein  Re^t  auf  Ric^b^rau^  eines  Kjnbs^  bis  3U  ein  Diertel, 
bes  Rad)Iaffes,  neben  entfernten  Derroanbten  me^r.  Ijinter  bem  12. 
(Brabe  erbte  er  |d)on  nad)  bem  (Lobe  allein. 

Das  gcje^lidjcffiüterre^t  bes  (Lobt  ciüil  roirb  alfo,  wie  bie  (büter* 

re^tsformcn  bes  bcut|d)cn  TTIittelaltcrs  unb  bes   dommon  £atx),  unb 

im  (Begenfa^  3um  römijdjen  Dotalred)t,  d)arakterijti|^  beftimmt  burdj 

j  bie  flusbel}nung  ber  (El}CDogtei  oon  ber  perfon  auf  bas  Dermögen 

^  ber  (Battin.   Dabei  finb  bie  3ur  Sid)crung  iljres  Dermögens  unb  iljrer 

per|önlid)en  $rctl)cit  getroffenen  S^u^maferegeln  ebenfo  ungenügenb, 

roic  bei  ben  meijten  St}jtemcn  bes  Rlittclaltcrs.    Selbjt  bie  oon  ber 

„|cgcnsreid)cn"    Bebeutung   ber   (EljeDogtci   übcr3eugtcn   fran3öfi[d)en 

(Bclel}rten  bekennen '),  ba^  bie  gej^ltc^clPCBarantien  gegen  ben  IHift- 

braud)  ber  el)elid)en  (bemalt  qan^  un3ulänglid)  jeien,  unb  bafe  besl)a(b 

bie  „grofee  fran3Öfi|d)e  drabition"  ber  IjäusH^en  fjierardjie  i^r  (Begem 

getDid)t  TTur   tn   ber  Dorausfcguhg  emef  mörati|(^en  unb   religiöjen 

'  DcrantcDortlid)keit  bes  ITIannes  fänbe:  >Sans  l'idcc  toujours  prcscnto 

de  ccttc  rcsponsabilite  moralc  il  scrait  impossible  de  comprcndro 

M  eefebore  S.  38. 


C.  Das  preugifc^  «Aügemeine  Canöredit".  331 

notn*  off^anisation  de  1'  association  c<»nju«jale  au  foycr  (l<>rm*stic|ucv'). 

Die  „Demokratie"  beöeutete  eben,  tro^  oUen  „naturrec^ts",  5unäd}ft 
nur  5reif^tt  öes  m  a  n  n  e  s  un5  bot  öal^er  an  un6  für  fi(^  gar  keine 
(Garantie  öafür,  ba^  nic^t  ber  kraffefte  (befd^Ied^tsegoismus  bie  (Befe^' 
gebung  be^err{d}t.  (Er{t  bas  gegentoörtige  {05iali{tifd|-rabtkale  Illi- 
nifterium  iDill,  nad^  Seitungsnad^rid^ten,  burd^  (Einführung  ber  (5üter* 
trennung  unb  (Blei^fteOung  ber  (Motten  tDät^renb  ber  (E^e  bas  <Ef)e« 
rec^t  ber  oorgefd^rittenften  £anber  einführen. 

C. 

Dur(^  Publikationspatent  Dom  5.  5ebruar  1794  mürbe  bas  XDerk 

bes  genialen  Suorej,  bas  „allgemeine  £anbred^t  für  bie  preugifc^en 

Staaten",  in  Kraft  gefegt.  (Es  i{t  ni^t  bas  (Er3eugnis  einer,  oon  einem 

Diktator  militärifd^  3ufammengefa6ten,  Demokratie,  fonbern  bes  frieberi- 

cianifd^en  abfoluten  Staats.    Xlid^i  ber  (Bef^Ied^tsegoismus  bts  mi(i« 

tariftifd^en  ITIannerftaats,  fonbern  bie  „Staatsratfon"  bts  „aufgeklärten 

Defpotismus"  füt^rte  I)ier  bie  fjanb  bes  (Befe^gebers.  Das  (5efe^bu(^  trägt 

k  ba^er,   ni^t  obmo^I,   fonbern   toeil  es   bem  abfoluten  Staat  ^nU 

Iftammt,  etiDOs  ftärkcre  Spuren  ber  freieren  naturrec^tltd^en  (Et^eauf- 

faffung  unb  ber  inbiDibualiftifd^en  3beale,  als  ber  oon  btn  (bebanken 

Rouffeau's  unb  Hapoleon's  infpirierte  (Lobt:  Die  Spfjäre  ber  !)anb» 

I  lungsf öt^igkeit  ber  5^^^  ift  grunbfä^Hd}  ettoas  ertoeitert,  unb  il)re 

'Sd^ranken  können  burd}  oertragsmägige  Dermögensregulierung  nod) 

oeiter  t^inausgefd|oben  merben.   Dagegen  mirb  aUerbings  ben  Redeten 

ber  niutter  neben  ber  „oäterlic^en  (Bemalt"  ein  geringerer  Raum  ge« 

qbnnt  als  in  5rankrei^. 

Das  £anbre^t  oerbankt  feine  Iiterarifd)e  (Eigenart,  bie  unget^eure 
Diel5af)I  feiner  Paragrapljcn,  bie  Breite  ber  Darftellung,  bie  Der- 
mif(^ung  oon  Beftimmung  unb  Begrünbung,  -  d^arakteriftif^e  Unter- 
{d^iebe  gegenüber  ber  epigrammattfd^en  Knappl)eit  bes  „dobe",  ben  An* 
{(^auungen  bes  aufgeklärten  Defpotismus  über  bie  Pflid)ten  bes  Staats 
\  gegenüber  feinen  Untertanen.  Beeinflußt  burdj  (E!)r.  n)oIff*s  3bee  bes 
'  „lDol)lf al)rtsftaates" ,  tra^teten  bie  Sdjöpfer  bes  £anbredjts :  bie  Räte 
5riebridj*s  bes  (Broten,  oor  allem  Suare3,  banad^,  burd)  bas  neue 
(Befe^  if)r  lanbesDöterlid^es  Regiment  möglid|ft  auf  alle  £ebensregungen 
ber  Untertanen  aus5ube!}nen.     Die  f^t^e  (Dbrtgkeit  foUte  im  Prin3ip 

»)  Cefcbore  S.  39. 


332    (E^eouffoffung  unb  (El)erec^t  im  Settalter  bes  Rationalismus  k. 

j^Icd)tf)in  für  alles  forgcn  unb  burc^  beftänbigc  Bepotmunbung,  joiool)! 
bas  (Blüdt  ber  (Ein5elnen,  tx)ie  auc^  bas  IDo^I  bes  „gemeinen  IDefens' 
in  (Dbad}t  nehmen.  Desl^alb  [oute  bas  neue  (5e{e^  Dor  allem  ge* 
meinDerftanbIi(^  {ein  unb  ebenfomo^I  5ur  Belehrung  ber  £aien  tote 
3um  (Bebrauc^  ber  3uriften  bienen,  unb  yx)ax  foUte  es  bie  Bürger 
nid}t  nur  über  i^re  red)tlid)  er5n)ingbaren,  {onbern  möglid)ft  aud}  über 
i^re  gegenfeitigen  moraIijd}en  Pflid^ten  auffilören.  Die{e  iDoI^Imeinenöe 
Hbfid)t  tritt  uns  au^  im  5^^ili^n^^<^^  beutlic^  entgegen,  unb  loir 
pnben  infolgebejfen  Ijicr  ein  (Eingeben  auf  (Einsel^eiten  bes  Sömilien« 
lebens,  bas  uns,  mc!}r  als  faft  alle  anberen  Kobifikatio nen  bes  ©cci« 
bents,  bie  patriard)ale  Huffaffung  ber  (E^e  unb  bes  Derl^öltniffes  5tDi{d)en 
(Eltern  unb  Kinbern  oeranfdjauli^t. 

Die  Definition:  ,,ber  f}aupt5n)edt  ber  (E^e  ift  bie  (Er5eugung  un6 
(Er3icl|ung  oon  Kinbern"  roeift  auf  <[l|r.  IDoIff's,  ben  allgemeinen  fln» 
f^auungcn  bes  naturrcd)ts  entfpre^enbe,  Stimulierung  surüA,  unb 
{eine  3bee  über  bie  Aufgaben  bes  „gemeinen  IDefens"  pnben  ©ir 
barin  toieber,  bafe  bie  Jürjorge  bes  (Bele^gcbers  aud>  bie  intimften 
unb  rein  pttlid)cn  Be3ic!}ungen  ber  (5atten  burdj  eine  fln5aljl  oon 
Paragrap!}en  3U  reglementieren  ju(^t  (leil  II  (Eit.  1  §§  174-183). 
Da5U  gel)ören  5.  B.  Beftimmungen  roie:  „(Et^eleute  finb  {d^ulbig  fid) 
in  allen  Dorfallentjeiten  na(^  iljren  Kräften  U)ed)jel|eitigen  Beiftanö 
3U  leijten"  -  „Sie  müjfen  oercint  miteinanber  leben"  —  „audj  megen 
IDibertDärtigftciten  bürfen  fic  einanber  nid)t  oerlaffen",  ferner  Be- 
ftimmungen über  bie  Art  ber  Kinberpflcge  u.  |.  to.  Aber  nidjt  ge- 
nug bamit:  aud)  iljre  jcjuellen  Be3icl}ungcn ,  bie  fogenannte  „elje- 
lid)e  Pflid)t",  coerben  in  einer  an  CEalmub  unb  3slam  erinnernben 
Art  3um  (Bcgcnftanb  iurijtijd)er  Reglementierung  gemadjt  (§  178, 
179,  180). 

Die  patriar(^ale  (Brunbform  bes  (Eljere^ts  toirb  baburd)  fe|tge» 
legt,  ba^  §  184  ben  ITIann  ausbrüdilid)  3um  „fjaupt  ber  cljeUdjcn 
(Bcjclljd)aft"  erl}ebt.  Sein  (Ent|d)lu6  gibt  in  gemcin|d)aftli^en  flnge» 
legenljcitcn  ben  flusjd)lag.  Die  Sxan  teilt  leinen  IDoljnfi^,  feinen 
Hamen  unb  Stanb  unb  ijt  3ur  5ül}rung  feines  fjauscoefcns  oerpflidjtet; 
pe  barf  oljne  feine  (Erlaubnis  toebcr  ein  felbftänbiges  (Betoerbe  treiben, 
nod)  fid)  3u  au^erl)äuslid)en  Dienftleiftungen  oerppidjten.  (Er  ift  be« 
rcd)tigt,  iljrc  Brief |d)aften  3U  öffnen,  C[ätUd)keiten  gegen  fie  [\nb,  je 
nad)  Stanb  unb  (BctDol)nl)citen,  an  fid)  kein  (Brunb  3ur  Befdjroerbe 
u.  f.  u).    Als  flequioalent  für  bie  Qausljaltsfüljrung  unb  ben  Der- 


C.  Das  preugifc^e  «Allgemeine  Canöred^t".  333 

5td^t  auf  if)re  felbftönöige  perfönltc^keit  geiDtnnt  fte  btn  An{pru(^ 
auf  ftanöesgemögen  Unterf)o(t  im  gemeinfamen  f)aus^alt.  IDirö  6er 
mann  of)ne  feine  Sd}ulö  ern>erbsunfäl}ig  ober  oermögenslos,  fo  mug 
fte  il}n  it)rer{eits  ernöf^ren. 

Der  patriar^ale  flnftrid^  ber  (E^e  iDirb  baburd^  meiter  erf)öl)t, 
ba^  bem  fjausf^errn  —  ebenfo  n)ie  in  5tankretd)  unb  im  Ulittelalter 
—  au^  bio  Dertretung  ber  5^^^^  ™  Derkeljr  mit  b^n  (Drganen  ber 
Red|tspflege  5u|tef)t.  (Er  ift  il)r  gerid}tli^er  Dormunb,  „|d|ulbig  unb 
befugt  bie  perfon,  bie  <Ei)re  unb  bas  Dermögen  feiner  5rau  in  unb 
auger  (5erid)ten  3u  Derteibigen"  (fl£R.  II,  1  §  188).  Sie  barf  bes- 
i)alb  „in  ber  Reger  ot^ne  feine  (Einmilligung  unb  3u3ief)ung  keine 
Pro3effc  füljren').  Dagegen  fjat  er  „ocrmutete  Doflmadjt"  3ur  Sü^rung 
if)rer  pro3effe,  aud^  für  i^r  gefet^Iid^es,  nid}t  bagegen  für  iljx  oer- 
tragsmögiges,  Dorbef^altsgut.  Aud^  kann  fie  of)ne  feine  (Einmilligung 
keine  Red}t$gefd)öfte  abfd)Iief)en,  aus  ber  it^r  Derpflid^tungcn  entftet^en. 
Die  allgemeine  Befd^rönkung  it^rer  ()anblungsfal}igkeit  ift  alfo,  n>ie 
in  $rankreid},  eine  IDirkung  ber  perfönlid^en  f)errfd}aft  bes  <^atten 
über  fie. 

Allein  bas  patriar^ale  Prin3ip  f)alt  bod}  nic^t  mef)r  fo  bic^t,  als 
bog  nid}t  baneben  au^  einige  inbioibualred^tlid^e  poftulate  mit  burd^< 
fd)lüpfen  könnten.  (Einmal  rei^t  bie  generelle  Befd}rönkung  ber  ef)e> 
iDeibIid)en  fjanblungsföl^igkeit  ni^t  fomeit  n)ie  im  dobe  cioil.  Die 
5rau  }^ann  -  ebenfo  n>ic  übrigens  minberjöt^rige  Kinber  -  foldje 
Red}tsgef^öfte  felbftänbig  einget^en,  burd}  bie  il^r  nur  D  o  r  t  e  i  I  e, 
aber  keine  Derpflid^tungen  ertDad}fen,  b.  i^.  fie  iKann  3.  B.  Sd)enkungen 
entgegennel^men  of)ne  ber  (Ermäd)tigung  if)res  (Satten  3U  bebürfen. 
Aui)  ftattet  bas  £anbred)t  bie  5^^^  v^it  bem  fogenannten  notoer- 
iDaltungsred)t  aus,  b.  !}.  fie  ift  ermad)tigt,  bei  faktifd)er  ober  red)t< 
Itd^er  Derl)inberung  bes  Rlannes,  bie  3ur  orbnungsgemögen  Derwaltung 
it^res  Dermögens  erforberlid)en  Red)tsf)anblungen  felbftänbig  Dor3u> 
nef}men;  in  S^^nkrei^  beburftc  [xt  ba3u,  wk  coir  uns  erinnern,  ber 
(Ermö^tigung  burd)  ben  Rid}ter.  Dor  allem  aber  kann  bie  Der« 
tragsmögige  Dermögensregulierung  it)re  f)anblungs- 
fäf)igkeit  Dritten   gegenüber  ern^eitern.    Die  (Ratten   bürfen   foool}! 

*)  Die  beutfd^e  (Eioilprojekorbnung  (§  51)  hatte  bteien  Hed)tsju|tanb 
bereits  vor  6em  13ürgerlid)fn  (üeie^bud)  6urd)  Anerkennung  6er  Projcgföbig* 
kett  ber  S^<^^  mo6iftjiert,  freilid)  6a6urd)  eine  ftarke  Unklarljeit  im  Red)t 
gefdjaffen. 


334    (E^eauffaffung  un6  (E^erec^t  im  Settalter  6es  Rationalismus  }c 

Dot,  tx)te  anii  na(^Hb{^Iug  6er  (E^e,  5n>t{c^en  oerfc^ieöenen  <5emetnf^^$' 
fpftcmcn  unö  ocrf(^icöcncn  (Braöcn  öcr  (Bütertrennung  tDö^lcn.  IDirönun 
ber  Stau  ein  (Eei(  ober  auc^  i^r  gan5es  Dermögen  als  Sonbergut  oorbel^al« 
ten,  bann  bel^ölt  fie  nic^t  nur  beffen  Dermaltung  unb  Ilu^niegung,  {onbem 
bann  es  au^  vor  (Berid)t  felbftönbig  Dertreten  unb  o^ne  bts  ntannes  3u« 
ftimmung  Pro3effe  barüber  füljren.  Die  Schranken  i^rer  Qanblungsfäljig« 
fieit  Dritten  gegenüber  ftnb  aI|o  nic^t  {o  bobenftänbig  iDie  in  5tan6reid), 
{onbem  können  bnxän  btn  (E^eoertrag  «^inausgef^oben  toerben. 

IDas  bas  el)elic^e  (Büterre(^t  anlangt,  fo  ift  bas  £anbred)t 
ben  ^iftorif^  überkommenen  Der{d)ieben^eiten  nod)  toefentlid)  toeiter 
entgegengekommen  als  ber  (Eobe.  ITi^t  nur  ftellt  es  btn  (El^egatten 
bie  Deretnbarung  eines,  oon  bem  ge|e^(i(^en  abmeid^enben,  <5üterftanbes, 
insbefonbere  oolle  (Bütertrennung  ober  umgekehrt  oolle  (Bütergemeim 
f^aft,  frei,  {onbem  es  ^at  überbies  bie  allgemeine  (Bütergemein{d)aft 
einget}enb  ge{e^Ii(^  geregelt  unb  il)re  (Einführung  als  ge(e^Ii4es 
(Büterredjt,  {tatt  bes  oon  il|m  {elb{t  oorge{(^riebenen  Redjts,  in  einseinen 
(Bebieten  t)orge(el)en.  (Eat(öd)(i(^  galt  bemgemög  in  grogen  (teilen 
IDe(tfa(ens  unb  ber  norbö{tIic^en  Prooinsen  (Bütergemein{d)afi  IDo 
{ie  galt,  mugten  (Ehegatten,  toel^e  nac^  einem  abtoeid^enben  Red)t 
((Bütertrennung,  (Büteroerbinbung)  leben  tDoüten,  ben  Aus{(^Iu6  ber 
(Bütergemein(d)aft  g  e  r  i  d)  1 1  i  d}  oor  Hb((^Iug  ber  (EI)e  oereinbart 
^aben  unb  bies  mugte  öffentlich  bekannt  gemad)t  idot« 
ben  lein,  |on|t  roar  es  im  3ntcre{{e  ber  Krebitfid)erljeit  gegenüber 
ben  (Bläubigern  uncDirk|am.  Die  näljere  Regelung  ber  (Bütergemcin» 
{d)aft  im  £anbred)t  entjprad)  btn  Stabtred)tcn,  (pesiell  bem  lübif^en 
Red)t. 

Das,  in  btn  n  i  dj  t  ber  (Bütergemein|d)aft  unterfteüten  (Bebieten 
gcitenbe,  g  e  {  e  ^  I  i  dj  e ,  in  (Ermangelung  anbrcr  Dereinbarungen  ein« 
tretcnbe,  (Büterrcd)t  bes  fl£R.  jtcllt  fidj  in  {einen  (Bmnbßügcn  als 
eine  Jortbilbung  ber  mittelaltcrlidjcn  (BütcrDerbinbungs{r){teme  bar, 
unb  man(^c  nur  nodj  für  bas  platte  Zanb  gültige  Bc{timmung  über 
bie  flusfonberung  ber  „(Bcrabe"  unb  bes  „fjecrgerätl)es'\  über  „ITtorgen« 
gäbe",  „£cib5ud)t"  unb  „IDittum"  seigcn  uns  l}i{tori{dje  üerbinbungs« 
linien  mit  bem  Sad)(en{picgelred)t.  flud)  in  {einem  moberni{ierten  unb 
mit  romani|tifd)cn  Begriffen  oerbrämtcn  ffiecoanbe,  bietet  bas  (Büter- 
Derbinbungs|t}{tem  bes  £anbrcd)ts  ber  S^au  allerbings  keine  größere  ocr- 
mögensred)tUd}e  $clb|tänbigkeit,  aber  immcrljin  eine  etwas  größere  Sidjer- 
Ijeit  als  3.  B.  bie  fran3Öfi{d)e  Sal)rnisgcmcin{djaft.  Die{cr  gegenüber  !}at  es 


C.  Das  preugifd^e  «Allgemeine  Conbrec^t".  335 

fretlid^  ben  erl^eb(i(^en  nod^teil,  bag  bie  S^ciu  nid^i  an  bem,  burd) 
gemeinfame  Arbeit  mit  bem  (Batten,  (ErtDorbenen  (et^elic^e  (Errungen« 
{(^aft)  teilnimmt,  unb  bies  bebeutete  namentlich  für  bie  gefd^iebene 
$rau  eine  3urückfe^ung,  bie  nur  burc^  bie  Sc^eibungsftrafe  bes  {c^ul- 
bigen  niannes  ((.  u.)  ausgeglidjen  iDurbe.  Die  XDitiDe  mirb  meniger 
[^krt  getroffen,  benn,  im  (begenfag  3um  HTitte(a(ter,  be{tel)t  im  £anb- 
red)t  ein  befonberes  (Erbred^t  ber  Q>aiien  gegeneinanber,  bergeftalt, 
bag  ber  Ueberlebenbe  nic^t  nur  fein  eigenes  Dermögen  jurüdterl^alt, 
fonbern  aud)  einen  gefe^Iid^en  Anteil  om  (5ute  bes  Derftorbenen  ('4 
bei  beerbter,  '  {  bei  unbeerbter  (Ef)e)  geminnt,  unb  5n>ar  3U  (Eigen- 
tum, nid)t  nur,  n>ie  in  Stankreid),  5ur  ITu^niegung.  Daburc^  nimmt 
alfo  bie  IDitiDe  faktifd}  aud}  einen  Anteil  an  ber  e^elid^en  (Errungen« 
fd^ft.  Die  größere  Si^erung  bes  S^^uenguts  gegenüber  ber  fran3Ö« 
ftfd)en  S^^^nisgemeinfc^aft  beftel)t  barin,  bag  3U  benjenigen  Beftanb- 
teilen  it^res  Dermögens,  über  bie  ber  ITIann  nic^t  felbftönbig  oerfügen 
barf,  auger  (Brunbftüdken  aud}  auf  ben  Hamen  ber  5rau  eingetragene 
<5elbkapitalten  gefrören.  Au^  konn  fie  Sid^ert^eitsleiftung  oom  manne 
forbern,  faUs  gegrünbete  Beforgnis  gegeben  ift,  fo  bog  Derlufte  beoor* 
ftet^en.  Bei  Auflöfung  ber  (Et^e  ift  ber  ITIann  für  Derminberung  it^res 
<5uts  burd^  fc^Ie^te  Dermaltung  erfagpflid^tig.  -  lieber  bas  ITIobiliar- 
oermögen  ber  $rau  oerfügt  ber  ITIann  felbft  gan3  frei,  —  bagegen 
tDurbe  burd^  befonbre  Derorbnung  ber  Sugriff  feiner  (Gläubiger  auf 
bie  Don  i!}r  eingebra^ten  (unb  nod^  im  (Original  oort^anbenen)  ITIo- 
bilien,  3.  B.  il)re  Ausftattung,  ausgefd^Ioffen.  -  üic^t  ber  Sad^e,  n>oI)I 
aber  bem  iuriftif^en  Begriffe  nad^  neu  mar  bie  (Einfül^rung  bes  „ge< 
fet)Iid)  oorbefjaltenen  Dermögens"  ber  S'^Qw.  Da3u  gehören  -  n>ie 
im  mittelalter  3ur  ^(Berabe"  -  ifjre  Kleiber,  XDäfd^e  unb  Sd|muck< 
ftüdte,  ferner  aud}  bie  it^r  oom  ITIanne  etma  bargebrad)te  ^ITIorgen> 
gäbe".  Daneben  kann  aud}  burd}  Dertrag  ein  (Eeil  ober  felbft 
bas  gan3e  Dermögen  ber  5^^^  3unt  Dorbet^altsgut  erklärt  toerben. 
IDirb  Konkurs  über  ben  ITIann  oert^öngt,  fo  fallt  au(^  bie  Dermaltung 
unb  nu^niegung  il)res  (Eingebrad)ten  an  bie  5^^^  3urüdt.  Allein 
nidjt  bauernb:  beffcrn  fid>  bie  üerljältniffe  bes  ITIannes  ©ieber.  fo 
kann  er  btn  Befi^  bes  (Eingebra^ten  3urückforbern !  -  Unb  natürlid) 
kann  fie  nur  l^erausuerlangen ,  was  nod)  im  Original  oort^anben  ift 
unb  Don  it^r  als  it^r  (Eingebra^tes  nad}geu)iefen  mirb.  3m  übrigen 
ift  fie  Konkursgläubigerin.  Das  £anbrcdjt  Ijatte  iljr,  entfpre^enb  ben 
Prioilegien  ber  römifd^en  (El)efrau,  ein  Konkursoorrec^t  eingeräumt, 


336    (El)eauffaffung  unb  (E^ere^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  }c 

tx)eld}es  jebod)  bur^  bie  Konftursorbnung  Don  1855  auf  llid^tkaufleute 
bcjdjränkt,  bur^  bic  Rcid)sfton!mrsorbnung  im  3ntcrcffe  ber  Kreöit« 
jid)cr!}cit  gän3li^  bcjcitigt  rourbc.  — 

©ffenbar  eine  5rud)t  ber  naturrc^tlic^en  (E^eoertragst^eorie  unö 
3uglei(^  ber  Bet)ö(kerungspoIitik  bes  merftantiliftifc^en  Seitalters  iDareit 
bie  liberalen  (E^e|d)eibungs gefe^e.  (EineKabinettsorbre 5tiebridjs 
bes  (Broten  oom  3a!}re  1783  ftellte  bafür  btn  (Brunb|aö  auf:  „baft 
man  mit  ber  ([rennung  ber  (Et}e  nic^t  fo  gar  facü  fein  mug,  ba^  bo* 
oon  ein  ITtifebraut^  ent|tef)t,  roie  man  auf  ber  anbren  Seite  au^  nidjt 
gar  3u  bifficil  {ein  mufe,  fonften  ^inbert  bas  bie  Population".  Das 
£anbred)t  t}at  fid)  tDo^I  namentlich  bie  (entere  (Erroögung  3U  f)er3en 
genommen.  Untreue  bes  einen  ijt  für  beibe  (bauen  ein  Sd^eibungs* 
grunb.  5öjt  ein  3aljr!}unbert  früher  als  in  (Englanb  unb  S^^Ttkreid^ 
U)urbe  aljo  ber  preufeilt^en  5^ou  ni(^t  nur  ein  moralif^er,  fonbem 
aud)  ein  re^t(id)er  Hnfprud)  auf  bie  (Ereue  i^res  (5atten  3uge{tanben. 
Die  Dorjtellung  einer  „boppelten  IHorar*  ift  aüerbings  audj  im  £an6» 
red)t  nid)t  gan3  übertDunben:  ber  untreue  RTann  bann  nömlid^  bann 
bem  Sd)eibungsantrag  tx)iberfpred}en,  toenn  er  t^r  basfelbe  Derge^en 
beroeifen  ftann,  -  ni^t  jo  bie  5rau  im  umgeftefjrten  S^D»  ^^b  bieje 
Begünftigung  bes  ITIannes  berut}t  na^  ben  Itlotioen  ,,auf  ber  gemeinen 
Denftungsart,  bafe  bas  (Ejtrageljen  beim  ITIanne  nid)t  fo  oiel  3U  be« 
beuten  !}at".  flu^er  3a!}lreid)cn  Sdjeibungsgrünben  roegen  Derfdjulben 
eines  ber  ^aiUn  ^^nnt  nun  bas  £anbred)t  aud)  bie  S^eibung  Kinber- 
lofer  auf  ®runb  einfadjer  gegenfeitiger  Uebereinftunf  t  unb  fogar 
einleitiger  „unübertDinblid)cr  Abneigung".  3a  ber  Rid)ter  barf 
ausnal}mstDeife  aud)  eine  mit  Kinbern  gejegnete  (E!}e  bei  „unübcrtoinb« 
lid)er  Abneigung"  fdjeiben.  Der  auf  ber  (Efjefdjeibung  be!}arrenbe  (Teil 
gilt  bann  als  ber  jdjulbige.  (El}araftteri|ti|d)  für  beix  Rlenfdjenljunger 
bes  preu^ijd)en  Staates  3U  jener  3eit  unb  ü}re  grob»finnIid)e  (Elje« 
auffaffung  i(t  babei  bie  ITIotiDierung  ber  ausnatjmsiüeifen  Suläfpgheit 
jenes  Sdjeibungsgrunbes:  „(Es  jdjabet  ber  Population,  rocnn  man 
foldje  £eute,  bie  in  beffer  affortierter  üerbinbung  bem  Staate  nodj 
mel)r  Kinber  Derfd)affen  könnten,  3tx)ingen  coill,  beieinanber  3U  bleiben." 

Das  £anbred)t  kennt  für  bm  Sali  ber  Sd)eibung  auf  (Brunb  oon 
Sd)ulb  erl)ebnd)e  (E!}e|d)eibungsjtrafen :  nad)  IDa!}I  bes  unjdjulbigen 
(Eeils  !}at  ber  Sdjulbige  ftatt  bes  Iebenslängnd)en  Unterljalts,  je  nad| 
Sd)tDere  feiner  Sdjulb,  bm  6.  ober  4.  (Eeil  feines  üermögens  ab3U» 
geben.    Der   ma^gebeube  (Befidjtspunkt   coar  bie  (Entf(^äbigung   für 


C.  Das  preu^fd)e  ^flUgemeine  £anöred)t''.  337 

bas  buxd^  öie  Sd^etöung  entgef^enöe  €Tbred)t.  3ns  (btwxi^t  fallen 
konnte  3U  gunften  öiefer,  unfrem  f^eutigen  (Kefüf^I  an  fid)  toenig  fqmpa- 
t^i{d)en,  Beftimmung  augeröem  aud),  öag  of^ne  {ie  öie  mögUd^heit, 
\idi  {d)etöen  3U  laffen,  fahtifd)  für  öen  mit  eignem  Dermögen  bemittelten 
(El)egatten  gans  toefentUd)  größer  mar  als  für  ben  unbemittelten.  Dies 
machte  fid)  3U  ungunften  fpesieO  ber  5tau  ba  geltenb,  too  fie,  toie  im 
preugifc^en  Red)t,  heinen  €nungenf(^aftsantei(  3U  beanfprud^en  ^atte. 
IDeniger  gerecht  als  im  €obe  cioil  finb  bagegen  bie  S^Igen  ber 
S<^ibung  für  bie  Derteilung  ber  Kinber  georbnet.  Sie  follen  aller- 
bings  in  ber  Regel  bei  bem  unf(^ulbigen  €ItemteiI  er3ogen  toerben. 
3ft  aber  heiner  ber  (Batten  3um  fd)ulbigen  Seil  erMart,  fo  hommen 
bie  Kinber  nad)  DoOenbetem  4.  3al)r  3um  Dater;  \inb  (Eöc^ter  babei, 
fo  kann  ber  Richter  biefe  ber  Rlutter  3ufpred)en,  fit  fyit  jebod)  keinen 
gefe^Iid)en  flnfpru(^  barauf.  Selbft  ber  fd)ulbig  gefprod^ene  Dater 
kann,  toie  in  €ng(anb,  bie  €r3ief}ung  ber  Söf^ne  beanfprudjen,  falls 
ber  Sd)eibungsgrunb  nid)t  befürd)ten  lägt,  bag  er  fie  fd)Ied)t  beeinflußt. 
Bei  ber  (Keftaltung  bes  Derl^ältniffes  3a>if(^en  €ltem  unb  Kinbem  f^at 
fid)  ber  PatriardjaUsmus  überl^aupt  -  toenn  man  oon  bem  {d)on 
feiner  Koftfpieligkeit  megen  menig  gebräud)Iid)en  fran3öfifd)en  €in- 
fperrungsred)t  abfielet  -  toeit  kräftiger  burd^gefe^t  als  in  S^ankreid). 
Unb  3tDar  fotool^I  im  Derf}ältnis  3tDifd)en  Dater  unb  Kinbern,  toie  aud) 
im  Derf^ältnis  3tDtf(^en  Dater  unb  Rlutter.  3m  erfteren  f}at  fid)  ein 
Stüdi  beutfd)es  mittelalter  erf^alten,  im  (enteren  finb  offenbar,  toie 
audi  in  €ng(anb,  römifd)«red)tlid)e  Cinflüffe  mit  toirkfam  getoorben. 
(batii  entgegen  btn  Hnf(^auungen  ber  meiften  Ratuned^tslef^rer, 
ooeldje  bie  Dormunbfd)aftIid)en  Redete  ber  €ltem  als  ein  Korrelat  if}rer 
er3ief}erifd)en  Pflid)ten  beurteilten  unb  nad)  DoOenbung  ber  <Er3ief)ung 
audi  bie  Beenbigung  ber  .»oäterlid^en  (Bemalt"  forberten,  erftredtt  fid^ 
im  £anbred)t  bie  Autorität  bes  Daters  meit  über  bie  periobe  ber 
(Er3iel)ungsbebürftigkeit  I^inaus.  Selbft  bie  grogjäl^rigen  Kinber  bleiben 
fo  lange  in  „oäterlid^er  (bemaii",  mit  |te  bem  elterlidjen  f)ausi)alt 
angefroren.  Die  (Eöc^ter  merben  überf^aupt  nur  burd)  Derl^eiratung 
»frei",  bie  unoerl^eirateten  alfo  merben  nur  bufd)  btn  Sob  bes  Daters 
oon  feiner  Hutoritöt  befreit,  fo  baß  er  3.  B.  Seit  feines  £ebens  ihr 
Dermögen  in  feiner  f}anb  bei)alten,  ii)ren  Hufenti)alt  beftimmen  unb 
fie  3mingen  kann,  im  (Elternbaufe  3U  bleiben.  Die  Söf}ne  merben  mie 
im  Rlittelalter  gemaltfrei,  fobalb  fie  ein  felbftänbiges  augerf^äuslid^es 
(Bemerbe  betreiben,  alfo  if}r  eignes  Brot  effen,  ober  ein  öffentlid^es 

ITrbf  r.  €br*f»iu  un^  niattrc  22 


338    (El^eauffaffung  un5  (Ef}ered)t  im  Seitalter  5es  Rationalismus  k. 

Hmt  beMeiben.  Aber:  „öer  Dienft  öes  Referenbarius  gilt,  ©eil  unb^ 
folöet,  ni(^t  als  öffentli^es  Amt  im  Sinne  bes  (befe^es,  un5  ein  (D^ 
3ier  roirö  erft  öann  von  6er  oäterli^en  (becoalt  befreit,  öa  er  entaoebet 
eine  Kompagnie  ober  eine  (Esfeabron  erl^ält  ober  bod^  3um  Rittmeiftei 
ober  Kapitän  ernannt  toirb."  IDas  f^ier  bem  mobernen  €mpftnben 
a>iberfprid)t,  x\t  bie  enge  Derfenüpfung  ber  oäterlic^en  Autorität  mit 
bem  (belbbeutel:  -  fo  lange  ber  Soljn  nic^t  fo  oiel  uerbient,  baft  « 
einen  eignen  f)aus^alt  führen  6ann,  foU  er  überhaupt  bem  Data 
gegenüber  feeine  felbftänbige  per|önlic^feeit  fein,  unb  bie  lebige  (Eod^tec 
foll  es  überhaupt  niemals  toerben.  IDir  miffen  freute,  bog  bie  An< 
toenbung  ber  oäterlic^en  Autorität  im  Sinne  biefer  (befe^e,  bas  Qinein« 
Stoingen  oon  ermac^fenen  Kinbem  in  bie  f)aus^örigfeeit,  ber  ermad^ten 
3nbipibualitat  grabe  ber  wertoollften,  entmidteltften  Kinber  uner« 
trägli(^  wirb  unb  gelegentlich  grabesu  bie  Serftörung  ber  innerlich 
Samilienbesic^ungen  förbert.  — 

3m  Der^ältnis  ber  (Eltern  3U  einanber  tritt  bie  Ittutter  üöllig 
/^  I  hinter  bem  Dater  surü*.  Die  Kinber  \mb  allerbings  beiben  (Eltew 
,,(EI)rfur(^t  unb  (be^orfam  [(^ulbig"  unb  beiben  5U  I)äusli^en  Dienft' 
leiftungen  oerpflic^tet;  „oorsüglic^  aber  fte^en  fte  unter  uäterlic^ 
(betoalt",  unb  bas  bebeutet  ni^t  nur,  bog  ber  Dater  allein  if}r  Der* 
mögen  oertoaltet  unb  nu^niegt  unb  fie  allein  nad)  äugen  oertritt, 
Jonbern  er  beftimmt  au^  allein  über  alles,  roas  bie  5ü^|o^9^  fwr  iljK 
per  Jon  betrifft:  „bie  Anorbnung  ber  Art,  coie  bas  Kinb  er3ogen 
roerben  foll,  kommt  Ijaupt[ä<^li<^  bem  Dater  3u".  (Er  allein  entfd^ibct 
besljalb  über  b^n  Aufentljalt  bes  Kinbes,  unb  [eine  Daterre^te  reidjen 
gegenüber  ber  tltutter  jo  roeit,  bog  er  3.  B.  bas  oierjöl^rige  Kino 
iljrer  Auffi^t  unb  Pflege  ent3ie!)en,  es  gegen  iljren  IDillen  in  eine 
(Er3iel)ungsanftalt  unterbringen  unb  jpöter  allein  über  {eine  Berufsum!)! 
entfd)ciben  iiann,  3Qf  ^^  ^Q^n  fclb[t  ein  Kinb  3ur  Aboption  oljne 
Suftimmung  feiner  tltutter  fortgeben!  Seit  einer  ITooelle  oon  1803 
bcftimmt  er  aud)  allein  bie  rcligiöfe  (Er3ie!)ung  ber  Kinber.  Bis  baljin 
folgten  im  Streitfalle  bie  (Eö(^ter  bem  mütterli(^en  Bekenntnis.  Das 
ausfd}lieglid)e  (EintDilligungsred)t  3ur  (El)efd)liegung  feiner  nid)t  el^ 
münbigen  Kinber  bcljält  er  fclbft  bann,  roenn  er  gef Rieben  ift  unb 
als  ber  fd)ulbige  (Teil  bas  (Er3iel)ungsred)t  oerloren  Ijat.  Audj  »enn 
bie  (Bemalt  bes  Daters  ruljt,  roeil  er  abroefenb  ober  geiftesftrank  ober 
im  (Bcfängnis  ift,  geljcn  feine  Befugniffe  nidjt  oljne  toeiteres  -  roie 
in  5ranfereid)  —  auf  bie  IHutter  als  fol^e  über;  fie  befi^t  bann  nur 


C.  Das  preugifc^e  „angemeine  £anbre(^t''.  339 

6as  €r3iel)ungste(^t,  für  öie  DermögensDertDaltung  un5  bie  gerid)tlid)e 
Dertretung  ber  Kinber  aber  toirb  ein  Dormunb  beftellt,  unb  bas  (Be- 
rid)t  kann  fie  stoar  basu  ernennen,  braud)t  es  aber  aud^  bann  ntd)t, 
wenn  keinerlei  Bebenken  gegen  fie  Dorliegen. 

(Gegenüber  ber  DÖÜigen  Hufge|ogenI)eit  ber  mütterlidjen  Red)ts> 
fpl^re  burd)  bie  Datergetoalt  muten  nun  bie  betaillierten  Beftimmungen 
öes  für{orgIid)en  (Be{e^gebers  über  bie  mütterlidjen  p  f  I  i  d)  t  e  n  um 
fo  naioer  an.  Die  Sorge  für  ben  Unterl^alt  ber  Kinber  fönt  il^r  neben 
bem  Dater  3U,  als  mütterli(^e  SonberpfIid)t  bekretiert  bann  bas  (Befe^ 
in  einem  {tilifti{(^  nid)t  gans  einmanbsfreien  Paragraphen:  ^Körper« 
(id)e  Pflege  unb  IDartung,  |o  lange  bie  Kinber  beren  bebürfen,  mug 
bie  niutter  {elb|t  ober  unter  if^rer  Huffid)t  beforgen.''  Unb  toeiter: 
„€ine  ge|unbe  IHutter  i|t  il^r  Kinb  felbft  3U  {öugen  Derpflid)tet/  3u 
biefem  Sag  bemerkt  Kod)  in  feinem  Kommentar  migbilligenb:  „Kein 
bekanntes  dioilred^t  einer  Hation  kennt  eine  fol^e  5iDilred)tIid)e,  b.  I). 
burd)  ben  Rid)ter  ersmingbare  Derbinblid)keit  unb  id)  möd)te  fef}en, 
toie  ber  Rid)ter  —  man  meig  nic^t,  ob  nadi  red)tlid)em  (btJ^bx  ober 
oI)ne  Derurteilung  -  ein  {oldjes  Urteil  ober  Dekret  poOftredtte." 
3mmerl)in  könnte  man  bie|er  Dor|(^rift,  fofern  Tte  lebigli(^  als  3n« 
ftruktion  ber  ülutter  über  il^re  pttlid^en  Pflid)ten  gebad)t  ift,  bie 
€|[iften3  im  (Bejegbud)  gönnen.  IDas  i|t  aber  3U  f olgenben  paragrapf^en 
3U  fagen:  „IDie  lange  fie  aber  bem  Kinbe  bie  Bruft  reidjen  feile,  ^ängt 
Don  ber  Beftimmung  bes  D  a  t  e  r  s  ab?"  Danad)  foUen  alfo  tDiUe 
unb  nieinung  bes  Daters  and)  in  ber  Säuglingspflege  ben  Husfd^lag 
geben,  offenbar  meil  er  aud)  auf  biefem  (Bebiete  ber  Sad^oerftönbige 
ift!  3um  (Blück  l^aben  bie  Derfaffer  bes  £anbred)ts  menigftens  kein 
unbegren3tes  Dertrauen  in  bie  mönnlid^e  (Erfal^rung  über  bie  für 
niutter  unb  Kinb  3utraglid)e  Dauer  ber  Stiüungsperiobe  gefegt:  es 
ift  berul)igenb  3U  toiffen,  ba%  er  ermal^nt  toirb,  fid)  toenigftens  bann 
ar3tli(i^n  (Butad)ten  3U  untertoerfen,  „toenn  bie  (Befunbl^eit  ber  ITIutter 
ober  bes  Kinbes  unter  feiner  Beftimmung  leiben  toirb".  Die  ITIeinung 
ber  niutter  braud)t  er  felbftrebenb  nid)t  3U  berüdiftd^tigen. 

Ungünftiger  als  nad^  fran3öfifd)em  Hed^t  ift  bie  niutter  aud)  als 
.iD.itODe  geftellt.  Sie  ert^ält  3tDar  bas  <Er3ief)ungsred)t  unb  kann 
aud)  3ur  Dormünberin  if)rer  Kinber  ernannt  loerben,  aber  ber 
mann  kann  if)re  IHutterred^te  and)  nod)  über  feinen  lob  i)inaus  ba« 
burd)  einfd^ränken ,  bog  er  feinerfeits  teftamentarifd)  einen  anbren 
3um  Dormunb  ernennt.    Diefer  übernimmt  bann  nid)t  nur  bie  Der* 

22» 


/ 


340    (El^eauffaffung  unb  C^erec^t  im  3etta(ter  öes  Rationalismus  x. 

mögenspenoaltung  unb  Dertretung  ber  Kinber,  fonbem  bie  mutier 
ift  au(^  in  (Ersief^ungsfragen  feiner  Auffielt  unterfteüt.  Bei  nieinungs* 
perfc^ieben^eiten  5tDi{(^en  tltutter  unb  Oormunb  entf(^eibet  bas  Dor* 
munb{(^aftsgeri(^t.  tlac^  einer  mef^rfad)  vertretenen  Anfiii^t  beftimmte 
aber  ber  Dormunb  allein  bie  Berufsma^I  ber  Kinber. 

Die  Bilan3  fteigt  aber  mieber  ju  gunften  bes  £anbre(^ts  gegenüber 
bem  €obe  cipil,  toenn  toir  bie  SteUung  ber  unoerf^eirateten 
niutter  unb  if^res  Kinbes  mit  in  Anfc^Iag  bringen,    fjier  ^ben 
\  bie  Derfaffer  bes  £anbrec^ts  relatio  me{)r  fjumanitat  unb  IDeitfif^tig* 
6eit  beftunbet,  als  bie  (be{e^geber  irgenb  eines  anbren  europaif(^en  (bro^ 
ftaates,  unb  au(^  bie  mobern{ten  (befe^e  {)aben  toenigftens  bie  Deront« 
tDortli^feeit  bem  Prinsip  na^  nic^t  {o  gereift  geregelt,  n)ie  bie  oUereR 
Beftimmungen  bes  Canbre^ts.  —  IDar  bie  unper{)eiratete  Tllutter  mit 
bem  Dater  bes  Kinbes  perlobt  getoefen  unb  oon  biefem  uerlaffen,  fo 
erhielt  fie  feinen  Hamen  unb  Stanb  unb  alle  Rechte  einer  un{(4uI6ig 
gefc^iebenen  %tayx,   $ür  bas  Derl^ältnis  3a>ifc^en  Dater  unb  Kinb  galt 
im  übrigen  aud)  {)ier  bas  Prin5ip,  bag|  une^elic^e  Kinber  juriftifc^  jgr 
mit  iljrer  IHutter  ocriDanbt  finb.    Hber  lilutter  unb  Kinb  Ratten  - 
falls  bie  niutter  ft(^  nic^t  gegen  £oi)n  {)ingegeben  ^atte  —  unter  oOen 
Umftänben  Hnjprud)  auf  Alimente  an  ben  mutmafelidjen  (Erjeuger  bes 
Kinbes,  Jobalb  bie  ITIutter  untcrcEib  einen  tltann,  mit  bem  fie  oer» 
heijrt  !)atte,  als  Dater  be3ei^nete.    Der  (Einroanb  bes  Beklagten :  fie 
f)abe  tDÖf)renb  ber  Kon5epttons5eit  au(^  mit  anbren  ITIannern  oerkei^rt, 
roar  unf^äbli^.    3n  biefem  Jalle  erklärte  oiclmefjr  bas  (Beridjt  ent« 
tocber  '(^txK  Don  ber  ITIutter  be3ei(^neten  3um  Dater  ober  30g  alle  ihre 
3u!)älter  3ur  Alimentation  Ijeran.   Se!)r  roii^tig  für  bie  (Erreidjbarfeeit 
\  ber  Alimente  roar  es  ferner,  ha^  au^  bie  (Eltern  bes  Daters  für  il|re 
^  3a!)Iung  Ijafteten.    ()atte  ber  Dater  eines  une!)elid)en  Kinbes  keine 
e!)elid)en,  fo  getoann  bas  unei)elid)e  einen  (Erbanfpru^  an  ein  Sedjftel 
feines  Dermögens.    3ni  gan3en  roar  —  ä!)nlid)  roie  in  ©efterreidj  — 
bie  Stellung  bes  unef)eltd)en  Kinbes  gan3  ber  oon  3ii{tiiuan  hv\  aus 
einem  Konkubinat  entfproffenen  Kinbern  oerlieijenen  Stellung  nacbg^ 
bilbet.   Ko(^  freiließ  in  feinem  Kommentar  nennt  biefe  Beftimmungen, 
namentli(^  bie  f)eran3icl)ung  ber  (Eltern  bes  tltannes,   ,,eine  abnorme 
(Befe^gebung"   unb  finbet,  \^(x^  in  biefem  einen  Punkte   „bas  A£R. 
3u  gunften  ber  IDeibspcrfonen  alles  billige  ITIafe  überfi^reitet".    (Er 
be3eid)net   aber   felbft   bie  Perljütun£_ö.es._iüiiösmorbes   als   ITtotio 
jener  Beftimmungen  unb  legt  bamit  bie  (Erklärung   nalje,   haS^  bas 


I 


I>.  Die  Kobifihationen  in  ®eftenei(^  unö  Ruglanö.         341 

frieöeri3ianif<i^e  SeitaUer  ntd)t  bie  Begünftigung  öer  „IDeibsperfonen", 
{onöem  Diebnel^r  ben  Sd)u^  bes  unel)elid)en  Kinbes  ins  Auge  fagte. 
Bekanntlid)  I^atte  $riebrid)  bet  (Broge  fogar  bie  Prämiietung  ber 
lebigen  IHutter,  bie  ben  Staat  mit  Bürgern  be{(^enkt,  ermogen. 

(Ero^  jener  f^umanen  Beftimmungen  toar  bas  Cos  bes  unel}eli(^en 
Kinbes  unb  feiner  Tllutter  keinestoegs  glän5enb.  Denn  als  Hla^ftab 
ber  pom  Dater  3u  3al)lenben  Alimente  galten  bie  Bebürfniffe  bes 
»Bauern-  unb  gemeinen  Bürgerftanbes''.  3ur  Seit  ber  Abfaffung  bes 
£anbred)ts  tourben  3.  B.  auf  bem  £anbe  nur  8- 12  (Elr.  jäl)rIid)DerIangt, 
«mofür  kein  junger  Qunb  auf3U3ieI)en  ift",  unb  ,,aud)  biefe  finb  in  ben 
aUermeilten  $allen  nid)t  Don  bem  Dater  3U  erlangen ''.  Desf^alb  er« 
tDogen  bie  Schöpfer  bes  £anbred)ts  bie  Ab|d)affung  ber  Alimentations* 
pro3effe  unb  bie  Anlegung  Don  5inbelf)au|ern  mit  ber  motioierung, 
bag  baburd)  bie  öffentlidjen  £aften  nur  uner^eblid)  oermef^rt,  bafür 
aber  ,,bie  moralitöt  unb  bie  Population"  {e{)r  unterftü^t  toürben. 
Diefe  Anftd^ten  brangen  jebod)  nid)t  bnxd^  unb  |tatt  beffen  tourbe  eben 
jene  f^aftpflic^t  ber  (Eltern  bes  Daters  eingefüi)rt.  Die  Situation  ber 
lebigen  IHutter  blieb  aber  in{ofem  fel^r  ungün|tig,  als  ber  Dater  bie 
IDa^I  {)atte,  ftatt  3al)Iung  ber  Alimente  bas  minbeftens  oierjäl^rige 
Kinb  3U  fid)  3U  nef}men,  unb  nur  ber  Der3i(^t  auf  bie  Alimente  bann 
bie  ntutter  Dor  bem  Derluft  il^res  Kinbes  betoal^ren  konnte. 

mit  1854,  bem  3al)re  ber  fdjärfften  pieli|ti|dj»konfen)atioen  Re- 
aktion in  Preußen,  tourben  aber,  unb  3iDar  auf  Deranlaffung  ber 
erften  Kammer,  aud)  bie  Beftimmungen  bes  £anbred)ts,  meldte  bie 
f}eran3iel)ung  j  e  b  e  s  lebigen  Daters  ermöglid^ten,  mieber  abgefc^afft. 
Angeblid)  im  3ntereffe  ber  toeiblid^en  moralität,  in  IDal)ri)eit  aber 
im  3ntereffe  ber  fe|[uellen  Ungeniertl^eit  ber  in  ber  erften  Kammer 
oertretenen  Kreife  ,  f}at  feitbem  bas  Kinb  ber  g  e  { c^  I  e  d)  1 1  i  d) 
befd)oItenen  ITIutter,  3.  B.  berjenigen,  bie  fd)on  frül^er  auger- 
el^lid)  gebar,  keinerlei  Anfprud)  an  feinen  (Er3euger.  (Ebenfo  ift 
öem  als  Dater  Beklagten  bie  (Einrebe  bes  gefd)led)tli(^en  Derkef^rs 
mit  meljreren  (»cxcrpiio  pluriumo  geftattet,  unb,  bas  toid^tigfte:  bie 
(Haftbarkeit  ber  (Eltern  bes  3U  Alimenten  Derurteilten  ift  befeitigt. 

D. 

IDie  (Denig  bie  politifd)e  «S^^i^^tt"  an  fid),  in  einem  erklu« 
fioen  ni änn  er  ftaat,  für  bie  (bemöf^rung  oon  „ITTenfd^enred^ten" 
aud)  an  bie  5^<^u  bebeutet,   3eigt,   angefid^ts  bes  $ortbeftanbes  ber 


342    (E{)eQuffaffung  unb  (E{)ere(^t  im  Seitalter  6es  Rationalismus  k. 

mittelalterlichen  »coverture«  in  (Englanö  bis  1870  unb  bcs  teiltDeiie 
bireftt  frauenfeinbli^en  dl^arafeters  bes  dobe  dml,  n)of^l  ni^ts  |o 
beutlic^  a>ie  ber  Umftanb,  ba^  bie  erften  tDirMi(^  eine,  tDenigftens 
teilioeife?  prioatrec^tlic^e  „(Emansipation"  ber  5^öu  ent^altenben  Ort» 
nungen  bes  5^^Ui^ni^^<^ts  in  (Europa  grabe  bem  (Bebiet  ber  äugerlten 
politif(^en  unb  {o5ialen  Unfreil)eit,  bem  ®ften,  angehören.  D(4 
gegenüber  aUen  bisl)er  betrachteten  Rec^tsfqftemen  bie  öfterreid^tfi^eii 
unb  rufft{c^en  (EI)ege{e^e  eine  grunbfa^Iic^e  Snoeiterung  ber  meiblid^ 
f)anblungs{pl)äre  bebeuten,  ift  eine  teitoeife  5  o  l  g  e  ber  bort  V^« 
f(!^enben  Unfreil^eit,  bes  Umftanbes  nömlic^,  bog  jur  Seit  i^rer  Schöpfung 
bie  übergroße  t1tel)r3al)l  ber  BeDölherung,  bie  Bauern,  re^ttid^ 
gebunben  toaren,  unb  besl)alb  bas  offi3iene  €^ere(^t  n)efentli(^  einer 
bünnen,  aus  Beamten,  (Butsbeft^ern  unb  Kaufleuten  befte^enben  ®be^ 
fc^i(^t  angepaßt  a>urbe,  in  Ruglanb  überl)aupt  auf  fte  befdjrönkt 
blieb. 

Don  bem  öfterreic^t{(^en  Kobe;  tDurbe  ber  bas  5amUienre<l^t 
betreff enbe  ([eil  1786  unter  3o|epI)  II.  publisiert,  bas  DoUltonbige 
(be{e^bu(^  er|t  1811.  (Es  a>ar  aber  unter  ntaria  (E^erefta  1>orb^ 
reitet  unb  burc^  bie  3been  il)rer  3eit  über  bie  Aufgaben  einer  auf* 
geklärten  Regierung  beeinflußt.  €s  erl)ielt  besl)alb  {ein  literarif<l^ 
(bepröge,  al)nli(^  toie  bas  preugifc^e  A£R.,  burc^  bie  mit  Belef^rung 
oermifi^te  ausfüljrli^e,  mcljr  rocl^lmcinenbe  als  begrifflich  f(ä^arfe,  Re« 
glementierung  bes  (Bemeinj(^aftslebens.  Sein  juriftifi^er  (bel)alt  aber 
ijt,  abtoeid^enb  Don  b^n  bisl^er  betrai^teten  (Befe^gebungen,  baburd^ 
beftimmt,  ba^  barin  neben  mittelalterli(^«beutf(^en  fpätrömif^e  Rechts- 
formen  nadjgcbübct  finb  unb  jenen  bie  IDage  Ijalten,  bie  Rücbpdjt 
auf  bie  Ijerrf^enbe  hat!)oU[(^e  Kirche  aber  für  bie  oom  Dogma  b^ 
troffenen  (Eeile  bes  (E!)ered)ts  cntf(^eibenb  blieb. 

Rüif  nad)bem  bie  Beftimmungen  bes  Konkorbats  oon  1855  burd) 
Staatsgefe^  (1868)  roieber  aufgeljoben  finb  unb  für  honfejfionell  g^ 
mifd)te  (Eljen  bie  [ubfiöäre  („Rot"»)  Sioilelje  bei  IDeigerung  ber  ju« 
ftänbigen  Seelforger,  für  Konfeffionslofe  aber  bie  obligatorijcljc  Sioilel^e 
beftel}t,  ift  bas  materielle  (Eljeredjt  bcnno^  berart  honfeffionell  g^ 
blieben,  bafe  3.  B.  (El)cn  3U)ifdjen  (Eljriften  unb  Ridjt^rijten  überljaupt 
gefe^Ud)  d  e  r  b  0  t  e  n  finb. 

Die  (El)ejd)eibung  ((Trennung  Dom  Banbe)  ift  für  (Eljen,  bei 
bcnen  aud)  nur  ein  (Teil  beim  (El)efd)lu6  Katljolik  roar,  ausgcfdjloffen, 
unb  nur  bie  $d)eiöung  oon  (Eif^  unb  Bett  —  biefe  freilid)  audj  aus 


■w 


n.  Die  Koötfiftationen  in  (Defterreid)  unö  Ruglanö.         343 

öem  unftanonifd)en  (Brunöc  öer  gegenfcitigen  CintDiKtgung  -  ftattljaft. 
3m  (Begenfa^  Öa3u  i|t  öen  „Hhatl^olthen"  öie  ([rennung  pom  Banöe 
auger  bei  (El^ebrud),  Derbredjen,  Derlaffung,  ITIigfjanöIung  aud)  bei 
unübertDinöIidjer  „Rbneigung",  falls  beibe  6atten  fie  beantragen  unb 
öiefen  Antrag  nadi  proDifori{d)er  ([rennung  Don  ([i{(^  unb  Bett  toteber' 
^olen,  geridjtlidj  3U  beioilligen.  Bei  3"^«"  ift  nadj  frudjtlofem  Der- 
föI)nungsDer|ud)  bei  gegenfeitiger  (Eintoilligung  bie  3u|tellung  bes 
S(^eibebrief$  burd)  btn  mann  für  red^tsgültig  3U  erMaren. 

Die  p  e  r  I  ö  n  I  i  (!^  e  Hed^tsftellung  ber  5^ou  als  (batixn  unb 
ntutter  ift  DorcDiegenb  beutfd)'patriard)alt{(^  geregelt.  Das  (Befe^ 
tut  {ogar  ein  übriges,  um  bem  ITIann  bie  autoritäre  Stellung  im 
Krei|e  ber  Seinen  3U  fidlem,  inbem  es  x\)n  nid^t  nur  als  »f)aupt  ber 
Samilie",  |onbern  „in  biefer  (Eigenfd^aft''  aud)  nod)  ausbrücklid)  als 
^£eiter  bes  fjaustDejens"  be3eid)net.  Die  5tau  „ift  oerbunben  .  .  .  . 
bie  Don  if)m  getroffenen  maßregeln  |on)of)I  |elb{t  3U  befolgen,  als 
befolgen  3U  mad)en''  -,  fie  nimmt  aI|o  red)tlid)  ettoa  bie  Stellung 
einer  f)ausl)älterin  ein,  bie  für  bie  Ausfüf^rung  ber  Anorbnungen  bes 
f}ausl)errn  oeranttDortlii^,  babei  aber  gan3  unfelbftönbig  i|t. 

3mmerf)in  begren3t  §  32  biefe  (Be{e^espflid)t  bal^in:  „fo  meit  es 
bie  l)auslid)e  (Drbnung  erforbert",  unb  bie  $rau  gilt  in  $allen  einer 
Derle^ung  bes  3nteref|es  ber  S^niilie  als  bered^tigt  3ur  Anrufung  ber 
(Berid^te.  Die  Itlutterredjte  ber  5tau  oerfci^minben  neben  ber  „oäter» 
(id)en  (Bemalt"  nod)  mel^r  als  felbft  im  preugi{d)en  £anbred)t.  (Ebenfo 
mie  jenes  Ipiegelt  aud)  bas  ö|terreid)i{d)e  (&e{e^  beutlid)  bie  Anfdjauung, 
bog  bie  mutter  toefentUc^  als  unentbebrlid)e  Pflegerin  ber  kleinen 
Kinber  3U  fd^ö^en,  für  bie  <Er3ief)ung  ber  f)erantDad)|enben  aber  bem 
€influg  bes  Daters  alles  Sd^toergemid^t  ein3uraumen  i|t.  Die  „oäter- 
Iid)e  (btwali*'  umfaßt  bie|elben  Sonberred^te,  toie  im  fl£H.,  ungün> 
ftiger  aber  als  bort  ift  bie  oerrDttiDete  Hlutter  gefteüt.  (Es  ift  nömlid) 
ber  6rogDater  ber  Kinber  oäterlidjerfeits  d  0  r  iljr  3ur  Dormunbfdjaft 
berufen.  IDas  nod)  f^örter  ift:  ber  ITIann  kann  fie  teftamentarifd) 
überf)aupt  oon  ber  Dormunbfd^aft  ausfd)Iiegen ,  unb  ber  pon  il^m 
beftellte  Dormunb  befi^t  bann  au^  in  <Er3iebungsan9eIegenf}eiten  bas 
UebcrgetDid^t.  Selbft  bas  (EtntDilIigungsrcd)t  3ur  <El}cfd)Iicgung  ftebt 
nic^t  ber  Hluttcr,  fonbern  iljm  ober  ber  6erid)tsbcl)örbe  3U.  Ilodj 
f(^n)erer  aber  madjt  fid)  bie  J^urüdifcftung  für  bie  fcparierte  ober  ge« 
fd)iebene  S^öu  geltenb:  Aud)  ber  gefd)icbene  Dater  beljält  feinen  An- 
fprud)  auf  bie  oierjäf^rigen  Söl}ne  unb  bie  fiebeniäf^rtgen  ([öd)ter. 


344    S^eauffaffung  unb  €f^erec^t  im  3eita(ter  6es  Rattotudisimis  k. 

3m  Kontra{t  5U  ber  per{önlt(^en  Unterorbnung  ber  5^<ni  unter 
ben  6atten  unb  Dater  {te^t  nun  aber  bas  IRag  i{)rer  rec^tsgef^* 
liefen  unb  permögensrec^tlic^en  Selbftänbigfteit  Dritten  gegenüber, 
nur  3ur  Ausübung  eines  6etDerbes  bebarf  fie  ber  e^ef^errlic^en  Cr* 
laubnis,  unb  biefe  bann  eDentuell  burc^  bie  Be{)drbe  erfe^t  n>erben.  3in 
übrigen  aber  bann  fie  alle  Arten  von  Rec^tsgefc^äften  auf  eigne  Der* 
anttDortung  abfc^Iiegen  unb  barf  if^re  Angelegenf^eiten  {elbftäniig 
Dor  (Beri(^t  oertreten. 

Aud)  bas  ge{e^Ii(^e  6üterred)t  befc^ränftt  i^re  f)anb(ungsfa^igkett 
nic^t  grunb{ä^It(^,  benn  es  i{t  bem  rdmi{(^en  Dotalrec^t  nac^gebilbet 
unb  bes{)alb  im  6egen|a^  5U  allen  beutfc^rei^tlic^en  Sqftemen  burd^  bc« 
Sa^  be|timmt:  ba^  bie  €I)e{c^Iiegung  an  fi(^  keinen  (Einfluß  auf  bas 
Dermögen  ber  (batten  ausübt.  Deshalb  bel)alt  nxd^t  nur  jeber  bas 
(Eigentum  an  feinem  (Eingebrai^ten  fotoo^I  als  aud^  am  enoorbenen 
(bute,  fonbem  auc^  bie  felbftänbige  Dermaltung  unb  Derfügung  bar* 
über.  Anbersartige  Dermögensregulierungen,  5.  B.  burd)  ein  (bemein* 
fdjafts«  ober  ein  (büteroerbinbungsfqftem  werben  ber  freien  Der» 
einbarung  ber  6atten  bur(^  (E^eoertrag  überlajfen. 
AUerbings  gilt  gemäg  §  1238  f.  bie  rei^tlic^e  Dermutung,  bag  bie  Srau 
i{)rem  titanne  Dertoaltung  unb  tlu^niegung  i{)res  (buts  anuertroitt 
^abe,  iebo(^  bann  fie  mangels  DertragsmägigerBinbung  biefe  bemUTanne 
überlaffene  Befugnis  ieber3eit  3urü(feforbem.  -  Das  öfterreic^ifcfce 
gefe^Iid)e  (büterrei^t  fielet  babei  ebenfo  toie  bas  römif^e  DotaIre<i^t 
Dor,  bafe  bie  5^öu  il)rem  tltann  einen  (Teil  i!)res  Dermögens  als  Bei» 
trag  3U  ben  ()ausl)altungshoften  („I^eiratsgut")  überträgt.  Dies  i[t  g^ 
bröud)Iid),  aber  ni^t  red)tsnottDenbig:  es  ijt  i^r  aljo  überlaffen,  tDieoiel 
fie  für  fi(^  betjalten  roill.  2^^  aufeertjäusli^er  Arbeitsoerbicnft  ober 
iljre  (Einkünfte  aus  einem  [elbftänbigen  (Ertoerbsgefi^äft  bleiben  immer 
in  il)rer  eignen  tjanb.  Das  bem  6atten  übertoiefene  f)eiratsgut  roirö 
annäfjernb  naii  Art  ber  römij^en  Dos  befjanbelt.  Der  mann  beft^t 
es,  folange  bie  <E!)e  bejtctjt.  Tlad)  ifjrer  Auflöjung  i[t  er  ber  S^öu 
ober  iljren  (Erben  erja^pfli(^tig.  lieber  Bargelb  unb  anbre  oerbraudj« 
bare  Saiden  barf  er  frei  oerfügen,  ni(^t  aber  über  3mmobiIien,  ober 
über  il)m  nid)t  förmlid)  abgetretene  $d)ulbforberungen  unb  anbere 
nu^bare  Red)te.  Diejenigen  Dcrmögensteile,  meldje  bie  5^öw  bem 
manne  nid)t  als  „()ciratsgut"  übertoiefen  Ijat,  bleiben  natürlid}  3U 
il)rer  freien  Derfügung. 

Die   unbeftimmt   getjaltcne  Dorj^rift  bes  §  1241,   roonac^  ber 


n.  Die  Koöifihationen  in  ®eftenei(^  unö  Ruglanö.         345 

ntann  befugt  ift,  ^6et  unoröentIid)en  IDiTt|d)aft  feiner  S^^u  (mit 
tf^rem  freien  Dermögen)  €inI)Qlt  3U  tl^un",  f^at  in  öer  Praxis  toefent' 
lidi  nur  in  Sornt  öes  Antrags  auf  €ntmün5igung,  öen  öer  gebadete 
Paragrapf)  felbft  ermal^nt,  Beöeutung.  flnbrerfeits  beftel^en  öie  rö- 
mifc^en  Dotalprioilegien  nid)t  mel^r.  Sid^erung  für  i{)r  „Qetratsgut'' 
kann  bie  Stau  nur  bei  ber  Uebergabe,  fpöter  nur,  toenn  «(beföl^r« 
öung"  eintritt,  oerlangen.  flnberes,  bem  IHann  ettoa  hraft  befonbern 
Dertrages  3ur  Dermaltung  übertragenes  Dermögen  kann  [xt  ,,bei  (be- 
faf^r  eines  nac^teils"  3urü(kforbern. 

Die  n)  i  t  tD  e  I^at  gefe^Iic^  neben  miterbenben  Kinbem  bie  nu^- 
niegung  eines  Kinbesteils,  f^ö(!^ftens  aber  eines  Diertels,  neben  anbern 
Denoanbten  bas  (Eigentum  an  einem  Diertel,  in  (Ermangelung  Don 
erbbered)tigten  Oenoanbten  (bis  3ur  fed)ften  £inie)  an  ber  gan3en 
(Erbf(^aft  3U  beanfpru(^en.  Das  (befe^  fielet  ferner  (§  1242)  als  eine 
üblid)e  5orm  ber  IDittDenDerforgung  bie  oertragsmägige  flusfe^ung 
eines  ,,IDittDengeI)aItes"  aber  bie  Beltellung  einer  ,,n)iberlage"  Dor, 
•  beibe  eoentueU  auf  ben  €rbteil  ber  €f^efrau  an3ured)nen  --  unb 
beftimmt  be3üglid)  ber  Dereinbarung  ber  M^ütergemein|(^aft",  bag 
biefe  ,,ber  Regel  nac^"  lebiglid)  ein  Dertrag  über  bie  Rxt  ber  (Erb- 
teilung fein,  alfo  bei  £eb3eiten  ber  {Regatten  an  btn  DermögensDer* 
l^ältniffen  nichts  änbem  folle. 

Relatio  ^uman,  wtnn  aud)  ni(^t  fo  tote  in  btn  urfprünglid^en 
Beftimmungen  bts  Preugt|d)en  £anbred)ts,  ift  aud)  I)ier  bie  Bef^anb- 
lung  ber  unef^eli(^en  Tllütter  unb  Kinber,  Crbrec^t  an^  Dermögen  bes 
Daters  f^aben  bie|e  allerbings  nid)t  unb  aud)  keinen  Hnfprud)  auf 
Alimentation  gegen  bie  €Item  il^res  Daters  ober  if}rer  ITIutter.  Aber 
bie  »exceptio  plurium  concumbentium-  beftef^t,  nad)  ber  (berid)ts« 
prq^is  nid)t,  ba  §  163  be3Üglid}  jebes  ITIannes,  ber  in  ber  Kon* 
3eptions3eit  mit  ber  ITIutter  gef(^Ied)tlid)  oerkel^rte,  bie  ,,Dermutung" 
feiner  Daterfc^aft  auffteOt,  fo  lange  ntd^t  burd)  Anerkennung  ober  Urteil 
eine  anbertDeite  Daterfdjaft  feftftef}t.  Der  Anfprud)  auf  Derpflegung 
unb  Derforgung,  beffen  f}öf}e  fid)  nad)  bem  Dermögen  ber  betben  un« 
ef)elid)en  (Eltern  rid)ten  foll,  trifft  in  erfter  £tnte  btn  Dater  unb  gei)t 
auf  feine  €rben  über.  Der  Dater  foll  ber  ITIutter  bie  (Er3ief}ung  im 
$all  ber  (befal^rbung  abnel^men :  bie  unei)eltd)  lüutter  l^at  aI|o  keinen 
Anfpru(^  auf  elterlid^e  (l)etDaIt. 


346    (E^eauffaffung  unb  (E{)erec^t  im  Seitalter  6es  Rattonaltsmits  x. 

(Eine  no(^  eigenartigere  Kombination  als  in  öiefem  <Er3eugnis  bei 
tf)ereftanif(^«io|efinifc^en  AufMärungs3eit  finb  patriard^ale  unb  inötoi* 
bualiftif(^e  Anfc^auungen  im   rulfifc^en  S^^^Ii^^^^^^  eingegangen. 

(Er|t  1832  in  Kraft  getreten,  trägt  ber  rufflfdje  ^SfcDob  Sakö. 
notD''  ((Befe^esfammlung)  boö)  in  {einer  literarif^en  S^xm,  nomfid) 
ber  Dermif(^ung  re(^tli(^  er3tDingbarer  mit  rein  moralifdjen  normen, 
no(^  beutlic^e  Spuren  ber  Anf(^auungen  bes  aufgeklärten  Defpotisnms 
über  bie  bele{)renbe  ülilfion  bes'  6efe^gebers.  Der  juriftifc^e  (Bel^olt 
bes  I.  Bu^es  feines  X.  Banbes  aber,  meli^es  „oon  btn  5<imilten' 
rechten  unb  «Pflid)ten''  {)anbelt,  i{t  5um  ([eil  pöllig  eigenartig. 

Dies  erklärt  fic^  toot)!  aus  ber  Unfic^er{)eit  unb  Oerfd^ieben« 
I)eit  ber  Rec^ts{prec^ung,  bie  ber  6e{e^geber  porgefunben  ^atte.  <Eine^ 
feits  festen  man(^e  feaiferlic^e  Uftafe  bes  18.  3a^r^unberts,  einer 
(Epoche,  in  ber  übertoiegenb  5^<^uen,  oor  allem  auc^  Katf^arina  n., 
regierten,  bie  polle  f)anblungsfä{)igfteit  ber  €f)efrauen  ooraus,  anbre^ 
feits  oerroelirte  iljnen  bie  prajis  Derftauf  ober  Derpfänbung  i^res 
Befi^es.  Die  Urjac^e  biefes  unklaren  Re(^ts3uftanbes  roar  roa^rfc^ein- 
lid)  bas  3ufammenftogen  bes  auc^  auf  ftäbttf(^e  Der^ältniffe  ju» 
gefd^nittenen  (E{)ere(^ts  ber  alten  „Hupaja  pratoba'',  bas  bie  ooDe 
6ef(!^äftsfä{)tgfteit  ber  5^^^  anerkannte  unb  fie  na(^  bem  ([obe  bes 
tltannes  3ur  ()ausl)errin  mad)te,  mit  ber  abfolut  patriarc^alen  5öniilien- 
oerfaffung  bes  3entralen,  rein  lanbroirtf^aftlii^en,  mosfeotoitif^en  (6^ 
biets.  -  5^^^^^  ^öm  ba3u,  ba^  ber  Sftoob  3unädjft  nur  ein  (Befe^bui^ 
für  einen  relatio  Weinen  (Teil  ber  ruffifd)en,  nämlic^  bie  nidjt  bauet« 
Iid)e,  BeDölkerung  roerbcn  konnte.  Die  3ur  3eit  feiner  (Entftel^ung 
leibeigenen  Bauern,  beren  nad)fal)ren  no(!^  Ijeute  bie  übcrtoältigenbe 
IHefjrljeit  im  Reid)e  bilben,  rourbe  com  <Ef)ered)t  bes  Sfroob  gar  nidjl 
erfaßt,  für  fie  galt  nad)  roie  Dor  bas  überlieferte  (Bcn)ol)n!)eitsrec^t 
Die  Dom  Sftoob  betroffenen  Sd)i(^ten  roaren  alfo  im  loefentlidjen  bie 
abiigen  (Brunbbcfi^cr  unb  bie  ebenfalls  meift  abiigen  Beamten,  bann 
bie  fe!)r  bünne  Sd)i(^t  ftäbtifdjer  Kaufleute  unb  f)anbtDerFier,  unb  bie 
toenigen  Koloniftcn  unb  freien  Bauern,  bcfonbers  bie  -  toie  toir  fel^n 
roerbcn,  im  Samilienred)t  abroeidjenb  beljanbelten  —  Kafahcn.  5^ 
jene  l)errfd)enbcn  Sdjidjten  aber  roar  bie  Hrt,  loie  3.  B.  bas  el)eli(^e 
(5üterrcd)t  geregelt  tourbe,  rclatio  gleid)gültig,  ba  fie  iljre  Derljältniffe 
burd)  Dertrag  unb  (Eeftamcnt  aud)  anbcrs  orbnen  konnten.  Dal^r 
i(t  nad)  Hnfid)t  ruffifd)cr  (Bclcljrtcr  bas  (Bütcrrcd)t  bes  Sjtoob  ein  reines 
Sufallsprobukt  bes  rationaliftifd)cn  Defpotismus,  roälirenb  anbrerfeits 


D.  Die  Koötfiftattonen  in  (Defterretc^  unö  Ruglanb.         347 

^er  (Beff^gf ber  besüglid)  öet  pf tfönlidjen  Detl^ältniffe  öer  (Balten  burd) 
öas  Dogma  ber  Kird^e  gebunben  blieb. 

€benfo  tote  in  (Delterretd)  ift  bie  red)t$gefd)aftltc^e  f}anblungs« 
fa^igkeit  ber  5tau  in  ber  HugentDelt  ntc^t  im  gertng|ten  befdjrönkt: 
Sie  kann  jebes  Red)tsge{d)äft  ol^ne  bie  Sanktion  if}res  6atten  fd^Iiegen, 
{ie  Dertritt  {id^  oor  (btx'xd^i,  foiDoI)!  als  Klägerin,  mte  als  Beklagte, 
felbftönbig.  Dabei  i|t  bie  ruffifd^e  Dermögensregulierung  bie  benkbar 
einfad^fte  unb  tnbtDibuaIi|tif^|te.  So  I^eigt  es  a.  a.  (D.  §  109:  „Durd)  bie 
€f^e  mirb  kein  gemeinfames  (Eigentum  am  Dermögen  unter  ben  (batten 
^rgefteOt,  jeber  oon  il^nen  kann  fein  gefonbertes  (Eigentum  l^aben 
unb  ertoerben."  Unb  um  jebes  ITItgDerltanbnis  aussufdjiiegen,  3äf}lt 
§  114  nod)  ausbrüdtlid)  bie  [elbftanbige  Befugnis  jebes  (batten  auf: 
»Den  (El^egatten  i|t  es  gejtattet  if)r  eignes  Dermögen  3U  oerkaufen, 
3U  oerpfänben  unb  |onft  barüber  3U  oerfügen,  birekt  im  eignen  Hamen, 
unabf}öngig  Don  einanber  unb  of)ne  f)ier3u  oonetnanber  (Erlaubnis« 
ober  Doümadjtsurkunbe  3U  benötigen",  unb  §  116:  „bie  IHitgift  ber 
5rau,  {on)ie  bas  oon  xJ^x  ober  auf  il^ren  Hamen  bei  be|tef}enber  (El}e 
burd)  Kauf,  (be|d)enk,  (Erbgang  ober  burd)  ein  anbres  gefe^lidjes 
mittel  ercDorbene  6ut  mtrb  als  if}r  Sonbereigentum  anerkannt"  *).  (Es 
f)errfd)t  aI|o  ([rennung  ber  (Büter  -sans  phrasc« ,  unb  bie 
f)eirat  önbert  bas  Derl^ältnis  bes  (Ein3elnen  3U  feinem  Dermögen 
nid)t  im  geringften.  Huc^  ift  im  6efe^bud)  nid)t  einmal  eine  anbers- 
artige  oertragsmögige  6äterre^tsf orm ,  burd)  toelc^e  bie  S^^^  f^ 
red^tlid)  ber  felbftänbigen  Derfügung  über  bas  3l)rige  begeben  könnte, 
oorgefef)en.  Die  (El^egatten  f}aben  mangels  anbermeiter  teftamenta« 
rifdjer  Derfügung  gegen  einanber  ein  (Erbredjt  auf  ein  V*  bes  be- 
meglid^en  unb  V?  bes  unbemeglidjen  Befi^es,  falls  aber  ber  Sd^mie« 
geroater  nod)  lebt  unb  ber  oerftorbene  (batte  keinen  (brunbbefi^  l^inter- 
lögt,  auf  Hiegbrauc^  oon  beffen  (Erbteil  am  6runbbefi^. 

Die  Döllige  Dcrmögensredjllid)e  Selbftänbigkeit  ber  oerljeirateten 
5rau  ift  auffaüenb  in  einem  Zanbe,  bas  als  ein3tges  unter  bm  euro* 
paifd)en  Staaten  an  ber  3urüdife^un^  ber  ([ödster  im  (Erb* 
redjt,  aud)  am  bemeglidien  Dermögen,  feftljält. 

IDie  in  Deutfd)lanb  3ur  3eit  ber  Dolksredjte,  fo  fiub  in  Rufelanb 

')  nur  in  btn  Kafahen«6ou9ernement$  (TfdjemigoiD  unb  poltama,  für 
6te  oud}  im  (Erbredjt  abmeid^cnbe  Hed}t$normen  gelten,  erf^ält  ber  niann  6ie 
Denoaltung  unö  ITu^niegung  6es  5^<>uenguts:  bas  Korrelat  ber  alten  mili« 
tartftifdjen  Kafahenfreit)eit! 


348    (E{)eQuffa{|ung  unb  €^erec^t  im  Seitdter  5es  Rationolisimis  x. 

nod)  I^eute  nur  bie  So{)ne  unb  beten  ntönnlt(^e  llaii^ftomnien  DoIIb^ 
rei^tigte  (Erben  bes  elterlt(!^en  Dermögens.  5^0$  männlich  nad^* 
kommen  bis  ins  britte  (Blieb  e^ftieren,  liat  jebe  tLod^tex  nur  auf 
einen  befc^eibenen  ([eil  Anfprud),  in  ber  RegeP)  auf  btn  (tibifittns) 
achten  bes  betoeglic^en  unb  (f^öc^ftens)  14.  bes  unben>egli<^n  Der* 
mögens.  3n  ben  Kafaften«6ouDemements,  mo  bie  fjufe  (Erägerin  ber 
militäri{(^en  Dtenftpflid)t  ift,  er{)alten  bie  ([bester  ftatt  i^rer  (Erbpor* 
tion  nur  eine  Ulitgift,  bie  für  alle,  fo  oiel  i{)rer  auän  ]xnb,  ni^t  me^ 
als  ein  Diertel  bes  elterlichen  Dermögens  oerfd)Iingen  barf,  roal^reiib 
bie  Sö!)ne  -  jelbft  ein  ein3iger  —  brei  Diertel  ber  f}tnterla{fenf^ 
erben.  3n  biefen  Gebieten  bes  militarifti{(^en  Bauemftanbes  lebt 
eben  nod)  ber  alte  (brunbfa^,  bas  Dermögen  unb  namentlid)  ben 
(brunbbe|i^  an  bie  f)ausgemeinf(^aft,  {pesiell  an  if^re  loef^rfaf^igeii 
(blieber,  5U  binben.  f)ier  ^at  bie  tDitroe  Iebigli(^  Anfpru^  auf  Rüi' 
gäbe  il)rer  lüitgift,  unb  nur  in  (Ermangelung  einer  Stc^erftenitng 
berfelben  auf  tliegbrauc^  an  einem  Kinbesteil. 

(Ein  gan3  ein3igartiges  (bemif(!^  patriarc^alif(^er  unb  inbiDibuali« 
ftif(^er  Anfd^auungen  bilben  nun  bie  normen  über  bie  per  fön« 
I  i  d)  e  n  Be5ie{)ungen  ber  S^^ili^nsli^^^^*  ^i^  Paragrapl^n  über 
bie  gegenfeitigen  Pflid)ten  ber  6atten  tragen  toeniger  ben  (Exakter 
pon  Re(^tsregeln ,  als  oielmef^r  ben  einer  (E^eftanbsprebigt,  bie  oon 
einem  beftimmten,  orientalifd^-^riftlic^  gefärbten  (Ef^eibeal  ausgel)t 
Dtnn  nid)t  nur  für  bie  moraIif(!^en,  jonbern  felbft  für  bie  gemütlich 
Be3iel)ungen  ber  (Batten  ift  !)ier  ein  Re3ept  gegeben :  „Der  Utann  i[t 
oerpflidjtet  feine  Srau  roie  feinen  eignen  £eib  3U  lieben,  mit  i^r  in 
(Eintra(^t  3U  leben,  fie  3U  ad)ten,  3U  befdjü^en,  il)re  tltöngel  3U  enl« 
fdjulbigen  (!)  unb  in  ifjrcr  (Erkranftung  iljr  €rlei^terung  3U  oer« 
fdjaffen."  „Die  Srau  ift  oerpflii^tet  ifjrem  IHann  als  bem  S^^'wiJ^^w» 
l)aupt  3U  gel)or(^en,  in  £iebe  3U  if)m,  in  Rettung  unb  unbegren3ter 
(!)  Soigfamkeit  3U  Dcrljarren ,  il)m  als  fjausroirtin  jebe  (Befalligheit 
unb  flnl)änglid)keit  3U  ertoeifen."  Hlfo  £iebe,  Hdjtung  unb  f)iIfsb^ 
reitfd)aft  follen  beiöe  für  einanber  füljlen,  „(Beljorfam''  unb  „unb^ 
grcn3te  Soigfamkeit"  möd)te  ber  (Befe^geber  btn  Sxanm  einpflan3en, 
roäfjrenb,  l)öd)ft  (i^arakteriftifdj  für  feinen  Stanbpunht,  nur  ber  Itlann 
3ur  Dulöfamkeit  gegen  bie  ITIängel  feiner  6attin  Derma{)nt  wirb.  (Er 
felbft  bcfi^t  für  bie  ibeale  (Ef^efrau  offenbar  keine  S^^^^t.   Die  5wu 

*M  5ür    etn3elne  6ebtete   (3.  B.  (Transkoukofien)    unö   ebenfo   für  ho 
fonbere  6run6be{tQarten  gelten  Sonberred^te. 


I).  Die  Kobifihationeti  in  ^efterreid)  unö  Ruglanö.         349 

CDirö  aber  nidjt  nur  3ur  UntertDerfung  unter  öen  IDillen  i^res  IHan» 
nes,  fonöem,  aud)  als  Derljeiratete,  in  3©eiter  Cinie  nodj  ausörüA- 
Hd)  3um  (Bef}orfam  gegen  iljre  (Eltern  oerpfli(^tct:  «Die  Stau  fdjulöet 
Dor3ugstDei|e  UntertDerfung  unter  öen  IDillen  il^res  (bauen,  ob- 
gleich fie  baburd)  nxd^t  Don  btn  Derpflic^tungen  in  Be3ie^ung  3U 
il^ren  (Eltern  befreit  CDirb."  Diejer  bauernben  (Beljorjamspflidjt  gegen 
feine  (Eltern  unter|tel)t  übrigens  aud)  ber  IHann;  unb  fo  toie  für 
bie  Stau  nur  burd)  btn  €f}eftanb,  mirb  |ie  für  il)n  nur  baburc^ 
befc^rönht,  bog  er  3U  anbren  in  ein  Ab^angigfteitsDerl^ältnis,  3.  B. 
in  btn  Staatsbienjt ,  tritt.  Die  (Eltern  beljalten  alfo  im  Prin3ip  bie 
elterlid^e  (btwah  3eitlebens  über  bie  Kinber,  unb  ber  ruffi{(^  (Be* 
fe^geber  Derföumt  keine  6elegenf}eit,  aud)  bie  Kinber  ausgiebig  über 
iljre  moralifdjen  Pflidjten  3U  beleljren:  „Kinber  muffen  btn  (Eltern 
aufrichtige  Rd^tung,  6e{)orfam,  €rgebenf}eit  unb  £iebe  ermeifen,  tt^ntn 
buxii  bie  (Eat  bienftbar  fein,  Don  if}nen  mit  Hd)tung  fpredjen  unb  bie 
elterlid)en  niaf^nungen  unb  Süd^tigungen  gebulbig  unb  ol^ne  IHurren 
ertragen.  Die  Hdjtung  ber  Kinber  für  bas  Hnbenften  ber  (Eltern 
mug  audi  nad)  beren  Ableben  fortbauern." 

Als  Red^tsnormen  finb  nun  biefe,  größtenteils  lebiglid)  auf  bie 
innere  (Befinnung  gerid^teten,  Beftimmungen  3iemlid)  belanglos,  benn 
für  bas  äußere  Deri)alten  unb  bie  Hed^tsfteUung  ber  Kinber  ift  es 
wtii  n)id)tiger,  baß  bie  Doniöl}rigen  il)r  eignes  Dermögen,  alfo  3.  B. 
if^r  €rbe  Dom  (Bute  bes  oerftorbenen  (Elternteils,  felbftänbig  oertDalten 
unb  Dertreten  können.  Das  ift,  gegenüber  ber  ftarken  Betonung  ber 
f  i  1 1 1  i  dj  e  n  Autorität  bes  Daters ,  eine  immerljin  meitgeljenbe  Ab» 
fc^möd^ung  feiner  redjtlid^en  IHad^t. 

(ban^  unpatriard)alifd)  DoOenbs,  aber  thtn  besl^alb  allerbings  bem 
3beal  einer,  auf  Kinbespietöt  3U  b  e  i  b  e  n  (Eltern  bafierten  5a"iili«  «n^* 
fpredjenb,  ift  bie  Stellung  ber  StQW  ^Is  IHutter  geregelt.  Sie  l^t 
btn  Kinbem  gegenüber  nidjt  nur  biefelben  Pflidjten,  fonbern  audj  bie« 
felben  Befugniffe  unb  biefelbe  Autorität,  roie  ber  Dater.  3m  (Begen- 
fa^  3U  allen  bisljer  betTad)teten  Spftcmen  feljlt  Ijier  bie  „DÖtcrlidje 
(Bemalt",  als  ein  3nbegriff  oon  Sonberredjten  bes  Ulannes  im  (Begcn- 
f  a^  3ur  mutter ,  DöUig :  bas  (Befe^  kennt  nur  eine  oon 
beiben  (Batten  geübte  „elterlidje  (Bemalt".  (Ent- 
fpred}enb  iljrer  glcidjen  Unterljalts-  unb  <Er3iel)ungspflid)t  bürfen  beibe 
(Eltern  3ud)tmtttel  anmcnben  unb  bei  l}artnäditgem  Ungel^orfam  unb 
lieberlid^em  lebensmanbel   ber   Kinber   5teil}eitsftrafen   beantragen. 


350    C^eauffaffung  nnb  <EI)ere(^t  im  Seitalter  6es  Rationalismus  ic. 

Beibe  {)aben  bas  (Eintoilligungsrec^t  3ur  (El^efdjliegung,  unb,  mos  nod^ 
auffaüenber  ift:  Beibe  können  U)re  Kinber  por  (Bericht  uertreten  unb 
i{)nen  eine  DoUmac^t  3um  Hb|c^Iug  uon  Re(^tsge{(^äften  ausfteüen. 
nur  bte  DertDaltung  bes  Dermögens  ber  Kinber  liegt  in  ber  ^b 
bes  Daters,  ge{)t  aber  bei  feinem  ([obe  unmittelbar  auf  bie  ntutter 
über.  Beibe  (Eltern  {)aben  auc^  bas  Rec^t  teftamentarifc^  einen  Dor- 
munb  3U  ernennen. 

Se{)r  fragmentari{^  toaren  no(^  bis  Dor  16  3<t(?ten  bie  Beftini' 
mungen  über  bie  u  n  e  ^  e  I  i  (^  e  n  —  ber  S|tDob  {agt  (^ara6teriftif<l^* 
CDeije:  „ungeje^Iic^en"  -  Kinber:  Hac^  §  13  f^atten  pe  coeber 
ein  Rec^t  auf  ben  5amiliennamen  bes  Daters,  nod)  nac^  beffen  ober 
il^rer  Tllutter  ([obe  auf  bie  gefe^Iic^e  (Erbfolge  in  beren  Oermogen. 
AI|o  bas  une{)eli(^e  Kinb  toar,  toie  in  Deutf(^Ianb  3.  3.  bes  Sac^fen- 
{piegels  unb  in  €nglanb  bis  {)eute  „Kebsftinb"  au(^  {einer  leiblid^ 
ntutter.  (Es  befag  ftein  (Erbrecht  gegen  fie,  unb  muxbt  äf^nli^ 
mie  im  Sac^{en{piegel  burc^  feine  ^Rec^tlofigfeeit",  fo  ^ier  babur^ 
bürgerlich  in  aller  $0^^  „befelaffiert",  bog  es  ein  für  allemal  bem 
Bauern«  be3tD.  KIeinbürger«Stanbe  3uge3ä^It  tourbe,  einerlei  roelc^ 
Stanbe  bie  Rlutter  ange{)örte.  Seine  3ntere{|en  roaren  aber  menig' 
ftens  inbirefet  gefc^ü^t,  unb  3tDar  {eltfamertoeife  bur(^  bie  Strafgefe^ 
gebung.  Xlad^  flrtihel  994  bes  (in  bepnitioer  S^^ffung  im  3ttl>re  1885 
in  ben  15.  Banb  bes  „Sftoob  Saftonoro"  aufgenommen)  Strafrec^ts 
unterlagen  (^riftli(^e  (Eltern  toegen  augeref)elt(^en  (Befci^Iec^tsoerhe^rs 
ber  Kird}enbuge,  unb  im  Hnfd^Iug  baran  toar  beftimmt :  „Aber  menn 
ein  |oI(^es  Iafterl)aftes  leben  bie  (Beburt  eines  Kinbes  3ur  5olge  ^ot, 
bann  ift  ber  Dater  oerpfIt(^tet,  gemäfe  feinem  Dermögcn  in  anftönbiger 
IDeife  für  ben  Unterijalt  oon  Kinb  unb  Tllutter  3U  forgen.*  3u« 
ftänbig  toaren  alfo  bie  Strafgert(^te,  unb  bie  unet)e[i(^e  ntutter  mugte, 
um  für  fi(^  unb  ii)r  Kinb  Hlimente  3U  erlangen,  fic^  3unad)ft  felbft 
auf  bte  Rnhlagebank  fe^en  unb  3ufammen  mit  bem  ITtann  Kirdjenbuge 
tun,  um  fo  3U  bcroirken,  ba^  biefer,  als  Strafe  feiner  Sünben,  3UT 
3a!)Iung  oerurteilt  rourbe.  Aus  biefem  redjtlidjen  dljarafeter  ber 
Hlimentc  folgte  insbefonbere ,  ba^  nur  ber  Sünber  felbft,  nidjt  feine 
(Eltern,  tjafteten. 

(Erft  im  2^\)x^  1891  rourbe  ein  neues  6efe^  fpe3iell  über  bie 
uneijclidjen  Kinber  gefd)affcn  unb  biefe  Rtaterie  nunmeljr  bem  3ioU« 
red)t  eingegliebert,  tooburi^  es  oor  allem  ber  ntutter  pfijc^ifrf)  erlei(^« 
tcrt    ift,    ben   uneljelidjen    Dater    3ur    Unterftü^ung    !)eran3U3ie^n. 


I).  Die  Koötfiltationen  in  ®e|tenetd)  unb  Ruglanb.         351 

materifU  ift  bagegen  ketnesmegs  ettoa  beffer  gefotgt  als  frül^er.  Dem 
unef)eli(^en  Ktnbe  [mb  nod)  immer  ntd^t  einmal  DOÜe  S^^i^'^n^^c^t^ 
gegen  bie  ITIutter  oetliel^en.  3unad){t  mug  es,  tote  in  5tankret(^, 
feine  Kinbesred)te  au^  gegen  fie  {d)riftlid)  betDcifen  können.  Dabutd) 
eriDirbt  es  bann  yDax  ein  Hlimentations'  unb  (Erbrecht  il)t  gegenübet, 
aber  bas  erftere  nur  bis  3ur  DoIIjaf^rigkeit  unb  bas  (entere  nur  an 
if}rem  neu  ertoorbenen,  nic^t  aber  an  il^rem  ererbten  Dermögen.  Das  €rb« 
gut  gilt  immer  no(^  als  5<^iTiiIiengut,  an  bem  aUe  anbren  Dertoanbten 
Dor  ben  unel)eli(^en  Kinbem  erbberechtigt  finb.  Diefe  leben  alfo  no(^ 
immer  nid)t  einmal  doII  nad)  ^^ntutterredjt".  Dagegen  l^at  bie  unel^- 
Ii(^  mutter,  ebenfo  toie  bie  el)eltd)e,  DoHe  elterlid^e  (bemalt,  alfo  il^re 
Dertretung  fotool)!  in  perf önlic^er ,  toie  in  permögensrec^tlic^er  Be* 
3iel)ung.  Der  Dater  toirb  nunmel^r  auf  Hntrag  ber  HTutter  beim 
3iDiIgerid)t,  unb  besl^alb  mal^rfd^einlid)  in  einer  größeren  3af}I  Don 
Säuen,  3ur  Unterftü^ung  {)erange3ogen.  3ebo(i)  kommt  er  babei  toeit 
glimpfltd^er  meg  als  früher  im  Straf pro3e6,  ber  if}n  3ur  Strafe  für 
feine  Sünbe  3um  Unterl^alt  für  IHutter  unb  Kinb  entfprec^enb  feinem 
Dermögen  oerurteilte,  alfo  namentlid)  n)oI)lf}abenbe  Däter  tüd^tig 
I)eran3og.  3^6^  braucht  er  ber  IHutter  nur  bie  burd)  Sd)n)angerfd)aft 
unb  (Beburt  perurfac^ten  Koften  3U  erfe^en  unb  ift  bem  Kinbe  nur 
bann  bis  3ur  Donjö^rigkeit  Hlimente  fd^ulbig,  wenn  bie  IHutter  mittel* 
los  unb  körperlid)  nid)t  in  ber  £age  ift,  burd)  perfönlid^e  Arbeit  genug 
für  fid)  unb  bas  Kinb  3U  oerbienen.  Be3al)lt  ber  unef^lidje  Dater 
Alimente,  fo  ermirbt  er  bamit  bas  Hed)t,  bie  <Er3ieI)ung  bes  Kinbes 
3u  beauffid)tigen.  IDenn  nun  aud)  nod)  bie  „ntotioe"  3U  biefer  Beftim« 
mung  bie  Derpflid)tung  bes  Daters  3um  (Erfa^  ber  Sc^mangerfd^afts- 
koften  bamit  begrünben,  ba^  bies  if)m  felbft  3U  gute  komme,  ba  ja 
fonft  bas  Kinb  (burd)  (befunbl^eitsgeföf^rbung  ber  ITIutter)  benad)teiligt 
toerben  unb  Koften  oerurfadjen  könne ,  fo  ift  bamit  bas  (Befe^  rooljl 
I)inlanglid)  als  ein  reaktionäres  Probukt  bes  kraffen  (befd)led}tS' 
egoismus  gekenn3ei(^net. 

Die  <E  l)  e  f  (^  e  i  b  u  n  g  ift  für  beibe  (Batten  unter  ben  gleid^en 
Bebingungen  3uläffig.  Jür  Untreue  bes  ITIannes  ejiftieren  keine  Aus- 
naijmeregeln.  Heben  bem  (Eljebrud)  eines  (Teils,  ift  aber  nur  Derur- 
teilung  3um  Derluft  aller  Stanbesredjte  ober  3ur  Derfdjidiung  nadj 
Sibirien  unb  Sjäf^rige  unbekannte  Abtoefenl^eit  (Brunb,  beim  geiftlid^n 
<berid)tsf}of ,  tocldjer  in  <Ef}efad)en  funktioniert ,  bie  Sd)eibung,  unb 
3iDar  bem  Banbe  nad),   3U   beantragen.    IDenn  alfo  aud)  ber  faftra« 


352    (E^eauffatfung  unb  (E^erec^t  int  Seitalter  bes  Rationalismus  ic. 

mentale  (E^arabter  ber  (E^e  ^ier  bie  Sc^eibung  nic^t,  toie  im  römifc^ 
Kat^olisismus ,  DöUig  aus{d)Iiegt,  ja  bie  „Staatsraifon"  fogar  über 
btn  bibli{d)en  ßaU  ber  €^efd)eibung  hinaus  i^re  Sulaffung  erjtoungen 
^at,  fo  ift  fie  boc^  ber  5orm  bts  (befe^es  nac^  fe^r  erfc^toert  Der 
Sad)e  nad)  freiließ  ift,  tro^  aller  Strafbro^ungen  bes  (befe^gebers,  fnr 
bie  Angehörigen  ber  beft^enben  Sc^ic^ten  bie  nidglic^beit,  burc^  einen 
fingierten  €^ebrud)spro3eg  ober  tlic^tigbeitserftlarung  pon  ber  (E^ 
Ios3ubommen,  in  Ruglanb  ^eute  noc^  fe^r  oiel  größer,  als  fie  es  ie  in 
b^n  römifd)'bat^oIifd)en  £änbem  iDor.  Das  Beforgen  oon  C^f(^' 
bungen  iDurbe  teiltueife  gerabesu  geiDerbsmägig  betrieben. 

(bIeid)tDo^I  fud)te  fid)  bie  mobeme  rabibale  ruffifc^e  3ntelligen3 
ber  bird)Iid)en  €in{egnung  unb  ber  bamit  oerbunbenen  rec^tlid^en 
®rbnung  unb  fabramentalen  Binbung  ber  £ebensgemeinf(^aft  aa$ 
(bxmbtn  ber  lDeItanfd)auung  me^r  unb  me^r  3U  ent3ie^en.  Da  mm 
bis  5u  btn  (Eoleransebibten  ber  beiben  legten  3a^re,  beren  Dun^ 
fü^rung  immer  nod)  preftör  ift,  tueber  gültiger  Austritt  aus  ber  Kirc^ 
möglid)  iDor,  nod)  auc^  für  bie  formal  ber  Kird)e  Angehörigen  eine 
3ioiItrauung  e^iftierte ,  ^at  fie  fe^r  oielfac^  3U  bem  mittel  ber  ^(bt' 
toiffense^e"  ober  ,, bürgerlichen  S^e"  gegriffen,  b.  ^.  einem  formal 
garnid)t  legalifierten  3ufammenleben ,  bei  tuelc^em  für  bie  etroaigen 
Kinber  teftamentarifd)  geforgt  tDtrb.  (Es  ^anbelt  fid)  alfo  um  einen 
naturrec^tlic^en  proteft.  (Eine  foId|e  „bürgerlidie"  S^^^  if*  i"  ^ 
Kreifen  ber  „3nteIIigen3"  burd|aus  als  (Ehefrau  angefe^en  unb  mirö 
J03ial  entjpred|enb  be^anbelt;  fie  einfach  loie  eine  ITlätreffe  grunblos 
im  Stid)  3U  laffen,  u)ürbe  bem  Itlann  bie  entfd|iebenfte  et^ifdje  Hlife« 
billigung  ber  ,,(5e{en{d)aft"  3U3ie^en.  Red^tlid)  ^anbelt  es  ftc^  um  eine 
„freie  (El)e"  im  |triliten  Sinn  bes  IDorts,  b.  ^.  um  ein  rein  fittlid^ 
unb  lionoentionell,  nic^t  gefe^Iid),  garantiertes  Der^ältnis.  —  IDidjtiger 
aber  unb  intereffanter  als  bie{e  <Eman3ipation  Meiner  rabikaler  Sdjid^ 
ten  mar  unb  ift  teitoeife  nod)  bas  l^öufige  Dorfiommen  illegaler  (b^ 
|d)Icd)tsDerl)äItniffe  aus  r  c  li  g  i  ö  | e n  (Brünben,  -  ein  Aufflammen 
bes  ,,naturred)tcs"  im  (Djten  (Europas,  bas  an  Rabiftalismus  ben 
tDe|tcn,  roo  bas  ältere  rocltablel^nenbe  (Eöufertum  feljr  fd)nell  ben 
tOeg  ber  Anpaffung  an  bie  „natürlid|e"  (Drbnung  ber  „IDelt"  ge« 
funöcn  l)at,  rocit  überbot^). 

')  3m  übrigen  |in6  6te  nad)|tel)en6  erörterten  (Erfdjeinungen  ntd)ts  (Ein3i9' 
artiges.  IDenn  jic  gerabe  Ijier  be{prod)en  ©erben,  \o  ijt  öafür  iljre  relatio 
genaue  (Erfor|d)tt)eit  unb  it)r  5ortbe{tanb  bis  in  bie  6egeniDart  maftgebenb. 


l).  Die  nioöifikationen  in  (Deiterreid)  unb  Ruglanb.         353 

IDas  öie  (Erfdjcinung  biejer  religiös  oeranherten  „freien  <El|e" 
in  Ruglanb  {o  merkiDürbig  mad}t,  i|t,  ba^  fie  nid)t  ettoa  bie  (EmQn3i« 
pation  ein3elner  flngel^öriger  ber  ober|ten  befi^enben  Sd)id}ten  Don 
ber  l}err|d}enben  ITIoral  unb  kird)Iici)en  Binbung  bebeutete ,  {onbem 
bas  Refultat  religiö|er  Belegungen  gerabe  ber  untern  mar,  unb  in 
il^nen  am  fefteften  n)ur3el  ge{d}Iagen  f)at.  (Betoiffe  rabikale  (5ruppen 
bes  „altgläubigen"  Sdjismas,  bas  fid)  im  17.  3al|tl|unbert,  um  einer 
Umgeftaltung  bes  Ritus  roillen,  oon  ber  Staatskird^e  getrennt  l)atte: 
bie  jogenannten  „Priejterlojen",  bejtritten  ber  ortl|obojen  Staatskird)e, 
bie  nad)  il)rer  IUeinung  Dom  n)af}ren  (Blauben  abgen)id}en  mar,  bie 
niöglid)keit  eine  Dollgültige  Prie|tertDeil)e  Dor5une^men.  Sie  mad)ten 
es  pd)  besf)alb  3ur  Pflidjt,  in  if)rcn  eignen  Reil)en  ol|ne  Priefter  unb 
folglid)  aud)  ol^ne  Sakramente  3U  leben.  Kinbtaufe  unb  Beid)te  n)ur< 
ben  burd)  Caien  oerforgt,  aber  für  bie  priefterlidje  (Einfegnung  ber 
(Et^  iDugte  man  keinen  (Er{a^  3U  {d)affen.  Rus  ber  Unmöglid)keit 
in  il)ren  (5emeinben  ben  (Ef}ebunb  religiös  3U  rDeif)en,  folgerten  [ie 
bie  llnmöglid)keit  einer  legalen  (Ef)e  überf)aupt,  unb  es  fd)ien  il)nen 
5unöd)|t  nid)ts  übrig  3U  bleiben,  als  {id)  {elb|t  (Ef)eIoiigkeit  unb 
DÖOige  ge|d)led)tlid)e  Hshe{e  auf3uerlegen.  Aber  ([l)eorie  unb  IDirk* 
Iid)keit  gerieten  balb  in  merklid)en  Konflikt.  Rur  bie  ITIönd^e  lebten 
ber  Ilieorie  gemäfe  cölibatär,  bie  Caien  begannen  il|r  3um  Iro^  ben» 
nod)  Samilien  3U  grünben.  IDie  foflte  man  |id}  mit  biefer  ([at[ad)e 
abfinben?  Die  crtremften  (5ruppen  ber  „prie[terlolen":  bie  Iljeobo* 
(ianer,  beugten  [idj  il|r  nid)t,  [onbem  oerfjarrten  bei  if)rem  Proteft 
gegen  alle  kird)lid)  nid)t  getDeif)ten  Derbinbungen,  unb  fanben  keinen 
anberen  Hustoeg  als  im  Hamen  ber  Red)tglaubigkeit  bie  lln3ud}t 
3iDar  für  an  iid)  oerroerflid) ,  aber  -  roeil  nur  ein3elne  |ünbl|afte 
Akte,  nid)t  aber  einen  Hbfall  oon  Prin3ip  bar[teUenb  -  im  Hotfall 
bennod}  beffer  als  bie  <El)e  3U  erklären :  ,,Der  lln3ud}t  uns  ergcbenb 
begel^en  toir  3iDar  eine  Sünbe;  aber  gegen  bieje  Sünbe  gibt  es  ein 
mittel  -  bie  Bufje.  Hber  bie  Anerkennung  ber  aufjerkirdjlidjcn  (Elje 
bebeutet  Untergrabung  ber  Kird)enlel)re  -  für  biefe  Sünbe  gibt  es 
keine  Dergebung'").  3m  (Begenjat^  ba3u  erklärten  bie  (Bemäftigteren, 
baft  bie  (El)e  nid)t  nur  Sakrament,  (onbem  -  gan3  toie  bas  toeit- 
europäi|d)e  R  a  t  u  r  r  e  d)  t  ber  (Eäufer  es  tat,  nad^bem  bie  anfänglid)e 
rabikale  „ll)eltablel)nung"  oerblafjt  toar  -  aud)  „eine  notcoenbige 
bürgerlid}e  <Einrid)tung"  fei,  unb  besl)alb  il)re  II)eil}e  ebenfotool)! 

)  mitjukon),  Sktj3cn  3ur  ni||tfd)en  Kulturgeid)td)te  S.  94. 

Ä*  r  h  f  r ,  <f  bdratt  ^ln^  muttrr.  23 


354     (E^eauffaffung  unö  (E^ered)t  int  3eitalter  bes  Rationalismus  k- 

burd)  btn  tDillen  ber  Derlobten,  iDie  burc^  btn  Segen  bes  prie|teis 
empfange.  Don  ^ier  aus  erfanben  fie  neue  Seremonien,  bie  {ie  als 
(Erfa^  bes  le^teren  bei  ber  (El)e{d)Iiegung  gelten  liegen. 

Aber  aud)  bas  materielle  (Ei^erec^t  mugte  nun  „naturrec^tlic^"  bebiu 
3iert  roerben.  flm  entfd)Ionen|tcn  sogen  bie  Konfequens  aus  bem  IDeg» 
fall  ber  kird}Iid)en  (El^ereglementierung  bie  (Bemeinben  ber  fogenannten 
,,(El)eIo{en".    Sie  {(Rüttelten  ben  (Bebanben  an  btn  Sabramentsd^orokter 
ber  <El)e  ober  bie  notroenbiglteit  irgenbiDelc^er  Surrogat'Seremoimn 
oöllig  ab,   unb  erklärten  im   18.  3a^r^unbert,   etma  im  Sinne  ber 
mobernften  (E^etljeorien  oon  3.  ITlejnil,  (Earpenter  unb  (Ellen  Kei),  ba^ 
bie  (El)e  nur  burd)  btn  übereinftimmenben  IDillen  ber  Derlobten  ent» 
fte^e,  unb  besf)alb  aud)  nur  fo  lange  mit  beren  £iebe  3u  rec^t  befte^ 
-  folglid)  jeberseit  löslid)  fei:  I)ier  roirb  alfo  bie  „freie  ^**, 
fo5u{agen  als  ein   ITIitteliDeg  5n)i{d}en  Asfiefe  unb  Unsuc^t,  religiös 
janMioniert.    „Krämer  unb  Bauern"  betrachten  bie  Unlöslic^keit  ber 
(El)e   als  oeraltete  <Einrid)tung  unb   i^re  flnfd^auungen  berüi^ren  ftd| 
in  biefem  Punkte  mit   benen  ber  mobernen  ruf(ifd|en  Repolutionore, 
oon  benen  fie   in  i^rem  fonftigen  5^^!^^  unb  Denken  fo  toeit  loie 
bas  Itlittelalter  oon  ber  3^0^^^^  getrennt  finb  -  ober  3U  fein  fc^einen. 
Die  IDirkung  biefer  freien  (E^e  in  ber  Praxis  fc^eint  nun,  je  nai\ 
btn  BeoöIkerungsfd)id)ten ,  gan3  oerfc^ieben  3u  fein.    £eror)»BeauIiett 
bemerkt  in  be3ug  auf  bie  länblidje  Beoölkerung:    „Sold^e  l)ausl^I' 
tungen,  bie  eine  bloge  Caune   3erftören  kann,  finb  roie  es  fd)eint, 
bennod)  oft  oon  Dauer,  unb  es  !)errfd)t   barin  eine   fd)öne  (Eintratet 

(Es  fd)eint,  bog  bas  5ölfd)e  unb  Ungefunbe,  bas  foId|en  Derl|dlt« 

niffen  anljaften  muß,  burd)  bie  (Einfadjljeit  ber  Sitten  unb  btn  (Emft 
ber  Ueber3eugungen  gemilbert  roirb"^).  Dagegen  beridjtet  er,  ba^  in 
ben  Stäbten,  „roo  ber  Hrbeiter  bie  S^^^  leidjter  entbeljren  kann", 
bieje  freien  Der!)ältniffe  oielfad)  gan3  entarten,  ^ier  gilt  besi^Ib 
biefe  Spielart  ber  Hitgläubigen,  bie  im  übrigen,  roie  alle  „Raskolniki', 
loegen  iljrer  (Eljrlidjkeit  unb  Itläfeigkeit  im  guten  Rufe  ftef)en,  im 
(BeJd)led)tsDerkel)r  für  unmoralijdjer  als  bie  anbern:  -  „unb  bos 
offenbar  nid)t  immer  oljne  (Brunb :  geben  pd)  bod)  oiele  biefer  (Elje* 
oeräd)ter  unter  bem  Doru)anb,  bamit  „iljrem  (Blauben  3U  leben",  gan3 
offen  bem  ungebunbenften  Ceben  l)in  unb  nennen  bie  freie  (unb  Ijäufig 
roediJelnbe)  üercinigung   oon  ITlann   unb    5rau   „Ijeilige ,    djriftlidje 

')  £croi)«Bcaulicu  a,  a.  ®.  Banö  III.  S.  416. 


I).  Die  nioöifikQtionen  in  (Defterreic^  unb  Ruglanö.        355 

Bniöerliebe"  0*  3n  ÜTosbau  iDor  es  öes^alb  nötig,  groge  IDaifen« 
1)aufer  3U  grünben,  um  bm  oerlaffenen  Kinbem  ber  e^rtremen  „Ttas» 
kolniki" :  f oido^I  ber  bte  Unsuc^t  me^r  als  bie  (El^e  billigenben  tCI^eo« 
öofianer,  als  ber  ,,(E^eIofen'\  Unterfc^Iupf  3U  bieten. 

(Ein  fic^res  Urteil  über  bie  IDirkung  biefer  Derl^altnitfe  auf  bie 
£age  ber  S^^uen  (äffen  bie  fragmentari|d)en,  mir  3uganglid)en  An* 
gaben  nid)t  3U.  3mmer^tn  fällt  ein  d)QrQkteriftifd)es  Streiflid^t  barauf 
burc^  £eroi)'BeQuIieu's  Bemerkung,  bog  fid)  bie  ntönner  „bem  I>rQngen 
il)rer  tDeiber  ge^orc^enb"  i)Quftg  bodi  noc^  nad^tragüc^  Dom 
ftaatskird)(id)en  Popen  einfegnen  laffen,  -  obiDO^I  fie  bann  l^emac^ 
oor  ifyctx  (bemeinbe  öffentlid)  Buge  für  biefen  Schritt  tun  muffen. 
Das  3ntereffe  ber  5^^u,  bie  Dauer  bes  (bef(4Ied)tSDerl}aItniffe$  ber 
IDillkür  bes  IHannes  3U  ent3iel}en,  ift  alfo  aud)  I)ier  unter  Umftänben 
fo  ftark,  bai  es  fid)  fogar  bem  religiöfen  Dogma  entgegenftemmt, 
unb  bie  5tauen  mögen  aud)  l^ier  gut  tun,  fic^  bie  ITlänner  fefter  als 
nur  burd)  bas  erotifd)e  (befül)!  3U  oerbinben.  Denn  nad)  Anfid^t  bes 
genannten  ausge3eid)neten  Kenners  fül^ren  jene  freien  Derbinbungen 
nur  bort  nid)t  3ur  Sc^u^Iofigkeit  ber  5^^u  unb  3ur  DerroI)ung  ber 
gefc^Iec^tlic^n  Sittlid)keit  bes  ITIannes,  ido  bie  Religiofitöt  noc^  als 
lebenbige,  lebensbeftimmenbe  ÜTac^t  bie  (bemiffen  ber  (Ein3elnen  binbet: 
„Rm  f}erbe  ber  (gläubigen  a)ol)nt  (bott  unb  fc^ü^t  als  unfic^tbarer 
3euge  aller  f}anblungeu  bas  tDeib  unb  bas  Kinb  bes  IDeibes^)". 

nac^bem  iDir  fo  in  ber  rabikalen  3nteIIigen3  einerfeits,  anbrerfeits 
in  ben  Don  aller  Derftanbesaufklärung  unberül)rten  Sd)ismatikem 
unb  Sektierern  Kreife  kennen  gelernt  traben,  meiere  ftc^,  bie  einen  oom 
Boben  bes  liberalen,  bie  anbern  oom  Boben  bes  religiöfen  naturred)ts 
aus,  ber  offi3ielIen,  kirc^Hd)  getoeil^ten  (El^e  als  fold^er  teils  bis  in 
bie  le^te  Seit  ent309en  I)aben*),  teils  noc^  ent3tel)en,  l^aben  iDir  uns 
nod)  klar  3U  mad^en,  toas  es  bebeutet,  bag,  iDte  {c^on  einleitenb 
bemerkt,  bas  offi3iene  (EI)ered)t  bes  Sftoob  Sakonoo)  bie  iDettaus 
3al)Ireid)fte  Sc^ic^t  ber  Beoölkerung,  bte  Bauern,  toeber  3ur  Seit 

»)  a    a.  ©.  S   417. 

I  a.  a.  ©.  S.  419. 

-)  Die  (EoIeran3e6tkte  Don  1905  un6  1906  brad)ten  nad)  3at)Ireid)en  ooran* 
gei^enöen  Dcr|ud)en  u.  a.  aud),  nad)  mand)erlei  (Erper  im  entert,  6ie  enögültige 
CcgaltfteruTtg  ber  <Ei)e  6er  Sd)ismattker  unb  ber  meiften  überi^aupt  auf  bem 
Boben  ber  <Et)ebin6ung  ftel^enben  Sekten  öurd)  Anerkennung  it)rer  eigenen 
Ktrd)enbüd)er  un5  <Et)eformen. 

23* 


356    (E^eauffaffung  unö  (E^ered)t  im  Seitalter  öes  RaKonalismus  x. 

öcr  Dcrfaffung  öcs  (Bcfc^budjcs ,  bdo  flc  nod\  leibeigen  roaren,  no^ 
aud),    tro§  i^rer  (Eman3ipation  (im    3ö^te  1861),  Ijeute  umfoftt^). 
5fir  öen    „Stanb"    öer  „Bauern",    ö.  ^.  nid|t  für  öie  öftonomild|e 
Kla  {je  öer  Canöbauer ,  jonöern  für  alle  biejenigen  £eute,  roelc^e  ok 
IIad|ftommen  ber  Ceibeigencn  red|tli(^  3U  einem  „Dorf"  geijören,  - 
mag  i^r  perjönlidier  Beruf  fein  loelc^er  er  iDoIIe,  —  galten  nit^t  iwr 
bie  oer|(^ieben|ten  Befc^ränftungen  i^rer  (Befdjäftsfäljigfteit,  fonbem  es 
roar  oor  allem  für  ben  „bäuerlichen",  b.  ^.  für  alle  3U  einem  frü^et« 
leibeigenen  Bauernbor f  gehörigen,  (Brunbbefi^,  in  Be5ug  auf  (Erbred)! 
unb  5<iniiUent)er^aItnif{e  ausbrüdtlid)  bas  bauerlid)e  (B  e  id  0  i)n  ^eits* 
r  e  (^  l    aufred)ter^alten.     Bie  Sonbergeric^te  ,   b^ntn  bie  Bauern  in 
i^ren  flngelegent)eiten  unterftanben ,  iDaren  gefe^Iic^   oerpflic^tet  es 
an3uiDenben.     Dies   Red)t   trug   bis  je^t    burd)aus    mittelalterli(^ 
(Eljaraftter,  ja,  eigentlid),  ben  bes  Rechts  eines  „naturoolfts." 

Sd)on  im  erften  Kapitel  roar  oon  bem  brutalen  Pattiard)alismiis 
ber  ru|fijd|en  bäuerlidjen  (Brogfamilie  bie  Rebe.  Heben  unb  über  i^t 
fte^t  ober  ftanb,  bis  3U  ben  je^t  eben  begonnenen  Reformen,  über  ben 
(Ein3elnen,  bie  in  ö^onomi{d)en  Dingen  faft  oöllig  fouoeröne  Senxtlt 
bes  „Itlir",  ber  Dorfgemeinbe.  Sie  roies  nid|t  nur  bem  ein3elnen  S^ 
milienoater  in  periobifd)er  Umteilung  feinen  Canbumteil  3U,  fonbem  ^atte 
3.  B.  aud)  über  bie  S^Q9^»  ob  bem  (Ein3elnen  ein  \)a^  3ur  auswärtigen 
Derroertung  feiner  flrbcitsliraft  ober  etroa  3um  Befud)  einer  Ijöl^ren 
£el)ranftalt  aus3ul)änbigen  fei,  maggebenb  mit3ureben,  ja  fie  befoft 
fogar  bie  Befugnis,  bie  Derfd}idiung  uneru)ünjd)ter  Rlitglieber  nad| 
Sibirien  3U  beantragen.  Beibe  lTIäd)te:  bie  lTIad)t  ber  5Q"iitic  w"b 
bie  niadjt  ber  (Bemeinbe  banben  ben  (Ein3elnen,  beibe  toirliten  aber 
unter  Umftänben  im  (Begenja^  3U  einanber.  So  fd)iDädjte  ber  Illir 
bie  Hutorität  ber  5antilie  fd)on  burd)  bie  Canbumteilung  an  pd?  ob, 
U)eil  baburd)  ber  (Ein3elne  bie  (Brunblagen  feiner  (Ejiften3  nidjt  oon 
feiner  S^^i^«^  erbte,  fonbem  oon  ber  (Bemeinbe  auf  £ebens3eit  3uge« 
roiefen  erl)ielt.  So  konnte  unter  Umftänben  ber  Sol)n  00m  Dater 
materiell  unabljängig  gemad)t  unb  aud)  feiner  IDillliür  faktifd)  ent« 
3ogen  roerben,  wenn  iljm  ber  ITIir  ein  Canblos  3uu)ies  unb  il|n  ba- 
burd) „eman3ipierte".  Ueberf)aupt  mifd)te  fid)  ber  IRir  in  alle  bie- 
jenigen Derfügungen  bes  5Q"iilicnl)aupts,  u)eld)e  bie  (Befamtinterejfen 
bes  Dorfes  berül)rten,  unb  bies  lionnte  ben  Hnge^örigen  3U  gute  hom» 

')  Die  folgcnbcn  HTittcilungcn  über  öic  Derfaffung    6cs  ruffifd)cn  ITltr 
Derbanhe  id)  teiltüeife  meinem  Hlann. 


D.  IMe  mobifikQtionen  in  (Defterreid)  unb  Ruglanb.        357 

men.  Die  Dorfgenoffen  -  bas  mar  eins  ber  entfd^eibenben  (Elemente 
Wejer  flgraroerfadung  -  hafteten  (bis  1904)  bem  Staat  gemeinfam  für 
bit  Steuern.  Der  ITlir  ^atte  ba^er  ein  3ntere{fe  baren,  bei  (Drbnung 
btx  5ontiIienoeri)äItni{fe  barauf  3U  feigen,  bag  nur  fold^e  mitglieber 
an  bie  Spi^e  einer  IDirtfd^aft  gelangten,  bie  geeignet  roaren  fie  3U 
ffil)ren,  bamit  nic^t,  bei  fc^Ied^ter  n)irt)d)aft,  bie  anbren  Dorfgenoffen 
für  ben  3al)Iungsunfäi)igen  Bauern  bie  Steuern  5U  tragen  fetten. 
Dulder  iDurbe  nid}t  nur  bie  (Eeilung  ber  ,,(Brogfamilie"  unb  bie  Um« 
teilung  oon  Zanb  unb  Dermögen  an  bie  ertDac^fenen  Kinber  3uge« 
laffen,  roenn  baburd)  bie  3aI)Iungsfä^igkeit  ber  IDirtfc^aft  gefteigert 
iDurbe,  lonbern  es  6am  aud)  oor,  bag  ber  ITlir  ben  unfäl^igen  Dater 
abfegen  unb  ben  SoI)n  ober,  bies  freilid)  )el)r  feiten,  eine  5tau  an  bie 
Spi^e  ber  lDirt|d)aft  treten  lieg.  Aus  bem  gleid)en  (Brunbe:  -  um 
alle  Arbeitskräfte  am  £anbe  unb  bamit  am  Aufbringen  ber  Steuern 
ya  beteiligen,  -  {teilte  bie  börflid)e  Red^tsfitte  nid)t  feiten  bie  unel^e« 
liefen  Kinber  ben  el^elic^en  oöllig  gleid),  im  ftrtkten  IDiberfpruc^ 
3um  gemeinen  Rec^t.  flud)  mifd)te  fid)  ber  mir  in  bie  Abfd^ic^tungen 
unb  (Erbteilungen  ein,  bie  ber  f}ausl)err  unter  feinen  Kinbern  oor« 
nal)m  unb  Derl)inberte  an3u  iDillkürlic^e  Ungleic^I^etten,  roeld^e  beren 
3al}Iungsfal)igkeit  geföl^rbeten.  —  Aber  bies  alles  ge{d)al)  n  i  c^  t 
forool}!  im  3ntercffe  oon  5tau  unb  Kinbern,  als  oielme^r  im  3ntere(fe 
ber  übrigen  Steuerpflid^tigen.  IDo  bies  nid^t  ins  Spiel  kam,  mürben 
Klagen  ber  (Beroalt  untertoorfen  gegen  ben  l)ausl}errn  megen  perfön- 
lid^er  Brutalitäten  oon  ben  Bauerngerid)ten  meift  fe^r  milbe  beurteilt 
logl.  1.  Kapitel  S.  69*,  loie  benn  überl^aupt  (Eätlid^keiten  eines 
ntannes  gegen  ein  llläbd^en  meift  bann  unbeftraft  blieben,  roenn  babei 
ntc^t  trgenb  ein  gelbroertes  (Eigentumsobjekt  -  il^r  Kleib  ober  il^r 
tCud)  -  befc^öbigt  roorben  mar. 

Das  bauerlid)e  „S^^ili^n^^^^"  "u^t  ^^^gt  folgenbe  9üge : 
IDie  fc^on  frül^er  enoöl^nt,  flog  aller  (Erroerb  ber  $amilienglie- 
bem  in  bie  (Eafd^e  bes  l)ausl)errn,  ([öd)ter  l^atten  nur  ber  Sitte  nad) 
einen  Ausftattungs-  unb  Unterl^altsanfprud},  bagegen  neben  Söl^nen 
keinerlei  (Erbred}t,  aud)  nid^t  am  beroeglidien  Dermögen.  -  Die 
(El^e  fielet  in  biefen  bäuerlid)en  Kreifen  -  unb  3tDar  redjtlid)  roie 
faktifd)  -  nod)  total  anbers  aus  als  bie  <EI)e  ber  bem  Red)te  bes 
Sfioob  unterftellten  Beoölkerung.  So  entfprid^t  es  3.  B.  ber  offi3ienen 
d)ri|tlid)en  (Ef^eauffaffung  unb  bem  Prin3ip  ber  nionogamie  roenig, 
oenn  nod)  im  3af)re  1884  ein  Bauer,  bem  feine  S^^^  roeggelaufen 


358    (E^eauffaffung  unö  (E^ered)t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  x. 

iDar,  einen  Dertrag  mit  einem  SoIbateniDeibe  fc^Iog,  iDonac^  Me|e 
feine  ,,5^^^  unb  tDirtin"  fein  unb  aud)  bann  in  (einem  f}au|e  bleiboi 
fönte,   roenn  etoa   bie   IDeggelaufene    iDieberftäme.     Unb  iDd^renö, 
iDie  iDtr  fallen,  bas  offi5ieIIe  (5e{e^  bie  lTIögIid)keit  ber  S^fc^eibung 
auf  (E^ebrud)  unb  fc^iDere  poIitifd)e  Derbred)en  befd)rankte,  nahmen 
fid)  bie  Bauerngeric^te  bas  Red)t,  nid)t  5ufammenpaffenbe  Paare  oiul) 
in  anberen  als  ben  erlaubten  SaUtn  3U   tvtnntn.    Die  IDillkür  bes 
(butsl^errn  in  ber  Seit  ber  £etbeigenf(^aft,  ido  oft  genug  ber  3nfpektot 
bie  i)eiratsfal)igen  Alterskiaffen  auf  bas  Kontor  befc^ieb,  fie  „affop 
tierte"  unb  alsbalb  5um  Popen  fd)idite,  unb  ido  ein  Derkauf  ber  £eib* 
eignen  bie  S^niili^  ~  ^^^  allerbings  kird)Iid)  mißbilligt  iDurbe  - 
Serreißen  konnte,  mar  gefdjrounben.   Aber  ber  Itlir  geftattete  (i(^  rum 
feinerfeits  be5iigli(^  ber  Trennung  ber  (E^e  er^eblic^e  IDillkürlic^keiten. 
Den  Popen  ^at  burd)  eine  ausbrüdtlic^e  (Befe^esbeftimmung  bie  Aus« 
fteüung  oon  „Sd|eibcbriefen'\  bie  fie  auf  ©erlangen  btn  Bauern  Turf| 
altjübifdier  Art  3U  geroä^ren  pflegten,  oerboten  roerben  muffen,  flbet 
ben  mir  kümmerte  bas  nidjt.     I)ier   ein  oon  £erop  Beaulieu^)  et« 
3ä^Ites   Beifpiel    aus   einem    Kreife    bes    lula'fc^en   (Bouoememeiüs 
oom  3a^re  1880:     „im  Bauer  namens   Kusmitfd)etD  füi^rte  gegen 
fein  IDeib  Klage,  roeil  es  i^n  oerlaffen  ^atte  unb  fic^  nun  roeigette 
3u  i^m   3urüdi3ukel)ren.     Das  (Berid)t   mad)te    es   bem    Dater  bei 
jungen   5^au  3ur    Pflidjt,  fie  3U   il)rem  (Batten   3urüA   3U  fdji&en. 
Der  Dater  anttüortete :  bas  fei  unmöglid),  loeil  ber  Itlann  fie  md|t 
bloß  migljanbelt  l^abt,  (onbern   fie   Jüngers  fterben   laffe,  unb  ein 
Derljältnis  mit  einer    anberen    Bäuerin    unterfjalte.      Hac^bem  bas 
(Beridjt    bie  3eugen    oernommcn,   rourbe   bie  $d)eibung    ber  (Batten 
ausgefprod)en,  ber  jungen  5^^^  iljr  (Eigentum  iDiebergegeben  unb  fie 
für  frei  erklärt.    Der  (Drtsgeiftlidje  konnte  an  bicfem  Befd^Iufe  nichts 
änbcrn."    -  Dies   Dorkommnis  3cigt  3uglcid),   baß  bie  Dorfgeridjte 
unter  Umftänbcn   aud)  einmal  im  3ntereffe  ber   mißljanbelten  (tlft* 
frauen  bas  offi3iene  (Befe^  burd)bredjen  unb  eine  Hrt  KabiOufti3  3U 
gunften  ber  Bebrüditen  ausüben.    (Db  freilid)  ber  mif)l}anbelten  Stau 
geljolfen  roorben  u)äre,   wtnn  nid)t  ein   Itlann,  Qhen  iljr  Dater,  p<^ 
für  fie  eingelegt  Ijätte,  ift  meljr  als  fraglid).    IDie  in  ber  (Befamtent» 
roidilung  ber  (Ef)e,  i[t  aud)  l)ier  bas  3ntcreffe  ber  5tauenfippe  an  il^rem 
(Ergeljen  bie  ein3ige  lTIad)t,   bie  iljr  gegenüber   bem  patriarc^alismus 
3ur  Seite  fteljt. 

')  a.C  ®.  Banb  II.  S.  248. 


1).  Die  ino6ifikationen  in  (Defterreic^  unb  Ruglanb.         359 

Cin3i9es  e^eltc^es  (Büterred^t  6er  Bauern  ift  -  ent< 
fpred^nb  bem  f}erliommen  aus  ber  Seit  ber  £eibeigen|(^aft  unb  ber 
iDirt(d)aftKd)en  Derfaffung  ber  (Brogfamilie  -  bie  (Bütergemeinfc^aft. 
AOer  (Ertoerb  fliegt  in  eine  Kaffe,  bie  ber  f}Qu$^err  unter  fic^  I)Qt. 
Die  S^^^  ^^^  <^^\o  ebenfotoenig  iDie  bie  ertoad^jenen  Kinber  einen 
Pfennig  für  ftd).  3ebod)  ift  es  il)r,  im  (5egen|a^  3U  ben  anbren 
5ümiltengltebern,  in  ber  (Brogfamilie  erlaubt,  Don  ben  für  il)ren  ITlann 
unb  il)re  Kinber  beftimmten  Ceinen*  unb  IDoIIlac^en  etmas  auf  bie 
Seite  3u  legen.  Das  auf  biefe  IDetfe  erfparte  „Sonbergut"  gibt  bie 
niutter  meift  il)ren  (Eöc^tern  als  Husfteuer  mit:  ein  freiließ  noc^ 
bfirftiger  Rn\a^  einer  ^niftel-CBerabe".  „IDie  ber  3ar  in  ber  nation", 
fo  I)err|d)t  ber  Dater  im  l)au[e.  Die  oaterIid)e  (bemalt  ift,  gleich  ber 
römi|d)en,  5eitlid)  unbe|d)ränkt,  unb  il)r  Drudi  auf  bie  Kinber  ift  auf 
bem  £anbe  befonbers  besl^Ib  grog,  iDeil  fie,  iDie  iDir  fallen,  meift 
aud)  als  Crmad^fene  mit  il)m  im  ungeteilten  Befit)  bleiben,  -  falls 
nid)t  etiDa  ber  niir  gegen  il)n  als  |d)Ied)ten  IDirt  ein|d)reitet  ober  bas 
£anb  neu  oerteilt.  flugerbem  ftü^t  ftc^  bie  faktifc^e  f}errid)aft  bes 
Daters  auf  bie  birekt  religiös  gefärbte  <Ef}rfurd)t  ber  3ugenb  Dor  bem 
Alter.  IDie  bei  mand^en  naturoölkern  toirb  bei  ben  Bauern  jeber 
altere  ITlann  Don  bem  jüngeren  als  „Dater "  ober  „(DnkeV*  be^exiinei 
-  oI)ne  bog  man  jebod)  baraus,  tro^  ber  {crueOen  Untugenben  ber 
bauerlid)en  Kreife,  ettoa  auf  ur)prünglid)e  .»KoUektioe^en"  |d)Iiegen 
bürfte!   - 

So  oerfc^ieben  roic  ber  red)tlid|e  Rai^men,  in  bem  fi(^  bas  Sa» 
milien-  unb  <El)e«£eben  ber  Derid}iebenen  Sc^id^ten  bes  ru|fi[d)en  Dolkes 
beiDegt,  |o  oerfc^ieben  ift  offenbar  auc^  bie  f  a  k  t  i  |  d)  e  £age  ber 
(EI)efrauen  ber  oerfd^iebenen  Sd}id)ten.  3n  ben  geiftig  l)öd)ft  ent> 
iDidielten  Kreifen  ber  3nteIIigen3  t^at  fid),  namentlid)  burd)  bas  ge* 
meinfame  IDirken  für  politifd^e  unb  to3iale  Smedte,  eine  ibealifti[d)e 
Kamerabid)aft  3tDi|d)en  ben  (Befc^Ied^tern  enttoidtelt,  n)ie  [xe  kaum  bie 
flngel[ad}[en,  gefd^toeige  benn  bie  anbren  Kulturnationen  kennen,  unb 
es  beftel)t  aud)  in  ber  oon  biefen  Hn[d)auungen  oielfac^  beeinfluf$ten 
Red)tfpred)ung  bie  ([enben3,  bas  ber  (Ehefrau  an  [xd^  günftige  Red^t 
bts  S\wob  Sakonom  berart  3u  interpretieren,  bog  il^re  Selbftänbigkeit 
bem  manne  gegenüber  möglid)ft  geförbert  oirb*). 

•  neueftens  mirkt  aud)  bas  pagrcgiement  baju  mit.  S^üffcr  tx\)\t\\ 
bie  S^au  einen  Keiiepag  nur  nad)  einget)oIter  (Erlaubnis  tt^res  niannes.  3e 
nad)  ben  ^Um|tön6en''   |aff  bie  pagbel^örbe  im  (Einjelfall  6aoon  ab.    3ei^t 


360    (E^eauffaffung  unö  (E^ered)t  im  Seitalter  öes  Rationalismus  k. 

Bei  öen  ,,inuf(^ilts"  bagegen,  tDeId)e  öie  5^^uen  als  niebrige,}um 
£eiöen   geborene  IDefen  betrachten,  befolgt  ber  mann  btn  yotM 
Sa^  bes  DoIlisfprid|rDorts :    „Ciebe  beine  $xavi  mit  beine  Seele  unö 
.ftlopfe  fieroie  beinenpel3",  geroiffenljafter  als  ben  erjten. 
tnigl^anblungen  iDaren,  -  mk  bie  Aussüge  aus  btn  Deri^anblungen 
ber  Bauerngeridjte  ergeben,  —  Anfang  ber  90er  3a^re  noc^  überol 
an  ber  dagesorbnung.    An  ein  geiDiffes  ITlag  baoon  finb  bie  S^^^^ 
\o  geiDÖ^nt,  bog  i^nen  felbft  bas  Sprid^roort :    „(Eines  guten  Satten 
Sd}(öge  fd)mer5en  nid)t  lange"  in  ben  ITIunb  gelegt  iDerben  konnte. 
Die  ibealiftifd)e  eti)ifd)e  Aufftlörungsarbeit  ber  Sosialreuolutionare  unb 
bas  BeiDugtfein  bes   auf   beiben  (5efd)Ied)tern   gemeinfam   laftenöen, 
furdjtbaren  Dru&s,  u)eld|es  pe  erroeÄt  ^aben,  finb  feitbem  3rDeifcflos 
nic^t  fpurlos  an  ben  Bauern  oorübergegangen.    Aber  es  fallt  \d\vm 
5u  glauben,  bog  fie  bereits  bie  Spuren  ber  Vergangenheit  DeriDi{d|t 
^aben   foUten,   fo  erfdjütternb  bie   legten  3al)re  auf  bie  Seele  öes 
Bauern  getDirht  ^aben  muffen.    Die  e^elid)en  Be3iei)ungen  5n)if(^ 
mann  unb  5tau  roerben  offenbar  nod)  ftark  burc^  bie  p|i)(^i|(^e  Xlai^ 
iDirftung  ber  £eibeigen{d)aft  auf  bie  (Gemütsart  bes  mannes  beeht« 
flugt.    (Ein   (5ef(^Ied)t  bas   ia^rl}unbertelang  burc^   bie   Knute  „b^ 
Iel)rt*'  tDorben  ift,  Ijielt  biefe  „(Ersieljungsmet^obe"  auc^  im  5öinilien» 
hreife  für  unentbeljrlic^. 

Die  5wrd)tbarlieit  bes  5^auen}d)iÄ}aIs  in  ber  Bauernjdjaft  Ijaben 
fciner3eit  R.  (E|d)ed)off' s  Sfti33en,  allem  proteft  ber  Baucrnibeologen  3um 
(Ero^,  in  einbru&soollcr  Sdjonungslofiglieit  beleud)tct.  Das  mafj  oon 
(Qualen,  roeldjcs  bie  5^0"^»^  mand)mal  3U  erbulben  trotten,  roirb  moljl 
am  graufigftcn  burd)  bie  (Eatfadje  bcleudjtet,  bafe  nid)t  nur  bie  (Ermor« 
bung  bes  (bauen  Ijäufig  bie  ultima  ratio  ber  ru|fi|d)en  Bäuerin  roar,  - 
lonbern  ba^  bas  (Beridjt  meift  bie  Sdjulbige  freijprad),  roeil  es  über« 
3eugt  roar,  bog  feein  IDeib  ofjne  l)inlänglid)en  (Brunb  3U  bie|em  mittel 
greife.  Alles  bies  3eigt  u.  a.  aud)  roieöer  braftifd),  roie  irreleoant  ber 
ölionomi|d)e  ITu^roert  ber  5rau  —  ber  in  Ruglanb  nod)  ein  relatioes  mari« 
mum  ift  -  für  ifjre  falitifd)e  tage  bleibt,  folange  nid)t  bie  fittlidje  unb 
feelifd)e  Kultur  bie  brutalen  3»^fttnfete  bes  mannes  bänbigt.  Die 
Bauernfeongreffe  ber  legten  3al)re  3eigten  ben  mäd)tigen  5ortf(i^ritt, 
roeldje  unter  bem  (Einfluß  ber  fo3iaIreDoIutionären  3nteIIigen3  bie 
üorftellungen    bes    Bauern    burd)gemad)t    Ijaben.      IDas    iljnen   bie 

i(t  generell  oon  biejcm  (Erforöernis  flbjtanb  genommen  unb  Je  bie  fafttif(^e 
„S^eijügigheit"  ber  S^QW  begünftigt. 


K.  Die  engltfc^en  »Marricd  w<»nien'N  property  Acts«.       361 

nöc^fte  Sukunft  bringen  iDtrb,  ift  fraglic^.  Die  Befettigung  ber  3toiI« 
red)tUd)en  Be|d)rQnftungen  ber  Bauern,  bte  flbfc^affung  ber  Sonber« 
gerid)te  unb  bes  Sonberrec^ts,  bie  Ueberfül^rung  allen  Bobens ,  beffen 
Befi^er  es  iDÜnfc^en,  in  oolles  prioateigentum ,  bie  Sprengung  ber 
VXa&ii  bes  mir  unb  bie  Durc^fül^ruug  ber  occibentalen  S^^ili^no^t' 
faffung  ftrebt  bie  Regierung  an  unb  i)at  teila)ei|e,  burd)  „oorlöufige 
Sefe^c'',  btn  IDeg  ba3u  be|d)ritten.  (Es  ift  tDa^rfd)einIi(^,  ba^  ber  Der- 
3ii>eifelte  proteft  ber  So5iaIreooIutionöre  gegen  bie  Befeitigung  bes 
Kommunismus  fd)Iie6Iid)  erfolglos  oerl^allen  mirb. 

Unfere  Darftellung  ber,  aus  bemlTlittelalter  überkommenen,  Red)ts« 
läge  ber  e  n  g  I  i  |  (^  e  n  C^efrau  fc^Iog  mit  bem  f}inii>eis  auf  bie 
eigenartige  IDirkfamkeit  ber  Courts  ot  E<iuity.  in  meldten  bie  Red)ts« 

pflege  ein  (Drgan  gefd^affen  l^atte,  bas  -  btn  geltenben  (I>efe6en  5um 
tCro^  —  bie  f  i  1 1  ( i  (^  e  n  fln|d)auungen  einer  neuen  (Epod)e  5um 
nia^ftab  ber  öugeren  Besiel^ungen  ber  (Ehegatten  mad)en  konnte.  IDie 
iDir  fallen,  iDor  es  für  bie  5^ouen  möglich,  oor  biejer  3nftan3  einen 
(Eijeoertrag  3U  Id^Iiegen,  ber  i^nen  bie  Derfügungsrec^te  über  einen 
tCeil  il)res  Dermögens  ober  felbft  über  bas  gan3e  referoierte. 

Allein  bie  (Errid)tung  eines  ^ettlonR-nt  mar  |o  oDeitlöufig  unb 
koftfpielig,  bog  fc^on  aus  biefen  (brünben  nur  bie  befi^enben  Klaffen 
ftd)  feiner  bebienen  konnten.  Ueberbies  aber  burften  Summen  unter 
200  ^'  überl^aupt  nid^t  als  Sonbergut  ber  S^<^^  konftituiert  cd  erben. 
Das  (büterred)t  ber  (Eommon  Zaw  laftete  alfo  mit  ununterbrod^ener 
f}arte  auf  btn  Kreifen  ber  minber  bemittelten  unb  eriDerbstatigen 
5rauen,  inbem  es  i^re  kleinen  (Erfparniffe  unb  il)ren  Arbeitslol^n 
bem  nianne  3ufd)ob.  Rn  biefem,  bas  oerfeinerte  Red)tsgefül}l  oer* 
le^enben,  Punkte  fe^te  bcsl^alb  bie  Reformbecoegung  ein,  um  oentg* 
ftens  auf  bem  (bebiet  bes  Dermögensred^ts  mit  ben  Reften  bes  mittel- 
alters  3U  bred^en.  Die  Parlamentsreform  unb  bie  Srethanbelsgefe^« 
gebung  trotten  bie  ,, bürgerlichen"  Klaffen  pofitifd)  unb  ökonomtfd) 
befinitio  3ur  Ijcrrfdjaft  gebradjt :  biefelben  Klaffen,  in  benen  bie  low 
churrh-  unb  bie  Sekten  f)eimtfd)  toaren,  unb  coeld^c  bem  (Einfluf)  bes 
puritanifc^en  feruellen  Rigorismus  unb  bes  aufklärertjd)en  naturred)ts 
am  intenfioften  ausgefegt  gemelen  iDaren.  Da3u  kam,  bog  bas  moberne 
(Englanb  iwax  ein  fel)r  e^panfioer,  aber  kein  „militariitifdjer"  Staat  mel)r 
OHir.    Seit  (ErommelFs  3eit  galt  bie  ID  e  1}  r  p  f  I  i  d)  t  als  ftttUd)  oer* 


362     (E^eauffaffung  unö  (E^ered)t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  x. 

tDcrflid).  Das  l)eer  mat  Solö^eer.  Die  englifc^e  3ugenb  toar  nic^t  buidf 
öie  Kafeme  gegangen,   öer  Solbat  als   foId)er  f05ial  nic^t  geachtet 
Diefe    anttmilitarifti{d)e,  ^ier,  toie  überall  öer  5^^^  5U  (5ute  ftom* 
menbe  Atnto{pl)are  mar  in  btn  Kreifen  bes  (bamals)  naturgemäß  am 
5rie5en  interejfterten  „(Bcfdjäftslebens"  befonbers  ftarft.    Die  gonje 
Stimmung  ber  5^^i^^fibeIsepod}e  iDar  bem  (Blauben  an  bas  3iel  6es 
IDeltfriebens  unb  bie  3nterenen^armonie  aller  (Blieber  b^  Hlenidien« 
ge|d}Ied)ts  5ugetan.    tDilliam  (blabftone  iDar  ber  le^te  grogeDer* 
treter  bes  alten,   auf   tief  innerlid)   r  e  I  i  g  i  ö  f  e  n  Ueberseugungen 
ruljenben,  englifd|en  Ciberalismus.    Diefer  Ijeute,  roie  es  jc^eint,  im 
flbfterben  begriffene,  oon  gan3  |pe3ififd|  „naturre(^tlid|en"  3been  %t 
leitete  £iberalismus  feierte  in  btn  beiben  >Marricd  women's  propert)- 
acts«  einen  feiner  (Eriumplje. 

3m  3aljre  1 870  rourbe  oon  (Blabftone's  berühmtem  Ref onrnnini« 
fterium  bem  Parlament  ber  erfte  biefer  (befe^esoorfc^Iöge  Dorgelegt 
Die  (Einbringer  bes  (Entwurfs  begrünbeten  bie  Bill  mit  bem  tjinroeis 
auf  bie  tage  aller  erroerbstätigen  Stauen  unb  £o^narbeiterinnen,  bie 
fid)  bes  Dorteils  ber  Settlements  nid|t  bebienen  könnten  unb  bes^alb 
ber  Ausbeutung  nid)tsnu^tger  (El^emänner  ausgefegt  feien.  Sie  forberten 
bie  (Erl)ebung  besjenigen  Suftanbes  5um  (Befe^,  ber  o^nebies  Don  ben 

Equity  courts*^  -  entgegen  bem  (Eommon  laro  —  begünftigt  merbe. 
Hud)  bie  honferoatioen  (Begner  ber  Dorlage  erkannten  bie  Reform« 
bebürftigkeit  jener  „elenben"  unb  „fhanbalöfen"  Redjts3uftänbe  an, 
roollten  aber  „bie  S^^Q^  ^^^  3ioiIred)tnd)en  (Bleid^fteüung  ber  (Be« 
fd)Ied|ter"  nidjt  mit  ber  Befeitigung  ber  ben  5rauen  gefd^eljenen  real 
wron^^s^  oermif d)en.  3l)re  (Einroenbung  gegen  bie  (Einfül|rung  einer 
größeren  oermögensred)tIid)en  Selbftänbigfteit  ber  (Eljefrauen  finb  ttipifcb. 
IDir  finb  iljnen  aud)  bei  ber  Disftuffion  über  bas  gefe^Iidje  Do^b^ 
^altsgut  in  5ranftreid)  begegnet.  Sie  betonten,  ba^  bie  flufljebung 
ber  „3ntereffenibentität"  3rDifd)en  bm  (Batten  -  biefer  Bafis  unb 
(Eigenart  ber  „d)riftlid)en"  unb  namentUd)  ber  „nationaI»engIifd^n" 
(Elje  -  (Einljeit  unb  5neben  ber5amilie  3erftören  unb  eine  ^factitlou^-, 

>artificial''  unb  >unnatiiral  equality  3U)ifd)en  bm  (Batten  Ijerftellen 
BDÜrbe.  Ueberbies  fei  eine  berartige  (Bleidjljeit  für  b^n  englifdjen 
ITIann  ^humiliatini^'.  Die  Vertreter  ber  Dorlage  aber  Ijielten  il^ren 
tDiberfad)crn  entgegen,  ba^  biefe  Argumente  in  Hmeriha,  ido  bie 
Reform  nad)  ben  (Butad)ten  ber  bebeutenften  3uriften  nur  günjtige 
Refultate  er3ielt  Ijabe,  lebiglid)  einem  Cädjeln  begegnen  roürben,  unb 


K.  Die  englifc^en  *Marricd  womcn's  property  Acts*.       363 

fanben  bte  BeI)Quptung,  bog  6ie  (Einheit  ber  5<^^<(i^  oom  Rechte 
bes  mannes,  bie  5tau  tl)res  Befi^es  3U  berauben,  abl^tnge,  für  jeben 
Derf^eirateten  Kiann  be|d)amenb.  Der  (Beneralftaatsantoalt  (Soliritor 
c;tneral)  |einer(cits  erhiärte,  bafe  bie  $^^9^  ^^^  (Büterred)tsform  für 
i^n  nid)t  foiDO^I  eine  S^^uenfrage  ober  eine  $rage  ber  arbeitenben 
Stauen,  fonbern  eine  $rage  ber  <Be  red)tigkei  t  |ei:  „IDenn  R. 
auf  6runb  eines  (Beleges  oI)ne  B.s  (Einoilligung  i^m  |ein  (Eigentum 
fortnimmt  .  .  .  .  {0  ift  bas  Ungered^tigkeit." 

Das  (Be|e^  tourbe  angenommen  unb  trat  |d)on  1870  in  Kraft.  (Es 
erklart  nid)t  bas  gan3e,  tD0l)I  aber  id;: {entließe  tCeile  bes  Dermögens 
ber  Stau  als  il)r  Sonbergut :  Dor  allem  il)ren  flrbeitsoerbienft,  |otDie 
ge|d)öftlid)en,  Iiterari|(^en  ober  anbren  (Ertoerb  burd)  per|önlid)e  tCätig« 
keit,  Sparkaffeneinlagen  unb  IDertpapiere,  bie  auf  ben  Hamen  ber 
Stau  ge|tellt  iDerben.  S^^f^^^  ^^e  (Erwerbungen  burd)  (Erb|d)aft  obet 
Sc^nkung,  bie  btn  Betrag  oon  200  w  nid)t  überfteigen  unb  aI|o 
nad)  bem  geltenben  Red)t  nic^t  burd)  Settlements  ftc^er  geftellt  oerben 
konnten. 

3m  3a^re  1882,  unter  bem  smeiten  6Iabftone'|d)en  ItTinifterium, 
beburfte  es  bann,  nad^  ben  parlamentsbebatten  5U  fd)Iie6en,  kaum 
nod)  eines  Kampfes,  um  für  (Englanb,  3rlanb,  bie  englifd)|pred)enben 
Kolonien  unb  3nbien  bie  ooUe  Gütertrennung  burd)5ufül)ren.  Diefe 
3ii>eite,  1883  in  Kraft  tretenbe,  Akte  untergräbt  aber  aud)  bie  Be« 
beutung  ber  nod)  geltenben  patriarc^alifc^en  Beftanbteile  bes  eng« 
Hjd)en  (El^erec^ts  unb  rüdit  bies,  oon  allen  europäifd^en  Gelegen  am 
löngften  mittelalterlid)  gebliebene,  in  bie  Heilte  berjenigen  Redete, 
iDeId)e  ber  Perfönlic^keitsgeltung  ber  S^^u  praktifd)  ben  meiteften 
Spielraum  getDÖi^ren. 

Sie  ftellt  bie  englifd)e  (El^efrau  Detmögensted)tlid)  ebenfo 
felbftänbig  als  menn  fie  tVme  sole  iDöre  unb  ftreift  baburd)  aud) 
i^rer  l)anblungsfäl)igkeit  3tDar  nic^t  formell,  aber  bod)  faktifd),  faft 
alle  S^ff^In  ^^*  liiert  ber  S^^^^  ^^^*  ^^^^  i^  be3ug  auf  it)re  per* 
fönlid)e  Hed}tftellung  lieg  man  bie  get^eiligte  Ueberlieferung  bes 
(Common  £atD  |d)einbar  unangetaftet.  Dor  allem  lieg  man  bte  3benti' 
tötsfiktion  unb  bas  Prin3ip  ber  r«»\iTture  ber  Sorm  nad)  bejteljen, 
oba)oI)l  biefe  Säulen  bes  en9lifd)en  patTiard)alismus  neben  bem  neuen 
(Büterred)te,  toie  mir  |e^en  oerben,  kaum  met)r  als  eine  Sd)eineriiten3 
fül)ren  können.  Denn  bte  englifd^e  (El)efrau  kann  je^t  ebenfo  frei  n>ie 
bie  ru|fi|d)e  über  it)r  ge|amtes  beiDeglid^es  unb  unbeii>eglid)es  (but 


364    (E^eauffaffung  unö  (E^erec^t  im  Seitalter  öes  Rationaltsmus  x. 

oerfügen,  fie  beft^t  unö  oeriDaltet  es  felbftanbig.  Sie  fc^Iiegt  i^ 
Dertröge  felbftönbig  ab,  unö  alle  i^re  Dertröge  fmb  iDirftfam,  forneit 
ber  Umfang  i^res  Dennögens  für  bie  öaraus  entftanbenen  Derptli(^« 
tungen  auf3ukommen  oermag.  -  Aus  bem  OTafe  i^rer  oermögens- 
red)tlid)en  Selbftönbigfteit  folgt  bas  mag  i^rer  pro5egfa^tgkeit.  Sie 
bann  jebes  gerid}tlid)e  Derfai^ren  felbftanbig  einleiten,  fie  hann  blagen 
unb  oerblagt  toerben  unb  barf  i^rerfeits  foiDO^I  als  Klägerin  iDie  als 
Befilagte  aud)  o^ne  ben  Beiftanb  i^res  (Batten  auftreten.  3^re  pro3e|> 
ftoften  trägt  fie  felbft  unb  bie  proseggeroinnfte  fallen  i^r  3U.  Sie  fteljt 
aud)  für  bie  aus  ftrafbaren  l)anblungen  entftanbenen  Koften  mit  i^rem 
Sonbergut  ein.  3m  Straf pro5eg  gegen  bie  5tau  bann  fic^  jeboc^ 
bas  Red)t  bes  coverture  nod)  für  i^ren  BT  a  n  n  unbequem  geltenö 
mad}en.  £äb  5.  6.  ber  Straffiläger  nid}t  nur  bie  Stau  fonbern  aui^ 
i^n  Dor  (Berid)t,  fo  mug  ber  ITlann  biefer  £abung  folgen  unb,  faOs 
bie  Srau  ftein  eigenes  Dermögen  ^at,  feinerfeits  bie  i^r  auferlegte 
(Belbbuge  begleid}en.  Bei  dioilfilagen  ^aftet  ber  mann  bagegen  nur, 
foBoeit  Dermögen  ber  S^<^^  i^  \^^^^  ffänbe  gekommen  ift. 

3^r  eigenes  Dermögen  ^aftet  für  iljre  oore^elid|en  unb  e^eli^ 
Sd|ulben.  Dies  alles,  fofern  fie  eignes  Dermögen  befiftt 
unb  es  ineignerDerroaltung  ^atO-  4ine  feljr  d^araftterift- 
ifd)e  HadjiDirftung  bes  3bentitätsprin3ips  ift  es  nämlidj,  ba^  bie  (E!J^ 
frauen  nur  mit  unb  im  Umfang  iljres  Dermögens  (>in  rcspect  and 
to    the   extcnt   of   her    separate    property<),   nid)t    aber    mit     ilfltx 

Perfon  Derpflidjtungen  eingeljen  l(ann.  Können  besljalb  iljre  Sdjulöen 
nid)t  aus  iljrem  Dermögen  geöedit  toerben  unb  ent3iel)t  \ie  fid)  bem 
an  fie  ergangenen  3af)Iungsbefel)I,  fo  hann  e  aud)  Ijeute  nodj  nic^t 
toie  ber  englifd)e  Vfiann  unb  bk  ferne  sole  ^  in  b^n  Sollen,  bdo  Mes 
Ijeute  nod)  ftattljaft  ift,  in  Stoangsljaft  genommen  loerben,  unb  aud) 


'j  (Es  (tcl)t  6cr  Stau  ftci,  il)rcm  ITtannc  burdj  (Ef^eoertrag  6ic  Der» 
toaltung  il)res  Dermögens  3U  übertragen.  Sie  bügt  bann  mit  il^rer  f^anblungs« 
fa()i9keit  aud)  bie  SeIb|tDeranttDortIid)heit  für  il)re  f)anblungen  toieber  ein. 
Sie  kann  il\n  ferner  für  bie  Derroenbung  ber  (Einnaljmen  unb  Srüd)te  itjrcs 
Dermögens  nid)t  3ur  Derantroortung  3iel)en.  3^^  unberoeglidjes  <but 
kann  er  aber  aud)  bann  nur  mit  il)rer  Sujtimmung  belaften  ober  Deräugem. 
£ei()t  fie  il)m  (Belb  in  fein  (5efd)aft  ober  3um  perfönlid)en  6ebraud),  fo  roirö 
bics  gegenüber  btn  Gläubigern  bes  Hlannes  als  ein  Beftanbteil  feines  Der» 
mögcns  bel)anbelt,  bie  S^ou  bcljält  alfo  3rDar  ein  (5läubigerrcd)t,  im  Kon» 
hurs  aber  können  il)re  Sommerungen  erft  nad)  benjenigcn  ber  anbem  be» 
friebigt  roerben. 


K.  Die  englifd^en     Marricd  womcn's  property  Acts«.        365 

bte  Hrt  ber  Konkurserklärung  ift  mo6tfi5tert.  Sie  t|t  eben  nur  mit 
if)rem  „(Eigentum",  nid|t  aber  mit  iljrer  „perfon"  für  alle  il|re  fjanö- 
lungen  Deranttoortlid),  infofem  a\\o  aud)  nad)  englifd^em  Red)t  nod) 
md)t  als  DoIIe  Hed)tsper[önltd)keit  anerkannt.  Daraus  folgte  als  nod) 
unbequemere  Konfequen3  öes  (5e|e^es  für  il)re  (Blöubiger,  bag  bie  (Ef}e* 
frau  aud)  biejenigen  Derpflidjtungen  bie  fie  einging,  beoor  R^  eignes 
Dermögen  befaf),  aus  bem  il)r  fpöter  5ufallenben  nid)t  3U  begleid)en 
braud)te,  roeil  fie  3ur  i5eit  ber  (Ent{tel)ung  ber  Sd)utben  nod)  nid^t  3U 
il)rer  toirkfamen  (Eingef^ung  imftanbe  mar.  Dagegen  l^aftete  |ie  immer 
für  tl)re  Dorel^elidien  Sd^ulbigen,  benn  biefe  [}at  |ie  in  tl^rer  <Eigen- 
td)aft  als  tVmc  soic  gemad)t,  unb  als  unDerl)eiratet  roar  fie  auc^  per« 
fönlid)  oerantroortlid).  flnberjeits  Ijaftete  il)r  nadf  Cöjung  ber  (Efje 
erroorbenes  Dermögen  nid)t  für  il)re  roäljrenb  ber  (Efje  gemad)ten 
Sd|ulben,  -  nad)  bem  gleid^en  Prin3ip.  Diejen  Unter[d}eibungen 
tDenigftens  l)at  bie  britte  Marrud  Womens  Property  Ad  (1893)  ein 
(Enbe  gemad)t.  Der  3eitpunkt  bes  (Eroerbes  bes  Dermögens  unb  bes 
(Eingel|en  ber  Derpflidjtung  ift  (eitbem  irreleoant 

IDirkt  tro^bem  bie  Hufred)terf)altung  ber  3bentitötsfiktion  Dritten 
gegenüber  nod)  als  ungered)tfcrtigter  Sd)uft  ber  5^öw»  fo  ^ann  (ie 
anbrerfeits  für  {ie  {elb{t  eine  Be[d)rankung  ber  f}anblungsfä[}igkeit 
gegenüber  iljrem  (Batten  bcbeuten.  Denn  Dom  formal  juriftifdjen  Stanb* 
punkt  aus  muf)  aus  ber  Unfäl}igkeit  ber  5^^^»  ftd)  mit  il}rer  perfon 
3U  binben,  gan3  3n)eifellos  folgen ,  ba^  [w  ftd}  nid)t  red)tlid}  mirkfam 
3u  anbren  als  ocrmögensroerten  Dienftleiftungen  Derpflid)ten  kann. 
Das  (Befet)  iprid)t  3tDar  eine  berartige  Be|d)rankung  if)rer  f}anblungs« 
fal)igkeit  nid}t  aus,  allein  ausbrüdilid)  fe|tge[tellt  i{t  nur  if}re  p  r  o< 
5  e  6  fäl)igkeit  als  irusiin   unb  flbminiftratorin. 

IDeniger  ein[d)neibenb,  aber  bod)  ebenfalls  djarakteriftifd)  für 
bie  Sdjeu,  ber  S^^u  oolle  Sclbftänbigkeit  3U3ugeftel)en  ift  ber  5o^*' 
beftanb  einer  Derorbnung  aus  bem  3al)re  1803,  toeldje  -  toenig 
fd)meid)ell}aft  —  ber  tcMnc  <  <nrrit  3ufammen  mit  Kinbern  unb 
(Beiftesfd)tDad)en  verböte,  Beträge  unter  500  i'  für  Kird)enbauten 
3U  oermad)en !  Offenbar  follte  biefe  jeltfame  Dorfdjrift  mittclbegüterte 
5rauen  im  3ntereffe  il^rer  5ö^il><^  '>or  all3ugrof5er  5reigcbigkeit  für 
kird)lid)e  ^roedie  jdjül^en.  Dagegen  tourbe  ber  reid)en  5i^«w.  bie  meljr 
als  500  J"  ftiftete,  keine  Befd)rönkung  auferlegt.  (Eine  Binbung  il)rer 
oermögensred)tlid)en  Derfügungsfreil)eit  in  il)rem  eigenen  3ntereffe 
bebeutet  es,  bog  burd)  ben  nur  für  5^Quengut  3uläffigen     rcstraint 


366    (E^eauffaffung  unö  (E^erec^t  im  3eitalter  bes  Rationalisrmts  k. 

of  anticipation«  (oben  S.  258)  aud)  je^t  noc^  i^r  unbetDegIid)es  (bni 
gegen  Deräufeerung  oöer  Belaftung  gefidfert  roeröen  feann. 

(Ein  offenbar  ungered|tfertigter  Reft  5er  alt-patriard>alen  (E^eform 
ift  es  anörerfeits,  öafe  tro§  (Bütertrennung  öie  Pflid|t  3ur  Bcfc^offung 
bes  ftanbesgemögen  Unterhalts  red}tli(^  nod)  a  1 1  e  t  n  auf  öen  Sd^ultem 
öes  IlTannes  Hegt  unö  aud)  öie  oermögenöe  5tau  i^ren  Unterl^altungS' 
anfprud)  gegen  iljn  einklagen  bann.  flUeröings  roirö  pe  3ur  B^ 
ftreitung  öer  (E^elaften  baöurd)  ^erange5ogen,  bag  fte  bie  Unter^ts* 
pf(td)t  gegenüber  i[}ren  Kinbern  unö  (Enbeln  mit  bem  (Batten  teilt 
3[}m  felbft  ift  fie  öagegen,  falls  er  erwerbsunfähig  ober  oermögenslos 
iDirb,  nur  ,,notöürftigen",  aber  nid)t  „ftanbesgemägen"  Unter^ 
fd)ulöig,  unb  öas  i{t  nac^  unferem  fittlid)en  (Empfinben  entfd)teben 
unbillig. 

Aus  ber  Unter^altspflid)t  öes  RTannes  unb  ber  Pflicht  ber  Stau 
3ur  5ü^tung  bes  fjausroefens  roirö  aud)  jeftt  noc^  eine  Art  ^Sd)IüjfeI« 
geroalt"  öer  fjausfrau  abgeleitet,  b.  Ij.  ber  Hlann  Ijaftet  für  biejenigen 
Derpflid)tungen,  roeldie  öie  5^öu  als  feine  Dertreterin  ober  Beauf« 
tragte  im  3ntereffe  bes  gemeinfamen  f}ausl)altes  eingeigt.  Au(^  Sd^ulben, 
tDeId)e  öie  unfd)ulöige  5tau  nadi  ([rennung  ber  (E^e  3ur  Beftreitung  t^res 
£ebensunterl)alts  mad|t,  fallen  bem  ITlanne  3ur  £aft.  Der  oerfd)iDenberi» 
fd)en  Stau  kann  ber  ITlann  öiefen  Kreöit  öurd)  öffentlidje  (Erklärung  tnt* 
3ieljen.  Bei  öer  Beratung  öer  M.  W.  P.  A.  oom  3al)re  1882  tauchte  öer 
Antrag  auf  flbfdjaffung  öer  Sdjlüffelgeroalt  unb  (Einfüi^rung  einer  g^ 
meinfamen  f}aftung  öer  (Balten  für  alle  ^aus[}altungs{d)ulben  auf.  Die 
Regierung  lehnte  tl}n  ab  mit  bem  f}inn)eis  auf  öie  baraus  für  öie 
(Bläubiger  ent|teljenöen,  jd)rDierigen  Komplikationen.  3^benfaIIs  toäre 
es  billig,  bei  Hufred)ter^altung  öer  $d)lüffelgeu)alt  öie  S^^^  3^  oer» 
pflid)ten,  aud)  il)rerieits  3U  öen  ^ausljaltungskoften  einen  beftimmten 
(Teil  iljrer  (Einnaljme  bei3utragen.  - 

Da  öer  patriarc^alismus  fic^  im  Prin3ip  nur  aus  ber  (Eigen« 
tums|p!)äre  öer  5^^^  3urüdige3ogen  !)at,  ijt  auif  öie  getDoljnt^eits 
red)tlid)e  (Bef)orJamspflid)t  öes  (Eommon  Coro  nid)t  abgefd^afft,  fie  ijt 
aber  aud)  nirgenös  ausörüdilid)  in  paragrapljen  feftgebannt,  unö  öie 
Sitte  konnte  öesf)alb  il)re  Red)tsDerbinöIid)keit  längft  in  Dcrgeffen» 
!)eit  geraten  laffen.  3eöenfaIIs  bekämpft  aud)  öas  (Befe^  jebe  ^Ijanö« 
greiflid)e"  Befjauptung  ber  männlid)en  Autorität,  inöem  es  ber  5^^" 
öas  Red)t  gibt,  roegen  cruclty  auf  (Trennung  öer  (E!)e  oon  ([i|c^ 
unö  Bett  unö  Beftrafung  öes  Rlannes  3U  klagen.     3m  3^^!^^  18^ 


K.  Die  englifc^en  >Married  womcn's  property  Acts«.        367 

tft  audi  ein  fpe5ifif(^  mittelaUerltc^er  Reft:  6te  Derl^öngung  6er  fjaft 
3ur  €r5tDtngung  6er  fjerfteQung  6er  el^elic^en  (Bemetnfc^aft,  befetttgt 
iDor6en. 

3m  Rec^tsoerl^altnts  3tDi{(^en  (Eltern  un6  Kin6em  bel^auptete  6as 
alte  (El)ere(^t  im  toefentlic^en  bis  1886  feine  Pofitton:  6ie  über  6ie 
Bestimmung  6er  Armengefe^e  un6  6es  Kriminalrec^ts  l)inausgel)en6e 
6trekte  gefe^Iic^e  Pflicht,  6ie  ^Kin6er  feiner  Srau",  (au(^  6te  unel^e« 
liefen)  3U  unterl^aUen,  6attert  in  (Eng(an6  aus  6em  19.  3al)rl)un6ert, 
Dabei  bleiben  Söl^ne  bis  3um  21.  3al)re,  (Eöc^ter  bis  3ur  (El^e  unter 
feiner  (Bemalt.  (Er  l^at  nic^t  6ie  Pflicht,  aber  6as  Rec^t,  über  il)re 
Cr3iel)ung,  insbefon6ere  il)re  religiöfe  €r3iel)ung,  nac^  Belieben  3U 
oerfügen.  Hur  fel^r  fc^toere  Derfef}(ungen  geben  6en  (Berichten  Anlag, 
6iefe  Rechte  als  ^DertDirkf  un6  6en  Dater  als  ^1106110(1"  an3ufef)en. 
(Erft  6ie  neuefte  Seit  ftellt  6as  3nteref{e  6es  Kin6es  aQen  CrtDÖgungen 
Doran  un6  6iefe  (Befe^gebung  kommt  auc^  6er  Stellung  6er  ITIutter 
3U  (Bute.  Bis  1873  beftan6en  6ie  alle  ITIutterrec^te  ausf(^(iegen6en  Be« 
fugniffe6er  „DÖterlic^en  (Bemalt "  fort,  un6  il^re  graufamen  Konfequen3en 
bei  6er  (E^ef(^ei6ung  tDur6en  nur  buxdi  6ie  richterliche  pra^fis  6er 
K<|uity  C'ouris,  ftreng  genommen  gegen  6as  (Befe^,  nidjt  aber  6urc^ 
eine  prin3ipteQe  Umgeftaltung  6er  (Befe^e  gemi(6ert.  (Erft  eine  Akte  oon 
1873  ermächtigte  6ie  Chancery  Court  aus6rücblici),  nac^  6er  bisherigen 
Praris  3U  oerfa^ren.  €tn  erfter  gefe^geberifc^er  5ortfc^ritt  tDur6e  1886 
erreicht  Seit  6er  (iuardianship  ot  int'ants  Act-  6iefes  3al)res  geljt 
6ie  elterlidje  (Bemalt  (p:iianlianshi|)),  mie  in  Srankreic^ ,  menigftens 
nac^  6em  ([o6e  6es  Daters  auf  6ie  ITIutter  über.  Auc^  kann  fie  6urc^ 
(Eeftament  6em  Dater,  ebenfo  mie  er  if}r,  teftamentarifc^  einen  Dor* 
mun6  beior6nen,  mas  gegen  6en  überleben6en  Dater  6ann  mirkfam 
iDir6,  menn  6as  (Bericht  anerkennt,  6ag  6as  IDol)I  6er  Kin6er  es 
erf^ifc^t.  Die  (ustody  of  chiMnn  Act'  Don  1891  gab  a(s6ann  6er 
Bel)ör6e  6as  Reci)t,  im  S<^^  graufamer  Bel^anölung  6er  Ktn6er  fie 
6en  (Eltern  überf)aupt  ab3unel)men  un6  bei  Dritten  unter3ubnngen, 
un6  6ie  'l'nvi-ntion  «>!  cniclties  tr>  chiMnn  Act  Don  1894  nal)m 
€Item,  6ie  il)r  Kin6  „oerlaffen"  (aban<l<»nc(l)  l)aben,  6as  Redjt,  es 
6enienigen,  melcije  fic^  ftatt  if)rer  feiner  (Er3ief)ung  getDi6met  l)aben, 
oljne  Koftenerfaft  mieöer  ab3ufor6ern;  audj  gilt  6er  alundnninj^ 
pannt'  als  folc^er  für  unrittr<l.  Das  gleicije  (Befet)  un6  6ie  Infant 
Lite  pmiirtiini  A(  t  oon  1897  regulierten  als6ann  6ie  Pflichten  be« 
Sü^Iter  Pflegeeltern. 


368    (Et)eauffaf{ung  unb  (Et)ere(^t  im  3ettalter  bes  Rationalismus  x. 

3n  bcm  feit  ber  Intestatc  Estates  Act  von  1890  gcltenben 
reformierten  (Erb rec^t  ift  ber  mann  nac^  mte  Dor  beoorsugt  Beiöe 
(Batten  bep^en  (Ee|tierfreilieit.  Sinb  aber  lieine  Derfügungen  getroffen, 
{o  bet^ölt  ber  Dater  bas  gan3e  b  e  m  e  g  I  i  (^  e  Dermögen  ber  oer* 
ftorbenen  Stau  unb  bleibt  aufterbem  aud)  je^t  noc^  »tcnant  by  the 
courtesy  of  England«  bes  Unben)eglid)en  (ogl.  3.  Kapitel S.  254). 
Die  Kinber  ertjalten  aI{o  3U  {einen  lebßeiten  nichts  Dom  llTuttergut 
Die  IDittoe  bagegen  erbt  nur  Vs  bes  bemeglic^en  (Buts  unb  be3ie^t  Vi 
ber  Rente  bes  (5runbbefi^es,  bas  übrige  fallt  bzn  Kinbem  3U.  Seit 
bem  genannten  (5e{e^  I)at ,  mangels  (Eeftament  bes  RTannes,  bei  un* 
beerbter  (Elfe  bie  XDitroe  flnjpruc^  auf  minbejtens  500  ^*  unb  aI|o 
XDtnn  bie  (Erb|djaft  nic^t  meljr  als  500  j^  Rettoroert  befi^t,  auf  bie 
gan3e  (Erbfc^aft. 

Dabei  i{t  nid)t  3U  Dergeffen,  bog  bas,  aQe  {fingeren  6efc^iDifter 
3u  (Bunften  bes  ölteften  S  0 1)  n  e  s  ausfc^Hegenbe,  (Erbrecht  am  (Knmb 
unb  Boben,  unb  bie  entfprec^enbe  (Erbfttte  bei  btn  mel^r  als  bie 
tjälfte  bes  Canbes  umfaffenben  5^^^^^ommifjen  bes  Abels  als  Rejte  bes 
5eubalismus  unb  fjorte  ber  arifto^ratifc^en  (Erabitionen  (Englanbs 
inmitten  feiner  bürgerlichen  Kultur  fortbejtelien. 

Die  Red)tslage  ber  unelje liefen  RTutter  unb  ilfrer  Kinber  nrnr  Ks 
an  bk  Sd)tDeIIe  ber  (Begentoart  roefentlid)  unter  bem  (Befidjtspunkt 
ber  H  r  m  e  n  geje^gebung  beljanbelt  toorben,  bie  fid)  feit  (Elifabetbs 
3eit  mit  ber  Srage,  roie  ben  Hrmenoerbänben  bie  Koften  iljrer  Auf« 
3ud}t  5u  erftatten  feien,  befaßte.  Die  Umbilbung  biefes  3uftanbes 
burd)  bie  moberne  (Befe^gebung  toar  keine  prin3ipielle.  Die  Akte  oon 
1872  unb  1873  gaben  ber  unel)elid)en  RTutter  bas  Red)t,  btn  angeb» 
lidjen  Dater  innerljalb  12  RIonaten  nat^  ber  (Beburt  Dor  bie  5riebens» 
ridjter  3U  3itieren,  roeldje  iljn  bei  Ijinlänglidjen  Betoeifen  3ur  Sab» 
lung  einer  Unterftü^ung  Don  nidjt  meljr  (!)  als  5  Sljilling  per  Wodft 
an  bas  Kinb  bis  3um  13.  3al}te  unb  (Erfa^  ber  (Beburtskoften  an 
bie  RTutter  oerur teilten.  Hudj  bie  parish,  ber  Hrmenoerbanb,  feamu 
falls  bas  Kinb  il)m  3ur  £aft  fällt,  ben  Dater  in  gleidjer  Hrt  in  flu» 
fprud)  neljmen.  Die  RTutter  Ijaftet  feit  1834  für  Alimentation  i^rer 
au6erel)elidjen  Kinber,  fie  Ijot  ferner,  audj  gegenüber  bem  une^lid^ 
Dater,  ftets  bas  Redjt,  „(bxxaxbxan"  il)rer  Kinber  3U  fein,  oorbeball» 
lid)  ber  Befugnis  ber  Hrmcnbcljörbe ,  bas  Kinb  beim  (Erreid^n  b« 
entfprcdjenben  Riters  in  bie  £el)re  3U  geben,  toenn  es  ber  parish  jw 
£aft  fällt,  unb  ferner  oorbeljaltlid)  ber  oben  ertoäljnten  Beftimmungen 


E.  Die  engUfc^cn   'Marricd  womcn's  property     Acts*.     369 

btx  Ciistody  o(  childrcn  unb  5cr  Prcvention  of  cruelties  to  childrcn 
Acts,  öic  audf  gegen  |ie  gelten.  -(Erb  xtdfilidi  ^aben  6ie  tbastards< 
au(^  je^t  toeöer  Dater  nodi  ITIutter. 

mit  öiefer  fjerabörüdiung  6er  augere^elic^en  Besie^ungen,  fomof^I 
6erer  3tDi{(^en  (Eltern  un6  Kinb,  mie  öerjenigen  6er  (Eltern  3U  einan« 
öer,  auf  6as  nioeau  5er  Armenunterftii^ungsfragen  kontraftiert  er« 
ftaunlic^  genug  6ie  aus  6em  mitte(aIterIt(^'kanoni{d;en  Derlöbnis* 
red)t  überkommene  l^ol^e  (Einfc^ö^ung  5es  «(E^eDerfprec^ens". 

(Es  ift  bekannt,  meieren  ^Unannef^mUc^keiten"  fi(^  in  €nglanö,  un6 
erft  re(^t  in  Amerika,  ein  ITIann  ausfegt,  6er  toeltunerfa^ren  genug  ift, 
eine  fjanblung  3U  begef^en,  6ie  als  €f}eDer{pre(^en  Don  6en,  in  6ie{er 
fjinfid)t  oft  äugerft  rigorofen,  (Berid)ten  ge6eutet  tDer6en  kann,  un6 
tDe(d)e  (Usancen  eine  Klage  toegen  »breach  of  promise<  6er  unbefc^ol- 
ttntn  5^ou  bietet,  6ie  klug  genug  mar,  it)r  Derl)a(ten  {0  ein3uri(^ten, 
5ag  ein  (Ef^eDerfprec^en  6es  ITIannes  6araus  5e6u3iert  tDer6en  kann. 
Die  l^o^en  (Entfc^öbigungen ,  toelc^e  if}r  als6ann  3uge{pro(^en  3U  tDer6en 
pflegen,  —  6er  £iebt)aber  erl^ölt  im  umgekef^rten  S^^  regelmäßig  nur 
^1  5ört^ing"  3uerkannt,  -  roäre  nodf  erfreulicher,  ©enn  fie  eben  nit^t, 
iDie  t)eute,  als  Prämien  für  Dorfi(^t  unb  K(ugf)eit  bei  £iebf(^aften 
iDirkte,  {onbern  toenn  eine  entfprec^enbe  fittlic^e  Auffaffung  ber  un* 
ef)eli(^en  ITI  u  1 1  e  r  unb  bem  unef)eli(^en  K  i  n  b  eine  entfprec^enb 
gfinftigere  Rechtslage  oerfc^affen  toürbe. 

Das  englifc^e  (El^efd^eibungsrec^t  mürbe  buxdj  bie  €^e« 
{d)eibungsakte  oon  1857  auf  eine  neue  Bafis  gefteüt.  Das  <5efe^ 
{d)uf  einerfeits  ein  toeltlid^es  (Ef}e|(^eibungs  g  e  r  i  (^  t  an  Stelle  ber 
bis  bat)in  allein  3uftanbigen  geiftlic^en  (Berid)te,  unb  f uferte  in  bas 
materielle  Hec^t,  gegen  6en  Ieiben{(^aftlid)en  IDiberftanb  ber  fjo(^kir(^e, 
bie  Sc^eibung  oom  Banbe  im  S<^^  bes  (El^ebruc^es  ein.  1860  tDurbe 
aQerbings,  um  bie  Sd)eibung  möglic^ft  3U  erfc^toeren,  oerfügt,  ba^ 
fie  in  erjter  3njtan3  ftets  in  (Be|talt  eines  fog.  „Dekrets  nisi*  erfolgen 
{oOe,  b.  l).  unter  Auf  jd}iebung  if)rer  IDirkung  auf  6  ITIonate.  lDal)renb 
biejer  3eit  jollte  „3«bermann**  beredjtigt  |ein,  3U  (Bunften  bes  Sort« 
beftanbes  ber  €f)e,  aI{o  gegen  bas  Sd)eibungsurtetl,  (Etn|prud)  3U  er« 
erl^eben.  Allein  bas  Prin3ip  ber  Sdjetbung  Dom  Banbe  felbft  im  S^^ 
bes  (El)ebrud)s  be{tanb  fort,  -  für  bie  anberen  bem  kanonifc^en  Redjt 
bekannten  (Brünbe  {tef)t  nur  bie  Sc^eibung  Don  ([i|d)  unb  Bett  3ur 
Derfugung.  3n  bem  materiellen  (Et)efd)eibungsred)t  f)at  \\di  aber  babei 
nod)  immer  ein  i}ö(^{t  brutaler  He{t  boppelter  ITIoral  erf^alten.     Sin- 

IPrbrr,  Cbffran  an^  muttrr.  24 


370    (Et)eauffaffung  unb  (El^erec^t  im  3eitatier  5es  Rationalismus  k. 

fa(^e  Untreue  5es  IHannes  ift  allein  Itein  Sc^eibungsgrunb  für  öte 
5tau,  fonbern  nur  in  Derbinbung  mit  <5rau{amfceit,  Bigamie,  Hot» 
3U(^t,  3n3est,  unnatürlichen  £aftern  ober  böslicher  Derlaffung  {eit 
minbeftens  2  3al}t«n-  -  flnbrerfeits  beji^t  feit  einiger  3eit  bie  Jrau 
bas  prahtifc^  roic^tige  Prioileg,  bei  (Erunltfuc^t  bes  niannes  ober 
falls  er  [it  migl^anbelt,  burc^  ein  fummarifc^es  unb  billiges  Oerfa^ren 
Dom  Be5irltsri(^ter  unDer3ügI{(^  eine  ([rennung  Don  (Eifc^  unb  Bett 
5U  ercDtr^en ,  roöl^renb  ber  ITIann  im  entfprec^enben  5^^  nur  ben 
fel)r  langwierigen  unb  Itoftfpieligen  Sc^eibungsproßeg  anftrengen  bann. 
Dies  berut)t  offenbar  auf  ber,  im  gansen  3utreff enben,  Dorausfe^ung,  ba| 
ber  pl)i)fif(^  ftör^ere  IHann  immer  mittel  finbe,  um  fic^  oor  ITlig^anb' 
(ung  unb  fein  Portemonnaie  oor  ber  (Erun^fuc^t  ber  S^^^  3^  fc^ü^en. 
(Eine  wichtige  —  unb  entfc^ieben  unbillige  -  Benachteiligung  bes 
niannes  ergibt  fic^  baraus,  bog,  als  Konfequen3  feiner  einfeitigen 
Untert)altspfli(^t,  nad)  S(^eibung  ber  (EI)e  nur  er  bie  unfc^ulbige  Stoii 
„ftanbesgemäg"  3U  erl^alten  I)at  unb  3tDar  gan5  gleich,  toieDiel  Der- 
mögen  fie  felbft  befi^t,  toöl^renb  bagegen  ber  unfc^ulbig  gefd)iebene 
mann  3tDar  für  bie  Kinber,  nid)t  aber  für  ftc^  felbft  Anfpruc^  auf 
ftanbesgemagen  Untert^alt  t)at.  Be3ügli(^  ber  Kinber  l^at  bos  (Beriet 
fd)ranhenIofe  DoIImat^t  ber  Derfügung.  (Es  pflegt  in  erfter  £inie  öos 
3ntercffe  bes  Kinbes,  in  3tDeitcr  bas  bes  unfdjulbigen  (Eeils  3u  b^ 
rücfeftd^tigen,  baneben  aber  aud)  bie  trabitionelle  Rec^tsfteüung  bes 
Daters.  Der  fd)ulöigen  mutter  toirb  kein  unbebingtes  Ret^t  auf  Der« 
hel)r  mit  iljren  Kinöern  3ugeftanben,  bem  fc^ulbigen  Dater  bagegen 
bleiben  alle  mit  ber  >custody<  ber  mutter  oereinbaren  Daterred)te 
getoaljrt.  -  Das  feit  1859  gefe^Iit^  befteljenbe  Redjt  ber  (Beridjte, 
unbillige  (EljeDerträge  um3ufto6en,  toirb  natürlich  bei  S(^eibungen  b^ 
fonbers  oft  prahtifdj.  - 

Das  moberne  englifdje  (Eljeredjt  ftellt  r«<^  clU  ein  gän3li(^  un« 
fi}ftematifd)es  (Bebilöe  bar.  Dem  juriftifd^en  (Bebanhen  ber  Reform« 
gefe^e  nadj  rooUte  man  ber  ^ ferne  covertc  nidjt  >purcly  and  simplv' 
bie  Stellung  ber  ferne  sole<  geben,  fonbern  3unädjft  nur  bas  Re<^t 
auf  (Eigentum  unb  bie  baöurdj  ©ermittelte  oermögensrec^tlid^ 
f)anblungsfäl)igheit  audj  auf  fie  ausbel)nen.  Damit  bröÄeln  nun 
aber  bie  forgfältig  honferoierten  Rechte  bes  mittelalterlid)en  patriard)« 
prin3ips  an  allen  (Ecfeen  unb  (Enben  ab,  unb  fie  Ijaben,  namentlich 
3ufoIge  ber  ridjterlidjen  Praxis,  in  (Englanö  als  Raljmen  bes  prob» 
tifc^en  Cebens  nic^t   oiel  meljr  Bebeutung  als  bie    Romantik  alter 


F.  Das  moöeme  ameriftanifc^e  €^ere(^t.  371 

Ruinen,  in  6ie  ein  neues,  mit  allem  moöernen  Komfort  ausgeftattetes 
IDo^n^aus  ^ineingebaut  moröen  i{t. 

F. 

Die  erften  englifc^en  Koloniften,  meiere  nadf  Amerika  sogen, 
um  unangefochten  i^res  (5(aubens  3U  (eben,  Ratten  bort  bie  (E^eorie 
ber  naturrec^tsle^re  3ur  (Eat  gemad)t  unb  auf  (Brunb  gegenfeitiger 
Derträge  <5emeinn)e{en  gegrünbet.  (Es  tjötte  banad^  fd^inen  können, 
als  ob  nac^  il^rer  Abfielt  fortan  axidj  auf  prioatrec^tUc^em  (Bebtet 
irgenb  ein  „llaturred^t''  bie  Besiel^ungen  ber  Bürger  regeln  foQe. 

3n  ber  (Eat  f^atte,  mie  |d)on  früher  ermöf^nt,  loenigftens  in  btn 
Don  töuferifc^en  (bapti{tifd)en,  quökerifc^en)  Siebtem  geftifteten  (Bemein* 
mefen  bie  3bee  bes  allgemeinen  prieftertums  Don  Anfang  an  Konfe« 
quensen  für  bie  Stellung  ber  5^ou-  3n  ben  übrigen  Kolonien  bagegen 
backte  niemanb  baran,  bie  aus  (Europa  überlieferten  Besief^ungen  ber 
(Bef(^Ied)ter  un5  if)r  Rec^t  einer  Reoifion  5U  untersief^n.  Rud)  nac^  ber 
Unabl^öngigkeitserklärung  önberte  fic^  baran  ntd)ts.  Der  erfte  Staat, 
n>eld)er  bie  ,,ITTenf(^enred)te''  in  {eine  Derfaffung  aufnal^m,  Dirginien, 
toar  -  ein  Sklaoenftaat.  IDie  bie  RegerfkloDerei ,  {0  naf^m  man 
Qudi  bie  Rbl^öngigkeit  ber  5^ou  als  gegebene  (Eatfac^e  f^in.  5ur  bas 
Derl^öltnis  ber  (Batten  blieben  einfad)  bie  (Befe^e  ber  alten  fjeimat 
maggebenb,  unb  bas  dommon  Zam  gebief)  auc^  in  biefem  gan3  onbers« 
artigen  ökonomifc^en  unb  politifc^en  ITIilieu^),  ja  es  bfigte  sunöd^ft 
nichts  Don  feiner  feubalen  Starrf)eit  ein,  tro^bem  f^ier,  mie  überaQ 
in  (Einmanberungsgebieten,  bie  S^^u  {otDot)(  als  Arbeitskraft,  mie 
aud)  als  (Battungsmefen  ^ol^en  Seltenl^eitsmert  l^atte,  unb  besl^lb 
in  jeber  Be3ief}ung  ein  meit  unentbel^rlid^erer  unb  gefd^ö^terer  Artikel 
iDor  als  in  irgenb  einem  Staate  ber  alten  IDelt.  Daburd)  gemann 
{ie  3unad)ft  nur  eine  f  a  k  t  i  f  (^  meit  freiere  {03iale  Stellung,  als  |ie 
in  ber  olten  fjeimat  befeffen  f)atte.  Don  ber  bebingstofen  red)tlid)en 
Unterorbnung  in  ber  (Ef}e  mürbe  fie  erft  oiel  fpäter  befreit.  3unad)ft 
beftimmten  !)ier  wie  in  (Englanb  öie  3bentitätsfiktion  unb  bie  (<»vtT- 
turc*  bie  Redjtlojigkeit  ber  5^öw  il)rem  (Batten  unb  iljre  Derant» 
iDortungsIofigkcit  Dritten  gegenüber.  (Ebenfo  unerbittlid)  mie  in  (Eng- 
lanb oernic^tetc  !)ier  öie  „Dötertic^e  (Bemalt''  bie  mütterliche  Red)ts« 

')  3n  btn  menigen  Don  S^anfireid)  un5  Spanien  be|ieöelten  Kolonien 
ftbermog  oneinjelt  5er  (Einflug  bti  in  jenen  £än5em  i)eimifct)en  Rect)tsfor* 
men.    So  gilt  in  £ouijiana  btx  (  oilc  civil. 

24  • 


372    (El^eauffaffung  unb  (E^erec^t  im  3eitalter  bes  Rationalismus  x. 

fpl)äre.  Rudi  bie  Auffaugung  il^rer  (Eigentumsfpt)are  burc^  bos  freie 
(Eigentum  bes  (Batten  an  allem  beweglichen  unb  feine  OenDoItung 
unb  nu^niegung  bes  unbetoeglic^en  Stauenguts  mar  t)ier  ebenfo  ooll« 
ftänbig.  3a  felbft  bie  Reliquien  einer  löngjt  oerfc^munbenen,  feubalen 
(Eigentumsorbnung  am  (5runb  unb  Boben :  bie  Husftattung  ber  IDitroe 
mit  ber  Doroer  unb  bie  lebenslänglichen  Rechte  b^  IHannes  am 
5tauengut  als  »tenant  by  the  courtesy  of  England  <,  bie  über^upt 
nur  als  tlieberfc^Iag  einer  ariftokratifc^en  Befi^oerteilung  finnooU 
toaren,  I^atten  btn  ®3ean  gekreu3t  unb  lebten  I)ier  tro^  ber  bem 
niutterlanbe  gerabe  entgegengefe^ten  Agraroerfaffung  bis  in  bas 
19.  3öl|rl}unbert.  Unb  nic^t  nur  bie  SMaoenftaaten  bes  Sübens,  Jon« 
btxn  andi  ber  Rorben,  melc^er  im  Ramen  ber  Rlenfc^enrec^te  B^ 
jeitigung  ber  SMaoerci  forberte,  oerljarrten  in  biefem  3uftanb. 

3mmerl}in  fe^te  bie  Reformbetoegung  in  einseinen  Staaten  — 
ber  Bunb  als  folc^er  be{i^t  für  bas  prioatrec^t  fceine  Kompetenz  - 
etcoa  30  3al}re  früljer  als  in  (Englanb  ein  unb  rourbe  für  bie|es  üor» 
bilblic^.  Sie  coar  burc^aus  unfi){tematifc^  unb  uneinl^eitlici),  in  no^ 
I)öf)erem  (5rabe  als  in  (Englanb,  unb  fuc^te,  ebenfo  mie  fpöter  bort, 
überall  sunöc^ft  nur  bie  füt)Ibarften  migftänbe  bes  el}eli<i)en  (B  üter* 
r  e  (^  t  s  abßufc^affen.  3n  einigen  Staaten  mürbe  sunöc^ft  bem  manne 
oerboten,  feine  perfönlid^en  Sd)ulben  aus  ben  (Einkünften  bes  Stauen« 
I  guts  3U  tilgen,  unb  ber  Stau  erlaubt,  bei  Derfügungen  über  bie  Sub» 
'  ftan3  il)res  Dermögens  mit3utDirken.  flnbre  aboptierten  eine  Art  oon 
(Büteroerbinbungsfpftem  als  (Büterrec^t.  Der  Staat  Rliffiffippi  -  ein 
Sklaoenftaat !  -  oerliel)  ber  5tau  am  früljeften  (1839)  bas  Rec^t, 
il)r  beroeglidjes  eingebrachtes  Dermögen  felbft  3U  oertoalten,  roäljrenö 
bem  RTanne  noc^  bie  Dertoaltung  unb  Ru^niefeung  ber  Immobilien 
überlaffen  rourbe.  Döllige  (Trennung  bes  (Eigentums  unb  ber  Der» 
toaltung  fotool)!  an  ben  unbetoeglic^en  roie  an  ben  betoeglic^en  (BiUem 
tDurbe  3uerft  im  Staate  RerD»I}ork  im  3öl|re  1860  eingefüljrt.  Seit« 
1  öem  Ijaben  39  Staaten  ^)  oöllige  (Gütertrennung  bes  gefamten  Der» 
mögens  öer  (Balten  burc^gefüljrt,  unb  aus  öer  felbftänbigen  Derfügungs* 
befugnis  ber  Jrau  über  iljr  Dermögen  folgt  Ijier,  roie  in  (Englanb,  il|re 

\)  Hur  8  (mcijt  |üörDcftlid)c  unb  bann  öurdj  öic  (Erabitionen  bes  fron« 
3öfifd)=(pani|d)cn  Rcd)ts  beeinflußte)  Staaten:  Hri3ona,  (Ealtfornia,  3ba!jo, 
Couijiana,  Rcoaba,  ncrD^mejiho,  (Ecjas,  tDajfjington,  I)aben  ftatt  be||en 
(Errungcnjdjaftsgcmcinfd)aft,  unb  Sloriba  unb  (Eenneffee  eine 
Hrt  von  (BütcrDcrbinbungsfpftcm  cingcfüljrt. 


F.  Das  moöeme  amerifcanifc^e  (E^erec^t  373 

faktifc^  fa{t  unbefc^rönftte  f}an6(ung$fäl)tgkett  Dritten  gegenüber. 
Da  aber  mel)rere  öiefer  Staaten,  3.  B. :  tlorö*  un5  Sfi5-Dakota, 
(Beorgta,  niontana,  norb-daroltna,  Oregon,  Dirgtnta,  ITItffouri,  ®k(a« 
fy>ma,  6te  IDtrkungen  6er  perfönltc^en  Unterorönung  6er  S^^^ 
auf  tt)re  €igentum$fp^are  ntc^t  aus6rfidi(t(^  abgefc^afft  I^aben,  {0 
tDtrb  feUfamertDetfe  ^ter  nodi  t)eute  aus  6em  Anfpruc^  6es  ÜTannes 
auf  tf}re  Dienftletftungen  6ie  Auffaffung  abgeleitet,  5ag  grabe  ber 
{elbftanbtge  Arbeitsoerbienft  nic^t  3U  it)rem  Sonbergut  gehöre, 
fonbem  in  bie  (Eafc^e  bes  ÜTannes  3U  fliegen  ^abe.  Die  Sonberung 
bts  eingebrachten  5^<^uenguts  fc^iebt  fic^  alfo  otelfac^  noc^  als  unor« 
gani{(^er  Beftanbteil  in  bas  Si){tem  bts  dommon  Zam,  unb  bie 
RtDaHtöt  alter  unb  neuer  Rec^tsformen  fc^afft  in  manchen  Staaten 
einen  {0  c^aotifc^en  Suftanb,  ba^  faft  jebe  gefe^gebenbe  Derfammlung  fid) 
mit  Derbef{erungst)orfd)(agen  für  bas  e^elid^e  <5fiterre(^t  befaßt.  Das 
feubale  Bobenerbrec^t  i{t  meift  befeitigt. 

3ufo(ge  bes  unfi){temati{(^en  Dorge^ens  ber  (befe^geber  ftnb 
auc^  l^ier,  mit  in  €nglanb,  manche  Regeln  fte^n  geblieben,  n>e(<^e, 
nad)  bem  Prin3ip  bes  dommon  £atD,  bie  5tau  oon  ber  Deranttoort« 
Ii<^fceit  für  i^re  fjanblungen  entlafteten,  meil  fie  re<^tli(^  l^anblungs« 
unfähig  mar,  bie  aber  bei  bem  je^igen  (büterrec^t  ben  dl)a* 
rakter  Don  gan3  unbilligen  S^^uenprioilegien  tragen.  So  ift  3.  B. 
in  btn  meiften  Staaten  ber  $xa\i  nod^  immer  keine  Unterl^alts- 
pflic^t  gegenüber  it)rem  ITIanne  auferlegt,  drft  oier  Staaten  (dali« 
fornien,  3bal)o,  RTontana,  Reoaba)  oerpflid^ten  fie  neuerbings,  btn 
burd)  Krankheit  erwerbsunfähig  geworbenen  (batten  ftanbesgemäg  3U 
ernähren.  Auc^  Don  ber  £eiftung  eines  Beitrags  3U  btn  fjausl^altungs' 
koften  ift  fie  nod)  in  31  Staaten  bispenfiert.  Dies  ift  auc^  Dritten 
gegenüber  ungerecht,  ba  bie  (blöubiger  bes  ITIannes,  bie  3um  Unter* 
^It  ber  5ontiIie  IDaren  geliefert  l^aben,  fic^  -  falls  er  3a^(ungs- 
unföf^tg  mirb  -  nic^t  an  bie  bemittelte  5^^^  toenben  können.  Als 
Aequioalent  bafür  t)aben  bis!)er  s  Dortoiegenb  toeftlic^e  Staaten 
(dolorabo,  3IHnois,  3oa)a,  ITIiffouri,  Rem-nieifiko ,  Oregon,  Utal), 
IDaf^ington)  3um  Sc^u^  ber  (Gläubiger  bie  gemeinfame  fjaftung  ber 
(bauen  für  bie  I)aus!)aItungs{d)uI5en  eingefüi}rt. 

IDie  gefagt,  ift  aud)  nirgenbs  bie  perfönlic^e  Unterorbnung  ber 
5rau  ausbrüdiU(^  abgefc^afft.  Do(^  kann  fie  fi(^  nadj  ber  (berid)tS' 
pra|[is  in  37  Staaten  nid)t  nur,  mie  in  (Englanb,  mit  ii}rem  (Eigentum, 
fonbem  auc^  mit  if^rer  Perfon  Dritten  gegenüber  felbftänbig,   alfo 


374    €^eauffaffung  unb  (El^erec^t  im  3eitalter  6es  Rationaltsmus  ]c. 

audi  3u  perjönlic^en  Dienftleiftungen,  oerpflic^ten.  tlur  5iDÖIf  Staaten 
—  3umeift  {übliche  früt)ere  SklaDenftaaten  —  i^ahtn  il)r  bies  Ktd^i 
Dorentt)aIten  unb  befc^rönlten  i^re  f}anblungsfä^igfceit  ausbrücUic^ 
burc^  bie  Beftimmung,  bag  fie  3U  allen  Rec^tsgefc^äften,  bie  nic^t  i^r 
Sonbergut  betreffen,  ber  Suftimmung  bes  <5atten  bebarf. 

Beltannt  ift  bie  groge  ntannigfaltiglteit  bes  ameriftani|d)en  Sc^ei* 
bungs  rechts,  neben  Staaten,  bie  auf  bem  Beben  bes  kanonifc^ 
Rechts  ftet)en,  nur  bag  |ie  menigftens  für  €I}ebru<^  bie  Sd^eibung 
Dom  Banbe  3ulaffen,  gibt  es  anbre,  meiere  ber  Sc^eibung  bei  (Einoer* 
ftönbnis  ber  (5atten  keinerlei  f}inbemis  in  btn  VOtq  legen :  namentlich 
SoutI)  Dakotal)  toar  als  3uflud)tsftätte  für  (E^ef<^eibungfud)enbe  b^ 
rül^mt.  (Gegenüber  ber  (a;en  Praxis  ber  meftlic^en  Staaten  mit  il^rer  flul« 
tuierenben  SumanberungsbeDÖIkerung  meieren  fi<^  bie  ®ft{taaten,  {0 
XitxD»X)oxkf  neuerbings  Dielfad)  burc^  bie  tlic^tanerfcennung  ber  bort 
Don3ogenen  S(^eibungen  it)rer  eigenen  Staatsangel^örigen.  €benfo 
beginnen  bie  religiöfen  Denominationen,  um  bem  fel^r  häufigen  IDe<!^feI 
ber  Konfeffions3uget)örigkeit  3ur  (Er3ielung  einer  yooexttn  kird)Ii(^ 
(Erauung  unb  bem  baraus  entftet)enben  „  Seelenfang "  3U  fteuem, 
neuerbings  Kartelle  3ur  Regelung  ber  Bebingungen,  unter  bemn  neue 
(Eljen  eingegangen  tocrben  bürfcn,  3U  f erliegen.  Allein  neben  ber 
Sügellofigkcit  ber  crjt  im  IDcrbcn  begriffenen,  t^albkuItiDierten  Iteu« 
jieblungsgebicte  im  IDejten,  toirb  bie  (Eliejc^cibung  andf  oon  großen 
Sc^ic^ten  ber,  in  iljren  flnjprüc^en  an  btn  innem  (Belialt  ber  (El)e  bc» 
jonbers  l)odj|tcl)cnben,  eingeborenen  Reuenglänber  (im  ffiegen» 
|a^  3U  ben  (EiniDanöerern)  relatio  l)äufig  Doll3ogen,  unb,  ©ie  öie 
amcrikani|d)e  Statijtik  ergibt,  jinb  in  btn  norbjtaaten  3U  meljr  als 
3TX)ci  Dritteln  -  in  ben  Süöjtaaten  nur  3ur  tjälfte  -  5^Quen,  öie 
Hntragjtellerinnen.  Das  Bejtreben,  bas  (El)ej(^eibungsre(^t  Don  Bun« 
bes  roegen  einljeitlid)  3U  orbnen,  jtöfet  auf  bie  Sdjranke  ber  Der» 
faffung,  toeldje  öie  Kompeten3  bes  Bunbcs  Ijierüber  nidjt  aner« 
kennt.   - 

Das  Derljältnis  ber  (Eltern  3U  ilfren  Kinbern  i|t  aud)  in  ber 
IlTel)r3al)I  ber  oereinigtcn  Staaten  ber  SdjlupftDinkel  bes  patriaidjalis- 
mus  geblieben.  Hber  in  jieben  Staaten  Ijaben  auc^  Ijier  neue  jittlidje 
3beale  über  bie  Dergangenljeit  gejiegt:  netD»I}ork,  Rebraska,  (Eolo* 
rabo,  Kanjas,  TTIaine,  pennjplDania  unb  Roblje  3slanb  ftellen  redjtlid} 
bie  TTIutter  neben  ben  Dater. 

lieber  ben  (Enbpunkt,    bem  biefe  Dorläufig  nodf  jeljr  nngleid)* 


Ant)ang.    Anöere  Koötfikattonen.  375 

magige  amenkantfc^e  (EnttDtdilung  3uftrebt:  6te  BefeiKgung  aller 
patrtor<^a(en  Refte  aus  6er  (El^e,  kann  bäum  ein  Smeifel  obmalten, 
-  es  fei  öenn,  öag  in  öem  allgemeinen  {03ialen  dt^arakter  5er  Der- 
einigten Staaten  mit  6em  Anmac^fen  bes  „Imperialismus"  un6  öer 
fo3ia(en  Serklüftung  ein  Um{(^n)ung  eintreten  follte,  öer,  oon  einsel« 
nen  erljofft,  oon  manchen  gefürdjtet,  oorerjt  jebenfalls  nur  in  öos 
(Bebiet  öer  3ukunftsmöglid)beiten  gel^ört.  — 

IDir  können  !)ier,  mo  keine  red)tst)erglei(^enöe  Darftellung  öes 
geltenöen  Rechts  beabftd^tigt  ift^»  nic^t  im  ein3elnen  auf  öie  übrigen 
moöernen  (Befe^gebungen  eingel^en,  obn)oI)(  fie  natürlich  an  fic^  eben* 
{o|e^r  öes  Stuöiums  toert  ftnö,  mie  öie  oorftef^enö  öargeftellten.  Sie 
jt^Iiefeen  [xdf  in  öen  romanijdjen  fänöern  an  öen  Code  civil 
an:  So,  neben  Belgien,  wo  er,  mit  moöernen  flenöerungen,  nod) 
^euteöirekt  gilt,  öie  (befe^büc^er  Spanien *s  unö  3ta(ien's.  Beiöe 
kennen  nod^  b^ute  keine  (El^efc^eiöung,  |onöem  nur  drennung  Don  difd) 
unö  Bett.  Als  öie  S^age  öes  -divorzio  in  3talien  im  £auf  öer  legten 
lalfxe  öiskutiert  unö  ein  entfpredjenöer  (Enttourf  oorgelegt  muröe,  maren 
es,  (^arakteri{tif(^ertDei[e  unö  im  augenfölligften  (begenfa^  gegen  flme> 
rika,  graöe  öie  breiteren  S(^id)ten  bürgerlid)er  Stauen,  n)eld)e,  im  äuge« 
meinen  menigftens,  am  lebf^afteften  öaöurd)  beunrul^igt  muröen.  Abge< 
jeljen  oon  iljrer  Beeinfluffung  öurt^  öen  Klerus  fal)en  \ie  in  öer  formell 
gefiederten  (Ef}e  mefentlid)  eine  (barantie  if^rer  „Derforgung"  unö  Der* 
3i(^teten  3U  gunften  öiejes  3ntereffes  auf  öie  l)ol)en  fln|prü(^e,  toeld^e 
öie  angel|ädjfij(^en  Jrauen  an  öen  inneren  (I)el)alt  öer  (Elje  ftellen. 
3m  übrigen  aber  t)at  fc^on  öer  in  öer  BIüte3eit  öes  bürgerlid)cn 
£iberalismus  gefdjaffene  italienifd^e  ('(xlicc  riviU-  oon  1865  (tjeute, 
feit  1883,  gilt  er  in  reoiöierter  Sorm)  öie  S^(^^  "ur  für  beftimmte 
Arten  oon  (be|d)äften  -  Deräugerung  unö  Belaftung  Don  (brunö- 
ftüAen,  Darlel)en,  Bürgjdjaft,  Abtretung  Don  Kapitalien,  Pro3e{^« 
füf^rung  -  gan3  allgemein,  aud)  für  ii}r  Sonöergut,  an  öie  (Bc- 
nef)migung  öes  Hlannes  gebunöen.  Diefe  kann  aber  eoentuell  ric^ter* 
lid)  ergän3t  roeröen  unö  ift,  im  (Begenla^  3um  C'»Mlr,  audi  in  S^rm 
einer  generellen  (Ermöd}tigung  öes  (Ei}emannes  3ugelaffen. 

Spanien  i}at,  ftatt  öes  fran3öfiid}cn  (Et)egüterred)ts,  als  gejet^* 
lidjes  Srjftem  öie  (Errungenfd)aftsgemein|djaft  mit   ftrenger  Unterorö- 

*)  (Eine  \old\t  bietet,  freilid)  für  (Europa  unDollftänötg,  3|t6or  £oeb  (f. 
feinten  unter  Citeratur). 


376    (Etieauffaffung  unb  (El^erec^t  im  3eitalter  bes  Rationaltsmus  x. 

nung  ber  Stau  unter  btn  ITIann  als  i^ren  Dertreter ,  innerhalb  mit 
auftertjalb  bcs  (Berichts.  Bei  ber  Dereinbarung  bes  Dotalre^ts, 
meiere  ber  Codigo  civil  suläftt,  bleibt  bie  S^öu  bcn  gleichen  B^ 
jc^ränliungen  u)ie  in  Italien  unterroorfen.  3talien^at,  entfprec^enö 
ber  I)tftorif(^en  (Enttoicblung,  bie  mir  kennen  lernten,  umgekehrt  bas 
Dotalrec^t  als  gefeilteres  Si)ftem  eingefül^rt  unb  bie  (Errungenjc^afts' 
gemeinjc^aft  als  Dertragsjrjftem  3ugelaffen.  Dabei  loirb  in  3talien  ber 
Umfang  ber  »dote«  beim  gefe^Iic^en  (büterftanbe  auf  bas  befc^ränkt, 
mas  in  bem  notariellen  (El^ekontrakt  ausbrücklic^  als  folc^e  beßeic^net 
ift,  unb  babei  ferner  feftgeftcHt,  bafe  bie  (Brunbftücke  ftets,  alle  anbren 
Dotalobjekte  aber  bann  (Eigentum  ber  5tau  bleiben,  toenn  im  Dotaber* 
trag  nic^t  eine  (Ea^e  it)res  IDertes  aufgenommen  mar.  Dotalobjekte  unb 
Dotalanfprüc^e  ber  Stau  finb  nur  im  (Einoerftänbnis  b  e  i  b  e  r  (E^e* 
gatten  mit  (benel^migung  bes  (beric^ts  bei  „nac^gemiefener  Hot* 
menbigkeit  ober  eoibenter  tlü^Iic^keit"  oeräugerlic^  ober  Derpfönbbar. 
IDas  nid)t  ausbrücfelic^  als  dotc  oerfc^rieben  ift,  insbe|onbere  afler 
(Ermcrb  ber  Sran,  bleibt  iljr  Sonbergut.  Seljr  lobensmerter  ÜJeife  ifl 
(Artikel  1399  flbf.  3),  nat^  Analogie  einer,  bei  Dereinbarung  bes 
Dotalrec^ts,  auc^  im  Code  civil  getroffenen  Beftimmung,  fpc3iell  oor» 
gejeljcn,  bog  bie  (Elfepakten  ber  Stau  einen  ftnfpruc^  auf  ein  be» 
ftimmtes  „(Eaf^engclb"  aus  ben  (Einkünften  ber  dotc  ausmerfen.  B^ 
iuqliii  bes  (Etiegattencrbrcc^ts  jinb  bie  Beftimmungen  bcs  italienij^en 
unb  jpanij^en  (Beje^bu^cs  öenen  bes  Code  in  feiner  Ijeutigcn 
(Bcftalt  ätinlid);  audj  Ijier  fällt  bie  (Erbportion  bei  Konkurrcn3  mit 
Kinbern  nur  in  ben  nie^brau^  bes  Überlebenben  (Batten. 

Be3üglidj  ber  uneljelidjen  Kinber  folgen  yDax  beibc  (Befe^büc^er 
bem  Code  in  ber  Unterfdjeibung  „anerkannter"  unb  nic^t  „anerkannter 
Kinber.  Die  nidjt  anerkannten  Kinber  l)aben  aber,  freiließ  nur  menn 
beftimmte  Arten  oon  Betoeismitteln  oorliegen,  bas  Rec^t  auf  Ali- 
mente auc^  gegen  bcn  D  a  t  e  r.  Die  anerkannten  t)aben  aufeerbem 
ein  (Erbrecht  (^^2  bes  (Erbrcdjts  ber  legitimen),  äljnlic^  mie  im  Code. 
Die  „Anerkennung"  er3mingen  kann  bas  Kinb  gegen  bie  RTutter 
immer,  gegen  ben  Dater  in  Italien  nac^  bem  (Bcfe^bu^  oon  1865  nur 
bei  (Entfüljrung  ober  Dergemaltigung  ber  TTIutter,  in  Spanien  bei  Dor« 
liegen  fdjriftlidjer  ober  burd)  beftimmte  Arten  bes  Derlfaltens  bokumen« 
tierter  Anerkennung.  Der  „anerkennenbe"  Dater  Ijat  in  3taHen  bie 
gcje^lidje  Dormunbfdjaft. 

Don  ben  germanijc^en  £änbern  Ifot  t)  o  1 1  a  n  b  nodj  1837 


Anl^ang.    Anöere  Kobtfikationen.  377 

in  feinem,  fonft  5em  Code  oielfac^  ö^nlic^en,  «Burgerlij^  tDetboek" 
ab  gefe^Iic^en  (Bfiterftanb  bie  allgemeine  (Bütergemeinfc^aft  einge- 
führt, unö  3tDar  mit  alleiniger,  nur  6ie  3mmobiIien  an  öte  Suftimmung 
5er  5^au  gebunbener,  DerfügungsgetoaU  6es  ITTannes  unö  ooQftom« 
mener  Unterorönung  6er  5^ou.  Sie  beöarf,  menn  fie  nic^t  oor  6em 
<E^ef(^Iu6  (Gütertrennung  oereinbart  f^at  ober  fjanöelsfrau  i{t,  5U 
allen  Rec^tsi^anölungen  männlichen  Beiftanös.  Be3üg(i(^  6er  unef^e« 
liefen  Kinöer  folgt  öas  (befe^buc^  im  IDefentlic^en  6en  Beftimmungen 
5es  c:ode  civil.  Dagegen  bennt  es  6ie  (Ef}e[(^ei6ung  bei  Cl^ebrud), 
böslid^er  Derlaffung,  entet)ren6er  Beftrafung  un6  geföl^rlic^er  körper« 
lieber  Derle^ung,  6aneben  aber  auc^  6te  Sc^eiöung  oon  ([i{(^  unö 
Bett,  foiDol^I  aus  6en  gefe^Iic^en  (Ef)ef(^ei6ungsgrün6en,  mie  auger« 
6em,  nadf  5n)eiiai}riger  (EI)e6auer,  auf  (brunb  gegenfeitiger  Ueberein« 
kunft,  nac^  Regelung  6er  Derl^altniffe,  meiere  6ie  3ntereffen  6er  Kin6er 
berüi}ren.  - 

Derlaffen  ©ir  6en  Kreis  6er  oom  C  o<k  beeinflußten  Rechte,  |o 
l)at  nortoegen  im  3a!)re  1888  6ie  allgemeine  (5ütergemeinf(^aft 
mit  freiem  Derroaltungsrec^t  6es  ITIannes,  auger  für  6ie  Deröugerung 
6er  Don  6er  5tau  ^errül^renben  Immobilien,  als  ge{e^Iid)es  6üterre(^t 
3U  grunbe  gelegt.  R\s  fo(d)es  gilt  \ie  andf  in  Danemark.  3n 
normegen  ift  babei  immerljin  ber  „Sdjlüffelgeroalt*'  ber  Srau  -  roie 
mir  fie  nennen  ©ürben  -  eine  jel)r  roeite  flusbeljnung  gegeben,  iljre 
<Bef(^aftsfal}igkeit  unbebingt  anerkannt  unb  DoUe  Gütertrennung  burd) 
€f)eDertrag  3ugelaffen.  Rnd^  in  Sd^toeben,  mo,  mie  in  Si^^^nb, 
bie  mittelalterliche  5<i4^nis*  unb  (Errungenfd^aftsgemeinfd^aft  gefe^* 
Kd^es  6üterred)t  geblieben  ift,  kann  |eit  1874  Gütertrennung  kontrakt« 
\\di  oereinbart  ©erben.  — 

3n  ben  {kanbinaDifdjen  tote  in  faft  allen  anbren  £änbern  geriet 
bieje  unioerfelle  Beroegung  3ur  (Ertoeiterung  bes  ^Sonberguts" 
ber  5^^u  an  gan3  bemfetben  Punkte  in  S^ug,  an  bem  fie,  mie  mir 
fal)en,  aud)  in  (Englanb  einfette:  bem  Ar  bei  t  sermerb  ber  (Ei^e* 
frau.  Die  l)errj(^enben  Klaffen  gaben  eben  roeit  bereittpilliger  bie 
patriard)ale  pofition  bes  kleinen  lUannes  über  bie  arbeitenbe,  als 
biejenige  bts  Hlannes  iljrer  eignen  Sd)id)ten  über  bie  bepft^nbe  S^^an 
preis.  Dem  entfpridjt  ber  t}ergang  in  allen  tänbern,  bie  anbre  Sijfteme 
als  bas  ber  Gütertrennung  befißen.  3n  Hormegen  (im  (Befe^  oon  1888), 
Danemark  (Gefe^  oon  1880),  Sinlanb  (1889)  ift  ber  eigne  (Enoerb 
ber  5Tau  fotx)oi}l  ber  Derfügung  bes  ITIannes  mie  ber  Pfönbung  feitens 


378     (El^eauffaffung  unb  (E^erec^t  im  3eitalter  bes  Rationalismus  k. 

feiner  (Blöubiger,  —  bies  leitete  in  5inlanb  menigftens  fo  lange,  als 
anbrer  pfänbbarer  Befi^  Dor^anben  ift,  -  ent3ogen.  3n  Belgien  (1889), 
wo  ber  Code  gilt,  unb  fc^on  oortfer  (1881,  1886)  in  5tanfcrei<^  |elbjl 
Ifat  man  ber  5^^^  bie  -  meljr  ober  minber  —  felbftdnbige  De^ 
fügung  über  oon  il^r  gemachte  Sparfcaffeneinlagen  für  Qaus^alts' 
bebürfniffe  eingeräumt,  tooran  fi(^  bann  meiterl^in  in  Stanftreic^  (1896) 
bie  £lnnat)me  eines  btn  Hrbeitsoerbienft  ber  S^<^^  ^^  gan3li<^  Dor* 
bel^altenben  (Entn)urfs  in  ber  Deputiertenkammer  knüpfte.  Der  neue 
S  (^  u)  e  i  3  e  r  (Entwurf  enblit^  -  roelc^er  6ütert)erbinbung  mit  Dtt» 
toaltung  bes  IlTannes  als  gefe^Iic^es  (Büterre<^t  3ugrunbe  legt  -  b^ 
t)ä(t,  entfprec^enb  einem  fc^on  beftel^enben  (Befe^  bes  Kantons  (Benf, 
bas  au&i  in  manchen  amerikanifc^en  Staaten  nac^geal^mt  toorben  i|l, 
ber  Stau  unter  allen  Umftönben,  gleic^oiel  n)el(^es  (&üterre<^t  Dereii- 
bart  roirb,  iljren  flrbeitsoerbienft  als  Sonbergut  unter  eigner  Der« 
toaltung  Dor.  IDir  toerben  fet)en,  meiere  Kon3effionen  Ixis  neue 
b  e  u  t  { (^  e  <5e|e^bu(^  nac^  ber  gleichen  Richtung  gemacht  ^at  - 

Dag  es  ber  Arbeits  erroerb  ber  S^a«  ö)ar,  toeld^er  3uer|t  nad) 
£ö|ung  it)rer  patriarc^alen  (5ebunbenl)eit  rief,  erinnert  uns,  bog  vir 
mit  unjrer  DarjtcIIung  bereits  in  eine  (Epoche  gelangt  finb,  in  6er 
tiefgreifenbe  ökonomifc^e  Umgeftaltungen  bes  IDirtfc^aftsIebens  We 
5amilie,  unb  bamit  oor  allem  auc^  bie  S^aw,  oor  gan3  neue  Probleme 
gefteüt  traben.  (Es  i{t  ni^t  5U  umgel^en,  uns  menigftens  in  ben  oO* 
gcmcinjten  (Brunb3ügen  barüber  klar  3U  werben,  meiere  (Eragroeite 
öieje  Probleme  für  bas  Santilicnrec^t  geljabt  Ifaben  unb  toeiter  ^ben 
können.  Dabei  oerjteljt  es  fidj,  bafe  im  Raljmen  biejer  DarfteHung 
eine  tiefgeljenbere  flnalpje  ber  bie  (Entroidilung  bebingenben  öhono« 
mijc^en  (Triebkräfte  nidjt  möglid)  ijt:  toir  muffen  uns  mit  benjenigen 
einfadjen  Umriffen  begnügen,  bie  für  unfern  3tDec&  erforberlic^  aber 
Guc^  ausreidjenb  finb.  - 

G. 

Die  (Epodje,  mit  öer  toir  uns  befdjäf tigt  Ijaben,  mar  unb  ift  eine 
3eit  ber  unauff}altfam  fortjdjreitenben  kapitaliftifc^en  (EntroiAIung. 
Das  t^ei^t  3unäd)jt:  in  f tetig  3unel)menbem  Ula^e  finb,  für  bie  Richtung 
unb  Rrt  ber  (Büterer3eugung  unb  bie  öaburt^  beeinflußten  fo3ialen 
Be3iel)ungen  ber  TTIenfdjen,  bie  3ntereffen  ber  Befi^er  Don  „Kapitel*: 
(Belb   unb   gelöroerten  (Bütern,  an  beffen  (Belbgetoinn   einbringcnber 


(':  (Ergebntife  unb  neue  Probleme.  379 

I  Dermertung  maggebenö  gemoröen.  IDtr  fragen  3una<^{t,  loelc^en 
ö  i  r  e  k  t  e  n  Hinflug  btefer  Umftanb  auf  bte  rec^tltc^e  (beftaltung  ber 
5ami(te  gel)abt  l^at,  tnvtef em  alfo  bas  S^^Hienrec^t  fi&i  ^at  manbeln 
»muffen",  um  einer  Struktur  ber  IDirtfc^aftsorbnung  flc^  „an5upaffen'', 
öie  Don  jenen  3ntereffen  3unet)menb  be^errfc^t  »urbe.  Da  jetgt  fic^ 
nun,  ba^  btes  bis  ^ute  in  geringerem  ITIage  ber  S<^  Ht  o\^ 
man  3unäd}ft  an3unel)men  geneigt  fein  »irb.  Die  5<^^i(i^  unb  i^r 
Red)t  flnb  öftonomif<^  in  I^ol^em  IHage  «irrational",  bas  ^igt:  es  lägt 
fi(^  nid^t  nad^meifen,  ba%  eine  beftimmte  Stufe  ftapitaliftif<^er  €nt« 
»tdtlung  eine  beftimmte  Regelung  ber  5Qnii(ienbe3iel)ungen  «er3n9ingen" 
muffe.  Das  «Dorabo"  bes  Kapitalismus,  Belgien,  ^at,  mit  £ouiflana 
unb,  feit  napoleon,  Ruffifd)  polen  bas  Re<^t  bes  fran3Öftf(^en  CahW, 
bas  ^oUönbifc^e  (befe^buc^  oon  1837  ftel^t  ebenfo  auf  bem  Boben 
ber  (bfitergemeinf(^aft,  mie  bie  ruffifc^en  Bauern.  ®efterreid}  t^at 
ein  (bäterre(^t,  n)ie  es  3U  3uftin{an*s  Seiten  in  Bi)3an3  galt.  3n  Cng« 
lanb  beftanb  bis  vor  37  3al}ren  ein  Red}ts3uftanb,  mie  etwa  in  ber 
3iDÖIftafe(3eit,  unb  ^eute  mieberum  gilt  bort  unb  in  Rugtanb  offi3ieQ 
bas  gleiche  (büterre(^t,  bem  au<^  3talien  fett  40  3al}ren  3iemlid} 
nal^e  ftet)t.  Der  Kapitalismus  als  folc^er  kann  eben  in  allen  Stabien 
fetner  bist)erigen  €ntn)idilung  mit  ben  oerfc^iebenften  Sinnen  bes 
Samilienrec^ts  beftc!)en.  (Er  befinbet  ftd)  3.  B.  bei  (I)e(tung  ber  (bfiter* 
gemeinfc^aft  unb  DoUer  patriar<^a(er  Unterorbnung  ber  €^frau  ef^er 
nod)  tDol^ter,  als  bei  bem,  et^ifd)  betrachtet,  „moberneren"  Si}ftem  ber 
(bfitertrennung.  Die  birekten  €inn)irkungen  ber  €ntn)idilung  kapi< 
taliftifc^er  IDirtfc^aft  auf  bie  red)tlid)e  Struktur  ber  (E^e  ftnb  benn 
aud),  obn)ot)I  fie  nic^t  fe!)Ien,  boc^  nic^t  all3u  toeitgreifenb.  Sie  ent* 
l)alten  im  mefentlid^en  nur  eine  IDeiterbtIbung  oon  Rec^tsinftituten, 
bie  fd^on  bas  ITTittelalter  kannte,  feitbem  überi^aupt  gelb  n)irtf(^aftlid}er 
Derkei}r  unb,  fpe3ien,  Krebtt  eine  mefentUd^e  Rolle  3U  fpielen  begannen. 
Sd)on  bas  mittelalterliche  fjanbelsred)t,  unb  yoax  von  Ruglanb 
bis  €ng(anb  unb  3tanen,  eman3ipterte  bie  S^^u,  wo  fie  als  kauf* 
mönnijc^e  Unterne!)merin  auftrat,  oon  ben  Schranken,  bie  t!)rer 
<befd)aftsfaf)t9keit  im  bürgerlid)en  Rcd)t  ge3ogen  Omaren.  Der  I)anbels' 
Derkel)r  konnte  fid)  auf  (Eini^olung  ber  Suftimmung  bes  (Ebemanns  unb 
bgl.  in  fo(d)en  5äUen  ntd)t  einlaffen.  Die  angebliche  ^natürlid^e"  lln> 
föl)igkett  ber  S^^uen  3ur  Beteiligung  am  (befd)afts(eben  oerfd^manb, 
tDO  immer  tf)re  Betätigung  als  „tianbelsfrau"  (Belbgeminn  oerfprad), 
unb  fo  ift  CS  natürlid)  auc^  in  ben  neueren  <befe^büd)ern  geblieben. 


V 


380    (El^eauffaffung  un6  £^ere(^t  im  3ettalter  bes  Rationalismus  k. 

Aber  eine  {elbftönbigere  Stellung  innert)alb  ber  5<nnilie  getoann  fte 
bamit  an  fi(^  nodi  Iteinesmegs:  ITic^t  nur  ^ing  es  Dom  Ulann  ob,  ob 
er  ber  5tau  geftatten  mollte,  fic^  als  f}anbelsfrau  3U  etablieren,  {on* 
btxn  mir  fa^en,  bag  felbft  in  mobemen  Kobififcationen  es  ftc^  nu^ 
ettoa  von  felbft  Derftanb,  bag  ber  (Betoinn,  ben  fte  machte,  il)r  felbft, 
unb  nic^t  bem  manne,  3U  gute  Itam.  Don  ettoas  größerer  ([ragu)eite 
für  bie  £odterung  ber  patriarc^alen  (Bebunbenl^eit  ber  S^nntlie  toar  bos 
3ntereffe  bes  Kapitalismus  an  ber  (Betoinnung  weiblicher  Arbeits* 
^r  g  f  t  e.  (Es  ift  ©aljrfc^einli^,  baß  3.  B.  für  bie  (Erroeiterung  oer 
Befugnis  ber  S^^u,  [\d^  Itontralttlic^  3U  perfönlic^en  Arbeitsleiftungex 
3u  oerpflic^ten,  mie  mir  fte  im  beutfc^en  Bürgerlichen  (ßefe^bud)  finben 
merben,  bie  Rüdtfic^t  auf  biefe  3ntereffen  menigftens  mitgefpielt  fyä. 
3nbeffen  oon  entfct^eibenber  Bebeutung  ift  bie  5i^09<»  ^^  i>^  (E^emoim 
bie  Stau  rec^tlic^  oon  ber  augerl^dufigen  Arbeit  5urüdi^alten 
Itann,  nic^t.  ®b  er,  unb  bamit  fie,  „öfconomif  c^"  ba5u  in  ber 
£age  finb,  it)re  £oI)narbeit  3U  oermeiben,  ift  bie  entfc^eibenbe,  uitft 
bat)er  ift  auc^  bas  3ntereffe  ber  Unternel^mer  an  ber  Rechtslage  ein 
f e^unböres.  Ueberbies  aber  liegt  auc^  I)ier  mieber  bie  innere  B^ 
3ieliung  ber  (Battcn,  bie  S^^^ge:  mem  ber  eoentueUe  Derbienft  ber 
5rau  gel)ört,  gan3  augerl^alb  berjenigen  Probleme,  an  benen  ber 
Untcrncljmer  überljaupt  interejficrt  ift. 

Das  5mifd)en  ben  (5atten  befte!)enbe  (Büterrec^t  mirb  oon  kapi* 
taliftifc^en  3ntcreffen  oielmeljr  mefentlic^  nur  an  einem  punkte  be« 
rüljrt:  bie  (Bläubiger  bes  UTannes  Ijatten  unb  Ijaben  ein  3ntere|f< 
baran,  unb  feine  KrcbitfäfjTpeit  Ifängt  bcslfalb  baoon  ab,  ba^  niAt 
bei  feiner  3al)IungseinftcIIung  bie  5^^w  in  ber  £age  ift,  bem  3u« 
griff  auf  öas  Dermögen  auf  (Brunb  ber  für  Auftenfteljenbe  unerkenn« 
baren  (Büterrec^tsoerljältniffe  in  ben  IDeg  3U  treten.  (Ebenfo  roarcn  un5 
finö  bie  t)i}potl)ckengläubiger  baran  interefficrt ,  es  Ijing  alfo  ber 
IDert  ber  t)i}potl)cken  baran,  ba^  nidjt  (Bcncralpfanbrcc^te  unbekannten 
Umfangs  oor  $pc3iaIl)i}potl)eken  ben  Dorrang  crl)alten  konnten. 
Darauf  beruljte  es  3unädjft,  baß  bas  Dotalrec^t  in  feiner  altrömifc^ 
5orm,  mit  Sidjerung  ber  Srau  burd)  (Beneralpfanbrec^t  am  gan3en 
Dermögen  bes  UTannes,  fd)on  im  UTittelalter  minbeftens  bei  Kaufleuten 
unburd)fül)rbar  muröe  unb  oerfdjtoanö,  mo  immer  moberne  Pfanbredjts* 
orbnungen  entftanben,  jpe3ien  bas  (Brunbbudjfpftem  eingefüljrt  muröe. 
Das  Sdjminben  ber  dowcr  (IDittum)  im  mobemen  angelfädjfifc^en  Redjt, 
meil  fie  ber  Deräufeerlidjkeit  bes  Bobens  im  IDege  ftanb,  unb  anbrer» 


G.  (Ergebntffe  un6  neue  Probleme.  381 

{eits  5er  IDegfall  öer  Deüejantfc^en  Befc^rönkungen  6er  S^au  in  Stank« 
retd)  aus  öem  gleichen  (Brunbe  entfpric^t  öem  burc^aus.  Das  Sc^mtn- 
6en  6es  alten  „Beifi^es"  6er  IDittpe  bei  bäuerlicher  (bütergemeinfc^aft 
in  <5egen5en  mit  ftark  betoeglic^em  (brun6beft^  Hegt  in  6er  gleid^en 
Richtung  ^).  Die  Sd)affung  oon  eigentlid^en  (Erbrechten  6er  (Regatten 
gegeneinan6er  war  6urd)  6en  Derfall  [olc^er  mittelalterlichen  5armen 
6er  IDitn)enDer{orgung  mitbebingt. 

AU  6ies  fteigerte,  teils  6irebt,  teils  in6irefct,  6ie  ökonomifc^e  Be- 
iDegungsfrei^eit  6es  ITIannes.  Allein  6iefe  un6  öf^nüc^e  €inn)ir- 
kungen  6er  (Erfor6emif{e  6es  Derkef^rs  un6  Kre6tts  fin6  toefentUd} 
negatioer  Art,  -  meiere  pofitioe  Regelung  6er  (büterrec^tsoerl)äItniffe 
i^nen  am  beften  entfpric^t  i{t  bagegen  ketnestoegs  fo  ein6eutig  be« 
ftimmbar.  Doc^  i{t  es  tDoi}I  un3tDeif elf^af t ,  6ag  gera6e  6as  patri* 
ard)alif^{te  Si){tem:  6as  [c^rankenlofe  un6  e|[kIu(iDe  Dispofitionsred^t 
6es  ITIannes,  6as  6en  Kre6itgebem  jebe  Haci^forfd^ung  6arüber  er« 
fpart,  toem  oon  6en  (Et}egatten  6as  oor!)an6ene  Dermögen  gefröre, 
gan3  befonbers  6en  „Be6ürfnif{en  6es  kapitaliftifd^en  Derkel^rs"  an- 
gepaßt n>are.  3n6enen  [c^on  6er  Um{tan6,  6ag  (Ertoögungen  über 
6ie  5algen,  meiere  {o  eingretfen6e  Aenberungen,  toie  6ie  englifd^e  (be> 
fe^gebung  Don  1882,  für  berartige  3nteref{en  !)atten  f^aben  können, 
offenbar  überf)aupt  nic^t  -  toeber  Dorf)er  noc^  nac^i^er  -  angefteüt 
tDorben  fmb,  3eigt  3ur  (benüge,  6ag  fic^  6ieielben  auc^  mit  6en  Der- 
|c^ie6enften  an6eren  Sot'w«"  ^^^  (Büterred)te  ©ertragen,  jofern  nur 
feft{tet)t,  0)  e  I  d)  e  s  Red)t  im  konkreten  gegebenen  S^^  maggebenb 
|ein,  unb  tDien)eit  alfo  ber  eoentueüe  Sugriff  ber  (bläubiger  auf  bie 
fjabe  ber  5amilie  (Erfolg  traben  mixb.  Darauf  berufet  3unad){t  bie 
^ute  in  6en  meiften  £ön6ern  Derbreitung  finbenbe,  uns  {c^on  bekannte 

3n{titutton  6es  (E  1}  e  r  e  g  i  {t  e  r  s  -'),  in  meld^es  gemiffe  Abmeicijungen 
')  Die  Sprengung  btx  (bnttTqtmtin]d\a\t  erfolgte  in  5er  ^Aufklärungs* 
3ett''  übrigens  mel)rfaci}  gegen  5en  proteit  6er  Beteiligten.  Dgl.  3.  B.  über 
bie  Abneigung  ber  Sd)iDar3iDäIber  Bauerinnen  gegen  bie  jofeftntfct^e  (befeQ< 
gebung  6oti)etn,  Heujal^rsblatt  ber  Bab.  I)t|t.  (Eomm.  1906,  S.  51:  Uebri* 
gens  rici}tete  jtci}  il)r  Unmille  offenbar  n\&\t  in  erjter  £inie  gegen  bie  (^fiter* 
trennung,  fonbern  gegen  bie  (Etnfüf^rung  bes,  bie  fofortige  (Erb|d)id)tung  be« 
bingenben,  <Erbreci}tes  bes  A eitel ten  am  E7ofe  anftatt  bes  bisijerigen  Hlino« 
rats,  iDeId)es  if^nen  bie  niöglici}heit  geboten  ijatte,  todl^renb  ber  ^nialjaiire'', 
b.  l).  bis  3ur  (J)rogjäf)righeit  bes  jüngften  Sof^nes,  ju|ammen  mit  einem 
3iDeiten  niann,  bem  ^3ntertmstDirt'',  als  Bäuerinnen  toeiter  3U  coirtfcf^aften. 
-)  Ober  bod)  roo  kein  bejonberes  ^Regijter"  be{tef)t  —  einer  amt» 
Ii(i)en  Deröffentlici}ung  gemifler  (Ef)eDertragskIau|eIn. 


/ 


382    (E^eauffaffung  unb  (E^ere^t  hn  Seitalter  bes  Rationalismus  x. 

Dom  gefe^Iii^en  (Büterrei^t,  toeli^e  bie  (Batten  im  (E^eoertrage  oer* 
einbart  ^aben,  eingetragen  unb  öffentli(^  bekannt  gegeben  merben 
miiffen,  um  gegen  bie  (Blöubiger  im  5^11  ^^^  Pfanbung  ober  tts  KoA' 
iturfes  tDirftfom  3U  fein.  Unb  femer  beruht  es  toenigftens  mit  barauf, 
ba^  bie  mobemen  (5efe^bil(^er  fe^r  oft  neben  bem  ^gele^Iii^en*  (E^ 
güterre(^t  au(^  mehrere  S(^emata  oon  „oertragsmägigen"  (Bütenec^ 
in  einge^enber  Regelung  3ur  Derfügung  (teilen,  toie  mir  bies  f(^on  m 
Code  unb  im  preugif(^en  £anbrec^t  fanben.  Diefes  Dorge^en  ift  yom 
in  erfter  £inie  ^iftorif(^,  bur(^  bie  überkommene  Diel^eit  ber  6üter> 
reifte,  bebingt,  baneben  aber  au^  babur^,  bag  jebe  Dereinbanmg 
über  bas  (Büterre^t  bie  Sntereffen  Dritter  -  ber  (Blöubiger,  Kinber, 
(Erben  -  berüljrt  unb  bog  biefe  Konfequensen,  an  roel^e  bie  Dertrags* 
((^liegenben  fteinestoegs  immer  3U  benften  pflegen  unb  bie  3U  beftinmtcn 
man  au(^  ni(^t  i^rem  (Butbünften  überlaffen  roill,  ber  Regelung  b^ 
bürfen.  (Bar  keine  berartigen  Beftimmungen  unb  auc^  kein  Der* 
öffentIi(^ungs3tDang  befteljen  3.  B.  in  (Englanb,  roo  ^eute  bie  (Büter« 
re^tsDertjaltniffe  fe^r  einfa^  geregelt  finb,  toä^renb  Deut|(^Iaii5, 
©ejterrei^  (für  Kaufleute),  S^^^krei^  (für  Kaufleute),  3talien,  not» 
toegen,  bie  meiften  amerikanifc^en  Staaten  bm  Stoang  3ur  Deroffeitt* 
lic^ung  bep^en.  -  Die  reic^fte  flusioa^I  gefe^Ii^  ftilifierter  (E^oer* 
tragsf(^emata  I}at  S^^^^kreid)  unb  näd)ft  il}m  Deutf^Ianb;  gar  keine 
foId}e  Sd^emata  (teilen,  mhtn  (Englanb,  bie  meiften  amerikanifc^en  (bt* 
fe^gebungen  unb  bas  offi3ieIIe  ruffijdje  Redjt:  —  alles  (bütertrennungs* 
gebiete,  -  3ur  Derfügung.  Das  (Eljcregifter  unb  ber  Deröffentli^ungs» 
3iDang  finb  nun  aber  cbcnfoiDcnig  ettoas  fpe3ifif(^  lHobemes,  roie  öie 
(Eman3ipation  ber  f)anbclsfrau  unb  ber  Kampf  gegen  bie  Dotalprbi» 
legten.  Das  lUittcIalter  kannte  all  bas  genau  in  glei(^er  flrt.  lieber» 
bics  aber  Ijanbelt  es  fid)  bei  bicfer  birekten  Beeinfluffung  bes  (E^ 
rcdjtes  burd)  bie  (Erforbcrniffe  ber  DerkeI)rsiDirt|d)aft ,  für  bie  fit^ 
Dielleid^t  nod)  einige  loeitcre  Beifpiele  finben  liefen,  um  Dinge,  wtldfi 
bie  inncrlid)e  Struktur  ber  (Elje  übertDiegcnb  |cl)r  loenig  berühren. 
Der  (Bcfd)äftsDerkeI}r  ijt  3ufricbcn,  loenn  er  tDcife,  „looran  er  i|t*',»enn 
al|o  fejtjtcljt,  loem  unb  in  rocldjcm  Umfang  er  Krebit  geben,  mit  nxm 
er  gültige  Dcrträge  mit  bejtimmten  IDirkungen  abfc^Iiegen  kann  un5 
mit  rocm  nid)t.  ®b  bie  5rau  in  ber  (EI)C  ökonomifd)  gekne^tet  i(t, 
kann  ttjm  burd^aus  gleid}gültig  fein. 

IDenn  alfo  ber  (Entroidilungsgang  bes  Kapitalismus  in  ber  neucften 
Seit  für  bie  Jortbilbung  bes  (EI)crcd)tes   urfädjlic^  toii^tig  gerooröw 


F.  (Ergebniffe  unb  neue  Probleme.  383 

ift,  bann  mug  öies,  loenigftens  ^uptfäc^Iic^,  in  prinsipieü  anbrer  IDeife 
oor  fi(^  gegangen  fein,  als  oermoge  birekter  Prägung  bes  (E^erec^tes 
burc^  kapitaliftifc^e  3ntere{fen.  Diefer  anbre  IDeg  aber  könnte  ent* 
loeber  ber  einer  Begfinftigung  ber  Ausbreitung  getDifferj^beoIogien'' 
\tin^  roel^e  bem  £ebensftil  bes  Kaptfaltsmus^  innerlich  Denoaubt 
finb,  ober  aber  umgekehrt  ber  einer  ibeologif^en  Reaktion 
gegen  geioiffe  (Eintoirkungen,  weidet  ber  Kapitalismus  auf  bie  f ak> 
tifd^e  (Beftaltung  bes  5<intilienlebens  unb  bie  Stellung  ber  5tau  geübt 
^t.  Auf  jeben  5<iU  fpielt  bann  bas,  was  ber  Kapitalismus,  als 
fold^er,  in  feiner  mobernen,  ^oc^kapitaliftifd^en,  P^afe  unmittelbar  an 
Wirkungen  auf  bas  5<i^ili^nleben  3ettigt,  nur  bie  Rolle,  f&r  jene 
3beoIogien,  für  g  e  i  ft  i  g  e  Strömungen  alfo,  ein  „Problem"  3U  f(^affen, 
an  beffen  „löfung"  fie  arbeiten.  <5rabe  meil  bie  innere  re(^tlid)e 
Struktur  ber  5<intilie  für  ben  Kapitalismus  unmittelbar  3iemli(^  be« 
langlos  ift,  geben  bie  ökonomif(^en  (E|[iften3bebingungen  unfrer  IDirt- 
fd^aft  ja  ber  IDirkfamkeit  et^if^er  3beale  auf  biefem  (bebiet  einen 
relatio  toeiten  Raum.  IDel^es  nun  jene  Probleme  unb  i^re  trag' 
noeite  finb,  muffen  toir  uns  je^t  in  Kurse  oergegenmörtigen. 

IDir  können  babei  an  Bekanntes  anknüpfen.  IDas  sunäc^ft  für 
bas  (Einleben  ber  5^<iuen  aller  Kreife  irgenbmie  ins  (bemi^t  fallt,  ift 
ber  Umftanb,  bog  bie  kapitaliftifd^e  (bütererseugung  in  bem  Stabium, 
noeld^s  fie  im  IHafc^inenseitalter  erreicht  ^at,  bie  ^austDirtf(^aftIi(^e 
<E  i  9  e  n  probuktion  bes  (Eagesbebarfs  an  IDirtf(^aftsgütern  inner« 
Ifilb  ber  ni(^t  lanbmirtfd^aftlic^en  Dolksklaffen,  bis  auf  bie  Subereitung 
ber  na^rung  unb  gemiffe  Slidt«  unb  Ila^arbeiten,  fo  gut  tote  doII- 
ftänbig  befeitigt  unb  auc^  bei  ber  lanbmirtfc^aftlic^en  BeDÖlkerung  in 
ber  tiefgreifenbften  IDeife  eingeic^rönkt  l}at.  Die  {^ausmirtf^aft  ^at. 
noenigftens  in  ber  Stabt,  na^esu  aufgehört,  Probuktionsgemeinfd^ft  3U 
fein.  Deshalb  ift  bas  in  feinen  6runb5Ügcn  gleichartige  Bilb,  bas 
ja^rtaufenbelang  bie  tDirtf(^aftIi(^e  Seite  bes  £ebens  ber  (El^efrauen 
bot:  -  wir  ^anben  fie  fo  gut  bei  ben  flegpptem  unb  Babploniem. 
ben  3uben,  (Kriechen  unb  Römern,  mie  bei  btn  mobernen  europöifd^n 
Kultumationen  bis  an  bie  Sc^toelle  ber  3e^t3eit  innerhalb  if)rer  {Häus- 
lichkeit groge  (Eeile  ber  täglichen  Bebarfsgüter  felbft  f^erftellenb,  -  oon 
(brunb  aus  oercDanbelt  unb  bei  grogen  Bruchteilen  ber  Dolksgefamtl^it 
gan3  oerf^munben.  Die  gelbmirtfci^aftUc^e  Bebarfsbedtung,  burc^  (Ein* 
kauf  ber  gebrauchsfertigen  probukte,  l}at  einen  früher  nie  erhörten 
Umfang   angenommen.    Diefe  IDanblung  beeinflußt  bas  $rauenleben 


384    (E^eauffaffung  unb  (E^ere^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  x. 

aller  BeDÖlkerungsf(^t(^ten,  —  allerbings  aber,  roas  tneift  iiber{ei)en 
toirb,  bas  £eben  ber  (Ehefrauen  ber  uerfc^iebenen  Befi^*  unb  B^ 
rufsftlaffen  in  einem  burc^aus  uerf^iebenen  ntage. 

Am  tDenigften  auffallenb  toirb  bie  innere  Struktur  ber  (E^  unb 
5amilie  ber,  bis  an  bie  Si^toelle  ber  (Begentoart,  breiteften  Sc^i^ten: 
ber  bäuerli(^en,  kleinbürgerli(^en  unb  befi^Iofen  bürgerlichen  mitttl> 
fd)i(^ten  umgeformt.  IDir  begreifen  unter  biefer  ntittelfc^i^t  keines* 
toegs  nur  btn  im  fosialen  Sinn  (o  genannten  ^^felbltönbigen"  mittel* 
{tanb.  IDer  ba3u  rennet,  beftimmt  ft^  oielme^r  lebiglic^  naii  ber 
t)öl}e  feines  (Einkommens  unb  na^  beffen  Der^altnis  5ur  Kopfja^I  ber 
5amilieng(ieber.  (Es  fallen  aI(o  fotoo^I  breite  Kreife  ber  Beamten  unö 
geiftigen  Berufsarbeiter,  toie  anbrerfeits  au^  bie  oberfte  S(^i(^t  gut 
geloljnter  3nbu(triearbeiter  3ufammen  mit  Bauern  unb  Kleinbürgen 
Ijinein. 

Die  £ebensgemeinfd)aft  3iDif(^en  lHann,  $xau  unb  Kinbem  i|l 
l}ier,  tro^  aller  Umgeftaltung,  uner{(^üttert.  3n  ber  felbltönbigen 
böuerli^en  Beoölkerung  befteljt  fie  {ogar  no^  als  toii^tige  probuktions« 
gemein{d)af t,  bei  3aI}Irei^en  t)anbtDerkern  unb  Kleinkaufleuten  na^ 
fie  fi(^  biefem  dljarakter  nod)  an.  Deshalb  liegt  ^ier  für  bie  einseliie 
(El}efrau,  bie  normalertoeife  gan3  o^ne,  ober  bo(^  o^ne  ausreid^be, 
f)ilfe  Don  Dienjtboten  f)ausarbcit  unb  Kinberpflege  felbjtänbig  oerric^tet 
unb  banebcn  nod),  fei  es  im  (Barten  unb  flcker,  fei  es  im  (Bef(^äft  unb 
(Bcrocrbe  bes  ITIanncs  f)ilfsarbeit  leiftet,  ber  Sd)U)erpunkt  ber  „öko* 
nomifdjcn"  (Tätigkeit  immer  nod)  „im  f)aufe''.  Denn  bie  Art,  ©ie  pe  bie 
unmittelbar  aus  iljrer  innerljäuslidjen  Stellung  erroadjfenben  Aufgaben 
erfüllt,  [inb  für  bie  IDirtfdjaft  ber  S^milie  birekt  entfdjeibenb.  lieber» 
Ijaupt  ift  überall  bort,  roo  einerfcits  bie  mittel  3ur  (Entlohnung  Don 
Bicnftboten  feljlen,  anbrerfeits  bie  materielle  (Ejiften3  foQ)eit  gefidjert 
ift,  ba%  getoiffe  Kulturbebürfniffe  unb  eine  über  bie  Befriebigung 
nackter  Ilotburft  l)inausgel)cnbe  £ebcnsl)altung  crftrcbt  ©erben  können, 
ber  burd)  f)ausarbcit  unb  Kinberpflege  entfteljenbc  (Tätigkeitskreis  no(^ 
immer  fo  grofe,  ba^  oon  einem  Sinken  bes  ökonomif(^en  nu^merts 
ber  f)ausfrau  unb  einer  Dcrkümmcrung  iljres  IDirkungskreifes  nid|t 
bie  Rebe  fein  kann.  Dicfe  breite  Sd)id)t  mit  Ijäuslid)  ooll  befc^äftigten 
(Eljefrauen  ift  aber  keinesrocgs  3um  Husfterben  oerurteilt.  3nt  (Bcgen- 
teil.  Die  ja  ebenfalls  aus  ber  kapitaliftifd)en  (Entioidilung  unb  inbi- 
Dibualiftifd)em  Streben  folgenbe  ftcigenbe  Bienftbotenteue  r  ung 
roirb  oermutlid)  aud)  bei  uns,  roie  in  ben  kapitaliftif^  ^öd)ftentiDidiel- 


M 


Cm.  (Ergebntffe  unb  neue  Probleme.  385 

ten  fdnbern:  (Englanb  unb  Amerika,  mieber  einen  3une^menb  breiten 
Kreis  ber  (Ef^efrauen  bes  bürgerli(^en  Itlittelftanbes  5ur  l}äusli(^en 
Selbftarbeit  smingen.  nur  bann  loirb  in  biefen  Kreifen  ber  (Er{a^ 
ber  {)ausfrau  bur(^  be3al}Ite  Kräfte  für  bie  $amilie  öhonomif(^  ren- 
tabel fein,  loenn  fie  if^rerfeits  auf  6runb  fpe3ifif(^er  Begabung  dho- 
nomifc^e  ober  geiftige  (Qualitätsarbeit  -  5.  B.  als  Sc^neiberin,  £e^rerin, 
Sd^riftftellerin,  Künftlerin  —  leiften  kann.  Unb  es  gibt  loac^fenbe 
S(^i(^ten  bes  Proletariats,  beren  äugere  £ebensffi^rung  fi(^  berjenigen 
bieier  S(^i(^ten  an3unä^em  ftrebt. 

Der  Unterf(^teb  bes  Srauenlebens  biefer  S(^id)ten  gegen  früher 
ift  alfo  bis  je^t  mefentlii^  nur  ber:  Die  mobeme  (Eec^nik  unb  ®eko« 
nomik  ^aben  bie  {)ausn}irtf(^aft  fo  meit  entlaftet,  bog  fie,  in  noc^ 
i^^erem  IHage  als  im  Iltittelalter,  bie  unoerf^eiratete  5^<iu  - 
nid)t  aber:  bie  (Ef^efrau  -  normalertoeife  in's  augerf^äuslii^e  (Ermerbs* 
leben  ab{(^ieben  mug.  Die  Kleinfamilie  kann  fid)  auf  bas  Itlinimum : 
(Eltern  unb  u  n  ermad^fene  Kinber,  Derkleinem.  (Ertoad^fene  ([ödster 
\)  ober  fonftige  toeiblid^e  Angef)örige  finben  in  biefen  Sd)i(^ten  neben 
einer  oolltätigen  {)ausfrau  l^eute  normalenDeife  keinen  ökonomifc^ 
unb  ftttlic^  toertDoIIen  Tätigkeitskreis.  Sie  mürben  bloge  (Effer  fein 
unb  finb  besl}alb  3une^menb  auf  (ßelbermerb  angemiejen.  -  Diefer 
Umftanb,  ba^  bie  lebigen  IHäbd^en  ber  Itlittelf^id^t  3unel}menb  aus« 
^ufigen  Beruf  unb  (Enoerb  |ud)en,  mug  aber  inbirekt  au(^  auf  bas 
(E  ^  e  leben  ber  5rauen  biefer  Kreife  3urüdtn}irken ,  felbft  wenn  fie 
in  ber  (Ef)e  gan3  ober  teilmeife  3ur  {^ausmirtfd^aft  3urüdtkel}ren. 
IDelc^er  Art  biefe  Rüdtioirkung  ift,  merben  toir  uns  klar  mad)en,  loenn 
iDir  meiterl^in  auf  bie  (Eriften3bebingungen  ber  proIetarifd)en  Unter« 
fd)id)t  3U  fpred)en  kommen.  3unäd)ft  roollen  mir  aber  einmal  bie 
fo3iaIe  Stufenleiter  Don  ber  inittelfd)td}t  aus  nid}t  f}inab',  fonbern 
^inauffteigen. 

Unmittelbarer  als  in  ber  Itlittelfd)id}t  mad)t  fid)  ber  (Einflug  ber 
mobemen  (Eed^nik  unb  Oekonomik  im  (El^eleben  ber  befi^enben  Kreife, 
berjenigen,  f^eigt  bas  l)ier,  iDeId)e  ftd)  nad^  Bebarf  be3af}I(e  Dienit« 
boten  galten  können,  geltenb.  {)ier,  wo  ber  IHann  nid)t  mit  ber  f^anb, 
fonbern,  wenn  überbaupt,  irgenbioie  geiftig  arbeitet,  ift  aud}  bie  Befrei- 
ung ber  Srau  oon  ben  Reftbeftänben  ptjnRfdjer  Arbeit  mehr  unb  me!)r 
Sitte  geworben.  Die  „tjanbarbeit"  ber  Iöd)ter  unb  5i^au<^n  befiftenber 
Klaffen  l}at  ben  df^arakter  bes  Seitoertreibs  ober  ber  £uruS'Probuktion 
angenommen.    Unb  mo  ererbtes  Dermögen  ober  bie  (Einkünfte  bes 

Wtbtt .  €Mr«i«  Bn^  murtri  25 


386     (E^eauffaffung  unb  (E^ere^t  im  Settalter  bes  RaKonalistnus  x. 

niannes  bas  Abfd^teben  ber  ^austDirt((^aftIi^en  Arbeit  auf  Köd)in, 
3tmmer*  unb  Kinbennabd^en  geftatten,  ba  ift,  idos  ber  f)ausfraB 
bleibt:  bie  organt(atortfd}e  £eitung  bes  {^austoefens,  meiere  bei  einiger 
(5e{(^idilid)fteit  mit  feljr  geringem  Auftoanb  von  Kraft  unb  Seit  9^ 
fc^eljen  feann,  ferner  bie  geiftige  (Ersie^ung  ber  Kinber,  fo  meit  Me 
S(^ule  fie  il}r  nid)t  abnimmt,  unb  bie  Kontrolle  bei  i^rer  Körper> 
pflege.  Dies  genagt  aber,  toenn  bie  Kinber  ^erantoai^fen,  nxdit,  ftein«i< 
falls  bauernb,  3ur  CebensausfüIIung  einer  gefunben  Stau.  WVH  |tt 
nid)t  in  gefd^öftigem  mägigang,  in  Shlaoerei  gegenüber  felbftge|c^encii 
in^altlofen,  ftonoentionellen  ,,DerpfIt^tungen''  ober  in  gefellfd^aftlic^ 
6enugleben  entgleijen,  (o  toirb  fie  enttoeber  gleich  bem  IHann  an 
augerl)äuslid)er,  fosialer,  politifd^er,  geiftiger  Kulturarbeit  teilnel^cn 
ober  ettoa  bm  Dor  ber  (EI}e  geübten  Beruf  au^  in  ber  (E^e  fort{e|eii 
tDoIIen,  an&i  too  fteinerlei  öftonomif^e  nottoenbigbeit  basu  treibt.  Dk 
(EI}e,  ober  prösifer:  bie  aus  (EI}e  unb  IHutterfi^aft  entfte^enbe  Arbeit 
kann  alfo  in  biefer  S(^i^t  au&i  nid)t  me^r  ausfc^Iieglic^er  bauember 
„Beruf"  ber  (Ehefrau  fein. 

Die  3unel)menbe  neigung  3ur  seittoeiligen  ober  bauemben  Der* 
fled^tung  nid)t  nur  ber  lebigen  Stauen,  -  für  meiere  bie  pflic^tenlos 
merbenbe  (Ej[iften5  oI}ne  eignes  £ebens3entrum  natürlich  DoIIenbs  m 
erträglid)  roirb  -,  lonbern  au&i  ber  (Etjcfrauen  unb  Iltütter  bie|er 
©ber|d)id)t  in  öffentlidje,  aufecrljäuslidje  (Tätigkeit  unb  in  3nterejffn 
anbrer,  als  rein  konDentioneII»ge{eII{d)aftIid}er  Hrt,  mug  natürli^  no4 
merkbarer  auf  bie  faktijd)en  Be3iel)ungen  ber  (Eljegatten  3urü4iDiikfii 
als  bie  au6erl)äuslid)c  (Tätigkeit  ber  unoerljcirateten  Slawen  in  öen 
inittel|d)id)ten,  -  ob  in  äl)nlid)cr  Rid)tung,  loerben  toir  noc^  erörtern. 

Hm  l)anbgrciflid)jtcn,  unb  bcsljalb  in  iljrcr  enttDicfelungsgejdjidit« 

lid)cn  Bcbcutung  für  bie  (B  e  |  a  m  1 1)  e  i  t  oft  überjdjä^t,  treten  Me 

IDirkungcn  bes  Kapitalismus  auf  bas  Sraucnlcben  ber  breiten  Unte^ 

|d)id)ten,  barunter  fpe3icll  berjenigcn  Sd)id)t  3Utage,  me^e  in  il)rer 

Ijcutigcn  Bebeutung  unb  (Eigenart  burd)  üjn  überhaupt  neu  gefc^affen 

roorbcn  ift:  bes  loljnarbeitenöen  Proletariats  ').  Die  (Ejiften3bebingungen 

M  (Es  jei  öaran  erinnert,  öafe  „Proletariat"  im  ted}ni{d}«ökonomi|<i^ 
Sinne  nidjt  ibentijdj  i|t  mit  öen  „beji^lojen  Klajjen".  3m  (trengen  Siiw 
umfafet  6as  „Proletariat"  nur  bie  £ol)narbciter|d)aft.  Die  Bebingungen  6er 
el)eu)eiblid)en  (Erujcrbsarbcit  bc|lel)cn  aber  kcinesroegs  nur  bei  ber  £ol|n» 
arbeiterfd)aft,  öeren  ober|te,  gelernte  Sd)id)tcn  nid)t  jelten  in  unferm  Sin« 
3ur  „ nritlel jd)idjt"  gel}örcn.  Die  öurcf)  öic  f)öl)e  öes  (Einkommens  beöingte 
£ebensl)altung  i|t  bas  (Ent|d)eibenbe.     Un|ere  „Unterldjid^t"  beginnt  bo,  nw 


c;.  (Ergebniffe  unb  neue  Probleme.  387 

btefer  neuen  Klaffe  toeröen  bekanntlich  öaburc^  beftimmt,  öag  fte,  o^ne 
Beft^  eigner  probuhtionsmittel  (£anb,  ntafc^inen,  IDerkftatt),  genötigt 
tft,  gegen  6e(bIof)n  für  btn  (Eigentümer  ber  Probuktionsmittel,  btn 
kapitaliftifc^en  Unternef^mer,  3U  arbeiten.  Daraus  folgt  als  toic^tigfter 
5aktor  für  bas  Samilienleben  bes  £o^narbeiters  bie  ([rennung  oon 
IDol}nftatt  unb  IDerkftatt,  unb  bie  Rebuktion  ber  £ebensgemeinf(^aft 
5rDif(^en  Dater,  IHutter  unb  Kinbern  auf  Abenb-  unb  nad)tftunben. 
Der  ntann  arbeitet  bas  ganse  3af)r  f)inbur(^  oon  frü^  bis  fpät  aus- 
tDärts.  Aber  ni(^t  genug  bamit:  Aud)  bie  {)ausfrau  unb  bie  Kinber 
ge^en  oielfa^  entmeber  auger  bem  {)aufe  „auf  Arbeit",  ober  bie  £of)n« 
arbeit  für  frembe  Unternei)mer  kommt  (als  „f^eimarbeit")  3U  i^nen 
ins  !}au$.  Die  ITlögHi^keit  Don  !}ilfsleiftungen  für  ben  TITann  bei  beffen 
Arbeit,  toie  bei  Seilen  ber  Iänb(i(^en  unb  ftabtifc^en  ITlittelidji^t,  fönt 
roeg.  Die  probuktion  für  ben  (Eigenbebarf  ift  abgeftorben.  Der  Be* 
barf  bes  ^ausf^alts  loirb  „gelbmirtfc^aftlid)'',  burd)  (Emkäuf,  gebedtt. 
Am  Selboerbienft  allein  aI|o  f^öngt  bas  Htag  ber  Dedtung  ber  £ebens- 
bebürfniffe.  Der  £ebensfttl  bleibt  berart  primitio,  ba^  aus  biefem 
(Brunbe  bie  Sxan  einen  (Eeil  bes  (Eages  für  (Erioerbsarbeit  frei  liat, 
ber  of)ne  foldjen  tote  Seit  bleibt.  Der  £o^n  bes  ITlannes  allein  bedtt 
oft  genug  bie  benkbar  befc^eibenften  £ebcnskoften  einer  5<iniilie  ni(^t. 
Sebenfalls  aber  erfc^eint  jebe  Beiferung  unb  Sidjerung  ber  materiellen 
£ebenslage  Don  ber  Steigerung  bes  £of)neriDerbs  ber  5<>*nili^  <^b* 
gängig. 

Die  n)irtf(^aftlid)e  Tätigkeit  ber  5rauen  ber  Unterfc^ic^ten  ber 
(Befellfd^aft  f}at  alfo  innerf^alb  bes  mobernen  europäifd^en  Kultur- 
kreifes  eine  neue  -  bie  britte  pf)a{e  erreicht:  3n  ber  $rüf)3eit 
iDor  fte  Arbeitsfklaoin  bes  Htannes  für  alles  unb  jebes,  oor  allem 
au(^  für  bie  Adierarbeit.  3n  ber  oorkapitaliftifd^en  Seit  Rauben  mir  \\t 
als  (Erägerin  bes  f)ausfleiges  ^auptiäd)Iid)  für  ben  (Eigenbebarf  ber 
5amilie,  unb  gelegentlid)  baneben  für  ben  Abfa^  auf  bem  ITIarkt 
probu3ieren.  3m  Proletariat  finben  ©ir  bie  (Eljefrauen  -  teiliDcije  - 
als  £o^narbeiterinnen  im  Dienft  augert)äuslid)er  Unternef)mer  mieber. 
(Ein  (Eeil  if)rer  Arbeitsleiitungen  Dergegenftänblid}t  fid)  nun  aljo  aud) 
in  (Belb,  ebenfo  mie  alle  £ei{tungen  bes  IHannes.    IDie  in  ber  Ober- 

biefe  bas  regelmögige  (Belöuerbiencn  oon  S^^au  {unb  Kinbern.  er3iDingt, 
unfre  „(Dber|d)idjt-  6a,  ©0  |ie  6as  regelmäßig«  f)alten  be3ahUer  Kräfte  für 
bie  f)ausarbett  ge|tattet.  Die  ^Ober"*  unb  bie  ^IHttteltd^id^t"  umfaffen  baffer 
icbe  ii)rerfeits  erft  red)t  gän3lid)  oerfd^tebene  dkonomifd^e  Kategorien  in  fid). 

25^ 


388    (E^eauffaffung  unb  (El^ere^t  im  Seitaltcr  bes  Rationalismus  x. 

f(^id)t  aus  etl)i{(^en,  fo  tritt  in  ber  Unter{(^i(^t  aus  öftonomifd^ 
(Brünben  nid)t  nur,  toie  in  ber  inittelfd)i(^t,  bie  ICod^ter,  fonbem  aud^ 
bie  (Ehefrau  aus  bem  {)aufe  l^eraus  unb  in  bas  (Ertpcrb§leben  ein. 

HIfo  in  allen  brei  unterfd)iebenen  $d)id)ten:  (Enttnidilung  ber  S^on 
aus  bem  {}Qu|e,  bas  il)r  nid)t  mel)r  genügenb  5n}ediDone  (Eatigfteit 
bietet,  tjeraus.  Arn  toenigften  in  ber  inittel|d)id)t:  tjier  fiann,  folange 
ber  (Ein5efi)aus!)alt  ejiftiert,  normaIern)ei|e  nur  bie  lebige  Stau  aufter» 
I)äuslid)  ercoerbstötig  fein.  Hm  quantttatio  ftörftften  toirften,  bei 
uns  in  (Europa  toenigftens,  jene  (Cenbenßen  in  ber  Unterf(^i^t,  — 
nid)t  nur,  aber  allerbings  befonbers :  im  Proletariat.  Denn  ^ier  treibt 
öhonomi|d)er  DruA  bie  (E  t)  e  frauen  3ur  £oI)narbeit.  Unb  in  biefer 
Sd}id)t  i{t  au&i  bx^  n  e  g  a  t  i  d  e  tOirftung  ber  rein  mec^anifi^en,  toeib« 
Iid}en  (Ertoerbsarbeit:  ber  Derluft  aller  S(^ulung  für  bie  eigne  f)aiis> 
t)altsfül)rung  unb  Kinberpflege,  bie  fürdjterlic^e  Deröbung  bes  fjeims 
unb  bie  Deru)al}rIo|ung  ber  Kinber,  am  ftärfeften.  flm  tDeittragenb^ 
ften  für  bie  po|itioe  Kulturenttoicfelung  i|t  anbrerfeits  oielleic^t  5er 
parallele  pro3e6  in  ber  3iffernmä6ig  unenblidj  oiel  Heineren  ©ber 
fd)id)t,  toeil  t)ier  bie  Beteiligung  lebiger  unb  oertjeirateter  Stauen  an 
aufeerljäuslidjer,  überper|önlid)er  Kultur  arbeit  in  Betrad)t  feoimiit, 
©eil  überbies  erfat^rungsgemäft  bie  Stellung  ber  Sxan  in  ben  geijtig 
füljrenben  $d)id)ten  jtark  auf  iljre  Stellung  überljaupt  3urü4u)irkt 
unb  roeil  enblid)  ber  (Einfluß  bes  (Beijtes  bie|er  Kreife  auf  bie  (bt\tfy 
gebung  nun  einmal  am  größten  ijt. 

Dergegenroärtigcn  toir  uns  nod)  einen  ferneren,  nid)t  feiten  über» 
fel)encn  Umftanb :  Ber  Hnteil  ber  S^öucn  übertjaupt  an  ber  md|t 
l)ausrDirtfd)aftlid)en  Hrbeit  ((Errocrbsarbeit)  ift  bcbcutenb :  Don  10,8 
ITIillionen  mcl)r  als  16  3a!)re  alter  grauen  roaren  im  3al)re  1895 
6,5  ITIillionen  errocrbstätig.  Dagegen  liat  bie  (Ertocrbsarbeit,  fpe3iell 
bie  auöerl)äufigc  unb  innerl)Qlb  biefer  roieber  bie  eigentlidj  inbuftricü» 
prolctari[d]e  £ol)narbeit  ber  (E !)  e  frauen  in  ben  Unterfd)id)ten  itoax 
eine  beträd)tlid)e  aber  oorcrft  fclbft  bei  uns  nid)t  biejenige  siffem« 
mäßige  (Eragrocite,  bie  il)r  3urDeilen  3ugefd}ä^t  roirb.  Don  8,8  ITIillionen 
beutfd)er  (El)efrauen  überl)aupt  roaren  1895  in  Deuttd)lanb  1,05  ITW» 
lionen  ober  ungcfäl)r  HVjO',,  erroerbstätig.  Don  biefen  roieber  ar« 
beitete  bie  grofee  ITIel)rt)eit:  615000,  in  ber  £anbtDirtfd)aft,  250000  im 
(bctoerbe,  ein  Brud)teil  bapon,  allerbings  fid}er  bie  übertoiegenöe 
ITIet)r3al)l,  als  inbuftrielle  £ot)narbeiterinnen.  Blicken  roir  nun  aber 
auf  bie  (Bebicte  mit  l}öd)ft  en  roicftelter  kapitaliftifdjer  Kultur,  fpejiell 


G.  (Ergebntffe  unö  neue  Probleme.  389 

Amerika,  fo  finben  mir,  öag  bie  toeiblid^e  £o^narbeit,  fpestell  Don  (E^e* 
frauen,  in  bemfclben  Ittage  auf  ein  Iltinimum  ftnkt,  mie  umgekehrt 
bie  (Eeilna^me  ber  5rauen  an  btn  f)öd}ften  Kulturaufgaben,  btn  freien 
Berufen,  bem  Stubium,  auf  ein  marimum  fteigt').  Amerika  ift  3U« 
glei(^  bekanntlid)  bas  £anb  ber  f)öd)ften  fo3ia(cn  Si^ö^ung  ber  $rau. 

Die  ^eute  beftef^enbe  e  f)  e  toeiblid^e  £of)narbeit  ift  in  i^rem  Um- 
fang in  erfter  £inie  „Sunktion"  ber  {)ö^e  bes  IHännerlo^ns,  in  btn 
gro6ftabtifd)en  Der()ä(tni{fen  bes  europäi{d)en  Kontinents  überbies  5^19^ 
ber  (EnttDicklung,  meldte  bort  bie  IlUetspreife  ber  n)o()nungen  unter 
bem  (Einfluß  beftimmter,  keineswegs  fd)Ie(^t^in  allgemeing&ltiger,  (Ent- 
rDi(kIungstenben5en  genommen  f^aben.  Dag  ber  Kapitalismus  ^eute 
bei  uns,  im  IDege  ber  Serfel^ung  tiberlieferter  Probuktionsformen  unb 
unter  bem  (Einfluß  ber  IDo^nungsnot,  eine  Ausbe^nung  au^  ber  e^e* 
iDeibIi(^en  £of)narbeit  3U  erstoingen  {trebt,  i|t  unbeftreitbar,  unb  ebenfo 
ift  keineswegs  fieser,  ob  jene  amerikanifc^en  Derf^öltniffe  ((Einfamilien* 
I^aus  breiter  Sd)id)ten  bes  Proletariats,  relatio  billige  Arbeiter- 
n)ol}nungen  überl^aupt)  fi(^  bort  auf  bie  Dauer  bef^aupten  werben. 
(Ebenfo  unsweifelf^aft  aber  ift  aud),  bog  {elbft  eine  Deroielfadjung  bts 
f^utigen  Ausmaßes  ber  et^eweiblic^en  £oi)narbeit  uns  nod^  nic^t  be> 
red)tigten  würbe,  fie  als  eine,  aud)  nur  für  bie  Unterfd)i(^t  {d)Ied)tf)in 
ti)pifd)e  (Er{d)einung  an3u{pred)en.  Unb  ebenfo  unbeftreitbar  ift  enb- 
lic^,  bog  jebe  ökonomifd^e  {)ebung  ber  Htaffen  ftarke  6egentenben3en 
auslöft:  IDir  finben  unter  unfren  l}eimif(^en  Derf)ältniffen  in  Stabt  unb 
£anb  gleichmäßig  bie  (Erfd}einung,  baß  bie  auffteigenben  Sd}id)ten  bes 
Proletariats  nid)ts  eifriger  erftreben,  als  bie  £osIöfung  ber  (Et^frau 
aus  bem  £of)nDerf)ö(tnis  unb  it)re  3urQdtgewinnung  für  bas  {)aus. 

Diefe  6egentenben3en  wirken  um  fo  ftärker,  als  3U  it)nen  bie 
f  a  (^  I  i  (^  e  n  !}emmungen  ber  (Erwerbsarbeit  ber  5rau  überf)aupt  treten. 
3n  allen  $d)id)tcn  ftößt  bie  5rau  bei  ibrem  (Eintritt  in  bie  ®effentli(^> 
keit  auf  3at}Ireid)e  $d}wierigkeiten,  bie  fowobi  in  it^rer  eigenen  per- 
fon,  wie  in  bm  „Suftänben",  wie  aud)  in  beu  3ntereffcn  Dritter  be> 
grünbet  ftnb. 

3n  ber  (Dberfc^idjt  fteljt  il)r  1)  ~  in  Konfequen3  ber  am  (Ein- 
gang biefes  Kapitels  fd)on  angcbeuteten  mobernen  (Entwidilung  ber 
»freien**  Berufe  eben  3U  „Berufen"  mit  langer  unb  teurer  £eljr3eit  - 

*)  3n  Deutfd)Ian6  f teilen  Don  6en  runb  25  ^\,  ermerbstätigen  S'^^uen 
nur  2,7  w^,  in  öen  freien  Berufen.  3n  Amerika  oon  btn  \A*\,  runb  10  ^'y; 
DgL  niarianne  IDeber,  «Beruf  unb  (Eiie"  S.  144  ber  „patrta".  1906 


390    (El^eauffaffung  unb  (E^erec^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  k. 

bie  tninbertDertigfeeit  itjrer  intellektuellen  (Er3iet)ung  im  IDege.  Dieje 
ift  nod)  immer  bel)err{d)t  von  ber  Dorftellung,  ba^  bie  {ogenannte  <B^ 
mütsitultur  als  Dorbilbung  für  iljren  fogenannten  „natürlichen"  Beruf 
iDidjtiger  als  bie  Derftanbes«  unb  IDillensfeuItur  fei.  2)  unterbinöd 
beim  (Eintritt  in  bie  IDelt  bie  gefellfdjaftlii^e  „Konoention"  i^r  öie 
für  btn  (Ertoerb  Don  Ccbensfeenntnis  unb  Berufsbilbung  erforberlid^ 
Beioegungsfreiljeit.  3)  mufe  fie  fi^  grabe  in  ber  ©berfdji^t  ber  fog. 
freien  Berufe  Sdjritt  für  Sdjritt  (Einlaß  in  bie  für  fie  in  Betrad^ 
ftommenben  Arbeitsgebiete  erkämpfen,  ba  bie  ITIänner  bie  fosial  ^ö(^ 
geroertcten  freien  Berufe,  ebenfo  loie  geroiffe  5ormen  allgemeiner 
Kulturtötigiteit  (Politik)  als  il}r  (Befd}Ied)tsmonopoI  in  Anfpruc^  ne^en 
unb,  mit  ber  gefeögcberifd)en  tltad^t  in  ber  tjanb,  bie  (Euren  Dor  5er 
5rau  Derfd^Iiefecn.  Dief e  nidjt  in  ber  5tau  felbf t  begrünbeten  tjemmungen 
können,  wtnn  aud)  nur  allmöl)(i(^,  übenounben  werben. 

flnbers  ift  bie  Situation  auf  btiXf  für  bie  5^QUci^  ^^  mittel« 
unb  Unterfd)id)t  in  Betradjt  kommenben,  fosial  tieferen  flrbeitsg^ 
bieten.  f)ier  finb  imax,  im  djarahteriftifc^en  (Begenfa^  3U  ben  „freien" 
Berufen,  alle  3ünftigcn  Sdjranfien  ber  Sfö^^^o^beit  gefallen.  Der 
Kapitalismus  I)at  fogar  ein  befonberes  3ntereffe  baran,  5^<iuen  in 
lüaffen  als  billige  „f)änbe"  3U  allen  Arten  berjenigen  Ceiftungen  ^ 
an3U3ie!)en,  für  rDeld)c  er  fie  3ur  (Er3ielung  Don  Profit  gebraudjen 
kann.  Dafür  roirkcn  !)ier  aber  jene  immanenten,  in  ber  perfon 
ber  Si^ou  fclbft  liegcnben  Sd)U)icrigkeitcn  ber  Si^öuenertoerbsarbeit, 
bie  in  ben  l)od)qualifi3ierten  unb  „freien"  Berufsarten  entiDeber  ganj 
aufeer  Sanktion  treten  ober  bod)  oon  geringerer  Bcbeutung  pn6. 
(Erftens:  iljr  pl)i}fioIogifd)  bcbingtcs,  geringeres  VÜa^  körperlidjcr  Kraft 
unb  il)re  ebenfalls  p!)i}fiologifd)  bcbingte,  burd)fd)nittlic^  geringere 
Hrbeitsftctigkeit  fdiliefet  bie  5rau  oon  ber  Beteiligung  an  3al)lreid|en 
Probuktions3U)eigen,  unb  ^wax  grabe  con  ben  für  bas  3eitalter  bes 
t)od)kapitalismus  oolksu)irtfd)aftlid)  entfd)eibenben  (Koljlen-  unö 
(Eifcninbuftrie,  Baugcroerbe,  grofec  (Teile  bes  Derkel^rsgeroerbes),  im 
allgemeinen  aus.  Sie  fcffelt  fie,  3rDeitens,  in  oiclen  ber  iljr  an  fid^ 
3ugänglid)en  med)anifd)en  Hrbeitsarten  an  niebrigere  Stufen  ber  Cei» 
ftungen  unb  folglid)  aud)  ber  Coljnfkala,  als  bie  im  felben  probuk« 
tionsßtoeig  tätigen  männlid)en  Hrbciter.  Drittens  beroirken  biejenigen 
erwerbstätigen  f)austöd)ter  unb  (Eljefrauen,  bie,  roeil  fie  in  i^rer 
(Ejiften3  Ijäuslid)  „oerforgt"  finb,  burd)  iljre  £ol)narbeit  nur  einen 
3ufd)u6  3um  5amilieneinkommen  3U  oerbienen  brauchen,  einen  bau« 


(i.  (Ergebniffe  unb  neue  Probleme.  391 

embeti  Cot^nbrudt  auf  bie  Derbienftd^aticen  Dteler  ber  mii^tigften  (Er* 
loerbsarten,  in  benen  S^^^uen  uberl^aupt  töttg  finb.  Diefe  bur(^QUS 
Derfc^iebene  Situation,  unter  ber  fte  fi(^  gegenüber  männli(^en  Pro- 
letariern befinben,  bilbet  eines  ber  bekannten  !}inbernine  bes  foli* 
bari{(^en  Kampfes  ber  Hrbeiterinnen  um  beffere  £o^nbebingungen. 
3n  gan3  ber  gleichen  Richtung  a>irht  es,  oiertens,  bog  bie  Ulanen  ber 
auf  med)ani{d)e  (Ermerbstötigheit  angemiefenen  5rauen,  fobalb  fie 
mütter  a>erben,  -  unb  imax  qan^  gleid)  ob  e^elid^e  ober  lebige,  - 
normaleriDeife  3um  minbeftens  seittoeifen  Hus{(^eiben  aus  ber  Arbeit 
genötigt  finb.  Duxif  btn  3a>ang  3ur  3nne^altung  bes  mannli(^en 
Arbeitstages  toürben  fie  in  einer  {(^on  rein  p^pfifc^  unerträglid)en 
Art  überlaftet  loerben.  Der  Arbeitsmedjanismus  bes  Kapitalismus  ift 
bis  je^t  no(^  fo  ftarr,  bag  er  entmeber  btn  gansen  Arbeitstag,  loie 
beim  Htann,  oerlangt  ober  nid)ts  getoaf^rt :  {)albtags{(^id)ten  für  (Ef)e« 
frauen  traben  fid)  bisl)er  nur  gan3  oereinselt  eingebürgert,  5.  B.  me^r* 
fac^  in  ber  babifdjen  3igarreninbuftrie.  Den  oollen  ntannes-Arbeitstag 
aber  kann  bie  Htutter,  toenn  fie  ni(^t  if)re  elementarften  Pflid)tem- 
pfinbungen  in  fid)  ertötet,  unmöglid)  bauernb,  oI)ne  3U  begenerieren, 
leiften.  Die  inbuftrieüe  „{^eimarbeif,  bie  nid)t  nur  oermöge  ber  „Haxn^ 
kappe"  meldte  ^ier  bie  £ol}narbeit  trägt'),  eine  f)ö(^ft  (odtenbe  5orm 
für  Derfd)ämte  Arbeiterinnen  barfteüt,  fonbern  auc^  bie  Itlöglic^iteit 
bietet,  ^äusli(^e  unb  getoerblii^e  £eiftungen  räumlich  3U  Dereinigen, 
nimmt  bemgemag  oon  ber  groginbuftrieüen  S^^iu^'i^tbeit  btn  tömen« 
anteil  für  fic^.  Aber  fie  bietet  nur  eine  Sc^ein^ilfe,  fo  lange  bie  grabe 
bei  biefer  $orm  ber  Arbeitsorganifation  [(^ranhenlofe  Uebermac^t  bes 
Untemei^mers  ni^t  -  mos  fc^on  rein  gefe^estedjnifd)  heinesmegs 
Ieid)t  3U  erreichen  ift  —  burc^  rüdt{id)t$lofe  (Eingriffe  in  bie  „Arbeits- 
freit^eit*  gebro(^en  toirb.  Der  boppelte  Arbeits3tDang,  unter  bem  babei 
bie  Stau  leibet,  ift  nod)  fernerer  unb  3eitli(^  fd^ranhenlofer ,  i^re 
bumpfe  {)ausgebunbenl}eit  unb  !}iIfIo{igkeit,  sufolge  if^rer  3{oIiertl}eit 
im  £ol}nhampf,  ^i)gieni{(^  unb  fittlid),  nodn  gefäf)rli(^er,  als  alle  IDir- 
kungen  ber  S^briharbeit. 

Die  beruflid)en  Stellungen,  in  benen  bie  $rauen  fi(^  im  gleichen 
ober  befferen  IHage  als  bie  ntänner  3U  bel^aupten  unb  beren  oolle 
Ausfüllung  fie  nid)t  nur  burd)gangsn}eife  3U  übemel^men,  fonbern  mit 
i^ren  p^i)fi{(^en  fjemmungen  bauernb  3U  Bereinigen  fi(^  imftanbe  geseigt 
^aben,  liegen  gan3  übermiegenb  auf  bem  6ebiete  ber  nid)t  eigent* 

'I  aifreb  IDeber  a.  a.  (D  S.  XI. III. 


iL 


392    (El^eauffaffung  unö  (E^ered^t  im  Seitalter  bes  Rattonalismus  x. 

H^  proIctari|d)cn  £of)narbeit.  Sie  geboren  teils  öen  freien  Bt» 
rufen  an,  teils  finö  fie  felbftänöige  bürgerlidje  ^Üa^rungen",  öie  irgcnö« 
toeld^en  Beft^  Dorausfe^en,  teils  enblic^  liegen  |ie  3tDi((^en  öer  {pe3i> 
fi|d)  moöcrnen  Illaffenarbeit  unö  btn  feleinbürgerlic^en  (Erroerbsorten, 
als  ein  l)eute  allerbings  ausgebel^ntes  ITtittelgebiet.  nun  ift  aber  öiefe 
kleinbürgerlid^e  Selbftänbigfteit  grabe  bei  ben  ertoerbenben  Srauen 
in  (Betoerbe  unb  !}anbe(  in  nod)  {d^nellerer  Abnahme  begriffen  als 
bei  bm  ITtännern.  Die  proletarifierung  ift  au(^  bas  Sdjidtfal  öer 
Blaffe  ber  ertoerbenben  S^^uen,  unb  bamit  mirb  ber  Konflikt  smifd^en 
ntutterfdjaft  unb  (Erroerb  gefteigert. 

(Es  fd}iDebt  eben  über  ber  Berufs«  unb  (EnDerbstätigkeit  ber  Stauen 
aller  Sd)id)ten  jene  I) op gelte i ti g k eit^^olles^^raiigiilebetis,  bie  5a« 
burd)  entfielet,  bafe  inuttertd)aft  -  ob  e^elidje  ober  une^eli(^e  bieürt 
fid)  gan3  glei(^  —  für  fie  pl)i)fifd),  feelif(^  unb  geiftig  nun  einmal  no^ 
malerroeife  ettoas  gan5  anbres  bebeutet  als  bie  Daterfc^aft  für  öen 
mann,  unb  bafe  bie  über  bm  Kreis  bes  fjaujes^inausgreifenbe^to« 
buktion,  fei  es  geiftiger  fei  es  ökonomifd^er  (Büter,  biefem  Umftanö  bis 
jc^t,  Don  BDcmgen  befonbers  gearteten  Berufen  abfegen,  tedjnifc^  keine 
Rcd)nung  trägt.  Denn  bie  formen  aufeerljäuslidjer  Arbeit  finb  wm 
niann  gefd)affen,  iljr  gan3er  RI)i}tI)mus  ift  auf  feinen  (Organismus 
abgeftimmt,  bagcgen  feljlt  iljnen  bie  (EIafti3ität  ber  Bewegung,  ber  fid^ 
ber  tDeiblid)c  Organismus  müljelos  an3upaffen  oermödjte. 

3m  f)inblidi  auf  bie  künftigen  inuttcrfd)aftspflid)ten  unb  fym' 
mungen  mu^  besljalb  bie  ITIeljrtjcit  ber  5rauen  felbft  jebenfalls  alle 
Hrten  med)anifd)er  (Erroerbstätigkeit  nur  als  Durd)gangsftufe 
3U  einer  (Et)c  betrad)ten,  in  rDcId)cr  ber  ITIann  itjnen  ben  ökonomijcben 
3u)ang  ba3u  abnimmt,  ~  eine  Dorftellung,  bie  fid)  oon  Dornljerein 
als  nictjltau  auf  il}rc  Berufstüdjtigkeit  unb  Strebfamkeit  legt. 

Dag  bei  uns  bie  5rau  oom  20.  bis  3um  50.  3aljre  3u  58% 
eljelos  ift,  oom  30.  bis  50.  3al}re  nur  3U  23  %  unb  oom  50.  3al|r 
an  roieber  3U  50%,  -  bies  bebeutet  ein  annäl)ernb  ebenfo  ftarlies 
Sd)rDankcn  minbeftens  iljrer  au6crl)äuslid)en  (Erojerbstätigkeit,  ba  5ie 
3at)l  ber  in  freien  Berufen  Bcjd)äftigten  bei  uns  nur  roenige  5c!)n« 
taufenbe  beträgt.  Der  (Erujerb,  iebenfalls  ber  aufecrljäufige  (Erroerb, 
ift  in  crftcr  £inic  bas  Problem  ber  nod)  £ebigen,  bann  roieber  öer 
tDitroen,  in  weitaus  geringerem  TTTafee  nod)  t)eute,  aud)  in  btn  bepS* 
lofen  $d)id)ten,  ber  (Eljefrauen.  lDäl)renb  1895  oon  ben  (El^efrauen, 
roie  roir  faljen,  12  "  <»  als  überljaupt  erwerbstätig  ge3äl)It  wuröen, 


Ci.  (Ergebniffe  unb  neue  Probleme.  393 

OHiren  es  44  "/o  ber  IDittDeti  unb  67  ^/o  ber  e^emunbtgen  febtgen. 
Runb  einer  Itltllion  ertoerbstätiger  (Ehefrauen  ftanben  1895  faft  eine 
mtUton  erwerbstätiger  IPitmen  unb  4^2  ITlillionen  lebiger  $rauen 
gegenüber.  IDenn  man  b^n  Prosentja^  ber  Dere^elid)ten  Stauen  einer- 
leits,  ber  eriDerbstötigen  anbrerfeits,  burc^  bie  Altershlaffe  oerfolgt 
unb  in  Kuroen  barftellt,  u)ie  S^^^  (Bnaudt  es  in  inftruhtioer  IDeife 
getan  ^at,  fo  seigt  fi^,  bag  öiefe  Kuroen  yaoax,  ba  au(^  (Ei^efrauen 
erwerbstätig  finb,  nic^t  gan3,  aber  bo(^  annöf^ernb,  grabe  entgegen- 
9t\ti^t  3u  einanber  Derlaufen.  (E()e  unb  (ErtDerbsarbeit  erfe^en  ein- 
anber.  3n  Preußen  maren  oon  ben  1881-86  in  bie  (E^e  getretenen 
5rauen  51,53  >  f}austöd)ter  unb  Beruf lofe,  0,27  "lo  Rentnerinnnen, 
ber  Heft  -  48,2«»  -  erroerbstätig ,  barunter  25,09%  als  Dienft- 
mäbd)en.  6en}erblid)e  Arbeiterinnen  maren  bamals  nur  17,5"!  o.  fftuit 
iDurbe  bas  Bilb  loefentlid)  anbers  ausfegen.  - 

IDie  loirht  nun  unter  biefen  Derf^ältniffen  bie  Derfled)tung  ber 
5rau  in  ben  auger^öuslic^en  Arbeitsproseg,  bie  für  fie  felbft  toie  für 
bie  <BejeUf(^aft  fo  oiele  neue  Probleme  entf^ölt,  auf  i^r  Der^ältnis 
3um  manne?  (Eine  einbeutige,  einfa^e  Antmort  barauf  ift  3ur3eit 
unmögli(^.  Dag  etma  bas  neue  Steigen  if)res  öhonomt{(^en  „Xtu^* 
toerts"  unb  beffen  Berec^enbarheit  in  barem  6e(be  unmittelbar  bie 
f03iale  Sd^ö^ung  if)res  6ef(^Ied)ts  emporl^ebe,  ift  nac^  allen  gefd)i(^t- 
Itd)en  (Erfahrungen  ni(^t  loa^rfd^inlic^  unb  aud^  an  btn  (Eatfac^en 
nic^t  nadjmeisbar.  Dem  iDirhen  gemiffe  offenhunbige  fjemmungen 
entgegen.  3n  btn  {0310!  l)öd)ftgeiDerteten  (Ertoerbsarten  tritt  fte  fak- 
tif(^,  unb  in  ben  me(^anif(^en  toenigftens  |(^einbar,  als  ^.Konhurrentin" 
bes  niannes  auf.  Unb  babei  erjd)eint  fie,  namentlich  in  ber  Spl}öre 
ber  ITIaffenarbeit,  oom  ntannesftanbpunht  aus  als  minbermertige 
Konkurrentin  unb  £ot)nbrüdierin ,  bie  analog  btn  Arbeitern  bebürf- 
nislojerer  Raffen:  Regem  unb  Kulis,  nur  oermöge  it^rer  größeren 
Billigkeit  unb  Sugfamkeit  überhaupt  konkurren3fä^ig  ift. 

StDor  ift  bie  Rid)tigkeit  ber  Bef^auptung,  bog  bie  S^^^uenent- 
to^nung  bei  gleicher  £ö{ung  generell  niebriger  jei,  beftritten'). 

>)  neuere  Unterfud^ungen  |d)einen  aud)  3U  eripeifen,  60^  pon  einer 
faktifdjen  Derbröngung  6er  Illänner«  öurd)  St<>uenarbeit  nur  in  einjelnen 
Teilgebieten  ber  ^rn^erbstätigkeit,  ntd}t  aber  im  großen  unb  ganjen  bie 
Rebe  |ein  kann,  ba  tatjäd)lid}.  mentgftens  in  Deut{d)lanb,  naijeju  alle  per« 
fügbaren  mönnlidjen  (Arbeitskräfte  Don  ber  Dolks0trt{d>attlid}en  probuktion 
abforbiert  finb.    -   Dgl.  be|onbers  Blice  Salamon  a.  a.  (D. 


394     (El^eauffaffung  unb  (E^erec^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  k. 

Aber  umfo  toeniger  kann  Don  einer  allgemeinen  (Bleic^mertig« 
fteit  il)rer  £etftungen  mit  btntn  bes  Illannes  bie  Rebe  fein,  unb  btes 
tDürbe  aud)  bann  nid)t,  ja  no(^  weniger  als  \t^t,  ber  S<^U  fein,  metm 
man  —  ettoa  burd)  !}albtagsfd)i(^ten,  toeiteftge^enbe  Sd)u^ge{e^e  füi 
5raucnarbeit  u.  bgl.  -  ein  fpe3ienes,  iljnen  angepaßtes,  Arbeits- 
fi)ftem  unb  Arbeitsrei^t  für  fie  {d)üfe.  Sie  würben  fteinenfaüs  qt» 
n  e  r  e  11  gIeid}U)erttge  Konfturrenten  bes  Illannes  werben,  unb  bes» 
I}alb  bleibt  bie  f)offnung,  man  Könnt  i^re  fosiale  (5lei(^f(^a^ung  auf 
öhonomi{(^  gleid^e  £eiftungen  ober  gleid^e  (Ertoerbs^ancen  auf  bem 
Rrbeitsmarftt  grünben,  tin  für  allemal  eine  Utopie.  Rud)  ba  aber, 
wo  im  (Einselfall  bie  £eiftung  ber  Arbeiterin  ber  i^rer  Arbeitskollegen 
gIeid}3uftommen  ober  fie  3U  übertreffen  oermag,  ift  ein  b  a  r  a  u  s  ^ 
Dorgel)enbes  jpesifif d^es  Kamerabfd^aftsgefü^I  auf  feiten  bes  Rtannes  bb 
je^t  keineswegs  3U  bemerken.  2^  Gegenteil.  Die  mannli(^e  (6ef(^Ie(^tS' 
eitelkeit  wiberftrebt  3.  B.  im  Proletariat  fo  gut  wie  in  ben  bürger* 
lid^en  Sd)id)ten  ber  Unterorbnung  unter  weibli(^e  £eitung  einftweilen 
aud)  ba,  wo  biefe  fad)Ii(^  begrünbet  ift :  3n  ber  Iltab^enfc^ule  eben- 
fo  wie  in  ber  5^6^i^r  ^0  [\&i  ber  männliche  £o^narbeiter  —  wie  bie 
neueren  Unterfud)ungen  3eigen  -  meift  ebenfo  weigert,  eine  5^01 
als  Dorarbeiterin  an3uerkennen,  wie  ber  mannli(^e  Beamte  fi^  fträubt, 
eine  nod)  fo  tüd)tige  Beamtin  als  „Dorgefe^te"  fic^  gefallen  3U  laffen*). 

Aud)  bie  (£atfad)e,  bog  bie  (E  l)  e  frauen  (ebenfo  wie  bie  Kinber) 
(Belb  oerbienen,  l)ebt  nid}t  fd)on  an  fid)  i(}re  f03iale  Sdjö^ung  ober 
iljre  Stellung  innerljalb  ber  (El}c. 

Allcrbings  kann  bie  Aufeenarbcit  ber  5^Quen  mittelbar  ftark 
auf  bie  (Elje  einwirken  unb  3war  ebenjowoljl,  wenn  fie  nur  oor,  als  wenn 
fie  wäljrcnb  ber  (Elje  geübt  wirb.  Die  für  Beruf  unb  (Erwerb  gefc^ulten 
Srauen  finb  geiftig  wie  ökonomifd)  oon  ber  Ilotwenbigkeit,  bie  (El|e 
als  wirtfd)aftlid)e  ücrforgung  ober  als  £cbensaufgabe  3U  erftreben, 
unabljängiger.  Sie  erringen  baburd)  eine  größere  ID  a  l)  I  freiljeit  un5 
bie  ITTöglid)keit,  nur  fold)e  ITIänner  3U  (Batten  3U  wäljlen,  beren  (El)«» 
auffaffung  unb  fittlid)e  (Qualitäten  iljnen  oon  oornljerein  eine  gewific 
(Garantie  für  bie  Ad)tung  iljrer  perfönlid)kcitsred)te  bietet.  Die 
weiblidje  (Befd)lcd)tslicbc  unb  ber  IDillen  ber  Jrau 
3ur  (El)efd)licßung  können  burd)  iljre  geiftige   unö 

*)  Die  fdjöncn  Unterfud)ungen  öcr  baöi|d)en  Sabrihinfpektorin  Dr.  lUarit 
Baum  a.  a.  0.  S.  46  geben  für  6as  (Eine,  il^re  eigenen  Sd)idtfale  in  ber 
ba6ifd)en  3n|pektton  für  6as  Anbre  kla||ifd)e  Beifpiele. 


(i.  (Ergebnilfc  unö  neue  Probleme.  395 


ölionomtf(^e  Selbftanöigkett  in  3unel)men5em 
niage  oon  l^eteronomen  motioen  befreit  toeröen. 
Unö  öies  Htoment  h  a  n  n  {otDof}!  bas  n)ad}fen  ber  (El^fittUd)keit  bret* 
ter  Kreife,  toie  aud)  öie  Derid}tebung  if)rer  inneren  Struktur  3u  gunften 
eines  größeren  (5(eid}geiDid)ts  bes  inad)tDerf)äItniffes  ber  0)atten  möd}- 
tig  föröern.  Denn  forool)!  öie  Srauen  befi^enöer  Kreife,  bie  Dor  ber 
(El)e  eine  jt}ftemati{d}e  Berufs{d}ulung  geiftiger  ober  {on|t  qualifi3ierter 
Art  erroorben  Ijaben,  ©ie  biejenigen  bep^Iofer,  bie  als  lebige  flrbei» 
terinnen  jaf^relang  bm  {)unger  unb  eoentuell  aud)  bie  „Siebe"  tDoi)I 
ober  übel  auger  ber  (E()e  befriebigen  lernten,  toerben  nic^t  nur  in 
bem  (Ent{d}Iug  3ur  (Ef)e{(^Iiegung  innerlid)  freier  unb  Dorft(^tiger,  in 
bem  (Entfd^Iug  3ur  (El)efd)eibung  kütjner  fein :  Sie  merben  [idi  au^ 
bem  einmal  ermöf^Iten  (bauen,  folange  bie  (E()e  beftef)t,  nid)t  mef)r  fo 
lelbftDerftänblid)  unterorbnen  mie  bie  lebensunkunbigen  {)austöd}ter. 
3n  bcn  intellektuellen  Kreifen  toirkt  eine  oertiefte  geiftige  Ausbilbung 
ber  5^<iu  unb  it^re  (Eeilnal^me  an  öffentlid}er  Kulturarbeit  oor  allem 
in  ber  Ridjtung  perfönli(^er  ^(Emanzipation".  Die  enDerbstätigen 
5rauen  (unb  ebenfo  bie  ertoerbstötigen  Kinber)  merben  überbies  nad^ 
iDenigftens  teilmeifer  eigner  Derfügung  über  it^r  [elbftoerbientes  (hdb, 
nad^  einem  gemiffen  6rabe  „ökonomi{d)er  (Eman3ipation''  oom  (Katten 
unb  Dater  ftreben.  An  bem  Betougtfein,  n'xd^t  nur  bnxd^  unbemertbare 
Arbeit,  fonbern  aud)  burc^  Bargelb  3um  5<2^ili^nunterf)alt  beitragen, 
ja  fid)  eoentuell  gan3  oi)ne  Beil)ilfe  bes  IHannes  burd}f(^lagen  3U 
können ,  mug  bas  Selbftgefäl}l  ber  aust^äufig  arbeitenben  $rauen 
mächtig  erftarken.  (Es  jd}n)inbet  {on)ol)l  bie  Dorftellung,  bog  ber 
(Batte  naturnotioenbig  ber  „(Ernät^rer"  unb  b  e  s  Ij  a  l  b  il)r  f)err, 
mie  bog  er  als  ITIann  naturnotioenbig  ber  an  (fieift  unb  IDeltkennt- 
nis  Ueberlegene  fei.  (Es  fteigt  bie  inöglid)keit,  [xdi  brutaler  Bel)anb'  | 
lung  burd)  Slud)t  aus  ber  Ijäuslidjen  (ßemein[d)aft  3U  ent3iel)en.  (ban^ 
3U)eifellos  kann  alfo  bie  Aufeenarbeit  ber  5^QU  ^^^^  S^^^^  ^o"  ^^' 
pfinbungen  auslöfen,  bie  il)re  (Eljegebunbenljeit  lodern  unb  bcn  (El^« 
Patriard)alismus  3erje^en. 

Anbrerjeits  aber  gibt  ber  totjnerioerb  oon  Sxan  unb  Kinbern 
bem  (Ei^emann  unb  Dater  aud),  toenn  er  bie  nötige  Brutalitat  beft^tr 
bie  faktifc^e  ITIöglic^keit,  [w  ftatt  feiner  für  ben  5<i^iIi^nunterl)aU 
„radtem"  3U  laffen,  feinen  eignen  Derbienft  aber  für  fein  Dergnügen  3U 
i>erbrau(^en.  3n  Kreifen  oon  Berliner  (Heimarbeiterinnen  foll  es  3.  B. 
gan3  üblid}  fein,  ba%  ber  Htann  lebigli(^  bie  IDot^nungs-Itliete  3a^lt, 


I 


iL 


396    (E^eauffaffung  unb  (EI)ere^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  k. 

5tau  unb  Kinber  aber  alles  anbete  beftreiten.  3"  Sisilien  ©uröen 
bie  Kinber  bis  oor  feursem  Don  iljren  Datern  in  bie  Sdjioefelgruben 
Demtietet,  unb  in  btn  amertkanif(^en  Sübftaaten  toerten  fie  nod}  ie|t 
im  sarteften  Alter  in  bie  Sö^^hen,  benen  ber  toeige  mann,  bcr  öie 
Arbeit  als  Ilegerberuf  oerac^tet,  gern  fernbleibt,  gegeben,  toäl^renb  i^re 
Dätcr  pd)r  Don  bicjer  Rente  lebenb ,  oft  faulen3enb  herumtreiben. 
IDeI(^er  biefer  oerfd^iebenen  mögli(^en  (Erfolge  eintritt,  ^öngt  aI|o  nii^ 
einfad)  oon  ber  unmittelbaren  IDirftung  bes  Kapitalismus  ober  über> 
^aupt  ber  materiellen  Derl}öltniffe  ab.  Der  Kapitalismus  (einer* 
feits  I)atte,  am  ftörhften  in  btn  oberften  unb  unterften  Sd^ic^ten  unfm 
(Kefellfd^aft,  Konflikte  gefd^affen  smifi^en  ben  eng  egoiftif(^en  ,öko* 
nomijd)en"  unb  „(Be|d)led)tsl)errfd)afts"»3nterefjen  bes  ITlannes  auf  ö<r 
einen  Seite,  bem  erioai^ten  Selbftgefü^l  ber  Jrau  unb  ben  eignen 
ibeellen  3ntereffen  bes  ITlannes  als  (Batte  unb  Dater  auf  ber  anberen 
Seite.  IDie  biefe  Konflikte  gelöft  mürben,  baran  mar  ber  Kapitalis' 
mus  als  fold)er  nidjt  meljr  interejfiert. 

(Es  l)anbelte  fi(^  bei  ber  re(^tlid)en  Be^anblung  biefer  Probleme 
-  3umal  ja  bie  betroffenen  S^^ucn  [elbft  loeber  an  ber  Bilbung 
ber  öffentlichen  ITIeinung,  noä^  oollenbs  an  ber  Bilbung  bes  Red^tes 

X  beteiligt  loaren  -  um  bas  tDadjrufen  n  i  (^  t » wirtfc^aftlii^er  in 
biefem  Sinne  alfo  „ibealer",  Sektoren  3um  Kampf  gegen  bie,  mit  bem 
Kapitalismus  als  fold)em  auf  bas  oortrefflidjfte  ^armonierenben,  ja 
Don  if)m  gejd)affcnen ,  rein  materiellen  3ntereffcn  bes  ITlannes. 
Das    (Eingreifen  ber  mobcrnen  (Bcje^gcbung    erfolgte  als  Reaktion 

/  I  gegen  ben  Kapitalismus :  bie  mobernen  Kinber jc^u^beftimmungen 
in  ben  Hrbeiterjd)u^gcje^en  roenben  fid)  gegen  bie  inbuftrielle  Aus» 
beutung,  bie  5ÜT^|oi^gß'^ni^^""9sgc|ßÖ^  forooljl  gegen  bie  aufeer^äus» 
lid)e  fittlid)c  (&efäl}rbung  bes  fid)  fclbjt  überlafjencn  proletarijdien 
Strafeenkinbes ,  roic  aud)  gegen  jeine  fittlidje  (Bcfäljrbung  bur^  öie 
eignen  (Eltern.  Bcibe  bebcuten  eine  Bejd)ränkung  ber  Däterlid)en  (^» 
roalt  im  3ntcreffc  ber  Kinber. 

Die  Hrbeitcrinnenjd)u^gejc^c  anbrerjeits  bejdjränken  bie  S^eil^^it 
ber  5  r  a  u ,  fid)  nad)  itjrem  Belieben  oom  Kapitalismus  ausbeuten 
unb  pl}i}|ijd)  begencrieren  3U  laffen,  joa)ol)l  in  i^rem  per(önlid)en  roie 
im  3ntcrejje  itjrer  Kinber  unb  im  ibeellen  3ntereffe  bes  (Eljemannes. 
Die  Sulajjung  ber  5tau  5U  fo3ialpoliti[d)en  3nterenen«Derbänben,  Der» 
jammlungen,  3u  (&enofjenjd)aften,  Sparkafjcn  (3talien,  Jrankreidj,  Bei» 
gien)  unb  ber  Sonbergutsdjar akter  itjres  Hrbeitsoerbienjtes  bebeuteten 


^  L 


('.  (Ergebniffe  unb  neue  Probleme.  397 

eine  (Etnfd^rönkung  ber  ef^ef^errltd^en  bemalt,  tDteberum  im  3ntereffe 
oon  S^au  unb  Kinbern  unb  gegen  bie  materiellen  3nterenen  bes 
niannes.  3n  anbren  SäHen  mieber  ftüftt  bie  6e|eftgebung  bie  Autorität 
ber  (Eltern,  ipe5ien  bes  Daters.  So  3.  B.  ber  §  119ji  ber  beutjdjen 
(Bemerbeorbnung,  meldier  (Hr.  2)  ortsftatutarifd)e  Beftimmungen  bes 
3nf)alts  geftattet,  bog  bie  £of)n3af)Iung  für  minberjäf^rige  Kinber  im 
Smeifel  an  beren  (Eltern  ober  Dormünber  5U  leiften  fei.  Dabei  mirb 
anbrerfeits  im  beut{d)en  mie  in  anbren  mobemen  (Belegen  ber  Arbeits- 
Derbienft  aud)  bes  f)aushinbes  fein  perfönlid^es,  oom  Dater  nur  3U  per* 
loaltenbes,  nid)t  aber  feiner  Itu^niegung  unterliegenbes  Dermögen.  Diefe 
offi3iene  Redjtslage  mirb  burd)  jene,  3ur  Derf)ütung  planlofer  Der- 
geubungen  feitens  Unern)ad}fener  getroffenen,  Beftimmungen  fid^erlid) 
fef)r  oft  3U  Ungunften  bes  f)aushinbes  il(uforifd)  gemad)t.  Denn 
ber  Dater  bes  nod)  unmünbigen  Arbeiters  mirb  fd)tDer(id)  regelmäßig, 
mie  er  gefe^lid)  follte,  beffen  Cot)n  auf  bie  Sparhaffe  tragen.  ITIan 
flef)t  jebenfalls :  eine  einf}eitlid}e,  auf  eine  einfädle  Sormel  3U  bringenbe 
(Eenbenj  3ur  Umbilbung  ber  inneren  S^vriili^noerfaffung  liegt  in  biefen, 
oielfad)  überöies  nod)  unentfd^Ioffen  taftenben,  (Eingriffen  nid)t.  Das 
(Eine  nur  ftef)t  feft :  fie  gelten  oon  mefentlid)  anberen  (F)efid)tspunhten 
aus  unb  traben  mefentlid)  anbere  Perfpehtioen,  als  bie  alte  Itatur* 
red^tslef^re  in  it^rer,  nad)  bem  Sufammenbrud)  bes  rationaliftifd^en  „VOo^U 
faljrtsftaates"  Dorljerrfd^enben ,  liberalen  Sorm  fie  kannte.  Die  Pro- 
bleme [xnb  tcilmeife  neu,  bie  gefamte  fahtifd)e  Situation  ift  oerfd^oben, 
unb  ber  (blaube  an  bio  „natürlidie"  3"tereffenbarmonie,  an  bie  ^na» 
türlidje"  fittlidje  Befähigung  ber  Snbioibuen  als  fold^er,  ift  baljin. 
Sinb  besf)alb  aud)  bie  letzten  3beale  ber  nüturred)ts3eit  für  bie  5ontilie 
auf)er  Kurs  gefegt?  lUan  hönnte  es  glauben,  menn  man  bie  ftarke 
IDanblung  beobadjtet,  ipeld^e  bie  prin3ipielle  BebanMung  gefer^ge- 
berifd^er  Sragen  im  Derlauf  bes  19.  3ül}rl)unberts  burd}gemad)t  hatte, 
fd)on  ef)e  bie  gan3  neuen  fo3ialen  Probleme  am  Ijori3ont  erfdjienen. 
Diefe  IDanbliing  ftellt  fid)  bar  als  ein  Probukt  unter  einanber 
ljöd)ft  oerfdjiebener  (Triebkräfte.  Die  eine  baoon  ift  bas  mädjtige 
(Ermad^en  bes  h  i  ft  0  r  i  f  d)  e  n  Sinnes  gegenüber  bcn  abftrakten 
Konftruktionen  ber  llaturrevljtscpodie.  3n  Deutfdjlanb  voudis  bie  ihm 
günftige  Stimmung  aus  jener  allgemeinen  (Peiftesoerfaffung  heraus, 
n)eld)e  3uerft  in  ber  ^^Romantik"  il}ren  literariid}en  unb  künftleri^d^en 
Ausbrudt  fanb.  Der  Hüdt)d}lag  gegen  bie  Heoolution  unb  bie  fron* 
3örtfd}e  5^^*^^4<fTf<^-ft  traten  f)in3u,  ebenfo  bas  (Entfteben  einer,  ber 


<, 


398    (Ef^eauffaffung  unö  (E!)ere^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  x. 

gciftigcn  Dur^öringung  öcs  ^iftorij^  gegebenen  Rechtes  3ugetDenbeten, 
tDiffenj^aftU^en  3urispruöen3. 

6Ieic^  na^  öen  Stei^citsftricgcn  proklamierte  öie  ^iftorif(^e 
Re^tsjc^ule  (SaDigni),  (Eic^^orn,  6ö|d)en,  (Brimm  u.  cl)  öen 
Kampf  gegen  öie  Haturre^tsle^re.  Dem  (Blauben  an  öie  Iltöglid^keit 
eines  für  jeöes  Dolft  unö  jeöe  3eit  allgemeingültigen,  öur(^  öie  Der« 
nunft  3U  entl^üdenöen,  Rechts  {e^te  fie  öie  an|(^auung  entgegen,  5a| 
öas  Rec^t  ge{c^id}tlic^es  (Erseugnis  öes  menfc^Iic^en  6emeinf(^aftslebens, 
feine  (Entroicfelung  ein  (Eeiloorgang  öer  allgemeinen  Kulturentipidthmg 
fei,  folgli^  {eine  nationalen  Derf^ieöenl^eiten  unö  (Eigentümlid^keiten 
als  Sd)öpfung  öes  nationalen  „Dolfisgeiftes''  ßu  merten  unö  ßu  kon« 
jeroieren  jeien.  (Es  ift  Mar,  öaft  öie  metapf|t)jt{(^e  Deutung  unö 
t}i]pottafierung  öes  3nbegriffs  einer  ftonftreten  Kultur  als  ^Dolfesgei^* 
unö  öie  fluffaffung  öes  geltenöen  He^ts  ais  einer  itmanation  aus 
öiefem  get^eimnisoollen  Urquell  jeöes  Streben  ßur  prinsipieUen 
Umbilöung  öes  befte^enöen  Redjts  ^emmen  mußte.  Die  nidjt  offi3ielIe, 
n)ot)(  aber  ftill{^tx)eigenöe,  Anficht  SaDigni]'s  war  öie,  öag  Koöifthationen 
{d}on  als  {oId)e  überhaupt  ein  Uebel  {eien.  Die  S(^a^ung  öes  (bt» 
n)ot)n!)eitsred)ts,  als  öes  „organifc^  (btxDOxbmn**  im  (Begenfa^  ^nm 
„hünftli^  (öurd)  6e{e^e)  6ema^ten'',  als  öes  unn)il(kürlid}en  unö 
öes!)alb  getreuen  flbbilöes  öer  Redjtsüberßeugungen  öer  „Dolfesjeele" 
^ängt  ebenfalls  mit  jener  (El^eorie  ßufammen.  (Es  ergab  ftd)  öaraus 
für  Red)tsix)iJJenjd)aft  unö  (Beje^gebung  öie  Direktioe,  jeöe  Iteubilöung 
möglidjjt  an  öas  oorljanöene  Red)t  an3uglieöern ,  unö  öie  Heigung, 
aus  öen  Redjtsiöeen  öer  Dergangenljeit  3U  (djöpfen  unö  fid)  auf  oor« 
fidjtige  Sortbilöung  öes  Befteljenöcn  3U  bej^ränken,  öa,  toie  Samgnij 
jagte,  in  öcm  3u(ammenljang  mit  öen  urjprünglid^en  3uftänöen 
öer  Dölkcr  iljre  Ccbenskraft  bcrulje.  Seljr  d^araftteriftifd)  für  öie 
innere  Sd)ix)äd)c  eines  Joldjen  [pc3ifi|d)  Ijiftorifdjen  Stanöpunkts  wax 
es  öabei  freilid),  öa^  alsbalö  inncrijalb  öer  ^ijtorijd^en  Sd^ule  fclb[t 
öer  Streit  über  öen  IDeg,  öen  öie  „organijdje"  (Entmidilung  öes  öcut» 
jdjen  Rcd)ts  ein3u[d)lagen  Ijabe,  entbrannte :  Sie  fpaltete  \\d)  in  einen 
„romaöJltildjen"  unö  einen  „germanijtijdjen"  Slügel. 

IDäljrcnö  öie  (Bcrmanif ten  mit  5cm  (Bcöanken  öer  fpe3ifi(d)  öcut» 
|d)en  „Dolks|ceIe"  (Ernft  madjten,  jaljen  öie Romani(ten  unter  Saoignn's, 
öes  Sdjöpfcrs  öer  Ijijtorildjcn  Sdjulc,  Süljrung  öercn  bejonöere  (Eigenart 
öarin,  öa^  fic  fid)  öas  juriftifd)  ooUkommcncrc  römifdje  Redjt  angeeignet 
unö  mit  iljrem  eignen  primitiocren  (Berooljnljeitsredjt  Der|d}mol3en  fyxU. 


(t.  (Etgebniffe  unö  neue  Probleme.  399 

niQnd^e  tf)rer  Süt^rer  ftrebten  nad)  öem  in  6er  (Fat  oölltg  unl)tftorifd)en 
3tel,  ÖQs  «reine"  römifd^e  Hed)t  von  öen  (Entfteüungen,  meldte  „öie 
Unkunöe  unö  Dumpff^eit  literorifc^  {c^Ied)ter  Seiten"  if}m  sugefügt 
^aben,  3u  fäubern.  Pud)ta  galt  öann  fogar  öas  römifd^e  Hed)t  im 
(Brunbe  als  öas  {pe3tfi|d)e  IDeltrec^t,  öas  Anfprud)  auf  Allgemein- 
gültigheit unb  Alletnt}err|d)aft  f)abe.  (Er  f}ob  bamit  im  Prin3ip  öas 
5unöament  öer  f)tftori{d)en  Hed)ts{d)ule:  öen  6lauben  an  ben  abfoluten 
(Eigenmert  nationalen  Hed^tsbemugtjeins,  ooüenbs  aus  ben  Sugen,  mäf)- 
renb  bie  6crmani{ten  bem  gegenüber  oft  bie  (Erf)altung  oon  allge- 
mein im  ITIittelalter  unö  auc^  fonft  bei  btn  oerfd^ieöenften  Dölhern 
gültig  gemefenen  Hed)tsformen,  nur  m  e  i  l  fie  aud)  öer  eignen  natio- 
nalen Dergangenl^eit  angel^örten  unö  öesf)alb  ipe3ifi{d)  „beutfd}" 
er|d)ienen,  erftrebten. 

lDäl)renb  bie  romantifd^e  (Et^eorte  oon  ber  Dolhsfeele,  bas  ba* 
raus  t}erDorget}enbe  Suchen  ber  3öeale  in  ber  Dergangent^eit  unb 
anöere  |pe3tfi(d)e  (Eigenarten  öer  l)iftori{d)en  Hed)ts{d)ule  lange  Seit 
n)e|entlid)  in  Deut|d)lanö  il^ren  Si^  trotten,  mar  öas  3unef)men  öes 
„l)iftori[d)en  Relatioismus"  in  leinen  oerfdjieöenen,  Ijier  nidjt 
3U  {d)ilöemöen  Ausprägungen,  eine  allgemeine  (Erfd^einung  innerhalb 
ber  geiftigen  Strömungen  bes  19.  3al)rf)unberts.  IDeil  unfre  etf}i{d)en 
Poftulate  f)iftorijd)  „getDorben"  finb  unb  alfo  nid^t  immer  fahtifd^ 
als  normen  gegolten  traben,  besf)alb  mürbe  be3meifelt,  ba^  ber  6e- 
banke  il)rer  normatioen  „(Geltung"  überhaupt  Sinn  f)abe:  mos  ge- 
fd)id)tlid)  gemorben  ift,  er|d)ien  als  prin3ipiell  gleid)  mertooll.  Die 
ein3ig  mirklid)  konfequente  Solgerung :  Aufgabe  alles  ^tDollens" 
Don  3öealen,  muröe  meift  abgelet^nt  mit  öer  IDenöung :  öag  fid)  öas 
3U  IDollenöe,  öas  3öeal,  eben  „entmidteln"  muffe,  ftd)  aus  ber  t}i{to- 
ri|d)en  ^»Situation"  ergebe. 

f)iermit  mirb  aber  ber  ^^i|tori{d)en  (Entmidtluug"  etmas  3uge- 
mutet,  mos  fie  nid)t  leiften  kann.  Die  (^e|d)id)te  ,,entmidtelt"  bas 
f)öd}ite  mie  bas  Hieörigfte,  unö  mos  öas  eine  oöer  öas  anöre,  öas 
(5e{ollte  oöer  nid)t  (^ejollte  {ei,  ijt  aus  f}i|torijd}en  (Iat)ad}en  allein 
oöer  aus  öen  jemeiligen  Durd)|d}nittsmeinungen  f}i|torijd)er  inenfd)en  in 
öer  (Eat  niemals  ab3ule[en.  ^ier  entfdjeiöet  un[er  6eroiiien.  Unö  öie 
Befinnung  öarauf,  öafj  aud)  öiejes  unfer  eignes  „IDollen*'  pdj  „ent- 
midtelt"  t^abe,  unö  m  i  e  es  ftd)  entmidtelt  t^abe,  beantmortet  bie  gan3 
anbre,  mit  prin3ipiell  anören  ITIitteln  3U  löjenöe  S^age  nidjt :  mos 
mir  öenn  mollen  (ollen?    IDer  öie|e  5^ <^9^  überl^aupt  ftellt,  aud^ 


400    (E^eauffaffung  unö  (E^erec^t  im  Seitalter  öes  Rationalismus  x. 

nur  für  fi^  felbft,  für  btn  i{t  öer  Relatioismus  {(^on  öaöur(^  oUeiii 
erlebigt.  (Es  mirb  it)m  ntd)t  einfallen,  5U  beftreiten,  bag  bie  (Be{d)i<j^ 
uns  immer  neue  Situationen  aufrollt  unb  bamit  immer  neue  pro« 
b  I  e  m  e  {teilt,  bie  neue  Antioorten  oerlangen,  toeil  fie  burd^  bie  alten 
normen  nid)t  gebedit  merben,  —  genau  mit  bies  bei  ber  Cntioiddiiiig 
ber  IDiffenf^aft  ber  5^0  i|t.  (Ebenfoioenig  toirb  er  beftreiten,  ba^ 
un{re  fittlic^en  Ueberseugungen ,  gans  toie  unfer  toiffenf^aftlid^es 
tDiffen,  ber  {tetigen  DerDoIIhommnung,  ins  Unbegrenste  hinein,  fö^ig 
unb  bebürftig  finb,  ba^  mir  Don  keiner  in^altlid^en  Ausprägung 
eines  fittli^en  (Gebotes  {agen  können,  ba%  fie  enbgültig  fei.  Aber 
ebenfo  toirb  er  baran  feft^alten,  bag  lebiglid)  bie  (Erkenntnis  eines 
neuen  (bebots  als  bes  Ausbrudis  einer  fittlid)  ^ öderen  IDa^r^t 
uns  bie  alten  normen  als  unoerbinblic^  ertoeifen  kann,  niemals  aber 
kann  bies  ber  relatioiftifd^e  f)intx)eis  barauf  leiften,  bag  eine  fittlid^e  norm 
nid)t  immer  unb  nid)t  überall  für  per6inbli(^  gef)alten  iDorben  fei, 
fo  menig  mie  ber  Umftanb,  bog  ein  natunx)i{fenf(^aftli(^er  £ef^rfa| 
nid)t  immer  erkannt  war,  an  feinem  n)a^r^eitsn)ert  etmas  önbert 
Unb  DoIIenbs  bie  „t)i{torifd}e  Situation''  mxxb  er  nur  als  ettoas  an> 
erkennen,  mit  bem  roir,  fei  es  als  tjemmnis,  fei  es  als  mittel,  bei 
bem  Ringen  um  unfre  3beale  3U  r  e  d)  n  e  n  ^aben,  niemals  aber  als  eine 
(Quelle,  aus  ber  roir  bie  (Erkenntnis  bejfen,  mas  fein  „foll",  fdjöpfen 
können.  Die  (Erkenntnis  ber  (E  a  t  f  a  d)  e  3eigt  unferm  Blidi  nur  ben 
U)  e  g ,  ber  3um  3icl  füljrt,  niemals  aber  bas  Siel  felbft. 

3cncn  prin3ipicllen  logifdjen  5^1)1^^  teilt  mit  bem  „tjiftorismus" 
fein  fdjeinbar  entfdjiebcnfter  IDiberpart:  ber  „naturalismus",  beffen 
(EntroiAlungsbegriff  gleidjfalls  auf  ber  unklaren  Dorftellung  ruljt,  ba^ 
bnxdi  naturtDiffcn|d)aftnd)e,  fpe3iell  antljropologifdje ,  pl)i}fiologifd)< 
unb  biologijdjc  Unter  judjungen  feftgeftcUt  roerben  könne,  nidjt  nur 
roas  ift,  fonbcrn  aud)  toas  fein  foU.  (Er  argumentiert  in  be3ug  auf 
bie  fo3ialen  unb  redjtlidjen  Be3iebungen  ber  (Befd)led}ter  etroa  folgen« 
berma^en:  IDeil  bie  5rau  pljpfifd)  anbers  oeranlagt  ift  als  ber  ITIann, 
roeil  fie  insbefonbre  infolge  iljrer  natürlidjen  (Befd)led)tsfunktionen 
pl)i}fifd)  gebunbener  ift  als  er,  bcsljalb  mu^  aud)  iljr  Rec^t  unb  i^re 
fo3iale  Stellung  anbers  fein  als  bie  bes  Rlannes  unb  ^max:  unterge« 
orbneter  unb  gebunbener.  Denn  feine  gefe^lidjen  Prioilegien  unb  iljre 
ge*et^lid)e  Untcror.'^^nung  finb  eben  bas  „Uatürlid^e".  Dabei  bleibt  im 
Unklaren,  ba^  bie  „Hatur"  3tDar  unter  Umftänben  ber  Dertüirklicbung 
eines  3beals  Sdjranken  fe^cn  kann,  ba^  fie  ferner  ftets  bie  foktifc^en 


G.  (Ergebniffe  unö  neue  Probleme.  401 

Bebingungen  gibt,  mit  öenen  bei  öem  Streben  nad)  ber  (Errei^ung 
Don  36ealen  gered^net  meröen  mug,  toeil  fie  als  5U  befeittgenbe  f)emm* 
ntffe  ober  als  5U  benu^enbe  mittel  bead^tet  merben  muffen,  —  bag 
fie  aber  ebenfomenig  toie  bas  gefd^id^tlic^  begebene  irgenb  toeld^e 
ponttDen  Direfttiüen  für  bie  6eftaltung  red}tlid)er  unb  fo5iaIer  Be« 
3ieljungen  ber  Ütenf^en  liefert.  Die  „natur"  umfafft  unb  er3eugt  bas 
Sd^öne  mit  bas  f)äglid)e,  bas  6roge  mie  bas  6emeine,  unb  fie  if)rer« 
feits  ift  gleid^mögig  gleichgültig  gegen  alles,  toas  fie  er3eugt  ^at:  mir 
finb  es,  bie  ben  (Entf^Iug  finben  muffen,  etmas  als  „erl^aben'  ober 
„niebrig"  „gut"  ober  „fdjiedjt"  3U  bewerten.  Bei  bem  Kampf  für 
unfre  3beale  dann  uns  bas  üatürlid^e  nie  nur  besf)alb,  meil  es  ift, 
iDertDoU  fein:  es  kommt  für  uns  nur  entioeber  als  „f)emmnis"  ober 
„mitter*  in  Betradjt.  Der  moberne  üaturalismus  ©erfährt,  in  umge- 
kef)rter  Hi^tung,  ebenfo  n)ie  ber  Rationalismus  bes  18.  3af)rf)unberts, 
btx  bie  6Ieid}f)etts  i  b  e  a  I  e  auf  bie  „natürlid^e'',  gattungsmäßige, 
<5Ieid}^eit  ber  IUenfd^en  ftü^te.  IDeil  „fluslefe",  ,,3u(^to)al^I  unb  öt^n« 
nd}e  für  bie  (Erklärung  ber  „natürlichen  (Entmidtlung"  oermenbete  Be- 
griffe bur^meg  bie  natürli^e  U  n  gleic^f)eit  ber  (Einjelinbioibuen  oor* 
ausfegen,  fo  überträgt  man  biefen  6ebanken  freute,  im  3eita(ter  ber 
Sriumpt^e  ber  Itaturmiffenfd^aft,  auf  bas  6ebiet  bes  «Soüens".  Das  im 
Projeg  ber  „natürlid^en  „Auslefe"  begünftigte,  fpe5iell  bas  pf)i}fiologifd} 
Stärkere,  f^eint  bann  als  foId}es  aud)  bas  IDertooIIere,  bie  Bebro- 
f)ung  feiner  f)errf^aft  eine  Begünftigung  bes  TTTinbertDertigen. 

(Eine  Kombination  oon  f)iftorismus  unb  Haturalismus  enthält 
enblid)  ber  fogenannte  ökonomtfc^e  TTTaterialismus ,  ber  bie  Red}tS' 
unb  6efeUfd)aftsorbnung  als  in  le^ter  3nftan3  a  u  s  f  d)  I  i  e  g  I  i  d)  be« 
ftimmt  burdj  materielle,  b.  l^.  ^ier:  toirtfdjaftlidje  3ntereffen  benkt.  Da- 
nad)  bilbet  bie  Art  ber  jemeilig  f)errf^cnben  (5üterer3eugung  unb  (büter- 
oerteilung  allein  bas  Sunbament,  bas  als  „0berbau"  bie  geiftige  unb 
ftttlic^e  Kultur  aus  fic^  er3eugt.  3ö^o(ogi^n  unb  IDertibeen  überf)aupt 
finb  nur  „IDieberfpiegelungen"  ber  jemeiligen,  burd)  ben  (Entmidtlungs* 
ftanb  ber  materiellen  Derf)ältniffe  unb  3ntereffen  gefd^affenen,  offenen 
ober  oerborgenen  „Klaffenkämpfe".  Die  t)eute  beftef)enben  red)tHd}en 
unb  faktifd^en  Be3ief)ungen  ber  ITIenfd^en  merben  fic^  besf^alb  nur 
bann  änbern,  menn  bas  Sunbament  felbft  burd)  ben  mec^anifd^en  Drudi 
ber  „ökonomifd^en  (Entmidtlung"  gefprengt  ift.  (Es  wäre  aljo,  -  mügte 
konfequenteriDeife  gefolgert  merben,  -  im  6runbe  3iDedilos,  günftigen* 
falls  nur  gletd)gülttge  Kleinarbeit,  burd)  gefe^geberifd^e  Akte  an  ben  mit 

IPrhcr,  tSMraa  unb  muttrr.  26 


\ 


402    (E^eauffaffung  unö  (E^ered^t  im  Seitalter  öes  Rationalismus  x. 

eiserner  HottDenbigliett  aus  bem  öftonomifc^en  Unterbau  fi(^  ergebenöen 
R  c  c^  t  sformcn  öcr  S^^iß^  3U  bcffcrn,  unö  anörcrfeits  ausfi^tslos,  in 
jenen  ft^  mit  HaturnottDenigfieit  oollsie^enben  öftonomif^en  Pro)e| 
einsugreifen.  Hur  ber  Untergang  ber  gegenwärtigen  IDirtfc^ftsorb« 
nung  Ftönnte  bie  traöitionellen  S^ff^l"»  ^^  ^i«  S^^ou  binben,  Demid^ten. 
(Er  toirb  unb  mug  bies  aber  auc^  tun,  benn  bie  ö6onomifd^e  Cnt> 
a)tdilung  Ifat  !)eute  ba^in  gefüt^rt,  ba^  bas  Proletariat  feine  eignen 
Ketten  ni^t  {prengen  kann,  o!)ne  ßugleic^  jebe  5onn  ber  Qerrf(^ 
bcs  ITIenj^en  über  ben  Rlenj^en  3U  oermeiben. 

I)te{e  le^tere  (Et^efe  fte^t  nun  offenbar  in  ber  £uft.  Cs  ift  {(^let^t* 
^in  ntd)t  ab5u{et)en,  marum  felbft  ber  DoIIftänbigfte  Kommunismits, 
gefd)tx)etge  benn  bie  bloge  ,,Dergefenf(^aftung  ber  probufttionsmittd', 
an  fi^  bie  Unterorbnung  bes  weiblichen  6ef(^Ie(^ts  natumotmenbig  (ms' 
f^Iiegen  follte,  bie  boc^  bei  bem  Kommunismus  ber  Dergangen^, 
n)ie  mir  fa^en,  befonbers  oft  mit  ber  größten  Brutalitat  beftonö. 
tDie  fid)  bie  5^^u  in  einer  etwaigen  fosialiftif^en  Sukunftsgefeüfd^ 
befönbe,  würbe  bo^  offenbar  teils  oon  ber  r  e  (^  1 1  i  ^  e  n  (Drbnung 
ber  6e{^Ied)tsbe3iet)ungen,  teils  unb  namentlich  oon  bem  ftttli(^en 
TliDeau  beiber  6ef^Ied)ter  abt^öngen.  tDie  es  barum  befteüt  fein 
würbe,  barüber  fagen  uns  alle  propt^eseiungen  über  btn  Dorausftc^tfic^ 
(Bang  ber  „materiellen"  (Entwicklung  nidjt  bas  minbefte.  Der  wirWi(% 
honfequente  6efd)id)tsmatertalismus  oert^ö^nt  überbies  nid)t  nur  alle 
(Ett)ih,  fonbern  au^  alte  pcfittoen  Konftruktionen  bes  ,,3ukunftS' 
ftaates"  überljaupt.  Allein  wir  können  ja  offenbar  grabe  nur  6ie 
Sragen  ftellen:  1)  wie  im  5^11  einer  „Dergefellfc^aftung  ber  pro» 
buktionsmittel"  bie  Be3icl)ungcn  ber  (Bef^le^ter  georbnet  werben 
können,  unb  2)  wie  fie  georbnet  werben  müßten,  bamitfie 
ben  3bealen  ber  5rc'l)^it  unb  lTIenfd)enwürbe,  bie  ber  So3ialismus 
oertreten  will,  ent|pred)en.  Sinb  biefe  S^agen  finnlos ,  bann  fyxt  alles 
weitere  Reben  offenbar  erft  redjt  keinen  Sinn. 

Die  (E^efe  oon  berausfdjliefelidjen  Bebingt^eit  ber  fo3ialen 
Be3iel)ungen  burd)  ökonomifdjc  3ntereffen  ift  ^eute  überwunben.  Sie 
finbet,  wie  bie  oorfteljenben  Kapitel  wo^l  3eigten,  in  ber  ©efc^ic^te  ber 
(El)e  keine  Stü^e,  felbft  nidjt  im  Seitalter  bes  Kapitalismus,  ber  bie 
IDudjt  ber  rein  materiellen  3ntcreffen  ftärker  in  ben  Dorbergrunb  g^ 
brängt  Ijat  als  irgenb  eine  früljere  (Epodje.  3m  übrigen  aber  ift  gegen« 
über  ber  ftnfidjt,  ba^  bie  materielle  „(EntwiAlung"  3beale  ^fc^affe",  bas 
(Bleidje  3U  fagen  wie  gegen  ben  ^iftorismus  überhaupt.    Die  felbft» 


G.  (Ergebntf{e  unb  neue  Probleme.  403 

Derftönölid^e  (Bettung  gemtffer  naturred}tltd)er  3öeQle  iDirb 
öabei  im  So3iaIismus  tro^  allen  Protefts  |tets  Dorausgefe^t. 

Don  allen  örei  Dorftef)en6  (fti33ierten  ©ebanftenftrömungen  ift  nun 
aud)  öte  moöeme  S^^^uenbemegung  beeinflußt  loorben.  Huf  eine 
Dermifc^ung  oon  tlaturred^t  mit  f)i[toTifd)em  Relatioismus  meift  3.  B. 
öer  6eöankengang  3urüdi,  bog  für  uns  5i^<^uen  bie  mutterred}tlid}e 
Samilienglieberung  3U  ©ün|djen  |ei,  meil  „lHutterred)!"  (oermeintlid^) 
urfprünglid)  allgemein  gegolten  l^abe  unb  erft  burd)  einen  Sünbenfall 
in  bie  „legitime"  <El)e  be|eitigt  morben  |ei.  Reiner  I)i[torismus  i[t  bie 
nieinung,  ba^  bie  IDertung  ber  (Einehe  als  f^öc^fter  $orm  ber  (bt* 
fd}led)tsbe3ie^ungen  besl^alb  „Dorurteir  fei,  meil  [xe  ja  burd^aus  nic^t 
immer  unb  überall  beftanben  t^abe  unb  geforbert  morben  fei.  na- 
tu r  a  l  i  f  t  i  f  d)  gebaut  ift  es  anbrerfeits  3.  B.,  toenn  Stauen  glauben, 
it^ren  5orberungen  nur  baburd)  Ueber3eugungsitraft  geben  3U  können, 
bog  fte  für  it)r  6e{d)led)t  bie  gleid}e  p^i)fi{c^e  unb  geiftige  Ceiftungsfö^ig« 
keit  toie  für  bas  männlidje  in  Anfprud)  nef)men.  ntaterialiftifd)  ge« 
bad)t  ift  es,  menn  fie  glauben,  ba^  bie  fo3iale  IDertung  ber  5rau  an 
tt}rem  ökonomifc^en  Hu^toert  ober  an  bem  Hlag  if)res  gelbmirtfd^af tlid^en 
(Ermerbes  f)afte,  unb  ooUenbs,  menn  propt)e3eit  mirb,  bog  bie  ,»iDirt' 
fd}aftli(^e  (Enta)idilung'',  oor  allem  bie  Umgeftaltung  bes  n)irtfd}aft> 
Iid}en  Derf^öltniffes  ber  6efd)lec^ter,  allein  unb  p.naturnottDenbig",  mie 
eine  Slutioelle  bie  5rowen  emportragen  unb  iljre  Ketten  3erbre(^en 
muffe.  Die  (Entroidtlung  mirb  uns  nid)ts  in  ben  Sd}og  toerfen,  bas 
wxx  uns  ni^t  felbft  erkämpfen.  Unb  nid)ts  mal^nt  beutlid^er  bes 
Did)tertDorts  3U  gebenken :  ,,tDas  bu  ererbt  oon  beinen  Dätern  t^aft, 
era)irb  es,  um  es  3U  befi^en",  als  bas  Auf-  unb  Abfteigen  ber  Stau 
in  ber  ((l)ered)tS'(Euttx)idilung.  -  Unter  meld^em  Banner  aber  können 
unb  mollen  mir  kämpfen?  Das  alte  rationaliftifc^e  Haturred^t  l)at 
feinen  Krebit  burd)  jene  3erfe^enbcn  IHöc^te  oerloren.  Der  etf)ifd}e 
3nbiDibualismus  ift,  fomeit  bie  Stauen  in  Betrad^t  kommen ,  oon 
Kant  unb  Si^te  nid)t  3U  (Enbe  gebadet  morben  unb  bis  f}eute  ift  feine 
Stimme  burd)  t}iftortfd)en  ober  naturaltftifd}en  Helattoismus  ober  6e* 
fd)id)tsmaterialtsmus  übertönt. 

IDenn  Ijier  bie  fluffaffung  oertreten  toirb,  ba^  es  ber  konfequent 
burc^gefüf)rte  et^ifd^e  3nbiDibualismus  ift,  ber  allein  eine  innerlid) 
gefd}loffene  Derknüpfung  ber  6runbibee  unferer  Bcmegung  ergibt,  fo 
{oll  bies  in  b^n  beiben  Sc^lugkapiteln  in  umgeket^rter  (Bebankenfolge 
gefd}ef)en,  als  es  auf  ben  erften  Blidi  „natürlid}"  erfd^eint.    (Es  foll  3U- 

26* 


404     (E^eauffaffung  unö  (E^erec^t  im  Seitalter  öes  Rationalismus  x. 

er{t,  im  nä^ftfolgenöen  Kapitel,  an  einer  Kritik  öes  uns  in  Deutf(^ 
lanö  nä^ftliegenöen  Re^ts:  besjenigen  öes  neuen  Bürgerli^en  (Befe^ 
buc^s,  Deranfc^aulic^t  werben,  toelc^e  Anforöerungen  mit  an  bit 
red)tli^e  Regelung  öer  moöemen  (E^e  in  perfonen«  unö  oermögens- 
re^tli^er  Besiet^ung  [teilen.  Unb  er|t  alsöann  foll,  im  Sufammen* 
^ang  mit  öem  (E^efc^eiöungsproblem  unö  öer  5^^S^  ^^^  Regelung  öer 
unet^eli^en  6e{(^Ie^tsbe3iet)ungen,  öas  prinsipieüe  Problem  öer  (E^ 
menigftens  {otoeit  beleuchtet  werben,  als  öies  im  Rahmen  einer  Ab* 
^anblung  über  (E  t)  e  r  e  ^  t  möglich  ift  Iltan  dann  eine  fein  f  o  11  e  n  b  e 
Re^tsorönung  nic^t  aus  einem  3öeal  heraus  öeöußieren,  fonöem  mir 
eine  wirftlic^e  oöer  mögli^e  an  öem  3öeal  meffen.  IDir  oerfuc^  311* 
erft  bie  t^eutige  tDirMi^heit  an  unferem  tDertmagftab  3U  priifen,  öaim 
erft  it^n  auf  mögli^e  Suftunftsgeftaltungen  ansuwenöen. 

Die{e  Smeiglieberung  {fliegt  fic^  öen  Ausführungen  an,  öie  oben 
über  öen  (Einfluß  ber  ökonomif^^fosialen  (Enttoidtlung  auf  bie  (E^ 
gemacht  mürben.  tDir  honftatierten,  bog  mix  für  öie  (BegentDort  oor 
öer  (Eatfac^e  ftet^en,  öag  öie  legitime,  auf  öem  Boöen  öes  prnmten 
(Einsel^aus^alts  unö  ber  Deranttoortlic^fteit  ber  (Eltern  für  öie  3ntereffen 
if)rer  Kinöer  ftet^enbe  (Et^e,  yooax  innere  Umgeftaltungen,  aber  keine 
prinsipielle  (Erj^ütterung  als  fafttif(^  „normale"  3nfiitution  er« 
litten  Ijat.  tDir  ge^en  ßunädjft,  im  folgenöen  Kapitel,  oon  öiejer 
(Eatjadje  aus  unb  Ftritiperen  bas  geltenbe  (E^erec^t  innerl^alb  biefes 
Raljmens.  Dies  ^at  3ur  Konjcquens,  ba^  mir  ben  (btbanken  3U  grunbe 
legen,  bafe  bie  „fjausmutterjdjaft"  3mar  keinesmegs  als  „  natürlicher  * 
Beruf  aller  Sraucn  (^Ied)tl)in,  moljl  aber  als  Beruf  ber  Ijous* 
m  u  1 1  e  r ,  menn  auc^  nic^t  meljr  als  iljr  e  i  n  3  i  g  e  r,  3U  bewerten  ift, 
unb  fragen,  meldje  |  a  d)  l  i  d)  e  n  Konjequen3en  aus  biefem  (Bebanken 
folgen.  (Erjt  im  legten  Kapitel  beleudjten  mir  bann  bie  mobeme  Kritik 
biefer  jelben  3^^^  bes  {jausmutterberufs  fomeit,  als  biefe  Kritik  fid| 
in  pojtulate  an  bie  R  e  d)  t  sorbnung  umgcje^t  Ijat  ober  umfe^en  läfet. 

£  i  t  e  r  a  t  u  r. 

A.  lieber  öas  TDejen  öes  „Srüfihapitalismus"  unb  ökonomi{d)en  Ratio« 
naiismus  t|t  am  bejten  S  0  m  b  a  r  t ,  Der  mobeme  Kapitalismus  ein3u* 
{ef)en.  5ür  öie  allgemeinen  (brunölagen  ber  rationaliftifd^en 
(E[}eauffa{{ung  hommt  3unöd}|t  öie  £iteratur  über  bie  Stellung  öer  Refor« 
mation  3ur  if)e  in  Bctrad}t,  öie  man  3.  B.  im  Healleirtkon  für  prote|tan« 
tijdje  (Eljeol.  unö  Kird}e,  flrt.  „(Ef)e"  3ujammengejtellt  finöet.  lieber  öie 
iöeellen  (brunölagen  öes  reformatori|d}en  unö  tauferifci^en  naturred}ts  ijt, 
3u|ammen  mit  3  e  11  i  n  e  h's  Sdjrift  über  „Die  (Erklärung  öer  ITIenfc^en*  unö 


Citeratur.  405 

Bürgerredite"  (2.  Hufloge,  1905]  unb  mandjen  Bemerkungen  in  6em  Huffa% 
Don  niaf  IDeber,  Die  prote(tanti{d}e  <Etl)ib  un6  6er  6eift  6es  Kapitatis* 
mus  (ard)io  f.  Sostalminenfd^aft  B6.  XXI,  XXIh  |et)t  vor  allem  (E.  dr  öltf  d)'s 
Abf)an6Iung:  proteftonti|d}es  <Il)riftentum  unb  Kird^e  in  ber  Reujett  inf^inne* 
bergs  SommeIn)erli:  ,,Die  Kultur  ber  (btqtnwaxV  (I,  4)  3U  oergleidben,  für 
bie  puritant{d}e  (Ef^emoral  unb  il)re  Bebeutung  befonbers  aud)  o.  S  oj  u  1 3  e* 
^  ä  D  e  r  n  t  ^ ,  ^Britifd^er  3mperialtsmus  unb  englifd^er  S^^i^onbel"  (1906), 
Einleitung  unb  Sd)Iu^.    lieber  ben  (Tolointsmus  3.  B.:  A.  ITlar  tin,  Kx\*o%c 

dl*   rancicnnc   Ic^isl.ition   («cnevoisc   Mir  k*   iii.iria^c    ((benioe    1891).      5^^  ^^^' 

gef)enberes  Stubium  bes  älteren  naturred)tes  fiberl)aupt  ift  unentbef^rlid^ 
(Bierke's  „3of)anne5  aitf^ufius"  (2.  aufläge  1902).  5fir  bas  Derf)dltnts  bes 
Ttaturred^tes  3ur  <El)e  mand)e  Bemerkungen  in  bem  3U  Kap.  I  3itierten 
Bud}e  oon  Bartfd).  3n  bie  jpdtere  £iteratur  ffif^rt  n)O^I  bas  eigene 
Stubium  ber  IDerke  ber  Reformatoren  (oon  £utl)er  insbefonbere  bie  piebigten 
im  16.  unb  18.  Banb  ber  (Erlanger  Ausgabe  unb  bie  „dild^reben")  unb  ber 
naturred}tslef)rer:  d^x.  IDoIf  ((brunbfd^e  bes  ITotur«  unb  Ddlkerred)ts  1754), 
Rou{{eou  ((Emile,  Abfd^nitt:  „Sopl)ie"),  3.  Kant  ((brunblegung  einer  Itleta* 
pl)i){ik  ber  Sitten  1785,  inetapf)i){ifd}e  Hnfangsgrünbe  ber  Red)tslef)re  1797) 
3.  <b.  5id)te  (6runblagen  bes  Roturred}ts  17%)  om  einfädelten  unb  un* 
mittelbarften  ein.  lieber  bie  „(beminensetje"  ogl.  aud)  ttxoa  bie  aus  Anlag 
eines  f.  3.  im  (brdflid)  Bentindt*(d)en  l7au{e  praktifd)  gemorbenen  SoHes  ent> 
ftanbene  Sd^rift  oon  Die  dt,  Die  (bemiffensef^e,  ^alle  1838. 

H.  5^^  ^os  fran3d{i{d)e(Ef)ered}t  mfi^t^  eingel)enberes  Stubium 
an  bas  groge  IDerk  oon  D.  i^irn,  ('<>urs  <lc  «Imit  ci\il  annotc,  4  Bdnbe, 
1892  3  ober  on  bie  grogen  dobe* (Tommentare  idroplong  u.  a.)  anknüpfen 
lieber  bas  Bud)  oon  ftfebore  f.  3U  Kap.  III  bei  H.  Die  el)ere4tlid)en  Be* 
ftimmungen  entl)ält  ber  (  o<lc  civil  in  Bud)  III.  ditel  V. 

( \  5&t  bas  Stubium  bes  preugifd^en  £anbred}ts  ift  f).  Dern^ 
burg*s  ,,£ef)rbud}  bes  preugi{d}en  priootred^ts"  (bas  (Ef)ered}t  in  Banb  III) 
Ieid)t  lesbor  unb  oer{tänbIid);  bas  £onbred)t  felbft  benutat  man  am  beften 
in  ber  Ausgabe  mit  bem  d.  5-  Kod)*|(4en  Kommentor  (3.  Aufloge,  {70!^  1884). 
Das  (El)ered}t  (deil  II,  ditel  1)  ift  im  3.  Bonb  biefer  Ausgabe  entl)alten. 

I).  Dos  d(terreid}i{d)e  „Allgemeine  Bürgerlidje  ^efe^bud)"  oon 
1811  ift  mit  bem  Kommentar  oon  £.  von  Kir{d)ftetter  dDien  1882)  ober 
Don  Stubenroud)  (IDien  1884  t  bequem  3U  benu^en.  (Eingel)enberes  Stubium 
f)ätte  U  n  g  e  r*s  großes  IDerk  3U  grunbe  3U  legen. 

Don  bem  ruffif^en  Sswod  Sak^now  eriftiert  oon  Budj  X,  iDeId)es  bos 
bürgerlid)e  Red}t  entl)ält,  eine  Ueberfe^ung  oon  K I  i  b  o  n  s  k  i  (Berlin  1902 1. 
5ür  bie  (Ef)e  ber  Sektierer  unb  Schismatiker  entl)alten  IRil  j  u  k  öid's 
.Ski33en  3ur  ruffifd^en  Kulturgefd^idtte**  (Banb  I,  2  finb  ins  beutfd^e  über* 
fe^t)  unb  Anotole  £  e  r  0  i}«B  e  o  u  I  i  e  u  s  I/cmi-irc  Jcs  /»rs  et  K^  Rusj»cs 
(oud)  beutfd)  oon  £.  pe^olb,  Berlin  1884)  olles  mefentlidie.  lieber  bos 
IDefen  unb  bie  IDirkung  bes  ,,nTir''  ift  bos  3U  Kop.  I  3itierte  Bud)  oon 
S  i  m  k  l)  0  0  i  t  f  d)  fpe3iell  für  bie  £age  ber  S^ou  lef^rreid}.  lieber  bie  bäuer« 
Iid)en  (ben)ol)nl)eitsred)te  entl)dlt  ber  Artikel  „Roffiia"  im  Brodif)ous*(Epl)ron* 
fd)en  (ruff(fd}en)  Konoerfationslerikon  eine  3ufommenfaffenbe  Ski33e  (Oon 
Retfd)aien)i,  bie  mir,  ebenfo  mit  bas  (befe^  über  bie  unef)elid)en  Kinber, 
mein  Hlonn  fprod^Iid)  3ugänglid)  mad)te.  £eiber  finb  bie  ollfeittg  gefd)ä^ten 
Arbeiten  oon  Si^ou  Ale^onbro  3eftmienko  nid)t  in  Ueberfe^ungen  oorl^onben. 

K  S^^  ^os  f)eutige  e  n  g  l  i  f  d)  e  Red)t  ift  (If)omas  B  r  o  1 1,  (  ommvntanc^ 
on  thc  presint  law  ot  Kurland  (£onbon  1891 1  broud^bor.  Die  Debatten  über 

bie    MarnctI    w«imcu.s   prüpcrlv  aci's    finbet  man   in   f}Onforb*S    »Parliamiutary 

Uhatcs«  in  btn  Bonben  für  1870  unb  1882.  Den  Stonb  bei  drloft  ber 
3iDeiten  Akte  gibt  (If)omas  Barret*£ennarb.  Ihr  poMtK.n  in  law  of 
womcn  (£onbon  1882>.  Aud)  bie  fpdteren  (befe^e  entl^olten  bie,  überl)oupt 
fef}r  kloren  unb  knappen,  Artikel  >lIuNband  aml  »ifc«.  •Infams«  u  f.  o.  in  ber 


406     (Et^eauffaffung  unö  (Et^ere^t  im  Seitalter  bes  Rationalismus  k. 

oon  H  e  n  1 0  n  Ijerausgegebenen   »Encyclopaedia  of   the  law  of  England«, 
ebenfo  bte  Artikel  >Women<,  »Infants«,  »Divorce«  in  ben  IXac^tragsbönb«! 

ber  Encyclopaedia  Britannica. 

Das  moberne  amerikani{d)e  el)elid)e  Dermögens-Hec^t,  3U9leid) 
aber  eine  red}tsoergIeid}enbe  Ueber{id)t  über  bte  be{tei)enbc 
6e{e^gebung  ber   iDid)tig{ten    Staaten    über   biefen  Punkt  über* 

I)  a  U  p  t  be^anbelt  3{ibor  £  O  e  b'S  Bud) :  The  legal  property  relations  of 
married  parties.    A  study  in  comparalive  legislation    {Tiew*t}Oxl{    1900).     DüS 

angeblid)  aud^  bie  per{onenred}tIid}e  6e{e^gebung  ber  neueren  5ett  m  Arne* 
rika  entl)altenbe  Bud)  oon  3e{{ie  (Eaffebt),  The  legal  Status  of  woroen, 
1903  (?)  blieb  mir,  tro^  aller  Bemül^ungen,  infolge  ber  {c^Ied)ten  Orgcmifo» 
tion  bes  Bud)I)anbeIs  in  Hmeriha  un5uganglid). 

lieber  bie  moberne  (Entroidtlung  ber  S^^nenarbeit  f tnbet  moi 
bie  bis  (Enbe  ber  90  er  3al)re  erfd^ienene  £iteratur  am  be{ten  in  bem  Artikel 
„S^auenarbeit  unb  S^ouenfrage"  Don  pier{torff  im  „f)anbrDdrterbud)  ber 
StaatsrDi{{en{d)aften",  2.  Huf  läge  5u{ammenge{tellt,  ber  jeinerfeits  eine  lieber- 
{id}t  ber  Sad}Iage  gibt.  Die  ent{d}eibenben  9aI)Ien  {inb  oortrefflic^  gmp« 
piert  unb  interpretiert  bei  (Elifabetl)  (5nau(lt*Kül)ne,  Die  beut{(^e  Sm 
um  bie  3al)rt)unbertiD6nbe,  Berlin  1904,  beren  Sd^Iug  freiließ  teils  3fi]ift< 
Ieri{d)en  (Tröumen,  teils  kat[)oIt{d)er  propagdnba  (für  KIö{ter)  bient  3h 
übrigen  finbet  man  bas  Problem  einge^enb  bel)anbelt  in  bent  Bud)  oei 
R.  u.  £.  H)  i  l  b  r  a  n  b  t,  Die  beutjdje  Srau  im  Beruf  (Berlin  1902,  Banb  IV 
bes  oon  f).  £ange  unb  (b.  Böumer  l)erausgegebenen  f^anbbuc^  ber  Sroiei* 
beroegung)  unb,  {d^riftftellerifd}  oor5ügIid},  freilid)  aber  bogmatifc^  (im  ge* 
{d)id)tsmateriali{tifd)en  Sinne)  gebunben,  bei  £ilt)  Braun,  Die  S^auenfrogc 
£eip3ig  1901,  (barin  aud)  poIemi{d}e  Huseinanber|e^ungen  mit  gegnerifc^er  £i' 
teratur).  lieber  bie  allgemeinen  Bebingungen  ber  loeibltc^en  Co^norbeit 
ogl.  je^t:  Hlice  Salomon,  Die  Urf ad^en  ber  ungleid^en  (Entlol^nung  oo« 
männer*  unb  5tauenarbett  (^eft  122  ber  Staats«  unb  fo3ialn>iff.  Sorf (jungen, 
^erausgeg.  d.  (b.  Sd}moller  unb  TU.  Sering,  £eip3ig  1906).  Das  Stubium  ber 
5rauen«f)eimarb6it  ^at  an  Hlfteb  TD  e  b  e  r's  (Einleitung  3u  ben  publikotioi 
bes  Dercins  für  So3ialpolitih  über  ^ausinbuftrie  unb  Heimarbeit  in  BerRii 
(Sdjriften  bes  D.  f.  S.  p.  Banb  LXXXV)  ansuhnüpfen.  Die  bisf^er  einbrin« 
genbfte  £lnalt)|e  ber  Bebingungen  unb  IDirhungen  augerljöusli^er  Arbeit 
ber  Stauen  gibt  für  Dcutjdjlanb  bie  im  amtlid}en  Auftrag  oerfagte  Sdjrift 
ber  babi(d)en  Sobrihinjpchtorin  Dr.  UTarie  Baum,  Drei  Klajjen  oon  Col^n« 
arbeiterinnen  in  3nbuitric  unb  ^anbcl  ber  Stobt  Karlsruhe  (Karlsrul^e  1906). 

Sür  bie  (bencjis  ber  f)i|lori(d}cu  Redjtsjdjule  ijt  ®.  (B  i  e  r  h  e*s  Berliner 
Rehtoratsrebc:  Die  f)i(lorijd|e  Redjtsjdjulc  unb  bie  <5ermani|ten,  Berlin  1903 
(mit  umfajjenber  £itcraturübcr|idjt)  als  (Einfüf)rung  3U  empfeljlen.  Den  Stonb» 
punht  bes  ITaturalismus  henn3ei(^nen  am  heften  bie  oerfd^iebenen  Sd)nften 
bes  (jüngjt  ocritorhcncn)  IR  ö  b  i  u  s,  ober,  bejonbcrs  hrafe,  U)  e  i  n  i  n  g  e r's, 
ben  f)ori3ont  bes  (brjnähologcn  in  ti)piid}cr  Art  cttoa  bie  Rektoratsrebe 
Rungc's  ((böttingen).  Die  gcjd)idjtsmaterialijtijdje  (El)etl)eorie  ijt  in  ben  3ttin 
erjten  Kapitel  3itiertcu  Büdjern  oon  5^-  (Engels  unb  A.  B  e  b  e  l  nie« 
bcrgelcgt.  -  An  größeren  Arbeiten,  bie  über  bie  S^ouenbemegung  im  allge« 
meinen  orientieren,  jinb  aufeer  bem  Stänbigen  ^onbbud)  ber  Srouen« 
betoegung,  l)erausgcgebcn  oon  I).  £ange  unb  ®.  Bäumer  (Berlin  1901 
-1906)  nod)  (b.  Bäum  er,  Die  S^ou  in  ber  Kulturberoegung  ber  (begen* 
roart  (in  „(bren3fragcn  bes  Heroen«  unb  Seelenlebens"  oon  Cömenfelb  unb 
Kurclla,  TPtcsbaben  1904)  unb  als  populäre  Darjtcllung  (E.  Krukenberg, 
Die  StaucnbetDcgung,  if)re  3icle  unb  if)re  Bebcutung  (in  f).  IDeiners  Cebens« 
fragen,  (Tübingen  1905)  3U  cmpfeljlen. 


407 


V.  Kapitel 

Das  £l)ere(^t  bes  beutf(^en  Bürgerlichen  (5efe^bu(^es. 

Dorbemerkungen.    <Ent{tef}ung  un6  üf^arakter  6e$  <5efetbu(^es. 
S.  408. 

A.  perfdnlii^e  Red)t$o  er  f}SItn  i  ff  e  S.  413    445. 

Anerkennung  6er  6efd)dftsfdl)igkeit  6er  (El^efrau  S   414.  —    Pflicht  jur 
cl^Iii^en  £ebensgemeinfd)aft  S.  417.  Sortfall  bei  »ITligbraui^''  S.  418. 

-  Ilame  6er  (Ef^efrau  S.  420.  <5egenfehige  Unterf^aUsanfprüc^e  6er  <Ef}e* 
galten  S.  422.  Cettung  6es  f^ausioefens  buid^  6te  5^<iu  un6  PfUd)t  3ur 
ffOttsarbeit  un6  Beif}tlfe  im  mfinnlic^en  6ef(4Sft  S.  424.  Beftimmung  6es 
€i)e6omt3i(s  buid^  6en  ITlann  S.  428.  Sc^Ififfelgemalt  6er  Srau  S.  430. 
Perfönltc^e  Dienftletftungen  6er  S^^^u  gegenüber  Dritten  S.  433.  (Ent* 
j(^ei6ung$re(^t  6es  CEf^emanns  S.  436. 

r>.  DteDerteilung   6er   elterltc^enibeiDaltS.  443    458. 

«(Elterliche  (beoalt''  6er  IHutter  S.  443.  «Beiftan6f4aft''  für  6ie 
XDitwt  S.  446.  -  -  €lterltd}e  (btwalt  im  Sali  einer  3iDeiten  (E^t  S.  448. 
Sac^Iii^er  3nf}alt  6er  elterlichen  (beoalt  S.  451.  Derl)SItnis  Don  Dater* 
ttn6  muttergemalt  S.  452.  StenDertreten6e  elterliche  (beoalt  6er  IHutter 
S.  454.  Stellung  6er  gef(4ie6enen  IHutter  S.  455.  prinstpielle  5rQ9< 
6er  Derteilung  6er  €Iternred)te  S.  456. 

('.  Das  (Ei^egüterrec^t  S.  458    495. 

<befe^Iid)er  6üterftan6  S.  459.  dragmeite  6er  «Denoaltung  un6 
Itutniegung"  6es  ITlannes  S.  461.  Anfprüd^e  6er  S^ou  S.  464.  IDirt* 
{(^afts«  un6  (IoiIettengeI6  S.  464.  -  3nformation  un6  Redjnungslegung 
S.  466.  6efe^Ii(^es  Dorbel)aItsgut  S.  467.  -  Bebeutung  6es  gefe^Iic^en 
<^flterred}ts  für  6ie  6ef(^äfts-  un6  pro3e6fdl)igkeit  6er  <El)efrau  S.  468. 
lDür6igung  6e$  gefe^Iid^en  (büterred)ts.  Kontrooerfen  bei  6er  Beratung  6es 
<^efe%bud)e5 :  Die  allgemeine  6ütergemetnfd)aft  ((bierke,  5-  IRommfen,  R. 
IHenger).  S.  471.  Die  <Errungenfd)oftsgemeinfd}aft  S.  475.  Die  (büter* 
trennung  iBuIIing)  S.  478.  Die  Heidjstagsverf^anblungen  S.  478.  5^4^* 
D.  Stumm  S.  479.  -  <El)emännIid}e  Derioaltung  6es  S^auenguts  bei  (büter* 
trennung  S.  484  -  pofitioe  Sorberungen  6er  Stauenbeoegung  betreffs  bes 
gefe^Iid}en  (büterred)ts  :  1.  (bütertrennung  S.  486.  -  2.  S^f^«^  «(Iofd)engeI6" 

5.  487.  3.  <Erbred}t  6er  S^^u  un6  Anteil  an  6er  (Errungenfdjaft  bei 
fi^ulblofer  Sd}et6ung  S.  488.  -  4.  Beitrag$pflid)t  6er  5^<iu  3U  6en  l7aus* 
i)altslaften  S.  489.  -  5.  mitf)oftung  6er  Srou  für  l7ausf)altsf<buI6en  S.  490. 

6.  Pflid^t  6es  ITlannes  3ur  Dereinborung  von  «l7ausl)altsbu6gets''  S.  490. 
IDettergef^enbe  Dorid)Iäge :  (Ermerbs*  un6  Derfügungsgemeinfd}aft  als  gefe^ 
lieber  (büterftan6  ober  gefe^Ii(bes  Sd)ema  bes  oertragsmaftigen  (büterred}ts 
€rbred)t  6er  <El)efrau  S.  491. 

Sd}Iu6     abfd)I(e6en6e  Kritik  bes    (Ef)epatriard)alismus  S.  495    504. 
CHeratur  S.  505. 


408        Das  (E!)ere(^t  bes  öeutfc^en  bürgerlichen  Sefe^bud^es. 

Die  Dor  5er  (Einführung  öes  Bürgerlichen  6e{e^bu(^s  in  Dettt|d^ 
lanö  geltenben  £an5es«  unö  partiftularre^te  weisen,  toas  bie  pei< 
{önlic^e  Re^tsftellung  ber  Sxan  als  (Battin  unb  Hlutter  anlangt,  in 
b^n  (Bmnbprinsipien  fo  unn)e{entli^  Don  bem  uns  bekannten  preu|i|(^ 
£anbre^t  ab,  ba^  fi^  burd)  it^re  Kenntnis  bas  Allgemeinbilb  bet 
Redjtsform  ber  <EI)e  nur  je^r  untoejentli^  oeränbert. 

(Eine  augerorbentli^  bunte  ITTannigfalttgfteit  beftanb  bagegen  no(^ 
Dom  niittelalter  ^er  in  b^n  oermögensrec^tli^en  Beßie^ungen  bet 
6atten.  Der  (befe^geber  fanb  meit  über  100  oerf^iebene  e^eli^ 
6üterred)te  Dor,  bie  i^r  Dafein  keineswegs  allein  ober  Dorroiegenö 
Derf^iebenen  toirtfd^aftlic^en  (Entn)idtlungsftabien  ober  prinsipieQen 
Differenßen  bes  Kulturniüeaus  unb  ber  et^i{(^en  Anf(^auungen, 
Jonbern  in  erfter  £inie  bem  Sortroalten  ber  (Crabition  unb  ^iftorif<^ 
Sufälligfteiten  aller  Art,  n)ie  fie  in  einen  politifd^  3erf entern  £aitbe 
o^ne  einljeitli^e  (Beje^gebung  oorftommen  mußten,  oerbankten.  Die 
Sülle  biefer  (Erfd^einungen  lögt  ftc^  jeboc^,  na^  ben  in  i^nen  fteAen« 
btn  gemeinfamen  Srunbprinßipien ,  als  Abwanblungen  unb  Iluancen 
oon  Dier  ober  fünf  (jauptgruppen  be^anbeln:  ber  Süteroerbinbung, 
ber  allgemeinen  unb  ber  teiltDeifen  6ütergemein{(^aft ,  fpesieü  ber 
5a^rnis»  unb  ber  (Errungenf^aftsgemeinjdjaft  unb  bes  Dotalre^ts. 

IDir  ^aben  bie  (Brunb3üge  ber  Konftrufttions-Derfc^ieben^iten 
aller  biejer  Sijfteme  im  3U)eiten,  britten  unb  oierten  Kapitel  hennen 
gelernt.  Die  oier  3uer|t  genannten  (Bruppen  [xnb  fämtli^  beut|d)« 
redjtli^en  Urjprungs,  unb  tro^  iljrer  jonftigen  Derfc^iebent^eit  l^ben 
fie  gegenüber  bem  Dotalredjt  bas  (Bemeinfame,  bog  fie  unmittelbar 
auf  bie  Bej^ränkung  ber  (Bcfdjäftsfäljigkeit  ber  (Eljefrau  roirften :  |te 
legen,  falls  nidjts  anberes  oereinbart  ijt,  bie  Derwaltung  unb  Hu^« 
nicgung  bes  g  e  |  a  m  t  e  n  5^oucnguts  (mit  Ausnahme  iljrer  Kleiber 
unb  Sdjmucfijadjen)  in  bie  fjanb  bes  Hlannes,  bas  Dotalrec^t  bagegen 
nur  einen  oon  ber  S^öu  Jelbft  bcftimmten  (Teil  baoon :  toas  3UT 
5olge  Ijat,  ba^  es  im  Prin3ip  keinen  (Einfluß  auf  i^re  (Befdjäftsfäljig« 
kcit  ausübt. 

Das  Dotalredjt  bejag  aber  bas  bei  roeitcm  Weinfte  ^eltungsge* 
biet.  Xladi  ben  Jtatijti[d)cn  Angaben  ber  im  3aljre  1888  oeröffentlic^ten 
ITIotiDe  Ijerrjdjte  es  nur  über  3  ITIillionen  unb  roar  überbies  babur(^, 
ba^  babei  mcijt  bie  5^öu  iljr  g  a  n  3  e  s  Dermögen  bem  ITIanne  3ur 
Dertoaltung  unb  Hu^niegung  überlief,  ber  bcutjd)»re(^tlic^en  »6üter« 
Dcrbinöung"  (Derroaltungsgemeinj^aft)  jeljr  ftark  angeä^nelt  ©orben. 


Dorbemerkungen.    (Entftel^ung  unö  d^arakter  bes  (Befe^bud^es.     409 

Die  prakttfd)  erf)ebltc^en  Untertd^teöe  3iDi|d)en  beiöen  befc^ränfiten 
fic^  formal  leötglid)  barauf,  ba^  bie  S^^^  ^^^^  i^^  Dater  bei  Dotal« 
red)t  mit  bem  niann  oereinbarte,  meldte  Beftanbteile  il^res  Dermögens 
als  niitgift  gelten  follten,  unb  ber  gan3e  Heft  Dorbel)aUsgut  blieb, 
nadn  bem  St){tem  bes  allgemeinen  «el^mannlid^en  nie^rauc^s"  bagegen 
Dorbef^altsgut  nur  hraft  oertragsmögiger  S^ftitellung  entftef)en  konnte, 
aller  Befi^  unb  (Ermerb  ber  $rau  alfo  im  Smeifel  unter  bas  Der« 
n)altungsred)t  bes  IHannes  fiel.  Die  allgemeine  6ütergemeinfd)aft, 
mit  Der{d)iebenen  erbred}tlic^en  Huancen,  l^errfd)te  über  runb  1 1  inil> 
Honen,  bie  5cil)rnisgemein[d)af t  über  7,1,  bie  (Errungenfd^aftsgemeinfd^aft 
unb  bie  aus  if)r  unb  ber  S^^^nisgemeinfd^aft  komponierten  ITIifd)« 
formen  über  6,9,  bie  6üterDerbinbungs{i)[teme  über  ettDO  14  IHillionen. 
(Nograpf^ifd^es  Geltungsgebiet  ber  allgemeinen  6ütergemeinfd)aft 
mar  f)aupt[äd)ltc^  ber  Horboften  bes  Königreid^s  Preußen  -  mo,  mie, 
früf)er  enüäf^nt,  ja  bas  preugi(d)e  Canbrec^t  biefes  Si}ftem  als  {üb* 
fibiäres  gefe^lid^es  6üterrec^t  3ur  Derfügung  ftellte  -  bann  im 
Horben  noc^  tDeftfalen,  ferner  (Eeile  oon  Bai^em  unb  treffen.  f)aupt' 
ft^  ber  (Errungen{d}aftsgemein{d}aft  mar  Sübbeutfd)' 
lanb,  Dor  allem  bas  Königreid)  tDürttemberg.  Dod)  kam  fte  auc^ 
in  anbren  Heilen  Sübbeut{d)lanbs  Dor,  wo  fie  bann  meift  mit  ber 
allgemeinen  6ütergemein{d)aft ,  Deretn3elt  aud)  mit  oertragsmögiger 
Gütertrennung,  konkurrierte.  Die  5<^4^"is9^*Tieinfd}aft  bes 
dobe  ciüil,  auf  bem  gan3en  linken  Rt)einufer  aufoktroyiert,  blieb  aud) 
nac^  bem  tOiebergeminn  biefer  Canbesteile  beftet)en.  Augerbem  trotte 
fte  ftd)  red)tsrt)einifd)  im  6rog^er3ogtum  Baben,  bas  ben  {etner3eit  als 
niuftergefe^gebung  geltenben  lobe  ctoil  fretmillig  3um  Canbesgefe^ 
ert)ob,  feftgeiDur3elt.  Die  Süteroerbinbung  l}err{d)te  in  ben 
größten  (Teilen  Preußens,  im  Königreich  Sad)|en,  in  (Dlbenburg.  Das 
Dotalred)t  enblid)  trotte  ein  3erftreutes  Geltungsgebiet  in  einigen 
rf^einifd^en  unb  gemeinre^tlid)en  Be3trken.  -  (Et}e{d)liegenbe  unter* 
ftanben  bem  Güterred^t  if^res  erften  et^elid^en  lDot)nft^es.  (Eine  in 
ben  oer|d)iebenen  Red^tsgebieten  oerjdjieben  beantmortete  Streitfrage 
aber  mar  es,  ob  ein  tOed^fel  bes  lDot)nft^es  aud)  itill|d)meigenb  bas 
Güterred)t  manbelte.  Dritte  konnten  best^alb  jebenfaUs  nie  mtffen  nad) 
meld^em  Si}|tem  ein  (El}epaar  lebte,  -  moburd)  natürlid)  einer  großen 
Unftd^eri^eit  bes  Red^tsoerkef^rs  unb  löufc^ungen  oon  Gläubigern  Dor* 
fd}ub  geleiltet  mürbe,  ^mang  3ur  Publi3ttat  beftanb  nur  partikular* 
redjtlidj.  - 


410       Das  (E^erec^t  bes  öeutfc^en  bürgerlichen  (Befe^bu^es. 

Sc^on  gleid)  nac^  öen  S^^i^^itsftrtegen  coar  öem  iDteöer  e^ 
ftet^enben  nattonalbetDugtfein  öqs  3öeal  öer  Rec^tsein^eit  bts  öeutfd^ 
Dolftes  entquollen.  (E^ibauf  s  {c^on  im  3a^re  I8I4  erhobener  S<^bt» 
rung  nad^  einem  ein^eitlid^en  bürgerlichen  (Befe^bu^  trat  ieöod^ 
SQDignt)'s  berühmtes  Buc^:  „Dom  Beruf  unfrer  Seit  3ur  (Befe^gebung' 
mit  überlegener  tDuc^t  entgegen.  (Er  oerteiöigte  nic^t  nur  öen  XDert 
bes  gef^ic^tlic^  geworbenen  Reci}ts  gegenüber  bem  rationaliftifc^ 
6Iauben  ber  tlaturre^tsle^re,  es  könne  aus  (Brunbfö^en  ber  Der* 
nunft  ein  für  alle  Dölfter  unb  Seiten  ein  für  allemal  gültiges  Reij^ts' 
tpftem  honftruiert  toerben,  mä^renb  bas  Reci}t  boc^  ein  probuftt  ber 
{tets  ein5igartigen,  {tets  in  ber  (Entioidtlung  begriffenen  unb  in  ber  je* 
toeiligenRec^tsüberseugung  ftc^  augemben  „Dolfisfeele"  fein  muffe.  Son« 
bem  er  beftritt  auc^  im  be{onberen  ber  bamaligen  Seit,  mtld^t  ben  b^ 
n)ugten  Sufammen^ang  mit  it^rer  eigenen  Dergangent^eit  Derloren  fyAt, 
ben  Beruf  5ur  6e{e^gebung.  Sein  Proteft  ^atte  3unaci}ft  (Erfolg,  fd^on 
infolge  ber  poIiti{ci)en  Ser{plitterung  Deutfc^Ianbs.  Dergebens  fe^en, 
um  i^r  geliebtes  „nationales"  Red)t  gegen  bie  „Romaniften"  3U  fc^ü^en, 
grabe  bie  ftonjequentejten  „tjiftorijten",  bie  „6ermaniften",  1847 
eine  Kommiffion   3ur  Ausarbeitung   eines   el^elic^en  (Güterrechts  ein. 

Dauemb  lieg  ftc^  jebo^  bas  pra^tifc^e  Bebürfnis  nad^  größerer 
Hcd)tsfid)er^eit  unb  ©rbnung  burd)  Dereinfa^ung  ber  unüberfeljbaren 
TTIannigfaltigkcit  bes  Bcjtc^enben  nidjt  3urücfijd)eud)en.  Unter  bem 
Stoang  öcr  burd)  ben  Sollocrein  gekräftigten  Dcrheljrsinterejfen  mürbe 
bas  lDed)(elred)t  burd)  bas  S^^n^fwrter  Parlament  oon  1848,  jpäter 
1861  bas  fjanbelsred)t  tro^  ber  poUtif^en  3er|plitterung  einl^eitlid| 
gejtaltet.  3n  ein3elnen  beutjdjen  Staaten  tourben  immer  coieber  Der« 
fudje  3U  Kobifihationen  auc^  bes  übrigen  Prioatre^ts  unternommen, 
mit  (Erfolg  cor  allem  im  Königrei^  Sa^jen.  Sdjon  bem  (Bebanken 
aber,  oon  Bunbestoegen  ben  (Entrourf  einer  Kobifikation  bes  ©b- 
ligationenredjts  für  gan3  Deutfdjlanb  aus3uarbeiten ,  roiberftrebte  in 
ben  60cr  3cil)ren  Preußen  aus  politifdjer  ftbneigung  gegen  ben  Deut- 
fdjen  Bunb. 

(Enblid)  kam  bie  Heubcgrünbung  bes  beutfdjen  Reichs  unb  unter 
bem  (Einbrudi  ber  crreid)tcn  politijdjen  (Einheit  u)ud)s  ber  IDunfd)  nadj 
Redjtseinljeit.  Das  junge  Reid),  beffen  Derfaflung  3unäd)ft  nur  bas 
®bligationenrcd)t  [einer  (Bejc^gebung  unterftellte,  lieg  fid)  jd^on  roenige 
3al)re  nad)  [einer  Kon[tituicrung  (1873)  burd)  Derfaffungsänberung 
mit  ber  Kompcten3  für  alle  (Bebiete  bes  bürgerlid^en  Redjts  ausftatten, 


Dorbemerhungen.    (Entftef)ung  unö  d^arafiter  bes  (Befe^bu(^es.     411 

unb  im  3al^re  1874  CDurbe  bie  Huf  gäbe,  ein  ein^eitlid}es  priDatred^t 
3U  fd^affen,  burd)  (Einfe^ung  einer  llgliebrigen  Kommiffion  Don 
5ad)iuriften  in  Angriff  genommen.  Ilac^  13  3a4ren  fd)Iog  biefe 
Kommi{fion,  3U  beren  füt^renben  6eiftem  ber  groge  Romanift  lDinb[d}eib 
unb,  als  Rebaktor  ffir  bas  S^ntiltenred^t,  piandi  get^ört  l^atten,  i^re 
Arbeiten  ab.  Der  1888,  nebft  5  TTTotiDen-Bönben ,  oeröffentlid^te 
^»(EntiDurf  erfter  felung"  erfuhr  in  ber  ©effentlidjkeit  alsbalb  bie 
l)efttgften  Angriffe,  fomof)!  loegen  feines  romaniftifd^en  unb  alfo  ,,un' 
beutfd^en''  dt^arakters  (fpesiell,  in  glan3enber  5orm,  Don  (D.  (bierke), 
iDie  megen  feiner  Ili^tbead^tung  fo5iaIer  (bebanken  (fpesieü  oon  Auton 
IRenger)  n)ie  unter  3at)Uofen  <Ein3eIgefid)tspunkten.  1890  fe^te  ber 
Bunbesrat  eine  Kommiffion  3ur  ReDifton  bts  (Enttourfs  ein,  ber  toieberum 
piandi,  unb  3iDar  als6eneralreferent,  angehörte,  unb  meldte  im  S^bruar 
1886  if)re  Arbeiten  abf^Iog.  Der  Bunbesrat  brad}te  btn  fo  ent« 
ftanbenen  „(EntiDurf  3iDeiter  Eefung",  in  ben  uns  ^ter  intereffierenben 
Partien  unoeränbert,  an  ben  Reid}stag.  Kommiffionsberid)terftatter 
ffir  bas  5^^ili^nred)t  toar  bort  ber  klerikale  Abgeorbnete  Bad^em. 
Der  (EntcDurf  erlitt  in  ben  uns  angef^enben  (Feilen  einige  nid^t  un« 
iDid}tige  Aenberungen  (fpe3ien  inbetreff  ber  (E^efdjeibung)  unb  iDurbe 
im  Reic^sgefe^blatt  Dom  24.  Auguft  18%  mit  Datum  oom  18.  Auguft 
18%  oeröffentlid^t,  3ufammen  mit  einem  „(Einfüf^rungsgefe^"  meld^es 
ben  (Termin  bes  Inkrafttretens  auf  ben  1.  3anuar  1900  feftfe^te. 
nad)  ben  Kompeten3grunbfa^en  bes  beutfd^en  Derfaffungsred)ts  finb 
burd)  i^n  bie  beftet^enben  Canbesgefe^e  unb  (betoo^nt^eitsred^te,  fo- 
wtxt  bas  (Einfüf)rungsgefe^  fte  ni^t  ausbrüdiltd)  aufred^terl^alten 
fyit,  befettigt.  Don  ben  für  bie  prioate  Red^tsftellung  ber  S^^u  er« 
f^eblid^en  Canbesgefe^en  finb  in  biefer  IDeife  aufred^terf^alten :  bie 
5ibeikommig>,  Anerben«  unb  l)öferedjtsgefe^e,  in  meldten  für  bie  ifjnen 
unterftet^enben  (brunbftüdte  burd^meg  ber  Dor3ug  ber  männlid^en  (Erben 
oor  ben  meiblic^en  feftgeftcUt  mirb,  ferner  bie  Dorfdjriftcn  über  bie 
religiöfe  Kinberer3tef}ung.  - 

Sür  ben  allgemeinen  <[f}arakter  bes  6efe^budjs  mar  -  fo- 
weit  unfre  Probleme  in  Betrad)t  kommen  -  maggebenb  bor  bx\na' 
ftifdj-militärifdje  dljarakter  bes  beutfd^en  Staatsioefens ,  bie  3ur 
Seit  bes  Beginns  ber  Beratung  nod)  geringe  Bebeutung  ber  beutfc^en 
Srauenbemegung,  unb  ber  Hefpekt,  meldten  bie  (Erfolge  Bismarck's 
bem  beutfd^en  Bürgertum  Dor  allem  ,, Autoritären"  unb  in  biefem 
Sinn  „IHännlid^en"  beigebrad)t  trotten.     Daneben  bie  ITIad^tftellung, 


412        Das  (E^erec^t  öes  öeutfc^en  bürgerlichen  6e{e^buc^es. 

tx)elc^e  geraöe  3ur  Seit  5er  Oerabfc^ieöung  öes  6e{e^es  reaktionäre 
Parteien,  mit  namentli^  öas  Sentrum,  im  Reichstag  einnahmen  unb 
enöli^  öer  getx)altige  (Einfluß ,  tx)elc^en  gerabe  in  Deutfc^Ianö 
öie  (5e5anhengange  öer  „^iftorif^en  S^ule"  auf  bie  Anfc^auungs« 
roeife  öer  S^^i^riften  geübt  Ratten.  Oermo^ten  fie  au(^  (Bier* 
ke's  5oröerung  eines  ftriftt  „nationalen''  6e{e^buc^s  ni(^t  bur(^ 
fe^en,  roeil  ein  folc^es,  in  {einem  Sinn  reöigiert,  ^eute  eine  Utopie 
roöre,  fo  ^aben  öiefe  Ueberhommenf^aften  öer  Oergangen^eit  öo<4, 
bei  oielen  anerfeennenstoerten  S^rtj^ritten  im  einseinen,  ein  feinem 
(5runön)e{en  na^  patriar^alif^es  5^^ili^nre^t  gefc^affen.  UKr 
finöen,  öag  öie  inottoe  öes  (Entwurfs  3ur  Begrünöung  öiefer  RüdN 
ftänöe  abtoe^jelnö  —  im  Stil  öes  tjiftorismus  —  öie  ,,^iftorif^" 
(Eigenart  Deutf^Ianös  unö  -  gans  im  Stil  öes  naturaliftifc^en  Ratio* 
naiismus  -  öas  „natürli^e"  Der^ältnis  öer  6ef(^Ie(^ter  anführen. 
Diefe  feltene  Spnt^efe  3U)eier  jonft  |o  unoereinbarer  (Elemente  wie 
„ITatur"  unö  „ffiej^i^te"  ift  bei  näl)erem  3u{e^en  ftets  öur<^  ein 
unö  öasjelbe  RtotiD  —  öas  einsig  reale  —  beöingt:  öie  immer  ©ieöer« 
kel)renöe  Rü(fifi^tnal)me  auf  öie  mönnli^e  (5ef(^le(^tsettelfteit  ^). 

Das  Bürgerli^e  (5efe^bu^  beftimmt  ni^t  allein  bie  pniMttrei^t' 
It^e  £age  öer  5^<^u.  IDir  gel)en  jeöo^  im  na^ftel)enöen  ni(^t  nö^ 
auf  öiejenigen  Bej^ränfeungen  ein,  roel^e  öie  im  engeren  Sinn  jog. 
„fosialpolitif^e"  (Befe^gebung  öen  S^öuen  als  Jollen  unö  jpesiell  aud) 
öen  (Etjefrauen  gebradjt  !)at.  Hud)  öieje  Bef^ränfeungen  baben  imox 
unmittelbar  prioatredjtlidje  IDirkungen  für  il)re  re^tli^e  (Bebunöen* 
tjeit:  -  öie  Jrauen  beste.  (E!)efrauen  können  fid)  ni^t  3U  öen  i^nen  oer« 
botenenHrten  öer  Cotjnarbeit:  Untertagearbeit,  ITa^tarbeit,  mel)r  als  elf» 
ftünöige  Hrbeit,  Hrbeit  otjne  öie  geje^Iidje  paufe  für  öie  Beforgung  6es 
fjaustoefens  u.  f.  to.  ocrpflidjten.  Unö  toegen  öiefer  formalen  Re(^ts« 
ungleidjtjeit  stoifdjen  IHann  unö  5rau  toeröcn  bekanntli^  in  £än6em, 
u)0,  im  (Begenja^  3U  Deutfdjianö,  öas  abftrakte  Uaturrec^t  noc^  eine 

')  IDcnn  bicjcr  Husbrucft  im  folgcnbcn  mcljrfad)  gebraud}t  loirö,  fo  ioll 
öamit  nirf)t  ctroa  in  oerlc^cnbcr  IDcilc  bie  cntfprcd)cnbc  (Eigenfd}aft  als  eine 
öcm  TTtannc  als  [oirficn  bcl)crrlrf)cnbe  unb  iljn  d^arahtcrificrcnbe  (Bemütsoer« 
faflung  fjingcltcllt  rocrbcn.  3m  (Bcgcntcil :  bie  „männlirfijtcn"  lUänner  kennen 
bicfc  pf)ili[trö[c  (Enge  gerabe  nirfjt.  tDorauf  es  aber  f)ier  ankommt,  ijt,  bofe 
bcr  (B  e  f  c  ^  g  e  b  e  r  jie  als  eine  unroanbelbare,  unb  um  besioillen  oon  iljm 
3U  [rf)onenbc  Qualität  ber  TTtänner,  |pe3icll  bcr  bcutfd)en  (El^emönner,  be« 
f)anbclt.  6cgcn  bas  (Beje^  unb  im  übrigen  nur  gegen  bie,  loeld^e  in  jenem 
Punkte  [einer  TTteinung  [inb,  rirfjtet  jid)  ber  in  bem  Husbrudt  liegenbe  Spott 


Dorbemerfiungett.    (Entfte^ung  unb  (E^araftter  bes  <Be{e^bu(^e$.    413 

VXadii  \\i,  biefe  (Befe^e  Don  ber  rabtftalen  St^^uenbemegung,  bie 
keinerlei  I>iffeTen3teTung  ber  S^au  im  Re(^t  bulben  mill,  ^eftig, 
-  freiließ  meift  Dergeblic^  -  befel)bet.  Allein  toir  (äffen  fie  ^ier 
um  besmillen  beifeite,  tDeil  mir  fonft  eine  fi)ftematif(^e  (Erörterung 
ber  Arbeiterf^u^olitift  in  bem  Rahmen  biefer  rein  priDatre(^tIi(^en 
(Erörterung  untemel)men  müßten  unb  begnügen  uns  mit  ber  blogen 
5eftfteIIung ,  ba%  Dorf(^riften  biefer  Art  auc^  bei  uns  e^riftieren')- 
3m  übrigen  ift  bie  (Eatfa^e,  ba%  bas  tDeibIi(^e  6ef(^(e(^t  als  foI(^es 
je^t  in  I>eutf(^(anb  keinerlei  Befc^ränftung  ber  prioaten  (bef(^äfts- 
fä^igfteit  ober  ber  3ulaffung  3um  prioaten  —  b.  ^.  bem  ni(^t  oon 
offentIid)er  Aufteilung  ober  3ulaffung  abhängigen  -  (Ertoerb  unter- 
liegt, t)ier  als  bekannt  i)oraus3ufe^en.  IDir  fe^en  im  nad)foIgenben 
femer  aud)  als  bekannt  ooraus,  bag  in  Deutfdjlanb  (feit  1875)  bie 
obIigatorif(^e  9iDiIet)e  gilt.  Das  Re(^t  ber  (Et)ef(^eibung  unb  bie  Rechts* 
ftellung  ber  unet)elid)en  IHutter  fd)etben  mir  3ur  gefonberten  (Erörterung 
im  Sufammen^ang  ber  Probleme  bes  legten  Kapitels  aus  unb  be- 
fpre(^en  alfo  in  biefem  Kapitel  mefentlid)  bie  IDirkungen  bes  patri* 
ar(^alismus  in  ber  (E^e  nad)  bem  ^eute  geltenben  beutfd)en  Red)t. 

Ä. 

3m  (Et)ere(^t  unferes  beutf(^en  bürgerli^en  (befe^bud)s  ringen 
bas  patrtard)alifd)e  unb  bas  inbioibualiftifc^e  (Et)eibeal  um  bie  fjerrfd^ft. 
Der  (befe^geber  mollte  nebeneinanber  ben  überlieferten  Primat  bes 
(Et)emannes  unb  bie  f}anb(ungsfät)igkeit  ber  (Et)efrau  ftd)ern.  Dest)alb 
3iDang  er  gegenfö^Iid^e  Prin3ipien  3ufammen,  bie  im  (brunbe  einanber 
i>emid)ten  muffen,  n>ie  5^uer  unb  IDaffer.  Die  Be3iet)ungen  aller  et)e- 
1 0  f  e  n  3nbiDibuen  finb  prin3ipiell,  n>ie  f d)on  in  allen  im  3eita(ter  bts 
Rationalismus  entftanbenen  Kobifikationen ,  of^ne  Anfet)en  bes  (be- 
f<^Ie(^ts  geregelt  O-  Di^  f^in  menfä^Iidje  (5Ieid)artigkeit  oon  ITlann  unb 
5rau,  nid^t  bie  gef^Ied^tlic^e  Befonbert)eit,  ift  i^r  ITlagftab.  Aber 
au<^  bie  Dert)eiratete  S^<^^  9^1^  int  Prin3ip  als  autonome  unb  felbft> 
DeranttDortli^e  Red)tsperfönlid)keit.     Sie  ftef^t   aI|o,  n>ie   in  Oefter- 

<)  §§  157,  138,  139a,  154,  154c  ber  Reid^sgemerbeoTÖnung  für  Arbei* 
tennnen,  §  60  h  für  f)au{tcrl)an5eL 

-')  Das  Reid)sgerid)t  l)at  biefen  Red)ts3u{tan5  als  ein  burd)  Deretnsau* 
tonomte  ntd)t  an3uta|tenbes  3nbiDibuaIred)t  anerkannt,  tnbem  es  bie  Statuten* 
bcftimmung  einer  Aktiengefellfd^aft ,  meldte  bas  $timmred)t  in  ber  ibeneral« 
Dcrfammlung  nur  männem  3ugeftanb,  für  ungültig  erklärte. 


414       Das  (E^erec^t  öes  öeutf^en  bürgerlichen  (Befe^buc^es. 

rei^,  Ruglanö,  (Englanö  unö  5eh  Oereinigten  Staaten,  in  f)anbel  unft 
IDanöel  auf  eigenen  Süfe^n  unö  oertritt  fl^  felbftönöig  oor  (bt* 
ri^t.  Unö  öen  moöernen  (5efe^geber  ^at  offenbar  ftein  Smeifel  b^ 
unru^igt,  ob  fie  —  felbft  il)rem  (bauen  gegenüber  —  fä^ig  |ei,  oon 
itjren  Rekten  öen  in  il)rem  eigenen  3ntereffe  tDÜnfc^ensmerten  dt* 
brau^  5U  machen.  Sogar  öas  aus  öem  römif^en  Re(^t  in  öas  fäd)ftf(^ 
6(56.  unö  oerf^ieöene  partiftularrec^te  übernommene  Derbot  ber 
Sd^enhungen  stoifd^en  (batten  fallt  fort.  (Ebenfo  alle  Dorfdjriften  mh 
Klaufeln,  öie  il)re  5äi)igft^it  Bürg{d)aft  3U  leiften  oöer  fonftige  Der* 
binöli^fteiten  einsuge^en  no^  im  föc^fifc^en  6(BB.  bef^rönftten.  Sie 
bet^ölt  ~  um  öen  te^nifc^en  Husörudt  3U  brausen  —  aud)  in  5er 
(EI)e  im  Prinsip  unbef^rönftte  (Bef^öfts*  unö  Pro}e|* 
föl)igkeit.  (bebraud)  öaDon  machen  Jiann  fie  freiließ,  tote  vir 
fel)en  roeröen,  nur  fotoeit,  als  öaöur^  öie  Re^te  öes  Rlannes  an 
il)rer  perfon  unö  oor  allem  an  it^rem  Oermögen  ungekrönkt  bleiben 

Die  Stau  kann  ferner  als  Unternetjmerin  ein  jelbftänöiges  fe« 
roerbsgef^öft  betreiben.  Soroeit  f^e  öies  mit  it)rem  Dorbe^Itsgnt 
tut,  befleißen  alsöann  für  öie  Re^tsroirftfamheit  il)rer  Derbinölic^fteiten 
keinerlei  S^ranken.  5ür  i^r,  öer  el)emannli^en  Denoaltung  unö  nii|< 
niegung  unterftet^enöes  „(Eingebra^tes''  öagegen  treten,  toie  mir  fe^ 
tocröen,  füljlbare  Sdjranken  ein,  unö  ebenfo  roeröen  roir  balö  oon  6en 
6ejd)ränkungen  3U  reöen  traben,  öenen  öer  (Enoerb  öer  Srau  öun^ 
Uebernatjme  perfönlidjer  Dienftleiftungen  unterliegt. 

3ene,  immer!)in  prin3ipicll  öie  alte  redjtli^e  Deklaffierung  ber 
(E!)efrau  bejeitigenöe,  5u"öamentierung  öes  (E!)ere^ts  ift,  jo  felbft» 
oerftänölid)  fie  uns  tjeute  fd)on  fdjeint,  nidjt  o^ne  Kampf  erreidjt 
3n  öen  gutadjtli^en  Heufeerungen  Ijeroorragenöer  Sa^geletjrter  3uin 
erften  (Enttourf  toirö  fie  oon  meljreren  Seiten  j^arf  mißbilligt.  3" 
kaum  oertjülltem  (befd)led)tsegoismus  be3ei^net  3.  6.  Klöppel  öie  (bt* 
jd)äftsfät)igkeit  öer  (E!)efrau  als  Husfluß  öer  öen  (Entrourf  be^err|d|en» 
öen  (Eenöen3  „nad\  übertriebener  (5Ieid)fteIIung  öer  ©ej^Iec^ter,  bei  ber 
man  oom  ©etjorfam  öer  5tau  nid)t  metjr  3U  fpre^en  roagt".  Unter 
ett)ifd)en  unö  !)iftorifd)en  (befidjtspunkten  aber  erpreßt  fie  ®.  (bierke 
öen   l)öd)ft  d)arakteriftifd)cn  Sd)mer3ensruf:    „3ft   es   ein  unabioeis' 

lidjes  Bcöürfnis  öie  (Etjefrau in  öen   (Befd^äftsoerke^r  tmyi' 

füf)rcn ,    ttjx  öie   felbftänöige   Dcrpflid)tungsfät)igkeit 3U 

Derleif)en,  öen  (Ef)emann  3um  paffiocn  3ujd)auen  bei  allen  möglichen 
©pcrationcn  [einer  Sxau  3U  oerurteilen  ?  (Ent jpri^t  es  unfcrm  öeutfc^en 


A.  Perfönltd)e  Red)tsDer^äItnt)fe.  415 

Re^tsbetDugtfetn,  öag  5er  IHann  ntd)t  mef^r  als  6er  geborene  Der- 
treter  öer  Jrau  gelten  |oII ....?"  (Bterfte,  öem  es  f)er3ens[adje  ijt, 
einen  ungebro^enen,  man  mö^te  faft  fagen:  ersDÖterli^en  Patriar* 
(^altsmus  als  ^öd)ftes  {tttli^es  unö  3ug(etd)  fpesififc^  6eutfc^nattonaIes 
36eal  5U  Derteibigen.  tft  überf^aupt  öer  „inöiDiöuaItfttfd)e''  un6  öesf^alb, 
nad)  feiner  Bnfic^t,  ,,romaniftifc^e"  (5ei{t  öes  (Entrourfs  ein  (Sreuel. 
Ueber  alle  geltenöe  Hechte  f^intoeg  möd)te  er  roieöer  an  öie  35ee  öer 
mittelalterlichen  f)ausgemeinfd)aft  angeknüpft  tpiffen,  unö  fie  im 
3ntereffe  öer  Derftönölic^keit  (!)  unö  DoIftstümIid)keit  möglid)ft  aud) 
im  mittelalterli^en  Spra^kleiöe,  fo  3.  B.  öen  freilid)  unfd)önen  „3n- 
fjaber  öer  elterlichen  (Beroalt"  öes  erften  (Entrourfs  als  „ITtunöroalt", 
öas  Dertoaltungs-  unö  Itu^niegungsred^t  öes  ITlannes  als  „(b^wtxt 
3ur  rechten  Dormunö|djaft",  er|d)einen  laffcn.  Dor  allem  aber  joü  öer 
<&efe^geber  öie  et^eli^e  (5emeinf^aft  als  eine,  über  öer  3tDeit)eit  öer 
Perfönli^keiten  f^roebenöe,  ,,organifc^e  (Eint^eit"  betrachten  unö  öes* 
f^alb  grunöfö^Iic^  oerf^ieöen  Don  jeöem  anöern  He^tSDert)aItnis  be« 
^anöeln.  Dag  öer  (Entrourf  ftatt  öeffen  „von  öen  3nöiDiöuen  aus* 
gef)t"  gilt  il)m  als  Anfang  Dom  (Enöe,  als  ,,Donkommene  Derleugnung 
öerjenigen  (5emein{c^aft,  roel^e  faft  öas  ein3ige  unerfc^ütterli^e  BoII* 
merk  gegen  öie  IDogen  öes  3nöiDiöuaIismus  bilöet",  öer  öie  gefell- 
f(^aftli^e  Buflöfung  föröere.  -  (5ierke*s  patriarc^ale  (Ef^auffaffung 
ift  öemnad)  eine  öurc^aus  Iogifci)e  $oIge  einer  antiinöiDiöualiftifc^en 
IDeItanfd}auung,  öie  öen  (Ein3elnen  nur  als  Stoff  unö  ITltttel  3ur  (Be* 
meinfc^aftsbilöung  toertet,  -  toöf^renö  5i<4^^^  i^  übrigen  öod) 
CDefentlici)  tiefer,  to eil  „inöiDiöualiftif^er",  begrünöetes  patriarci)ales 
<El)eiöeaI  fici)  als  ein  oöllig  fremöer,  irrationaler  Beftanöteil  in  öeffen 
gan3  anöers  geartetes  logifc^es  unö  etl^ifc^es  St}ftem  l)ineinfc^iebt. 

(Eroft  jener  Angriffe  blieb  jeöod)  öas  inunöialprin3ip  oon  öer 
Sd)U)cne  öes  neuen  (befeftes  oerjc^eu^t.  Der  fc^öpferi|d)e  (beift  beiöer 
Reöahtionshommiifionen,  piandi,  f)ält  öer  (I)ierhe*f c^en  Buffaffung  erfolg- 
reich entgegen,  öafe  ein  Si)ftem,  roelc^es  öer  (Eljefrau  öie  (Bef^äfts- 
föt^igheit  ent3iet)t  unö  \\e  öaöurc^  in  öie  Stellung  eines  IHinöerjäl^rigen 
f^erabörüdit,  toeöer  öurci)  öas  innere  IDefen  öer  (Ef)e  noci)  öurd)  öie 
bisf^erige  gefd)ici)tlici)e  (Entroidilung  noc^  öurc^  öie  jetzigen  £ebensbe* 
öürfniffe  gerechtfertigt  fei.  piandi's  meitere  Ausfüt^rungcn  gipfeln 
öann  aber  in  öem  (Beöanhen,  öag  öie  öeutfc^en  Hec^tsgeöanhen 
(nömlici)  öie  (Eint^eit  öer  5^vniHe  öurc^  öie  gefe^Iic^e  Dort^errfc^aft 
öes  ITlannes)  fid)  -  roie  öies  öer  (Entmurf  3eige  -  nodj  auf  einem 


416        Das  Ctiecedit  öes  öeutfd)en  büigerltdien  (Se{egbut^es. 

anderen,  loenn  aud)  etoias  ttomplijierteiGn  IDege  t)eiiDiikltcti«n  lofie 
als  in  öer  tiem  IHittelalter  üngefjötenbeii  Sorm  bes  etiemännlii^tn 
Ttlunbiums.  IDir  find  üatiad;  {d)0[t  öarauf  norbereitet,  öag  bit  fot- 
male  Befeitiguitg  öec  SljeDogtei  no(i(  fteiiiesiiiegs  il}re  befinitiiK 
jubftantielle  Deriiid)tung  beöeutet,  mir  ermarten  6en  alten  IDein  in 
neuen  ScEjldudfen;  bas  neue  ffiefetj  roirö  proöuftt  eines  Kompromiffes 
5iDi|d)cti  alter  und  neuer  (f[]eauffa({ung  fein. 

Als  allgemeine,  aucfj  nertragsmö^ig  nic^t  ju  änbembe  ITomi  für 
öle  äußere  (teflaltung  öer  periönlicEjen  Besiefjungen  öet  (Butten  for- 
muliert ÖQS  B®B.  in  §  1553  öen  Sa^:  „Die  (£E)eg(itten  \inb  einanfrti 
jur  eljelidien  £ebensgemeinlct|aft  oerpflidjtel."  IDie  mir  fatjen,  tttr- 
tud)ten  aUe  älteren  Kodifikationen  unter  dem  Sinflufi  ber  naturrti^t' 
Ii(^en  (E[}eöefinitionen  öen  SroeA  üer  Sfje  oöer  öie  (Quelle  öer  gegm« 
fdtigen  Pf[id)ten  ber  (Batten  genauer  ^u  prä5i|teren  unb  würben  babei 
mei|l  banal,  gefiifmadilos  unö  unjort,  otjne  jebod),  »le  öie  „ntoliw* 
bes  etften  Entwurfs  ridjtig  bemerken,  bamit  ben  fittlidien  Ilntjall 
öer  (Elje  irgenbroie  crfdjöpfenb  ju  bejeic^nen.  3n  btt  lat  genügt 
biefer  eine  Sa^  als  £eitmotiD  bes  (El^eret^ts  an  fid]  DOlIjtänbig.  Seine 
Dorausje^ung  ilt  bie  fluffaüung  öer  (El|e  als  einer  |illll(f)en  anb 
getftigen  Bejieljnng,  öie,  nnabijängig  non  öen  blofe  pi)i)iilc^  motioietten 
un&  bestjalb  Dergäng[id]en  (Empfinbungen,  ben  gaii5en  ITTenif^en  tv 
greift.  -  nidjt  3U  leugnen  ilt  freilidf,  öa^  bie  Art  ber,  Ijeutc  nun  einmal 
in  ben  f)änben  oon  männcrn  Üegenben,  Redjts  [  p  t  e  d]  u  n  g  juveilen 
eine  einget(cnbete  KaluiltiU  u)unfd)ensu)ert  eridfeinen  la((en  bönnle. 
Dag  ].  B.  öie  5)^09^.  ^^  ^°^  ^'^  6efat)r  geid]Ied)tlid)er  flnftcAung 
öer  lllann  mdft  öennod)  flnfprudj  auf  öie  „eljelidie  Pflidft"  Ifobe, 
überljaupt  aud;  nur  geridjtlid)  aiifgerootfeu  werben  honnte,  ijt  ein« 
Ungei)euerlid)t!eit.  3"  öeni  im  (Befe^bud)  nidjt  ausörüdilid)  ent^Itenen 
Begriff  ,,elfettd|epflid)t"  liegt  ja,  |d)c>n  ber  Q)ortfa{fung  nad),  übertjaupt 
alles  bas,  roas  ber  il[;araltter  öer  St^e  als  eines  Hed)  tsinjtititt  an  Bru- 
talitäten mit  [id)  bringen  kann.  Daju  tritt  ein  IPeiletcs.  ÖJir  ^aben 
fifl^er  9e]et}en,  toie  im  (Orient  ber  flnjprud)  auf  <Se!d]ledrlst)erttebi 
Dotneffmüd)  als  ein  ioldjer  ber  5^1".  bie  entipted)cnbe  „Pflidjt"  als 
eine  {old)e  bes  ITIannes  bel;anöelt  rourbe:  eine  ^olge  ber  poli^gantic. 
Umgettei)it  |tet}l  es  {d}on  in  geu)iffen  angeblid)en  f1usfprüd)en  £ull)eis. 
Die  tttonogamie,  mo  |ie  burd)gefüt)rt  mirö,  bringt  es  mit  |id),  bat 
Ifeule  meift  bie  Stau  es  i|l.  aield)e  übet  nta^lofigkeit  öct  ge|d)ledtl- 
lid^en  An{prü^e  öes  Utannes  ju  hlagen  t)al,  unb  öies  wicö  Öai4)  bü 


A.  perfönli^e  R€d)tsDert)a(tntne.  417 

Art  unfrer  Kulturentioicfilung  gefteigert.  Dag  anbrerfeits  öer  Begriff 
einer  {ej^ueüen  p  f  I  i  d)  t,  too  immer  öie  (Ef)e  als  Red)tsin{titut  beftef)t, 
n\&it  einfad)  gön3li^  aussufc^alten  ift :  -  als  Unterlage  eines  Sd^ei* 
bungsgrunöes  -  liegt  auf  5er  f)an6. 

Die  DertDirhlic^ung  öes  fittlic^en  IDefens  5er  (Ef^e  erfd)eint  nac^ 
Anftd^t  5es  (Befe^gebers  nur  mögli^,  coenn  ITlann  un5  5rau  aud) 
röumlid)  if^re  Son5ere|[iften3  aufgeben,  unter  einem  Dad),  im  gemein- 
famen  f)ausl)alt  5ie  5reu5en  un5  Sorgen,  5ie  £u{t  un5  £aft  6es  All- 
tagslebens teilen.  Die  (Satten  können  ftc^  5es^alb  nid)t  ein  für  alle- 
mal burd)  Dertrag  ein  Hed)t  auf  (betrenntleben  fid)em.  (Es  ift  3tDar 
mögli^,  5ag  fie  fi^  barüber  einigen,  in  getrennten  f)ausl)altungen 
3U  leben,  un5  5ann  fin5  für  5iefen  fahtifd)  beftel)en5en  Suftanb  Der- 
einbarungen  über  5ie  (betDÖl^rung  5er  ITlittel  5a3u  Don  einem  (Batten 
an  5en  an5ern  gültig.  Aber  jene  Suftimmung  3um  (Betrenntleben 
felbft  ift  ie5er3eit  CDiöerruflid) ,  benn  es  ift  kein  Dertrag  rechtsgül- 
tig, tDoraus  einem  (batten  ein  Anfpru^  enoüc^fe,  auc^  gegen 
6en  IDillen  {eines  (benoffen  5er  lDof)ngemeinfd)aft  fern  3u  bleiben. 
(Ein  foId)er  Dortrag  toöre  nichtig,  5ie  gegebene  3uftimmung  je5er3eit 
n>i5erruflic^.  Auc^  if)r  fafttifd)  5auern5  überein ftimmen5er 
IDille  |tel)t  infofem  nid)t  über  5em(be{e^,  als  5ie  (El^efrau  im  Re  d)  ts- 
finn  unter  allen  Umftönben  5as  ,,Domi3iI''  5es  (Ef)emanns  teilt, 
bort  Der  klagt  tDer5en  kann,  fteuerpflic^tig  i|t  u.  f.  id.  3m  übrigen 
madit  aner5ings  if^re  (Einigkeit  fie  bem  (befe^  gegenüber  in  jebem 
(Ein3eIfaII  infofern  frei,  als  il^rer  freimilligen  faktifc^en  ([rennung  nichts 
in  bm  IDeg  gelegt  ift.  Hur  menn  fid)  einer  ber  (batten  grunblos  unb 
gegen  btn  IDillen  bes  anbern  langer  als  6  IHonate  ber  räumlichen  (be- 
meinfc^af t  ent3iel)t,  bered)tigt  bas  (befe^  ben  Derlaffenen  3ur  Klage  auf 
«f^erfteUung  bes  etjelic^en  £ebens",  -  regelmäßig  einer  Dorjtufe  ber 
(Et^e|d)eibungsklage. 

Der  ben  (El?eleuten  burd)  jenen  £eit|at^  3ugemutete  Der3id)t  auf 
il)re  $onbereri|ten3  bebeutet  aI(o  für  beibe  einen  Der3ic^t  auf  einen 
(Teil  ifjrer  per(önnd)en  5reif)eit,  unb  |pe3ien  für  bic  (Ehefrau,  ba  ber 
ITIann  ben  IDol^nfift  bejtimmt,  eine  füljlbare  Beldjränkung  bes  prin- 
3ips  ber  5tci3Ügigkeit.  Diefe  Konfequen3en  erfc^einen  in  geroiffem 
Umfang  allerbings  3ur  DertDirkIid)ung  {ittlic^er  Be3ief)ungen  aud)  un- 
bebingt  nötig.  Denn  eine  (Elje  nad)  „lllutterrec^f  in  bem  Sinne, 
iDie  fie  l)eute  mand)e  So3iaIreformer  (Ruth  Brt)  erträumen:  -  baj^ 
nämlic^  lllann  unb  S^^^  bauernb,  ober  roenigftens  oorroiegenb, 

ITf  her,  tjhetrau  un^  murtri  27 


418       Das  (EI)ere^t  öes  beutfc^en  BuTgerItd)en  (Be{e^bud)es. 

in  getrennten  f)ausgenietnfd)aften  bleiben,  mfigte,  als  genereUer  3u' 
ftanö  gebaut,  bie  (EI)e  notioenbig  tx)iebeT  5U  einer  bloßen  <Bef(^Ied)t$< 
gemeinf^aft,  5U  einem  mittel  rein  eroti{d)er  Bebürfnisbefriebtgung 
Dergröbern.  (Ein  {olc^er  3uftanb  körne  ni^t  nur  —  ber  Regel  nac^  ~ 
Dorroiegenb  bem  tllanne  3U  gute,  roeil  er  ber  öftonomt{(^  toeitaus  leid^ 
ter  becoegli^e  ift,  {onbern  er  mügte  auc^  ben  feinften  Blüten  bes  (B^ 
lebens:  ber  3artt)eit,  (Eiefe  unb  Opfenoilligfteit  einer  bauemben,  nur 
im  gemeinf^aftli^en  Hingen  bes  Hlltags  erroac^fenben  feelifc^en  (5^ 
meinf^aft,  alles  (Erbrei^  entsie^en.  BilligertDeife  mirb  jeboc^  im 
(5egenfa^  3u  einigen  alteren,  5.  B.  bis  ba^in  nod)  in  ben  6ebteten  öes 
babif^en  unb  {ö^fif^en  Re^ts  geltenben,  (Beroo^n^eiten  keinerlei 
birekter  pl)t}{if^er  Stoang  5ur  Hufre^ter^altung  ber  e^elic^en  (5^ 
meinf^aft  ausgeübt.  Die  „bur^gegangene"  5tau  kann  olfo  bem 
mann  poliseili^  unter  keinen  Umftönben  3urüdigebra^t  n>erben,  beim 
na^  Hnfid)t  ber  motioe  ift  bie  Anroenbung  oon  Smangsmagregeln 
3ur  f)er[tellung  bes  el)elid)en  £ebens  „mit  bem  IDefen  ber  (E^e  als  eines 
Dorroiegenb  fittlid^en  auf  ber  el)elid)en  (5efinnung  beru^enben  Der^t* 
nifjes  ni^t  oereinbar."  Die  Derurteilung  3ur  ,,f}er{tenung  ber  ehe« 
li^en  (5emein{d}aft"  t^at  al\o  3una^{t  nur  eine  päbagogi|(^e  Bebeutung: 
{ie  konftatiert,  bag  bas  Derl^alten  bes  Beklagten  ben  e^elid)en  Pflichten 
3uu)iberläuft.  Bleibt  er  bann  tro^  bes  Urteils  o^ne  TDillen  bes  anbem 
ber  eljeli^en  (5cmeinjd)aft  fern,  \o  gewinnt  ber  Derlaffene,  nac^  3al)res« 
frijt  von  ber  Aufteilung  bes  Urteils  an,  alfo  na^  minbeftens  1^  ijäl)» 
riger  ungewollter  (Trennung,  ein  Re^t  auf  Sc^cibung.  IDir  können 
biefer  Regelung,  oorbetjaltlid)  ber  jpäter  3U  erörternben  Sorberungen 
in  be3ug  auf  bie  S^W^ellung  bes  etjelic^en  IDoljnfi^es,  um  jo  rüA» 
tjaltlofer  3uftimmen,  als  nod)  ein  3U)eiter  (Brunbfa^  ber  Derpflidjtung 
iljre  Starrljeit  abjtreift. 

Unter  bejtimmten  Bebingungen  befi^t  nämli^  jeber  (5atte  ein 
Red)t,  fid)  aud)  0  l)  n  e  3u|timmung  bes  anbem  ber  l^auslid^en  un6 
gcfd)led)tlid)cn  ©emeinfdjaft  3U  tni^klftn:  Wenn  bas  Derlangen  bes 
anbem  nad)  iljrer  Sortierung  jid)  als  „migbrauc^  jeines  Redyts* 
barftellt,  ober  wenn  fein  Derl^alten  Bered)tigung  3ur  Sd^eibungsklage 
bietet:  £eid)tfinnige  Derle^ung  ber  Untertjaltungspflic^t,  efjrlofes,  un« 
jittlidjes  Derl)alten,  (Erunkfudjt  unb  fortgefe^te  mig^anblungen,  3u» 
mutung  übermäßigen  gefunbtjeitsgefätjrbenben  (Befdjlec^tsoerkeljrs  pon 
feiten  bes  mannes  beredjtigen  batjer  bie  $xa\x,  bie  el)elid)e  IDo^nung 
3u  oerlaffen.    Huf  Derlangen  bes  (Batten  muß  fie  allerbings  -  eben« 


A.  peTfönIid)e  Red)tsDert)aItntffe.  419 

fo  mie  im  umgekehrten  S^^^  ^^^  ITtann  -  nod)  6  IHonaten  enttoeöer 
in  öie  t)auslid)e  6emetnfd)aft  surüdikel^ren  o6er  aber  öie  S^eibungs- 
hlage  an|trengen,  öenn  öauernbe  ([rennung  ot)ne  S^eibung  {oll  eben  nur 
bei  b eiber feitiger  3u{ttmmung  möglid)  {ein.  Bei  allen  SmeifelsföIIen 
fönt  bie  (Entf^eibung  ber  S^^Q^*  ob  bas  Derlangen  eines  (bauen  nad) 
f)er(tenung  ber  £eben$gemeinfd)aft  als  «Hligbraud)  {eines  Redjts" 
an5ufef)en  ift,  bem  freien  (Ermeffen  bes  Hid)ters  3U,  unter  Berüdifid)« 
tigung  aller  £ebens%  6e{unbf)eitS'  unb  (ErtDerbsDert)aItnt{fe  ber  (Batten. 
S(^Ied)te  öhonomifc^e  £age  bes  niannes  erftennt  bie  Red)tfpred)ung  nid)t 
als  6runb  ber  IDeigerung  an,  mol^l  aber  3.  B.  ben  IHangel  einer  an* 
gemeffenen  IDof^nung,  bie  unbegrünbete  Dorent^altung  ber  Stellung, 
welche  ber  5^^u  im  f}au[e  3ukommt,  bie  Annat)me  einer  Per{on  als 
f}ausl)a(terin,  mit  meldjer  ber  (Ehemann  früt)er  ge{d)led)tlid)  3u{ammen' 
gelebt  t^at  ^),  ben  Bru^  ber  3u{agen,  bie  er  über  bie  religiöfe  €r> 
3ief)ung  ber  Kinber  gegeben  t)at.  Auc^  f^at  bas  Hei^sgerid)t  anerkannt, 
bag,  n>enn  einmal  ein  (brunb  3ur  IDeigerung  oorgelegen  l^at,  (Garan- 
tien bafür,  ba^  bie(er  (brunb  nid)t  n>ieberhet)re,  oorliegen  muffen,  um 
ben  Anfpruc^  auf  f)erfteUung  ber  (Bemeinfdjaft  begrünbet  er{(^einen  3tt 
laffen.    Die  Praps  ift  jebod)  naturgemäß  nod)  fel^r  im  Sluß. 

Als  Kriterium  kann  eben  bem  Hid)ter  ein3ig  unb  allein  bie  all- 
gemeine fittli^e  Anfd)auung  über  bas  IDe(en  ber  e^elid^n  (bemein- 
fd^ft  bienen,  unb  feine  f)öd)ft  per(önlt^e  Beurteilung  ber  IDtrftung 
einer  f)anblung  auf  bas  (ubjehtiDe,  je  nai^  bem  innerlid)en  Bilbungs- 
grabe  unenblid)  Der(d)ieben  abgeftufte,  (Empfinben  ber  ftreitenben 
Parteien.  Bie  (Ent(^eibung  über  bas  ITIag  ber,  aus  ber  ef^Iid)en 
£ebensgemeinfc^aft  bem  (Ein3elnen  enoad^fenben,  feelijd^en  unb  pt)t}rti<^en 
Pflid)ten  DoU3ie^t  fic^  alfo  bei  3al)nofen  fällen  in  le^ter  3nftan3  in 
feinem  perfönlid)en  BetDugtfein,  nad)  {einer  fittlid)en  Ueber3eugung. 
Desf^alb  mirb  3.  B.  ber  mobernen  Anfd)auungen  3ugangli^e  Rid)ter 
gan3  ben{elben  5an  anbers  ent(d)eiben  als  ber  an  mittelalterlid^n 
3^ealen  orientierte.  Deshalb  er{d)eint  aber  aüerbings  -  bas  ift  bie 
nottoenbige  Kon{equen3  {olc^er  Be(timmungen,  aud)  eine  all(eitig 
burd)bringenbe,   DerftänbnisDoIIe  Beurteilung   oon  (Et^ekonflihten   er(t 

')  3n  6i€|€m  Sali  liegt  öer  grobe  S^^^^^  natfirltd)  baxin,  öag  es  öem 
mann  überf^aupt  nad^  ber  be(tet)enöen  Red)tslage  {],  u.)  ge(tattet  i(t.  gegen 
ben  tDillen  ber  S^au  eine  fold^e  3U  engagieren,  oljne  in  S^Hen  ber  Hot« 
oenbigheit  unb  ber  Unmögltd)keit  einer  Einigung  gend)tUd)e  €nt{d)eibung 
I}erbei3ufüf}ren. 

27* 


420       Das  (El)ere^t  öes  öeutf^en  Bürgerli^en  (Be{e^bu(^es. 

bann  geft^ert,  tx)enn  neben  öem  männlichen  audi  iDeibHd^e  Richter 
i^re  p{i}c^oIogifd)en  (Einfluten  unö  IDertungen  in  öie  IDagfc^ale  merfen 
können. 

Re^tfertigt  fi^  öie  üerpfli^tung  3ur  ,,£ebensgemein|<^aft*'  als 
Oorbebingung  il)res  feelif^en  3neinanbenDa^{ens,  fo  f^Iingt  bagegen 
ber  oon  ber  5^QU  gef orberte  Dersi^t  auf  il)ren  S^^ntili^^namen 
nur  ein  rein  äugerli^es  Banb  um  bie  6atten.  ITa^  §  1355  er^t  6te 
5rau  ben  5o^iK«""ömen  bes  ITtannes,  b.  ^.  fie  ijt  nid^t  nur  bere<^» 
tigt,  fonbern  oerpfli^tet,  il)n  mit  i^rem  eigenen  3U  oertaufc^n.  Selbft 
roenn  fte  ft^  Dor  il)rer  f)eirat  ettoa  als  Künftlerin,  S(^rift{tenenn 
ober  bur^  jonjtige  Ijeroorragenbe  £eif hingen  „einen  ITamen  gemacht* 
l^atf  barf  fie  il)n  nur  mit  (E  i  n  tx)  i  U  i  g  u  n  g  bes  tllannes  neben  bem 
feinigen  tragen.  (Ein  unbebingtes  Rec^t  barauf  t)at  fte  ni(^t.  Diefe 
Re^tsregel  ift  rein  tjijtorif^  bebingt,  ein  Reft  primitioen,  auf  (bimb 
bes  $rauenkaufs  enoorbenen  „Daterredjts",  unter  bem  bic  gefe^ii^ 
no^  ni^t  als  perfönli^keit  geroertete  5tau  gar  beine  red^tlic^e  Sonber- 
e^iftens  befag,  fonbern  it^ren  ITamen  unb  Stanb  fo  gut  roie  i^  Red^t 
oom  manne  empfing,  tlormatioen  (E^arakter  kann  fte  burd^aus  nic^t 
beanfpru^en.  IDenn  bie  RtotiDe  bie  ITamensein^eit  eines  (Ehepaars 
als  „natürlid^e  5oIge  ber  3nnigkeit,  unb  ber  bos  ganse  £eben  um> 
faffcnben  Bebeutung  ber  etjelidjcn  (Bcmeinfc^aft"  be3ei^nen,  fo  bege^ 
fie  bamit  benfelben  Iogi(d)en  unb  pjr)^oIogifd)en  Segler  toie  alle, 
U)eld)e  bie  „(Eintjcit"  ber  ffiattcn  3um  Husgangspunkt  bes  (ElJ^ 
rcd)ts  madjen  toollen:  Sie  fe^cn  ein  im  £aufe  ber  (Etje  3U  oertDirklic^em 
bes  3beal,  eine  H  u  f  g  a  be,  als  eine  ein  für  allemal  jelbftüerftänblic^ 
unb  naturgeje^lid)e  (Eatfad)c  ooraus.  Dies  i|t  überljaupt  ber  für  öie 
Redjtsftcllung  ber  (Eljcfrau  üertjängnisDolljte  logi|d)e  3rrtum,  bem 
gegenüber  nidjt  3U  oft  betont  toerbcn  kann,  ba^  bie  (Qualität  öer  3u« 
neigung  unö  £eiöenfd)aft,  toeldje  öie  5rau  öem  IHanne  3ufül)rt,  öurdyaus 
n  i  d)  t  iöentifd)  ift  mit  öcmjcnigen  (Befüljl  oon  innerli^cr  Derbunöem 
Ijeit  unö  feelifd)er  (Einljeit,  öie  erforöerlid)  finö,  um  eine  geijtig  oofl* 
cnttoidielte  5^Qu  -  unö  oon  öcn  Hn[prüd)en  fold)er  an  öas  (E^ered^t 
reöcn  toir  Ijier  -  unter  anöerem  3.  B.  aud)  öas  (Dpfer  il^res  Hamens, 
öer  fie  mit  öen  3l?i^ig^n  unö  allen  (Erinnerungen  itjres  bisljerigen 
£ebens  ocrknüpft,  als  felbjtDerjtänölid)  empfinöen  3U  lafjen.  Da  aber 
öie  feelijd)e  (5emein|d)aft  öer  (Batten  in  abjolut  gar  keiner  Ridjtung 
öurd)  öiefes  ®pfer  geföröert  toirö,  jollte  es  -  roie  in  Rufelanö, 
fjollanö   unö  öer  Sd)tDei3  -  öer  5^ou  minöejtens  freijte^en,  iljren 


A.  peT{önItd)e  Red)tsDerl)äItntffe.  421 

eigenen  namen  mit  6em  öes  tllannes  5u{ammen  3U  füllten.  Bei  qan^ 
trobiKonsIofer  Ueberlegung  5er  $rage  ftommt  man  fogar  3U  öem  Re* 
{ultat,  öag  es  überöies  am  3tDedmiagigften  toöre,  btn  (Ef^egatten  3tt 
geftatten^  für  i^re  K  i  n  6  e  r  3tDif^en  öen  5<^^ili^nnamen  Don  Dater 
unö  ITItttter  3U  ©äfjlen  -  je  nadjöem  es  öas  Snterefle  6er  Kinöer 
ert^ei{d)t  ober  es  6eren  eignem  IDunfc^e  entfprid)t.  (Ein  emftt)afterer 
(Einmanb  als  öer,  6ag  eine  berartige  IDa^Ifreil^eit  3ur  „niutterfolge'' 
6er  bist^erigen  (Erabition  tDiberfpred)e,  lögt  fi<i)  bagegen  kaum  geltenb 
mad^en.  Dagegen  löge  3.  B.  angefid)ts  6es  f^eutigen  Antifemitismus 
6er  Dorteil  für  bie  Kinber  auf  ber  fianb.  Au^  bie  ITIotiDe  begrünben 
6ie  ausna^mslofe  Derpflic^tung  Don  5rau  unb  Kinbem,  ben  Hamen 
bes  inannes  3U  tragen,  nur  mit  bem  f)intDeis  auf  „bie  Stellung  bes 
(Ef^emannes".  Sie  ift  alfo  lebiglid)  eine  Konseffion  an  jene,  in  le^ter 
3nftan3  bod)  toieber  auf  männliche  6efd)lec^tseitelkett  3urüdigel)enben 
Anf(^auungen ,  bie  bem  IHann  unter  allen  Umftönben  oon  6e{e^es 
toegen  feine  Pofition  als  „5amiIienoberf)aupt''  nad)  äugen  f^in  fid)em 
n>oUen,  gan3  g(eid),  ob  bies  im  (Ein3elfane  bem  Bebürfnis  ber  6atten 
ober,  toas  roidjtiger  i{t,  bem  3ntereffe  ber  Kinber  entfpri^t  ober  nid)t. 

BeDor  toir  bie  übrigen  ein3elnen  patriard)alen  Beftanbteile  un|eres 
(Ef)ered)ts  betrad)ten,  befd^öftigt  uns  3unad){t  no^  einmal  bie  allgemeine 
(Ef^eauffaffung  bes  6efe^gebers.  IDir  fef^en  babei,  fotoett  es  bie  Der« 
anfc^aulic^ung  erlei^tert,  oon  ber  im  (5efe^este|[t  beobad)teten  Reifen- 
folge  ber  paragrapt)en  ab  unb  f teilen  oor  allem  §  1354  (ef^mönn- 
Iid)es  (Entf^eibungsre^t)  3una^ft  no^  3urüdi.  -  §  1356  unb  1360  *) 
Don3iet^en  eine  Rxt  Arbeitsteilung  3ix)i|d)en  btn  (5atten.  Sie  meifen 
in  be3ug  auf  bas  (5emein(d)aftsleben  jebem  feinen  befonberen  Pflid)ten> 
hreis  3U.    3n  erfter  Cinie  Aufgabe  bes  IRannes  ift  bie  Befd)affung 

')  §  1356:  „Di€  Srau  ift  unb€fd)a6et  btx  Dor(d)ntten  öes  §  1554  be. 
r€d)tt9t  unb  Derpf(id)tet,  bas  9€inctnfd)aftlid)e  f)ausn)cfen  3U  leiten.  5u  Ar* 
betten  im  f^ousmefen  unb  im  (5e{d)öfte  bes  TUannes  ift  bie  Si^au  Derpflid)tet, 
foDeit  eine  fold^e  (Edtiglteit  nadi  6en  Derf^dltniffen.  in  öenen  bie  (Etjegatten 
leben,  fiblid)  ift." 

>)  1360:  .,Der  TUann  t)at  ber  S^^^  ^^^  TUaggabe  feiner  Cebensftellung, 
feines  Dermögens  unb  {einer  (EriDerbsföf^iglteit  Unterfjalt  ju  getDdf^ren.  Die 
Srau  f}at  6em  ITlann,  (Denn  er  auger  Stanbe  ift,  fid)  felb|t  ju  unterf^alten, 
ben  feiner  Cebensftellung  ent|pred)enben  Unterf^alt,  nad)  niaggabe  if^res  Der* 
mdgens  unb  it}rer  (EriDerbsfät)igheit  ju  gemöf^ren.  Der  Unterl^olt  ift  in  ber 
burd)  bie  ef}e(id)e  (5emeinfd)aft  gebotenen  ÜOeife  3U  geiDfif^ren. 


422       Das  (E^erec^t  öes  öeutfc^en  Burgerli^en  6e{e^bu^es. 

öer  tx)trtfc^aftlt^en  (Brunölage  5er  €I)e.  (Er  foll  ber  $rau,  unab^ngig 
boDon,  ob  fie  fi^  felbft  ernähren  kann  ober  nic^t,  ben  |  ein  er  - 
nic^t:  tl)rer  ~  £ebens{tellung,  bas  ^eigt  in  erfter  £inie  feiner  ^gefeüfc^« 
Ii(^en"  Stellung,  er{t  in  stoeiter  £inie  feiner  (Enx)erbsfa^tgftett  luiö 
feinem  Oermögen  entfprec^enben,  alfo  ben,  von  feinen  fostolen  fln* 
fprfi^en  aus  gefel)en,  ,,ftanbesgemägen"  Unterhalt  gemö^ren.  UnbjnKiT 
babur^,  ba^  -  primär  -  er  bie  Koften  bes  f)aus^Its,  ber  Ißnber* 
er5iel)ung  unb  ber  perfönli^en  Bebürfniffe  ber  Stau  trägt.  Aud)  i^re 
Kranhl)eits«  unb  Kurkoften,  eDentuell  i^re  Oerpflegung  im  (Beföng' 
nis,  gel)ören  3U  ben  „el)elic^en  £aften".  Die  £iteratur  ftreitet  aller» 
bings  barüber ,  ob  er  ben  oI)ne  feine  (Einmilligung  oon  i^r  für  ft«^ 
gebraud)ten  Ar3t  5U  besal^Ien  ^abe.  -  ITac^  ben  ntotioen  ^belt  er 
nur  bann  in  ,, rechter  c^eli^er  (Befinnung",  tDenn  er  feinen  eignen 
Unterhalt  ni^t  oorabnimmt,  fonbern  mit  ber  5^^^^  teilt,  noos  er  ^, 
„mag  es  nun  für  ben  beiberfeitigen  ftanbesgemögen  Unterst,  ober 
nur  für  bzn  notbürftigen  ober  felbft  für  btn  Unteren  nidjt  ausreic^eit* 
3ebo^  brauet  er  il)r  ben  Unterhalt,  fo  lange  fie  mit  i^m  3ufammen* 
lebt,  nur  in  Itaturalten,  alfo  bur^  Darrei^ung  oon  IDo^nung,  Ucfy 
rung,  Kleibung  u.  f.  to.  3U  gerDÖI)ren.  9u  (Belbleiftungen  an  bie  5rau 
ift  er  ni^t  oerpflidjtet:  —  auf  biefen  Punkt  kommen  ©ir  fpäter  3urü(k. 
3ft  nun  ber  ITIann  nidjt  in  ber  £age,  bie  3um  „ftanbesgemäfeen" 
Unterljalt  ber  Seinen  erforberli^en  lUittel  3U  bcfc^affen,  fo  mufe  öie 
5rau,  toenn  \it  eignes,  md)t  otjncbies  in  ber  ITu^niefeung  bes  ITlannes 
befinblidjes,  Dermögen  Ijat  ober  (Einkommen  erroirbt,  „na^  niaggabe 
itjres  Dermögens  unb  if)rer  (Erroerbsfätjigkeit"  entjprcdjcnb  feiner,  bes 
ITlannes,  -  alfo  aud)  tjier  nidjt:  iljrer  -  £ebensftellung  bas  Scl)Ie^^€ 
beifteuern.  Hudj  fie  ift  nidjt  beredjtigt,  itjren  eignen  Unterljalt  oorab 
3u  netjmen,  falls  ber  ITIann  nidjt  burc^  fein  eignes  Derfc^ulben 
mittellos  geworben  ift.  —  Unfer  (Befe^  erkennt  bamit  in  flnleljnung 
an  bas  fädjfif^e  B(BB.  ber  J^öu  eine  roeitergeljenbe  Unterljaltsoer« 
pflidjtung  3U,  als  bie  meiften  anbren  mobernen  (befe^e.  3m  Co'ic 
civil  brauet  fie  nur  bann,  mtnn  fie  fidj  itjr  gan3es  Dermögen  burd) 
(bütertrennung  oorbeljalten  Ifat,  einen  Beitrag  3U  ben  I}aus^altS' 
koften  leiften.  Xla&i  englifdjem  Re^t  f djulbet  fie  iljm  nur  btn  n  0 1  ^ 
b  ü  r  f  t  i  g  e  n  Unterfjalt,  unb  in  ben  meiften  beutf^en  Redjtsgebieten 
rouröc  fie  nur  bei  o  ö  1 1  i  g  e  r  (Eru)erbsunfä!jigkeit  unb  Dermögens« 
lofigkeit  bes  ITlannes  f}erange3ogen.  Das  ift  je^t  anbers.  Die  5wu 
ift  ausbrüÄlidj  als  ITIitertjalterin  ber  S^milie  gebaut.    Iladj  ber  in 


A.  per{önltd)e  Hed)tsDerl)Qltnt{{e.  423 

btn  ITIotioen  formulierten  Auffaffung  entfprid)t  es  öem  fittKd)en  IDefen 
6er  (Et)e,  öag  6ie  S^^^  eoentueü  aud)  bann  fd)on  6te  Sub|tan3  il^res 
Dermögens  angreift,  oöer  auc^  tf^rerfeits  auf  augert^öuslt^en  (Enoerb 
ausget)t,  „menn  er  bei  einer  öen  Pf(td)ten  eines  guten  f)aus>  unö 
SamiltenDaters  entfpred)en6en  Dertoenbung  |einer  ITIittel  ni(^t  in  öer 
£age  ift,  fid)  felbft  unö  jeine  5<ifnilte  ftanbesgemög  3u  unter« 
l^alten."  Dag  6as  ITIag  6er  gegenfettigen  Unter^altspflid^t  6er  (hatten 
fid)  in  je6em  5^^  nac^  6er  £ebensfteUung,  6em  „Stan6e''  6es  tllannes 
rid)tet,  f)at  feinen  (bxnnb  baxin,  ba^  I^ute  nun  einmal  nod^  6ie  Be- 
rufsart un6  6er  Befi^  6es  ITIannes  6ie  gefeüfd^aftlic^e  Stellung  6er 
5amilie  beftimmen,  un6  ba^  6ie  im  allgemeinen  berufslofe  (EI)efrau 
keinen  eignen  „Stan6''  im  konDentioneOen  Sinn  l^at. 

3ene  Aus6e^nung  6er  ef^eroeiblic^en  Untert^altungspflic^t  fpiegelt 
n>o(}I  nid)t  nur  eine  Dertiefung  6er  fittlid^en  (Ef^eauffaffung,  jon6ern 
audf  6ie  mo6erne,  6urc^  6ie  grogin6uftrieUe  (EnttDidilung  betoirftte 
Der((^iebung  6er  ökonomi|d)en  S^^^i^t^n^^rts  tDie6er.  Seit  6er  (Ent* 
n>idilung  6er  (5eI6tDirt{d)aft  rut^te  6ie  Befc^affung  6er  Subfiftensmittel 
6urc^  augert^öufige  (Ertoerbstötigkeit  prahtifc^  {o  gut  toie  ausfd)lieglid) 
auf  6en  S^ultem  6es  ITIannes.  Denn  6ie  Arbeitskraft  6er  (Eb^efrau 
tDar  im  f)aufe  3ur  (Verrichtung  6er  6ebrauc^sgüter  tDirtf(^aftIi(^  un> 
entbel)rlid)  un6  ooll  in  Anfprud)  genommen.  Selbftönbiger  auger> 
f)auslid)er  (beI6ertDerb  toar  6esl^alb  für  fie  annäl^ern6  ausgefd)Ioffen 
un6  auc^  nid)t  nötig.  f)eute  6agegen,  too  6ie  mo6erne  3n6uftrie  un6 
(Eed^nih  6ie  Beteiligung  6er  f)austDirt|d)aft,  un6  6amit  6er  f)ausfrau 
als  foId)er,  am  Pro6uktionspro3eg  auf  ein  immer  geringeres  VXai 
re6u3iert  un6  if^re  f)ausfrauenleijtung,  namentlich  im  fta6tifc^en  f)aus- 
f^alt,  gegen  frül^er  toirtjc^aftlic^  entiDertet  t^at,  begrän6en  6ie  beft^enben 
Kreife  6ie  (Efjc  immer  met^r  unter  6er  Dorausfe^ung,  6a6  6ie  S^<^^ 
6urc^  eignes  Dermögen,  ein  ert)eblid)er  deil  6er  befi^lojen  Klaffen,  bag 
fte  6urc^  fe(bftön6igen  auger^äuslic^en  (5eI6erix)erb  3U  6en  Heften  6es 
f)ausl)alts  beitragen  kann.  ([atfad)Iid)  ift  6enn  auc^  l)eute,  mie  otir 
im  Dorigen  Kapitel  fallen,  bei  uns  annat>ern6  '  -  aller  (Et^efrauen 
ertDerbstätig. 

3ene  umfaffen6ere  Derpflic^tung  6er  5^^öu  ift  bemgemäfe  audj 
6ur^aus  3U  billigen,  llur  mutet  es  uns  angeftd)ts  it^rer  als  komi(d)er 
ll)i6erfprud)  an,  ipenn  mir  tro^6em  im  gefe^Iid^en  el^elid^en  Süter* 
red^t,  n)eld)es,  mie  mir  fetten  ix)er6en,  nadi  ba^n  6ie  (Einkünfte  6es 
Srauenguts  6em  ITIanne  3ufü(}rt,  fd)Iec^tf)in  6en  Sa^  fin6en:  .6er  ITlann 


424      Das  (E^ere^t  6es  6eut{c^en  Bürgerlichen  6e{e^bu(^es. 

trögt  öie  (El^elaften!".  (Er  beöeutet  nur:  öie  Unter^altungspfltdit  ber 
5rau  ift  {ubfiötör,  öieienige  5es  tllannes  öagegen  abfolut. 

3eöer  Unter^altspfli^tige  Q[etl  geroinnt  gegen  ben  anbren,  ber 
{eine  Pfli^t  f^uI5I)aft:  aus  (Eigennu^,  5^ul^eit,  £ieöerli^ftett,  (Erunft* 
fu^t  u.  f.  w,  oerle^t,  ein  Klagere^t.  3n  feber  f)tnft^t  aoünfc^ens- 
tDert  möre  öabei  aber,  aus  (5rün6en,  bie  toir  fpöter  no(^  erörtern, 
ba^  ausbrüdilic^  bie  Pfli^t  jebes  6atten,  auf  Oerlangen  bes  anbren 
ein  feftes  „ftanbesgemöges  IDirtf^aftsgelb''  für  ben  Qaus^alt  yi 
oereinbaren,  fotoeit  beffen  Bebürfniffe  buxif  Kauf  3U  becben  ftnb,  fe{t> 
gelegt  roürbe.  Die  prajis  jc^eint  teitoeije  ba3u  3U  neigen,  ber  5wm 
einen  {ol^en  Anfprud)  3U  geroö^ren:  im  6e{e^  aber  ftnbet  bies,  fo 
lange  bie  el)elid)e  f)ausgemeinf^aft  befte^t,  keine  fixere  Stü^e. 

Die  ökonomifc^e  £ei{tungsfal)igfteit  bes  IHannes  gilt  bem  (Be{e| 
als  normale  Dorbebingung  ber  5<^^Ui^ngrünbung.  Dos  bann  aud^ 
n\d\t  anbers  fein.  Sie  unb  alfo  au^  feine  primäre  Derpflic^tung  ftnb 
[a  felbftperftönbli^  einfa^  eine  Solge  ber  Arbeitsteilung  jmifc^en 
ben  (5atten,  n)ie  fte  bur^  bie  Pfli^t  3ur  ^usli^en  6emein{<^aft  unb 
bie  aus  il^r,  im  3ntereffe  oon  ITtann  unb  Kinbern,  folgenbe  S^ffdung 
ber  5tau  an  ^öusli^e  Pfli^ten  gef^affen  roirb.  Sie  ift  bes^alb  nic^ 
etroa  -  roie  man^e  Darftellungen  bes  (E^ere^ts  tun  —  als  Korrelat 
ber  „itjm  3ufeommenben  Stellung"  als  fianpt  ber  e^elic^en  (Bemetn* 
fdjaft  3U  betradjten.  ITiemanb  fiann  tjeute,  roo  in  Deutfd^Ianb  an« 
nätjcrnö  V  •.  aller  erroadjfenen  Srauen  erwerbstätig  ift,  beftreiten,  bafe 
bie  S^^^  ön  fidj  fätjig  ift,  fid)  felbft,  im  ITotfall  au^  ein  bis  3n>ei 
Kinöer  burd)  eigne  Hrbeit  3U  ernä!)ren.  Hber  itjr  erroä^ft  then  un» 
mittelbar  aus  ber  (Etjef^Iieöung  ein  Pflidjtenkreis,  3U  beffen  (Bunften 
fie  meift  gan3,  immer  tciltoeife,  auf  felbftänbigen  augerl^äusUd)en  (Er« 
roerb  Der3id)ten  muß.  IDenn  man,  roeil  i!)rc  Tätigkeit  im  Ijaufe  ftd) 
nid)t  in  klingenöe  inün3e  umfe^t,  fagt,  öafe  „ber  ITtann  bie  5ömilie 
untcr!)ält",  unb  baraus  für  if)n  befonbere  Dorre^te  ableiten  möchte, 
fo  ift  öas  nid)t  nur  eine  mobern  gelbroirtf^aftlidje  Dorftellung,  fon« 
bem  Dor  allem:  bas  ©efe^  felbft  ift  es,  roel^es  i^r  jenen  Der3i(^t 
auf  (Belöertoerb  3ugunften  bes  5Q"^iIi^"I«bens  3umutet,  inbem  es  iljr 
im  §  1356  bie  Pflidjt  3ur£eitung  besf)ausn)efens  auf* 
erlegt.  Die  TTtotioe  be3eid)nen  fogar  bie  f)ausfrauentätigkeit  aus« 
brüdilid)  als  itjren  „Beruf"  unö  tun  fid)  ettoas  barauf  3U  gute,  ba^ 
bas  neue  (Befe^,  im  ©egcnja^  3U  bcn  älteren,  ber  (E!)efrau  nic^t  nur 
bie  Derpflidjtung,  fonöern  audj  bie  Beredjtigung  bafür  3ufpridjt,  mo« 


M 


A.  perfönKd)e  Hed^tSDert^altniffe.  425 

raus  gefolgert  wirb,  6ag  if)r  6er  Itlann  öie{e  Tätigkeit  nic^t  gegen 
if^ren  IDtUen,  ettoa  burc^  Bnftellung  einer  f)ausf)altertn  entstellen  o6er 
öur^  übermäßiges  f)ineinregieren  DerftQmmem  6Qrfe.  (Auf  fein 
nad^  bem  (Befe^  beftef^enöes  Hed)t,  tro^bem  auc^  innerf^alb  bes  Beruf- 
hreijes  ber  Jrau  überall  bas  entjdjeibenbe  IDort  3u  jpredjen,  Kommen 
u)ir  jpäter  3U  jpredjen.) 

Der  if)r  3ugetDiejene  l)öu$Iid)e  Hufgabenhreis  i{t  nun  natürlid)  ela- 
ftifc^  gebaut:  bas  Derpfli^tungsmag  3u  perfönlid)en  Arbeitsleiftungen: 
3um  SeIbfthod)en,  IDaf^en,  Pu^en  u.  bgl.  t^öngt  baoon  ab,  toie  toeit 
nad^  bem  Stanbe  unb  ben  Dorf^anbenen  ITlitteln  bes  einseinen  (Et)epaars 
bie  Anftellung  Don  Dienftboten  üblid)  unb  möglid)  ift.  3n  btn  breiten  be« 
fi^Iofen  Klaffen  ift  es  Dorlöufig,  fo  lange  irgenb  ettoas  bem  (Einselt^aus« 
t^ilt  ä^nlic^es  beftel^t,  am  rentabelften,  wenn  bie  5rau  all  jene  Arbeiten 
felbft  beforgt,  unb  fie  l^at  babur^  immer  nod),  fobalb  met^rere  Kinber 
ba  finb  unb  ein  getoiffes  mag  t^öuslic^er  Kultur  erftrebt  mirb,  ein  gerüt- 
teltes, ja  f)öufig  ein  überooUes,  erfd)öpfenbes  VXa^  von  Arbeit.  (Gegen- 
über einer  IHutter  Don  aud)  nur  oier  Kinbern,  bie  Heinlid)heit,  Hat^rung 
unb  Kleibung  für  bie  3f)rigen  roiritli^  allein  befc^afft,  ift  es  auc^  l)eute 
gerabesu  grotesk,  Don  „tDirtfd)aftIi^er  (Entcoertung  ber  f)ausfrauen- 
arbeif*  5U  fprec^en,  benn  bas  hörperli^e  unb  feelifd^e  6ebeif)en  ber 
5amiUengIieber  l^ngt  faft  immer  unmittelbar  oon  if)r,  unb  Dom  ITlanne, 
als  ber  (Selbquelle,  nur  mittelbar  ab. 

§  1356  Abf.  2  Dcrpflid)tet  bie  Jrau  aufterbem  3ur  ITIitl^ilfe  im 
6efd)äfte  bes  IHannes,  mieberum:  „fotoeit  eine  foId)e  dötigheit  nad) 
ben  Derl)ältniffen,  in  benen  bie  (Satten  leben,  üblid)  ift".  Diefe 
Beftimmung  toenbet  fic^  alfo  f^auptfäc^Iid)  an  bie  5^ou  bes  f^anb* 
merhers,  bes  £abeninl)abers,  bes  (Saftmirts,  (Rutsbefttters ,  Bauern 
unb  £anbarbeiters.  Auc^  biefe  Dorfd)rift  fd)eint  il^rer  5affung  nad) 
3unad)ft  unbebenhlic^,  ba  fie  ja  nur  bas  formuliert,  mas  ot)nel)in  ber 
Sitte  entfprid)t.  Allein  einerfeits  berüdifid)tigt  fie  nid^t  bie  mobeme 
(EnttDidilung  ber  toeiblid^en  (Ertoerbstätigheit,  inbem  fie  bie,  mie  mir 
fa^en,  formal  gefd^öftsföl^ig  gemad^te  S^^u  in  ber  Dertoertung  biefes 
ifjres  He^ts  eoentueU  roieber  ber  Derfügung  bes  lUannes  unter- 
ftellt  unb  an  bie  „Sitte",  b.  l).  an  bie  (Trabitionen  ber  Dergangen* 
f>eit,  binbet.  ^eute,  mo  bie  (Ermerbsbilbung  -  menn  aud)  nic^t  un* 
bebingt  bie  fahtifc^e  Dertoertung  biefer  Bilbung  in  ber  (Et)e  -  für 
alle  ITIabd)en  ein  immer  unabtoeisbareres  fittlid)es  unb  ipirtfd^aft- 
Iid)es  poftulat   mirb,   märe   es   burc^aus  unbillig  unb  untDirtfdjaft* 


426       Düs  tbtttAt  bts  öcstiibcn  Bwriy  ilkfctiL  wts^s^owoits. 


liäil,  wm  tinet  wn  Öer  tbe  enDfrbstdtigen  S^^^  5^  ihlUcll  bdf  m 
itfctn  bis^frigen  eignen,  gelernten  Benf 
nt(^t  f^ottsrntttterlul^  Zätiqkdt  anstanHbte.  ÜIok 
m  nur,  ba%  etwa  bie  gelernte  S<bnetöerm,  öie  dce 
tn  öer  <E^  fortlegen  möchte  nnö  fe^  nH>^I  borade. 
f^ttatung  in  öer  (MtoirtYc^aft  t^es  ITlannes  beifen, 
tefprerin  oöer  IRalerin  gegen  i^en  IDiUen  i^ccm  UlaiaK  hä  Bk»» 
orbeiten  Sc^eibl^ilfe  leiften  follte.  Das  <befe$  niii^ 
1)  aus  jener  Beftimmung,  fomett  (ie  öos  Hrbeiten  im  «6  ans 
betrifft,  6ie  fd^ematifierenbe  Be^nbbtng  nai^  6er  Sitte  vab  tes 
in  biefer  ftets  ftarft  fi(^  ausmirftenbe  Beqnemlid^beitsbebirfns  hts 
IHannes  aus{(^a(ten,  alfo  für  ben  Streitfall  bie  IltögKil^keit  einer.  6a 
ftonftreten  5^0  mürbigenben,  nd)terli<^en  Prüfung  ber  Anfprnibe  öcs 
IHannes  oom  Stanbpunftt  einer  gerechten  Abn>agun9  ber  3nterelici 
ber  5t<iu,  bes  IHannes  unb  oor  allem  ber  K  i  n  b  e  r  an  bie  6ai5 
geben,  Unb  2)  bie  Derpfltd)tung,  gegen  it)ren  IDUIen  in  einni 
(E  r  n>  e  r  b  s  gefd)äft  bes  ITtannes  3U  arbeiten,  i{t  überbies  oud^  ini» 
3tpieU  in  keiner  IDeife  3U  red)tfertigen.  lieber  berartige  fjilfsleiftmigci 
t)aben  fi^  bie  (5atten  frei  5U  oerftönbigen,  unb  fie  toerben  bies  m 
jeber  I>urd)f^nitt$el)e  auc^  tun,  ba  f(^UegIid)  ja  bo(^  bie  Sron  ai 
bcm  (bebeiljen  bes  männlidjen  (befc^äfts  ebenfo  intereffiert  ift  ane 
bor  mann.  (Einen  öirchtcn  pl}i)ji|^en  3u)ang  3ur  Arbeit  kennt  o^^^ 
l)in  unjerc  3u)angsDon|tTC(kung  nic^t.  Die  Hbleljnung  ber  5rau 
könnte  alfo  t)öd)|tcns  in  Säuen,  u)o  |ie  keinen  eignen  (Enoerb  fyü  m^ 
bie  im  3ntcrcfle  öcr  5QmiIicncjiftcn3  erforberli^c  Beihilfe  mit  5fn 
Pfli^tcn  ber  i7ausfrau  Dereinigen  könnte,  too  jie  aljo  grunblos  u^^ 
friüol  bie  l7ilfc  oeriDeigert,  als  ein  (Brunb  für  ben  ITIann,  ibr 
bcn  llttterl}alt  3U  cttt^icljen ,  unb  in  b  i  c  |  e  n  Jan«"  eoentuell  audj 
als  Sdjeibuttgsgrunö ,  bcljanöelt  ©erben.  Unter  bem  Ijeute  gelten» 
bcn  Rcd)t  i|t  aber  bie  Dorjdjrift  [d)on  bcsljalb  unbillig,  weil  ber  g^ 
jamte  (Ertrag  bes  männlid)cn  (Bcjcbäftes,  für  roeld^es  bas  (befej  ibm 
bie  Sxaxi  als  rnuangsarbcitcrin  fiebern  mödjte,  bem  ITIann  allein 
jufällt. 

3«  bcn  bcfit3cnbcn  Klaffen  toirö  ficb  ber  im  (befe^  gebacbte.  bans^ 
mütterliche  pflichten  kreis  in  ber  Hegel  beute  auf  bie  ITlitbüfe  bei 
einiclncn  üerricbtungen  unb  bie  Hnorbnung  unb  Uebermaibunci  dir 
arbeiten  befd)ränken  können.  Die  6auptkraft  ber  5^^iu  n»ir^  bi« 
normalenDcifc   ber  pflege   un^   (ir5iebung   ibrer    Kinbcr    gewibm« 


A.  perfönl^e  Re(^tsDeTf)aItni|{e.  427 

flUeröings  t|t  nun  6ie  Beöeutung  öer  |pe3ifi|c^  f)ausa>iTt{c^aftIic^en 
([ötigkett  in  öen  mit  Dienftboten  mirtfc^aftenöen  Staötl^ausfialtungen, 
mie  [c^on  früf)eT  ausgefüf)Tt,  im  Dergleic^  3um  DorkapitaIi|tifc^en  Seit* 
alter  5U  einem  blogen  Schatten  5ufammenge|(^rumpft.  Dafür  meröen 
aber  jene  Kreife  Don  mannigfaltigen  Kulturbeöürfniffen  bet^errfc^t, 
6er en  Befrieöigung  innert^alb  öer  S^^^^i^  leöiglic^  öer  5^^^  obliegt 
unö  it^re  Seit  in  Hnfpruc^  nimmt.  5^^ner  {inö  I^ute,  a>o  öer  mann 
in  öer  Regel  gan5  abforbiert  mirö  oon  [einer  Berufsarbeit,  öie 
(eelifc^en  unö  neroöfen  Hn{prüd)e  an  \xt  als  (Er3ief)erin  it^rer  Kinöer 
gan5  a>e|entltd)  geftiegen,  |o  öag  {elbft  öie  Don  aller  l)ausarbeit 
befreite  (Battin  unö  IHutter  keinesfalls  ot^ne  Sc^aöen  für  öie  5<imilie 
in  g  l  e  i  d)  e  m  Umfang  mte  öer  IHann  am  augert)auslic^en  (Belö* 
ertnerb  teilnet^men  könnte.  (Es  i|t  öest^alb  fraglos,  öag,  auc^  bei 
quantitatio  noc^  fo  reöu3ierter  t)ausa>irt|(^aftlid)er  S^^uentötigkeit, 
öod)  öie  (Erf)altung  öer  $amilie  unö  öer  5ontiIiener3iet)ung  öaran 
l^ngt,  öag  öie  S^^u  jeöenfalls  einen  mefentlid^en  (Eeil  it^rer  Kraft  unö 
Seit  unö  it^res  3ntere{fes  öem  l)au|e  miömet.  Daraus  folgt  ober  gan3 
felbftDerftönöIid),  öag  fie  eben  auf  (Bruno  öiefer  if)rer  fpe3ififd)en 
Pflichten,  öie  it^rem  (Belöennerb  auf  jeöen  5^^  Sd^ranken  (e^en,  einen 
Untert^altungsaniprud)  an  öen  IHann  geminnt. 

HHe  öiejenigen,  meldte  öie  (Ert^altung  öer  S^ntilte  unö  öer  Samilien* 
er3iet)ung  für  kulturnotvenöig  t^alten,  {ollten  öest^alb  öarauf  t^inmtr« 
ken,  öag  jene  n)iöern)ärtig'banaufi{d)e  3öeenDerbinöung  3n)i(d)en  öem 
t)errenred)t  öes  lUannes  -  ,,öcr  iljm  3ukommenöen  Stellung"  -  unö 
einer  primären  Unterljaltspflidjt ,  3ufoIge  öeren  iljm  als  „(Ernäl)rer" 
öer  Srau,  ö.  l).  als  (B  e  I  ö  ermerber,  ein  Hnjprudj  auf  il)re  perjönlid^e 
Unterorönung  3ugefprod)en  loirö,  öurdj  öie  3^ee  öer  im  3nter» 
e(je  eines  gefunöen  Samilienlebens  nottoenöigcn  Pflidjtcn«  unö  Arbeits- 
teilung 3U)ijd)en  öen  (Batten  unö  iljrer  vollkommenen  Kameraö|djaft- 
lidjkeit  oerörängt  loirö.  Sonft  loirö  mit  einem  geu)i(jen  Redjt  öer 
Ruf  nad)  ,,ökonomi(djer  (Eman3ipation"  aller  (Eljefrauen  öurd)  aufeer- 
l)äusli(^e  (Ermcrbstätigkeit  um  jeöen  Preis  ojeiter  erldjallen,  unö 
es  kann  öurd^aus  nidjt  bcfremöcn,  öaf^  öer  nun  einmal  ern)ad^te  ele- 
mentare Selbftbeftimmungstrieb  unö  öas  oerfeinertc  (El)rgefül)I  graöe 
öer  tüd)tig|ten  Srauen  fid)  einer  perfiflage  öes  PriDatl)ausl)aItes  unö 
öer  „legitimen"  (El)e  3ugän9lidj  3eigt,  meldte,  mögen  öie  öaran  ge» 
knüpften  pofitioen  Soröerungcn  nodj  jo  unklar  unö  iHujorifd)  fein  - 
unter  allen  Umftönöen  fittlid)  oera)irrenö  »irkt.     (Es  ift  ein  ftarker 


428       Das  (Et^eredit  öes  öeutfc^en  Bürgerlichen  6e{e^bud^es. 

UmbiI6ungspro5eg  im  öffentlichen  Bemujstfein ,  öer  ^ier,  je  {c^neüer, 
je  beffer,  oollsogen  roeröen  mufe.  - 

Huci)  toenn  man  öie  öugere  Konftruktton  bes  e^elid^en  Semein« 
(ci)aftslebens  aus  6em  Prinsip  öer  Arbeitsteilung  unter  flnerkennttn9 
polier  Kameraöfc^aftlic^keit  3n)ifc^en  öen  (Batten  ableitet,  braucht  man 
nun  nic^t  3U  öer  Soröerung  if)rer  rein  fc^ematifc^en  (Bleid^ftellung  ju 
gelangen.  Dielmet^r  rechtfertigen  fic^  auc^  bann  noc^  gemiffe  fnr 
mann  unö  Sxaix  perfc^ieöene  Beftimmungen  aus  öer  Ungleid^rtigkett 
if)res  Pflic^tenltreifes.  So  ift  5.  B.  öas  Rec^t  öes  ITlannes,  im  Streit' 
fall  allein  lDof)nort  unö  lDof)nung  3U  beftimmen  (§  1354),  an  fk^ 
foIgerid)tig  aus  (einer  Unterf)altspflic^t,  velc^e  if)n  in  öer  IDa^I 
öes  IDo^norts  befc^ränkt,  ab5uleiten.  (Eben  öesf)alb  aber  beöarf 
es,  entfprec^enö  öem  lDad)stum  öer  ef)en)eibli<^en  (ErtDerbstötigbeit 
unö  öer  Beöeutung  öes  5^^uenpermögens  für  öen  5<i^ili^n^^' 
t^alt,  öer  (Einfc^ränltung :  öer  ITlann  foll  eine  {0  funöamentale  Cnt* 
{d)eiöung  pon  (ö  groger  praktifc^er  IDic^tigkeit  nur  öann  gegen  öen 
tDillen  öer  Sxan  treffen  öürfen,  »enn  öer  (Ertrag  feiner  (Erwerbs» 
tötigheit  unö  (eines  Dermögens  faltttfd)  öen  f)auptteil  öer  fjaus» 
l)aItungsko(ten  öe&t.  ITlinöeftens  in  öen  S^Hen,  in  btn^n  etwa  öie 
5rau  öurdj  iljre  (Ertoerbsarbeit  öie  IJaupternäljrerin  öer  5^"^^* 
unö  öurci)  fie  an  eine  beftimmte  röumlid^e  Be5iet)ung  5U  i^rer  Arbeits* 
(tötte  gebunöen  iDÖre,  mügte  (eIb(tDer{tanöIid)  i  t)  r  öie  (Ent(d^töung 
3um  toenigften  für  fidj  unö  öie  Kinöer  3uftel)en^).  (Es  ift  loieöenim 
Ausflug  mönnüd^er  (5efd)lec^tsettelkeit,  toenn  öas  bei  ponDiegenöer 
Beöeutung  öes  rociblic^cn  (Ertoerbs  oöer  Dermögens  falitifc^  befte^nöe 
Derljältnis  redjtlic^  nur  in  inöirektcr  Sotm  (f.  u.)  unö  (ac^Iici)  unge« 
nügenö  anerkannt  roirö.  ITlinöeftens  aber  müßten  gültige  Dereinba« 
r  u  n  g  e  n  öarüber  3uläjfig  (ein,  -  eoentuell  unter  öem  Dorbel^It 
öer  richterlichen  Korrektur,  falls  öas  3ntereffc  öer  5ömüie,  fpe« 
3icn   öer  Kinöer,  fie  crforöcrt. 

tjcutc  ift   öagegcn   jenes   praktifc^    jo  tpic^tige  Sonöerredjt  öes 

')  (Es  l)an6elt  jid)  6abei  ja  nid^t  nur  um  öen  faktifdjen  IDofjnort,  |on* 
6ern  um  6as  red^tüd^e  ,,Domi3iI'\  nad)  toeld^em  (id)  öie  duftönöigkeit  öer 
6crid)tc  etc.  bcmifet.  IDenn  öics  cinjcitig  6urd}  6en  ITlann  be|ttmmt  unö 
Deränöert  roeröen  kann,  |o  kann  öas  er(}ebltd)e  HüdirDirkungen  auf  öie  3n< 
tercjjcn  öer  S^ö"  ausüben.  Das  „Domi3il"  öer  S^au  im  Hedjtsfinn  (oute 
ein  für  allemal  nur  öa  jein,  roo  jie,  fei  es  nun  mit  oöer  ol)ne  Redjt  öaju. 
öcnn  öas  kann  öer  öritte  3ntereffent  nid)t  prüfen,  -  ifjren  öauemöen 
faktifd)en  IDol^nfi^  genommen  l)at. 


A.  pcr(önli(^e  Rcc^tsocrljältniffe.  429 

lUannes,  toie  6te  Derqui&ung  6er  Dor{d)rift  mit  6em  allgemeinen 
el}emannlid)en  (Entfdieiöungsrec^t  0  unö  bie  IHotiDe  öeutlid)  erkennen 
laffen,  als  Husflug  „6er  natürlid^en  Stellung  6es  (Et^emanns",  aI(o 
als  ein  (Eeil  (einer  gefe^Iid^en  el)el)errlid)en  Autorität  aufgefaßt.  (Es 
6art  öesljalb  -  unö  öas  ift  tbtn  in  Sollen,  ido  öie  S^au  „(Emäljrerin*' 
ift,  unbillig  -  aud)  nic^t  5urd)  (El^eoertrag  oöer  überljaupt  hon' 
trahtlid)  befc^rönht  oöer  ausgefd)Ioffen  toeröen.  -  Hur  6er  yooeiit 
flb{a^'^)  temperiert,  cDenigftens  prin5ipiell,  öie  Beftimmung.  Die 
$rage,  in  meieren  fällen  [xd^  öas  Derlangen  öes  IHannes,  öajj  öie 
$rau  it)m  folge,  als  „lUigbraud)''  öarftellt  unö  öesljalb  nid)t  oer« 
binölic^  ift,  l)at  öer  Rid)ter  5U  entfd)eiöen.  Damit  ift  öas  ®ötum  öer 
()erein5iel)ung  öes  (berid)tes  ein  für  allemal  öer  5^^^  5ugefd)oben, 
öie  öes  Derhel)rs  mit  öer  Bel)öröe  am  coenigften  getooljnt  ift.  Unö 
überöies  mug  fie,  um  fid)  ungered)tfertigten  Sumutungen  öes  lUannes 
5U  ent3iel)en,  öen  IDeg  öer  öffentlid)  pro5effuaIifd)  5U  Derl)anöelnöen 
Klage  befc^reiten.  Sie  öarf  fic^  überöies  nic^t  einfad)  fad)Iid)  öar« 
auf  berufen,  öaf^  öie  (Entfc^eiöung  öes  lUannes  i!jr  oöer  il)rer  Kinöer 
3ntereffe  objehtio  (c^äöige,  fonöern  mufe  il}m  öen  Dormurf  öes  „lUift» 
braud^es''  mad)en.  Solange  fie  alfo  öie  (El)e  übert^aupt  aufredet  er« 
l)alten  coill,  coirö  fie  immer  öie  fd^coerften  pfi)d)oIogifd)en  f)emmniffe 
3a>ifd)en  fic^  unö  iljrem  Redjt  feljen.  3^ne  Beftimmung  bietet  i!jr, 
fo  coie  \\e  ift,  unö  bei  öer  Dom  (befet)  gebilligten  Huffaffung,  öag  öas 
(Entfd)eiöungsred}t  aus  öer  „IDüröe"  öes  IHannes  als  fold)en  fliege, 
leöiglid)  öann  eine  i)anöl)abe,  coenn  öas  el)elid}e  Dert^öltnis  fd)on 
öerartig  3errüttet  ift,  öaf)  fie  öie  Sd^eiöung  nid)t  fürd)tet.  Hur  coenn 
fie  fid)  toenigftens  in  allen  Sollen,  cdo  nad}  tl)rem  (Empfinöen  jener 
«lUiöbraud)"  oorliegt,  ftatt  an  öen  Pro3eö«  an  öen  D  o  r  m  u  n  ö« 
f  d)  a  f  t  s  rid)ter  toenöen  könnte,  coüröen  jene  prin3ipiellen  Bejd^rän* 
kungen  öes  ef)emannlic^en  (Entfd^eiöungsred^ts  allenfalls  praktifd^en 
IDert  getoinnen.  -  flud)  oerfd)ieöenc  (J)utad)ter  öes  (Entrourfs  baben 
im  3nteref|e  öes  allgemeinen  Samilienfricöens  Beöcnken  erljoben  öa« 
gegen,  öag  öer  Hustrag  öerartiger  (Ef)ekonflikte  auf  öen  Pro3cf)n)eg 
oeriDiefen  toeröe.   (Es  rouröe  öabei  betont,  öaft  öie  per(önlid}en  unö  Der« 

>)  §  1354  :  Dem  Itlanne  ]it\)t  öie  (Entfd)eiöun9  in  allen  öas  gemeinjd^aft« 
lid^e  el}elid)e  Ceben  betreffenöen  Hngelegenl^eiten  3u,  er  befttmmt  insbe« 
fonöere  IDol^nort  unö  IDol^nung. 

')  Die  5i^au  ift  nid)t  ueq}flid)tet  öer  (Entfd^eiöung  öes  niannes  Solge  ju 
leiften,  roenn  {id^  6ie  (Entid)eiöung  als  ITItgbraud)  feines  Red^ts  öarftellt. 


430       Das  (Eljerec^t  6es  öeutfc^en  Bürgerlii^en  (Befe^bud^es. 

mögensrec^tUc^en  flnfprüc^e  öer  (Batten  einer  befonberen  inbtoibueneit 
Beurteilung  beöiirfen,  „5ie  if)nen  nic^t  5uteil  verben  kann,  mttm 
(ie  nac^  öen  Regeln  öer  prosegorönung  3um  Hustrag  gebracht  toeröen 
muffen".  Das  Refultat  öiefer  Kritik  mar  eine  etmas  raeiterge^nöe 
Aus5el)nung  öer  Kompeten3en  öes  Dormunöfc^aftsgerid^ts,  als  öer 
erfte  (EntiDurf  Porgefef)en  ^atte,  in  anören  noc^  3U  befprec^nben  Cin« 
5elpunltten.  Allein  in  allen  itmn  für  öas  (Ef)eleben  beöeutungsocO^ 
unö  fubtilften  Konflikten,  öie  fic^  aus  öem  mtgbröud^Iid^en  Derlongen 
nac^  ,,f}erftellung  öer  £ebensgemeinf(^aft"  unö  aus  öem  (Entfc^iöungs« 
red)t  öes  ITlannes  ergeben,  finö  öie  (Satten  öo<^  no<^  auf  öen  form* 
liefen  Prosefe  angeroiefen.  - 

Dem  Sonöerrec^t  öes  ITlannes,  gemäg  {einer  primären  Unter' 
^altungspflid)t  IDo^nort  unö  IDot^nung  3U  beftimmen,  entfpric^t  im 
(befe^bud)  auf  feiten  öer  Sxan  öas  3ur  (Erffillung  i  ^  r  e  r  fpejieDeii 
Pflichten  erforöerlidje  Sonöerrcdjt  auf  öie  iljr  öuri^  §  1357  ixt» 
Iiel)ene  fogenannte  „Sc^Iüffelgeroalt"  *).  Sie  beöeutet,  öafe  —  um^» 
renö  öem  ITlann  eine  Befugnis,  öie  5^^u  öurc^  Abfi^Iug  oon  Kom 
traltten  in  if)rem  tlamen  perfönlid)  5U  perpflid)ten,  n  i  d^  t  3ufte^t,  — 
öie  5^öu  „innerljalb  iljres  Ijäuslidjcn  tDirfeungsfereifes"  kraft  (Befe|e$ 
als  gefe^Iic^e  Dertreterin  unö  Beauftragte  öes  ülannes  gilt  unö 
—  nidjt  etwa  fic^,  fonöcm,  rooljlgemerfet :  -  i  ^  n  mit  feinem  Der« 
mögen  Dritten  gegenüber  öurc^  Rec^tsgefd)äfte  oerpflii^ten  kann. 
Sic  öarf  öesljalb  öie  für  öen  IJausljalt  notroenöigen  Derträge,  als  5a 
finö:  Dienftbotcn  mieten,  (Einkauf  oon  Säuerung,  lebensmitteln  un6 
kleinen  i^ausl^altungsgegenftönöen ,  Kauf  oon  Kleiöung  für  ftA 
unö  öie  Kinöer,  felbftänöig  abfd)Itegen,  mit  öer  IDirkung,  öag  md}t 
fie,  fonöern  öer  ITlann  aus  iljncn  Ijaftet.  Durd)aus  billigermetie 
reidjt  öiefc  Befugnis  nur  jotDcit,  als  öie  (Einkaufe  ein  feiner  lebensftd« 

>)  §  1357:  Die  S^^^  ift  bered^tigt  tnner(}alb  it)res  {)äu$ltd)en  tDirkungs* 
kretfes  öie  6efd)äfte  6es  Hlannes  für  il)n  3U  beforgen  unö  i{)n  3U  Dertreten. 
Hed)tsge{d)afte ,  öie  jte  innerl)alb  öiefes  IDtrkungskretfes  Dornimmt,  gelten 
als  im  Hamen  öes  Hlannes  Dorgenommen,  menn  nid)t  aus  öen  Umftönöen 
jid)  ein  anberes  ergibt. 

Der  ITlann  kann  öas  Hed)t  öer  5rau  befd^ranken  oöer  ausfä^Iieften. 
Stellt  fid)  öie  Befdjrönkung  oöer  Husfdjiiegung  als  ITttgbraud)  öes  Redjts 
6es  niannes  öar,  fo  kann  fie  auf  Hntrag  öer  5rau  öurd)  öas  Porniunb« 
jd)aftsgerid)t  aufgel)oben  roeröen. 

Dritten  gegenüber  ift  öie  Be{d)rankung  oöer  öie  Husfä^Iiegung  nur  na(^ 
niaggabe  öes  §  1435  rDtrkjam. 


A.  perfönlic^e  Rec^tsoer^öltniffe.  431 

lung  unb  Dermögenslage  ent{pre<^en6es  ITlag  nic^t  überfd^reiten,  — 
öte  (^laubiger  muffen  fic^  alfo  eoentuell  über  öiefe  Dert^öltniffe  infor« 
mieren.  3.  B.  toüröe  6er  Ankauf  eines  Diamantfc^mudis  ober  eines 
Kunftroerks  jeöenfalls  augertjalb  6er  Sd^Iüffelgetoalt  einer  Beamten« 
frau,  eoentuell  aber  -  als  ftan6esgemag  o6er  klaffenüblic^  -  inner* 
^alb  6er  Befugniffe  einer  Sürftin  o6er  IHtllionarsgattin  liegen.  Allein 
aud^  abgefet^en  f)ierpon  befd^rönkt  ftd)  6ie  Sc^Iüffelgetoalt  6er  (Et^efrau, 
nad)  6em  il)r  von  6er  (Efjeorie  un6  Pxaixs  übenoiegenb  gegebenen  Um* 
fang,  nur  auf  6ie  üblid)era>ei{e  6er  $xau  allein  überlaffenen  (Befc^öfte. 
n  i  d)  t  in  6en  Bereich  6er  Sc^Iüffelgetoalt  föQt  banad^  3.  B.  6as  mieten 
einer  IDoljnung,  6as  (Engagieren  männlid)en  (Beftn6es,  6as  Hnfc^affen 
gan5er  IDot^nungseinric^tungen  06er  aud)  nur  ein3elner  größerer  toert« 
DoQer  niöbelftü&e,  äberf)aupt  fold^er  ITlöbel,  6ie  nic^t  3U  6en  in  6er 
l)austDirtfd)aft  Dera>en6eten  (berötfc^aften  06er  3U  6en  üblid^en  Stmmer* 
ausrüftungen:  3um  „nötigen  un6  nü^Iic^en",  fon6ern  3um  „lu^^us" 
gel)ören,  6er  Derkauf  pon  größeren  (Quantitäten  oon  lDirt|d^aftspro« 
6ukten,  oon  Stalloiet)  k.  Beftritten  ift  fogar,  ob  notDerpfän6ungen 
un6  Hotoerkäufe  pon  l)aust)altungsgegenftön6en,  um  6ie  (E|[iften3  3U 
friften,  6arunter  fallen.  Die  praktifc^e  (Eragtoeite  ift  alfo  befd)ei6en. 
-  Die  Hnfä^e  3U  biefem  tro^  allebem  prin3ipien  mic^tigen  Son6er« 
rec^t  6er  S^^u  fin6  uns  in  6er  mittelalterlichen  Red^tsgefc^id)te  be^ 
gegnet  (ogl.  S.  238).  Damals  6urfte  fte  ie6od)  nur  3U  einem  ge- 
miffen  fef)r  befc^eibenen  IDertbetrage  felbftan6ig  (Einkaufe  mad^en. 
3n  6en  mo6ernen  (Befe^gebungen,  3.  B.  im  preugifd^en  £an6re(^t  un6 
im  fad)f.  B.(I).B.  mar  es  xfyc  6agegen  in  be3ug  auf  6ie  Qaust^alts* 
füt^rung  fd^on  in  6emfelben  Umfang  tote  f)eute  Derlief)en.  Hur  6ie 
in  6en  „niotiDen''  aus6rüdilid)  konftatierte  Hus6el}nung  auf  KIei6er' 
einkauf  für  fid)  un6  6ie  Kin6er  un6  auf  6ie  Befd^ffung  oon  (Er« 
3iet^ungsmitteln  bereid^ern  6en  3nt)alt  6er  Sd^lüffelgetoalt  um  eine 
nuance. 

(bierke  beklagt  6ie  „romaniftifd^e  un6  fomit  fd)Ied^tt)in  in6iDi6ua« 
liftifd^e  Konftruktion  6ie{es  6eutfd)red)tlid)en  Snftituts",  6ie  6arin  3um 
flus6rudi  kommt,  6a6  6ie  5tau  als  Dertreterin  6es  IH  a  n  n  e  s  ,  nidjt 
aber  fdjled)tl)in  als  Dertreterin  6cr  eljclic^en  (Bemeinfdjaft  un6  6es- 
t^olb  als  in  i  t  f  d^  u  1 6  n  e  r  i  n  für  6ie  f)ausf^Itskoften  ge6ad)t  ift. 
IDir  fd^Iiegen  uns  6er  in  6iefer  Kritik  entt^altenen  $or6erung  an,  - 
aner6ings  unter  gra6e  entgegengefe^ten  Dorausfe^ungen.  IDenn  nöm* 
lic^,  n)ie  mir  münfc^en,  als  Solge  6er  Prin3tpien  6es  ett^ifc^en  3n6iDi6ua« 


432       Das  (Ef)erec^t  5es  6eut{d)en  Bfirgerlic^en  (Befe^bitc^es. 

lismus  5tc  (Bütcrtrcnnung  3um  gcjc^Iic^en  ffiütertcc^t  er^ben  ©ürbe 
jo  iDärc  in  5cr  (Eat  6ic  Ijaftung  öcr  Sxan  Dritten  gegenüber  für  ik 
\a  von  i  Ij  r  { e  I  b  ft ,  auf  (Bruno  iljrer  Sc^Iüffelgemalt,  für  öen  9^ 
meinfamen  Qausljalt  gemachten  Sc^ulöen  ein  unausroeid^Iii^es  €rfop 
bernis.  Denn  {onft  könnte  es  gefc^e^en,  öag  ein  mittellofer  mami 
unö  eine  permögenöe  5^^u  bei  „Huftern  un5  (Et^ampagner^,  rodele  \k 
5rau  eingekauft  Ijat,  „praffen"  unb  iljren  Staubigem  ein  Sd^nippdjeR 
(dalagen,  iDeil  5er  ITlann  nichts  sunt  3af}Ien  f)at,  unö  öie  $ratt  nid)t 
ocrpflidjtet  ift,  öieje  Sc^ulöen  mit3utragen.  -  Dor  aflem  muft  aber 
5U  gunften  5er  5^^u  öie  heutige  Sc^Iüffelgevalt  nod^  anbers  aus« 
geftaltet  toeröen.  tlic^t  nur  gibt  fie  i^r  freute  keinerlei  ausfd^Iie^Iiil^ 
Red)t  in  öem  Sinn,  öag  nid)t  auc^  öer  ITlann  gans  öiefelben  (h* 
{d)afte  {einerfeits  ftatt  iljrer  Pomef)men  könnte:  -  öas  ratrö  kami 
5U  beanftanöen  {ein,  -  {onöem  er  kann  fie  f)eute  befc^ronken  oba 
aus(d)Iiegen,  (obalö  es  if>m  pa^t,  unö  iwax  mit  IDirkfamkeit  gegei 
Dritte,  -  öie  ©laubiger.  Unö  yoax  öaöurdj,  öafe  er  Jeine  Wütns» 
öugerung  ins  (büterrec^tsregifter  eintragen  lögt  ober  fie  öem  Dritten 
anöertoeit  bekannt  giebt.  Zeitungsannoncen  öes  3n^alts:  »3<4  nMXxne 
ieöen,  meiner  5tau  noc^  toeiter  3u  borgen,  inöem  idi  für  nichts  auf» 
komme",  begegnen  uns  bekanntlid)  ab  unö  an,  obroo^I  fie  ein  yvoa* 
lälfiges  mittel  öafür  nic^t  bilöcn.  -  3rgenö  ein  gefe^Ii^es  Sc^l» 
mittel  5ur  Derteiöigung  feines  (belöbeutels  gegen  eine  Derfd^raenöerifd^, 
leic^tfinnigc  (Battin  ift  natürlidj  öem  ITIanne  3U3ubiIIigen,  —  audj  naä^ 
ettoaigcr  (Einfüljrung  iljrer  ITIitljaftung,  öa  öiefe  ja  nur  öie  (Bläu« 
b  i  g  c  r  oor  öer  Unrcölid|kcit  oermögenöcr  $rauen,  nidjt  aber  öen 
ntann  oor  öcr  Derfd|tDcnöung  einer  Dermögenslojen  (d)ü^en  ©üröe, 
Aber  ID03U  in  aller  IDclt  ift  es  nötig,  toie  öie  ITIotioe  es  tun, 
öas  Befd|ränkungs=  unö  Rusfc^liefeungsredjt  öes  ITlannes  nidjt  an 
fad|lid|e  3ntereffen  3u  knüpfen,  fonöcrn  aus  feiner  autoritären  Stel- 
lung ab3uleiten?  Desljalb  klebt  iljm  öcnn  aud)  öer  (Eljarakter  eines 
aud)  aus  IDillkür  unö  £aunc  3U  übcnöen  „^errenredjts"  an:  (Er  öarf 
oljnc  oorljerigc  obicktioc  5^ftftellung  feiner  (Brünöe  öer  S^^ 
öurc^  eine  öerartigc  fln3eige  eine  öffentlid|e  Sdjmadj  3ufügen,  -  öie 
keinestoegs  öaöurc^  toieöer  abgetoafdjen  toirö,  öafe  fie  nadjträglid) 
beim  Dormunöfd|aftsgerid|t  proteftieren  unö  fidj  il)r  Redjt  roieöer 
3ufpred|en  laffen  kann.  Die  Befugnis  öes  ITlannes  3u  öerartigem 
Dorgeljen  ift  unbeöingt  nur  öann  als  geredjtfertigt  3u  betrachten, 
toenn  öer  Dormunöfdjaftsridjter  ü  o  r  l)  e  r  öie  objektioe  nottoenöig* 


A.  perfönltc^e  Rec^tsoer^altnine.  433 

heit  bafflr  konftattert  unb  feine  (Benefimtgung  erteilt  f)at.  Hnörer- 
feits  ftönöe  nichts  im  IDege,  bei  (Bütertrennung  auc^  öem  mann  eine 
6er  roeiblic^en  gleichartige  „Sc^Iüffelgemalt"  einsuröumen,  alfo  eine 
oud)  öas  perfönlic^e  Dermögen  6er  5^au  bin6en6e  Derfügungsbefugnis 
für  6en  5^11,  ba^  6ie  oon  il)m  für  notn)en6ige  f}ausf)altsbe6ürf* 
niffe  eingegangenen  Derbin6Ii(^keiten,  5.  B.  eine  oon  it^m  allein  ge* 
mietete  lDof)nung,  0  b  j  e  k  t  i  o  6en  DermögensDerf)aItniffen  6er  hatten 
entfpred^en  un6  über6ies  tatföc^Iic^  6er  S^^ili^  5^  (Bute  gekommen 

Pn60.  - 

Als  5oIge  if)rer  prinsipiellen  (Befc^öftsfät^igkeit  kann  6ie  S^^u 
nidjt  nur  -  roenigltens  im  Derf)altnis  3U  Dritten  (ogl.  S.  459  unten)  - 
oI)ne  3uftimmung  6es  mannes  f}an6elsfrau  fein,  fon6em  ftd)  auc^ 
als  HuftDörterin,  IDafc^frau,  S(^nei6erin,  £eljrerin,  Sängerin,  Söbrik» 
arbeiterin  u.  f.  id.,  Dritten  gegenüber  5U  perfönlic^en  Dienftleiftungen 
Dcrpflic^ten  (§  1358).  3n  6iefer  überaus  wichtigen  neuen  Befugnis 
brückt  ftc^  noc^  6eutli(^er  als  in  6er  (Enoeiterung  it^rer  Untert^altungs« 
pflid^t  6ie  Anerkennung  6er  (Eatfac^e  aus,  6ag  6er  t^öuslic^e  Pflichten« 
kreis  6er  S^^u  yoax  noc^  il)r  näd)fter,  aber  nic^t  mef)r  it)r  ein3iger 
3U  fein  braucht,  ja,  bag  felbftönbiger  augerf)äusli(^er  (Ermerb,  unter 
Umftönben  auc^  gegen  6en  IDillen  if)res  IHannes,  if)re  p  f  I  i  d)  t  fein 
kann.  Der  patriard^ale  (brun6fa^:  „Die  Stau  get^ört  ins  Qaus"  ift 
I)ier  alfo  nic^t  nur  in  it^rem,  fon6em  oor  allem  im  ökonomifc^en 
3ntereffe  6er  Satnüie  Dom  (befe^geber  beifeite  gefd)oben.  Hur  fo* 
fem  6er  6em  IHanne,  als  Aequioalent  für  feine  Unterf)altspfli(^t,  ge« 
i)Dat)rte  Anfpruc^  auf  (Erfüllung  i^rer  Qausmutterpflic^ten  6ur(^  foId)e 
£eiftungen  an  Dritte  oerle^t  n)ür6e,  ift  il)m  6as  Rec^t  oerliet^en,  (Ein* 
fprud)  3u  ert^eben.  S'n^^t  er  bemgemög,  ba^  6ie  oon  feiner  (battin 
übernommenen  Pflidjten  fie  6em  Ijaufe  3U  feljr  entfrem6en  un6  6ie 
ef)elid)en  3ntereffen  fd)a6igen,  fo  kann  er ,  aber  nur  mit  oor« 
I)  e  r  i  g  e  r  (beneljmigung  6es  Dormun6fd)aftsgeric^ts,  6as  Red^tsoer' 
I}altnis,  un6  yjoax  of}ne  (Einljaltung  einer  Kün6igungsfriit,  kün6igen. 
Durd)  Dorf)erige  Suftimmung  3um  Kontrakt  begiebt  fid)  6cr  lUann 
feines  Rechts. 

Aus  6en  gutac^tlid^en  Aeugerungen  un6  6en  Protokollen  6er  Kom* 
miffionsDert}an6Iungen  get^t  Ijeroor,  6ag  6ie  je^ige,  oorftditig  3n)tfd^n 
6en  3ntercffen  oon  Rlann  un6  $xau  abmägenbe,  Sormulierung  6es 

•I  f)eute  fud)en  |id)  öie  Permteter  3unel)men6  6uTd)  nittunteT|d)rift  6er 
5rau  unter  öem  Kontrakt  tl)re  Illitliaftung  3U  fid^ern. 

IPf  brr.   «Chrrrau  utl^  matter.  28 


434       Das  (El)erec^t  5es  5eut{c^en  Bürgerlichen  (Befe^buc^es. 

§  1358  5qs  Refultat  f)eiger  ITlemungskampfe  3a>ifc^en  6en  Dertretem 
5er  patriarc^alen  unö  möiDtöualiftifc^en  (E^eauffaffung  ift  Seine 
Saffung  im  erjten  (Entourf  war  ein  bö{er  Rfi&fall  in  ungefc^nmdi' 
ttn  patriarc^altsmus,  ber  bas  Prinsip  ber  e^etoeiblic^en  (Befc^öfts* 
fäl}tglteit  gönslic^  burc^Iöc^erte.  Da  ^iejj  es  namlic^,  im  biametralcn 
6egen{a^  5U  bem  Sinn  ber  je^igen  S^ff^ng:  „Die  (Ef)efrau  beboxf 
5u  einem  Rec^tsgefc^öfte,  burc^  loelc^es  fie  5u  einer  in  perfon  yi 
betDtrkenben  £etftung  fic^  perpflic^tet ,  ber  (Einmilligung  bes  C^ 
mannes".  Unb  biejcr  gejefelic^e  Sc^u^  bes  ITIannes  gegen  «(Entfrem* 
bung"  ber  (Eljcfrau  oon  iljren  „per|önli(^en  PfKc^ten"  iljm  gegenüber 
wax  berartig  abfolut  gebac^t,  bajs  nic^t  einmal  für  btn  5^0  f^^ 
Kranltl)eit,  Abtoefenf^eit  ober  (Entmünbigung  eine  „Ausnahme  oon  ber 
Regel"  für  „erforberlic^"  unb  „angemeffen"  erachtet  loar^).  Cbenfo« 
iDenig  toar  ber  5^^u  irgenb  eine  Qanbt^abe  gegen  migbröuc^Iic^e 
Dorentl)aItung  ber  eljemönnlic^en  3uftimmung  gegeben.  IDas  inbeffcn 
Klöppel,  ber  pon  allen  (Butac^tem  btn  (Ei^pus  bes  naioen  <Bef<^Ie<^is> 
egoiftcn  am  trefflic^ften  repräfentiert,  nic^t  Ijinbert  3U  finben,  bai 
jene  Beftimmung  bem  RTanne  n  0  (^  keinen  ausreic^enben  Sc^u^  9^ 
iDöf^re  unb  nur  ein  unglü&Iic^er  (Erfa^  ber  et^emönnlic^en  «.RTunt'  fei 
Dagegen  trat  Brül}I  in  ge{d)i&ter  Derteibigung  bes  Selbftbeftimmungs* 
red)ts  fogar  für  oölligc  Streidjung  jenes  paragrapljen,  als  unoeretn« 
bar  mit  ber  (Bcfd)äftsfäl)igkeit  ber  $rau,  ein  unb  forberte  für  fie  ab« 
folutc  5i^ci^cit  3ur  Derfügung  über  benjenigen  (Ecil  iljrer  Arbeitskraft, 
ber  il)r  nadf  (Erfüllung  iljrcr  Ijäuslidjen  Pflichten  übrig  bleibt. 

3m  3tDeitcn  (Enttourf  ift  btnn  auc^  bie  S^Qu  fd)on  oon  ber  ge» 
nannten  Befdjränkung  befreit.  Aber  erft  in  bm  Derljanblungen  ber 
Reid|stagskommi(fion,  -  -  offenbar  namcntlidj  3ufolgc  bes  3äljen  unb 
energifdjen  Auftretens  bes  S^eiljerrn  oon  Stumm^IJalberg ,  ber  bar» 
auf  ijintoics,  ba^  oor  allem  in  inbuftriellen  Arbeiterhreifen  größere 
Selbftänbigkeit  ber  5rau  burc^aus  nottoenbig  fei  '0,  -  tourbe  bas  Kün« 
bigungsred)t  bes  ITIannes  an  bie  (Ermädjtigung  bes  Dormunbfc^afts* 
gerid)ts  gebunben ,  unb  bief es  ferner  ausbrü&Iidj  angetoiefen,  bie  <Er» 

')  ITIotiDc  S.  112. 

')  S.  125  6cr  Rcid}stagshommiffionsDcrl)an6Iungen.  ITIan  könnte  Ijierin 
.1  priori  cbcnio  U'\d\i  „flrbcitgcbcrintcrcfjc"  ocrmutcn,  toic  in  Stumm*s  jpäter 
3u  crörtcrnbcm  (Eintreten  für  öic  Gütertrennung  „Sd^tDiegcrDatenntereffe*. 
3n6e|jen  roirhte  bei  Stumm,  mie  bie  6ere(i)ttgkeit  3U  betonen  gebietet,  allein 
entfd^eibenö  (eine  Kenntnis  ber  englifd)en  Hed)ts3uftanbe. 


A.  perfönlid^  Rei^tsoer^Itniffc.  435 

mSc^ttgung  nur  bann  3U  erteilen,  „toenn  fic^  ergibt,  bag  bte  (Eötig- 

heit  ber  5^<iu  bte  et^elic^en  3ntereffen  beeinträchtigt".    (Ein  totc^tiger 

Sdiu^  jebes  berechtigten  (Eätigkeitsftrebens  ber  5^<iu  iDurbe  ou<^  ba> 

büx&i  gefc^affen,   ba^  fie  fici),   wenn  ber  mann  bem  Abfc^Iug  bes 

Kontraktes  nic^t  3uftimmt,  unb  fi<^  alfo  nici^t  feines  Künbigungsrec^ts 

begibt,  über  feinen  Kopf  t^iniDeg  bie  Suftimmung  bes  Dormunbfc^afts« 

gcric^ts  einf)oIen  kann.   Sie  getoinnt  bann  eine  gan3  fiebere,  nic^t  nac^« 

troglic^  oerfc^iebbare,  Bafis  für  if)re  Kontrakte.    Unb   snuir  konn 

fie  bas  nic^t  nur,  menn  etma  ber  mann  burc^  Krankf)eit  ober  Ab- 

melenl^it  an  einer  (Erklärung  oertjinbert  ift,  {onbem  auc^,  rnenn  fici) 

„bie  Dermeigerung  ber  Suftimmung  als  migbrauc^  feines  Rechts  bar« 

ftellt".    l)ier  iDöre,  fc^on  oom  Stanbpunkt  ber  f)eutigen  (Et)erec^tsorb« 

nung,  bie  Ilötigung,  einen  „migbraud)",  ftatt  f(^Iec^tf)in  bie  objektioe 

3ntereffenlage   barsulegen,   3U  beanftanben.     3m  übrigen  aber  er* 

fc^int  mit  all  biefen  forgfamen  Derklaufulierungen,  bie  feine  toillkür- 

lid^e   Hnioenbung   ausf erliegen ,    bas   Künbigungsrec^t   bes    monnes 

in    feiner   f)eutigen  (beftalt,    menigftens    für    bie    mit    Kinbern 

gefegnete  (Et)e,  als    eine    richtige  Konfequens   ber   oom  (befe^geber 

jiDifd^en  ben  (Satten  Don3ogenen  Arbeitsteilung.    (Es  ift  in  ber  Hai 

nic^t  3U  beftreiten,  bog  burd)  bie  rec^tlid^e  Befugnis  unb  toirtfc^aft- 

lic^e  nötigung  ber  S^^u,  it^re  (Eätigkeitsfpt^öre  über  bie  (bxtnyn  bes 

f)0ufes  aus3ube^nen,  unter  Umftönben  (befat^ren  für  bas  S^niilien« 

unb  (Et^eleben,  fpe3iell  für  bie  3ntereffen  ber  Kinber,  entfteijen  können. 

namentlich  können  unoor^ergefet^ene  Saue  —  man  braucht  nur  an 

bos  unenoartete  (Eintreten  einer  Sci)tDangerfci)aft  benken  -  eintreten, 

in  benen  es  if)r  f  elbft  eine  IDot)Itat  loare,  burc^  bas  Künbigungsrec^t 

bes  mannes  oon   einer  Derpflici)tung   befreit   3U   merben,   bie   mit 

i^rem  körperlichen  Suftanb  nic^t  me{)r  oereinbar  ift.    Aber  and^  ab* 

gefe^en  t^ieroon  kann  es,  oom  Stanbpunkt  jener  Arbeitsteilung  aus, 

iDünfci^ensiDert  erfd^einen,  bog  eine  3nftan3  oort)anben  ift,  loeld^e,  burd) 

Anrufung   bes  Dormunbfd^af tsgeric^ts ,  bie  5^^^  fo3ufagen  gegen 

fic^  f  elbft  fc^ü^en  kann,  00  fie  fid^  unter  bem  DruA  ber  Hot  weiter« 

gef)enb  gebunben  l)at,  als  objektio  im  3nterefTe  ber  S^^ili^*  insbe* 

fonbere  ber  Kinber,  gerechtfertigt  loar.    -    5reilid^    erfd^eint    eine 

DöUige  Objektioitöt  auc^  bei  biefer  toie  bei  ber  (Entfd^eibung   aller 

berartiger,  immerf)in  fd^ioieriger,  S^^O^n  erft  bann  gefiebert,  toenn  bie 

in  folc^n  SäJltn  Ausfd^Iag  gebenbe  3nftan3  -  bas  Dormunbfc^afts« 

gerillt  -  3n>eigefc^le<^tlic^  geioorben  fein  loirb.    Unb  es  mü^te  auc^ 

28* 


436       Das  (Ef^erec^t  5es  öeutfc^en  Bürgerlichen  (Befe^bud^s. 

in  5er  Sormitlierung  bes  6e{e^es  unsroetöeutig  sunt  Ausörudt  kommai, 
5ag  nic^t  Bequemltc^keitsintereffen  5es  ITlannes,  fonbem  nur  {oId)e 
Solle  in  einer  mit  K  i  n  b  e  r  n  gefegneten  (Ef)e,  roelc^e  jebe  getDijfai- 
^afte  ITlutter  als  eine  Art  etf^ifc^er  „^öf)erer  (Bemalt"  anfe^n  m  ügte, 
bem  Cbtxiö^t  bie  Befugnis  3ur  Annullierung  bes  Kontrakts  unb  boimt 
5ur  Befeitigung  ber  Pflic^tenkoüiffion  ber  niutter  geben  öürfen.  3« 
e  r  {t  e  r  Reif)e  möre  bann  ber  ITlutter  f  e  I  b  {t,  unb  nur  fubfibor,  als 
„Sntereffenten",  bem  ITlann,  bas  Rec^t  bes  (geric^tli<^  3U  genehmigen* 
btn)  Kontraktbruc^es  in  {olc^en  Sollen  5U  geben. 

IDürbe  bie  in  ben  bisher  anali]fierten  (befe^es'Beftintmungen  doI* 
5ogene  Derteilung  ber  Rechte  unb  Pfli^ten  nic^t  me^r,  roie  je^t,  cds 
Ausflufe  einer  e^emännlic^en  „Autorität",  fonbem  als  eine  rein  fod|« 
lic^e  5oIge  ber  im  3ntereffe  bes  S^milienlebens  oollsogenen  fl^ 
beitsteilung  bef^anbelt  unb  mobifi5iert,  bann  trüge  fie  ^estt 
unb  in  ben  (Brunb3ügen  oiefleic^t  folange  unb  foroeit  bie  5ont<^>^ 
unb  ber  inbioibuelle  prii)at^ausf)alt  emittieren,  ~  ben  (L^axakttt,  meim 
aixii  nic^t  abfoluter  AHgemeingüItigkeit,  {0  boc^  einer  Dur^fc^nittsnonn. 
Die  ge{c^led)tlic^e  Be{onberl)eit  oon  ITlann  unb  Stau  unb  i^re  burd^ 
fie  gegebenen  oerfc^iebenartigen  Aufgaben  in  ber  (E^e  roaren  bamit 
im  Durc^fc^nitt  ebenfo  genügenb  berü&fic^tigt  roie  bas  3ntereffe  bei 
(Bemcinfdjaft,  oljne  bafe  anbrerfeits  ben  unenblidj  abgeftuften  inbiBi« 
bucllcn  $äl)iglieiten  unb  bem  oerfc^iebenartigen  Betätigungsftieben 
ber  cin3elnen  S^öuen  engere  Schranken  gefegt  toären,  als  es  bie  iljncn 
3ufaIIenbe  eljelic^e  Pflidjtenfpljäre  forbert.  Da  biefe  Ijödjft  elaftifdj  i[t, 
iDÜrbe  es  bann  oor  allem  oon  ber  oorel^elic^en  Ausbilbung,  ber  inbioi« 
buellen  £ebensfül)rung  unb  Befäljigung  ber  ein3elnen  S^Qu  abljängen, 
ob  unb  n)ie  toeit  fie  es  Dermöd)te,  !}öuslic^e  unb  augert^öuslic^e  dötig* 
kcit  3u  ocreinigcn  unb  fidj  überljaupt  in  ber  (Elje  als  felbftbeftimTnte 
Perfönlic^kcit  3U  be!)aupten. 

Aflcin  toenn  roir  nun  oon  biefcn  (Ein3elregeln,  bie  ber  (Befe^geber 
für  bcfonbcre  Jragen  getroffen  !}at,  3U  ber  prin3ipienen  (Bcftaltung 
ber  perfönlic^cn  Bc3iel)ungcn  ber  (Batten  in  ber  (E^e  übergefjen,  [0 
finben  roir,  ba^  bie  trabitionellcn  Dorftellungcn  über  bas  .natürlid|e 
Dcrl)ältnis"  ber  (Bef d)Icd|tcr :  über  bie  bem  ITIanne  „angeborenen" 
Prioilcgien,  ben  (Bcfc^geber  noc^  fo  ftark  beljerrfdjten,  baj^  er  bas 
Prin3ip  ber  eljeljcrrlic^cn  Autorität  nid)t  nur  befteljen  liefe,  fonbem 
allen  anbren  3becn  überorbnete.  Denn  allen  Beftimmungen  ooran 
ftet)t  im  B6B.  ber  6runbfa^:    „bem  manne  ftel}t  bie  (Entfd^eibung 


f^id 


A.  perfönlic^e  Re<^tsoerl)a(tntffe.  437 

in  allen  bas  gemetnfd^aftlii^e  el^Itc^e  £eben  betreffenben  Angelegen* 
^iten  SU"  (§  1354  flbfa^  1). 

Diefe  neue  SonnuIieTung  klingt  loefentltd)  gefc^madtooller  unb 
milber  als  öte  alten  (Bet^oTfamsparagrapl^en.  Sie  richtet  öie  Autorität 
5es  mannes  {c^einbar  pon  öer  S^^u  fort  auf  öie  „Angelegent^etten". 
Unb  Ab|a^  2*)  toill  prinsipiell  öurc^  öen,  alleröings  problematifc^en, 
Sd)u^  Dor  „mijsbröuc^lic^er  AntDenöung"  ein  toeniger  abfolutiftifi^es 
f)errenre(^t  begrünben.  -  Der  Dertreter  bes  (pejififc^  gefc^Iec^tsegoifti* 
fd^en  patrtard^alismus,  Klöppel,  ift  besf)alb  auc^  burd^aus  nic^t  be* 
friebigt.  Der  ben  (Et^efrauen  am  Richter  gen)af)rte  Rü&t^alt  erf^etnt  if)m 
unbillig.  $emer  {oII  aber  auc^  bie  Sad^  beim  richtigen  Ramen  genonnt, 
nömlic^  bie  5tau  ausbrüdtlic^  3um  „(bt^oxiam"  oerpflic^tet  loerben:  unb 
,,5um(bet)orfam  gef)ört  imSveifel  aud^  gegen  bie 
eigne  (Einfielt  ge^orc^en  3U  mülfen".  IDir  muffen  Klöppel 
für  biefe  Aeugerung  banken,  btnn  er  enttjüllt  bamit  in  ber  Hai  nur 
eine  Konfequen3,  5U  ber  bas  „(Entlc^eibungsrec^f  jebersett  f uferen 
kann.  (Entkleiben  wxx  jene  Beftimmung  it)res  mobernen  (beiDanbes, 
fo  erkennen  toir  in  if)r  eben  bod)  bie  Derkörperung  bes  alten  Rlun- 
bialprtn3ips:  ber  Rlann  foll  t)erfd)en,  eben  iDeil  er  ber  Rlann  ift. 

Dest^alb  begrünben  auc^  bie  „motiDe"  bie  et)emannlid)e  Autorität 
c^arakteriftifd)  immer  nur  burc^  btn  ()intDeis  auf  bie  „natürlid^e  Q)rb« 
nung",  -  iDorin  uns  toieber  jene  3bentifikation  bes  Ratürlid^en  mit 
btm  Rormatioen  entgegentritt,  bie  mir  als  funbamentalen  3rrtum 
Don  Rouffeau*s  (Et^emoral  kennen  gelernt  traben  unb,  in  fublimerer 
5orm,  letber  auc^  bei  Sichte  konftatieren  mußten.  Sofern  biefe  „na* 
türlic^e  Orbnung"  nid^t  nur  als  Rorm,  fonbern  3uglei(^  als  (Eat* 
fad^e  gebad)t  ift,  finben  toir  in  biefem  Begriff  überbtes  auc^  bie  Der* 
gemaltigung  ber  konkreten  Sülle  unb  Derfd^iebenartigkeit  ber  ein3elnen 
^.Iliftorifc^''  toirklic^en  3nbiDibuen  burc^  ben  naturmiffenic^aftlid^en 
(Battungsbegriff  oon  „mann"  unb  „S^Qu"  »ieber.  Unb  Ijier,  »ie 
immer,  toirb  biefer  ti)pi{(^e  logifc^e  S^^l^^  unbemugt  unter  einem  be- 
ftimmten  3n)edtgefic^tspunkt  begangen.  (Er  ift  oerankert  an  bem  bur<^« 
ous  „natürlichen"  (be|c^Ied)tsegoismus,  ber  bem  IHann  unter  allen 
Umftönben,  gIeid}DteI  mit  bie  |ad)Ii(^en  3nteref|en  babei  fat^ren  mögen, 
feine  trabitionellen  Dorred)te  ftügen  min.  (Er  foQ  als  ber  an  (Erfah- 
rung unb  Selbftbet)err{d)ung  Ueberlegene  gelten,  aud)  mtnn  er  es 

S  Die  Srau  i|t  nid)t  Derpfltd)tet,  ber  (Entfd)eiöun9  6es  ITlannes  Solge 
ju  Iei|ten,  mtnn  |id)  öte  <Ent{d)ei6un9  als  migbraud)  {eines  Red^tes  barfteQt. 


438       Das  (Ef)ered)t  5es  beutfc^en  Bürgerlichen  Sefe^bud^es. 

fa^tifc^  md)t  ift.  Aber  unfre  l)eutige  ftttlic^e  unö  logtfd^e  (Etnfid^  yx» 
fe^t  5ie  36cnttPation  oon  „TTlac^t"  unö  „Rec^t",  ebenfo  mit  \m 
pon  „natürlich"  unö  „normattp",  unö  unfer  Re^tsben)ugt{em  finbet 
jenen  6e{c^Iec^tsegoismus  ysoax  noc^  ^öc^ft  „natürlid^",  aber  öie  (Dru 
entierung  öer  6e(e^e  an  tf}m  keinesfalls  me^r  «^fitilic^"  berechtigt 

Don  öen  fac^tDiffen{d}aftIt(^en  Begutachtern  öes  erften  (Entonrfs 
mißbilligten  u.  a.  Qinfc^ius,  pon  Sc^eurl  unö  £.  (bolöfd^miöt  öen  b^ 
treffenöen  Paragraphen^),  alleröings  aus  oerfc^ieöenen  (brünöen. 
tlac^  Anficht  öer  beiöen  (Erftgenannten  folgt  „oon  felbft"  aus  öem 
lDe{en  öer  (Ef}e,  öag  öer  ITlann  in  it^r  öie  leitenöe  Stellung  fyit  oöer 
venigftens  f)aben  {olle,  n)af)renö  £.  (Bolöfc^miöt  in  i^m  eine  3U  ftarftc 
Betonung  öes  ef^emönnlic^en  f}err{(^aftsred)ts  fanö:  öie  gemein{<^« 
liefen  Angelegenheiten  {ollen  öurc^  Dereinbarung  erlebigt  n)eröen. 
tlac^  erfolglosen  Der{ud)en  {d)eint  alleröings  auc^  er  öes  (Ent(c^eiöungs' 
rechts  nic^t  entraten  5U  vollen.  —  Bei  meiten  am  eingel^enöften  unö 
tiefgrünöig(ten  befaßte  fid)  ein  praltti((^er  3uri{t:  Karl  BuIIing,  in 
{einer  Schrift  „öie  öeutfdje  5wu  unö  öas  bürgerliche  (be(e^bu(^'  mit 
öem  Problem.  An  öer  Qanö  öer  (Erfahrungen  als  Ritter  in  (E^ 
ftreitiglteiten  gel)t  er  in  überaus  fein(inniger  IDei(e  allen  p(i}<^(0' 
gi(<^en  unö  fittlic^en  IDir^ungen  öes  inunöialprin3ips  nac^,  unö  konnnt 
Dom  Stanöpunitt  öes  etl)i(c^en  3nöii)iöualismus  aus  3U  öem  Re{ultat, 
öaß  jeöe  5otm  ge{eölid|er  Autorität  öes  (Eljemanns  für  iljn  {elbfl 
eine  {c^toere  {ittlidje  (Befaljr  bcöeutet  unö  unoereinbar  ift  mit  öem 
Redjt  öer  Stctu  auf  „Srciljeit  in  öer  PfKdjterfüllung". 

3m  Rcid)stag  beantragten  öie  £in?isliberalcn:  (Träger  unö  Ricfeert, 
ferner  D3iembotDski»pomian ,  3.  (E.  mit  eingetjenöer  Begrünöung,  öie 
Streid)ung  öes  (Ent{d|eiöungsrec^ts.  (Träger  roarnte,  etroa  im  Sinne 
Bulling's,  oor  öer  Konftituierung  einer  eljemännlic^en  Uebermac^t,  6a 
fic  Uebcrmut  auf  öer  einen  Seite  unö  tjinterli{t  auf  öer  anöem  er« 
roeÄc,  unö  foröerte  für  öas  IDirlicn  eines  neuen  $rauenge{djledjts 
aud)  einen  neuen  Rcd)tsral)men.  Ridiert  crWärtc  öas  Derlangen  nac^ 
genereller  Unterorönung  öer  S^^öu  für  ein  Unöing,  tocil  i^m  öie  Dor» 
aus{c^ung  3U  grunöe  liege,  öaß  immer  öer  ITlann  öer  Dcrnünftigere 
{ei  unö  Dernunft  unö  Sittlidjfteit  allein  reprä{cnticre.  Unter  Berufung 
auf  öie  Der{d)iebung  öes  ökonomi{c^en  Derl)ältni{{es  öer  (Eljegatten  in 
Arbeiterkrei{en  beantragten  Bebel  unö  {eine  Partei  öie  ausörücfelidje 


')  Dgl.  (Bulad)llid)c  Hcufecrungcn  S.  64,  65. 


A.  perfönltc^e  Rec^tsDertjöItniffe.  439 

Sormulierung  des  (Brunöfa^es  bei  (Bleid^berec^tigung  ber 
(El^gatten.  Der  patriarc^al  gefinnten  Retc^tagsmaioritat,  bte  ifyctx 
Sadft  fieser  mor,  l^t  es  offenbar  bäum  geIof)nt,  {ic^  burc^  5te  Aus- 
einanberfe^ung  mit  jenen  Argumenten  an5uftrengen.  nur  pianA  trat 
tf)nen  als  Dertreter  bes  (EntiDurfs  entgegen.  (Er  mürbtgte  in  feiner 
feinen,  gütigen  IDeife  bie  Beftrebungen  3ur  rec^tli^en  Qebung  ber 
Srauen,  konnte  fi<^  aber  aus  formal« juriftifc^en  (brünben  -  loeil 
nömlid)  in  ber  aus  yoti  perfonen  beftet^enben  <Ef)e  bie  un3af)Iigen 
Sragen  bes  täglichen  £ebens  nic^t  bur^  Abftimmung  entjc^ieben 
»erben  können  *  -  nic^t  5ur  Preisgabe  bes  (Entfc^eibungsrei^ts  ent« 
fd^Iiegen. 

Au(^  biefes,  auf  ben  erften  Blidt  ben  nteiften  fo  einleuc^tenbe 
unb  btn  Stauenforberungen  noc^  immer  entgegenge^oltene  Argument 
I)ält  einbringenber  Ueberlegung  nic^t  Stanb.  Die  Abftimmung  nac^ 
majoritoten  ift  bekanntlich  überf)aupt  ein  burc^ous  moberner,  noc^ 
l^eute  keinesiDegs  allgemein  ongemanbter  niobus,  bie  nieinungsbiffe« 
rensen  3iDifc^en  meljreren  unter  einanber  burc^  3ntereffengemein|c^aft 
oerbunbner  Perfonen  5U  fc^Iic^ten.  Daneben  gibt  es  btn  3iDeifad)en 
anbem  IDeg :  1)  bQ%  bei  mangeinber  (Einmütigkeit  bie  3ur  (Erörterung 
gef teilte  niagregel  -  nef)men  mir  für  bas  (Et^eleben  an:  eine  Der* 
gnügungsreife,  eine  (Ert)öt)ung  bes  Qaust^altsbubgets,  ein  freimilliger 
IDed)|eI  ber  IDot^nung  -  einfad)  unterbleibt  (Prin3ip  bes  'liberum 
vctn«),  ober  2)  bag  bei  Itleinungsoerfd)iebenf)eiten,  bie  nic^t  3ur  frieb« 
Iid)en  Schlichtung  gelangen,  eine  britte  3n|tan3,  in  unfrem  5^11  bas 
(berii^t  (Dormunbfc^aftsric^ter)  btn  Ausfc^Iag  gibt,  pianck,  ber 
fi<^  für  bie  notmenbigkeit  bes  ebemönnlic^en  (Entfc^eibungsred)ts  auf 
bie  lDal)I  bes  Domi3i(s  als  Beifpiel  be3og,  pergag,  baf^  \a  grabe  t^ier 
fc^on  je^t  eine  (Einmi|d)ung  bes  Rid)ters  für  ben  $a\\  bes  ^IHig« 
brauc^s"  Dorge|el)en  ift.  IDas  bie  meiften  oor  biefer  (stoeiten)  £öfung 
3urückfc^re&en  lägt,  ifl  ber  gan3  Iäd)erlici)e  (blaube,  bag  bie  5olge  ber 
Sulaffung  biefes  Auskunftsmittels  für  öujserfte  11  0 1  f  ö  1 1  e  ein  fort* 
CDÖt^renbes  ^.Ijineinreben"  ber  (berici)te  in  bie  3ntimitäten  ber  S^ntilie 
fein  tDürbe. 

£agt  man  aber  bas  patriarci^ale  (Et^eibeal  unb  btn  (Mauben  an 
bie  3tDangsn)etfe  burc^  (befe^esparagrapt^en  t)er3ufteHenbe,  «organifcfoe 
Cint^eit"  ber  (Eljegatten  faljren,  fo  loirb  auci)  oom  formal-juriftifc^en 
Stanbpunkt  aus  bas  generelle  (Entfd^eibungsrec^t  bes  lUannes  entbel)r- 
lic^.    Beftet^en  boc^  alle  anberen  Dereinigungen  oon  3tDei  perfonen, 


440       Das  (Ef)erec^t  5es  beutfc^en  Bürgerlichen  (Befe^buc^es. 

3.  B.  5te  geje^Iic^  regulierte  „offene  ©efellfc^aft",  in  6er  es  fid^  ja 
5oc^  um  Dinge  ^anöelt,   bei  toelc^en  „5ie  6emütlic^fteit  aufhört', 
0  ^  n  e  bie  gefe^Iic^e  Dor!}err{c^aft  5es  (Einen,    tlii^t  nur  ebenfogui, 
fonöern  pielme^r  unenblid)  piel  leichter  als  ben,  egoiftifc^en  Sielen 
nac^ftrebenben,  „(Befellfc^aftem"  könnte  es  boc^  ben,  gemeinforn  ibeak 
3ntereffen  roaljrnetjmenben,  (Ehegatten  überladen  n)erben,  i^re  Kom- 
peten5en  innerf^alb  ber  ef^elic^en  6emein{c^aft  {elbft,  0  ^  n  e  bag  \ä^ 
im  poraus  feftftanbe,  mex  „bas  le^te  IDort  tiat",  gegeneinonber  ch* 
3ufte&en.    (Es  i{t  {on)o!}I  ein  pfi]c^oIogi{^er  n>ie  ein  et^tfc^er  3rrttnii, 
pon  (befe^es  vegen   fo5ufagen  einen  evigen  5rieben   smifc^en  ben 
(bauen  IjerfteUen  5U  wolUn  baburc^,  ba^  man  nur  einen  IDilki 
regieren  läjst.    3e  innerlicher  unb  inniger  fic^  bie  Bejiel^ungen  ber 
in  ber  Sö^nilie  aufeinanber  angemiefenen  ITlenfi^en  geftalten,  um  fo 
(ic^erer  bebeuten  {ie  auc^  ein  latentes  Ringen  ber  oerf^iebenartigen 
3nbioibualitäten  miteinanber:  -  ein  Ringen,  in  bem  bie  (E^oraltere 
fic^  gegen{eitig  enttDi&eln  unb  bie  Seelen  fi^  miteinanber  burc^bringen. 
Seine  öugerlic^^mec^anifc^e  Befeitigung  burc^  Anmenbung  bes  Huto* 
ritätsprin3ips  im  Der!}ältnis  ber  ffiatten  3U  einanber  fei^elt  bie  ^^na» 
tiirlic^e"   6e{c^lec^tseitellteit  bes  pripilegierten   unb   ftann  fo,  0^ 
f  ad)Iic^e  tlötigung,  bireM  (Queue  oon  Konflikten  loerben  ober  bie  Der« 
Itümmerung  bes  oon  (befe^es  toegen  5um  fc^toac^eren  gemad)ten  Seils 
3ur  Solge  Ijaben.  -  Aber  auc^  rein  logifc^  ijt  es  ein  3rrtum,  bem 
(Befe^  bie  Aufgabe  3U  jtcllen  -  roie  es  immer  roieber  gefdjeljen  üt 
-  aus  ber  (E!)c  eine  „orgamjdje  (Einljeit"  3U  fc^affen.    Bilbet  bo^ 
jcber  ber  (batten  für  fic^  eine  „organi|dje  (Eintjeit",  bie  man  toaljrlic^  nii^t 
baburc^  3u  einem  neuen   Dollftommeneren  „©rganismus"  oerbinben 
kann,  bog  man  einen  oon  beiben  feines  felbftänbigen  IDiUens  beraubt 
(Ein  (befe^  J^ann  auf  biefem  (bebiet  überf^aupt  nic^t  fittli^  Itonftitutio 
toirkcn;  es  Ijat  fic^  3U  befdjeiben,  Icbiglid)  ber  Unfittlid)fteit  unb  ber 
gegenfcitigen  Unbilligkeit  ber  ITIenfdien  untereinanber  S^ranken  3U 
fe^en.    IDas  unter  jener  beliebten  TTIetaptjer,  mit  ber  bas  Hutoritäts» 
prin3ip  ftets  oerteibigt  toirb,   oerftanben   toerben   kann:    ber  gegen» 
Jeitige  feelifd|e  Ajfimilierungs»  unb  Anpaffungspro3e6,  ber  bie  beiber» 
leitigen  IDillen,  günftigenfalls,  allmäl)lid)  oollkommen  f)armonifiert,  ift 
rein  g  e  i  ft  i  g  e  r  llatur  unb  nur  oon  ben  6atten  |elbft  3U  erringen, 
nid|t  aber  oon  (befe^es  toegen  3U  bekreticren. 

Saci)lic^  l}at  fid)  ja  auc^  bas  generelle  ef)emönnlid)e  (Entfc^eibungs» 
red)t  im  Bctou^tjein  loenigftens  ber  geiftig  füljrenben  Sdjic^ten  fdjon 


A.  perfönltc^e  Rec^tsoert^ältniffe.  441 

je^t  glüdtlic^enDeifer  überlebt.  Sc^on  I^eute  gilt  uns  nur  biejenige 
<Ef)e  als  normgemäg,  in  ber  öie  Uebereinftimmung  ber  IDillen  bei 
nieinungsDerfc^iebent^eiten  in  jebem  (Ein3elfall  aufs  neue  burc^  frei« 
CDtlliges  (Entgegenkommen,  balb  bes  einen  balb  bes  anbren,  gef^affen 
wirb.  Dem  unfrer  fittltd)en  norm  entfprec^enben  et^elic^en  Dert^ölt« 
nis  ift  jene  gefe^Iic^e  Horm  fd^on  löngft  3um  toten  Si)mboI  einer 
cntfc^munbenen  (Epoche  geiDorben.  (Ein  t^albmegs  oomef)m  empfinbenber 
mann  kommt  übertjoupt  in  folc^en  (Et^n  nic^t  mef)r  barauf,  oon 
feinem  „gefe^Iic^en"  (Ent|d)eibungsrec^t  (bebrauc^  3U  machen.  -  (Eben 
iDeil  in  bcn  geiftig  füljrenben  Sd^id^ten  (c^on  fooiele  berartiger  00m 
(Befe^  emansipierter,  innerlich  ««freier"  Ct^en  ejriftieren,  ift  es  ja  |o 
fc^iDer,  bas  3ntereffe  ber  Srauen  jener  Kreife  für  bie  Kritik  ber  (Elje- 
gefe^e  3U  ervedien.  Unb  bie  nod)  im  (beift  bes  (befe^es  Cebenben, 
beren  geftrenger  (bebieter  auf  feine  gefe^Iic^  garantierte  ausfc^Iag« 
gebenbe  Stimme  pod)t,  f)aben  in  ber  ®effentlid)keit  it^rerfeits  keine 
Stimme. 

Aber  auc^  in  ber  Durc^fd^nittset^e  können  unb  follen 
meinungsoerfc^iebent^eiten  in  (Eagesfragen  burd)n)eg  nac^  bem  prin3ip 
bes  'liberum  veto«,  bur<^  einget^enbe  kamerabfc^aftlic^e  Beratung 
alfo,  erlebigt  werben.  (Es  „foQte'  {d^Iieglic^  bie  IHeinung  besjenigen 
ben  Ausfd)Iag  geben,  ber  bafür  bie  oernünftigften  (brünbe  an3u« 
füt^ren  veig.  Dajj  bies  nic^t  immer  gefd^et^en  wirb,  fonbem  oft 
genug  bie  gröjsere  Rüdtfic^tslortgkeit  es  fein  n)irb,  velc^e  ben  Aus« 
gang  entfc^etbet,  ift  fet)r  vat^r;  aber  für  biefe  er3ief)t  bas  Ztbtn  ot^ne* 
f)in  btn  mann  mel)r  als  bie  $xau,  -  varum  il)m  nod)  gefe^Iid) 
Brief  unb  Siegel  barauf  geben?  Die  (batten  foIIen  tbtn,  im  Prin3ip 
folange  beraten,  bis  fie  eine  (Einigung  er3ielen,  btnn  it^r  IDille  3ur 
Dertraglid)keit  ift  fc^Iieglic^  bie  Dorausfe^ung  jeber  (Et)e. 

Dabei  merben  -  n>as  natürli^  am  t)  ö  (^  |t  e  n  ett^ifc^en  Vfla^' 
ftab  gemeffen  minbermertig  (ein  mag  -  nac^  aller  (Erfahrung  tag> 
aus  tagein  fd)on  Ijeute  bem  (brunbfaf)  '<lo  ut  <li*s.  gemög,  «3n- 
tereffenkompromiffe"  gefd}Ioffen,  berart,  ba^  bas  eine  lUal  ber  IDunfd) 
bes  einen,  bas  anbere  IHal  ber  bes  anberen  (batten  ben  Aus{d)Iag 
gibt. 

Die  Sc^eu,  eine  Angelegent^eit  bes  inneren  S^ntilienlebens  einem 
Dritten  3U  unterbreiten,  mirb  gan3  un3n>eifell)aft  grabe  auf  ber  $rau 
fo  fd^mer  (aften,  ba^  bie,  als  ultima  ratio,  n)o  eine  pofitioe  dnU 
fc^eibung    3n>i{d)en    oerfd^iebenen   Alternatioen     unbebingt    erfolgen 


442       Das  (E^eted}t  öes  öeut|d}en  Bfitgetli^en  (Befe^bu^es. 

nt  u  g ,  3u  getDö^tenöe  niögltd}beit  öet  Anrufung  öes  Ritters  ji<^' 
lid)  nur  in  Sollen  oon  tDtrbltd)  unertrögli^er  DetgetDaltigung,  in 
benen  in  XDa^t^eit  öie  (Ef\t,  am  niag|tab  oerfeinerten  (Empftnbms 
gente{jen,  {d}on  entoettet  ift,  ptalktifd)  metöen  mirb.  3n  |oI(^en  5^* 
len,  wo  öbononti|d}e  not  unb  Rücbfic^t  auf  bie  Kinber  bie  S^^ 
5tx)ingt,  tro^bem  bie  für  fie  roertlofe  (E^e  fortsufe^en,  mug  bann 
aber  jenes  Ausitunftsntittel  i^r  aud)  3ur  Derfügung  gefteüt  loerben, 
wenn  ber  Staat  nid}t  bie  Rücbfid^t  auf  (be|(^le(^tseitelftett  fiber  olle 
{ad}Iid}en  (ErtDögungen  {teilen  tx)ill. 

3m  übrigen  ift  gar  mäji  einsufe^en,  tx)arum  bie  einselnen  mög» 
Iid}en  Konflibtsfälle  nid}t  je  nad)  i^rer  {a(^Ii(^en  (Eigenart  Der|(l^i^ 
b  e  n  bet|anbelt  iDerben  könnten.  Den  oon  piancb  jitierten  S^H  ^ 
Ausmal)!  ber  tDol)n{tatte  l)aben  toir  |d}on  befprod^en  unb  fanben  es 
rid}tig,  bas  Red}t  bentjenigen  3u  geben,  ber  bie  primäre  Unter^tts* 
pfli(^t  trägt  unb  besl)alb  bie  Koften  ber  gemeinfamen  IDo^nung 
3u  be{d}affen  l)at.  Alfo  in  erfter  £inie  bem  manne,  aber  eben  nxd^i, 
mk  §  1354  es  tut,  als  ein  ,,f)errenre(^t",  fonbem  aus  fac^Ii^en  ZrotA* 
mäfeigfeeitsgrünben ,  U)eil  er  eoentuell  ben  3um  5<^^Ui^nunter^aIt  et» 
forberlidjen  (Erwerb  nur  an  einem  beftimmten  (Drt  finben  feann,  unb 
bal)er,  tx)ie  voix  {d}on  betonten,  aud)  nur  forneit  biefe  (Brünbe  im  (Ein» 
Selfall  objelitio  befte^en. 

Aus  ber  primären  Unterljaltspflidjt  bes  lllannes  könnte  ferner 
-  ebenfalls  unter  ber  Bebingung  i^rcr  fafttifdjen  (Erfüllung  -  bcs 
Hed|t  für  i^n  abgeleitet  werben,  bas  ITIafe  feiner  jä^rlic^en  Auf« 
loenbungen  für  btn  gemeinfamen  fjaus^alt  3u  beftimmen.  Dies  na« 
türlid)  nur  innerhalb  bes  ja  aud)  je^t  fd|on  oom  6efe^  oorge3ei^neten, 
Rahmens  ber  „ftanbesgemäfeen"  £ebensfü^rung  ber  Samilie  unb  mit  ber 
bei  ber  Analt)fe  bes  6üterred)ts  3u  erörternben  pekuniären  Derfelb» 
ftänbigung  öer  S^^öu.  Die  niöglid)lieit  bas  6erid|t  an3urufen  befteljt 
^ier  ja  im  Prin3ip  bei  Derle^ung  jener  Rorm  f^on  l^ute.  (Es  ift 
ni(^t  ein3ufe^en,  roarum  nid|t  bas  Prin3ip  ber  (Einmütigkeit  ber  6atten 
für  alle  „gemeinfamen  Hngelegenljeiten"  feftgelegt,  unb  für  ben 
Sali  ba^f  nad)  (Ermeffen  bes  6erid|ts,  eine  (Entf^eibung  fo  ober  fo 
erfolgen  mu^,  fie  bem  Dormunbfd)aftsri(^ter  auf  Anrufen  eines  leils 
überlaffen  bleiben  follte.  Auf  bas  rcgulierenbe  Prin3ip  bei  unlöstid^en 
nieinungsDerfdjiebenl}eiten  in  ber  (Er3ie^ung  ber  Kinber  kommen  mir 
im  folgenben  Abfd)nitt. 

Können  fid)  loirklid)  öie  6atten,   öie  fid)  eben   bo^  als  Käme« 


I).  Die  Derteilung  öer  elterlichen  (btwalt  443 

raben  unb  S^^unbe  betrachten  foOen,  in  ben  toufenöerlei  (Einselfrogen 
5es  gemeinfanten  Alltagslebens  roeber  bur(^  gemeinfame  Beratung 
no^  bur(^  3ntereffenbompromiffe  einigen,  fo  ift  il^r  Derl^ältnis  ber* 
magen  oerfal^ren  unb  ungliicblic^,  bag  in  ber  (Eat  gan3  unb  gar  nichts 
mel)r  an  IDerten  riskiert  mtrb,  menn  bie  formale  ^(Einf^eit  bes 
IDiOens",  auf  bie  ber  (Befe^geber  |o  großes  (BetDi^t  legt,  bur(^  bie 
richterliche  (Entf(^eibung  f^ergefteOt  roirb.  (Es  ift,  auf  bie  groge  lieber* 
3a^I  ber  Dur(^{(^nittsei)en  in  ben  mit  ber  not  bes  Mtags  kämpfen* 
ben  niaffen  ^ingefef^en,  einfach  Iä(^erli(^,  3U  glauben,  bag  bei  il^nen 
ein  eoentueUes  (Eingreifen  bes  Richters  bie  (Ef^e  nunmel^r  erft  red)t 
jerrütte.  (Es  märe  in  oielen  S^D^n  ^ine  loaifre  IDol^Itat,  unb  unter 
allen  Umftänben  i^at  ber  (befe^geber  grabe  für  {oI(^e  serrüttete  (Ef^en 
ben  S(^u6  ber  S^^uen  bur^  ein  {oI(^es  Dentil  ins  Auge  3U  faffen, 
ba  fie  im  Dur(^f(^nitt  bie  S(^u^bebflrf tigeren,  »eil  im  Sntereffe 
bes  ntannes  unb  ber  Kinber  an  bas  f}aus  (befeffelten  finb. 

IDir  Derf(^teben  im  übrigen  bie  (Erörterung  ber  allgemeinen  etl)i* 
fc^en  unb  p{i}(^oIogt{(^en  XDirkungen  bes  patriar^alen  Prin3ips  für 
btn  Siflui  biefes  Kapitels,  um  3unä(^ft  feine  meiteren  rechtlichen 
Konfequen3en  in  einigen  befonbers  roic^tigen  Punkten  3U   betrad)ten. 

B. 

Das  (befe^  loeift  ber  5t<iu  neben  ber  £eitung  bes  Qausioefens 
no(^  bie  Pflege  unb  (Er3iel)ung  ber  Kinber  3U  (§  1654).  Qausfrau  unb 
ntutter  fein,  gilt  in  Deut{d}Ianb  no^  immer  als  ureigenfter  «Beruf 
ber  5t<iu  unb  mhrb  au(^  in  btn  „ntotioen"  als  {oI(^er  be3ei(^net. 
(Ero^bem  gilt  fie  aber  aud)  in  biefem  il)rem  Spe3ialfa(^,  auf  bas  man 
fie  jai^rtaufenbelang  ängftli(^  3U  befd^ränken  fu(^te,  offenbar  nod) 
immer  ni^t  in  bemfelben  IHage  für  fa^Dcr{tanbtg  mie  ber  mann. 
Der  moberne  beutfd^e  (befe^geber  i^at  ftd)  {ebenfalls  nodf  ntd}t,  n)te 
3.  B.  ber  ruffi{(^e,  3U  einer  au(^  nur  prinsipiellen  <bIeid}'tDertung  unb 
<blei(^ftellung  ber  ntutter  mit  bem  Dater  bur ^gerungen.  (Er  kon« 
ftituiert  aOerbings  -  in  Anlel)nung  an  ben  Cotir  civil  unb  an  einige 
beutfd)'partikularre^tli(^e  Dormunbi(^aftsorbnungen  aus  ben  fteb3tger 
3a^ren  -  als  tDid}tig{te  lleuerung  unb,  loie  bie  Hlotioe  ausfüljren,  als 
befonberes  Setzen  bes  größeren  «Dertrauens",  tneld^es  bie  (begenmart, 
im  (begenfa^  3U  früljeren  3a^rf)unberten,  in  bie  5äl)igkeiten  ber  $rau 
3ur  oollen  (Erfüllung  tl)res  elterlid^en  Berufs  fe^e,  ftatt  einer  oöter* 
li^en  eine  elterli^e  (btmali. 


444       Das  (E^eted}t  öes  öeutfd^en  Bütgetltd}en  (Befe^bu(^es. 

Die  niotioc  ^)  rcdjtfcrttgcn  ötcfc  neuerung,  —  inbem  fic  suglct^ 
öen  aUeröings  gönsltc^  ungeted}ten  Derbad}t  3urü(&n)ei|en,  bonttt  »bie 
jogcnanntc  (Emansipation  bcr  Stauen"  untcrftü^cn  3U  moOen,  -  mit 
einem  faft  pat^eti{d)en  f)intx)eis  auf  bie  nottDenbigbeit,  bie  Stau  ixm 
btn  Sdjranlien  3U  befreien,  bie  fle  bist|er  in  ber  (Erfüllung  i^ 
eigenften  Berufs   beengt  ^aben:  ,,(Es  l^anbelt  ftd)   l)ier  nic^t  um  ein 

öffentlid|es  Amt ,  f onbern  roefentlic^  bo(^  nur  ...  um  eine  ooHere 

(5e{taltung  i^res  ^ausfraulid^en  unb  mütterlid^en  Berufs". 

Hber  unfere  Befriebigung  über  biefe  Auffajfung  unb  (Einfielt  fmkt, 
roenn  roir  fe^en,  bag  generell  nur  bie  XDihDe,  unb  bie  gef^iebene  S^^ 
falls  ber  Dater  burd)  {d}tx)ere  Derbrec^en  bie  elterliche  (Bemalt  Der* 
roirfet  ^at,  (§  1684)  oon  jenen  S(^ranfeen  befreit  merben  foll.  Unter 
normalen  Dert|ältnijfen  -  auf  bie  Ausnahmen  get|en  mir  fpäter  ein  - 
gel)t  alfo  bie  oolle  elterUd^e  6en)a(t  nur  nad)  bem  (lobe  bes  Daters 
auf  bie  ITIutter  über,  benn:  „bei  befteljenber  (Ei)e  ift  bas  Ueberg^ 
midii  bes  Daters  in  ber  Ilatur  ber  Dinge  begrünbet".  -  Derroefent« 
lidje  Sort|d|ritt  gegen  früljer  bejte^t  alfo  barin,  bafe  bie  IDitüoe  bei 
ber  Kinberer3iet|ung  oon  frember,  männlidjer  Autorität,  nomlid^  ber 
bes  Dormunbs,  ber  früher  nad)  ben  meiften  (Befe^gebungen  ni^t  nur 
bie  Dermögensoertx)aItung  unb  gefe^(i(^e  Dertretung  bes  Kinbes,  fonbem 
aud)  bie  tx)id)tigften  (Er5ie^ungsred)te  ausübte,  normalermeife  befreit 
ijt.  Bis  ba^in  lionnte  \k  jene  Redete  befeanntli(^  nur  bann  ertoerben, 
iDcnn  fie  im  (Ein3clfall  jclbjt  mit  ber  Dormunbf^aft  betraut  rourbe. 
Um  iljrc  niuttcrred|te  3U  erhalten,  mufete  alfo  i^r  „natürlidjes"  Der» 
^ältnis  3U  öen  Kinöcrn  in  ein  liünftli(^cs  Dertoanbtlt  roerben. 

3cne  Ucuerung  bckunbct  alfo  in  bcr  Zai  ein  „größeres  Dertrauen" 
in  öic  5ö^ig^^itcn  bcr  Itluttcr  als  i^r3.  B.  nod)  bas  preufeijc^e 
H.£.H.  3ugcftanb ').  Unb  ba  fic  bcr  autoritären  Stellung  bes  ITIannes 

»)  S.  736  f. 

-')  Hls  prtn3tpten  be6eut|ames  St)mptom  ber  Umbilbung  überfcommenec 
Hn|d|auungcn  ijt  aud)  bie  3ulaffung  bcr  Srauen  3ur  Dormunbfd^aft  über 
frcmbc  Ktnbcr  3U  begrüßen.  Die  oerfd)tebenen  (EntiDürfe  erklärten  fie 
nod)  in  ©emeinfdjaft  mit  6ejd|äftsunfäl)igen,  (Eljroerlufttgen  unb  Bankrot* 
teuren  für  unfai)ig  5ur  (Erfüllung  biefer  Staatsbürgerpflid)t ,  metl  es  -  |o 
fagten  bie  Hlottüe  —  geboten  jei,  „bie  Srauen  mit  ber  Pfltd)t  3ur  Ueber« 
naljme  öffentlirfjer  Remter  3U  Der|d)onen"  unb  roeil  augerbem  3U  befürd)ten 
fei,  ba^  gegen  bas  3ntere||e  ber  Hlünbel  unb  bes  öffentltd)en  Dienftes  ju 
Diele  Srauen  als  Dormünberinnen  bejtellt  toerben  könnten.  (Es  ift  bcm  wadi* 
fenbcn  (Einfluß  ber  Srauenbetoegung  3U3UJd|retben,  ba^  fidj  in  bem  3aljr3e!jnt 


B.  Die  Derteilung  ber  elterlid^en  (btwalt  445 

ja  fogar  ntd}ts  angaben  bann,  loirö  fie  öenn  aud)  oon  ber  Itlel^rsal)! 
ber  (Buta^ter  6es  (Entiourfs  als  „Kulturfortf^ritt"  begrübt.  Au(^ 
(Bierbe  ringt  fi^  6as  Sugeftönbnis  ab,  bag  bie  gtunbfa^Ii(^e  Aner* 
kennung  ber  mütterlichen  (Bemalt  „eine  in  unfrer  Red)tsgef(^i(^te  an- 
gelegte unb  in   ben  mobernen  KuIturDer^öItniffen   begrflnbete  5or* 

bis  3ur  beftnittoen  Sormulierung  bes  (befe^es  bejaglid)  btefer  Srage  ein 
Anfd)auttngstDanbeI  oolljogen  l)atte :  bie  Heid)stagsfiommiffton  beantragte  bie 
Stretd)ung  bes  bie  Srauen  ausfdiltegenben  Paffus.  Unb  ber  Hntrag  rourbe 
u.  a.  mit  ber  l)umori|tifd)  anmutenben  Begrfinbung  jur  Hnnal)me  empfol)Ien, 
bog  ftd)  baburd)  ber  S^auenberoegung,  bie  leiber  in  mand)en  punkten  auf 
einer  |el)r  ungefunben  Bal)n  |ei,  ein  burd^aus  bered)ttgtes  unb  angemeffenes 
3tel  eröffne,  burd)  bas  man  fte  oielleidit  in  rid)ttgere  Bal)nen  lenke. 

Dad)ten  |id)  bie  (begner  unferer  Bewegung  bie  3ulaffung  jur  Dormunb* 
|d)äft  als  Dentil  für  ben  geföl)rüd)en  (Latenbrang  ber  Srauen,  fo  betrad)ten 
mir  fie  als  bas  er|te  (Lürd)en,  burd)  bas  bie  Srau  if)re  überfd)ü||tge  Kraft 
aus  ber  (Enge  bes  f)au|es  auf  bas  meite  5<ib  ber  öff entlid)en  (Lötigkeit  füijren 
kann,  unb  als  dugang  ju  einem  fojialen  Arbeitsgebiet,  bas  aus  offenkun* 
bigem  lUangel  mönnlid^er  Kräfte  bringenber  als  Dtele  anbre  bts  n>eibUd)en 
IDirkens  bebarf.  Allerbtngs  f)at  bie  Dorftd)t  bts  (befe^gebers  allju  aus* 
giebiger  f)eran3ief)ung  n>etblid)er  Kröfte  3n>ei  Hiegel  Dorgefd)oben :  (Einmal 
bebarf  bie  Srau  nad)  §  1783  jur  Uebernaf)me  jenes  Hmtes  ber  3ufttmmung 
il)res  (batten.  Dann  neben  btefem  prtotleg  bes  (Ef)emanns  nodi  bas  Priotleg 
^ber  S^au :  Sie  barf,  im  (begenfa^  jum  ITlann,  für  ben  ber  Dormunbfdiafts* 
bten|t  {taatsbfirgerlid}e  dn>angspfltd)t  ift,  ob  lebig  ober  oerf)etratet,  of)ne 
irgenb  eine  Begrfinbung  ablef)nen,  einfad)  als  (Eremplar  ber  n>eibKd)en 
(battung. 

Die  Befettigung  btefer  beiben  $d)ranken  liegt  m.  (E.  burd}aus  im  öffent« 
Ud)en  3ntereffe.  Das  BeDormunbungsred}t  bes  (Ef)emanns  ift  ntrgenbs  un* 
angebrad)ter ,  als  roenn  es  fid)  um  bie  (Erfüllung  fojialer  Pflid}ten  Don 
feiten  ber  S^au  f)anbett,  nimmt  bo&i  aud)  er  fid)  bas  Red)t,  feinem  eigenen 
(bemiffen  gemög,  neben  feiner  Berufsarbeit  ber  (l)effentlid)lieit  ju  bienen  - 
meift  ganj  of)ne  Hudtf id}t  barauf,  ob  baburd)  bie  3eit,  bie  er  S^au  unb  Kinbern 
mtbmen  kann,  auf  ein  lUinimum  rebujiert  roirb.  Aud)  ber  S^au  mug  bas 
allern>id)ttgfte  perfönlid}keitsred}t  bes  ern>ad)fenen  mobernen  inentd)en :  fid) 
feine  PfUd)ten  nad)  eignem  (bemiffen  3u  beftimmen,  juerkannt  roerben. 
(Ebenforoenig  ift  es  aber  anbrerfeits  gered)tfertigt ,  bog  bie  Srau  felbft  fid) 
glatt  oi}ne  Angabe  von  (brünben  -  jener  n>td}tigen  ftaatsbürgerlid}en 
Sfirforgetötigkett,  für  bie  bo&i  nun  einmal  Kräfte  gefunben  merben  muffen, 
ent3ief)en  kann.  BekanntUd)  gef)ört  ber  Dormunbfd}aftsbtenft  namentlid)  an 
Kinbern  befi^lofer  Kreife  3u  benjenigen  unbequemen  Aufgaben,  bie  ein  großes 
ntag  felbftlofer  niül)en>altung  unb  <ben>iffent)aftiglieit  erforbem,  ol)ne  je 
äußere  (Elften  einjubringcn.  Desi)alb  fud)t  it)nen  jebermann  nur  alljugern 
3U  entn>ifd)en.  Sür  ben  ermerbstätigen  lUann  unb  Samilienoater,  ber  in 
elfter  £inie  für  bie  Seinen  ben  Unterl)alt  befd)affen  foH  unb  fid)  baneben 


446       Das  <E^ered}t  öes  beut|(^en  Bütgetli(^en  (Befe^buc^es. 

öcrung"^)  |ci.  5^^iK^  crfdjctnt  bei  öicfcr  fleufecrung  mcl)r  [ctnDcr« 
ftanö  als  fein  f)er5  beteiligt,  öenn  im  unmittelbaren  Anfc^Iug  boron 
lionftatiert  er,  öaft  6er  (Entrourf  in  6er  flnerliennung  6er  mütterlich 
6etDaIt  bodi  yx  einem  „überfpannten  (Ergebnis"  gelkommen  fei.  Seine 
patriard}alen  36eale  un6  fein  unerfd}ütterlid}er  (Blaube  an  6ie  mdmi' 
Iid}e  Ueberlegen^eit  aud)  in  6er  Kin6erftube  lafjen  es  i^m  offenbat 
fd}Iieg(id}  6od)  unlei6(i^  erf(^einen,  6ag  6er  Itlutter,  menn  au(^  erfl 
nad)  6em  C[o6e  6es  Daters,  eine  i^m  „gleid^e"  rec^tlic^e  Stellung 
eingeräumt  roeröen  foll.  (Er  roill  yDax  —  im  (fiegenfa^  3um  erften 
(EnttDurf  -  fd)on  iDä^ren6  öer  (E^e  6ie  lllutter  roenigftens  mit  öer 
ftelloertretenöen  elterlidjen  ©eroalt  betraut  roilfen  in  SoD^ti,  ioo  6er 
Dater  an  6er  Ausübung  feiner  Rechte  oer^in6ert  ift,  un6  öer  IDitiDe, 
tx)ie  fd}on  gefagt,  eine  mütterliche  6etDaIt  geben.  Allein  bei  6em  Aus* 
mag  6er  Redete  foll  ein  ge5iemen6er  Abftan6  3tDif(!^en  6en  (Satten  9^ 
iDat^rt  tx)er6en.  (Er  möchte  6en  3n^alt  6er  mütterlid^en  (Bemalt  enger 
befd|ränfeen,  roa^renö  er  für  6en  Dater  ftatt  6er  i^m  6ur^  6en  (Ent* 
iDurf  3uge6ad|ten,  „fd)n)äd)Ii(^en  un6  gebun6enen"  Stellung  eine  ^freie 
un6  ftarfee  fjausgeroalt"  mittelalterlidjen  Stils  for6ert. 

Das  neue  6efe^  ^at  nun  freili^  au^  ni(^t  gemagt,  6ie  t>er* 
roittDcte  ITIutter  gan3  auf  p^  f^l^ft  3u  ftellen  un6  6es^alb  3U  i^ret 
Untcrftü^ung,  bc3iD.  Ucbertoadiung  öas 3nftitut 6er  faliultatioen  Bei« 
f t  a  n  6  f  d|  a  f  t  gcfd|affcn  ^).  3unäd)ft  6arf  6er  Dater  6urd)  le^troillige 
Derfügung  6ie  Bcftcllung  eines  Bciftan6s  anorönen.  S^^^r  hann  öas 
Dormun6fd)aftsgcri(^t  „aus  bcfonöcrcn  (Brünöen,,  6.  ^.  roenn  enttoeöer 
6ic  DcrmögcnsDcrtDaltung  3U  umfönglid)  unö  f(^u)ierig  für  öie  S^^u 
ift  oöcr  i^rc  cr3ic^crif(^cn  (Qualitäten  un3ulängli^  erfdjeinen,  öie  Be» 


normalertDcijc  nod)  mit  öffentHd|en  3ntere||en  befafet,  ijt  aber  öas  (Dpfcr  in 
öer  Regel  nodj  größer  als  l)eute  jelbjt  für  eine  oielbe|d)äftigtc  f^aus^Hlutter. 
(Es  ift  öesl)alb  öurd^aus  unbegrünöet,  öer  natürlid)en  menfd)ltd)en  Bequem* 
lid)heit  unö  öem  ITIangel  an  I}ilfsbereitjd)aft  geraöe  beim  iDetbltd}eu  (bt* 
]d\Ud\t  nod)  be|onöers  Dorfd)ub  3U  lei|ten.  An  eine  {d)ablonenI)afte  (bleid}< 
{tellung  braud)t  man  ja  aud)  nad\  öer  Befeitigung  jenes  roeiblid^e  6e{d)led}ts* 
priüilcgs  n\d\t  3U  öenken.  Die  bejonöere  pl)i)|ijd)e  6ebunöenl)eit  öer  Srau  als 
ITIutter  kleiner  Kinöer  könnte  öie  erforöerlid)e  Berücft|id|tigung  finöen,  in. 
öem  il)r  nod)  bejonöere,  über  öie  öes  ITtannes  l)inausgel)enöe,  Ableijnungs« 
grünöe,  3.  B.  SdjrDangerjd^aft  unö  Pflege  eigener  Kinöer  unter  einer  ge» 
rDijjen  flltersgren3e,  3ugebiIIigt  roüröen. 

')  S.  470,  471  a.  a.  (D. 

')  §  1687-1695. 


B.  Die  Derteilung  5er  eIterUd)en  (btwalt  447 

ftellung,  oeranlaffen  unb  fd^Iieglid)  kann  auif  6te  IHutter  felbft  barum 
bitten.  Der  Betftanb  nimmt  i^r  gegenüber,  falls  er  nlift  aus6rüdtli(^ 
nur  für  geooiffe  Angelegenheiten  beftellt  ift,  eine  a^nli(^e  Stellung  loie 
ber  (begenoormunb  gegenüber  öem  Dormunb  ein,  b.  I).  er  berät,  unter* 
ftfi^t  unb  kontrolliert  fie  in  allen  Angelegenheiten,  audf  bebarf  fie  bei 
Derf(^iebenen  Rec^tsgef^öften  für  bie  Kinber  feiner  (Genehmigung  unb 
kann  il)m  fogar  bie  DermögensDermaltung  gans  übertragen  laffen. 
3ebod}  ift  immerl)in  nidfi  er,  fonbern  fie  gefe^Ii^er  Dertreter,  anäj 
ftei)t  i^r  allein  bie  Sorge  für  bie  Perfon  ber  Kinber  3U,  unb  bei 
nieinungsDerfd}iebeni)eiten  gibt  fie  b^n  Ausf^Iag. 

Die  (Einri^tung  ber  Beiftanbfd^aft  in  ß^^^^*  ^0  ^<^^  (Berid)t  fie 
für  angeseigt  I)ölt,  ift  im  3ntereffe  ber  t)aIbo)aifen  burd^aus  3U  bil« 
ligen.  Aber  gans  biefelben  (Brünbe,  bie  unter  Umftönben  für  bie  Unter« 
ftü^ung  unb  Beratung  öer  Hlutter  bur(^  eine  ba3u  befugte  mann« 
Ixift  Perfönli(^keit  fpred^en,  können  es  ebenfo  vünfd^ensvert  machen, 
bag  aud)  bem  oertDitiDeten  Dater  ein  Berater,  beya).  eine  Beraterin 
jur  Seite  geftellt  loirb.  nur  XDeltunkenntnis  unb  oor  allem :  tra* 
bitioneUe  mönnlid^e  (bef(^le(^tseitelkeit  können  berartige  Hlöglid^keiten 
beftreiten.  Unb  Derbient,  tnenn  bies  bem  Dater  sugebiOigt  ooirb. 
nid)t  au(^  bie  fterbenbe  Hlutter  bas  Re(^t,  ben  Kinbern,  bie  \xt  3U« 
rüdtlägt,  nod)  bie  Surforge  einer  Dertrauensperfönli(^keit  3U  fidlem? 
3i)r  märe  etma  bas  Red)t  3U  oerleiljen,  ben  Dater  in  ber  Sorge  für 
bie  Perfon  ber  Kinber  3U  unterftügen,  gegen  ITIiggriffe  bie  (Ent* 
{(Reibung  bes  (Keri^ts  an3urufen,  eDentuell  au(^  feine  Dermögensoer' 
toaltung  3U  kontrollieren.  IDir  fallen,  ba^  3.  B.  bas  mobeme  englifd^e 
Red)t  I)ier  veit  fad)Iid)er  3U  IDerke  gel)t.  Selbft  ber  (  (nie  ( ivil  l^at 
in  biefem  Punkt  bas  3ntereffe  ber  Kinber  ber  3bee  ber  oöterltd^en 
Suprematie  Dorangeftellt:  (Er  Dervanbelt  bie  elterliche  (Geioalt  nad) 
bem  (Eobe  jebes  ber  (Eltern  in  eine  Art  gefe^Iid^er  Dormunbfd^aft,  fo« 
bag  ber  oermitmete  Dater  genau  o)ie  bie  Hlutter  ber  Kontrolle  eines 
(Begenoormunbs,  bes  5^^<li^n^<>ts  unb  bes  Dormunbf^aftsgerid)ts 
untermorfen  ift.  ~  Bei  uns  aber  tnaren  bte  konleroatioen  (f)utad}ter 
bes  (Entwurfs  nur  barauf  bebad}t,  bie  Kinber  cor  ber  Un3ulängltd}* 
keit  ii)rer  Hlutter  3U  f^üt^en.  Hlei^rere  baoon  I)ielten  be^t^alb  aud) 
bie  (Erri(!^tung  ber  Betftanöfd^aft  für  ein  «gemagtes  (Erpertmenf 
unb  motten  fie  lieber  in  eine  fakultatioe  Dormunb)d)aft  umooanbeln, 
beren  „fegensreidjen  (Einfluffes"  ber  eine  fpe3icU  für  Kinber  befi^en- 
ber  Klaffen,  ber  anbre  umgekeljrt  grabe  für  bie  ber  bert^lofen,  nid)t 


448       Das  (E^ere^t  bes  beut{d}en  Bürgerlichen  (Befe^buc^s. 

entraten  3U  Itönnen  glaubt.  3n  Besug  barauf  äugert  3.  B.  (Bterke: 
ttVXxt  biefer  <Einrtd}tung  als  allein  sulöffiger  (Ergönsung  ber  mätie^ 
(t(^en  (BetDalt  iDtrb  benn  bo^  bie  ge{(^äftli(^e  5äl)ig]^eit  unb  neigimg 
ber  beutf^en  S^ctu  meit  überfd^ö^t !"  -  XDer  fi^  überhaupt  über  bie 
S^ö^ung  ber  fo  ^0^  gepriefenen  beutf(^en  5^<^u  unb  IHutter  Don 
fetten  unferer  bonferoatioen  3uri{ten  ein  Bilb  machen  iDill,  Ie{e  bie 
gutad}tlid}en  Aeugerungen.  D  i  e  { e  r  IDiber|(^ein  il^rer  XDertung  im 
Alltagsleben  oerfc^eu^t  alle  romanti|d}en  3IIuftonen.  (Erft  im  Der* 
glei^  mit  biefen  An{(^auungen  erbennt  man  bie  relatioe  Ciberolitöt 
ber  Derfaffer  bes  (Entrourfs  unb  bes  (Befe^gebers. 

Aber  mie  ftarft  au^  fie  no^  im  Banne  überlieferter  ,,f}erTen> 
moral"  ftanben,  get}t  baraus  ^eroor,  ba^  fie  es  für  erforberlid^  ge* 
galten  ^aben,  bie  5ur  streiten  (EI)e  f^reitenbe  Itlutter  anbers  als  ben 
fi^  tx)ieberoer^eiratenben  Dater  5U  {teilen.  (Er  bel^ält  bie  elterlich 
6etDaIt  famt  ber  nu^niegung  bes  Kinberoermögens  in  oollem  Umfang, 
{ie  oerliert  beibes  (§  1697)  unb  tx)irb  ber  KontroDe  bts  Dormunbs 
unterfteUt.  3^r  bleibt  nur  bie  Sorge  für  bie  perfon  ber  Kinber,  unb 
babei  bet)ölt  fie  i^m  gegenüber  bie  ent{^eibenbe  Stimme.  (Eoentuell 
kann  fie  i^re  oollen  Itlutterre^te  babur^  surücbermerben,  bag  fie 
felbft  3ur  Dormünberin  i^rer  Kinber  ernannt  U)irb,  -  ober  nur  mit 
(Erlaubnis  i^rcs  3U)citen  6atten,  aud)  roerben  bie  ©rofeoäter  für  jenes 
Amt  in  erftcr  £inie  bcrüdifi(^tigt.  Da  bie  3um  3U)eiten  Illal  Derlei« 
ratete  5rau  bie  Itluttcrret^tc  über  Kinber  erfter  (E^e  naän  Auflöjung 
ber  3iDeitcn  (E^e  nidjt  3urüdigciDinnt,  kann  bie  merkroürbige  Situation 
eintreten,  bafe  nad)  bem  (Tobe  bes  3H)citen  6attcn  3iDar  bie  Kinber  aus 
3iDeiter,  nxd^t  aber  bie  aus  er jter  (Elje  unter  i^rer  elterli(^en  (bemalt  jte^en. 

Als  (Brunb  bicjcr  ungleidjcn  Be^anblung  3um  3U)eiten  ITIale  oer« 
^eirateter  (Eltern  fül)ren  bie  TUotioe^)  an,  baft  „bie  (Einroirkungen, 
iDeId)e  bie  S^Iic^ung  einer  neuen  (E^e  mit  fi(^  bringen",  fi^  „bei  ber 
niutter  naturgemäß  in  Ijö^crem  (Brabe  füljlbar"  ma^en  als  beim 
Datcr,  unb  fie  besljalb  im  3ntercffe  ber  Kinber  erfter  (El)e  einer 
jtärkeren  Kontrolle  unb  (Einf(^ränkung  bcbürfe  als  jener,  mit  anbren 
IDortcn:  ber  (Einfluß  eines  Stiefoaters  gilt  —  eben  roeil  er  oom 
Itlann  ausgeixt  unb  besljalb  als  „naturgemäß"  bominierenb  gebadet  ijt  - 
im  (Buten  unb  Höfen  als  maßgcbenber  für  bas  S^i&fal  ber  Stiefkinber 
als  ber  (Einfluß  ber  Stiefmutter.    Deshalb  muß  jener  bur^  ben 


a.  a.  (D.    S.  833. 


H.  Die  Derteilung  öer  eIteTltd}en  (fieioalt.  449 

einer  anören  männlichen  Autorität  parali)fiert  meröen,  öiefer  aber 
kann  {id}  ungeljinöert  austx)irfien.  Die  uns  in  morgen  un6  <I>ef^i(^ten 
entgegentretenöe  Dolksmeinung  oon  öer  „bö|en  Stiefmutter"  |d)eint 
öenn  öod)  6en  (Einflufe  öer  S^ow  auf  iljren  3n)eiten  ITIann  unö  auf 
öas  Sd}i&fal  feiner  Kinöer  I)öl}er  5U  Deranf(^Iagen.  3eöenfaUs  könnte 
man  mit  genau  fo  gutem  Red}t  öas  Umgekehrte  tnie  öie  Hlotioe  geltenö 
mad}en:  öag  ,,naturgemag"  öas  Der^öltnis  eines  ITIannes  5U  {einen 
Kinöern  erfter  (E^e  ftärker  öur^  öen  (Einfluß  {einer  3iDeiten  (fiattin 
beftimmt  iDirö,  als  öie  6e3ie^ungen  einer  IHutter  5U  i^ren  Kinöern 
bxixi^  öeren  Stiefoater,  öa  einerseits  öas  ^natürlid^e"  Blutsbanö  3tDi« 
l^en  niutter  unö  Kino  {törker  ift,  als  öas  3tDif^en  Kino  unö  Dater 
unö  anörerfeits  öie  S^^uen  in  allen  5^^^^  niet}r  mit  öen  Kinöern 
leben,  aI{o  maggebenöer  unö  intereffierter  an  il)rem  (Reöeif^en  finö. 
IDill  man  aI{o  öas  3ntereffe  öer  Kinöer  erfter  (Ef^e  in  einer  3tDeiten 
mirklid)  umfaffenö  {d)ü^en,  {0  unterfteüe  man  nid}t  nur  öie  Hlutter 
lonöern  -  wie  in  5^^"^^^»^  -  ö"^  '^^«^  Dater  einer  oberoor« 
munö{d}aftlid)en  Auffielt. 

Unter  öem  6eft(^tspunkt  öer  Kinöerfürjorge  ift  es  aber  ooUenös 
ungere^tfertigt,  öag  öie  Uu^niegung  öes  Kinöerguts  bei  3tDeiter  <EI)e, 
-  mit  öer  Begrünöung,  öag  öaöurd)  öie  (Einkünfte  eines  aus  früi^erer 
(E!)e  ftammenöen  Kinöeroermögens  in  eine  fremöe  5amilie  übergei^en,  - 
nur  öer  Hlutter  ent3ogen,  öem  Dater  öagegen  gelaffen  iDirö!  (Eritt 
jene  oon  öen  niotioen  ange3ogene  (Eatfa^e  etn>a  ni^t  ein,  m^nn  öer 
mann  eine  neue  S^milie  grünöet  ?  3m  Hei^stag  iDiefen  0.  Stumm* 
f}alberg  unö  Pauli  auf  öie  Ungered)tigkeit  öer  perf^ieöenen  Bef^anö* 
lung  Don  ITIann  unö  Stau  in  öiefem  Punkt  ^in  unö  plööierten  öafür, 
im  3ntereffe  öer  Kinöer  au^  öem  Datcr  in  3n)eiter  (Etje  öie  Ru^- 
nieftung  3U  ent3ie!)en,  -  oöer  aber  fie  au^  öer  Hlutter  3U  la|jen. 

3n  iljrer  re(^tlid|en  Struktur  ift  öie  elterlid|e  (BetDalt,  in  Ueber- 
einftimmung  mit  öer  in  geiDiffem  Umfang  \d^on  von  öer  Kirche,  öann 
enögültig  Don  öen  naturrec^tsletjrern  öer  Aufklärungs3eit  3um  Pnn3ip 
eri)obenen  Auffaffung,  als  eine  Art  freier  geftaltete  Dormunöjcbaft  be* 
f)anöelt,  ö.  f).  als  ein  öem  natürlidjen  Sd)ugbeöürfnis  unö  öer  Sür* 
forge  öer  Kinöer  öienenöes,  öie  Ausübung  einer  tiebespflidjt  ermög« 
li^enöes  Redjt,  nid^i  als  ein  t)errfdjaftsred|t  3U  6unften  öer  (Eltern. 
Desf^alb  übt  öer  Staat  öurd)  öas  Dormunöfc^aftsgericbt  eine  gea>tf{e 
(Dberaufftdjt  aus:  (Er  binöct  fie  für  geroiffe  Recbtsgejchäftc  an  öefjen 
„Suftimmung",  er  ent3iet}t  i^nen  öie  elterlidje  (htmalt,  wenn  fie  öas 

ITfbrr,  <2bf^ran  un^  mmtrr.  29 


450       Das  (E^ere^t  öes  beutf^en  Bürgerlichen  (Befe^bud^es. 

leibliche  ober  geiftige  tDot)I  i^rer  Kinber  gefö^rben,  er  ^at  bnxdf  bas 
5ürforgcer3ie^ungsge|c^  bte  ITIögli^bctt  gefdjaffen,  |te  i^nen  in  ge« 
n)tf[cn  SöH^n  gan3  3U  nehmen.  Aus  jenem  Prinsip  folgt  oor  allem 
aud),  bag  bie  Kinber  je^t  nur,  |o  lange  fie  minber]ä^rtg  finb,  unter 
elterlicher  6etx)alt  fte^en,  mö^renb  nadf  ben  meiften  alteren  beutf(!^en 
(5efe^en,  oor  altem  aud)  nad)  bem  preugifd^en  Canbred^t,  ber  doO' 
iöl}rige  So^n  erft  bur^  feine  öfionomifc^e  (Emansipation  Dom  elter» 
lid}en  f)ans^alt,  bie  (Eod^ter  gar  nur  bmdf  i^re  Qeirat  -  eoentuefl 
alfo  überhaupt  nidjt  bei  £eb3eiten  ber  (Eltern  -  gemaltfrei  iDurben. 

tlirgenbs  fpiegelt  fid)  ber  (Einflug  ber  inbioibualiftifd^en  unb  na* 
turre(^tli(^cn  3beale  auf  bie  fluffa||ung  ber  Scniilie  beutlic^r  als  in 
biefer,  nad)  bem  Beifpiel  anbrer  6e{e^e,  nun  aud)  bei  uns  Don3ogenen 
ITeuerung.  Der  (Einselne  {oll  als  felbftönbige  unb  felbftDerantrDortlic^e 
Perfönli(^lteit  aud)  gegenüber  feinen  nad}ften  Angel)örigen  gelten,  fo« 
balb  er  bie  Kinberfd)ul)e  abgelegt  l^at  IDeber  bie  größere  3al)l  ber 
3al)re,  no^  bie  größere  (Erfahrung,  no^  ber  größere  (Belbbeutel,  no<^ 
bie  ®pfer  fürforgenbcr  £iebe  beredjtigen  3U  einer  fjerrfdjaft  bes 
ITIcnjdien  über  ben  Illenjd|en,  fobalb  er  im  ftanbe  ift,  fidj  felbft  3U 
be^crrjdjcn.  -  Hur  in  Be3ug  auf  bas  Kinbesoermögen  ift  öer  oor- 
munb{^aftlid}e  (E^araltter  ber  elterli^en  (Ben^alt  ni(^t  gan3  feftge« 
Ijaltcn:  3^t  „3n^aber"  geioinnt  nid|t  nur  bas  Re^t  ber  Dertoaltung, 
jonbcrn  audi  bie  H  u  ^  n  i  e  fe  u  n  g  an  einem,  bem  Kinbe  burd)  (Erb« 
fd)aft  ober  Sdjcnhung  3ufallenbcn  Dermögen ,  falls  ber  (Beber  ober 
(Erblajjcr  nid|t  ausbrüdili(^  anbcrs  bcftimmt  ^at.  ITur  bie  pcr|önli(^en 
(Bcbraud|sgcgen}tänbc  bes  Kinbcs,  ferner  bas  i^m  oon  ([obesn)egen 
ober  unter  Ccbcnben  mit  einer  ausbrüdilid|en  Beftimmung  bts  6ebers 
3ufallenbe  unb,  —  ber  jo3ial  roeitaus  n}i(^tig|te  SöU ;  -  bas  oom  Kinbe 
aufeer  bem  t)auje  felbjtänbig  oerbiente  (Selb  ift  ber  elterlidjen  Ilu^« 
niefeung  -  n  i  d|  t  jcbodi  ber  eltcrlid|cn   „Derroaltung"   -  ent3ogcn. 

Uadi  ben  gutadjtlid)en  Heu^erungcn  loar  bie  ITlel)r3a^I  ber 
iuriftijd)cn  5ö^9^l^^i^ten  mit  ber  Umgeftaltung  ber  clterli^en  (Bemalt 
3ur  Sd)u^gcmalt  cinoerftanben.  Hur  bem  bei  (Bicrlie  in  „ibealtT}pifdjer'' 
Rcinljeit  cr!)altcncn  patriardjalismus  crfd|cint  jene  Huffaffung  oöDig 
Derfef}lt.  3l)m  gilt  „eine  ftarhe  oäterlidje  Autorität  über  bas  I)aus« 
kxnb"  naii  Axt  bes  bcutfd)re(^tlidjen  ITIunbiums  als  „fittIi(^e5orberung". 
Unb  3CDar  foU  fie  fidj  nidjt  nur  über  bie  5ürforge-  unb  (Er3iel)ungs' 
bebürftigen,  fonbern  aud)  über  bie  (Ermadjfcnen  erftredien,  fo  lange 
fie  mirtfdjaftlid)  nid|t  in  ber  £age  finb,  einen  abgefonberten  fjaus^alt 


n.  Die  Oetteilung  ber  elterlichen  (BeiDalt.  451 

3U  grünben.  Dagegen  foK  bie  ([o(^ter  5U  gunften  ber  autoritären 
Stellung  bes  (EI)emanns,  beren  Si(!^erung  i^m  no^  tDertDoIIer  fd^eint 
als  bie  bes  Daters,  fogar  fd}on  p  o  r  i^rer  DoIIjöt^rigkeit  burdf  Qeirat 
aus  ber  oöterlid^en  Aeioalt  (in  bie  bes  (Et)emannes)  fallen.  Aber: 
„So  lange  bie  ([ö^ter  unoerljeiratet  im  f)au{e  leben,  barf  bem 
Samiltenl^aupte  bie  in  ber  natur  bes  Derljaltniffes  gegebene  Stellung 
aud)  red)tli^  nidfi  perfi£immert  ooerben.  ITi^t  anbers  oer^ält  es  [idf 
mit  bem  unoerI)etrateten  So^ne,  ber  nai^  DoIIenbung  bes  einunb« 
3man5ig{ten  lebensja^res  no(^  in  ber  Dorbereitung  3U  einem  felbft* 
ftönbigen  £ebensberufe  ftedtt  unb  bes^alb  als  f)auskinb  lebt"*).  Da- 
nad)  foll  alfo,  bem  (Ergebnis  nad),  ber  (ßelbbeutel  bes  Daters  bie 
Bafis  {einer  Autorität  bilben,  -  eine  Auffaffung,  bie  in  ber  (Eat  au(^ 
freute  nod)  in  oielen  beutfdjen  5^Tnilien  bas  Derl^ötnts  ber  alteren 
3ur  jüngeren  (Bencration  beftimmt,  unb,  roie  jeber  roeife,  ber  einen 
(EinbliA  in  bie  Pfi)d}oIogie  bes  mobernen  nien{(!^en  geroonnen  ^at, 
f^öufig  3U  btn  allerfd}mer3lid){ten  Konfliliten,  3U  Bitterkeit  unb  bauern* 
ber  jeelijdjer  (Entfrembung  3iDif^en  (Eltern  unb  Kinbem  füljrt.  -  (Es 
ift  bem  6e{e^geber  3U  banken,  bag  er  berartigen,  bem  tatföcl^Ii^en 
(Erfolge  na^,  oft  gerabe3u  familien3er{törenben  ([enben3en  lieinen 
Dor{(^ub  leiftet. 

Die  elterliche  6en)alt  umfaßt  -  um  nunmel^r  3U  bem  Anteil 
ber  beiben  (Eltern  an  i^r  5urüdt3ukel)ren  -  fünf  Red}tsgruppen : 
I)  bie  Sorge  für  bie  perfon  bes  Kinbes,  2)  {eine  Dertretung  in  allen 
gef(^öftli(^en  Angelegenf^eiten  unb  oor  (Beriet,  3)  bie  Denoaltung  bes 
Kinbesoermögens,  4)  beffen  nu^niegung-)  unb  fd^Iieglid)  5)  bas  (Ein* 
milligungsred^t  3ur  (Ef)e|d)Iiegung  bes  unmünbigen  Kinbes ^).  Heben 
bem  Dater  ftetjt  ber  lllutter  nur  bie  Sorge  für  bie  Perjon  bes  Kin- 
bes 3U  (§  1634),  er  ift  grunbfä^Ii^er  Hlleininl^aber  ber  oier  anbren 
Re(^te.  Dielleidjt  „liegt  es  in  ber  Hatur  ber  Sat^e",  in  erfter  £inie 
ben  Dater  mit  ber  Dermögensoertpaltung  ber  Kinber  3U  betrauen, 
|ebo^  ift  es  eine  bur^aus  grunblofe,  lebiglid)  I)iftori)^  bebingte  Un> 
binigkeit,  bog  bie  ITIutter  am  Hu^genug  bes  Ktnbesguts  nid)t  mit- 
beteiligt ift  unb  ni(^t  fo  gut  rote  ber  Dater  Dritten  gegenüber  als 
Dertreterin  funktionieren,  aljo  3.  B.  bas  Kinb  nidjt  redjtsgültig  in  ber 
Sd^ule  anmelben  ober  einen  £et)n>ertrag  ab{d}Iiegen  kann.    (Dber  bog 


»)  S.  476.    a.  a,  (D. 

-)  §§  1627,  1630,  1631,  1632,  1649. 

*)  §  1305. 

29' 


452       Das  (Et}ered}t  bes  öeutfd^en  Bärgerli^en  (Befe^bu^es. 

—  tx)enn  man  Öles  ntd}t  voiU  -  btx  Dater  ni^t  loemgftens  bei  allen 
Red)ts9e|d)aften,  öie  er  für  öas  Kino  ab|(^Iiegt,  an  i^re  Illitoirkung 
gebunben  tft,  unb  oor  allem,  bag  fie  bei  ber  f)eirat  if^rer  unmünbigen 
Kinber  nid}t  gefragt  3U  roerben  braud}t.  Der  Dater  ftann  r  e  d^  1 1  i  d)  an^ 
^eute  nod),  in  biefer  f)infid}t  roie  im  Itlittelalter,  bie  minberjö^rige 
tEodjter  gegen  ben  IDillen  ber  lllutter  fid)  ©erheiraten  laffcn  ober  i^re 
Der^eiratung  gegen  ben  IDillen  ber  niutter  ^inbem.  Unb  —  bas  ift 
gerabesu  {kanbalös  —  er  behalt  biefe  Befugnis  fetbft  bann,  roenn  i^m 
bie  elterliche  6etx)alt  gerid}tlid}  ent3ogen  ober  menn  ii^m,  als  bem 
{d)utbigen  Heil,  nad)  S(^etbung  ber  (Et}e  bas  (Ersie^ungsred^t  abg^ 
fprod^en  ift.  Ulan  möd)te  beinat)e  annehmen,  bog  es  [lif  roenigftens 
im  legten  S^^  nur  um  ein  sufälliges  Derfel^en  im  (Befe^  ^anbelt; 
u)iber[pri(^t  es  bodi  jcber  Dernunft,  bafe  ein  Dater,  ber  burdj  fd^roere 
S(^ulb  bas  Red)t  oerloren  ^at,  mit  [einen  Kinbem  sufammensuleben, 
bei  bem  roidjtigften  Schritt  i^rcs  £ebens  über  ben  Kopf  ber  mutter 
t|inu)eg  entfd|eiben  kann.  — 

Das  ber  lllutter  neben  bem  Dater  sujteljenbe  Red^t  „für  bie 
Perfon  bes  Kinbes  5U  forgen"  ift  nun  allerbings  ber  {ac^lid^  mi^tigfte 
Beftanbteil  ber  elterlichen  6etx)alt.  (Es  umfaßt  bie  Pflege,  (Ersie^ung, 
unb  Beauffi(^tigung  bes  Kinbes,  bie  Beftimmung  feines  Hufent^lts  unb 
bas  Red|t,  [eine  fjerausgabe  oon  Dritten  3U  oerlangen.  ITTan  fiönnte 
al[o  bie  bekannte  Rebetoenbung  oon  ber  „gc[e^lidjcn  Dorentljaltung 
ber  TTIutterred)te"  als  Uebertreibung  [d)elten,  —  roenn  eben  ni(^t  aud) 
auf  bic[em  (Bebiete  bas  generelle  (Ent[djeibungsred|t  bes  ITIannes  ber 
müttcrlidjen  (btmalt  ausbrüdilid)  unb  ausnahmslos  oorangeftcllt  roäre: 
„Bei  einer  ITIeinungsDcr[djiebenl)cit  3iDi[d)cn  btn  (Eltern  geljt  bie  ITIei» 
nung  bes  Daters  Dor"  ^).  Der  IDillen  ber  TUutter  Ijat  al[o  in  allen 
jenen  ix)id)tigen,  für  bie  (Entroidilung  ber  Kinber  mafegebcnben  S^^gen 
o!)ne  weiteres  bem  bes  Daters  3U  roeit^en.  (Er  kann  ((^liefelidj,  loenn  er 
roill,  allein  be[timmen,  in  tDeld|er  Hrt  fie  gepflegt,  getoartet  un5 
crnäl)rt  roerben,  ix)eld)e  Sd]ule  fie  befudjen,  roeldien  Beruf  fie  ergreifen 
feilen,  ja  er  l^ann  fie  fogar  gegen  bem  IDillen  ber  Hlutter  aus  bem 
{)aufe  geben  unb  i!)re  (Er3iel)ung  Dritten  übertragen.  Unb  —  bas  ijt 
angefid)ts  ber  3ntereffen,  um  bie  es  fid)  l)ier  ^anbelt,  grabe3u  unglaub» 
Vxdf,  -  bas  (Befe^  gibt  il)r  für  fold)e  5ölle  n  i  ^  t ,  roie  roir  bies 
in  beftimmten,  fie  felbft  bctreffenben  flngelegenljeiten  fa^en,  bie  ITIög» 

0  §  1634. 


H.  Die  Derteilung  ber  elterlic^n  (Bemalt.  453 

lid^fieit,  5as  Dormunö{^aftsgertd}t  gegen  bie  (Entf^etbung  bes  Hlannes 
an3unifen. 

3a,  „bamit  ber  6ebanf(e  5um  HusbruA  gelangt,  bag  bem  Dater 
ein  übertDiegenber  (Einfluß  gebüf^rt''  ^)  unb  Konfitftte  5tx)i{d)en  einanber 
iDtber{pre(^enben  Hnfid^ten  ber  (Eltern  befeittgt  toerben,  mug  au(^  ber 
(Eote  no^  bie  Ueberlebenbe  binben,  bie  bo^  länger  als  er  für  bie 
Kinber  5U  {orgen  l^at:  Beibe  (Eltern  l^aben  bas  Re^t,  für  b^n  SM 
il^res  beiberfeitigen  (Eobes  {otDol^I  perfonen  3U  Dormünbem 
it)rer  Kinber  3U  beftimmen,  als  aud)  per{onen  oon  ber  Donnunbfd}aft 
aus3u|djlie6en  (§§  1776,  1782).  Aber  bie  flnorbnungen  bes  Daters 
geljen  ben^n  ber  ITIutter  oor.  Dies  ^at  einmal  bie  Solge,  bafe  fie 
felbft  bur^  if^ren  ITIann  oon  ber  Domtunbf^aft  ausgef^Ioffen  roerben 
kann,  faUs  fie  Rdj  3um  3n}eiten  lUale  oertjeiratet,  unb  ba^  femer  fie 
unb  bas  Dormunb{d)aftsgeri^t  au^  an  bie  pofitioe  Beftimmung  bes 
oerftorbenen  ITIannes  gebunben  finb.  Sie  kann  aljo  als  XDittoe  itjrer- 
feits  loeber  {olange  fie  lebt,  nod)  teftamentarifd)  eine  anbre  Perfön* 
Iid}keit  3um  Dormunb  iljrer  Kinber  loätjlen  ober  au^  nur  bem  (Be» 
rid)t  oorjdjiagen,  aud)  toenn  ber  oom  Dater  (Ermäf^Ite  nadj  il)rer 
flnftd^t  nodi  fo  untaugli^  ift.  Solange  ni^t  bie  geje^Ii^en  6rünbe 
einer  birekten  geri(^tlid)en  „ftble^ung"  bes  Dormunbes  oorliegen, 
mirkt  ber  XDiUe  bes  Daters  3um  Ha^teil  oon  ITIutter  unb  Kinb  anäj 
aus  bem  6rabe.  Sobalb  man  einmal  auf  bas  patriard^ale  „Prin3i|)'' 
Der3id}tet,  toürbe  es  fi^  benn  bod)  root)!  als  {elbftoerftanbli^  ergeben, 
ba^  -  u)ie  früljer  in  ber  ^elfildjen  Dormunb|(^aftsorbnung  -  ein- 
fadj  ber  Cefttlebenbe  ber  (Eltern,  ber  ja  am  längften  bie  Deranttoor- 
tung  für  bie  Kinber  trögt,  aud}  biejenige  perfönlid}keit  toät^It,  ber 
er  bie  Sorge  für  bie  Unmünbigen  anoertraut  toiffen  mödjte.  Aus 
allem  (Befagten  gel}t  bagegen  f^eroor,  bog  bie  5rau  bem  6efe^geber 
geroiijermagen  nur  als  toiberrufli^e  ^unktionärin  bes  lUannes  gilt, 
-  unb  bies  in  einer  (Tätigkeit,  meldje  bie  ^IHotioe"  unb  mit  ifjnen 
bie  6egner  ber  „5^flu«"i^^^tlerei"  bei  j  e  b  e  r  Gelegenheit  als  „ur- 
eigenften  Beruf",  |pe3ien  ber  beutjdjen  Srau,  be3eidjnen!  Offenbar 
toertet  eben  ber  männliche  6e|e^geber  bie  Hlutter  aud}  je^t  nod) 
toejentlid)  nur  als  Säuglingspflegerin,  unb  ber  beutfdje  lUann  alten 
S^lages  erinnert  fid)  nur  bann  ber  Bebeutjamkeit  unb  „I)eiligkeit" 
b^s  niutterberufes,  toenn  es  gilt,  bem  Streben  ber  grauen  nadj 
neuen  Betatigungsmöglid)keiten,  nad}  (Eeilnal^me  an  ben  Kulturgütern, 

U  motioe  S.  1069. 


454       Das  (E^ere^t  bes  öeutf^en  Bürgerlt^en  (Befe^bud^es. 

nai^  augetl)dusli^er  Kulturarbeit  unö  nad)  ertDeiterten  öffentl^en 
Rechten  ent9e9en5utreten,  roätirenö  jene  DorfteDungen  fc^neD  per|^iDtm 
btiit  fobalö  es  fi(^  um  öas  AbtDögen  öer  Re^te  unö  Pflid^ten  ber 
(Eltern  innerhalb  ber  Ktnberftube,  in  bie  man  bie  5^<iu  oenoei^ 
l)anbelt. 

Dag  in  ber  (Eat  bie  Autoritätsprioilegien  bes  Rlannes,  bie  Rüi' 
fid}t  auf  bie  Befriebigung  feines  f)err{(^aftsbebürfniffes,  unb  nic^t 
etn)a  bas  |ad}Ii^e  3ntere{je  ber  K  i  n  b  e  r  für  bie  gegentoartige  (^ 
ftaltung  ber  elter(id}en  (Beroalt  maggebenb  maren,  ift  fd^on  borous 
3u  erfel)en,  ba^  bie  Itlutter  sroar  nid}t  neben  bem  Dater,  n)o^ 
aber  als  feine  Stelloertreterin  in  beftimmten  5^^^  f^^  fä^iQ  9^*» 
bie  aus  ber  oollen  elterlid^en  bemalt  enoad^fenben  Pflichten  fa(^9^ 
mag  5u  erfüllen.  Die  ooIIen  (Elternrechte  fallen  il)r  nomlid^  bann  3u^), 
menn  ber  Dater  burd)  längere  Abroefen^eit  ober  Kran6l)eit  tatföd^Iic^ 
an  il)rer  Ausübung  oer^inbert  ift.  (Dber  menn  feine  elterliche  (btwalt 
,,ru^t",  roeil  er  3.  B.  megen  6eift6sfd}n)a^e  in  ber  (Bef^äftsfa^igfteit 
bef^ränbt,  roegen  ([runftfud}t  ober  Derfc^menbung  entmünbigt  ift 
nur,  roo^Igemerftt:  bas  Ru^niegungsred^t  am  Kinbergut  oerbleibt 
au^  in  b  i  e  f  e  n  S^U^n  ^^^  Dater:  alfo  aud)  ber  (Erunftenbolb  unö 
Derfd|n)enbcr  feann  bie  fjerausgabe  ber  Ru^ungen  ©erlangen.  R)aruin? 
bie  Itlotiüe  geben  S.  818  bie  Anttoort:  „Dem  3n^flber  ber  elterlid^ 
©etoalt  in  öen  fraglit^cn  5öllen  roä^renb  bes  Ruhens  ber  eltcriidjcn 
6cix)alt  bie  mit  ber  clterlid)cn  Ru^niegung  oerbunöenen  Dermögens* 
oortcile  3U  cnt3ic^en  ....  toüröe  ....  eine  unbillige  fjärte  .... 
mit  fid)  bringen.  Aud)  in  bem  S^Ue,  in  roel^em  bie  eltcriidje  (6^ 
roalt  infolge  ber  (Entmünbigung  öcs  3n^abers  ber  elterlichen  (btwalt 
iDcgcn  DerfditDcnöung  ru^t,  ift  es  nid|t  gcred|tfcrtigt,  bas  Ruinen  aud| 
auf  bie  eltcrlidic  Ru^niegung  aus3uöe^nen"  (!).  Alfo:  S^onung  bes 
entmünöigtcn  Daters,  toenn  and)  3um  Schaben  ber  Kinber,  ausfdjliefe» 
lic^  unö  allein,  toeil  er  männlid|en  6ef(^lcdjts  ift  unb  eine  anöre 
Regelung  bie  (Befdjled)tseitelheit  ber  männlidjen  (Befeftgeber  Der» 
Ic^en  BDÜröe. 

Da^  öie  elterlid|e  (Beroalt  nid|t  ol)ne  toeiteres  auf  öie  Itlutter 
allein  überge!)t,  toenn  fie  öem  Dater  „ent3ogen"  ift,  oöer  roenn  er  fie 
„oerroirlit"  ^at,  toeil  er  öas  leibliche  oöer  geiftige  H)o^l  öes  Kinöes 
gefä!)röet'^),  lägt  fid)  fadjlidj,  im  3"tercffe  öer  Kinöer,  eljer  begrünöen, 

')  §  1685. 

-)  §  1680.     Hbf.  2. 


H.  Die  Dertetlung  ber  elterli^en  (fietnalt.  455 

öenn  öie  (Befal^r  liegt  in  6er  ([at  auf  ber  f)anb,  bag  bie  5^<iu,  |o 
lange  fie  mit  bem  manne  5u{ammenlebt,  bie  Kinber  {einem  {^Sbi« 
genben  (Einfluß  ni(^t  genügenb  ent3iel)en  fiann.  (Es  i{t  eine  formale 
Unglei^^eit,  pralttifd)  aber  in  ber  ®rbnung,  bag  ^ier  bas  Dormunb« 
[^aftsgeri(^t  erft  ,,auf  Antrag"  ber  ITIutter  fie  itjr  3U  übertragen  ^at. 
Die  gefdjiebene  ITIutter  enblt^  ijt  in  ber  Regelung  bie|er  Saugen 
Dom  objelitiDen  Stanbpunfit  bes  3ntere{fes  aller  Beteiligten  aus  am 
finnIo{eften  bef^anbelt.  Der  ge{d}iebene  Dater  behält  nämlt(^  ftets 
bie  elterliche  (bemalt,  es  fei  benn,  ba^  er  fie  infolge  oon  Derurtei« 
lung  3U  3ud)tl)aus  ober  (beföngnis  oon  über  6  ITIonaten  ..oeriDiritt" 
f^at,  ober  an  ii^rer  Ausübung  für  abfet)bare  Seit  tatfö^Iic!^  ober  xtdft* 
Ixdi  pert)inbert  i{t.  Dagegen  ermirbt  in  normalen  Derl)ältni{{en  au(^ 
bie  {^ulblos  ge{d}iebene  5t<>u,  ber  „bie  Sorge  für  bie  perfon"  ber 
Kinber:  bas  (£r5ie^ungsred}t  unb  bas  Re^t  mit  il^nen  5uiammen3uleben, 
3uerkannt  roorben  ift,  tneber*)  bas  Re(^t  3ur  Dertretung  ber  Kinber, 
no^  bas  Red)t  3ur  Derroaltung  it}res  Dermögens,  nod^  aud)  3ur  IIu^* 
niegung  besjelben.  Dielmet^r  oerbleiben  biefe  Re^te  aud)  bem  als 
f^ulbigen  (Teil  erklärten  Dater.  Die  „Denkf^rift"  erklärt  0  ba3u  la- 
konifd):  ,,AIs  Regel  mug  ber  6runb{a^  gelten,  bog  bie  Ausübung 
ber  elterli^en  (bemalt  ber  ITIutter  nidjt  3ukommt".  Die  flnroenbung 
biefes  f(^on  an  fi^  unbilligen  6runbfa^es  {ef^t  al{o  in  ber  Praxis 
bie  {d)ulbIos  ge{d}iebene  S^<^^  in  bie  untx)ürbige  Situation,  fid)  an 
ben  mann  tnenben  3U  muffen,  tnenn  3.  B.  für  bas  Kinb  ein  Prose^ 
coegen  Derkür3ung  feines  Arbeitslot^ns  ober  unre^tmägiger  Dienft* 
entlaffung  geführt  tnirb:  ber  gef(^iebene  mann  l^at  fogar  bas  Re^t, 
3u  entf^eiben,  ob  ber  Pro3eg  überl^aupt  eingeleitet  roerben  foll  ober 
nid}t.  Bei  bem  f)ineinbenken  in  berartige  ITIögli^keiten  coirkt  bie 
Begrünbung  ber  „motioe",  bafe  „bie  Sdjeibung  bie  red)tlidjen  Be3ie» 
l^ungen  3tDif^en  (Eltern  unb  Kinbern,  fotoie  ber  (Eltern  untereinanber 
in  Anfet)ung  ber  Kinber"  (!) ')  nidjt  berüljrt,  als  ein  faft  friooler  Sor- 
malismus.  Unb  tx)enn  bann  ferner  gefagt  roirb,  bag  ber  Derluft  ber 
elterli^en  6ea)alt  eine  3U  groge  l)ärte  gegen  ben  f  ^  u  I  b  i  g  e  n  (Et^e- 
mann  enthalte*),  fo  barf  man  biefer,  ausfdjlie61idj  bem  manne  3U 
gute  kommenben,  milbe  gegenüber  cool}!  fragen,  ob  nid}t  eigentli(!^ 
ber  6ebanke  nodj  nutzer  läge ,  ber  f  dj  u  l  b  l  0  f  e  n  Jrau  bie  gan3 
ungere(!^tfertigte  f)ärte  unb  peinlid^kett  jener  Situation  3U  erfparen. 

>>  §  1635  flbf.  2.  ■')  S.  234. 

^  S.  622.  *)  S.  623. 


456       Das  (E^ete(^t  öes  beut{(^en  Bürgerlichen  (Be{e^bud)es. 

Denn  ba^  es  „regclmäfetg  6em  3nterejje  6er  Kinöer  am  meiften  ent« 
fpri(^t'\  wenn  i^re  Dertretung  unö  öie  Denoaltung  il^res  Demtögens 
bem  oon  i^nen  getrennt  lebenöen  Dater  Derbleibt,  kann  man  bod^ 
roo^I  im  (Ernft  nid|t  gelten  laffen. 

DoUenös  ge{d)Ied}tsegoijtij(^  geöad}t  ift  es  aber,  öag  aud^  bem 
ber  (Er5iel)ungsred}te  entftleibeten  Dater  bie  nu^niegung  bes 
Kinbesoermögens  verbleibt.  Au^  tx)enn  er  baraus  feinen  Beitrag  3um 
Unterhalt  ber  Kinber  beftreitet,  ftann  er  immert}in  no^  einen  {^r 
bebeutenben  Profit  babei  ma^en,  benn  er  l)at  bas  Rec^t,  ben  an  ben 
(Ersie^ungsfeojten,  beren  ITIafe  er  felbft  beftimmen  kann,  erfporten 
Ueberf  d)ug  für  fi(^  3U  oertDenben,  unb,  mie  bie  Itlotioe  fagen^): 
„Ausgaben  biefer  Art  geftatten  i^rer  ITatur  na^  einen  meiten  Spiel* 
räum".  Den  6ipfe(  ber  Unbilligkeit  unb  lln5iDe(&magig6eit  bilbet 
bann  §  1585,  tDona(^  -  man  iDürbe  es  nidfi  glauben,  menn  esnid^t 
tEatja(^e  roäre  -  bie  lllutter  i^ren  eignen  Beitrag  3U  öen  Unter- 
l)aItsfto{ten  ber  in  i  t)  r  e  r  Pflege  befinbli^en  Kinber,  ben  fie  aus  ben 
(Einkünften  i^res  Dermögens  unb  bem  (Ertrag  iljrer  Arbeit  3U  leiften 
^at,  3  u  n  ö  d)  ft  an  ben  -  roo^Igemerkt :  andf  an  ben  als  f^ulbigen 
(Teil  —  gef(^icbenen  Ulann  ab3ufü^ren  unb  bann  ab3urDarten  fyä, 
ba^  fie  x^n  3ufammen  mit  feiner  Beitragsquote  Don  il^m  3urü(&er^alt! 
HuriDcnn  „erl)cbli(^e"  (Bcfä!)rbung  —  alfo  ni(^t:  eine  6ef öljrbung  über> 
^aupt  —  bcs  Unterhalts  ber  Kinber  3U  beforgen  ift,  kann  fie  i^n 
3urüdibel)alten.  (Es  ift  angcfidjts  einer  fold|en  birclit  entroürbigenben 
Beljanblung  ber  HTuttcr,  Icbiglidj  3U  bem  StoeÄ,  ben  tjerrenW^jel  audj 
bcs  buxd^  feine  Sdjulb  gefd|icbenen  ITlannes  3U  bcfriebigen,  bo^  ©oljl 
kaum  tDunbcrbar,  loenn  fid)  ber  beutfd|en  S^^ouen  3unet|menb  öie 
Ucber3cugung  bcmäd|tigt  ^at,  bafe  für  bie  (Erlangung  einer  au^  nur 
einigermaßen  iDüröigen  Stellung  ber  S^au  im  Prioatredjt  ber  Beft^ 
bes  Stimmredjts  Dorausje^ung  fei. 

Der  fd|on  oerfdjicbentlid)  3ur  Disliuffion  gef teilte  6ebanlie,  bie 
Hollen  3tDifd)en  Dater  unb  ITIutter  3U  tauf(^en  unb  \tait  bes  ITlannes 
bie  S  r  Q  u  5ur  {)auptträgerin  ber  elterlidjen  6en)alt  3U  madjen,  liegt 
na!)e,  ba  ja  bie  Kinberpflege  unb  (Er3iel)ung  als  i^re  gan3e  fpe3ielle 
Pflid)t  betrad)tet  toirb  unb  Ijeute,  roo  bas  außer^äuslidje  Berufsleben 
b^n  ITIann  fo  ftark  abforbiert,  aud)  faktifd)  faft  ausfdiliefelic^  in  iljrer 
?}anb  liegt.  Sür  ben  Sali  ber  beiberfeitigen  Sdjulb  an  einer  Sdjeibung 
läßt  §  1635  ber  Srau  bas  (Er3iel)ungsre(^t  für  Kinber  unter  6  3ö^i^«n 

')  S.  725. 


I).  Die  Derteilung  6eT  elterlid^en  (btwalt  457 

überf^aupt  unb  barüber  f)tnaus  für  (Eöd^ter.  (Es  mug  als  angemeffen 
erfd^etnen,  ba^  aud)  t  n  ber  (£f)e  bte  (Entfd^eibung  ber  IHutter  für 
bte  nod)  nid)t  {ed^sjölfrtgen  Kinber,  eoentuelle  Korrekturen  burd)  bas 
Dormunb{d)aftsgertd)t  Dorbel)aIten,  als  ma^gebenb  bef^anbelt  mirb. 
Denn  il)re  Sad^kunbe  ift  f)ier  im  Durd^fd^nitt  meitaus  größer.  6egen 
eine  barüber  f)inausgef)enbe  generelle  Dermanblung  ber  patriard^alen 
Hutoritöt  in  eine  „m  a  t  r  i  a  r  d)  a  I  e"  fpred^en  bagegen  gan5  bie* 
felben  etl)ifd)en  6rünbe,  bie  toir  oben  bei  ber  (Erörterung  bes  ef)e« 
mönnlid^en  (£nt{d)eibungsred)ts  gegen  bas  Hutoritatsprin5ip  überf^aupt 
geltenb  gemad)t  l)aben.  Hud)  bei  ber  Konftituierung  einer  aOein  aus- 
jdjiaggebenben  ^ITIuttergeujalt'*  würbe,  um  ber  rein  formellen  Der- 
einfad}ung  ber  elterlid^en  Be5iel)ungen  Q)inen,  bas  6emein|d)aftsleben 
Derarmen,  Q)eil  bie  (Eltern  bann  nid^t  mef)r  genötigt  Q)ären,  p^  in 
feinen  allermid^tigften  5^09^fi  eingel)enb  5U  beraten  unb  einanber  bie 
IHotiDe  if)res  IDoIIens  klar  3U  mad^en.  S^^^^^  ^^^^  könnte  baburd) 
nid)t  nur  ber  bcred^tigte  (Einfluß  bes  Daters  auf  bie  (EntQ)idiIung 
feiner  Kinber  oerkümmert,  fonbern  audj  fein  3nteref|e,  feine  ®pfer- 
Willigkeit  unb  fein  DeranttDortungsgefül)l  für  fie  gefd}Q)ad)t  werben. 
3ebe  prin5ipielle  Codierung  bes  Banbes  5a)ifd)en  Dater  unb  Kinbern 
bebeutet  aber  ein  Hüdtfd^ritt  jalfrtaufenbelanger  Kulturentmidilung 
unb  bräd^te  innerf^alb  unfrer  f^eutigen  6efeIlfd}aftsorbnung  IHüttern 
unb  Kinbern  Sd^aben.  -  Die  Srage,  wie  aber  bann  —  bei  Husftattung 
beiber  (Eltern  mit  ber  DoUen  elterlid^en  6ewalt  unb  beim  Sortfall  bes 
Däterlidjen  (Entfdjeibungsredjts  -  ITIeinungsDerfdjiebenljeiten  be5üglid) 
ber  Kinber  aus3utragen  [xnb,  ift  nun  wal)rlid)  nid^t  fd^wer  3U  beant* 
Worten. 

Die  3u5ief)ung  bes  Dormunbfd^aftsrid^ters,  wie  fie  immerf)in  für 
3errüttete  (El)en  als  le^tes  Huskunftsmittel  bei  Streitigkeiten  über 
f}ausl)altungsangelegcnf)eiten  unb  bgl.  bcnkbar  ift,  kann,  wenn  man 
will,  be3ügUd}  ber  Kinber  fogar  obwo()l  bies  keineswegs  wünjd^ens« 
wert  ift  -  gan3  auger  Betrad^t  bleiben.  Denn  bie  3weigefd}led)tlid)keit 
ber  Kinber  gibt  bas  fluskunftsmittel  für  bieienigen  gan3  oerfaljrenen 
Sälle,  in  btnen  jeber  (Ratte  auf  feinem  (Eigenfinn  befjarrt,  an  bie 
f^anb.  Kommt  burd^aus  keine  Dereinbarung  unb  aud)  kein  Kompro* 
mife  3U  ftanbe,  fo  entfdjeibe  in  ben  bie  Söfyxe  betreffenben  angelegen- 
freiten  ber  Dater,  in  ben  bie  (Eödjter  betreffenben  gebe  bagegen  bie 
niutter  ben  Husfdjiag.  (Eine  berartige  £öfung  eines  Konflikts  -  fo 
wenig  erfreulid)  fie   Dom  etf)ifd)en  Stanbpunkt  aus  erfd)eint   -    ift 


458        Das  €^ered)t  öes  öeutfd^en  Bürgerli^n  (Befe^6u(^es. 

{ad}Itd)  immerhin  toeit  tDeniger  beöenftlid),  als  votnn,  in  bem  befonöeren 
Pflid^tenftreife  öer  S^^u,  immer  öerniann  bas  le^telDort  fpre^ 
ftann.  -  IDünfd^ensiDerter  an  fid)  toäre  freilid^  qu(^  ^ier  bie  doSc 
6Ieid)orbnun9  unter  Sulaffung  ber  Anrufung  bes  Dormunbf(^Qftsri<l^ter$, 
ber  {etnerfeits  am  beften  einen  „S^^Ui^nrat"  aus  ben  flnt>enxHmbteii 
Don  beiben  Seiten  mit  ber  Prüfung  unb  frieblid^en  Schlichtung  betraneii 
mag.  5ür  bie  beiben  tx)id)tigften  5tagen:  Beruf  sidq^I  unb  Berufs* 
btibung  einerfeits,  religiöfe  (Erstehung  anbrerfeits,  könnte  babei  b^ 
ftimmt  werben,  ba^  „im  Smeifel''  bos  6e{(!^Iec^t  ber  Kinber  entf<^ben 
foQe.  5^^  bie  religiöfe  (Ersie^ung  galt  bies  3.  B.  nad^  bem  preu^{(^ 
£anbred)t,  vok  mir  faf^en,  bis  5U  ber  Kabinettsorbre  von  1803,  mel^e, 
angeblidj  um  „Unfrieben"  in  ber  Somilie  yi  oermeibcn,  bie  Konfeffion 
bes  Daters  für  alle  Kinber  entfdjeiben  liefe.  Diefe  unb  bie  entfpT^ 
d^enben  gemeinred)tlid)en  Beftimmungen  ^at  §  134  bes  Cinfü^rungs* 
gefe^es  aufred}t  erhalten.  (Es  ift  aber  nic^t  einsufe^en,  toes^olb  6te 
ftonfefftonelle  6efd}ieben^eit  ber  Kinber  nai^  bem  (Befc^Iec^t  gefa^ 
Itd}er  fein  foUte  als  bie  ber  (Eltern,  Dor  ollem  aber  müfete,  meim 
bie  Konfeffion  eines  (Elternteiles  entfdjeibet,  ber  Ülutter,  firr 
n)eld}e  bas  Religiöfe  im  Durd)fd)nitt  meit  me^r  I^erjensfac^e  ift,  nor< 
malenoeife  ber  Dorrang  gebüljren.  -  Der  rein  ftonfeffions-egoiftifd^  b^ 
grünöetc  flnfprud^  öer  fiatljolifd^en  Kird)e,  ba^  ein  Dore^eIid)er  Der* 
trag  öer  (Eltern  unbcöingt  öauernö  binöenb  fein  folle,  ift  anörer|eits 
ebenfalls  nidjt  anne!)mbar.  Solange  öie  (Eltern  einig  finb,  foU  i!jnen 
nicmanö  !)ineinreöen.    - 

C. 

Das  patriard)alifd)e  (E!)eiöeal  be!)auptet  feine  f^errfdjaft  nidjt  nur 
im  perjönlidjcn  Derljältnis  öer  (Botten  3U  einanber  unb  3U  iljren  Kin* 
öern,  es  oerjd)an3t  fid)  cor  allem  aud)  !)inter  bem  IDall  bes  gefcfy 
lidjen  (Büterftanöes,  rocldjes  bem  Ijerrcnrec^t  bes  Ülanncs  prab» 
tijd)  einen  nod)  fefteren  Stü^punkt  bietet,  als  felbft  bas  prin3ipien  (0 
beöeutfame  cljemännlidie  (Entjdjeiöungsredjt.  -  Das  6efe^  fjält  an  bem 
Prin3ip  öer  D  e  r  t  r  a  g  s  f  r  e  i  I)  c  i  t  öer  6atten  in  Dermögensjadjen 
feft,  unö  erleid)tcrt  iljre  Regulierung  öurd)  (E^eoertrag  baburdj,  ba^ 
es  jeinerfeits  fünf  Dcrjdjicöene  Sr)fteme  formuliert  unb  in  iljren  Kon« 
jequen3en  öetaillicrt  normiert.  (Entfpredjenö  btn  in  Deutfc^lanb  oor» 
gefunöcnen  fjauptkategorien  finö  öies:  1)  öie  allgemeine  (Büterge* 
meinfdjaft,  2)  öie  5al}rnis«,  3)  öie  (Errungenjdjaftsgemeinfc^aft,  4)  öie 


C.  Das  (Ef^egüterredjt.  459 

6üt6n)erbmöung  ober  bas  St}ftem  ber  DeriDaltung  unb  nu^ntegung 
bes  niannes  unb  5)  ftatt  bes  Dotalred^ts :  bte  Gütertrennung.  Der 
6runb,  mesf^alb  bas  6efe^  6üterftänbe  aud)  als  ^Dertragsred^te'' 
etngef)enb  normierte  unb  ntd)t  einfach  btn  (Ef^egatten  es  uberlteg,  nac^ 
tf)rem  Belieben  Hnorbnungen  3U  treffen,  ift  teils,  ba^  regelmäßig 
Don  feiten  ber  6atten  nid)t  aOe  Konfequenjen  if^rer  Dereinbarungen 
klar  eriDogen  [xnb,  Dor  aOem  aber,  ba^  bie  3ntereffen  nid)t  nur  ber 
Kinber  unb  (Erben,  fonbern  aud)  britter  perfonen :  ber  (Gläubiger,  auf 
bas  tieffte  baoon  berührt  toerben.  (Es  kann  btn  6atten  meber  über« 
laffen  toerben,  nod)  auc^  toäre  es  if^nen,  nad)  geltenbem  Red)t,  of)ne 
bie  normierung  ber  Dertragsred^te  überf^aupt  möglid),  burd^  Derein- 
barungen  nur  unter  fid)  5.  B.  barüber  5U  oerfügen,  nac^  meieren 
6runbfa^en  ettoa  bei  (5ütergemeinfd)aft  bie  6Iaubiger  befriebigt  loer« 
btn  follen. 

Don  jenen  fünf  6üterred}tsft}ftemen  loirb  nun  aber  bas  St}ftem 
„ber  Denoaltung  unb  Hu^nießung  bes  IHannes"  als  „gefe^Iid^er  6ü« 
terftanb''  beseid^net,  b.  f).  es  tritt  als  IDirkung  ber  (Ef)efd)Iiegung  ein, 
faOs  bas  Brautpaar  nid)t  burd)  befonberen  (Elfeoertrag  eins  ber  oier 
anbren  vereinbart  f)at.  ITur  fubftbiär,  bei  Derluft  bes  DeriDaltungs« 
unb  niegbraud)sred)tes,  gilt  kraft  6efe^es  bie  Gütertrennung.  Das 
gefe^Iid^e  (5üterred)tsfi}ftem,  beffen  allgemeine  juriftifd^e  Konftruktions- 
prin3ipien  vir  fd)on  in  ben  mittelalterlid^en  6üterDerbinbungsfi)fte> 
men,  5.  B.  im  oftfölifd^en  £anbred)t,  fortgebilbet  unb  mobifißiert  im 
preugifd^en  £anbrec^t,  kennen  gelernt  traben,  ift  alfo  bem  (5efe^geber 
als  bas  3tDedimagigfte,  feinem  Hed^tsbemußtfein  am  meiften  entfpre- 
d^enbe  erfd)ienen.  Smeifellos  I)at  er  aud)  oon  feinem  Stanbpunkt  aus : 
-  bem  bes  oorfid)tigen  Kompromiffes  5CDifdjen  inbioibualiftifd>em  unb 
autoritärem  (Efjeibeal,  3U)ifdjen  bem  Streben,  bie  Ijerrfdjaft  bes  ITIannes 
3U  erl)alten,  baneben  aber  aud)  bie  Hed}tspcrfönlid)kett  ber  5tau  3ur  6el' 
tung  kommen  3U  laffen  -  konfequent  gef^anbelt,  als  er  aus  ber  Sülle  ber 
in  Deutfd}Ianb  geltenben  (5üterftanbe  gerabe  bcn  ber  Dertoaltung  unb 
nu^niegung  bes  IHannes,  bie  -  fjödjft  mißDerftänblid)  -  fogenannte 
„DenDaltungsgemcinfdjaft",  ausQ)äf)Ite  unb  ben  3ntercffen  ermerbs* 
tätiger  S^^uen  anpaßte.  Die  £eitgebanken  maren  babei,  tote  aud^ 
bie  „IHotiDe"  fagen:  Sid^erung  ber  Stellung  bes  IHannes  als  bes 
I}ausf)errn  unb  f}auptes  ber  (E()e  bnx&i  bie  Dereinigung  bes  Dermögens 
beiber  6atten  in  feiner  f)anb,  unb  bann  -  fotoeit  eben  tunlid)  unb 
vereinbar  mit  biefem  (5runbfa^   ~    Sd)u^   bes   S^^uenguts   oor  ber 


460  Das  (E^ered^t  öes  beutfd^en  Bürgerlichen  6e{e^bu(^es. 

baraus   entjtel^enöen   (5efö!)rbung,   unb  IDa^rung    ber   e^eiDeiblic^en 
fjanblungsfö^iglteit  Dritten  gegenüber. 

fllle  d)araftteriftifdjen  Heuerungen  bes  mobemen  Sijftcms  gegen» 
über  feinen  !)iftorijd^en  Dorbilbern  fmb  burd^  bas  Streben  bes  6e{e^ 
gebers  nad)  f)ineinfd)mel3en  bes  mobemen  Redjtsgebanftens  ber  e^ 
iDeiblid^en  f)anblungsföt}tgkeit  in  bas  alte  Red^tsgebilbe   entftanben. 

Beoor  toir  nun  jeine,  burd^  biefe  Sijntfjefe  ftonträrer  <&egen{a^ 
entjtanbene,  (Bejtalt  betrad^ten,  ijt  Dor  aUem  Dorausjufc^idken,  ba%  als 
allgemeine  IDirltung  jeber  (E!)efd}Iiegung,  alfo  bei  j  e  b  e  m  (Süterftonb, 
bie  uns  aus  bem  römifd^en  unb  preugifd^en  Red}t  beftannte  fogenonte 
>praesumtio  Muciana«  über  ber  5^ou  |dju)ebt'):  bie  Dermutung,  ju 
(fünften  ber  (Gläubiger  bes  IHannes,  ba^  bie  im  Beft^  ber  (hatten 
befinblidjen  „beu)eglid)en  Sadjen",  mit  Ausnahme  ber  e^eioeiblic^ 
Kleiber,  Sd)mudifa(^en  unb  toeibli^en  Arbeitsgeräte,  —  aI|o :  nidjt  nur 
ber  gefamte  Ijausrat,  IHöbel  unb  Kunftroerlie,  Dorräte,  fomic  Bargelb, 
{onbern  ausbrüdilid^  aud)  bie  nid}t  auf  Hamen  lautenben  IDertpapiere, 
gIeid)DieI  ido  alle  bieje  Dinge  [xdf  befinben,  glei(^mel  felbft  ob  fte  in 
einem  oon  ber  S^^ou  betriebenen  (Ertoerbsgefdjäfte  i^re  Dermenbung 
finben  -  bem  ITIanne  ge!)ören.  Sie  fallen  bes^alb  im  Konfcursfalle  feinen 
(Gläubigern  5U,  falls  bie  S^au  nid)t  if)r  (Eigentumsrecht  baran  3tt  b^ 
roeifen  oermag.  Diefe  „Dermutung"  erftre&t  [\d\  fogar  auf  bie  im  Mein« 
bepö  ber  S^ou  befinblic^en  Sachen,  aud)  roenn  fie  befugtenoeife  ge» 
trennt  Dom  (5atten  lebt.  —  3nfolgebeffen  Ijaben  anbrerfeits  bie  (5läu» 
biger  berjrau  gegenüber  berartigen  beroeglic^en  Sachen  bas  Ha^» 
feljen,  roenn  fie  nid)t  iljrerfeits  bas  (Eigentumsredjt  ber  5  ^  ö  u  baran 
becoeifen  fiönnen.  Diefe  aus  bem  römifdjen  Red)t  übernommene  Be« 
ftimmung  bebeutet  bei  Dermögensoerfall  bes  ITIannes  für  bie  5^öu 
eine  grofee  Ijärte.  Sie  toirb  in  ber  profis  natürlich  auc^  oom  ITIanne 
in  ben  untern  Stäuben  immer  coieber  gegen  fie  3U  feinen  —  nidjt 
aber  feiner  (Gläubiger  —  (fünften  ausgebeutet.  ITleift  toirb  fie  mit  ber 
baburd)  cr5ielten  „Dcrkeljrsfidjerljeit"  unb  größeren  Krebitroürbigfeeit 
bes  ITIannes  bcgrünbct.  Die  „Dcnkfc^rift"  unb  bie  Reid)stagsfeommif* 
fionsDcrljanblungen  red)tfertigcn  fie  aufecrbem  burd)  bie  feltfame  B^ 
l)auptung,  ba^  fie  „regelmäßig  aud^  b^n  tatfädjlidjen  Derljältniffen" 
entfpred)e,  -  roäljrenb  bod)  jebcrmann  rocife,  ba^  in  Deutfdjlanb  3.  B. 
aller  fjausrat  in  ber  Regel  oon  ber  5rau  eingebradjt  loirb,  unb  bas 
(5efe^  fogar  bie  (Eltern  Derpflid)tet,  ber  (Eodjter  „3ur  (Einridjtung  bes 

')  §  1362. 


<\  Das  (E^egüterred^t.  461 

f^ausfjalts  eine  angcmcffenc  flusjtcucr"  3U  geiDaf^renO.  -  Die  gc- 
rabe  entgegengefe^te  Bef^anölung,  6. 1).  öte  Sulaffung  btx  DoOftrecbung 
mtnöeftens  in  öas  gefamte,  öem  perfönlid^en  (5ebraud}  btx  S^Tnilte 
ötenenöe  f)ausli(^6  Bnoentar  nur  fomett  es  als  perfönlid^es  (Eigen* 
tum  öes  IHannes  nad)geiDie{en  i{t,  iDÜröe  keinesiDegs  bie  ^Derltelfrs' 
fidjerljcit''  gefäfjrbcn,  -  beren  Bejtanb  unter  bcr  fjcutigen  Redjtslagc 
burd)  bie  3al)I(o|en,  alle  (Berid^te  über{d)Q)emmenben  „3nterDenttons« 
Magen''  ber  (Ef^efrau  gegen  bie  (Staubiger  mit  il)ren  iDof)Ibekannten 
{(^iDeren  Derfud)ungen  3U  ITIeineib,  „Sd^iebungen"  unb  Betrug  f)öd)ft 
ungünfttg  tOuftriert  wirb.  Sie  mürbe  bie  5oIge  ^aben,  ba%  Dorfid)tige 
6Iaubiger,  bie  einem  IHanne  Don  jioeifelf^after  KrebitiDÜrbtgkett  leif^en 
follen,  bie  initunter{(^rift  ber  5^(iu  oerlangen,  mie  es  Dorfid^ttge  IDof)* 
nungsoermteter  fd}on  freute  tun.  Anbre  als  (Ettelkeitsgrünbe  tDÖren 
gegen  einen  berartigen  Suftanb,  tDeId)er  ber  S^ciu  aud)  einen  geiDtffen 
€tnblidi  in  ben  (brab  ber  Derfd)ulbung  bes  IHannes  unb  (Einfluß  auf 
feine  ge{d}äftltd}e  (bebaf^rung  eröffnen  tDürbe,  fd^tDerlid)  geltenb  3U 
mad}en.  IDill  man  if)n  nic^t,  bann  mügte,  bei  Gütertrennung,  bie 
BetDeisIaft  in  j  e  b  e  m  So^^  btx  Pfanbung,  |ei  es  burd)  Gläubiger  bes 
niannes,  fei  es  ber  S^^u,  bem  anbern  (El)egatten  auferlegt  merben. 
Sonft  bleibt  bie  drebttmürbigkeit  ber  5^^"  bie  geringere.  - 

Die  allgemeine  oermögensred^tlid^e  £age  ber  5rau  unter  bem  norma* 
len  gefe^Iid^en  6üterftanb  beftimmt  ber  (brunbfa^:  ^Das  Dermögen  ber 
$rau  tDtrb  burd)  bie  (Ef)efd)Itegung  ber  Dertoaltung  unb  Hu^niegung  bes 
ITlannes  untenDorfen"^).  Danadj  bleibt  fie  (Eigentümerin  iljres  (bu- 
tes,  aber  ber  IHann  allein  !)at  bas  Re^t  auf  beffen  Befift.  (Er  ift  be- 
fugt über  bie  Hrt  feiner  f  a  k  t  i  f  (^  e  n  Benuftung  3U  oerfügen ').  3br 
(Etgentumsred}t  äußert  fid)  Q)öl)renb  ber  (El)e  toefentüd)  barin,  ba^  es 
feine  red}tsgefd)äftltd)e  Derfügungsbefugnts  an  Sd)ranken  binbet 
(Er  bebarf  tl)rer  (EintDilligung  n  t  d)  t  3ur  Deröugerung  Don  (belb  unb 

')  §  1620. 

•')  §  1363  abi.  1. 

')  Der  Umfang  öiefer  f  a  k  t  i  f  d)  e  n  DerfügungsgetDoIt  ijt  beftritte n. 
(Eine  anöre  Sd^ranhe,  als  öiejentge  6er  „orbnungsmäbigcn  Derrooltung" 
g  1374,  f.  u.)  ift  gefc^lid)  nid)t  begrünbet.  Ob  ober  feine  üerfügungen  in 
öiefen  Haf^men  fallen,  rnirö  6ie  S^au,  ba  fie  einen  Anfprud)  auf  Angabe 
bes  <B  r  u  n  6  e  s  berfelbcn  nid)t  f}at,  feiten  un3n)eibeutig  feftftellen  können. 
(Ein  H  e  d)  t  s  mittel  gegen  faktifd)e  lUagnaf^men,  bie  fie  für  nid)t  .orbnungs« 
mögig"  !)ält,  !)at  fie,  roie  bei  allen  Derfügungen,  n  u  r  im  Solle  ber  ^erljeb- 
lid)en  (befäl)rbung"  (§  1391,  f.  u.»  unb  nur  im  IDege  ber  pro3effualen  Klage 


462       Das  <E^ered)t  öes  Ö6ut{d)en  Bürgerltd^en  (Befe^buc^es. 

gclöglci(^cn  papieren  |ou)ie  anörer  „oerbrauc^barcr"  Sachen  (lebens* 
mittel,  Ijeismaterial,  anöre  3um  Derbraud^  beftimmtc  Dorrdtc)*).  Da» 
gegen  bebarf  er  i^rer  Suftimmung  5ur  Deraugerung  anbrer  Objekte. 
Dies  ift  eine  toefentlid^e  <Einf(^ränkung  feiner  (btvoalt  3.  B.  gegenüber 
öem  Sac^jenjpiegelrec^t.  flud)  „loH"  er  öie  i^m  freifte^enöen  Der« 
fügungen  -  falitifd)e  toie  rec^tsgefdjäftlid^e  —  nur  3um  Sroedk  ^orb- 
nungsmägiger''  Dertoaltung  bes  eingebrad)ten  6uts  Dome^men  unb 
eDentueü  ben  IDert  erfe^en.  flnbrerfeits:  einRed^t  3ur  iDillbürlid^en 
Derjagung  ber  3uftimmung  l^at  bie  S^^u  nur,  fomeit  bie  Derfügung 
nidfi  3ur  ,,orbnungsmägigen"  Dermaltung  bes  Eingebrachten  ge^ri 
3[t  festeres  bagegen  -  nac^  flnjidjt  bes  Domtunbfd^aftsrid^tcrs  —  ber 
5an,  fo  ^at  biejer  eine,  nadj  {einer  flnpdjt,  „grunblos"  Dermeigerte 
Sujtimmung  ber  5^ou  auf  Anrufen  bes  niannes  3U  erfe^en  ^. 

3m  übrigen  gleid^t  bie  Stellung  bes  niannes  in  ben  Qauptpunk« 
ten  berjenigen  eines  ITiegbrauc^ers ;  er  ^at  alfo  bas  Rec^t,  bie  Stnfen 
unö  Renten  aus  Papieren  ober  anbem  Objekten  in  feinem  Hamen  ein« 
3U3ie^en  unb  3U  Derausgaben,  bei  (Brunbftüdken  aud)  über  bas  3n« 
oentar  naii  ben  6runbfä^en  orbnungsgemäger  IDirtfd^aft  3U  oerfügen. 
Da  bas  eingebrad)te  (but  nur  in  Dertoaltung  unb  Ru^niegung  bes 
niannes  [xd\  befinbet,  finb  natürlid)  bie  ba3U  gehörigen  Objekte  ber 
Pfönbung  bur(^  bie  niannesglöubiger  ent3ogen,  ebenfo  aber  aud)  (nac^ 
§  1408)  bie  (Einkünfte  aus  biefen  Objekten,  ba  fein  Re^t  als  um 
übertragbar  gilt.  Kann  aljo  bie  5rau  bie  »praesumtio  Muciana'  ent« 
kräften,  |o  ift  fic  für  bm  Umkreis  ber  oon  iljr  eingebrad^ten  6egfn> 
ftänbe  gefiebert.  Dicjer  Umkreis  kann  fid^  tDäljrcnb  ber  €!)e  oerän« 
bern.  Die  3um  (Erja^  ber  Don  il}r  eingebrad^ten  t}ausf)altungsuten* 
filien  angefdjafften  (Begenftänbc  3.  B.  gehören  -  toie  bei  ber  altfäc^« 
fifc^cn  (5erabe  -  toieber  3um  eingebrad^ten  (But,  aud^  u)enn  p«  mit 
mittcln  bes  niannes  angefdjafft  unb  tocrtüoller  pnb  als  bie  alten.  Hlit 
iljrem  (5elbe  erroorbene  Sachen  ferner  toerben  ebenfalls  eingebrachtes 
6ut,  alfo  il)r  (Eigentum  unb  bcm  Sugriff  ber  (Bläubiger  ent3ogen,  -  falls 
ber  mann  nid^t  beim  (Ercoerbe  erkennbar  mad)t,  bafe  er  \\t  für  fid^ 
erroerbe  (§  1381).  Die  „Subftan3"  iljres  Dermögens  foll  i^r  erhalten 
bleiben.  Desl)alb  kann  fie,  focoeit  iljre  3uftimmung  erforberli^  geroefen 
roäre,  ein  il}r  geljörigcs  Objekt,  bas  ber  mann  oljne  biefe  an  Dritte 
Derljanbclt  Ijat ,  überall  bann  3urü*forbern,  ©enn  ber  (Enoerber 
CDu^te   ober   roiffen  mufete,   ba^   es  iljr  geljörte  (§  932).    Sanier  ift 

»)  §  1376  Hr.  1.  -)  §  1379. 


C.  Das  <Ei^9üterted)t.  463 

feine  DeriDaltung  burc^  geiDtffe  Dor{(^riften  gebunben:  (Er  ift 
i>erpfltd)tet,  6te  (Einltünfte  aus  öem  (Eingebrachten  (ben  «Reinertrag") 
für  ben  S^^i^i^^unterf^alt  5U  oermenben.  (Er  «foU"  etmaige  lieber- 
fc^fille  aus  ben  (Einkünften  münbelfic^er  anlegen  unb  ber  5^^u  ouf 
ti)r  Derlangen  über  btn  Stanb  ber  Denoaltung  « Auskunft"  geben. 
Dies  beiDirkt  aber  im  übrigen  keinerlei  materieOe  Schranken  {einer 
freien  Verfügung  über  bie  Hu^ungen  i^res  Beft^es.  Dielmef^r  i{t  fie 
loaf^renb  ber  Dauer  ber  (El)e  oon  j  e  b  e  r  ÜlitiDirkung  unb  ITIitbe- 
ftimmung  über  beffen  (Ertrögniffe  ausgefc^Ioffen.  Unb,  mie  toir  fc^on 
fa^en,  barf  ber  IHann  über  afle  «ocrbrauc^baren"  Sadjen,  3.  B.  über  ein 
Konfummarenlager,  über  5^Ibfrüd)te,  Borgelb  unb  gelbgleic^e  Papiere 
unkontrolliert  oerfügen.  Die  S^^u  kann  (Er{a^  nur  oerlangen  nad^ 
Beenbigung  bes  gefe^Iid^en  6üter{tanbes ,  alfo  bei  feinen  Cebseiten 
nur,  iDenn  fie  -  iDODon  vir  gleid)  reben  -  Dorther  auf  bem  Klage« 
loege  Gütertrennung  erftritten  f)at,  ober  ber  Hlann  in  Konkurs  gerat. 

Solange  bies  nid)t  ber  5^^  ift  nimmt  er  kraft  feines  ef)ef)err« 
Iid)en  Hed)ts  aU  if)r  betoeglid^es  unb  unbemeglic^es  6ut,  bas  fie  ein- 
bringt \mb  aUes,  loas  if)r  im  £aufe  ber  (Ei^  burc^  (Erbfd^aft  ober 
Sd^enkung  suföUt,  in  feine  l}anb.  (Er  ertoirbt  bie  Hu^niegung  baran, 
kann  -  nac^  ber  übenoiegenben  IHeinung  ber  5^<4iuriften  -  aud) 
(Brunbftücke  ber  $rau  oerpad^ten  unb  oermieten  ober  fonft,  folange  er 
nur  tf)re  Subftanj  nid)t  Deröugert  ober  belaftet,  nu^bar  machen  unb, 
iDie  mir  faf^en,  jebe  nur  „faktifd^e"  Derönberung  an  btn  Objekten  bes 
<Etngebrad)ten  eigenmöd^tig  oornef^men.  Die  (Einkünfte  bes  S^^uen* 
guts:  Sinfen  unb  mieten,  eine  £eibrente  unb  fogar  eine  Beamten* 
penfion  ber  5^ ^u,  merben  formell  fein  frei  oerfügbares  (Eigentum,  bas 
er  jtDar  in  erfter  Cinie  für  ben  gemeinfamen  l}ausf)alt  oermenben 
foU,  beffen  (Erfparntffe  unb  Ueberfd^üffe  er  aber  -,  ba  ber  S^^u 
keinerlei  id  i  r  k  f  a  m  e  s  KontroOred^t  unb  gar  keine  ITIitbeftimmung 
3uftef}t,  -  aud)  für  feine  perfönlic^en  Bebürfniffe,  für  koftbare 
£ieb^abereien  unb  „noble  Paffionen"  3U  oeriDenben  faktifc^  in  ber 
£age  ift.  3ft  fie  mit  ber  Art  feiner  Derioenbung  ober  Dermaltung 
nic^t  einoerftanben,  fo  bleibt  il^r  im  (brunbe  nid^ts  anbers  übrig,  als 
fic^  3u  fügen  unb  bie  f^önbe  im  Sd^og  3U  falten.  Die  gerid^tlid^e 
Klage  auf  Derioenbung  ber  (Einkünfte  bes  5^ciuenDermögens  für  ben 
5amilienunterl)alt  (§  1389)  ift  fettens  ber  S^^u  fel)r  fc^rner  praktt* 
kabel  *).    Die  Auff^ebung  bes  gefe^Iid^en  6üterftanbes  aber  ift  auf  if^r 

*)  Don  allen  anbeten,  rein  faktifd)en  SdiiDtCTtgkctten  abgefef^en,  mürbe 


464  Das  <E^ered}t  öes  beutfd^en  Bürgerlichen  6efe^buc^es. 

Derlangen  nur  nac^  (Entmünöigung  ober  bei  flbiDefen^eits*  ober  Krank* 
^eitspflegfc^aft  über  ben  IHann,  ober  falls  i^re  unb  ber  Kinber  Unter- 
f)alt  „er^eblid}"  gefä^rbet  ift^),  alfo  nur  als  le^tes  I}tlfsmittel  m 
ftritifc^en  Situationen  ge|tattet.  3m  5one  „erf^eblic^er  Sefd^rbimg' 
i^res  (£ingebrad)ten  Itann  fie  \taü  beffen  aud^  auf  Sic^erfteüung  klagen 
(§  1391).  naturgemäß  toirb  fie  aber  nur  bann  überhaupt  ben  pro« 
5egn)eg,  ber  allein  5ugelaffen  ift,  befd^reiten,  toenn  bte  ef^elic!^  6emetn> 
|d}aft  überhaupt  keinen  IDert  me^r  für  fie  ^at.  Unb  regelmäßig  oirö 
es  5ur  Rettung  i^res  Dermögens  3U  fpät  fein,  toenn  erft  i^r  Befi| 
ober  Unterhalt  „er^eblidj"  gef darbet  tft.  — 

3t)re  flnfprü(^e  an  ben  ITtann  befdjränken  (ic^  loä^renb  ber  Der» 
Q)altung  auf  il)ren  ,Jtanbesgemagen  Unterf^alt",  btn  er  i^r,  feinem 
<Entfd)etbungsre(^t  entfpred^enb,  innerhalb  toeiter  (bxtnyn  nad^  fet> 
nem  Dafürhalten  unb,  gemög  ber  IDette  unb  Unbeftimmt^eit  biefes 
Begriffs,  natürli^  in  öugerft  tDiOkürlid^er  flbftufung  geiDÖ^ren  kann. 
Denn  einen  Hnfprud)  auf  bie  Sutoeifung  etioaiger  Ueberfc^üffe  i^res 
eigenen  Dermögens  5U  if^rer  Derfügung  befi^t  fie  ja  lodl^renb  ber 
Dauer  ber  (E^e  nidjt.  (Befc^enke  ober  eine  Reife  machen,  flrme  «n« 
terftü^en,  fid)  an  gemeinnü^igen  Beftrebungen  beteiligen  ober  fic^  ein 
perfönlid}es  Dergnügen  Derf(^affen  kann  fie  alfo  nur,  f  0  loeit  ber 
Rlann  i!)re  IDünfc^e  billigt,  benn  oon  i^m  mug  fie  bie 
mittel  ba3u  erbitten,  aud)  bann,  ©enn  er  lebiglic^  oon  iljrem 
Dcrmögen  lebt.  (Begcn  feine  tDillkür  !)at  fie  in  folc^en  SqD«"  keiner* 
lei  Ijanb!)abc. 

Sie  t)at  aber  aud)  ferner  keinen  gefe^lid)  fixierten  Rnfprud)  auf 
bie  Dereinbarung  eines  f  e  ft  beftimmten  IDirtfdjafts*  unb  KleibergeI5s 
Don  nod)  fo  geringer  Ijölje  über!)aupt.  (Brabe  in  Deutfd)lanb  beftefjt  nur 
nod)  all3U  oft  bie  (Bepflogenljeit  auf  feiten  bes  Rlannes,  i!)r,  mit  ber 
Bcgrünbung:  „Du  kannft  bekommen  roas  Du  braudjft",  nichts  „5eftes' 
3u  geben.  Die  praktifdje  Durdjfüljrung  biefes  fc^einbar  fo  rationel* 
Icn  (Brunbfaftes  bringt  bann  bie  5^öu  i"  öie  für  jebe  feiner  empfin« 
bcnbe  Hatur  quabolle  £age,  bas  3ur  Beftreitung  ber  täglidjen  B^ 
bürfnifje  bes  f)ausl)alts  coic  iljrer  perfon  (Erforberlidje  in  kleinen 
Summen  immer  aufs  neue  Dom  ITIanne  erbitten  3U  muffen,  un5 
fid)  jcbesmal  roicber  ber  pfr)d)ologifd)  burd)aus  erklärlidjen,  peinüdjen 

jic  ja  Dorausjc^cn,  baß  6ic  Srau  ic6cr3cit  Rcd)nungs legung  perlangen 
könnte.    Das  ijt  aber  nidjt  6cr  SoH. 
')  Dgl.  §  1418. 


C.  Das  (Et|egütcrrcdjt.  465 

Ueberrafd^ung  bts  IHannes  aus5u{e^en,  ba^  öie  Summe,  öte  er  bod) 
nadj  leiner  (Erinnerung  „erft  eben"  gegeben  fjat,  „|djon  roieber"  oer- 
braucht  ift.  3e  nad)  öem  Temperament  öes  ITIannes  geftaltet  ftd) 
6esf}alb  in  mand^en,  fonft  burc^aus  f)armonifd)en  (Ef)en,  bie  IDirtfd^afts« 
fül^rung  für  bie  $rau  5U  einem  beftänbigen  Dorftd)tigen  Cauieren  um 
fein  -  eoentuell,  au(^,  ober  oornefjmlidj,  ober  gar  nur,  mit  iljrem 
(belbe  gefälltes  -  Portemonnaie,  aus  bem  if)r,  je  nad^bem  fie  bie  6unft 
bes  Hugenblicbs  ausnü^t  ober  Derfäumt,  bas  (Erforberlic^e  liebens« 
iDürbig  ober  Derbrieglid),  mit  ober  o^ne  Kommentar  über  il)re  l}aus* 
frauenqualitöten,  oerabfolgt  mirb.  Unb  berartige  Stimmungsfd^ioan« 
ftungen  im  el)elid}en  HOtag  [xnb  grabe  auc^  in  ben  beft^enben  Klaffen 
für  eine  feinfühlige  S^au  um  fo  empfinblid^er,  je  meniger  klar  fie  über 
bas  Soll  unb  f^abtn  ber  ef}elid)en  5i'io'i3^n  orientiert  ift  unb  je 
meniger  es  grabe  bort  6runbfa^  ift,  [xe  in  bie  (Eed^nik  unfrer  mo« 
bernen  DermögensoertDaltung  einjuioeif^en.  Sie  toirb  überbies  fel)r  l)öu« 
fig  aud)  in  oölliger  Unkenntnis  über  if)re  Dermögensoerf^altniffe  ge« 
^Iten,  nac^  bem  bekannten  prinsip:  ^bai  S^^^^^  ^on  (Belb{ad)en 
nid)ts  5U  iDiffen  brauchen".  6ilt  es  bod)  immer  nod)  als  befonberer 
»charmc'  bes  tDof)Ibef)üteten  jungen  niäbd}ens  ^gebilbeter"  Kreife, 
loenn  [xt  aud)  in  ge|(^aftUd)en  Dingen  ein  ^unbefd^riebenes  Blatt"  ift. 
Dor  ber  (El^e  bleibt  \xt  in  ber  Regel  über  bie  Dorgänge  bes  (belbvtx* 
kel^rs  unb  ber  DermögensoeriDaltung  oöllig  ununterric^tet.  IHeift  er« 
föl^rt  fie  nid)t  einmal,  a)as  \xt  |elbft  in  bie  <Ef^  einbringt,  benn  biefe 
belikaten  Dinge  merben  regelmäßig  oon  if^rem  Dater  unb  if^rem  Der* 
lobten  allein  Derl)anbelt.  3n  ber  jungen  (El^e  bleiben  il)r  bann  3u« 
nad}{t  bie  finansieOen  Derf^öltniffe  (5el)eimnis,  aud)  wtnn  [xe  ben 
Sdjieier  lüften  mödjte.  Sie  füljlt  balb:  ber  ITIann  Ijat  es  nidjt  gern, 
bafe  fie  banac^  fragt:  -  loie  benn  ja  überljaupt  bas  Portemonnaie 
für  ben  mobernen  nienfd^en  berjenige  (Teil  jeiner  Perjönlidjkeit  i|t, 
btn  er  am  |djaml)afte[ten  oor  ben  Rügen  anbrer  betoal^rt,  -  unb  fo 
bleibt  \xt  in  ber  Hegel  DöUig  im  Unklaren,  ob  bie  tDed)(elnbe  (bebe- 
luft  bes  6atten  einen  objektioen  6runb  l)at  ober  nid}t.  Dies  alles 
ift  naturlid)  keine  unentrinnbare,  naturgefettlid)  nottoenbige  Konfe« 
quen3  bes  gefe^Iidjen  6üter|tanbes  ober  irgenb  eines  ber  anbren  pa« 
triard^al  orientierten  beutfdjredjtlidjen  Si}|tcme.  Hber  es  i|t  eine  mit 
fef)r  groger  Hegelmäf^igkeit  5U  beobad^tenbe  unb  fel)r  felbftDerftanb- 
lid^e  pft}d}ifd}e  IDirkung  bes  Umftanbs,  bog  bie  ()erreneitelkeit  bes 
niannes  oom  6eie^  baburdj  fanktioniert  toirb,  bog  es  -  toenn  benn 

IT  f  her.  fhf^ran  un^  niuttrr  30 


466       Das  (Et}6re(^t  öes  öeutfd^en  Bürgerlichen  (5efe^bu(^es. 

einmal  „DertDaltungsgemeinfd^aft"  öer  betöer|eitigen  Dermögen  be« 
jte!)cn  lolltc  -  öer  5^QW  nid^t  nur  keinen  redjtlic^en  Anfprud^  auf 
(E  e  i  I  n  a  ^  m  e  an  öer  Denoaltung  öer  gemeinfdjaftlic^en  ^S^önjen', 
fonöern  and^  nid)t  einmal  auf  jeöerjeitige  genaue  3  n  f  o  r  m  a> 
t  i  0  n  über  öeren  tage  gibt.  Denn  i!)r  flnfprudj,  „auf  Derlangen', 
n  i  ^  t  etoa :  begrünöete  Red)en|djaft ,  fonöern  nur :  ^flushunft' 
5u  erf)alten ,  bt^itlft  fid)  auf  öie  männlid^e  DertDaltung  i  f)  r  e  s 
eignen,  nic^t  aber  feines  Dermögens  ^).  Ueber  öie  gefamte  „S^onj» 
läge"  öer  S^i^il'^  P^  jeöerseit  auf  öem  laufenöen  3U  erhalten,  oer» 
pflid^et  i!)n  öas  (befe^  mit  keinem  IDorte,  0  b  tx)  0  f)  I  öo(^  öies  öie 
6runölage  für  öie  Bemeffung  öer  Ausgaben,  öie  fie  mac^t,  bilöen 
müßte. 

Der  mann  i{t  eben  an  fi(^  Don  je^er  geiDO^nt,  fi^  gons  naiD 
als  Dater  aller  guten  unö  nü^Ii(^en  Dinge  unö  als  alleinigen  fjtntn 
öes  beiöerfeitigen  (Eigentums  5U  betrad^ten.  (Es  ift  i^m  öes^alb 
unter  allen  Umftänöen  unbeljaglid^  3U  Illute,  wenn  er  öeffen  Dermen« 
öung  nid}t  bis  ins  Detail  felbft  beftimmt  ^at,  nod)  ärgerlicher  aber, 
toenn  er  öie  Art  öiefer  Bejtimmung  irgenö  jemanöem,  unö  oor  allem 
feiner  S^^u  gegenüber,  öurd)  „(Brünöe"  red)tfertigen  foll.  (Es  gibt, 
loie  jeöermann  tDeife,  (E!)emänner,  öie  gegen  Dritte  unö,  in  ©e» 
fdjenkcn  bei  fcjtlidjen  (Bclegenljcitcn,  ani^  öer  S^^u  gegenüber,  äufterft 
generös  jinö,  öabei  aber  iljre  Soröcrungen  für  öen  (Tages  beöarf 
regelmäßig  jeljr  unfanft  beljanöeln.  (Es  i|t  öie  gleid^e  £age  Ijier 
toie  auf  öem  (Bcbict  öer  $03ialpolitik.  (Es  jdjmeidjelt  un|rer  (Eitel* 
keit,  fllmojen  3U  geben  oöer  IDoljltatcn  3U  fpenöen,  3U  öenen  mir 
n  i  d)  t  oerpflidjtet  finö,  -  es  ocrlc^t  fie  aufs  äußerfte,  roenn  audj  nur 
ein  Brud)tcil  jenes  in  3ufälliger  (bebelaune  oerausgabten  Betrags  als 
R  e  d)  t ,  unö  fei  es  nur  als  moralijd)es  Redjt,  in  flnfprud)  genom» 
men  roirö.  IDo  aber,  toie  in  Deutfdjlanö,  öieje  (Empfinöungsroeife,  öie 
(Quelle  un3äl}liger  gan3  überflüffiger  Reibungen  ift,  an  öenen  tüd^tige 
inenfd)en  -  5^Qw^n  toie  ITIänner  —  unoermerkt  kleinlid)  iDcröen  unö 
oerkümmern,  ol}neöies  öie  Spießbürger  aller  Klaffen  unö  Stänöe  be« 
l)errfd)t,  öa^kann  es  nidjt  Aufgabe  öes  (Befe^es  fein,  ein  (büteripftem. 
CDeld)es  jene  Konfequen3cn  nod)  begünftigt,  3um  gefe^Ii  djen  (bü^ 

'I  Sclbjt  für  öiejen  flnjprurf)  gcl)l  öie  übcrroicgenöc  ITIcinung  bahin, 
Öa6  er  rDäf}renb  öes  Datums  öer  Dcrroaltung  n  u  r  in  6cn  Sollen,  ipo  ^i€ 
Srau  auf  $irficrl)citslci(tung  3U  filagen  bcrcrfitigt  ijt  (S.  464),  gcridjtlidj 
geltGub  gemad}t  roeröen  könnte. 


(\  Das  (E!)egütcrrcd)t.  467 

terred}t  5U  erklären.  6enug,  wenn  öiejenigen,  toeld^e  fid)  nur  unter 
if)m  glücklid)  3U  füf)Ien  glauben,  es  buxdi  (£l)eDertrag  oereinbaren 
können.  - 

Der  mo6erne  3n6iDibuaIismus  l)at  6er  Bea)egungsfretl)ett}ett  6er  1 
5rau,  tDie  fd}ou  im  Dortgen  Kapitel  ge3eigt,  nun  immerf)in  aud}  in« 
nerf^alb  6ie|es  St}ftems  einen  Stü^punkt  erftritten.  3u  if^rem,  6er  Der« 
CDaltung  un6  Hu^niegung  6es  (£l)emannes  ent3ogenen,  „ge|e^Iid)en 
Dorbel^altsgut",  6as  frü()er  regelmäßig  nur  il)re  Klei6er  un6  Stfjnlucb« 
fachen  umfaßte,  gefrört  je^t  aud)  it}r  Arbeitsgerät,  un6  oor  allem  i^x 
felbftan6tger  außerl)öusU(^er  HrbeitsDer6ienft  un6  (Erioerb  ie6er  Art*). 
Durd)  6iefe  iDid^tige  Heuerung  {ud)t  aud}  6ies  rüdiftan6ige  Dermögens* 
rec^t  6en,  bei  6er  Regelung  6es  perfönlid^en  Der()altni{{es  6er  (batten 
6urd)  6en  oben  erörterten  §  1358  berüdifi^tigten,  (Eatfad^en  6es  mo* 
öernen  tDirt|d)aftsIebens  Hed)nung  3U  tragen,  6ie  einen  3unel)men6en 
Brud)teil  oon  <El)efrauen  nötigen,  6urd)  ielbftänöigen  HebeneriDerb 
5um  Unterl)alt  6er  S^^^iHe  bei3utragen.  (Es  ift  alfo  loenigftens  nid)t 
mef)r  tx)ie  früf^er  ge|e^Ii(^  3ulä{{tg,  6aß  6er  arbeits|d)eue  (Eauge- 
nid)ts ,  axi&i  toenn  er  mod^enlang  ()erumDagabon6iert  un6  keinen 
Pfennig  3um  Unterljalt  6er  Samilie  beifteuert,  feiner  S^au  ^^«  lauer- 
Deröienten  6ro|d)en  aus  6er  Sd}iebla6e  nimmt,  um  il)n  3U  oertrinken. 
Dielmeljr  6arf  fie,  toas  fie  als  flufioärterin,  tDafdjfrau,  Amme,  als 
Sd)nei6erin,  |elbftän6ig  it}r  (5efd}äft  leitenöe)  6efd}äftsfrau,  Sd)rift« 
ftellerin,  Künftlerin  u.  6gl.  oeröient,  |elb|t  in  6er  f)an6  bef^alten. 
Hner6ings  ift  |ie  oerpflidjtet,  6aoon  eoentuell  einen  3u|djuß  3ur  Be» 
ftreitung  6es  el^elid^en  Auftoanös  3U  leiften,  falls  6er  mann  nid)t 
{d)on  6urd)  6ie  Hu^ungen  6es  eingebrad^ten  (bnits  einen  angemeffenen 
Beitrag  erl)ält ').  Die|e  Dor|(^rift  ift  an  fid}  natürlid)  6urd)aus  3U 
billigen,  6enn  6ie  Stau  foU  ja  nid}t  nur  für  fid)  un6  if^re  per|önlid)en 
Beöürfnijfe  oeröienen,  fonöern  nad^  iljrcn  Kräften  3um  Unterfjalt  6er 
3l)rigen  beifteuern.  Daß  nun  aber  trog  6ie)er  un6  ä()nüd)er  Hed^ts* 
regeln  aud)  im  gelet^Iid^en  (büterftanö  iDieöer  ohne  allen  Dorbebalt 
6er  Sag  auftaudjt:  „Der  lUann  f)at  6en  ebelidjen  flufioanö  3U  tra- 
gen" (§  1389),  ijt  6enn  6od)  eine  jeltjame  logijdje  Deridjicierung  6es 

')  §§  1566,  1367. 

')  llad\  Annahme  mand)cr  dbcoretther  'tH.  B.  Sd)mi6t.  6aacaen  nicht, 
im  5<^I1  ^s  <iuf  it)Tfn  Hamen  6urd)  l>orntün6fT  ober  6cn  <Et)fmann  fflb|t 
geleitet  n>ir6,  -  eine  beftrittcne  un6  roof)!  au&\  tatfäd)Iid)  anfcd^tbare  t^nftd)t. 

')  §  1371. 

30» 


468       Das  (E^ered)t  bes  beutfd^en  Bürgerlid^en  <5efe^6u(^es. 

tat{ä(^Itd}  Dom  Sefe^  ftonftituierten  Derf}dltni{{es,  bie  loteberum  nnr 
ben  Smedi  3U  f^aben  fd^eint,  bas  Selbftgefüf}!  bes  Itlannes  3U  fd^onen. 

Durd)  bie  (Ertoeiterung  bes  gefe^Iid^en  Dorbe^altsguts  ^t  man 
5tDar  bie  ermerbstätige  (Ehefrau  eine  Spf^dre  ber  S^^i^it  9^ 
tDonnen,  nid)t  aber  bie  Dermögenbe  5^^^,  bie  normaleriDeife  auf 
felbftönbtgen  (Belberioerb  Dersic^tet,  auäf  nid)t  bie  5^^^  ^^  mittel« 
ftanbes,  beren  Kräfte  burd)  if)re  Hrbeit  im  l}aus^alt  unb  (bt]d^ 
bes  ITIannes  abforbiert  toerben.  Diefe  ftnb  —  mögen  fie  auc^  n<Hl^ 
{0  reic^  ober  nod)  {0  fleißig  fein  -  3ur  Beftreitung  if^rer  Bebürfni|fe  na^ 
iDie  Dor  auf  bie  5^ ^ig^bigfteit  it}rer  6atten  angemiefen.  nion  fyiA,  Ttdj/i 
d)araltteri|ti((^ertx)ei{e,  au(^  bei  uns  bie  l}errenre(!^te  bes  ^.Meinen  man« 
nes'\  beffen  5tau  e r  o)  ir  b  t ,  toeit  bereitiDiOiger  preisgegeben,  als  bt^ 
jenigen  bes  ITtannes  ber  fü^renben  Sdjid^ten,  ber  tint  5tau  l^hratet 
bie  b  e  { i  ^  t.  Unb  man  f)at  überbies  btn  eignen  6  e  I  b  ermerb  31» 
niagftab  ber  red)tli(^en  Be^anblung  ber  5^^u  gemacht.  — 

IDie  Dertrögt  fid)  nun,  fragen  mir  toeiter,  ber  gefe^Iic^e  (Büter' 
ftanb  mit  bem  Prin3ip  ber  e^emeiblid^en  6e{(^dftsfd^igkeit, 
bas  ber  (Befe^geber  als  Sqmbol  feiner  mobernen  S^^uenauffoffang 
neben  bie  überlieferte  e^emännlic^e  Autorität  ftellte? 

3enem  Prin3ip  gemdg  foU  bie  oerf^eiratete  S^^^t  ebenfo  iDie  bie 
unDcr!)eiratete,  fiaufen  unb  oerkaufen,  Sc^ulben  ma^en,  Derträge 
fc^Iiegen,  flnfprüc^e  geltenb  machen,  [xin  3U  £eiftungen  oerpflic^ten, 
für  il}re  Derpflid^tungen  tjaftcn  können,  —  genau  roie  ber  lUann. 
Sic  ijt  bemgcmäfe  aud)  bcredjtigt,  über  i!)r  Dermögen  -  audj  iljr  ein« 
gebrad)tcs  (But  —  burd^  (Eejtament  3U  oerfügen.  Sufolge  bes  ehe» 
männlid}en  Dermaltungs«  unb  Hu^niegungsred^ts  kann  bagegen,  |o 
lange  bie  (Elje  beftcljt,  iljr  eingebrachtes  (But  für  alle  oon  iljr  ge« 
fdjioffenen,  fie  5U  einer  Dermögensleiftung  Derpflid)tenben  ©efdjäfte 
nur  bann  in  flnfprud)  genommen  rocrben,  roenn  ber  ITIann  feine  3u« 
ftimmung  bafür  erteilt  Ijat.  Direkte  Derfügungen  über  Objekte,  öie 
5um  eingebrad)tcn  (But  geljören,  werben  nur  mit  el^emännlid^er  (bt^ 
neljmigung  roirkfam.  Dcrkauft  3.  B.  bie  S^au  o!)ne  fie  ein  Stüdi  öer 
flusfteuer,  fo  kann  es  ber  ITIann,  toenn  er  nidjt  auf  flufforberung 
bes  Käufers  bem  Kontrakt  nadjträglid)  3uftimmt,  einbefjalten  obtx 
von  il}m  ßurüAforbern.  Unb  iljre  Derfügungen  barüber  finb  ohne 
feine  3u|timmung  gän3lid)  unroirkfam,  roenn  fie  „einfeitige  RedJtsg^ 
fd)äfte"  finb:  ein  3U  iljrem  eingebradjten  (But  geljöriges  Ijaus,  chis 
oermietct  ift,  ^ann  fie  nur  mit  feiner  i)orl)erigen  3uftimmung,  unö  in 


C.  Das  (Eljegütcrrcdjt.  469 

{einer  AbiDefenl)ett  (auger  bei  „6efaf)r  im  Der3uge'')  garnid^t,  kün« 
btgen  0-  Sad)en,  6ie  fie,  über  btn  Raf^men  tl)rer  Sd^IüffelgetDalt  f)in* 
ous,  für  fld)  anfd^afft,  braud^t  öer  ITIann  meber  aus  feinem,  nod}  oud) 
aus  il)rem  Dermögen  3U  5af)Ien.  Der  Rat  mtttelalterli^er  3uri{ten  an 
ben  ef)r{amen  Bürger,  [xd^  n\6)i  mit  unbekannten  Stauen  in  Red^ts- 
gefd^öfte  ein5ulaffen,  ift  alfo  nod)  immer  angebrad)t.  Die  grunblos 
DertDeigerte  Suftimmung  kann  oom  Dormunbfd^af tsgeric^t  (nad)§  1402) 
nur  öann,  toenn  öas  ©ejdjäft  im  perfönlidjen  3ntere||e  öer  5tau 
nötig  i(t,  3.  B.  um  öas  (be\b  yxx  9al)Iung  eines  Hnmalts  ober  Hr3te$ 
3U  geminnen,  -  nidjt  in  iljrem  Dermo  gen sintereffe,  erjeftt  roeröen. 
Am  ftörkften  reiben  fid)  jene  beiöen  Prin3ipien  im  £eben  ber  (bt' 
{d^öftsfrau.  3f)r  6e(d)öft  unb  if)r  IDarenlager  müßten  oom  (Eage 
ber  (Et)efd)Iiegung  an  natürlid^  als  ,,eingebrad}tes  (bnt"  in  ben  Befig 
bes  niannes  übergef^en,  {ofern  es  if)r  nic^t  oertragsmögig  oorbef^alten 
mirb.  Die  „oerbraudjbaren"  Sadjen  unter  ben  tDarenbeftänben  könnte 
er  of)ne  i^re  Suftimmung  oerkaufen,  überf^aupt  aber  ben  (5efd)äftsbe« 
trieb  {elbftönbig  leiten,  unb  in  biefem  5^0  unterläge  aud)  ber  6ef<l^öfts> 
D  e  r  b  i  e  n  ft  feiner  DeriDaltung  unb  Ru^ung.  Das  Reid}sgerid)t  f)at 
nun  für  biefen  $aU  —  ftreng  genommen  gegen  bas  (!)efeö  -  ben  Dor- 
bef)alts(^arakter  bes  (Enoerbsgefd^fts  anerkannt.  Praktifd)  ift  baburd) 
bie  möglid^keit  arger  Dertoirrung  befeitigt.  Denn  3ufoIge  il)rer  6e« 
fd^öftsfäl^igkeit  kann  ja  nun  aud)  bie  5^^u,  faUs  bie  «Sitte''  nid^t 
nad^  §  1356  (f.  0.)  bem  Rlann  bas  Red)t  gibt,  fte  in  bie  Küd^e  3U 
Dermeifen,  bas  6efd)aft  fortfü()ren  ober  ein  neues  (5efd)aft  beginnen, 
unb  bann  ben  (Einkauf  unb  Derkauf  oon  IDaren,  mieten  unb  Künbi« 
gen  Don  £okaI  unb  perfonal,  Aufnal)me  Don  Darleihen  u.  f.  id.  felb« 
{tanbig  oornef^men,  faOs  il)r  nur  jemanb  ben  für  all  bies  erforberIid)en 
Krebit  getDä()rt:  bann  mirb  il}r  (l)e{d)äf ts  d  e  r  b  i  e  n  ft  Dorbe()aIts« 
gut.  3l)r  eingebrad)tes  (i)ut  bagegen  lauftet  aud)  aisbann, 
iDie  mir  fd}on  faf^en,  für  if^re  DerbinbUd)keitcn  nur,  toenn  ber  Illann 
ausbrüdilid)  ober  ftiUfd)tDeigenb  feine  duftimmung  3um  Betrieb  ge- 
geben l)at.  Da3u  kann  er  nid)t,  au&i  nid}t  9erid)tlid},  genötigt  toerben. 
Die  5^09«»  ob  ber  Hlann  etroa  kraft  feines  oben  erörterten  (Ent|d)ei' 
bungsred)ts  (§  1354)  ber  5rau  bie  (Eröffnung  ober  Fortführung  eines 
<ErQ)erbsgefd)äfts  gan3  unterfagen  barf,  bat  bie  Reid}sta9skom> 
miffion,  in  toeld^er  beibe  einanber  entgegengefet)ten  Anträge  über  biefen 

')  §  1395. 


kL 


470        Das  <E^ered)t  öes  beutfd^en  Bürgerltd^en  6efe^bu(^. 

Punitt  abgelehnt  iDuröen,  überhaupt  unentfd)teben  gelaffen!  Uaä^  bm 
3nf)alt  öes  §  1354  iDÜrbe,  nai^  öer  nieinung  angefe^ner  Re(^ts9^ 
lehrtet,  öic|c  S^ogc  -  oorbc^altUdj  öcr  Anrufung  öes  (Berid^ts  roegen 
„ITti6braud)s"  -  3U  bejahen  jein.  Auf  öie  ©ültiglieit  öer  Der« 
pflidjtungen  öer  S^^^  Dritten  gegenüber  ^ätte  aber  Öles  Derbot  kei« 
nen  (Einfluß  (§  1399):  eine  erjtaunlidje,  aber  aus  öer  Kombinotiaii 
unoereinbarer  Prin3ipien  folgenöe  Redjtslage. 

Don  it}rer  (bef(^äftsfät}igkeit  mirltlid)  6ebrauc^  machen  kam  60' 
nad)  öie  5^^u  in  öer  Regel  ieöenfaüs  nur,  fofern  fte  felbftanbig 
ltreöitfät}ig  ift,  alfo  Dorbe^altsgut  f)at,  ö.  ^.  ftd)  eigenes  Dermögen 
Dertragsmägig  Dorbel^alten  oöer  felbft  eriDorben  ^at.  (Ebenfo  fte^ 
es  mit  i^rer  Pr osefef  ä^igft.eij.  Bei  pro3e{fen  über  t^r  üor« 
be^altsgut  kann  tle  aud^  ol^ne  3u|timmung  öes  Ulannes  als  Klägerin 
oöer  Beftlagte  felbftönöig  Dor  (berid^t  erfd^einen.  3m  übrigen  fcoim 
fie  fid)  in  getoiffen  Streitigkeiten  über  i^re  perfönlic^e  Reii^tsfteOung, 
3.  B.  3ur  ScftltcHung  i^rer  £egitimitat  oöer  ifjrer  €rbbere(^tigung,  öie 
Derroeigerte  Sujtimmung  öes  ITIannes  oom  ®eri(^t  erfe^en  laffen«  Da» 
gegen  kann  fie  über  eingebrad}tes  (but  oöer  ein  Öa3u  ge^riges  Rec^t, 
3.  B.  eine  ITIietsf oröerung,  nur  im  Soll  r  e  c^  t  s  miörtger  Derfügungen 
öes  ntannes,  fonjt  aber  nur  mit  {einer  3uftimmung,  klagen.  5*^It 
öieje  i!)r  als  Klägerin,  jo  ^at  öer  Richter  iljre  Klage  3urü(fe3un)eiien, 
fct)lt  fie  il)r  als  Beklagte,  fo  können  jid^  iljre  (Begner  bei  einem  ihr 
ungünftigen  Urteil  nur  3ur  Kojtenöc&ung  an  i^r  eingebradjtes  ftut 
Ijalten  (§  1412);  öann  mufe  jie  iljrerjeits  iljrem  RTann  öen  öoraus 
entftanöenen  $d)aöen  aus  iljrcm  (cttoaigen)  Dorbeljaltsgut  erfeften,  - 
-  roieöerum  eine  arg  Der3rDidite  Redjtslage. 

Als  Beji^er  öes  cingebrad)tcn  Stauenguts  beöarf  öagegen  bti 
ITIann  i  l)  r  c  r  3uftimmung  nur  3ur  Pro3e6fü!)rung  über  öie  „Sub* 
jtan5"  iljres  (buts,  5.  B.  3ur  (Einklagung  eines  Iji}pot!)ekenkapitals.  Die 
(Einkünfte  unö  Öa3u  gcljörigen  Redjte  kann  er  öagegen  felbjtänöig  Der* 
treten,  unö  3CDar  nid)t  etroa  als  Bcoollmädjtigter  öer  5^QU,  jonöern 
im  eignen  Hamen  unö  alfo  aud)  oljne  oöer  gegen  i^ren  IDiOen.  3u« 
folge  öes  Antagonismus  5U)ifd)en  elje  ro  e  i  b  l  i  dj  e  r  Pro3e6fä!jigfeeit 
unö  el)e  m  ä  n  n  l  i  d)  e  n  Befi^redjten  geftaltet  fid^  fpe3iell  öie  Koften» 
oerteilung  bei  Redjtsftreitigkeitcn  aufeeroröentlidj  oeriDickelt,  -  aber 
es  I)at  kein  3"*^^^ff^  fü^  uns,  öen  gefdjiditen  Sc^langenroinöungen, 
mit  btnen  fid)  öie  juriftifdie  (Eedjnik  3CDifd)en  öen  einanöer  roiöer» 
ftreitenöen  prin3ipien   3U  becoegen  fudjt,   nodj   toeiter  nadj3ufpüren. 


C.  Das  (E^egütcrrcdjt.  471 

Unfre  Skt35e  genügt,  um  3U  seigen,  öag  öte,  öurd)  bas  aOgemeine 
(Entfd^eiöungsred^t  5um  pallaötum  öer  <Et)e  erl^obene,  6urd)  ben  ge« 
fe^Itd^en  6üterftanö  gefefttgte,  el)6mannlid)6  Hutoritöt  unö  Donnunb- 
fd^aft  bem  Prtn3ip  ber  DoIIen  iuriftifd)en  f^anblungsföl^igkeit  ber  <EI)6* 
frau  auf  ber  gan3en  £tnt6  erfolgreid)  Sd^ad)  bietet  unb  es,  summa 
Nummarum,  eben  boc^  befiegt.  (Eine  objektiD  befrlebigenbe,  bem  3n« 
tereffe  beiber  (Eeile  geredet  toerbenbe  St}ntl)e{e  jener  beiben  (5runb- 
|a^e  konnte  nxi^i  gelingen,  ba  \\t  bem  6efe^geber  3umutet,  logtfd^  unb 
praktifd)-etf)tfd)  unoeretnbare  Beftanbteile  3ufammen3U3n)tngen. 
Desl)alb  coaren  benn  aud)  bie  konfequenten  Dertreter  bes  patri- 
ard^alismus  unb  ber  autoritären  £ebensanf(^auung  burc^  ben  (EntiDurf 
ebenfoiDenig  befriebigt  iDte  bie  Propl)eten  eines  neuen  (Ef^eibeals  auf  ber 
(Brunblage  bes  etf)tfd}en  3nbiDibuaIismus.  3n  ben  gutad)tUd)en  Aeuge« 
rungen  3um  eriten^gntmurf;  Ser,  nic^Tin  ber  Sa^e,  fonbern  mefentlidj 
nur  in  ber  5orm,  ben  autoritären  dfjarakter  ber  eljemännlid^en  pri- 
Dilegien  ftärker  Derfd)Ieierte,  als  bie  befinitioe  S^ffung,  tDurbe  oon 
patriard^al  orientierter  Seite  3.  B.  bie  Iebl)afte  Beforgnis  geäußert, 
ba^  ber  IHann  burd)  bie  ^^Dermaltungsgemeinfd^aff  3um  bloßen  «6e« 
fd)äftsfü!)rer"  unb  ^^BeooUmädjtigten"  ber  Stau  „emiebrigt*  (!)  loerbe, 
iDeil  {eine  Redete  ftd)  nxi^i  beutlid)  genug  als  Ausfluß  feiner  perfön- 
lid^en  f^errfd^aft  über  bie  S^^^  barfteUten.  Die  l)eftig{te  Abneigung 
erregte  ber  (EnttDurf  bei  6ierke,  ber  lebf^aft  bebauert,  bog  bie,  ber 
Konftruktion  bes  ge|e^Iid)en  (Büterftanbs  3U  (brunbe  gelegten,  prin- 
3ipien  nid^t  an  bie  ^(Bemere  3ur  redeten  Dormunbfd^aft"  bes  Sad^fen- 
fpiegels  anknüpfen.  Unb  er,  ber  in  be3ug  auf  anbre  Punkte  bem  (Ent* 
iDurf  in  flammenben  IDorten  ITIangel  an  (03ialem  (Empfinben  unb  an 
Bekanntfd^aft  mit  ber  „Dolksfeele"'  oormirft,  beklagt  bitter  bie  Aus« 
bef)nung  bes  Dorbel)aItsgutsd)arakters  auf  ben  felbftänbigen  (Enoerb 
ber  Srau  :  -  toeil  fie  bie  ^(Einljeit  ber  (Efje"  3erreifje.  3ebem,  ber  aud) 
nur  bie  3uftänbe  in  unfren  proletarierefjen  kennt,  mufe  bieje  S^rbe- 
rung,  einem  Begriff  3uliebe  l)immel|d)reicnbe  Ungeredjtigkeiten  3U 
bulben  unb  3U  förbern,  gerabe5u  unglaublid)  klingen.  £ebensfremb, 
mit  bem  ^aupt  in  ben  IDoIken,  jagt  6ierkc,  roo  immer  w\x  ihm  be- 
gegnen, bem  pijantom  ber  äufeerlidjen  „(Einljeit"  ber  Familie  unb 
eines,  nad}  [einer  burd)  bie  (l)efd}id}te  wiberlegten  Anfid^t,  fpe3ififd) 
„beutfd^nationalen"  (Ef)ered}ts  nadf  unb  kommt  besf^alb  bem  (EntiDurf 
gegenüber  3U  bem  d}araktertftijd)en  Urteil:  ^Don  allen  geltenben  Hed)« 
ten,  Q)eld)e  bie  DenDaltungsgemein|d)aft  ober  ben  et^elid^en  Uiegbrauc^ 


472       Das  (E^ered^t  bes  beutfc^en  Bürgerlichen  (5e{e^bu(^es. 

3um  Husgangspunftt  nehmen,  ^at  fteins  in  gleichem  ITtage  bie  (B^ 
Serriffen,  bie  Stellung  bes  Dlannes  ^erabgetoürbigt,  ber  5tau  gefc^öft* 
lid^e  unb  proseffuale  Hötigfteit  sugebad^t,  b^n  Derfte^r  unter  btn  (E^< 
leuten  in  gefd^öftlid^e  5^^^^^  geftleibet,  bas  gegenfeitige  mißtrauen 
unb  bie  siffernmagige  Berechnung  3um  Prin3tp  erhoben,  b^n  e^Iic^en 
Steift  ^erausgeforbert"  ^).  (Es  ift  nur  ftonfequent,  ba%  (Bierke  Don 
feinen  3bealen  aus  für  bie  (Erhebung  ber  allgemeinen  (Büter9^ 
m  e  i  n  f  d^  a  f  t  3um  gefe^Iid^en  (Büterftanb  eintritt.  (Er  prcift  pe  als 
oonfeommenftes  Sqmbol  ber  ibealen  (E^e,  „bie  bod^  nun  einmal  eine 
(Bemeinfd^aft  aller  göttlichen  unb  irbifc^en  Dinge  ift".  IDobei  er  aber 
eben  oergifet,  ba%  ein  berartiges  ^oc^geftimmtes,  ben  (Beift  ber  ,R^ 
d^en^aftigfeeit"  ausfd^Iiegenbes  Der^öltnis  3tDeier  fittlic^  ooQftommener 
Perfönlid)6eiten,  —  bas  felbftoerftänblid^  au^  unfer 
fittlid^es3beal  ift,  -  felbft  bei  nienfd^en,  bie  fic^  aus  tiefer 
ITeigung  heiraten,  nid^t  als  ettoas  oon  oorn^erein  (begebenes,  fonbem 
eben  als  ein  „3beal"  b.  ^.  aber:  eine  Huf  gäbe  3U  gelten  fyä, 
beren  £öfung,  toenn  fie  nid^t  mit  ben  5I^ttertD0d)en  oerfliegen  joll, 
nid^t  als  (Ergebnis  einer  Ballbeftanntfd^aft  ober  auc^  einer  nod)  fo 
tiefge^enben  £iebesletbenfd^aft  plö^Iic^  unb  bennoc^  bauernb  erftürmt, 
fonbem  fd^ritttoeife  in  langjähriger  fittlid^er  (Enttoidklung  oenDirttIid)t 
roerbcn  roill.  Die  3umutung  an  ben  (Befe^geber  eine  berartige  (&^ 
meinfd)aft,  ooll  reftlofcn  Dertrauens  unb  felbftlofeftcr  !}ingabe,  per« 
mittelft  bes  (bütcrrcd)ts  als  generell  befteljenb  3U  fingieren  ober  iljre 
(Eji|tcn3  burd)  Paragrapljen  3U  er3n)ingen,  behunbet  foroof)!  ein 
Dcrhcnncn  bes  innerftcn  IDefcns  ber  Sittlid)fteit,  roie  audj  ber  Huf« 
gaben  unb  Vflad^t  bes  (befe^gcbcrs,  —  ober  aber  es  bebeutet,  pdjerlid) 
fefjr  gegen  (Bicrfte's  Hbfid)t,  ba^  bie  „(Bretdjengefüljle"  ber  Braut  für 
bie  pekuniären  3ntcreffen  bes  ITIanncs  kraft  (befe^es  nuftbar  gemad»t 
werben. 

(Ein  äl)nlid)er  3rrtum,  nur  in  crljeblici)  ocrgröberter  S^rm,  lag 
and}  bm  5orberungcn,  bie  5i^icbrid)  inomm[en  erljob,  3U  (Brunbe.  Ruci) 
er  oerlangte  —  nota  bcnc  cor  allem :  bei  ber  S^<^^  —  bie  3n)angs« 
tDcifc  Sörberung  ber  eljclidien  (Befinnung  burd)  bie  allgemeine  (Büter» 
gcmeinjd)aft.  (Er  erklärt  es  für  fittlid)e  Pflidjt  ber  Stau,  audj  öas 
UnglüÄ  einer  eintrctcnben  Derarmung  mit  bem  UTanne  3U  teilen,  l)ält 
CS  bagegen  für  „|d)U)äd)lid)c  Sentimentalität"  (!),  bem  ITIitleib  mit  ihr 

')  S.  414.  a.  a.  ®. 


C.  Das  (Eljcgüterrcc^t.  473 

einen  (Hinflug  auf  bie  (5e[taltung  bes  (Büterred^ts  einsuröumen ').  3m 
„f)amburger  (Eorrefponbent''  tourbe  barauf  feinerseit  sutreffenb  geant« 
iDortet,  ba%  bie  (Entfd^eibung  über  feine  ^{ittlid^e  Pflid^ten''  bem  (Ein* 
seinen  |elb|t  3u  überlaffen  fei,  ba%  es  aber  ferner  burc^aus  nic^t  als 
|ittlid)e  Pflid)t  ber  $rau  gelten  könne,  ben  (gläubigem  eines  Spielers, 
Urunftenbolbs,  Spekulanten  ober  galanten  Abenteurers  it^ren  unb  it)- 
rer  Kinber  Unterhalt  3U  opfern. 

Unter  gan3  anbren  (5e{id)tspunftten  empfiehlt  Anton  HI e n  3 er 
bie  allgemeine  (Bütergemeinfdjaf t  für  bie  b  e  ( i  ft  I  0  f  e  n  Klaffen.  3m 
(5ebanften  baran,  bog  in  \emn  Kreifen  beibe  (hatten  in  ber  Regel  nur 
if)re  Arbeitskraft  in  bie  <Et)e  einbringen,  unb  bie  (Eötigfteit  ber  5^^^ 
meift  ebenfo  toertDoU  3ur  (Eri^altttng  ber  $amilie  ift,  toie  bie  bes  IHan« 
nes,  f)ält  er  —  in  i  ^  r  e  m  3nterene  -  für  „bie  allein  paffenbe  (be- 
ftaltung  bes  (Ef^egüterred^ts",  bog  {otoo^I  bas  (Eingebrad^te,  roie  auc^ 
bas  Ipöter  (Ertoorbene,  gemeinfd^aftlid^es  (but  beiber  (batten  toirb. 
Offenbar  benkt  er  babei  an  bie  ITIöglid^fteit  einer  für  bie  $rau  oor« 
teilf)aften  (Eeilung  bes  (bejamtguts  bei  Auflö|ung  ber  (Ef)e,  berücfapc^« 
tigt  aber  nid)t  ii^re  oöUige  Abf)angigtteit  n)äf)renb  ber  <Ef)e,  unb  bie 
(befät)rbung  all  it)rer  f)abe  einfd^Iieglid)  if^res  Arbeitsoerbienftes  burc^ 
bie  ei)elid)e  Sd)ulbengemeinfd)aft.  AUerbings  finb  aud)  if)m  ^coeifel 
aufgestiegen,  „ob  bie  f^eroorragenbe  Stellung,  meld\t  ber  beutfd)e  <Ent« 
iDurf  bem  (El^emann  aud)  in  ber  <bütergemeinfd)aft  3utDei|t  (SH.l),  für 
biefe  Dolftsftreife  i)inreid)enb  gere^tfertigt  ift".  f)ätte  er  bie  iurifti« 
fd)en  Kon{equen3en  ber  (bemeinfd)afts|i){teme  oöUig  burd)bad)t,  |o  toäre 
er  grabe  oon  {einem  Stanbpunftt  aus  cDai)r{d)einIid)  3U  einer  birekt 
entgegengefe^ten  S^^berung  gekommen. 

Unter  tDirtfd)aftIid)en,  ebenjo  toie  unter  ftttlid^en  <befid)tspunkten 
roäre  eine  allgemeine  (bütergemeinfd^aft  nur  bann  überi)aupt  3U  einem 
„3beaI''«Si)|tem  3U  gejtalten,  roenn  \\t  nid)t  nur  (Eigentums*,  jonbern 
aud)  Dern)altungsgemein{d)aft  (im  n>at)ren  n)ortfinn),  bas  l)iege  aber 
Dor  allem:  D  e  r  f  ü  g  u  n  g  s  gemeinfd^aft  beiber  (J>atten  bebeutete; 
n>enn  al(o  ber  $rau  bas  Hed)t  gegeben  toürbe,  über  bie  Derroenbung 
bes  beiberjeitigen,  if^res  coie  bes  mönnlid^en,  (Einkommens,  bes  Kapital« 
toie  bes  Arbeitseinkommens,  genau  |o  frei  3U  bejtimmcn,  tpte  er  3U 
tun  bered)tigt  ift.  Damit  fielen  aber  natürlid)  alle  Sd)ranken,  CDeld)e 
bas  (but  bes  einen  (hatten  gegen  UncDtrt{d}aftIid}keit,  oerjd^ipenberifd^e 
Ueigungen  unb  (bejd)aftsuntüd}tigkeit  bes  anbern  |d)ügen,  fort.    (Ein 

')  S   97  6er  ^<butad)tlid)cn  Aeugerungen". 


474       Das  (E^ered^t  6es  beutfd^en  Bürgerlid^en  (5e{e^bu(^es. 

|oId)er  f  a  k  t  i  f  d)  e  r  Suftanb,  mo  ein  dlfvpaax  nur  eine  ein3i9e  Hoffe 
Ijatf  in  bie  jeber  von  it)nen  gan5  nad^  (Butbünften  greift,  ift  freute 
in  !)armonifd)en  (E^cn  ftcine  Seltenheit.  (Eine  5orm,  bies  3U  ermög* 
lidjen,  ijt  in  btn  befi^enben  Kreifen  3.  B.  bie  (Eröffnung  eines  gemein» 
{amen  Bankgutt^abens ,  auf  meld^es  jeber  ber  (Batten  burd)  Sd^tä 
3iet)en  bann,  unb  bem  alle  (Einnahmen  3ufliegen.  (Eine  berortige  (5^ 
Italtung  ber  oermögensred^tlid^en  Besie^ungen  ber  (Batten  i|t  aber 
nur  bei  einem  ITIag  oon  DertrauenstDÜrbigfteit  unb  dt^arakterbis« 
3iplin  bciber  (Batten  möglid),  roeld^es  ein  (Beje^geber,  beffen  Aufgabe  es 
\a  gerabe  fein  mug,  für  möglid^e  KonfliktsföIIe  Dorforge  3U  treffen, 
bei  bem  Durdjfdjnitt  ber  Itlenf djen  bod^  nid^t  einf ad^  als  gegeben  oor« 
ausfegen  barf.  Dagegen  toöre  fe^r  tDot^I  benkbar,  in  Sukunft  eine 
berartige  ,.(Büter»  unb  Derfügungsgemeinfdjaff  als  Dertragsredjt,  unö 
bann  mit  tOirkung  au(^  3U  (bunften  ber  (blöubiger  beiber  (batten, 
3U  formulieren,  —  iDODon  am  Sdjiufe  no<^  einige  IDorte  3U  fagen  fein 
rocrben.  3"  il)ter  Ijeutigen,  00m  (Enttourf  (§  1437  f.)  formulierten 
(beftalt  bebeutet  bie  »^allgemeine  (bütergemeinfd^aff  bagegen:  ba^ 
aud^  bie  Subftan3  bes  oon  ber  5^^^  (Eingebrad^ten  unb  and^  ibr 
Hrbeitsoerbienft  ber  Derfügungsgeroalt  bes  Itlannes  allein  unter» 
liegt.  (Er  ift  nur  bei  Sd^enkungen,  Derfügungen  über  (Brunbftüdie 
ober  über  bas  (Bcfamtgut  als  (ban3es  an  iljre  Suftimmung  gebunben. 
Die  Srau  barf  ^wax  bei  Krankljcit  unb  Rbroefen^eit  bes  UTannes 
Hcd)tsgcfd)äftc  oorneljmen,  bagegen  im  Sali  feiner  (Befd)äftsunfäl|ig« 
keit  toirb  fein  Red)t  nidjt  ettoa  oon  ber  5tau  als  foldjer,  fonbem  Don 
feinem  Dormunb  (!)  ausgeübt ;  —  ber  Itlann  ift  ferner  ber  Srau  für 
eine  burd)  nod)  fo  fd)U)eres  Derfdjulben  Ijerbeigefüljrte  Sd)äbigung 
bes  (Befamtguts  nid)t  DeranttDortlid),  fofern  nid)t  bie  H  b  f  i  d)  t ,  fic 
3U  fd)äbigcn,  cru)iefen  wirb ;  -  unb  enblid)  kann  bie  Srau  nur  bann 
bie  Huflöfung  ber  (Bütergemeinfd)aft  Derlangen,  roenn  (§  1468)  cnt« 
toeber  fd)on  eine  aud)  iljren  3ukünftigen  (Ertoerb  gefäljrbenöe 
Ueberfd)ulbung  ober  eine  (Entmünbigung  bes  UTannes  toegen  Der* 
fd)U)cn5ung  ober  gcroiffe  fd)tDcre  Derfeljlungen  bes  UTannes  gegen  il|re 
Red)te  faktifd)  Dorliegen.  HIs  (Begentoert  gegen  biefe  Unterorbnung  ber 
Srau,  bie  if)r  ausjdiliefelid)  für  foId)c  Red)tsgefd)äfte,  bie  „3ur  (Drb* 
nung  il}rer  pcrfönlid)cn  flngelegenljcitcn"  ettoa  erforberlid)  fein  folltcn, 
bie  Anrufung  bes  (Berid)ts  3ur  (Erteilung  bes  com  HTanne  oerroeiger» 
ien  Konjenfes  geftattet  (§  1451),  l\ai  bie  S^au  bei  unbeerbter  (Ehe 
au^er  iljrem  Hnteil  am  (Befamtgut  ein,    je  nadi  ber  Derroanbtfdjafts» 


C.  Das  (El^cgütcrred^t.  475 

näf)e  öer  anöern  (Erben  in  5er  (Quote  iDed)|eIn5es  —  ITIiterbred^t  am 
Anteil  öes  Dlannes  (|.  u.).  3m  5aII  beerbter  (Ef)e  ^at  \\t  bis  3u  einer 
ettoaigen  tOieöeroert^eiratting  öas  Hec^t  öer  „Sortfe^ung"  öer  <5üter« 
gemeinfd^aft  nad)  öem  (Eoöe  öes  ITIannes  (toie  umgekel^rt  aud)  öer 
manne  nadf  it)rem  (Eoöe),  toobei  fte  öann  in  öie  red^tlid^e  Stellung 
öes  ITIannes,  öie  Kinöer  in  öie  bisl^er  oon  ii^r  innegel^abte  Stellung 
einrü(faen  (§  1487).  Diefe  Hed^tslage  kann  für  öie  oermögenslofe  $rau, 
öie  einen  bemittelten  ITIann  f)eiratet,  rein  ökonomifd)  oerlocfaenö  |ein. 
Allein  fotooi)!  öiefe  ökonomif^en  Dorteile  coie  öie  Prämie,  toeld^e  fie  in 
(Beftalt  öer  Stärkung  it^rer  mütterlid^en  Autorität  als  tDitcoe  öaöurd) 
empfängt,  öag  öie  Kinöer  unter  normalen  Derf^öltniffen  it)ren  (Erban« 
teil  in  öer  fortgelegten  (Bütergemeinfd^aft  laffen  muffen,  meröen  einer 
moöern  empfinöenöen  $rau  öurd)  öie  Untertoerf ung ,  öie  il)r  für  öie 
Dauer  öer  (Et)e  3ugemutet  tpirö,  3U  teuer  erkauft  erfd)einen.  Sie  kann 
ftd)  eine  gan3  gleid^artige  Stellung  :  -  Iliegbraud)  unö  Dermaltung  öer 
tDitroe  ~  überöies  aud)  öurd)  (Ef^e*  unö  (Erboertrag  mit  öem  (batitn 
f!d)ern.  Sie  coirö  es  aber  in  öer  Hegel  billiger  gegen  öie  Kinöer  fin« 
öen,  fid)  mit  i^rem,  bei  jeöem  (Büterfqftem  beftet^enöen,  gefe^Iid^en  mit* 
erbred)t  am  Dermögen  öes  IHannes  unö  öaneben  mit  einem  Anteil  an 
öer  ef)elid)en  „(Errungenfd)aft''  3U  begnügen,  öen  fte  fid)  freute  öurd) 
(Erboertrag  ausbeöingen  kann  unö  öen  il)r,  l)offentIid),  in  3ukunft  öas 
<5efeg,  n>ie  nod)  3u  erörtern,  3ubiUigen  toirö. 

näd)ft  öer  allgemeinen  (Bütergemeinfd)aft  touröe  oon  öen  (F>eg- 
nem  öes  (Enttourfs  am  lebt^afteften  für  öie  (E  r  r  u  n  g  e  n  (  d)  a  f  t  s* 
g  e  m  e  i  n  { d)  aj  t  plööiert.  Unö  ^wax  3iemltd^  einf)eitlid)  mit  öer 
Begrünöung,  öag  öer  Aus{d)Iu6  öer  5^Qu  oon  öer  (Eeilnaf)me  an  öer 
el)elid)en  (Errungen|d)aft,  alfo  an  öem  öurd)  öie  Arbeit  öer  (Batten 
er3ielten  Dermögens3un)ad)s,  ungered)t  jei.  (Es  ift  in  öer  (Eat  ein 
empfinölid)er  IHangel,  öag  unter  öem  9e{et)Iid)en  (J>üterftanö  öie  5t<^u 
3iDar  als  IDitcoe  einen,  je  nad)  öer  Dern)anötjd)aftsnäl)e  öer  (Erben, 
mit  öenen  fie  3U  teilen  l)at,  Der[d)ieöen  großer  Anteil')  am  Dermögen 

h  neben  Denoanöten  erfter  (pT6nun9  (Abkömmlinge)  ein  Pierteil,  ne* 
ben  |oId)en  jmeiter  (Prönung  ((Eltern  öes  Derftorbenen  un6  öeren  Abkömm- 
linge i  unö  neben  (brogeltern  öie  f)älfte.  Deripanöten  Dterter  (Prönung  gel)! 
öer  (Ef^egatte  überf)aupt  por.  Daf)  öer  (Ef)egatte  bas  (Eigentum  an 
öiefem  (Erbteil  erlfält,  ent{prid)t  öem  Preugiid^en  £an6re(bt  unö  ftef)t  im 
(^egenja^  3U  öen  romanifd)en  (T^eje^gebungen  [duU-  vin:I.  italienifd)er  unö 
fpant|d)er  doöer).  roeldje  if)r  nur  einen  Ilieftbraud)  an  öer  betreffenöen 
(Quote  einröumen. 


476        Das  <£t)ere(i^t  bes  öeutfd^en  Bürgerlichen  (Befe^bud^es. 

5es  (Batten,  bagegen  bei  ber  (Et^efd^eibung,  aud)  ido  ausfc^Iieglid)  ber 
VXann  fic  oerfd)uIbet,  feeincn  Pfennig  von  bem  Dermögenssuroadjs  er» 
^ält,  ber  oielleid^t  nur  burd^  iljre  Sparfamheit  ober  gar  burc^ 
i^re  pofitioe  Dlitarbeit  im  (Befc^öfte  bes  Dlannes  gefd^affen 
ift.  Dies  kann,  roie  befonbers  3aftrocD  betont  liat,  wenn  ber  mann 
unter  iljrer  niit^ilfe  ein  Dermögen  ertoirbt,  nun  noblen  pa|fionen 
5ugönglid)  loirb,  fie  burd)  Untreue  5ur  Sd^eibung  nötigt  unb  bann 
ftraft  (Befe^es  bas  Dermögen  für  fid)  unb  feine  (Beliebte  bet^ölt,  3u 
gerabe3U  unerhörten  Konjequensen  führen.  Dem  n>ürbe  —  coie  am 
Sdjlufe  3u  erörtern  -  burd)  Renberung  ber  güterredjtlic^en  Kon|equen« 
3en  ber  Sd^eibung  3U  begegnen  fein.  Hllein  bie  IDa^rung  bes  fidleren 
Dorteils,  ben  i^r,  innerhalb  bes  gefe^Iidjen  (Büterftanbs,  ©enigftens  bie 
felbftänbige  Derfügung  über  iljren  flrbeitsoerbienft  mö^renb  ber 
(Efje  bietet,  mufe  -  roie  bie  Dinge  nun  einmal  liegen  —  ber  5^öu  m» 
ter  allen  Umftänben  roid^tiger  fein,  als  bie  Sid^erung  fencr  5ni<^^ 
ber  (Errungenfd^aftsgemeinfdjaft  bei  Huflöfung  ber  (EIjc,  bie  fie 
fid^  überbies  ja  aud)  ^eute  burd)  (Erboertrag  gefonbert  ausbebingen 
ftann.  Denn  im  übrigen  befteljt  unter  bem  Softem  ber  eljemänn« 
lid^en  Hutorität  bie  prin3ipielle  Befonber^eit  ber  (Errungenfdjaftsgemein» 
fd^aft  gegenüber  bem  Sqftem  ber  et^emännlid^en  Dermaltung  unb  Hu^« 
niegung  ja  grabe  barin,  ba^  auger  bem  (Ertrag  bes  (Eingebradjten 
aud)  ber  Hrbeitsoerbicnft  unb  aller  (Befd)äftsern)erb  beiber  (Balten, 
als  (Befamtgut,  allein  oom  HT  a  n  n  Dertoaltet  roirb.  Sie  fdjiiefet  aljo 
bie  Rusfonberung  bes  HrbeitsDerbicnftes  ber  5^ou  als  gefeftlidjen  Dor* 
beljaltsguts  aus,  unb  fie  untcrftellt  in  ber  5orm,  bie  bas  (Befe^budj 
biefem  (Büterjtanbe  gegeben  Ijat,  gan3  ebenfo  toie  bas  gefeglid)e  (Bütcr« 
red)t,  bas  gefamte  (Eingebrad)te  ber  5rau  ber  Derfügung  bes  TTIannes 
allein.  Dasfelbe  trifft  in  nod)  l}öl)erem  Hlafee  für  bie  5  Q  ^  t  n  i  s» 
gemeinjd)aft  3U,  in  ber  aufeer  ber  „(Errungenfd^aft"  aud)  alles 
betoeglidje  eingebrad)te  (But  unb  überbies  aud)  alles  erft  nad)  (El>e« 
jd)luft  entgcltlid)  ercoorbene,  unbetDegIid)e  (But  (Befamtgut  toirb  unb, 
im  tDefcntlid)cn  toie  bei  ber  allgemeinen  (Bütergemeinfd)aft,  oom  Illann 
allein  ocrtDaltet  toirb.  3n  all  biefen  5ällen  kann  fid)  bie  (El)efrau 
3ur  eignen  Dertoaltung,  alfo  als  „Dorbel)aItsgut",  anbre  als  etroaigc 
burd)  (Erbfd)aft  ober  Sd)enkung  if)r  ausbrüÄIid)  als  |oId)es  3ugen)en» 
bete  Dermögcnsobjektc  nur  burd)  (El)eoertrag  ausbebingen.  Sie  ift 
alfo  in  jebem  5oU  unfelbftänbiger  gcftellt  als  felbft  beim  geje^li(^cn 
(Büterftanbe  unb  roirb  nur  burd)  btn  Rnteil  am  Dermögens3urDad)s  bes 


C.  Das  (El)egüterrcd>t.  477 

niannes  im  (Erbfalle  bafür  ent|d)a6igt.  (Es  iptrö  aber  toeiter  unten  aus« 
5ufüf)ren  [ein,  ba%  bie  (betoä^rung  eines  |oId)en  (Erbanteils  unter  allen 
Umftönöen  ber  Billigkeit  entfprid^t,  gerabe  aud)  bei  befte^enber  (büter« 
trennung. 

Der  ent{d)ieben  überroiegenbe  (brunbton  bei  btn  mannigfaltigen 
Ausftellungen  unb  Henberungsoorfd)Iägen  ber  fad)iuriftifd)en  Kritiker 
bes  (EnttDurfs  mar  -  bei  allem  guten  tDiUen,  aud)  ber  $rau  met)r 
als  bisher  geredet  3U  toerben  -  bo(^  bas  3ntere{fe  an  möglic^ft  un« 
gel)inberter  oermögensrec^tlic^er  f^errfd^aft  bes  IHannes.  Aud)  3uriften, 
bie,  roie  Sc^röber,  ITIitteis,  Pfifter,  bie  IDaf)I  ber  ^Derroaltungsgemein- 
\diQ^t"  unb  i^r  mobemifiertes  (beroanb  grunb|a^Iid)  billigen,  erfc^eint 
es  als  ,,<befät)rbung  bes  ef^elid^en  S^i^^^^i^"»  ^^6  3*  B.  ber  ntann 
für  getoiffe  eingreifenbe  f)anblungen  mit  bem  Dermögen  ber  5^ou 
an  it)re  Suftimmung  gebunben,  ba%  it)m  —  roas,  roie  toir  |a^en,  lei- 
ber  n  i  ^  t  ber  $aU  ift  -  eine  ,,peinlid)e  Hed^nungslegung"  3uge« 
mutet,  ba^  {ein  Derfügungsred^t  über  ben>eglid)e  Sad^en  Befd^ränttun- 
gen  unterworfen  roerben  |oU^).  Sie  pläbierten  birekt  für  bie  freie 
Derfügung  bts  Hlannes  über  alles  betoeglid^e  S^auengut,  einfd^Iieglid) 
logar  if)rer  Sd)mu(k{ad)en ,  -  toomit  fie  bas  Hed^t  ber  $rau  unter 
bas  nioeau  ber  fortgefd^ritteneren  Redete  ber  Sad)|en{piegel3eit  3urü(k' 
fd)rauben  mollten!  Hid^t  nur  (bierke,  {onbern  aud)  Pfifter  unb  ITIit* 
teis  oerlangten  |ogar,  baj^  bas  eingebrad^te  5T0uengut  für  bie  Sd)ul« 
ben  bes  IHannes  t^afte  unb  ^oben  bamit  ben  Sinn  bes  gan3en  Si^« 
ftems  überl^aupt  aus  btn  Angeln.  Unter  bem  (Einfluß  bie{er  Kritik 
iDurben  jebod)  am  erften  (Entrourf  toelentlid)  nur  S^^^^'^^^^ungen 
oorgenommen,  burd)  bie  es  3ur  Berut)igung  eines  ^.gemäftigten"  pa> 
triard^alismus  gelang,  ben  gefeglid^en  (büterftanb  als  (Eeil  bes  perlön* 
lid^en  f)err|d)aftsred)ts  bes  Hlannes  beutlid)er  erkennbar  3U  mad)en. 
Der  (bebanke  an  eine  über  beu  (Entrourf  t)inausgef)enbe  Derfelbftän* 
bigung  ber  5röu  ift  in  ben,  ^tjiftorijdj"  unb  -  roie  man  eben  leiber 
fief^t  -  bod)  aud)  burd)  if)re  (J>e[d)Ied)ts3ugel)örigkeit  gebunbenen,  fad)> 
roif{enf(^aftlid)en  Krei(en  nur  gan3  Derein3elt  aufgetaud)t.  So  empfal)* 
len  3.  B.  fjoltum  unb  3ol)|t  bas  römijd)e  Dotalred)t,  bem  übrigens 
aud)  bie  motioe  roof)I  ober  übel  ben  (Ef)renpreis  in  Be3ug  auf  bie 
Sid)erung  unb  Selbjtänbigkeit  ber  S^öu  3u[pred)en  muftten.  Sie  er- 
kennen aud)  bie  prin3iptelle  Bered)tigung  bes  Stanbpunkts  an,  von 
bem  aus  eine,  im  3al)re  1876   an  ben  Heid)stag  gerichtete  Petition 

M  S.  161  ber  „(l)utad)tl.  Aeugcrun^cn." 


478       Das  (E^errcdjt  öcs  öcutjd^cn  Bfirgerltc^en  (5efe^bu(^es. 

öcs  allgemeinen  öeutfdjen  5^auenoereins  um  öie  (Einführung  öer  (M« 
tertrennung  gebeten  ^atte.  Unter  Berufung  auf  öie  ^gefdjidjtlic^ 
(EntroiAIung"  bes  beutfdjen  Hed^ts  unö  öer  i^r  3U  (brunbe  liegenben, 
angeblidj  Ipesifijd)  beutjd^en  (E^eauffaffung  glauben  pe  febodj  eine 
einge^enöe  Huseinanöerje^ung  mit  jenen  Dor|d}lägen  abroeifen  3U 
bürfen. 

Hur  öer  jdjon  genannte  prafetifeer  Karl  Bulling  kritiperte  no(^ 
in  le^ter  Stunbe,  als  ber  (EnttDurf  bem  Reid^stag  fd^on  oorgelegt 
toar,  fe^r  feinftnnig  unb  einge^enb  bie  patriarc^alen  Beftanbteile 
bes  Dermögensredjts.  (Er  c^arahteriflert  bie  Denoaltung  unb  nu|« 
niegung  bes  Dlannes  als  Husflug  ber  alten  (E^eoogtei  unb  leitet  bie 
5orberung  nad)  (Bütertrennung  aus  i^rer  tiefjten  (Quelle:  bem  poftu« 
lat  ber  pttlid^en  Sreiljeit  ber  perfönlid^heit  ab,  bie  er,  pofltio  gemen« 
büf  gan3  rid^tig  als  Red^t  jebes  ein5elnen  3U  felbftbeftimmtem  f)an< 
beln  unb  IDirfeen  in  ber  Rufeenroelt,  als  „Sx^iil^it  in  ber  Pflidjterfül» 
lung"  bc3eid^net. 

Derglid^en  mit  ber  trabitionellcn  (Bebunbenl^eit  unb  Unsugäng« 
lidjkeit  ber  iurijtijdjen  5o^roiffenjd)aft  gegenüber  allem  ,, Heuen",  er» 
fd^einen  bie  Reid^stags»  unb  Retd^stagskommiffionsoer^anblungen  Dom 
3al)re  1896  jdjon  unter  bem  3eidjen  ujefentlid)  mobernerer  flnfdjau» 
ungen.  I}ier  naljmen  ja  immerhin  aud^  £aienkrei{e  3U  ben  geplanten 
(Belegen  Stellung,  unb  ba  ber  Ballaft  ber  Dergangenljeit  unb  bie 
Sdjolajtik  bes  überlieferten  KoIIegljefts  pe  toeniger  belajtete  als  bie 
5ad)U)iffenfd)aft,  liefen  fie  pd)  unbefangener,  roenn  nidjt  Don  neuen 
„3been",  |o  bod)  von  rein  |ad)Iid)en  (Erwägungen  ergreifen.  3n3n)i« 
fd)en  Ijatte  pd)  überbies  aud)  bie  Bebeutung  unb  Kraft  ber  organi« 
perten  Sraucnbecoegung  gepeigert.  Der  bamals  eingereidjten  5taucn« 
Petitionen  U)ur5c  bcnn  aud)  Ijäupg  gebadet;  allerbings  beruljigte  jicb 
öie  Hleljrljcit  immer  u)ieber  mit  ber  (Ercoägung,  ba^  jie  ebtn  bodj  nur 
öie  Hn|d)auungen  einer  kleinen  5^ouengruppe  3um  Rusörudi  bringe, 
roäljrenö  öie  „ITIajfc"  pd)  pajpo  oerljalte  unb  öemnad)  offenbar  oöllig 
3ufrieöen  mit  öer  iljr  3ugeöad}ten  Reditsftellung  |ei.  Rljo  nur  unter 
öem  DruÄ  öer  „ITIaffcn"  li'ätt^  jid)  öie  rnajorität  öer  DolksDertretung 
im  3al)re  1896  —  Diellcid)t  -  eine  Bcroilligung  oon  Srauenforöerun« 
gen  abprefjen  laffen.  Xiaö:^  öem  Ruljmestitel,  aus  blofeem  unbefangenen 
(Bercd)tigkeitsgcfül)I  mit  öer  (Eraöition  3U  bred)en,  —  öen  pd)  öas  eng« 
lijd)e  Parlament  oom  3al)rc  1882  oeröient  Ijat  —  ftanö  i^x  Sinn  nicbt. 
3mmerl)in  konpatieren  toir  öankbar,  öa^  mit  Husnaljme  öer  Deutfdj« 


V 


C.  Das  (Ef)cgüterrc<^t.  479 

ftonleroattoen,  öes  dentrums  unö  6er  nattonaUtberalen  ITtönner  oer« 
|d)ieöen|ter  Parteien  öamals  energifd)  für  DoIIe  Selbltönbtgfteit  öer  $rau 
eintraten.  Dag  öie  |o3iaI6eniohratifd)e  Partei  gefd^Ioffen  öafür  kämpfte, 
roar  als  notroenöige  Kon[equen3  it^res  Programms  un5  tf)rer  Partei« 
tafttih  an  fid)  lelbftoerftänölid).  Hber  öer  (bxab  oon  IDärme  unö  (Eifer, 
mit  öem  if)r  parlamentarifdjer  Sü^J^^i^  (Bebel)  immer  roieöer  für  öie 
(Gütertrennung  pläöierte,  obtoof^I  jie  ja  -  coie  er  3utreffenö  bemerkte 
-  für  öie  5^^uen  proletarifd^er  Kreifen  relatio  ^  •  gleid^gültig  ift,  3eigte 
öod)  aud)  ein  rein  men{d)Iid)es  <5ered)tigkeitsgefüf)l  unö  einen  |tttlid)en 
3öealismus,  öer  aus  einer  tieferen  unö  reineren  (Quelle  flog,  als  alle 
parteipolitifd^en  (Ertoögungen. 

Aber  aud)  aus  öen  Heitren  öer  bürgerlid^en  Parteien  touröe  für 
öie  (Einfüi^rung  öer  (Gütertrennung  pläöiert.  3n  öer  Heigstagskom- 
miffion  tpuröen  oon  21  immer i)in  6  Stimmen  öafür  abgegeben*),  unö 
tDenn  toir  öem  freikonferoatioen  lDortfüf)rer  öer  ITIinorität  glauben 
öürfen,  fo  traben  aud)  met^rere  öer  (Gegner  3ugegeben,  öag  öie  (Gü- 
tertrennung öas  Red)t  ^öer  Sukunft"  {ei,  ot)ne  freilid)  irgenö  toeld^e 
|ad)Iid)en  (Grünöe  öafür  an3ugeben ,  roarum  es  alsöann  nid}t  fc^on 
öasjenige  öer  (Gegenwart  {ein  könne.  -  3n  öen  pienaroerf^anö' 
lungen  traten  öie  liberalen:  (Eräger,  Hickert,  Prin3  Sd)önaid)'([aro> 
latl),  ferner  D3iembotDski«pomian  oom  Stanöpunkt  liberaler  3öeale 
aus  rüdit^altlos  für  ooUe  (Gütertrennung  ein.  Am  bemerkensroerte* 
ften  aber  i{t  es,  öag  öen  5^^uen  auf  öer  redeten  Seite  öes  !}au{e$ 
geraöe  in  öem  Abgeoröneten  5^4^-  t>*  Stumm>f)alberg  ein  Antoalt 
erftanö,  öer  bei  jeöer  £e{ung,  {orooljl  in  öer  Kommi{fion,  roie 
im  Plenum,  mit  £eiöen{d)aft  unö  tDol)Iöurd)öad}ter  £ogik  für  öie 
(Gütertrennung  eintrat.  (Er  kon(tatierte  ^wax  3u  Beginn  öer  (General« 
öebatte,  öag  er  „roeit  öaoon  entfernt  {ei",  öer  „{ogenannten  S^Q"^"' 
eman3ipation''  öas  tOort  3U  reöen  unö  öie  (GIeid)(teUung  öer  S^^^  ^^^ 
öem  Illann  3U  oerlangen,  -  erklärt  aber  {päter:  „öie  (El)e  roirö  um 
{o  normaler  {ein,  je  meljr  öie  5^QU  ^^^  Wlann  gIeid)ge{teUt  roirö**. 
(Er  Der(äuntt  keine  (Gelegeul}eit,  um  jeöe  prin3ipiclle  (Gemein{d)aft  mit 
öer  So3iaIöemokratie  ab3uleljnen,  -  bis  auf  {ein  5<^(tl)alten  an  öem 
el)emännlid)en  (Eut{d)etöungsred}t,  öurd)  öas  er  offenbar  {ein  patriar« 
d)ales  (Gecoiffen  be{d)CDid)tigte,  bedien  (id)  jeöod)  (eine  et)cred)tlid)en 
Soröerungen  fa{t  auf  öer  gan3cn  £inie  mit  öenen  öer  äuBer{ten  £in« 

')  Aber  eben  freilid}  nur  „relatiD" 

-I  Pen  iDem?  ijt  aus  öem  Berid)t  nid)t  er{td)tlid}. 


480       Das  (E^ered^t  bes  beutfd^en  Bürgerltd^en  (Befegbuc^es. 

6en.  Aud^  bie  von  ben  oerfd^iebenen  Seiten  oorgebrad^ten  Begrün« 
bungen  ö^neln  einanber  fo  toettget^enb,  ba^  loir,  um  IDieber^Iungen 
3U  oermeiben,  einfad)  nur  5^^^-  o-  Stumm  3U  IDorte  ftommen  lajfen, 
benn  3tDeifenos  l^at  er  fid)  bie  Dertretung  feiner  5o^^^^"9^"  ^^ 
allen  Rebnern  am  meiften  ITtü^e  unb  einge^enbes  Stubium,  au(^  bet 
englifd^en  unb  ruffifd^en  (Befe^e,  Soften  laffen. 

(Er  oerlangt  sunöd^ft  aud^  für  bie  Regulierung  bes  Dermögens« 
red}ts  bie  Anerkennung  bes  (Brunbfa^es,  ba%  ber  Sd^u^  bes  Sd^w  ä* 
d)eren  Dome^mfte  Huf  gäbe  bes  (Befe^gebers  jei.  Hus  ber  flner« 
hennung  jenes  poftulats  folgt  aber  —  fpesiell  00m  Stanbpunkt  bes 
et^ifd^en  3nbiDibuaIismus,  ber  bie  menf(^Ii(^en  Besie^ungen  unter  ben 
etoig  gültigen  (Brunbfa^  {teilt:  Riemanb  ift  nur  mittel  eines  anbe< 
ren  -  bie  Pflidjt  bes  (Befe^gebers,  in  er|ter  Cinie  auf  ben  Sdjuft  ber 
5rau,  nid^t  aber  auf  btn  bes  Dlannes  bebad^t  3U  |ein,  btnn  no^ 
allen  bisherigen  (Erfahrungen  ift  fie  in  ber  (E^e  ber  fc^on  oon 
ber  Itatur  felbft  gebunbenere,  überbies  burd^  i^re  regelmäßig  größere 
3ugenblid}fteit  unb  oor  allem,  oorläufig,  burd)  bie  Art  it^rer  (Er* 
3ie^ung,  ber  abl}angigere  (Eeil,  roas  fie  im  (Effeftt  bem  ITtanne  g^ 
genüber  in  bas  Derljältnis  bes  „Sd^roäd^eren"  3um  „Stärfeeren"  fe^. 
tDenn  bie  Vertreter  bes  patriard^alismus  unb  ber  autoritären  Cebens* 
anfd)auung  bie  natürlid)e  (Bebunbent^eit  ber  verheirateten  S^<^^  gerabe 
umgckeljrt  3um  Husgangspunfet  iljrer  gefe^Iidjen  Unterorbnung  neb« 
mcn :  -  ein  Stanbpunkt,  btn  mir  prin3ipiell  fdjon  toieberl^olt  feritiper» 
tcn,  -  fo  parierte  Srljr.  d.  Stumm  berartige  Hnfidjten  mit  einem 
Sd)Iagu)ort,  bas,  [ooiel  mir  bekannt,  an  Sd)ärfe  alles  übertrifft 
was  bamals  oon  frauenrcd)tlid)er  Seite  geäußert  ift:  „Das  ©efeft  mufe 
bie  Srau  nid)t  fou)ol)I  burd),  rote  oor  iljrem  ITIann  fdjüften"'). 
Unter  biefem  (Bcfid)tspunkt  bietet  iljm  aber  ber  gefeglid)e  6üterftan5 
burd)aus  keine  genügenöe  (Barantie,  um  fie  cor  bem  £ei^tfmn  eines 
geroiffenlofen  ober  oor  ben  Befd)ränktl)eiten  eines  gei3igen  ober  klein» 
Iid)en  (Batten  3U  fd)ü^en.  Die  pekuniäre  Rbljängigkeit  ber  5rau  Don 
ber  Sreigebigkeit  iljres  (Battens  erfdjeint  iljm  mit  Redjt  namentlid) 
bann  unerträglid),  wenn  fie  burd)  eigenes  Dermögen  3um  Unterljalt 
ber  Samilie  beiträgt  ober  iljn  fogar  toefentlid)  allein  beftreitet.  Iln5 
offenbar  aus  öem  (Empfinöen  bes  begüterten  Daters  oon  ([öd|tem 
entjtanb  ber  bie  Situation  trefflid)  d)arakterifierenbe  Saft:  „(Es  ift  für 
ben  öater,  ber  feiner  (Eod)ter  etcoas  tjinterläßt,  ein  tief  bemütigem'^es 

M  Dgl.  Rcid}stagsDcrl)anöIungcn,  32.  Siftung,  S.  760. 


C\  Das  (ElKgütemd^t.  481 

(Bcffl^I,  wmn  nun  biefe  (Eoc^ter  basienige,  was  aus  6te{em  Demtögen 
fliegt,  fid)  Don  öem  manne  er{t  erbetteln  mug."  Spricht  aus  biefen 
Argumenten  in  erfter  £inie  bas  3nterene  an  bem  S(^u^  oermdgenber 
Srauen,  fo  tritt  er  mit  anberen  aud)  als  DerftanbnisDoIIer  5fit|pred)er 
ber  befiglofen  auf.  Bei  ber  3tDeiten  £e|ung  ftonftatiert  er  3.  B.,  bafi 
tt)m  nai^  feinem  erften  piaiboqer  eine  Dlenge  oon  Briefen  ^einfad^er, 
oerftönbiger''  S^^uen,  bie  jeber  «Agitation"  fern  {tflnben,  «eine  {old^e 
Sülle  Don  3ammer  unb  Der3tDeifeIung''  aufgebest  traben,  «bie  burd) 
biefe  Dern>altungsgemein{d)aft  entftanben  i|t,  ba^  mir  n)ai)rf^ft  baoor 
graut" »). 

(Er  fe^t  fid)  aud)  einget^enb  mit  btn,  gegen  bie  (Gütertrennung 
unb  für  bie  Dertoaltung  unb  Hu^niegung  bes  IHannes  oorgebrac^ten, 
Argumenten  auseinanber:  bie  Dertoeifung  ber  S^<^^  ^uf  btn  S(^u^ 
ber  (Berid)te  bei  «ert^eblid^er  (Befäl^rbung"  il^res  Dermögens  l^alt  er  für 
ein  roertlofes  Berul}igungsmittel,  ba  bie  S^^u  ja  erft  Klage  erf)eben 
kann,  wmn  ber  Hlann  {d)on  Ieid)tfinnig  ober  unftlug  get^anbelt  t)  a  t 
unb  aud)  bann  no(^  pfqc^ologifd)  gebunben  i{t,  roeil  if)r  Dorget^en  bas 
ei)elid)e  Deri)ältnis  notroenbig  für  immer  3errütten  mug.  S^^tifd) 
bleibt  aI|o,  nad)  0.  Stumm's  Anfid^t,  ber  S^<^^  eigentlich  nichts,  als 
entroeber  eine  ([rennung  ber  (E^e  3U  risftieron  ober  aber  3U  refignieren. 
P|i)d)ologifd)e  Sd^toierigfteiten  türmen  fid)  [eines  (Erad)tens  aud)  ber 
gefe^Iid)  3ulaffigen  Dereinbarung  ber  (Gütertrennung  burd)  <Ei)eoertrage 
entgegen.  (Eine  normal  empfinbenbe  S^<^^  Ut  eben  3U  keiner  Seit 
it)res  £ebens  toeniger  bisponiert,  ii)rer{eits  bie  3nitiatioe  3ur  «(Ent* 
red)tung''  bes  ITIannes  gegenüber  btn  gejet^lid)  if)m  3ugebiUigten  pri« 
oilegien  3U  ergreifen  unb  if)n  baburd)  in  feinem  oom  (5e[e^  aufge* 
ftad)elten  falfd)en  (Ef)rgefüt)I  3U  kranken,  als  gerabe  oor  ber  f)od)3eit. 
iDO  it)r  gan3es  IDefen  3ur  f)ingabe  brängt.  lDäf)renb  natürlid)  bie 
£age  immerf)in  ein  gan^  anberes  (5erid)t  3eigen  toürbe,  roenn  es  fi(^ 
barum  t)anbelte,  bei  gefe^nd)em  Beftet)en  ber  (Gütertrennung  ihm 
auf  Verlangen  aus  freien  Studien  mel)r  Redete,  als  bas  (Befet^  es  tut, 
ein3uraumen.  Dann  rofirbe  fie  immerbin  geneigter  {ein,  biefe  fo  ^pro* 
faifd)en''  unb  bod)  fo  oieitragenben  5^ag<^n  ftd)  f  a  d)I  i  d)  3U  überlegen. 
(Es  ifteben  ausfd)lieglid)  bas  (Befet^,  a)cld)es  burd)  feine  Kanonifterung  bes 
fjerrenred)ts  es  bem  ntann  3U  einem  «(El)renpunkt**  mad)t,  Rd)  baüon 
nid)ts  abl}anbeln  3U  laffen  unb  it)m  bas  Derlangen  ban.:d)  als  ein 
gegen  ii)n  p  e  r  f  ö  n  li  d)  gerid)tetes  IlUgtrauensDotum  erfd)cinen  lägt. 

»)  a  af©.    S.  2921. 

Wtbtr.  €MrdH  unb  muitcr.  «^1 


482       Das  (E^ered^t  bes  beutfc^en  Bürgerlichen  (Befe^bud^es. 

IDie  iDenig  bie  ^^Illannlid^ftett"  in  tDa^r^eit  burc^  (Berei^tigftett  ge* 
genüber  ben  Stauen  gefd^öbigt  mirb,  seigt  übrigens  3ur  (Benüge  6er 
Umftanb,  bag  bie  (Bütertrennung  l^eute  notorifc^  befonbers  oft  grobe 
au(^  bei  (E^en  oon  (D  f  f  i  5  i  e  r  e  n  mit  ben  Höc^tern  reicher  5<imUten 
vereinbart  loirb. 

Der  Berufung  auf  bie  angeblid^  fPQifif<^  beutfc^e  Rec^tsentimck' 
lung  unb  bie  Pflicht  bes  (Befe^gebers  3um  Sc^u^  ber  Ueberliefenmg, 
^alt  5tt)r.  0.  Stumm  ben  Stanbpunftt  bes  mobemen  englifc^en  (Befe^* 
gebers  entgegen,  ber  ben  Dlut  gehabt  t^at,  bie  5tau  mit  einem  Schlage 
aus  toeit  größerer,  t^iftorifd^  bebingter,  Hb^öngigkeit  3U  DoQer  Selb* 
ftanbigfteit  empor3u^eben,  o^ne  ba%  von  ber  befürchteten  „Umioaljung' 
ber  englild^en  fittlid^en  „Urabitionen"  auc^  nur  bie  Spur  ju  bemer- 
ken getoefen  ift.  Unb  bas  barauf,  roie  üblid^,  ertönenbe  unoermeiö« 
lic^e  national'patriotifd^e  5^Ibge{ci^rei:  ,,IDir  oollen  aber  bie  beutfc^ 
(E^e  unb  nid)t  bie  englifd^e"  pariert  er  mit  bem  ^inoeis  auf  bie 
Dorbilblid^keit  bes  englifd^en  5(intilienlebens  für  aQe  biejenigen  beut* 
fc^en  ntönner  „bie  bm  gansen  Abenb  auf  ber  Bierbanft  ya  fi^en  pfI^ 
gen".  (Er  konftatiert  ferner  aus  feiner,  naturgemäß  fd^on  aus  g^ 
fc^aftlid)en  (Brünben,  ungeoiöt^nlid^  großen  (Erfahrung  in  biefcn  Wn* 
gen,  ba%  in  (Englanb  alle  Staube  unb  Sd^ic^ten  ber  Beoölkerung  w^ 
berfprud^slos  3ufrieben  mit  bem  Si}ftem  ber  Gütertrennung  flnb  unö 
fie  übereinftimmenö  als  Kulturfortfcijritt  roerten.  Dagegen  kenn3eici^ 
net  er  „bie  Kneci)tfd)aft  ber  Dcrroaltungsgemeinfd^aft"  als  einen  IDi- 
berjprud)  gegen  bie  beliebte  bid^teri|d)c  Der^errlidjung  ber  beut|d^ 
Srdu,  als  3ronic  auf  bie  grabe  in  Deutfc^anb  fo  befonbers  ausgiebig 
kultioierte  Sitte,  fie  bei  jeber  (Belegenljeit  in  gefdjmacklos-rüljrfeligen 
ttoaften  als  „Krone  ber  Sdjöpfung"  u.  f.  w.  3U  preifen.  Stumm  l^at 
eben  rid^tig  erkannt,  baß  ber  beutfc^e  Durd)fci)nittsmann  fiel)  feine 
Srauenoereljrung  nidjt  gerne  ettoas  koften  läßt. 

Der  ein3ige  f  a  ci)  I  i  d^  e  (Bcgner  ber  oon  Stumm  oertretenen  fln» 
fdjauungen :  —  pianck  als  Dertreter  ber  Regierungsoorlage,  —  roar  ob- 
jektio  genug,  um  3U5ugeben,  ba^  bie  (Bütertrennung  an  fid)  bem  IDefen 
ber  (El)e  ebenfogut  entfprid)t  u>ie  irgenb  ein  anberes  Softem,  unb  ba^ 
bie  Srau  an  fici)  iljr  Dermögen  ebenfogut  oenoalten  kann  roie  i^r 
niann.  ScItfamcrtDcife  argumentiert  er  tro^bem  grabe  im  3nterejfe 
unglücklidjer  ober  foId)er  (Eljcn,  „in  benen  ber  (Egoismus  nidjt  gonj 
burd)  £iebc  in  bie  rid^tigen  Sdjranken  3urüdigefü^rt  ift",  gegen  Stumm 
für  bie   „DcrtDaItungsgemeinfd)aft"  mit   ber,   angefidjts  ber  Kompli- 


(\  Das  (Ei)egQterred)t.  483 

3tertl^tt  öes  (Befe^es,   |elt|amen  Begrünöung,  6ag  fie  öie  ^etnfad^fte 

unö  3a>edima6igfte''  S^xm  öer  Bettragsletftung  von  leiten  5er  5^^^^ 

5u  5en  (Et^elaften  |ei.    IDie  öie  meiften  (Begner  ber  (Bütertrennung,  er« 

adelet  er  alfo  offenbar  öen  Sd)ug   öes  niannes  oor  öen  Regungen 

einer  gei3igen  unö  egoiftifd^en  S^^u,  öie  nur  ungern  oon  öem  3l)rigen 

abgibt,  für  öie  roid^tigfte  Illilfion  öes   (F>e{e^gebers.    Das  men|d)Iid) 

begreiflid^e   primäre  3ntereffe   an  {einen  eigenen  <5e|d)Ied)tsgenoffen 

f)at  if)m  offenbar  öen  Blieb  für  öie  konkrete  Situation  eines  öurd) 

öen  (Egoismus  öes  anöern  leiöenöen  (Batten  bei  öem  einen  oöer  an' 

öem  Sqftem  etioas  oer|d)Ieiert:    Bei  6iitertrennung  i)at  unter  Um- 

ftänöen,  öie  alleröings  erfaf^rungsgemäg  tDof)I  3U  öen  feltenften  Aus« 

naf)men  gehören,  öer  IHann  3U  getoörtigen,  öag  öie  moralifd}  öefekte 

5rau  „öen  Knopf  auf  it^ren   eignen  (Belöbeutel  Ijält,  -  eine  ge- 

w\^  unerqui(klid)e  ITIöglid^keit,  öer  jeöod)  öurd)  öie  ge|e^Ii(^e  Rege« 

lung  ii)rer  Beitragsleiftung  geraöe3u  fpielenö  leidet  oorgebeugt  roer« 

öen  kann.     Bei  öem  Sqftem  öer  Derroaltung   unö  Hu^niegung  f)at 

öagegen  öer  moralifd)  öefekte  ITIann  nid)t  nur  {ein  eignes  Dermögen 

allein  in  öer  f)anö,  fonöern  er  oerfügt  überöies  aud)  frei  über  öie 

(Einkünfte  öes  S^^uenguts,  kann  alfo  faktifd)  öie  $rau  auf  öop« 

pelte  IDeife  oon  fid)  abl^ängig  trotten.  Demnad)  ift  öod)  n>of)I  klar, 

öag  öer  gefe^Iid)e  Sd)ug  öes  Hlannes  bei  O^ütertrennung  immer  ein 

fet^r  einfad)  3U  löfenöes  Problem,  öagegen  öer  Sd)u^  öer  in  unglücfc« 

lidjer  (Elje  lebenöen  Srau  unter  öer  ^.Dermaltttngsgemeinld^aft"  immer 

eine  Siktion  bleibt.  - 

3n   pofitioer,   alleröings  augeroröentlid)  oergröberter,  IDenöung 

n>uröe  öer  pian(k*fd)e  <5efid)tspunkt  aud)  oon  anörer  Seite  in  öen  Korn« 

miffionsoerl^anölungen  oertreten:  Der  ITIann  braud^e  öie  Denoaltung 

unö  Hu^niefjung,  ,,um  feinen  Pflid)ten  als  f)err  öer  S^^tHe  geredet 

3U  iDeröen''.  Dag  es  öemnad)  öer  öeutfd^e  Durd)fd)nittsmann  tro^  fei« 

nes  fonftigen,  in  öen  (Erörterungen  öiefer  5^^9^  1^  oft  öokumentierten, 

p^f^öt^enbetDugtleins"  für  erforöerlid)  f^ölt,  öie  5^ou  materiell  oon  fid) 

abf)angig  3U  mad)en,   um  (eine  pofition  in  öer  (El)e  3U  bel^aupten, 

öies   be3eid)nete  Stumm  als  ,,unglaublid)es  Armuts3eugnis''.  3n  öer 

lat  l)at  Stumm  mit    öiefem   Ausörudi    öas   Redete    getroffen.     (Es 

ift  Q)af)rlid)  nid^t  3U  oerftef)en,  coie  man  glauben  kann,  öag  eine  ooQ 

entroidielte  $rau  einem  mann,  öer  3U  (d)Iaff  unö  unbeöeutenö  ift,  um 

öie  Pofition,  toeld^e  er  innerhalb  öer  5amilie  beanfprud)t,  aus  eigner 

(Energie  3U  behaupten,  unö  öod)  3U  eitel,  um  öie  Stau  als  Kameraötn 

31  • 


484       Das  (E^errec^t  6es  öeutfc^en  Bürgerlid^en  (Befe^buc^es. 

an3uerbennen,  aud^  nur  öie  einfac^fte  Hc^tung  bauernö  entgegenbrin* 
gen  Forint.  (Ein  Sd^toöd^Iing,  ber  3um  Sc^u^  feiner  angeblich  ^na» 
türltc^en''  Ueberlegen^ett  (befe^esparagraptien  benötigt,  loeld^e  öie 
5rau  entrechten,  toiirbe  fid^  in  ber  Hat  oielleic^t  am  beften  befinben, 
roenn  man  ifjn  kraft  (Befe^es  „unter  btn  Pantoffel"  ftellen  kbnnit.  - 

Stumm  befd^Iog  feine  Rebe  mit  ber  (Erftlörung:    „<ts  wixb  mir 

für  mein  ganses  Ceben  ein  tiefer  Sd^mers  fein,  bafe  bas  groge  IDerl 
mit  biefem  ITtaftel  ber  Dercoaltungsgemeinfdjaft  behaftet  ip"  ^). 

Die  tDiebergabe  unb  Hnalqfe  jener  Reic^stagskontrooerfen  über« 
i)ebt  uns  faft  ber  Pfli(i^t  no(^  in  eigner  Sad^e  bas  IDort  3U  ergreifen, 
nur  ein  fotool}!  oon  £aien  toie  oon  3uriften  fe^r  t^öufig  cr^bener 
<Einn>anb  gegen  bie  (Einführung  ber  (Gütertrennung  als  gefc^Iid^ 
(Büterrec^t  bleibt  nod^  5U  beleud^ten.  (Es  loirb  gern  barauf  ^in9^ 
oiiefen,  bag  ber  gegentoörtige  gefeglic^e  (büterftanb  im  Prtnsip  ber 
gegebene  fei,  toeil  nad)  aller  IDa^rfc^einlid^fteit  unter  „normalen  Der* 
^öltniffen''  bie  ß^^^  ^^^^  ^^^  <^^^  ^^i  (Bütertrennung  bem  lüaroie 
bie  Derroaltung  it^res  Dermögens  übertragen  n>ürbe,  bann  aber  meü 
fc^Ied^ter  gefid^ert  fei  als  unter  bem  je^igen  Sqftem. 

Befaffen  toir  uns  3unad}ft  mit  ber  biefem  Argument  3U  (Brunöe 
liegenben  Anfid^t,  bog  ber  „ITormalfall"  eben  bod^  bie  e^emönnlic^ 
Derroaltung  bes  Sraucnguts  fein  mürbe.  Hudj  nad)  unfrer  Dleinung 
brandet  bas  Refultat  ber  gefe^Itd^en  (bütertrennung  burd^aus  nid)t  i^re 
ausnaljmslofe  f  a  k  t  i  f  d)  c  !}crrid)af t  3U  fein.  Dielmeljr  toirb  iljre 
I}auptbebeutung  mögIid)crtDcifc  grabe  barin  befteljen,  bafe  fie  bie  Bal^n 
frei  mad)t  für  bie  I}errfd)aft  inbioibualfierter  (Eljeoerträge. 
burd)  iDcId)e  bie  ein3elnen  (Eljepaare  iljre  oermögensredjtlidjen  Bt^it» 
jungen  nad)  rein  fad}(td)en  (befid^tspunkten  ber  konkreten  Smedkmögig' 
keit  regeln.  Diefe  u)ünfd)ensu)erte  (EntroiAIung  roirb  ja  Ijeute  grabe 
baburd)  geljemmt,  ba^  bas  (befe^  ben  „fjerrenftanbpunkt"  patentiert 
unb  baburd)  jene  fad)Iid)en  5tagen  für  ben  Itlann  3U  (Eitelkeitsfragen 
mad)t.  Dies  um  fo  meljr,  als  es  Ijeute,  bamit  bie  (bütertrennung 
gegen  Dritte  ((bläubiger)  roirkfam  werbe,  keineswegs  genügt,  fie  burd? 
Dertrag  3U  oereinbaren,  fonbern  biefe  Dereinbarung  überbies  in  bas 
(Eljeregifter  eingetragen  unb  Deröffentlid^t  roerben  mufe  (§1431). 
(Es  kann  unter  öiefen  Umftänben  gar  keine  Rebe  baoon  fein,  ba^  - 
u)ie  bel}auptet  würbe  -  ja  aud)  je^t  es  ber  Braut  ober  itjren  (Eltern 

M  a.  a.  ®.     S.  2923. 


c\  Das  (Ef^egüterred^t.  485 

ot)ne  toeiteres  möglid)  |ei,  öie  Dereinbarung  5er  (Bütertrennung  Dom 
Bräutigam  3U  oerlangen.  (Es  Hegt  auf  öer  fjanö,  toie  unter  5en  ge« 
gebenen  Beöingungen  öer  Bräutigam  ein  iold^es  Derlangen  empfinöen 
mug. 

Die  innere  Situation  feinfüf^IenöerBrautleute  3um  (El^eoertrag  toirö 
öagegen  offenbar  oon  (Bruno  aus  geönöert,  toenn  künftig  öie  Anfpriid^e 
öer  $rau  nid}t  mef)r,  toie  je^t,  als  Akte  öes  IHigtrauens  oon  leiten  öer 
Braut  oöer  il}rer  (Eltern  gegenüber  öem  Bräutigam  von  öiefem  |elbft  oöer 
Dritten  aufgefaßt  toeröen  können.  Unö  aud)  tDennaIsöannöie$rauif)rem 
manne  in  öer  (Ef)e  formlos  öie  Dercoaltung  it)res  Dermögens  überläfjt  unö 
il)m  öaöurdj  aus  freien  Stücken  Befugniffe  einräumt,  auf  öie  er  keinerlei 
geiet^Iid^en  Anjprud)  f)at,  fo  mug  öas  öod)  ebenfalls  bei  beiöen  grunö* 
lät^Iid)  anöre  (Empfinöungen  auslöjen,  als  öer  f)euttge  Suftanö.  Die 
Befürd)tung  aber,  öag  öaöurd)  öas  Dermögen  öer  5^^u  toeit  ftär> 
ker  gefäl)röet  {ei  als  unter  öer  geiet)Iid)en  Denoaltung  öes  Hlan- 
nes  ift  iet)r  Ieid)t  3U  3erftreuen.  Sd)on  ie^t  3ief)t  ja  öas  (Beje^  leinen 
Befugnilfen  graöe  in  öiefen  SöHen  fefte  Sd)ranken.  ?}ai  iljm  öie  5rau 
l)eute  trog  oertragsmögig  oereinbarter  (Gütertrennung  öie  DertDoItung 
if^res  (Buts  überlaffen,  |o  öarf  er  nad)  §  1450  nur  öeffen  (Einkünfte 
na&i  freiem  (Ermeffen  oenpenöen,  öen  Stamm  öes  Dermögens  aber 
ebenlocoenig  roie  unter  öem  ge|eglid)en  (Büterftanö  angreifen.  Unö  öie 
Sxau  bet)ält  öas  Red)t,  aud)  n  a  d)  ö  e  m  [le  il}m  öie  Denoaltung 
übertragen  l)at,  jeöer3eit  eine  ^abroeid^enöe  Beftimmung"  über  öie 
Derroenöung  iljrer  (Einkünfte  3U  treffen.  S^^wer  aber  kann  f!e  - 
unö  öas  ift  öas  ent|d)eiöenö{te  -  öie  DertDoItung  in  jeöem  Augenblick 
roieöer  in  öie  eigene  fjanö  neljmen').  Unö  roenn  man  es  für  nötig 
f)alt,  fo  könnten  ja  öie|e  jet^t  fd}on  geltenöen  Beftimmungen  nod)  er* 
gän3t  roeröen  in  öem  Sinne,  öaft  öie  formlofe  ebcmannlid)e  Dermo- 
gensoerroaltung  öes  $rauenguts  ftets  allen  Sd)rankcn  öer  ^Derroal» 
tungsgcmeinjdjaft"  unterliegt.  -  Ob  unö  in  roeldjem  Umfang  fl<!j 
bann  jene  propl)e3eil)ung,  öafe  audj  bei  gefeglid)er  (Gütertrennung  öer 
IHann  im  ^HormalfaU"  öas  $rauengut  oertDalten  roüröe,  überhaupt 


)  (Es  ift  faft  unglaublid),  ba^  fclbft  ein  3urift  ipic  lllar  Hümeltn  tn 
einer  Beipred^uitg  öes  Sd)iDet3er  (Entwurfs  öiefen  Umftanö  ganj  au^tx  d&^t 
lägt  unö  öesl)alb  meinen  kann,  öie  lieutige  „Deripaltungsgemeinldfaft' 
ftelle  nur  öas  als  gefe^ltd)e  Hegel  feft,  was  aud)  bei  gefe^Ud^er  (Büter« 
trennung  öie  faktijd^e  Hcciel  bilöen  iDuröe:  Sd^mollers  3al}rbud)  Banö  \\V 
(1901.  S.  870  rtnm.  I. 


486       Das  (E^ered^t  bes  beutfc^en  Bürgerlichen  (Befe^buc^es. 

betoa^rljeitet,  ift  immerhin  fe^r  stoeifel^aft.   Das  bcrüt^rt  aber 
©eöer  t^re  prahti|<^e  no<^  i^re  prinsipielle  Bebeutung.  — 

(Es  feien  nun  abfd^Iiegenb  noc^  einmal  getoiffe  le^te  IDertsgeßditS' 
punftte  aufge5eigt,  bie  uns  5^^^^"  3ur  5orberung  ber  (Bütertrennung 
als  gefe^Iid^en  (Büterftanbes  unb  barüber  hinaus  au^  noc^  3U  neuen, 
bisher  in  mobernen  (Befe^en  nid^t  oertoirklid^ten,  5ov^^^ngen  treiben. 
Das  bem  Durd)|(^nittsbetDugt{ein  (Einleud^tenbfte :  bie  beffere  Sicherung 
bes  S'föuenguts  fte^t,  -  |o  loid^tig  fie  au<^  ift,   -  für  uns  erft  in 
5a>eiter  Reifte.    (Ebenfo  bie  rein  formale  (Bleic^fteQung  ber  (Batten,  \o 
unbebingt  nottoenbig  fie  grabe  to  e  g  e  n  ber  £aft  bes  „Qiftorifd^en"  ^txAt, 
als  Spmbol  einer  verfeinerten  (E^eauffaffung,  erfd^eint.    Arn 
ftärkften  toerben  toir  bo(^  burc^  etioas  anbres:  ein  pofittDes  3beal,  be< 
ftimmt:   Die  IDal^rung   unferer   Selbftänbigfteit   als  fittlidi 
freier  perfönlid^feeiten,  ber  loir  nun  einmal  in  biefem  (Erbenbafetn 
nur  bann  fieser  finb,  toenn  toir  au(^  bie  äußeren  mittel  3ur  Befrieöi* 
gung  eigner  geiftiger  unb  gemütlid)er  Bebürfniffe,  3um  IDirken  in  ber 
Hugentoelt,  nid^t  met^r  lebiglid)  bem  guten  IDillen  unb  ber  (Einfid)t 
eines  anbren  abringen  muffen.  ITtit  5i<ä^te's  tieffinniger  Definition  bes 
Rcd^ts  auf  (Eigentum,  als  bes  Urred^ts  jebes  IHenfc^en  auf  ein  felbft« 
beftimmtes  IDirken  o  e  r  m  i  1 1  e  I  ft  ber  (Eigentumsobjekte,  bürfen  al|o 
audj  roir  unfrc  5orberung  ftü^en.    Der  grunbfä^Iid)e,  oon  5^te  un6 
ben  Dertretern  bes  patriardjalismus  oer^errlid^te,  Der3idjt  auf  öiejc 
f)anblungsfreit)eit  3ugunften  ber  ITIad)tfp^are  it^res  (batten,  ber  \a  bei 
jebem  nod)  fo  liberalen  (Büterrcdjt  jeber  Srau  für  iljre  perfon  unbe» 
nommen   bleibt,   ift  iebenfalls  nur   bann  als   fittlid^e  f)anblung  5U 
bewerten,  toenn  er  in  freiem  tDillen  unb  in  oollem  Ben>ugtfein  feiner 
{[ragtoeite  gefd)iel}t.    (Es  fei  aber  nod^  einmal  betont,  bag  felbft  in 
ber  ^armonifd)ften  glü&Iid^ften  (Et^e  bie  t)olIentQ)i(keIte  Sxan  ftd)  nid^t 
unbefangen  als  freie  perfönlidjkeit  empfinben  kann,  folange  fie  fid)  in 
bem  Sinne  ökonomifd)  abt)an9ig  tueig,  ba%  fie  mit  allem,  n>as  fie  für 
fid)  braud^t,  an  b^n  Q>atitn  appellieren  mug.    Desl^alb  ge^en  aud) 
unfre  Sorberungen  an  bie  (befe^gebung,  bie  fd)Iie6Ii(^  bod^  vor  allem  ben 
in  minber  glüdilidjen  (Eljcn  lebenben  S^^uen  eine  ertröglid^e  (Ejiftens 
fomett  3u  fid)ern  Derpflidjtet  ift,  als  nidjt  babei  -   mooon  ^ier  keine 
Rebe  fein  kann  -  objektioe  IDerte  irgenbroeldjer  Rrt,  ober  etroa  bie 
3ntereffen  ber  Kinber,  gefdjäbigt  ©erben,  nodj  über  bie  (Gütertrennung 
hinaus.    Denn  biefe  allein  iDürbe  nid^t  allen  (Et^efrauen  jenes  Red)t 


C.  Das  (Ef^egüterrec^t.  487 

6er  perfönlic^keit  auf  ein  gemiffes  mag  von  5tetf^tt  in  6er  (5eftaU 
tung  it^res  gan5  per{önlid)en  £ebens  garantieren.  Sie  allein  wüxbt 
and^  6er  Anerkennung  6es  Kulturmerts  6er  t^öuslid^en  5tauenleiftun« 
gen  keinen  ooUen  Aus6ru(k  oerleil^en.  Dielmet^r  möre  6ur(^  6ie 
(Bütertrennung  a)ie6erum  nur  einerfeits  6er  oennögen6en,  an6rerfe{ts 
6er  {e{b{tan6ig  ermerbstätigen  (Ef^efrau  eine  gemiffe  materielle  Unab> 
t^öngigkeit  für  it)re  eigne  perfon  gefid)ert.  Die  oermögenslofen  un6 
unter  it)nen  gra6e  and^  6ie  Stauen  jener  breiten  ITlittelfc^ic^ten,  6ie 
in  6er  Regel  nichts  in  6ie  <Et)e  einbringen  als  eine  kleine  Ausfteuer 
un6  in  6er  <Ef)e  6urd)  6ie  alleinige  Derforgung  6es  f)aust)alts  o6er 
initl)ilfe  im  (5efd}äft  6es  IHannes  am  (Eigenenoerb  oert)in6ert  iDer6en. 
befägen  6a6urd)  nod)  keinen  Pfennig  5ur  Beftreitung  if^rer  per|önli(^ 
Be6ürfni{fe.  (5ra6e  |  i  e  aber  fyxbtn,  aud)  auf  (bvunb  it^rer  mirtfc^ft- 
nd)en  Unentbet)rlid)keit  für  6ie  Sof^^^^r  ^i"  gan3  be{on6eres  Anrecht 
auf  red)tli(^e  Sid)erung  if^rer  perfönltd^er  lDär6e.  Um  it^nen  eine, 
it)ren  oirtfd^aftlic^  unmegbaren,  kulturell  unfd)a^baren  £ei|tungen  ent- 
fpred)en6e,  ooUe  faktifd)e  inün6igkett  neben  6em  (hatten  3U  oerleif^n, 
mügte  6er  (befe^geber  6en  au6eror6entlid)  6et)nbaren  Begriff  6er  «|tan- 
6esgemö6en''  Untert)altspflid)t  6es  IHannes  notier  prösifieren,  in6fm 
er  it)n  oerpflid)tet,  6er  unoermögen6en  S^<^^,  auger  6em  etwa  oerein- 
barten  lDirtfd)aftsgel6,  einen  beftimmten  Brud)teil  (eines  (Einkommens, 
5.  B.  in  (Ermangelung  oertragsmögiger  anberoeiter  5^f tfe^ung,  6ie  felbft- 
oer|tön61id)  als  Regel  5U  erftreben  if t,  etioa  lO^^o^su  if)rer  rein  perfönlid^n 
Derfügung  5U  ftellen.  Dies  oürbe  bei  3at)res-(Einkommen  oon  1000  bis 
10000  niark  oot)!  etma  6em  entfpred^n,  a>as  6urd)f(^nittlid)  ie6er 
6er  (hatten  für  [eine  gan5  perfönlic^en  Be6ürfnif{e  ausgeben  kann. 
Selb{tDer{tan61i(^  aber  könnte  6er  Betrag  in  auffteigen6em  Dert^öltnts 
\t  nad)  6er  f)öt)e  6es  (Einkommens  abgejtuft  toeröen.  Damit  a>ür6e 
nur  6ie  lDof)Itat  6er  Sitte,  6en  5t<^uen  für  fold^  Soedte  ein  be* 
ftimmtes  ([a{d)engel6  5U  geben,  6te  ftd)  in  6en  befi^enben  un6  getfttg 
füi)ren6en  Sd)id)ten  löngft  etn3ubürgem  begonnen  l)at,  3ur  gefe^- 
lid^n  norm  ert)oben  un6  6en  $rauen  aller  Kreije  5um  min6eften  3u« 
gänglid)  gemad)t. 

(bxabe  ötejentgen,  a>eld)e  6ie  „(Erl^altung  6er  Sof^ili^"  ^*  ^ 
aber:  1)  6ie  (Ert^altung  6er  per{önlid)en  a>irt|(^aftlid)en  DerantiDort- 
lid^keit  6er  (Batten  für  einanöer  un6  6er  (Eltern  für  it)re  Kin6er  un6 
2)  6ie  (Ert)altung  6er  {pe3ifi[d)en  fjausmutterarbeit  im  3nteref{e  6er 
allgemeinen  fittlid^en  Kultur,  für  nota>en6ig  b<^lten,  {oUten  eine  6er- 


488       Das  (Et^ere^t  bes  öeutf^en  Bürgerlt^en  (befe^bu^es. 

artige  Re^tsenttoicfelung  beförbern.  Denn  öabur^  mürbe  bem  öffent- 
Itd)en  BeiDugtfein  beffer,  als  bur^  alle  romantifd^e  Der^errlt^ung, 
eingeprägt,  ba^  {}QusmutterIetftungen  qu^  rein  ökonomifd)  mertDoü, 
toenn  qu^  ni^t  5iffernmQ6tg  5U  beregnen  {tnb.  Unb  ber  felbftönbigen 
{}ausmutter  tDürbe  babur^  toenigftens  basjenige mag  oon  öffent« 
Iid)er  Rötung  beseugt,  ba^  fte  fiir  bie  (Erf^altung  t^rer  Selbfi* 
Ortung  unb  Berufsfreubigkeit  brauet.  Si^erlic^  kann  ja  bas  Hus« 
merfen  einer  (Leibrente  bem  Hbel  ber  {}Qusmutter{teUung  nic^t  bas 
minbefte  l)in5ufügen.  Hber  toir  ]ttli^n  oor  ber  tEatfa^e,  ba%,  in  einer 
gelbn)irt{d)aftli^  organifierten  unb  gelbtoirtf^aftlic^  toertenben  (befeil' 
fd^aft,  bie  ITlQ^tftellung  bes  ITIannes  in  ben  unteren  S(^id)ten  ber 
Beoölkerung  mit  {einer  Stellung  als  (5eIb*(ErrDerber  unb  'Befi|eT 
3ujammcn!jängt.  Hur  bie  red)tlid)e  Anerkennung  eines  unbebingten 
Hnfprud)s  ber  5rau  auf  ein  bestimmtes  ITtafe  pekuniärer  Autonomie, 
als  Husgleid)  ber  (Einfd^ränkung  it^rer  (ErtDerbsmögIid)keit,  toeld^e  eine 
5oIge  ber  Uebcrna^me  iljrcr  f)ausmuttcrpflid)ten  ift,  tc^afft  bie  IHag« 
Hd)keit,  unter  ben  nun  einmal  gegebenen  Kulturbebingungen,  tf)r  bie 
€r^altung  i^rer  Selbftänbigkeit  unb  Selbfta^tung  ein  für  aUemal  511 
geu)äl)rlciften. 

3tDcitens   aber   erjdjeint   eine  tociterge^enbe  Sicherung  ber  3n> 

tcrcffen  ber  5^ou  bei  £ö|ung  ber  (Elje  geboten,     ß^^  ^^"  tEobesfafl 

gibt  §   1931   bem  ühexUhmbtn  (Eljcgattcn  einen   je  nadj   bem  Der« 

u)anbtfd)aftsgrab  ber  anbren  (Erben  n)ed)jelnben  (ErbantejP):  minb^ 

ftens  (neben  Abkömmlingen)  ein  Dicrtel  bes  Dermögens  bes  Derftor« 

benen.   Dies  bebeutet  ja  praktifd)  für  bie  5^au  unter  Umftänben  eine 

Hnteilnaljme  an  ber  DermögensDermet)rung,  toeldje  u)äl)renb  ber  (Elje 

eingetreten  ijt.     Da  aber  bod)  bie  (Ertoerbsfäljigkcit  ber  5^^^"  i"* 

Samilienintercffe  befdjränkt  ift,  toäre  es  jidjer  ridjtiger,  bie  (Erbjd|aft 

j  in  ererbtes  (ober  burd)  Sdjcnkung  ertoorbenes)  Dermögen   unb  Jlx* 

;  rungenjd)aft"  3U  teilen  unb  iljr  itcts  minbejtens  an  ber  Unteren  bie 

i  I)  ä  l  f  t  e  3U  gctoäljren.    flu^erbem  aber  i|t  es  unbebingt  nottoenbig, 

einen   ITlobus   3U   finöcn,  um   bie  Jrau  aud)  für  btn  5aH  ber  (El^e» 

jdjeibung  oljne  il)re  $d)ulb  an  bem  burd)  Arbeit  toie  burdj  (Erjpar- 

niffe  an  bcn  Dermögcnscinkünften  bes  ITIannes  cr3ielten  Dermögens« 

3UCDad)s  gcje^lid)  3U    beteiligen.      Unb    3tDar   joUte   nidjt    nur   ber 

in  einem   gefdjäftlidjen   Unterneljmen   bes  ITIannes   mittatigen   5^ou 

ein    Hnjprud)   auf  bie  I)älf tc    baoon    eingeräumt    roerben,    jonbem 

\)  S.  über  |cinc  I^ölje  oben  S.  475  flnm.  1. 


i\  Das  (Eljegütcrrec^t.  489 

aud)  bcr  ^nur«f)ausfrau",  oon  öercn  lDirt|d)aftHd)kcit  unö  Umfld)t, 
{oKDte  oon  if)Ter  Sät^igtiett  l^Qusüd^es  Bel)a9en  5U  oerbreiten,  bas 
(Beöetf)en  öer  Samilie  unö  öic  flrbeitsfTijdje  öcs  ITIannes  in  jo  Ijoljcm 
niage  abfjöngt,  unö  bie,  oor  HUem,  ja  oft  geraöe  im  3ntere{fe  öer  5^' 
mtlie  an  öas  f)aus  gebunöen  unö  |o  öer  inögHd)hett  eignen  (Ermerbes 
ent3ogen  ift.  Denn  fonft  kann  aud)  bei  (Bütertrennung  öerjelbe  5^0 
eintreten,  toie  bei  öcm  gegenwärtigen  geje^lidjen  (Büterftanö:  (Ein  öurdj 
öie  gefd)äftlid)e  ITIitarbeit  öer  S^^^  ^«»^  geiDoröener  oöer  öurd)  iljre 
I)ausu)irt|d)aftlid)e  (Tätigkeit  in  {einer  flrbeitsfäljigkeit  gef öröerter  mann 
kann  it}r  öurd)  fein  Benef)men  öie  Sd^eiöung  auf3n)ingen  unö  fie  öann 
mit  leeren  f)änöen  geljen  lafjen ').  Dafe  er  als  fdjulöiger  (Teil  3U  iljrem 
Unterl)alt  Derpflid)tet  ift,  kann  öurd^aus  nid)t  als  Kompenfation  gelten, 
öa  er  il)n  1)  nur  bei  Beöürftigkeit  öer  Jrau  3U  geioäljren  l)at,  aljo 
iDenn  fie  it)n  roeöer  öurd)  öie  Einkünfte  il)res  Dermögens  nod)  öurd) 
eignen  Hrbeitsertoerb  jelbft  beftreiten  kann  *),  öa  er  2)  (einen  eignen 
ftanöesgemäfeen  Unterljalt  oorab  neljmen  öarf ,  5)  aber  gar- 
nidjis  3U  geben  braud)t,  falls  er  oon  feinen  Einkünften  nur  [einen 
notöürftigen  Unterljalt  beftreiten  kann  )  unö  öa  4)  öer  Unter» 
l)altsan[pru^  öer  jdjulölos  gejdjieöenen  Jrau  mit  iljrer  tDieöeroert^ei- 
ratung  äbeTl)aupt  erliid)t^). 

Anörerfeits  tft  es  aber  öurd^aus  toünld^enstoert,  ba^  aud)  in  Zu- 
kunft öie  in  (Gütertrennung  lebenöe  $xau  toie  un|er  (Be|et)  es  fd^on 
je^t  in  §  1427  porfiel)t  -  oerpflidjtet  loirö,  [otDol)I  aus  öen  (Ein- 
künften iljres  Dermögens  als  aus  öem  (Ertrag  iljrer  Arbeit  einen 
Beitrag  3U  öen  (Et)elaften  3U  leiften,  fo  öaf)  öer  IHann  aud)  jeinerfeits 
nxdjt  nur  auf  ifjren  guten  IPtllen  angetoiefen  ift.  Denn  öer  ITIöglid)- 
keit,  öaf{  eine  gei3ige  $rau  il)re  (Einnal)men  kapitalifiert  oöer  eine 
genu^füd)tige  fie  für  if)re  £u|[usbeöürfniffe  pergeuöet,  tDäl)renö  öer 
mann  fid)  für  öen  llntert}alt  öer  Seinen  abmüt}t,  ift  natürlid)  ebenfalls 

')  Die  alten  „(Et^cfd^eiöungsftrafen",  wie  fie  nod)  im  Preug.  £an6red)t 
galten,  f^ot  öas  B(bB.  obgefdjofft,  meti  fie  unjerem  (Empftnöen  nid)t  ent> 
fpred)en.  Blletn  öer  <Errungenfd)aftsanteiI  öer  fd)uIÖIos  gefd)ieöenen  S^au 
entfprid)t  öer  Sadjlage  öurdjaus,  unö  es  ftänöe  notürlid)  nid)ts  im  lOege, 
öem  fd)ulMos  gefd)ieöenen  ITIanne  if)r  gegenüber  öos  gleid)e  Hed)t  5U  geben. 
(Es  cDore  ober  ercDogensroert,  ob  man  im  ([oö  es  fall  öem  überlebenöen  (Ef)e* 
gatten  nid)t  cd  0  1}  I  n)  e  i  f  e  ftatt  6es  (bei  Honkurren5  mit  Kinöern  auf  öen 
niegbraud)  3U  befd)ränkenöent  (Erbred)tes  öen  Bnfprud)  auf  öie  f}AIfte  öer 
Crrungenfd^aft  gemöf^ren  follte  if.  oorige  Seite). 

')  g  ir,78.  ^)  1579.  *)  1581. 


490       Das  <Ef)ered)t  öes  6eut{d)en  Bürgerli^en  (Befe^bu^es. 

oorsubeugen.  Obmo^I  eine  berartige  Situation,  [o  et^ifc^  Dermerflid) 
unb  tDibrig  für  ben  Xtlann  fie  au^  tDÖre,  bodf  immer  nod)  nid)t  an 
bie  Unannef)mli(^keiten  ber  Situation  t^eranretc^en  mürbe,  in  öte  f^ 
bie  Sxan  kraft  bes  gefe^Ii^en  (büterre^ts  hineingeraten  kann,  mett 
ber  ITIann  ni^t  nur  bie  (Einkünfte  {eines  eignen  Dermögens,  fonbem 
überbies  au^  bie  bes  ii)rigen,  {obalb  bie  {}aus^aItskoften  gebedtt 
finb,  faktif^  na^  (butbünken  oertDenben  kann.  Die  Beitragsleifhoig 
ber  5^<^u  tDöre  molil  am  beften,  toie  es  bas  (be{e^  je^t  Dor{tei)t,  ber 
oertragsmögigen  Dereinbarung  ber  (batten  unb  nur,  falls  eine  [oI(^ 
ntd)t  er5ielt  n)irb,  ri^terli^em  (Ermeffen  5U  überlaffen.  (Enbli^  waxt, 
-  ©ie  iDir  fdjon  oben  S.  432  bargelegt  ^ben  —  bie  perjönlic^ 
nritljaftung  ber  5^^"  fu^  öie  oon  iljr  felbjt  auf  (brunb  i^rer 
,,SdjIüffeIgeiDaIt"  unb  für  bie  oom  mann,  entjprec^enb  bem  »hrklic^en 
Bebarf,  für  btn  gemeinfamen  f)  ausmalt  kontrahierten  Sd)uI6en 
ein3ufül)ren.  —  Das  Ij  e  u  t  i  g  e  Dertragsre^t  ber  (Bütertrennung  im 
B(bB.  ift  nur  infofern  oerbefferungsbebürftig ,  als  es  (§  1428),  in 
{einer  Be{orgnis,  nur  ja  bem  ITIann  bie  Stellung  als  „fjaupt"  öcr 
Jamilie  3U  toaljrcn,  ein  für  allemal  bie  5^««  oerpflid^tet,  i^ren  Beitrag 
5um  {}aust)alt  an  btn  ITIann  aus5U5af)Ien.  Ilur  bei  (Entmünbigung 
bes  ITIannes  ober  bei  „erl^ebli^er"  (befö^rbung  bes  Unter^Its  bur^ 
ben  Xtlann  ijt  ber  5^ou  bie  eigne  Denoenbung  besfelben  für  jenen 
3tDeck  geftattet.  (Ein  { a  d)  I  i  d)  e  r  3n)eck  biefer  Befämmung  ift  but^ 
aus  unerftnblid). 

Durd)  bie  Dorgefd)Iagenen  Beftimmungen  unb  burd)  bie  gefe^Ud^e 
Derpflid)tung  ber  5rau  3ur  Beitragsleiftung  —  bie  in  (Englanb,  Amerika 
unb  Hu^lanb  fo  nid)t  bcftcl)t  -  loirb  aber  aud)  jebem  beredjtigten  Bt« 
bcnken  gegen  bie  (Erljcbung  ber  (bütertrennung  3um  gefe^Iid^en  (Büter» 
\tanb  ber  Beben  ent3ogen.  IDas  übrig  bleibt,  erroeift  fidj  bei  genauer 
Prüfung  lebiglid)  als  unbetDugte  mönnlid^e  (befd)led)tseitelkeit  ober  f^ifto* 
rifdje  (bebunbenljeit.  Hnbrcrfcits  ocrftcljt  es  pd),  ba^  bei  einer  fold^en 
Regelung  ber  Beitrags«  unb  f)aftungspflid)t  ber  5^öu  iljr  Hnfprud) 
auf  Dereinbarung  unb,  toenn  eine  fold^e  nic^t  3U  erlangen  fein 
follte,  auf  gerid)tlid)e  5^f^f^Öung  eines  ben  jeweiligen  (Einkommens« 
Derljältniffen  entfpredjenbcn  „Bubgets"  im  (Befeft  ausbrüdilid)  ausg^ 
fprodjen  coerben  müfete.  IDir  finb  foldjen  Dereinbarungen  in  ben 
(El)ekontrakten  bes  Altertums  gelegentlid)  begegnet.  (Es  ift  fdjle<^ter« 
bings  nid)t  ein3ufel)en,  coarum  bie  l)eutige  (Befe^gebung  bie  Pflid^t  bes 
ITIannes,  feiner  Srau  bie  Demütigungen,  bie  für  [xe  mit  bem  ITIangel 


c\  Das  (Ef^egüterred^t.  491 

fefter  Abmachungen  öarüber  oerbunöen  finö,  5U  er(paren,  nid^t  aud) 
ausörüdtlid)  formulieren  follte.  3rgen6  eine  |d)emati|d)e  S^l^i^ung 
mare  natürlt^  t)ier  ebenfo  5U  oermeiöen,  mie  fie  in  anören  gans  öt^n- 
Iid)en  S^Hen  oom  (Befe^  oermieöen  ift. 

3m  3nterene  6er  5^<^u  no(^  über  6ie|e  Dorfd^löge  t)inausgei)enö, 
mirö  nun  oon  einigen  Seiten  öie  5or6erung  erf)oben,  6as  güterrec^t* 
Iid)e  Dert)ältnis  öer  (batitn  na^  Art  6er  für  Sojietöten  ((Be|eUfd)aften) 
geltenöen  Regeln  5U  geftalten,  ö.  t).  |ei  es  6as  (Einkommen  6es  IHannes, 
fei  es  bas  (Einkommen  oon  mann  unb  5^<^u  5u|ammen  als  ein  (Be> 
mein[d)aftsgut  3U  konftituieren,  an  6em,  faUs  nid)ts  anöres  oer« 
einbart  i|t,  beiöe  (hatten  öiefelben  Redete  traben.  (E.  Breslauer  be- 
gründet 6ie|en  Dorfd){ag  in  befonöers  beftec^enöer  $orm*),  inöem 
er  6ie  n)irtfd)aft{td)e  Seite  öer  (Et^e  oergletc^t  mit  6em  Sosietötsoer- 
l)altnis  5a>ifd)en  einem  3ngenieur,  öer,  analog  öer  fjausfrau,  öie  innere 
Ceitung  öes  Betriebs  übernimmt  unb  öabei  forta>at)renö  für  Arbeits« 
Iöi)ne,  Anfd^affungen  u.  ögl.  Summen  3U  oerausgaben  l^at,  unö 
einem  Kaufmann,  öer,  analog  öem  (Ef^emann,  öraugen  auf  öem  markt 
IDaren  5U  oertreiben  unö  alfo  fortmöf^renö  für  neue  (Einnai)men 
jorgt.  3n  einem  foId)en  ^«(Einnat^mefojius''  pflegt  nad)  alter  (Erfat^rung 
(öartn  f)at  B.  gans  rec^t)  öie  DorfteUung  5U  ent|tef)en  -  gan]  ent> 
fpred^enö  öem  auf  auf)erf)aus{id)en  (Ermerb  get^enöen  (Ef^mann  -  öag 
jeine  £etftungen,  a>eil  fie  eben  öie  (Einnai)men  ^^fd^affen",  für  öie  ^(bt* 
jeUft^ft"  f)öf)er  5U  oeranfd)Iagen  {eien,  als  öie  feines  „Ausgabefo3ius'' 
obmot)!  öiefe,  objektii)  betrad)tet,  ja  für  öas  mirtfd^aftüd^e  (Be* 
öetl^en  öer  (befeUfd^aft  genau  fo  notmenöig  finö.  Diefer  ganj  natür- 
Iid)en  Reigung  5ur  Ueberi)ebung  feitens  öes  ,,(Einnat)mefo3ius''  mirö 
nur  öaöurd)  oorgebeugt  unö  öas  (5efenf(^aftsi>erf)ältnis  nur  öaöurd) 
auf  öem  5u&  öer  (bleid^fteUung  funöamentiert,  öag  öie  ooUe  6Ieid)« 
berec^tigung  beiöer  So3ien  feine  ökonomifd^e  Bafis  btlöet,  ö.  i).  öag 
alles  eingemorfene  unö  ertDorbene  (but  als  ^(l>efenfd)aftsi>ermögen'' 
konftituiert  toirö,  an  öem  öer  ,,Ausgabefo3ius''  öen  gleid^en  Anteil 
f)at  unö  ebenfo  oerfügungsbered^tigt  ift  oie  öer  ^.(Einnat^mefojius''. 

(Ebenfo  ftet)t  -  argumentiert  B.  oeiter  -  aud^  öie  et^elid^e  ^(l>e< 
fellfäKift"  nur  öann  auf  einer  gefunöen  mirtfd^aftüc^en  unö  fittlid^n 
Bafis,  menn  öie  güterred)t{id)en  Be3iel}ungen  öer  (Batten  nac^  öen 
(Brunöfö^en   fo3ietatsmagiger   (5Iei(^bered)tigung  geregelt  finö,  ö.  1). 

')  Artikel  „SojtetAre"  in  Ur.  15.  3al)r9an9  \  III  öes  dentralMottes  öes 
Bunöes  öeutfd^er  S^Quenoereine. 


492       Das  (Et^ere^t  bes  beutf^en  Bürgerlichen  (5e{e^bud)es. 

bte  5^ou  ^n  ^^n  (Einkünften  bes  ITTannes  gefe^Iic^  bie  gleichen  An' 
teilsre^te  geiDinnt,  toie  er  {elbft. 

IDenn  aud)  bie{er  ^üb{^e  unb  in  iDi^tigen  punkten  burd^mis 
lebensn)Q^re  Dergleic^  5tDi{^en  btn  n)irtf^QftIi(^en  Deri^ältniffen  oon 
S^epaaren  unb  von  Soy^n  in  getDiffen  punkten  ^inkt,  {o  mug 
bo^  natürli^  ber  (btbanl^t,  bas  e^eli^e  (büterred^t  nad)  ,So3i^ 
tätsgrunbfä^en"  3U  regeln,  red)t  ernft^aft  ertoogen  loerbcn.  Dies 
könntt  nun  aber  in  oerf^iebener  Soxm  gefdjeljen.  lläntlidj  einmal  in 
ber  5orm  einer  allgemeinen  (Büter»  unb  Derfügungsgemeinfd^aft,  bercn 
Prin3ipien  toir  jd)on  oben  S.  474  fki33iert  ^aben:  Das  (Bejamtgiit, 
alles  umfaffenb,  toas  (Einer  ber  (batten  befi^t  ober  ermirbt,  oürbe 
bann  3U  einer  ununterfdjeibbaren  ina(fe  Der|^mol3en,  oon  ber  jeber 
pon  beiben  (Batten  in  gleidjer  IDeije  neljmen  könnte,  n>as  er  jeioeüs 
3U  braudjen  glaubt.  IDie  bies  te^nifd)  —  3.  B.  für  bte  im  (Bruno* 
bndi  eingetragenen  Re^te  an  3mmobiIien  u.  |.  u).  —  3U  bemerkfteüigen 
möre,  bleibe  babei  l^ier  ba^ingeftellt.  Ober  in  ber  Dorftd)tigeren  un6 
begren3teren  5orm,  ba^  für  bie  Subftan3  bes  eingebrachten,  ererbten, 
ge{d)enkten  (Butes  (Bütertrennung  in  (Beltung  bliebe,  bagegen  bas  in 
ber  (Elje  bur^  Arbeit  eines  ober  beiber  (Batten  (Eroorbene,  eoentueO 
3u{ammen  mit  ben  (Einkünften  bes  (Eingebrad)ten,  alfo:  bie  {oge* 
nannte  „(Errungenjdjaft",  nadj  Analogie  eines  (BejellfdjaftSDermögens 
als  geje^lidjes  (Bejamtgut  konjtituiert  mürbe,  an  bem  beibe  (Batten, 
unb  3tDar  jcber  für  fid)  oljne  Beitritt  bes  anbern,  gleidje  Derfügungs» 
red)te  unb  bei  Huflöjung  gleid)e  Anteile  l)ätten.  Das  toäre  (Büter^ 
trennung  mit  (Errungen|d)afts»  unb  auf  bie  (Errungenfd)aft  befdjränkter 
Derfügungsgemeinfdjaft. 

IDir  muffen  3unäd)ft  ben  Sinn  bicjer  Konftruktion  Dor  möglidjen 
niifeoerftänbniffen  jidjern.  Der  3ule^t  genannte  Dorfd)Iag  tourbe 
3.  B.  aud)  Don  meljreren  5taucnDcreinen  gclegentlid)  ber  Programm^ 
beratungen  bes  Bunbes  beutfdjer  Srauenoereine  gemadjt  unb  bamit 
begrünbct,  ba^  ber  (Errocrb,  jei  es  berjenigc  ber  5^^"  ober  ber« 
jenige  bes  TTIannes,  nur  als  5omiliengut  bctradjtet  roerben  könne, 
an  bem  bie  5^^ou  toic  ber  TTIann  bie  gleid)en  Hedjte  !)abe.  Denn: 
„roenn  eine  5t^öu  bk  (Elje  mit  einem  UTanne  eingeigt,  fo  tut  [xe  bits 
auf  bas  Hifiko  l)in,  aud)  alle  Sorgen  mit  iljm  3U  tragen  unb  jelbft 
3U  barben,  roenn  er  feine  Stellung  oerliert  unb  ol)ne  (Einnaljmen  ift. 
3ft  es  aber  felbftoerftänblid),  ba^  fie  an  ben  (Entbeljrungen  bes  ITIannes 


C.  Das  (E^cgütcrrcd)t.  493 

pöllig  gleiten  Anteil  3U  net^men  l)Qt,  aus  oeld^en  (Brünöen  nid)t  au(^ 
an  btm  Ucbcrfluft?" 

€tne  öiefem  Prtn3ip  entfpred^enöe  güterred)tlid)e  Ileubtlöung  könnte 
nun  prahttfd)  oerfd^iebenerlei  bebeuten.  Der  Dorfd)Iag  n)enbet  fid) 
-  unb  bies  fdjeint  miftoerftänblid)  -  insbcfonbere  gegen  bie  S.  487 
formulierte  Anregung,  bag  bie  5^^^  für  il)re  perfönüd^en  Be- 
bürfniffe  eine  geoiffe  (Quote  (burd^f^nittlid)  lO^.)  bes  ITIannesein- 
kommens  foUte  beanfprud^en  bürfen.  (Er  oerlangt  ftatt  beffen,  in 
oermeintli^er  Konfequen3  bes  „So5ietQts'''(5ebankens,  ba^  ber  mann 
Dielmet)r  bie  {}  ö  I  f  t  e  feines  Einkommens  3ur  per{önlid)en  Derfügung 
3u  ftellen,  bie  $rau  aber  ebenfo  bie  f)ölfte  il^res  Sonbert>erbienfts  an 
it)n  ab3ugeben  !}ötte.  Der  Arbeiter  trotte  alfo  bie  f}alfte  feines  Colones 
if)r  ab3u(iefern,  in  ben  Büdnern  einer  f}anbeIsgefeUf^aft,  an  coeld^er 
ber  niann  als  Unternehmer  beteiligt  oöre,  mügte  bxt  f}alfte  bes 
3at)resgecDinns  ber  5^Qu  gutgefd)rieben  n)erben  u.  f.  w.  Da  bis 
je^t  in  "'h  aller  (Et)en  bie  5^^u  nid)t  auf  au^erl)auslid)en  (Eroerb 
ausgef)t  unb  aud)  ba,  wo  fie  es  tut,  burd)fd)nittlid)  oeniger  oerbient 
als  ber  IHann,  oöre  ein  berartiges  Arrangement  für  fie  natürlid) 
(anfd)einenb)  feljr  oorteilljaft.  Anfd^einenb.  -  benn  in  IDaljrljeit  muft 
ein  geoiffenl^after  Arbeiter  ja  freute  oeit  m  e !}  r  als  bie  f}alfte 
feines  Colones,  im  Prin3ip  ben  gan3en  £ol)n,  an  bie  5^<^u  3ur  IDirt' 
fd)aftsfüf)rung  abliefern.  f)ier  liegt  eben  eine  3a>eibeutigkeit  oor. 
IDie  nömlid)  Derl)ielte  fid)  eine  fold^e  f}albteilung  3U  ber  gefe^Iid)  be« 
ftel^enben  primären  Unterl^altspflid^t  bes  IHannes  unb  00  bliebe  ber 
Unterljalt  ber  S^w^i^i^  übertjaupt?  Der  Unterfdjieb  gegenüber  ber 
,,So3ietät''  jenes  Kaufmanns  unb  3ngenieurs  ift  eben,  bafe  eine  5ömi- 
lie  nid)t  3um  3tDedt  ber  (BecDinner3ieIung  begrünbet  oirb,  ba^  ber 
Begriff  bes  „Reinertrags"  auf  [xe  nid)t  anmenbbar  ift,  ba^  fie  eine 
bem  IDefen  nad)  kommuniftifd)c  Konfumgemeinfd^aft  bilbet.  Desl)alb 
ift  für  fie  bie  Analogie  ber  So3ietät  3CDar  keineswegs  unfrud^tbar, 
aber  eben  nur  eine  teiloeife  Analogie,  kein  IHobell,  nad)  bem  fie 
konftruierbar  toäre.  Se^en  ©ir  ben  für  bie  überioiegenbe  ITIeljrljeit 
ber  Beoölkerung  tt)pifd)en  SaU,  ba^  ein  oermögenslofes  (El)epaar  in 
ber  gelba)irtfd)aftlid)en  Dedtung  bes  5omiIienbebarfs  auf  bas  Srnierbs- 
einkommen  bes  ITIannes  gan3  ober  faft  gan3  angeoiefen  ift.  Aus 
biefem  Derbienft  coirb  lDot)nung,  rtat^rung,  Kleibung,  für  bie  gan3e 
Samilie  grabe  ausreid^enb,  beftritten.  (Es  kann  bann  offenbar  nid^t 
gemeint  fein,  ber  mann  folle  biefen  Unterf^alt  aus  ber  if)m  oerblet« 


494       Das  (E^ere^t  bes  beutf^en  Bürgerltd^en  (5e{e^bud)es. 

benben  fjölfte  allem  beftreiten,  fonbem  bie  5^ou  mfigte,  mcftn  fte 
Qnteilbered)ttgt  ift,  bQ5u  mitoerpflid^tet  {ein.  3n  {old^en  5aIIen  ^e 
a([o  bie  ge{e^Iid)e  {}QlbteiIung  {eines  (Enoerbs  nur  ben  Sinn,  bagbie 
5rau  ben  gan5  übern)iegenben  tEeil  b^W^n,  was  fte  mit  ber  einen 
{}Qnb  in  (Empfang  nimmt,  mit  ber  anbren  bem  ITTonn  toieber  5urü(6' 
geben  ober  {elb(t  bamit  bie  eine  f}Qlfte  ber  lDirt{d)aftsausgaben  be3a^Ien 
mügte.  Denn  mel^r  als  einen  Bru^teil  oom  (bansen,  5urd)fd)nittli(^ 
ettoa  (o  grog,  toie  bie  oben  Dorge{(^Iagene  (Quote,  könnte  {ie  bo<^ 
billigern)ei{e  bei  Berüdifi^tigung  bes  5amilienintere(fes  nid)t  für  il^re 
gan3  per(önli^en  Bebürfnt{{e  verausgaben  toollen.  Anbrer{eits  idotc 
bie  il^r  5ufaIIenbe  {}alfte  bes  el}emännli(^en  Hrbeitsoerbienfts  aber 
natürli^  eben(on)enig  toie  bie  bes  Hlannes  ausreid^enb,  um  nun  etnHi 
auger  i^ren  per(ön(id)en  Bebürfniffen  aud^  no^  als  ^IDirtfc^aftsgett'' 
5U  bienen  unb  ben  gansen  f}aust)alt  5U  beftreiten.  Der  IRann  könnte 
aI{o  {eIb{toer{tänbIid)  aud)  {eine  Ijälfte  ni^t  ettoa  3ur  freien  Derfü» 
gung  bet^alten,  {onbem  mügte  bamit  fiir  ben  Unteri^alt  ber  $amilie 
anteiIstDei{e  haftbar  bleiben.  Der  Dorfd)Iag  kann  aI(o  in  IDa^r^t 
unmöglid)  ettoos  anberes  be(agen,  als:  Don  ben  (Einnahmen  bes  man« 
nes  unb  —  natürli^  -  ber  5tau  {oll  alles  bos,  toas  n  a  d)  Dedmng 
aller  I}aust)altsbebürfni{{e,  im  meiteften  Sinn  bes  IDorts,  eräbrigt 
toirb,  -  ber  „Reingetoinn"  -  unter  beibe  (bauen  glei^mäftig,  ebenjo 
toic  naii  §  722  B(BB.  in  ber  „(Bejell{d)aft",  oerteilt  toerben.  IDie« 
Diel  nun  aber  für  bie  5üt?^^ung  bes  fjausljalts,  bie  (Er3ieljung  ber 
Ktnber,  gemeinfame  (Er{)oIung  u.  f.  to.  oerausgabt  coerben  (oU  unö 
n)  i  e  D  i  e  I  aljo  als  oertcilbarer  Heft  übrig  bleiben  kann ,  -  Mes 
unb  bamit  au^  bie  gan5e  5^^9^r  ^^  ^^^  S^^^  übert^aupt  ettoas  per- 
( ö  n  l  i  d)  als  freie  (Einnahme  übrig  bel}alt,  unb  toieotel,  bliebe  gön3* 
lid)  im  Dunkeln,  roöre  aud)  bur^  keinen  paragrapl}en  generell 
fiyierbar. 

(Es  bliebe  als  eine  anbre  ITIöglid^keit  ber  Deutung  bes  Dorfd)lags: 
ITtann  unb  5^au  madjen  mit  iljrcn  bciberjeitigen  (Einkünften  -  »ie  bei 
(bütcrgemein{d)aft  mit  iljrem  (Bc{amtgut  —  gemein{ame  Kaffe,  aus 
ber  fic  bann  beibe,  oljne  mit  einanber  „ab3ure^nen"  unb5u  „markten", 
gan5  wie  es  jebem  oon  il^nen  notwenbig  er{d)eint,  (omol^l  il^re  per« 
(önlid)en  als  bie  gemeinjamcn  Bcbürfniffe  ber  Samilie  bedien.  IDas 
babci  erübrigt  roirb,  fällt  als  „(Errungcnfdjaft"  je  3ur  f)älfte  an  beibe 
(hatten.  (Es  lägt  fid)  bies  iDcnig{tcns  in  ben  be{i§enben  Klaffen,  311m 
minbe{ten  ba,  wo  bie  (Einkünfte  in  baren  Renten  unb  (5e!^tem 


C.  Das  (Ef^egüterrec^t.  495 

bfftet^en,  ted)nifd)  Ieid)t  5.  B.  öur^  ein  gemeinfame  Bankgutf^aben^) 
un6  getneinfames  dt^edtbud)  6urd)füt)ren  unö  wirb  in  öer  Pra|[is  |d^n 
f^ute  nid)t  feiten  öurd^gefüt^rt.  Dies  a>are  6ann  in  öer  (Eat  oieöer 
Q>irklid)er  familienl^after  Konfumkommunismus  unö  entfpröc^e  -  mie 
in  no^  t)öt}erem  (braöe  eine  allgemeine  (Büter-  unö  D  e  r  f  fi- 
g  u  n  g  s  gemeinjdjaft  —  einem  ökonomifdjen  3öeaI«Der!jältnis  stoeier 
fittlid)  öurd)aus  gefeftigter  unö  mirtfd^aftlid)  unbeöingt  tüd)tiger  per* 
fönüd^keiten,  a>ie  es  felbftOieTftanöIi^  in  jeöer  (tt^t  als  3öeal  ansu- 
ftreben  ift,  -  aber  eben  öesl)alb  öod)  nid)t  mot}!  5ur  (Bruno* 
läge  eines  gefe^Iid^en  (Büterftanös  gemad)t  meröen  kann. 
Hufgabe  öes  (Be(e§gebers  muft  es  ja  geraöe  fein,  Sd^ioierigkeiten  unö 
Reibungen  in  (El^n,  öie  in  ein3elnen  f)infid}ten  nid)t  fo  ftnö,  mie 
fie  ein  in  iöealem  ITlage  oonentoidteltes  fittlid^es  Bemugtfein  oerlangt, 
Dor5ubeugen  unö  aud)  in  it)nen  öer  S^^u  eine  Spt^öre  perfönlid^er 
Selbftönöigkeit  5U  garantieren.  (Er  öarf  öest^alb  eben  n  i  d)  t  einen 
3öeal5u{tanö  als  normalfall  oorausfe^en.  Datier  erfd)eint  es  am 
jmedimagigften,  menn  öiefe  Soxm  öer  (Gütertrennung  mit  gemeinfamer 
Derfügung  über  öie  „(Errungenfd^aft"  ebenfo  oie  öie  allgemeine  (bnttx» 
unö  Derf ügungsgemein|d)aft  als  Dertragsred^te  formuliert  unö 
in  ein  künftiges  6efe^  aufgenommen  rneröen.  Als  g  e  |  e  ^  I  i  d)  e  r 
6üterftanö  aber  {oute  (Gütertrennung  mit  gegenjeitigem  Anteilsred)t 
öer  (Batten  an  öer  ^(Errungen{d)aft"  bei  unoerfd)uIöeter  Sd^iönng-), 
Anredet  öer  S^^^  ^uf  eine  beftimmte  6elörente  für  it)ren  rein  per* 
fönlid^en  Beöarf  unö  auf  Dereinbarung  oon  ..IDirtfd^aftsgelö"  je  nad^ 
öer  jemeiligen  £age  öer  5<^^t^i^neinkünfte,  eingefüt^rt  meröen. 

IDir  rennen  nun ')  nod)  einmal  mit  öem  3öeal  öes  patriard^a- 
lismus,  aus  öeffen  (Geift  unfer  (£l)ered)t  geboren  ift,  ab.  inöem  oir 

*)  (Ein  {oId)es  föllt,  öa  es  eine  Soröerung,  aber  keine  ..bemeglid^e  Sad)e* 
t|t,  ntdjt  unter  öie  oben  S.  460  ermöf^nte  -pi.ioumti'.  Mikmiki     öes  §  1562. 

')  Die  Auseinanöerje^ung  mflröe  öonn  öurd)  anteilsmeife  (Tilgung  öer 
{^ausl}aüs{d)ulöen,  Hüdtnal^me  öes  beiöerjeits  Cingebrad^ten  unö  (Teilung  bes 
etüHiigen  Heftes  erfolgen. 

')  Unter  Der3id}t  auf  nöljere  Bnalpfe  aud)  öer  D  e  r  t  r  a  g  s  {d^emata. 
Sie  |inö  Abmanölungen  öer  Spfteme,  öie  mir  ((bütergemeinid^aft,  (Errungen* 
(d)aftsgemetn{d)aft>  im  IHittelalter  oöer  iSot^rnisgemetnld^aft)  im  (Eoöe  civil 
kennen  lernten,  für  öie  iuriitifd)  ted^nijd^e  Betrad)tung  tetlmeiie  red)t  in* 
tereffant,  aber  für  unfre  (be|td)tspunkte  ntd)ts  prin3iptell  ITeues  bietenö. 
einige  Bemerkungen   über  öie  uns  intereffterenöen  Seiten  f.  oben  S.  474  f. 


496       Das  <£^ered)t  bes  beutf^en  Bürgerlid^en  (Be{e%bu(^es. 

uns  5u{Qinment)Qngenb  bie  allgemeinen  ett)i{^en  unb  p{i)d^oIogt|d)ai 
Konfequensen  Deran{d)aulid)en,  bie  für  bie  5tQu  unb  für  bas  (Kemeim 
{d)aftsleben  eintreten  muffen,  falls  ber  ITIann  bie  i^m  ^eute  gefe^Iidi 
Derlie^ene  Hutoritat  über  it^re  perfon  unb  il^r  Dermögen  aadi  fal* 
1 1  f  ^  antoenbet  unb  fi^  alfo  —  toie  es  no^  Dielf ac^  burc^aus  o^ 
bie  von  5i<^te  oerlangte  „(bxo^mni**  gef^ie^t  —  bie  Ausübung  feiiifr 
f)errf(^aft  3ur  Pfli^t  ma^t'). 

(Er  kann  ^eute  ber  5^<^u  für  bie  Art,  toie  fie  tl^re  ^äuslid/a 
Pf[id)ten  erfüllen  foll,  unb  für  bie  Pflege  unb  (Ersie^ung  ber  Kinöa 
bis  in  alle  <Ein5elt)eiten  bie  entf^eibenben,  fie  gefe^Iid^  binbenöa 
Direktioen  geben,  fo  bag  fte  in  it^rem  e  i  g  e  n  ft  e  n ,  il}r  gefe^Iid^  ji* 
gecDiefenen,  Berufskreife  prin5ipiell  einer  beftänbigen  Beoormunbimg 
unterliegt.  Dabur^  wirb  yaoax  bei  ITIeinungsDerfd^iebenf^etten  eise 
öugerlid)e  „(Einl^eit"  bes  IDillens  mühelos  er5iett,  aber  bod^  nur  bnn^ 
Subtraktion  bes  IDillens  unb  IUeinens  ber  5^öw,  alfo  burdj  iljre  Der» 
kümmerung,  bie  notmenbig  eine  innere  Derarmung  bes  (bemeinfc^fts« 
lebens  bebeutet.  n)er  einmal  bas  oolle  (5lü(k  bes  pflid)tmagtgen  VOt' 
kens  nai^  felbftgegebenen  Hegeln  —  fei  es  andi  an  ben  befc^ibenfta 
Huf  gaben  -  erlebt  l^at,  mug  au^  empfinben  können,  in  roelc^ 
IDeife  bie  (Enttoicklung  bei  jenigen  5t^^uen  beeintröd^tigt  toirb,  bercn 
pflidjtbetDu^tes  IDollcn  bauernb  bur^  ben  —  möglid^enoeife  fubjefetir 
ebcnjo  „pflidjtbctDu^tcn"  —  IDillcn  bes  (bauen  geljemmt  ift.  Die  Ijalb- 
kinblid)e  Uncntu)i(keltl]eit,  in  tocldjer  jener  3ujtanb  bie  5^^"  notroen» 
big  Ijält,  coirkt  aber  nidjt  ettoa  Icbiglid)  ober  aud)  nur  in  erfter 
Cinic  auf  iljr  pcrjönlidjes  (Blüdisgefüljl:  —  biejcs  kann  bei  bequemen 
ober  bcfdjränktcn  Haturcn  babci  gan3  leiblid)  faljrcn,  —  jonbem  öer 
etl)ifd)e  IDcrt  ber  (B  emein  j  d)  af  t  s  b  e3i  elj  u  ng  felbft 
ift  es,  tDcld)er  baburd)  Ijcrabgefeftt  u)irb. 

Können  überljaupt  -  bem  Autoritätsprin3ip  gemäfe  —  bie  |ub« 
jcktiocn  IDünjdje  bes  ITIanncs  rein  als  joldje  Befeljl  toerben,  |o  bleibt 
ber  5^ou  ja  nid)t  oiel  übrig,  toas  fie  iljm  freiwillig  „3U  £iebe 
tun"  kann.  Die  gegcnjcitigc  (Er3icl)ung  3ur  Selbftlofigkeit ,  3um 
freien  Dcr3id)t  auf  eigenfüdjtiges  Collen  unb  eigenfinnige  Illei' 
nungen,  bas  liebensiDürbigc  3uoorkommen  aud)  in  ber  (Erfüllung  un» 
ausgcfprodjcner  IDünjd)C,  kur3  alle  biejenigen  innerlidjen  Hufgaben, 
bie  bas  (Bcmcinfdjaftslebcn  jebcm  (Ein3elncn  täglid)  aufs  neue  ftellt, 

*)  Dgl.  aud)  f}ier3u  befonöers  öie  {ef^r  feinfinnigen  Husfüijningen  von 
Karl  Bulltng  a.  a.  0. 


Ab{d)Iiegen6e  Kritik  bes  (Ef^epatriar^aKsmus.  497 

unö  bereit  immer  felbftDerftönblic^ere  (ErfüHung  bie  <El)e  fo  tDunber> 
{am  beglüdtenb  mad)t,  faUen  ber  Sad)e  nad)  fort.  Die  kleinen  Dienfte 
ber  S^<^^  5ur  <Erf)öf)ung  bes  perfönli^en  Be{)agens  bes  (Balten,  bie 
fte  als  „£iebesbienfte"  freubig  (elften  coirb,  oerlieren  if^ren  Rei5  unb 
roerben  3ur  löftigen,  oft  gerabesu  naturcoibrigen  ([i}rannei,  {obalb  ber 
niann  fte  als  fein  „natürlid^es"  Red)t  beanfprud)t.  Das  (Et}eleben 
mirb  -  coie  jebe  menfd)Iid)e  Be3ief)ung  -  burd)  Anmenbung  eines 
formalen  Autoritatsprin3ips  5CDar  oereinfad^t,  aber  5ugleid)  au^  ent' 
leert  unb  oergröbert. 

Aber  bie  IDirkung  bes  patriard^alen  Prin3ips  erftredtt  fid)  nod) 
über  bas  (5emeinfd)aftsleben  f^inaus.  Der  IDortlaut  bes  (befe^es  for* 
bert  3a>ar  bie  Unterorbnung  ber  5^Qu  nur  in  ben  bas  gemeinf^aft- 
li(^e  £eben  betreffenben  Hngelegent^eiten.  IHan  könnte  baraus  fol- 
gern -  n)ie  bies  aud)  oon  feiten  ber  Derteibiger  unfres  geUenben 
(EI)ered)ts  t^öufig  ge{d}iet)t  -,  baf{  ber  5^au  bemnad)  toenigftens  3ur 
(beftaltung  if^res  perfönlid^en  Cebens ,  unabt^öngig  oom  IDillen 
bes  IHannes,  eine  Spt)are  oöUiger  S^^i^^i^  bliebe.  Das  aber  oiber* 
ftreitet,  a>enn  nid)t  re^tlid)  formal,  fo  bod)  faktifd)  bem  IDefen  ber 
autoritären  <E^e  unb  ift  aud)  pfi}d)oIogifd)  unmöglid) :  Hus  ber  Auf- 
faffung  ber  <El)e  als  einer  ben  gan3en  Hlenfd^en  ergreifenben  Be- 
3ief}ung,  einer  fittlid^en  £ebensgemeinfd)aft,  folgt  ja  gan3  |eIb{toerftanb< 
lid),  bog  alles,  coas  einer  ber  O^atten  tut  unb  empfinbet,  in  irgenb 
einer  IDeife  aud)  ben  anbren  unb  bamit  bas  (bemein{d)aftsleben  be* 
rüt^rt.  Desf)alb  mu^,  oom  Stanbpunkt  bes  partriard^alismus  aus, 
aud)  bas  3nncnleben  ber  5rau  ben  IDünfd)en  bes  IHannes  ent- 
Jpred)en.  2^x  [elbftänbiges  Denken  unb  Urteilen  erfd^toert  gan3  3tDeifeI- 
los  bie  autoritäre  Bel)anblung  ber  ef)elid)cn  Probleme.  3e  reid^er 
unb  unabf)ängiger  fid)  tf)r  eigner  per{önlid)keitsgel)alt  entoidtelt,  um 
|o  fd)a>erer  mu^  es  if)r  n)erben,  ftd)  im  (Ein3clfall  il)ren  eignen  lieber- 
3eugungen  3un)iber  oom  ITlanne  beDormunbcn  3U  laffen.  Starkes 
Streben  nad)  Selbfttätigkeit  unb  geiftiger  (Entroidtlung  ber  S^<^^  niug 
best)alb  btn  p  a  t  r  i  a  r  d)  a  I  gefinnten  ITIann  notcoenbig  mit  bem 
töugerften  niigbel)agen  erfüllen.  IDenn  aud)  nadf  ber  5ormuIierung 
bes  (Befet^es  ber  |d)mäblid)e  Hnfprud),  bie  Korrefponbcn3  ber  (Ef)efrau 
3U  kontrollieren,  !)eute  nid)t  mel)r,  toie  im  preu6ifd)en  £anbred)t,  eine 
3U)eifeno|e  Stufte  im  geltenben  Red)t  finbet,  |o  liegt  er  bod)  tief 
im  Begriff  bes  „flutoritätsprin3ips"  begrünbet.  Sd)on  um  feines  (ee- 
li{d)en  (BIeid)getDid)ts  oillen   oirb   er   it)ren  Derket)r,   if)re  £ektüre, 

n?  r  b  c  r,  CMrau  lln^  mmtrr  32 


498       Das  (Ef^ere^t  6es  öeutf^en  Bürgerli^en  (5e(e^bud^es. 

t^re  befonberen  geiftigen,  fo5iQlen  unb  politifd^en  3nterenen,  kuT3  alle 
fleugerungsformen  ii)res  qani  perfönli^en  3nnenlebens  3U  fnonttol' 
Heren  unb  5U  beeinfluffen  [ud)en.  IDer  bas  natürlid^e  unb  oom  <k* 
[e^  unterftü^te  unb  fanktionierte  Streben  na^  bebingungslofer  Hlat^t 
über  ben  IDillen  {einer  tebensgeföf^rtin  nid)t  oon  Dorne^erein  als  im* 
{ittli^  in  fid)  bekämpft,  kommt  ferner  3ur  Ru^e,  wenn  er  ft(^  md|t 
beftönbig  au^  als  I}errn  i^res  gans  per{önlid^en  3nnenlebens  fm< 
pfinbet. 

Desl^alb  gilt  aud)  für  alle  auf  bem  Boben  bes  (5efe^es  Ste^* 
ben  nod)  immer  ber  (Brunbja^ :  „Die  5^öu  gebort  ins  Ijaus*  in  bem 
Sinne,  ba^  bie  per(önIid)keitsenttDi(kIung  ber  5rau  ba  unb  bann 
i^re  Sd)ranken  finbet,  tDo  fie  nid)t  ettoa  irgenbtoelc^e  nod^  {0  um* 
faffenb  abgefte&ten  „objektioen"  Sroecke  ber  (E^e,  fonbern  bie  »flutori» 
tot"  unb  bie  rein  {ubjektioen  Anfprüd^e  bes  {}aus^errn  gefai)rbet  und 
besl^alb  feiner  inneren  3uftimmung  entbehrt.  Dag  in  biefem  l^alb  im* 
becDugten  (Empfinben  nod)  freute  jebes  über  bas  t^äuslid^e  £eben  prtR* 
3ipien  ^inausgel)enbe  ernft^fte  Betätigungsftreben  ber  5wu  -  fei 
es  nun  toeldjer  Hrt  es  toolle  —  ber  ITIeljr^eit  beutfc^er  IRanner  im« 
bequem  unb  Derböd)tig  ift,  ift  leiber  eine  bekannte  (Erfa^rungstat* 
{ad)e.  (becDÖl^nlid)  kleibet  fid)  ber  innere  proteft  bagegen  beim  Illaim 
ber  5onn  naif  in  bie  Bejorgnis  um  bie  Dernadjiäffigung  i^res  f}auies 
unb  ber  Kinber:  -  ein  ftppcU,  ber  natürli^  niemals  bie  IDirkuiig 
oerfeljlt,  eine  geioiffenljafte  5^ou  an  ber  Bere^tigung  iljres  beftens 
Strebens  unfid)er  3U  madjcn  unb  oon  ber  Pflege  nod)  fo  ibealer  3ntcT' 
effen  3urüdJ3UJd)redicn. 

(Es  ift  aljo  ein  3rrtum,  aus  bem  IDortlaut  bes  (befe^es  3U  fol- 
gern, ba^  bie  5^QU  -  falls  fie  nur  iljre  Pflidjten  innerf}alb  bes  (Be« 
meinjdjaftslebcns  erfüllt  -  fid)  aud)  gegen  btn  IDüIen  iljres  (batten 
eine  Spljärc  loirklidjer  5^^i^^^t  referoieren  könne. 

Unter  ber  tjcrrfdjaft  bes  patriard)alismus  Ijat  fid)  besljalb  jener, 
oortoiegenb  in  Deutjdjlanb  gefeierte,  5^ouentt)pus  enttoidielt,  ber  im 
„Kätdjen  oon  f}cilbronn"  poetifd)  ocrklärt  ift  unb  beffen  (Empfinbungen 
bem  ITlanne  gegenüber  3.  B.  (Eljamifjo's  5^öw^"Ii^ber  einen  in  iljrcr 
Hrt  jo  ergreifenben  Husbrudi  oerleil}en.  (Es  ift  ber  ([i)pus  bes  un» 
fertigen,  kinbHd)en,  toeltfremben ,  {dju^bebürf tigen ,  an{d)miegen6en 
tDcibes,  bas  in  bemütiger  Dereljrung  als  „niebere  ITIagb'*  3U  btm 
„l)ol)en  Stern  ber  tjerrlidjkeit"  auffd)aut  unb  fidj  bem  ITIannc  bi 
bingungslos,  nidjt  in  bctougter  Selbftoerleugnung ,  fonbern  in  einer 


Abf^Hegenbe  Kritik  bes  (Ef^epatriarc^alismus.  499 

Art  bumpfer,  triebhafter  Shlaoenfeligkeit  untenoirft.  So  äftljetifd) 
rei3Don  uns  biefer  (Eppus  in  bid)terifd)  oerhlörter  5orm  aud)  l^enU 
nod)  er{d)einen  mag,  als  fittlid)  notoenbig  ober  aud)  nur  oertooll 
barf  er  uns  fd)Ied)terbing$  nid)t  mel^r  gelten.  Diefe  bemütige  Unter« 
loerfung  i|t  nur  bann  nid)t  mürbelos,  oenn  bie  5^ou  an  3af)ren  ein 
f)albes  Kinb,  tatföd^üd)  unreif  in  bie  (El)e  tritt  unb  ber  geiftigen  unb 
moralifd)en  lleberlegenl)eit  eines  fertigen  niannes  gegenüber{tet)t  - 
ein  Derl)altnis,  bas  man  fooiel  tx)ie  mögli^  oermeiben  follte. 

IDenn  aber  3eit  unb  Sd^idtfale  bie  5^^^^  reifen,  unb  fie  nid)t 
immer  -  toie  es  freilid)  leiber  no^  fo  oiele  in  ber  (Tat  tun  -  auf 
ber  Stufe  bes  l^alben  Kinbes  Derf}arren  oill,  fo  mu^  eines  (Eages, 
aud)  bei  unoeränbertem  Ciebesempfinben  gegenüber  bem  (Batten,  il^re 
{d}Iummernbe  3nbiDibuaIität  als  Streben  nad)  eignem  tDoIIen  unb 
Urteilen  t^eroorbred^en  unb  ftd)  if)r  mit  ber  VXa&it  eines  ftttlidien  (ße> 
bots  aufbrängen.  Dann  aber  a>irb  es  il)r  fd^coer,  gegenüber  bem, 
bist)er  an  if)re  bebtngungslofe  „blinbe"  Unterorbnung  unb  geiftige 
(benügfamheit  gea>öf)nten  ITIann  ben  Hlut  ber  eignen  ITIeinung  3U 
finben  unb  baburd)  bie  eljelidje  „t^armonie"  3U  ftören.  Sie  loirb  bann 
oft  genug  ben  Konflikt  3n)i|d)en  it^rem  per|önlid)keitsftreben  unb  ber 
il)r  getool^nten  autoritären  (Bebunbenfjeit  baburd)  3U  löfen  fud^en, 
ba^  fie  fid)  fd^einbar  bem  IDillen  bes  Hlannes  fügt,  il)n  jebod)  t^eim- 
lid)  umget}t,  um  nad)  il)ren  eignen  Ueber3eugungen  3U  l)anbeln.  Dem 
nianne  aber  tritt  bas  fo  lange  latent  getoefene  (Eigen-tDoden  feiner 
5rau  als  ein  frembes,  feinbfeliges,  bas  ef)elid)e  (5Iüdt  [törenbes 
(Element  entgegen.  Das  rüdtfjaltlofe  Dertrauen  fd^oinbet,  unb  ent« 
toeber  ift  bann  bie  innerlid)e  (Entfrembung  unoermeiblid),  unb  bie  et}e> 
Iid)e  (Bemeinid)aft  ]palM  luwtWtn  plö^Ud)  ein  unt^eilbarer  Brud),  - 
ober,  Ijäufiger,  tritt  jener  3u[tanb  jtagnierenber  £ebenskraft  beim 
n)eibe  ein,  loeldjer  -  in  Derbinbung  mit  bem  3unel)menben  Bebürf» 
nis  bes  ITIannes  nad)  Bequemlid)keit  unb  ber  bamit  3u(ammenl)än« 
genben  Derbrängung  edjter  „Ritterlidikeit"  aus  bem  Hlltagsleben  ber 
(hatten  -  jenes  jämmerlid^e  Bilb  fpie^bürgerlid^er  KIeiniid}keit  unb 
Derhümmerung  er3eugt,  toeldjes  ber  „beut[d}en*'  (Elje,  unb  grabe  ber 
,,glüdilid)en'',  fo  ungemein  oft  aud}  ba  antraf tet,  too  bies  nadj  Be« 
gabung,  (Eigenart  unb  Cebenslage  ber  (!)atten  gan3  unb  garnid)t 
nötig  toäre.  Unb  bas  alles  besfjalb,  toeil  bie  $rau  il)r  eignes  Selbft 
entioeber,  -  im  erften  5^^»  -  \o  IP^t,  ober,  -  im  3tDeiten  S^H,  - 
gar  nxdji  gefunben,  toeil  ber  ITIann  niemals  gelernt  f}at,  bas  lDe|en 

32* 


500       Das  <E^ered)t  bes  beutf^en  Bürgerlt^en  (5e{e^bu(^es. 

an  feiner  Seite  als  glei^  i{)m  5ur  Selbftbefttmmung  bered^tigte  per« 
{önlid)keit  5u  toerten,  coeil  er  fie  ausfc^Iiegli^  als  „mittel"  5u  b^ 
coerten  gelernt  l^at.  Ili^t ,  ba%  ber  e^ere^tlic^e  patrior^olb« 
mus  mit  unentrinnbarer  naturge{e^Iid)er  Strenge  einen  (old^en  Der> 
lauf  erstDÖnge,  coirb  ^ier  bel^auptet:  es  gibt  im  (Gegenteil  kein  €^ 
red)t  ber  IDelt,  toelc^es  einen  joI(^en  Derlauf  mit  Sid^er^eit  aus* 
{(^löffe  unb  anbrerjeits  keines,  n)el^es  ni^t  im  (Einselfaü  fittlid)  über* 
n)unben  unb  unf^öblid)  gemalt  toerben  könnte.  TDoi^I  aber  bilbet 
unfer  <El)ere^t  no^  ^eute  einen  Ring  in  jener  Kette  Don  |03ialen  (B^ 
gebenl)citcn,  bie  bas  „Si)ftem"  bes  patriar^alismus  barftellen,  in 
coeld^es  bas  junge  IDeib  a^nunglos  unb  o^ne  ITIdgli^keit  eignen  Ur* 
teils  eingefponnen  toirb.  Unb  es  fte^t  über  allen  Smeifel  feft,  bai  es 
bie  (Entn)i(klung  ber  kleinlid)en  „Autoritat"'(EiteIkeit  bes  IRannes  auf 
Sd)ritt  unb  (Eritt  f  ö  r  b  e  r  t  unb  ba^er  an  ber  (Enttoertung  ber  e^* 
li^en  Be5iet)ungen ,  tDo  immer  jie  5U  beoba^ten  ift,  {e^r  regelmäßig 
jein  gerütteltes  VXa^  an  Sd)ulb  trägt. 

flngefid)ts  foId)er  (Eragöbien  moberner  IRenf^en,  beren  objektio 
tragijd)fte  ja  grabe  biejenigen  |inb,  bie  n  i  d)  t  in  bie  Dramatik  offener 
ober  überhaupt  becougter  Konflikte  ausmünben,  mugte  in  btn  Stauen 
bie  (Ein{id)t  ercoa^en,  ba%  i^r  (bemeinf^aftsleben  nur  bann  ttwos 
anbres  als  eine  rein  materiell  „gefidjerte  £ebensftellung"  toerben  kann, 
roenn  fie  als  „perfönlidjkeit"  in  bie  (Elje  treten  unb  bann  aud|  öen 
TTIut  finben,  |id),  in  bem  unoermeiblidjen  TTIadjtkampf  ber  Seelen,  als 
(5euo|fin  bes  ITIannes  3U  bcljaupten;  ba^  fic  fid)  iljr  Ijödjftes  (But: 
bie  fd)idi|alübcrtDinbcnbe,  frcubige  Ciebeskraft  für  bcn  (batten,  nur 
bann  unge|d)tDäd)t  ein  langes  £eben  Ijinburd)  erijalten  können,  roenn 
fie  iljn  baoor  betoaljren,  jid)  burd)  (Entroidilung  feines  natürlidjen 
f}errcnki^els  felbft  3U  entftellen.  Die  ITIänner  aber  gilt  es  3U  über* 
3eugen,  ba^  fie  fid)  iljre  5rau  burd)  nidjts  inniger  oerbinben,  als 
roenn  fie  iljnen  oon  oornljcrcin  ebenfo  oiel  g  e  f  i  d)  e  r  t  e  5teil)eit  3U 
felbftbeftimmtcm  IDirkcn  unb  felbftänbiger  geiftiger  (Enttoi&lung  gönnen, 
roie  fie  für  fid)  felbft  bcanfprudjen,  unb  iljncn  bas  oolle  Dertrauen 
fdjenkcn,  ba^  bie  Stauen  im  Prin3ip  bie  burd)  bie  (Elje  gegebenen 
unb  bie  baneben  oon  iljnen  felbftgetDäl)lten  Pflidjten  ebenfo  gut  3U 
balancieren  coiffen,  coie  bk  ITIänner  ettoa  ifjren  Beruf  unb  iljre 
öffentlid)en  Pflid)ten. 

Sroeifellos  fdjafft   alfo   erft  bie   Anerkennung   ber  normen 
etl]ifd)en  3nöiDibualismus   aud)   für  bas  Derljältnis  ber  (befd/lec^ter 


Ab[(^Itegen6e  Kritik  öes  (Ef^epatriar^aHsmus.  501 

öte  Bafis  für  6te  ttefften  unö  unoergängli^ften  Bestellungen  ber 
(Balten,  a>te  für  bie  oolle  ersiet^enfd^e  IDtrhung  ber  (Et^e  auf  il)rer 
beiber  ([f}arakter.  Denn  bas  ift  ja  bie  tragtfd^e  3ronie  bes  et^e« 
Iid)en  patriard^alismus  in  ber  Praps,  ba\^  er  fein  probukt  in  ber 
Hegel  miga^tet:  Die  S^^^»  ^i^  P4  ^^^  IHanne  fügfam  unb  kritiklos 
unterorbnet  unb  oeber  felbftänbige  Urteilskraft  nod)  eignes  intellek- 
tuelles £eben  in  fid)  entiDtdtelt,  coirb  it)m  in  öer  Regel  re^t  f^nell 
„unintereffant".  Sie  mag  if)m  bann  3tDar  als  mittel  5ur  Befriebigung 
feiner  pt)i}ftf^en  Bebürfniffe,  als  Hlutter  feiner  Kinber  unb  oor  allem 
als  (Duelle  feines  Beiwagens  bauernb  f^ö^enstoert  bleiben,  aber  er 
benkt  toenig  baran,  feine  entfd)eibenben  geiftigen  3ntereffen  mit  if)r 
kamerabfd^aftlid)  3U  teilen.  Dag  er  fid)  red)t  gern  oon  il)r  beoun- 
bem  lägt  unb  in  iljr  gern  ein  ftets  bereites  „ddjo"  feiner  flnfidjten 
finbet,  l)at  mit  geiftiger  „Kamerabfd}aftlid)keit''  nid)ts  3U  fd}affen. 
Selbft  bie  getoöt^nlid^e  (Ert^olung  fud)t  er  fi^  nid)t  feiten  lieber  allein, 
benn  ber  bid)te  Hlltagsftaub  ber  £angenn)eile  bedtt  fid)  über  bie  Be« 
3iet)ungen  3U  xl\x  unb  mad)t  grau,  toas  einft  farbig  unb  Ieud)tenb  oar. 

3n  einer  foId}en  patriard}alen  (E{)e  oermifd^en  ftd)  bie  (!)efüt)Ie 
ber  „(Brofemut"  bes  feiner  gearteten  niannes  l)aufig  mit  einem  guten 
(Eeil  fouDeräner  {}erablaffung,  tDä{)renb  bas  Temperament  ber  gröber 
Deranlagten  ftd)  meift  3U  naioer  Hüdtftd^tslortgkeit  unb  3d)fud)t  ge- 
genüber  ber  5^^u  enttoidtelt.  So  tritt  uns  als  d)arakteroIogifd)es 
Probukt  bes  el^elid^en  patriard^alismus  ber  felbftl)errlid}e,  gemütlid) 
unbifferen3ierte ,  fpesififd)  beutfdje  Durd}fd)nitts«(EIjemann  entgegen, 
ber  fid)  3U  f)aufe  bebienen  unb  DertDÖf)nen  unb  ftd)  tro^bem  grabe 
bort  in  feinen  unliebenstoürbigen  (Eigenfd^aften  gefjen  lägt,  toeil  er 
fid)  Don  ber  S^öu  burd}  eine  unermeglid)e  geiftige  Kluft  getrennt 
oeig  -  ober  glaubt.  Unb  anbrerfeits  bie  opfertoillige.  anpaffungs* 
fäl)tge,  aber  geiftig  oöUig  paffioe,  intellektuell  unentroidielte  Uur- 
{}ausfrau,  bie  ber  objektioen  Kultur  teilnafjmlos  gegenüberftebt,  gün« 
ftigenfalls  burd)  bie  Brillen  bes  ITIannes  einen  BliA  in  ibre  Probleme 
erl)afd)t  unb  burd)  il)re  Kleinlid)keit  unb  bie  (Enge  il)res  (f)efid)tS' 
kreifes  nur  3U  häufig  bie  „(Bebulb"  bes  ülannes  berausforbert. 

nur  ein  einsiges  Argument  für  eine  bauernbe  UottDenbigkeit  bes 
Hutoritätsprinsips  ift  burd)  Pernunftgrünbe  nid)t  3U  roiberlegen. 
Uämlid)  bie  Berufung  auf  bie  oon  (bott  gewollte,  burd)  (Eoas  (Er* 
fd)uffung  aus  unb  für  Rbam  offenbarte  unb  burd)  btn  Sünbenfall  3ur 
Strafe  getoorbene  Unterorbnung  bes  toeibli^en  (Befd)Ied)ts.    IDer,  a>ie 


502       Das  (Et^erec^t  öes  öeut{(^en  Bürgerlichen  (Befe^bu^es. 

je^t  no(^  öie  ftatt)oIt{(^e  Kirche  unö  5.  (C.  auc^  öie  proteftanti|<!^e 
(Ctjeologie,  auf  öiefem  Stanötpunlit  oertjarrt,  mufe  aber  auc^  öie 
Kon{equen3en  3iet)en,  öie  von  ie!)er,  a!)nli(^  öem  Re^t  öes  (Colmub 
unö  öes  3slam,  öie  liattjolijc^e  Kirche  ge3ogen  tjat.  Sie  oerfpric^t 
öem  öemütigen  (Be!|orfam  öer  5^^"  !|immlijc^en  £o^n  unö  feftt  öer 
IDiniiür  öes  ITtannes  öurc^  flnöro!|ung  eroiger  Strafen  Sc^raniien. 
Aber  no^  me!|r!  IDie  im  ©rient,  öer  eigentlichen  f^eimat  öes 
Patriarc^alismus,  öer  Kaöi,  fo  kontrolliert,  —  roenigftens  öer  3ö<e 
na^,  -  öer  Bei^toater,  als  ^üter  öer  göttlichen  Orönung  unö  (bt-- 
toiffensrat  {eines  Bei^thinöes  auc^  in  iröifc^en  Dingen,  öie  3nne^' 
tung  öer  für  öas  ©erhalten  öer  (Batten  traöitioneü  geltenöen,  aufeercn 
Regeln.  (Er  beanfpru^t  öas  Re^t  unö  t)at  öie  Rlac^t,  im  (Ein5elfalle 
auc^  in  öie  sartejten  unö  perfönli^ften  Besietjungen  einjugreifen. 
Unö  mit  DoIIem  Rec^t,  öenn  eine  öauernöe  perfönlic^e  Unterorönung 
ift  nur  bann  fittli^  ertrögli^,  toenn  fte  als  gottgeroollt  gilt  unö 
toenn  itjr  ©bjelit  fi^  öur^  fefte  S^ranken,  roie  fie  nur  unerjd|ütter* 
li^e  (Craöition  unö  beftänöige  Kontrolle,  3ufammen  mit  öem  Rücb^t 
an  einen  priefterli^en  Dertrauten  garantieren,  gegen  öie  IDtllltür  öes 
{}errf^enöen  gef^ü^t  toeig.  Rlit  öem  religiöfen  (brunöprin3tp  öes 
Proteftantismus  ift  fie  unoereinbar. 

Die  entf^eiöenöe  Kulturbeöeutung  öes  oerfeinerten  patriarc^alis« 
mus  bejtanö,  toie  öie  ©cf^i^tc  Icl)rt,  öarin,  öa^  er  öas  reci)!» 
li  ^ e  Banö,  roas  unter  anöcrn  5ormen  öes  gef^Ie^tlidjen  Sujammen» 
Icbcns  nur  ITIuttcr  unö  Kino  oerknüpfte,  auc^  um  öcn  Dater  jcijlang 
unö  if)n  gclcl)rt  Ijat,  3ufammcn  mit  öer  ITtutter  für  Unterl)alt  un5 
(Er3icl)ung  öer  Kinöcr  3U  forgcn.  3nöem  er  jeöem  ein3elnen  ITIann, 
-  mo^tc  er  fonft  SHaoe  oöcr  5teier  fein  - ,  in  feinem  eignen  t}auic 
{7errenrcd)te  oerliel),  fättigtc  er  -  3unäcijft  freili^  auf  Koften  5er 
Srau  —  öas  tief  im  ITIenf^en  tDur3cInöe  Beöürfnis  nad^  einer  Sphäre 
perfönlid)er  inad)t.  Hur  öaöur^  aber  touröe  in  einer  Seit,  als  nocfa 
unge3ügclte,  egoiftif^e  3nftinfete  öen  ITTenfcijen  bel)errfc^ten,  öer  oon 
Ratur  fd)tDeif enöe ,  Dcränöerlid)e  ITTann  an  öie  ©bjelite  feiner  fyn^ 
fd)aft:  S^CLU  unö  Kinöer,  öauernö  gefeffcit.  Unö  auf  öem  Boöcn 
öiefer  3unäd)ft  rein  äufeerli^en  Dcreinigung  konnte  öann  erft,  in  einem 
jaljrtaujenöclangen  (Er3iel)ungspro3e6  öer  ITIenf^ljeit,  öas,  öie  Be» 
fricöigung  finnüdicr  (Erlebe  übcröaucrnöe,  (Befül)!  innerer  Sufammen« 
gcfjörigkeit  mit  öer  (Battin,  unö  ein  oötcrli^es  Derantroortungsge^ 
fül)I  für  öie  Kinöcr  entfteljen. 


Ab|(^Itegen5e  Krittft  öes  (Et^epatriarc^altsmus.  503 

Der  patrtarc^alismus  0011309  öabei  öie  £osIö{ung  öer  (Ein5elfamilte, 
öes  etn5elnen  IHannes  aus  öer  f^eröenartigen  (Bebunöen^ett  an  öie 
Sippe,  toeldje  öie  inöioiöuelle  (Enhoidilung  öes  (Ein3elnen  mit  taulenö 
Klammern  gefeffelt  ^ielt.  (Erft  öurc^  öie|e  Derein3elung  unö  3unef)- 
menöe  Derltleinerung  öer  IHenl^engruppen  konnte  fid)  aber  öer  nienfd) 
als  (Eröger  eines  eignen  IDillens,  bejonöerer  S^^ig^^it^n  unö  eigen- 
artiger 3tx)e(ke:  alsSnöioiöuum,  empfinöen  lernen.  Unfere  ganse 
moöerne  Kultur  ift  öie  5^ud)t  öie|er  inöiDiöuaIi{ti|(^en  (EntiDidilung, 
unö  mit  all  it^ren  furchtbaren  Sd^ööen  ftnöet  fie  nur  öarin  if^re  Recht- 
fertigung, öag  fie,  tx)ie  bist^er  fteine  anöere  Kulturform,  öer  (EntiDidilung 
autonomer  ftttlid^er  per|önlid)fteiten  Spielraum  gen)a!}rt  ^at.  Die  patri- 
ar^ale  (Ein3elfamilie  toar  öie  Bafts,  Don  öer  aus  öie  Sprengung  öer 
binöenöen  ITIöci^te  öer  Dergangent^eit  gelang.  Aber  öas  3^<^(  ^^t 
poIitif(i)en  unö  fo3iaIen  5^^i^^it  unö  öer  (Enttoicklung  3ur  innerlid^ 
freien  menf^Iici^en  per|önlic^fteit  galt  bisher  nur  für  öen  IHann 
unö  toar  im  Sd^oge  öes  patriarc^alismus  nur  für  it)n  erreici^bar. 
Die  perfönli(i)f(eitsentfaltung  öer  Stau  blieb  gebunöen  öurci)  öie  (Era- 
öition  unö  öen  IDillen  öes  IHannes.  Die  (beltung  öer  einmal  ins 
BeiDugtfein  get)obenen  ett)ifc^en  normen  befci^rönftt  fici)  aber  nici)t  auf 
ein  (befci)Ie(i)t.  IDer  übert^aupt  öie  (Enta)idilung  öer  autonomen  \\tt' 
Keinen  per|dnli^f(eit  als  einen  öer  unbeöingt  gültigen,  I}ö(i)ften  Strecke 
unferes  (Eröenlebens  bejat^t,  öer  mug  it)r  (beltungsbereid^  au^  auf 
öie  S^ou  ausöet)nen.  Das  £ic^t  jener  Sterne  im  fittlic^en  Betou^tfein 
leuci^tet  audi  i!}r. 

ni(i)t  öie  3  ö  e  a  I  e  öes  „etl}if(i)en  Snöioiöualismus"  |inö  auger  | 
Kurs  gefegt,  fonöern  öie  mittel,  öie|en  3^<^<i(<n  na(i)3uitreben, 
I^aben  [idi  tciliDcife  oerönöert.  tDir  können  freute  nici)t  |c^Ie(i)t^in 
H  11  e  s  leöiglici)  oon  öer  freien  unkontrollierten  3nitiatiDe  öer  (Ein« 
3elnen  ertoarten.  Das  Seitalter  öes  Kapitalismus  foröert  feite  gefe^< 
Ii(i)e  Sd)ranken  gegen  öen  (Egoismus  öes  (Ein3elnen.  (Er  foröert  fie 
für  öas  Kino  gegen  öen  (Egoismus  beiöer  (Eltern.  (Er  foröert  fie 
gegen  öen  ITIann  3U  (bunften  öer  S^^u,  toelci^e,  infolge  einer  Kombina« 
tion  Don  p!}t}rtoIogtfd)en  unö  ökonomijd^en  (brünöen,  ot)ne  fie  öer  Der* 
kümmerung  ausgefegt  toären.  Rber  öie|e  Derönöerung  öer  mittel, 
u)el(i)e  öie  Heci^tsorönung  antoenöen  mug,  önöert  nichts  öaran,  öag 
öer  3  tx)  e  dl  aud)  t}eute  nur  Sicherung  öer  menfd^eniDüröe  aud)  für 
öie  S^OU'  ^0^  ^^^b^  <^^^^'  ^^e  (beu)al}rung  öer  „5t^<^^it  3ur  Pflid^t* 
erfüUung"  (ein  kann. 


504       Das  (E^erec^t  bes  öeutfc^en  Bürgerlichen  (Befe^buc^es. 

Der  patriard)alismus  tjat  jeine  ba^nbrec^enbe  Aufgabe  erfüllt. 
3eftt  iDirö  er  3ur  S^ff^I  fü^  ^^^^  "^^  umfaffenbere  DeriDirfeKd)ung. 
Die  3eit  ift  gekommen,  too  auc^  bie  Stau  if^r  Re^t  auf  Perjönlic^« 
feeit  unb  i^re  Pflicht  nadj  eignem  (Beroiffen  3u  tjanbeln  erkannt  f^ot, 
unb  es,  ni^t  nur  um  i!|rer  felbfhDiHen,  jonbem  auc^  im  Hamen  ob» 
jefetioer  Kultunoerte  einforbert.  Deutjc^e  S^^uen,  bie  im  Daterlonb 
bas  £anb  i^rer  Kinber  lieben,  können  i!)re  3beale  nid)t  aus  ber  Seit 
i^rer  Doroäter  ^olen  iDoHen. 


titeratur. 

Sür  5ie  (Ent|tel}ung  5es  6e{e^es  unb  3um  Der|tanbnis  bts  Sinnes 
{einer  Be{timmungen  mug  jebes  einge^enöere  Stubium  3urü(6gel}en  auf  6en 
„(Entmurf  eines  bürgerlid)en  (5e{e^bud)es  für  bas  beut|d)e  Rei(^.  €rfte 
Cejung",  publi3iert,  mit  5  Bänben  „motioe",  im  3aljr  1888.  Die  baran 
|id)  an|d)Iie6enbe,  öffentlid^e  Disfiu{{ion  3U  {tubieren  ift  fef)r  erleichtert 
burd)  bie  „3u{ammen{teIIung  ber  gutad)tlid^en  Heugerungen  3U  bem  (Entrourf 
eines  bürgerlid)en  (5efe^bud)es",  roeld^e  bas  Reid)siufti3amt  I89I  in  6  Bänben 
Verausgab.  Spe3ieII  3U  bead)ten  {inb  :  0.  (5  i  er  he,  Der  €ntn)urf  eines  B(5B. 
unb  bas  beutjd)e  Red)t,  £eip3ig  1889,  (ftrikt  reaktionär)  unb  H.  ITI  e  n  g  e  r. 
Das  bürgerliche  Red)t  unb  bie  befi^Iofen  DoIkskIa{fen,  Rxd^iv  für  fo3iaIe 
6efe^gebung,  1889/90,  aud)  feparat,  (Tübingen  1890  erfd)ienen  (fosialiftifdi 
be3n).  fo3iaIrefomert{d)).  (Carl  B  u  1 1  i  n  g ,  Die  beutfd)e  S^ou  unb  bas  bürger« 
Itd)e  6e{e^bud),  Berlin  1896  (liberal)  Sera  pro e Ig  unb  IHarie  Hafd^he,  Die 
5rau  im  neuen  bürgerli(i)en  ^eje^bud),  Berlin  1895  (energifd)e  Dertretung  bes 
Srauenftanbpunhtcs),  „Das  beutjd)e Redjt  unb  bie  beut{d)en  Stauen",  Ijeraus« 
gegeben  com  Redjtsjdju^ocrein  für  S^oucn  in  Drcsbcn  (cbcnjo)  -  Die  proto« 
holle  ber  für  bie  3U)eite  Cejung  eingelegten  Kommijjion  jinb  ebenfalls  publi« 
3iert,  ebenjo  (Berlin,  6uttentag,  1896)  ber  oon  i^r  an  ben  Bunbesrat  gelangte 
„(EnttDurf  3tDeiter  Cejung".  61ei(f)falls  ijt  bie  3ur  Begrünbung  ber  Dorlage 
an  ben  Reidjstag  ausgearbeitete  Dcnhjdjrift  (Berlin,  6uttentag,  18%)  mx- 
öffentlid^t.  Die  Heid^tstagsoerl^anblungen  finben  {id)  in  ben  {teno9rapt}ijd)en 
Berid)tcn  ber  Si^ungen  com  19.  bis  27.  3uni  unb  com  30.  3uni  unb  1.  juH 
1896.  Don  bem  6e|e^bud)  jelb|t  cjijtiercn  3aljllojc  Ausgaben,  barunter  bie 
(Eajdjenausgabe  (mit  Regijter)  oon  pannier  (£eip3ig,  Reclam)  unb  bie  jeljr 
braud)bare  „f^anbausgabe  mit  flnmerhungcn"  oon  Sifdjer,  f^enle,  (Eben, 
Sdjneibcr  (Hlündjen,  i.  f}.  Berfi  1902),  ©eldje  namentlidj  bie  erforberlid|en 
paragrapl)ensDertDcifungen  entljält.  S^rner  eji(ticren  bereits  meljrere  Korn« 
mentare.  3ur  3eit  (Anfang  1907)  i|t  ber  mobernjtc  Dolljtänbigc  Kommen» 
tar  bes  Son^ilicnr^djtes,  mit  umfajjenbcr  Derroeijung  auf  bie  £itcratur  unö 
Berüd{{id)tung  ber  Red}tjpred}ung  (ba3u  jpe3iell  3U  bead)ten  aud)  bie  Had^* 
träge  unb  Beridjtigungen  S.  780  ff.),  berjenige  oon  flrtl}ur  B.  S  d)  m  i  ö  t 
(lUündjcn,  Bcdi,  1907).  flufeer  ben  Beljanblungen  bes  Sontilienredjts  in  den 
£el}rbüd}ern  oon  5-  inbemann  (Ccl)rbud)  bes  bürgcrlidjen  Redjtsi  und 
oon  (E  0 1  a  dl  (£el)rbud)  bes  beut|d)en  bürgerlidjen  Red)ts),  foroie  in  bem 
IDcrk  oon  Dernburg  (Das  bürgerlidje  Red)t  bes  beutjd^en  Reidjes 
unb  Preußens),  ijt  bie  Darjtellung  bes  Somilienred)ts  in  Banb  II  pon  K. 
fieinsljeimer.  Das  beut|d)e  bürgerlidje  6e(e^bud)  mit  feinen  Heben^ 
geje^cn  unb  bas  babi[d]e  Red]t  (Karlsruljc  1901),  ferner  oon  bemfelben :  Dos 


Citerotttr.  505 

Rcd)t  bes  niannes  am  Dermögen  bet  5rau  {2tna  1902),  ferner  Rid^arb  Sd^rö- 
ber,  Das  el}eli(^e  (büitrxtd^t  bes  bflrgerlic^en  (befe^buc^es  (3.  Aufl.  1900) 
unb  U 1 1  m  a  n  n ,  Das  geje^Iid^e  ef^elid^e  (büterred)t  in  Deutfqlanb  (2.  Hufl., 
1903),  5um  nad^fd^Iagen  aud)  5^a<nliel,  Das  Samtlienred^t  bt%  B(bB. 
(f^annooer  1898)  3U  empfel}len.  Ab  eine  aud^  bie  S^Quenforberungen  liriti« 
jierenbe  Stubie  ift  lefenstoert  aud^  f).  3  a  |t  1 0  id  ,  Das  Red^t  ber  S^au  nad^ 
bem  bflrgerli(^en  (befefebud)  (Berlin  1897). 


506 


VI.  Kapitel. 

(Et|ekrtttk,    (Et|ef Reibung  unb  augeret}  elt^e  (Bej^Iec^ts* 

be3iel|ungen. 

3n^alt:   A.   3ur   mobernen(Ef)efiritikS.  507  —  546. 

Statt{ti{d)e  Bebeutung  6er  (E^e,  ber  (El}eltd)kett  unb  ber  ^^efc^eibungen 
S.  507.  -  IHoberne  angriffe  auf  bie  €i)e  als  Red)tsin{tttut  S.  513.  - 
Hnregung  3ur  freien  „proteitelje"  S.  513.  —  Der{ud)e  ber  Konftrufttion 
einer  neuen  Se|:ualetl}iii  S.  514.  —  Begrünbung  auf  bie  ouIgör{o3tali|tif(l^e 
(Eljeorie  ber  (Eljeentroidtlung  S.  515.  —  Die  „dhonomifd^e  €man5tpatton* 
ber  Srau  S.  516.  —  Speaiell  bie  „ITIutterjdiaftsrente*'  S.  519.  -  Die  pro* 
{titution  als  Korrelat  ber  „UQitimen  (E^e"  S.  522.  —  Prtnsipielles  Derl)äU> 
nis  Don  {e|rualetl}i{d)er  llorm  unb  {e|:ualetl}ifd)en  (Catfad^en  S.  527.  —  Der* 
I^öltnis  Don  {ittlid)em  XDert  unb  red}tlid)er  0rbnung  ber  €f)e  S.  531.  - 
Die  re(i)t(id}e  Bef)anblung  ber  Konkubinate  S.  535.  —  Konfequensen  aus 
bcm  formalen  (EF)araIitcr  bcs  Hed)ts  S.  537.  —  Sd)ranken  ber  materiellen 
lejucUen  Dertragsfreif^cit  S.  541.   —   „S^eie  (E^e"  ober  €l)erefonn  ?  S.  542. 

B.  Das  (El)efd}eibungsproblem,  {pe3iell  im  6eut{d)en 
B6B.  S.  546-559. 

„flbjolutc"  unb  „relatioe"  Sd}cibungsgrünbc  im  B6B.  S.  547.  —  prinjtp 
ber  Sd]eibung  nur  iDegen  S(i)ulb  S.  548.  —  Kon{equen3en  infolge  bes  patri> 
ard]alcn  (El)crc(f)tes  S.  549.  -  Begrünbung  bcs  Prin3ips  in  bm  lUotiocn 
bes  B6B.  S.  551.  -  Kritik  S.  551.  —  Sdjlufefolgerungen  S.  555.  -  Statiftijdje 
Bebeutung  ber  Sd^eibung  auf  6runb  gegenfeitiger  (Eintoilligung  unb  KonjC' 
qucn3en  il)rcr  Bejcitigung  S.  557.  -  llidjtigheit  unb  Hnfed)tbarheit  ber 
(Et}e.  Doppelte  IHoral  in  ber  Bef)anblung  ber  mangeinben  Dirginität  als 
flnfc(f)tungsgrunb  S.  558. 

(.  Das  Unef)eIi(f)kcitsproblem,  jpe3iell  im  beutfd^en 
B6B.  S.  560-571. 

Prin3ipicUcr  Stanbpunht  bcs  B6B.  S.  561.  —  Unteri^altspflid^t  bes 
Daters  S.  562.  —  Sdjranhcn  unb  Sd^toierigheitcn  ber  Durd)ful}rung  auf 
bcm  Bobcn  „muttcrrcd)tlid]er"  Betjanblung  bes  Problems  S.  565.  -  f)eran. 
3ictjung  ber  (Eltern  bes  IHanncs  S.  564.  -  (Einrebe  ber  mef)reren  3ul^ller 
S.  564.  -  Die  ITIuttcrrcrfjte  im  Dcrtjältnis  3U  ben  3ntcre{{en  bes  Kinöes 
S.  565.  prin3ipicnes  Dcrlajlcn  bcs  mutterrcd]tlid)en  Stanbpunhts  S.  567. 
—  3ntcrcjjcnlagc  bcs  Kinbcs  babci  S.  568. 

Sd]lu6bcmcrkungen  S.  571.  —  Citcratur  S.  573. 


A.    3uT  moöernen  ff^eftritift.  507 

A. 

Den  IDert  öer  „legitimen"  (E^e  als  e  i  n  5 1  9  e  r  ftaatlid)  aner« 
ftannter  unö  gefd^üf^ter  5orm  menfd)Iid)er  (Sefd^IeditsDeTbinöungen 
!}aben  loir  im  letzten  Kapitel  ftillfdjmeigenö  oorausgefe^t.  (Er  mug  uns 
nunmet^r  unter  Der|(^ieöenen  (Befic^tspunkten  5um  Problem  toeröen. 

3unad)ft  t)err|d)t  oielfad)  5ie  DorfteUung,  bog  ber  faktil^e 
(Geltungsbereich  ber  (EI}e  unter  bem  (Einflug  bes  Kapitalismus,  ber  if)r 
bie  öftonomifc^e  Bafis:  bie  t)ausn)irt|^aftlid)e  (Büterprobufttion,  5U- 
net}menb  ent5iet)e,  notioenbig  3u|ammen|d)rumpfen,  bagegen  ber  au^er« 
et}eli(^e  (5ef(^Ied)tsDerket}r  unb  alfo  bie  3af)I  ber  augeref^elid^en  Kin« 
ber  nottoenbig  ftönbig  n)ad)fen  müff^.  Die  einfc^neibenbe  Umgeftal« 
tung,  toel^e  bas  innere  S^^ilt^nleben  ber  breiten  beftt^Iofen  Sd)id)ten 
unter  bem  (Einfluß  bes  Kapitalismus  erfahren  f)at  unb  erfät}rt,  legt 
ja  aud)  jene  Hnna^me  nal^e.  Hllein  \\t  ftnbet  in  ber  tDelt  ber  (Eat- 
fad)en  fteine  Beftötigung. 

Allerbings  ent5iet)t  fi^  ber  Umfang  bes  augeret^elid^en  (&e|d)Ied)tS' 
oerket^rs  burc^aus  ber  5^ftfteIIung.  lieber  bie  3aI}I  ber  unet^eli^en 
(Beburten  gibt  uns  bie  Statiftik  Auffd^Iug.  Da  aber  ber  augeref^e« 
lic^e  (Befd)Ie(^tSDerket)r  in  feiner  rot)ften  unb  meift  geübten  5orm  ni^t 
3ur  (Er3eugung  x>on  Kinbem  f ü^rt ,  finbet  er  keinesu)egs  in  ber  3af)I 
ber  unehelichen  (Beburten  Husbrudi.  Dagegen  ift  es  immerl^in  mög* 
lid),  in  ber  Beoölkerungsftatiftik  Ruffd)Iug  über  bie  relatioe  3u*  ober 
Hbna^me  ber  (Et}efd)Iiegungen,  unb  aljo  über  bie  quantitatioe  Be* 
beutung  ber  (E^e  als  Rec^tsinftitut  5U  fud^en. 

tDas  5una(^ft  bas  Der^öltnis  ber  unet)elid)en  5U  b^n  el}eli(^en 
(Beburten  betrifft,  |o  ift  an  folgenbes  3U  erinnern:  3n  gan3  Deutfc^* 
lanb  u)ürben  in  ben  3^^^^n 

1840-1870     runb  11%      1 

1870-1900        „       9**,.      j     uneljelid)e  Kin^er  geboren. 
1900-1904        .       8'.       I 

Be3ÜgUd)  it^rer  Derteilung  auf  beulfd^e  (Ein3elftaaten  befagt   bie 

Reid)sftatiftik,  bog  auf  100  (Beburten  kamen: 

im  3a!jre  1865  69        im  3a!}re  1904 

in         Preuf^en:  8,1                     7,1 

Bai)ern:  20,5                   12,6              ,    unefjclid^e  Kinber 

Sadjfen:  14,5                    13 

„  IDürttemberg :  14,5                     8,5 


508      (Et^eltrtttk,  (Et^efc^eiöung  u.  augere!)eli(^e  (Be{(^Ie^tsbe3tet)un9en. 

(Es  tft  al\Of  tro^  groger  S^toanftungen  in  öen  ein3elnen  3a^ren, 
tx)enigftens  bei  3u{ammenfQffung  fo  groger  (bebtete,  innerf^alb  6er 
legten  64  3a^re,  öie  grabe  mit  ber  (EnttDidilung  bes  Kapitalist 
mus  3ur  {}0^blüte  5ufammenfanen,  eine  Abna!)me  ber  Unel)elid)keit 
3U  lionftatieren,  bie  aber,  —  roie  jogleic^  !|in3U3ufügen  ift,  —  feftp« 
oerftönbli^  !teinesa)egs  3U  Rü&|(^Iiiffen  auf  eine  entfpre^enbe  f}ebun9 
bes  fittlid)en  tlioeaus  bere^tigt.  Bis  auf  Bat)em,  too  iebenfaüs  in 
erfter  £inie  bie  Ab{(^tx)ö^ung  ber  poli3eiIid)en  f}eiratsbefd)rdnltungen, 
baneben  too^I  au(^  bie  ftrengere  re^tlic^e  unb  ftonoentioneDe  Beur* 
teilung  ber  gerabe  in  bäuerlichen  Kreifen  fo  üblichen  Anti3ipation  ber 
(E!)e  mitgetoirftt  !)at,  laffen  fi^  bie  (5rünbe  biefes  Rückgangs  nid^t  auf 
einen  einfa^cn  (Beneralnenner  bringen. 

5ür  bie  Der!|ältniffe  in  ben  oerj^iebenen  £anbestellen  3eigt  ein 
(Querburc^f^nitt  ber  Rei^sftatiftift  Dom  3at)re  1904  folgenbes  Bilb: 
fln  ber  Spi^e  fte!|t  Berlin  mit  1 6  %  unehelichen  (Beburten.  3!jm  30» 
nä^jt  kommt  bas  re^tsr^einij^e  Baijem  mit  13,8,  bas  Königreich 
Saufen  mit  13,  tjamburg  mit  12,8,  ine&Ienburg»StreIiö  mit  12, 
ITte&Ienburg-Sc^tDerin  mit  1 1  %.  Die  niebrigften  3i|fem  ^aben  IDejt« 
falen  mit  2,6,  R^einlanb  mit  3,8,  Sippe  mit  3,9,  pofen  mit  5,  ©Iben« 
bürg  mit  5,3%.  flu^  biefe  3al}Ien  erl)enen,  auf  btn  erften  Blidt 
tDcnigftcns,  ben  3ufammcnf)ang  3tDiJ^en  IDirtf^aftsform  unb  Kapita« 
lismus  ni^t,  bcnn  eincrjcits  {teilen  3tDar  2  (Brofeftäbte  unb  ein  Bejtrk 
ausgcjproctjcn  grofeinbuftricUcn  (Eljaraktcrs  (Saufen)  bas  l)öd)fte  Kon» 
tingcnt,  il)ncn  am  näci){tcn  kommen  aber  -  aud)  loenn  man  oon 
Baijcrn  gau3  abfcfjcn  toill  -  rein  länöli^c  (Bcbiete  (ITIecfelenburg); 
tDÖljrcnb  anbrcrjcits  bie  großen  tDcftli^cn  3nbuftrie3cntren  (IDeft* 
falcn,  Rljcinlanb)  bie  allcrgcringftc  llncl)eli^kcit  auftoeifen.  3m 
(Bcjamtcrgcbnis  Ijat  bie  kapitaliftif^c  (Enttoidilung  als  joldje,  eine 
Dcrmcfjrung  ber  llnel}elid)kcit  ni^t  im  (Befolge  gcl)abt.  Sioeifel« 
los  ift,  bafe  bie  (Bro6ftabt=(EnttDi*lung  Ijcutc  toie  3U  allen  Seiten 
öic  llncf)clid)kcit  föröcrt,  unb  injotoeit,  als  er  biejcr  (Enttoi&lung 
günjtig  ijt,  mu^  al[o  freilictj  aud)  ber  Kapitalismus  fie  |teigem. 
Unb  gan3  generell  pflegt  im  (Befolge  ber  Serfe^ung  überkommener 
J03ialer  (Bemeinfd)aften,  toie  fie  bas  er|te  (Einbringen  bes  Kapitalis- 
mus mit  fidj  füljrt,  mit  ber  Reubilbung  proletarij^er  Sc^idjten  aljo, 
bie  Sitte  unb  bamit  bie  (Efjelidjkeit  ins  $d)tDanken  3U  kommen.  Auf 
ber  anbern  Seite  aber  Jteigert  ber  Kapitalismus  oermöge  ber  ge» 
wältigen  (Ertoeiterung  bes  (ErtDerbsjpielraums,  bie  er  —  unterbrochen 


A.  3ur  moöemcn  (Eljehritih.  509 

6ur(^  6ic  „Kri|cn"  -  mit  fidj  füljrt,  immer  roieöer  öic  t)ciratsmög- 
lic^fteit  unö  öient  |o,  5  u  tx)  e  i  I  e  n  Dielleid)t  öurd)  ftünftlid^e  Der* 
t)inöerung  öer  Befrud^tung  unter{tü^t,  6er  3urüdiörangung  öer  Un* 
eljelidjheit  öurd)  Dermefjrung  6er  (Eljen.  -  Die  f}eirats!}äufigheit  3U  per- 
fd^ieöenen  Seiten  unö  in  Derfd)ie6enen  £anöesteilen  beftätigt  öies. 
Sie  {teigt  in  3at)ren  toirtf^aftlic^en  Ruf|d)a)ung$,  ftnftt  bei  tx)irt[^aft« 
|d)aftlid)em  Hieöergang,  lögt  aber  im  (Befamteffekt  fteine  einöeutige 
Beeinfluijung  öur^  öen  Kapitalismus  als  [oId)en,  jedenfalls  keine  gene* 
relle  ([en5en3  3um  Sinken,  erkennen.  Die  3aI}I  ber  (E^efd^Iiegungen 
erreid)te  im  oorigen  3at)rf)un5ert  bei  uns  il^ren  f}öd)ft|tan5  balö  nad) 
ber  Reid)sgränbung  in  ber  |ogenannten  milliarbenara,  als  [xdf  bem 
(Ein5elnen  eine  5^(1^  neuer  (Ernoerbsmöglid^keiten  boten  ober  bod)  3U 
bieten  |d)ienen  unb  bie  gan3e  Hation  oon  einem  Raufd^e  tDirtfd^aft* 
lidjen  ©ptimismus  erfaßt  tourbe.  So  kamen  im  3aljre  1872  in  Deut|d)- 
lanb  auf  1000  pcrfonen  ber  mittleren  Beoölkerung  jäl^rlid)  20,6,  1873 
nodj  20  neuoermäljlte.  Don  ba  begann  p^  bie  3iffer  unter  bem  Dru& 
tDtrtfd^aftli^er  Rüdtf^Iöge  toieber  langfam  3U  lenken,  erreid)te  1882 
einen  ([ief|tanb  oon  15"  00,  auf  bem  pc  14  3aljre  lang  mit  geringen 
Sd}CDankungen,  im  gan3en  jebod)  langfam  |teigenb,  oert^arrte.  3n 
Parallelberocgung  mit  ber  großen  aufjteigenben  Konjunktur  ber  90er 
3aljre  jtieg  fie  bann  oom  3a^re  1895  an  toieber  über  15  bis  auf 
annätjernb  17  ""  00  empor. 

Hl[o:  (Erweiterung  bes  Hal^rungslpielraums  burd}  Dermet^rung 
ber  (Ercoerbsgelegenljeiten  [teigert,  ökonomifdje  Krijen  minbem  bie 
f}eiratslu|t.  Dafe  aber  bie  S  ox m  ber  lDirt[d)aft  an  fidj  nid)ts  mit  i!}r 
3U  tun  l}at,  barüber  geben  folgenbe  3at)Ien  Hufjd^Iufj: 

5ür  bie  3eit  jeit  1881 ,  alio  für  bie  periobe  ber  grofjinbujtria« 
Iiftijd)en  (Entcoidilung  Deut|d)Ianbs,  ijt  ber  Pro3entfa§  ber  et)emün< 
bigen  unoertjeirateten  ITIänner,  tocldje  (El)en  eingingen,  oon  83,8  im 
3aljrfünft  1881  6  auf  86,4  im  3al)rfünft  1891  5  gejtiegen. 

Huf  jebes  (Eaufenb  (Einrooljner  kamen  1851  60:  7,8,  61  70:  8,5, 
71  80  :  8,6,  81  90  :  7,8,  91  l^KX) :  8,2  (Ilje|djliefjungen.  Die|e  Bered). 
nung,  bie  je  ein  3aljr3el)nt  als  beionbere  (Bruppc  3u[ammenfafjt,  3eigt, 
ebenfo  toie  bie  oben  3itierte,  ein  mäfjiges  Huf  unb  Hb  ber  Bewe- 
gung. Die  letzte,  bis  1900  fül)renbe  (Bruppe  bebeutet  aber  gegenüber 
bcn  50er  3al)ren  bes  oorigen  3al)rljunberts  ein  merkbares  plus. 
Sie  bered)tigt  aljo  minbe{tens  3U  ber  Bet}auptung,  bog  bie  (Entioidi« 
lung  bes  f}od)kapitalismus  ber  (Ef)e  bis  je^t  keinen  Boben  ent3ogen 


510     (E^eltritilt,  (Et)e{(^et5ung  u.  augere^elic^e  (Bef(^Ie(^tsbe5ie^un9en. 

l}at.  (Ein  (Querfd^nitt  öur^  5ie  oerfc^ieöenen  £anbesteile  enoedit  md* 
met)r  öen  (Einörudi,  öag  it^nt  e^er  eine  bie  (Ef)e  förbemöe  (Cenbens  tnn^ 
tx)ot)nt.  (Es  fmb  nömli^  grabe  beutf^e  (Brogftöbte  unb  3nbuftTie* 
5entren,  toel^e  bie  toeitaus  t)ö^{ten  f}eirats5i{fern  auftoeifen:  nüm« 
berg  16  7oo,  Berlin  10,  lTtann!|eim  10,  Sranlifurt  10,  Hlünc^en  10, 
rDötjrenb  (Bebiete  mit  ben  niebrigjten,  fic^  um  5,5®/oo  betoegenben, 
3iffern  nid)t  ausf^Iieglid),  aber  gans  übertoiegenb  IanbtDirtf(^aftIi(^ 
(Gepräges  finb. 

IDas  |pe3ieU  bie  tjeiratsc^anccn  ber  S^^wen  betritft,  fo  jtnö 
fie  —  aus  bekannten  (Brünben  —  ungünftiger  als  bie  ber  Iltönner. 
Sie  I^aben  aber  im  £aufe  ber  Itapitaliftifc^en  (Enttoicklung  I)eut|(^« 
lanbs  ft^  get)oben,  bergeftalt,  bag  oon  taufenb  roeibli^en  perfonen 
Derl)eiratet  ober  oer!)eiratet  getoefen  toaren: 

im  Alter  oon:  1871:  1895: 

30  -  40  802  835 

40-50  866  891 

50-60  881  896. 

Das  Refulat  ift  iebenfalls:  Die  3a!|I  ber  unef^eli^en  Kinber  l^t 
in  btn  legten  60  3ol?ren,  roenn  man  größere  6ebiete  3ufammenfa6t. 
ni^t  3U»  fonbern  abgenommen,  -  bie  3a^I  ber  (Et^ef^Iiegungen  aber 
!jat,  toenigftens  bei  uns,  ni^t,  ah*  fonbern,  grabe  in  Seiten  kräftiger 
feapitaliftif d)er  (Enttoidilung,  3  u  genommen.  Dom  Boben  ber  ttatjadjen 
aus  ift  alfo  offenbar  einfttoeilen  bie  faktij^e  |03iale  Bebeutung  ber 
„legitimen"  DoUelje  ni^t  als  irgenbtoie  erj^üttert  l)in3uftellcn.  Da« 
mit  ijt  nun  freilidj  nid)t  gefagt,  ba^  nidjt  tro^bem  bie  Probleme 
fid)  Derfd)ärft  Ijaben.  Das  gleidje  quantitatioe  ITIafe  oon  Uneljelid|heit 
bebeutet  unter  öen  Derljältniffen  einer  (Brofeftabt,  tro^  ber  3.  B.  in 
Berlin  3iemlid)  fjofjen  (Quote  ber  na^trägli^  £egitimierten  (- 5  aller), 
öod)  ettoas  qualitatio  anöeres,  begenerierenber  IDirkenbes,  als  auf 
bem  platten  Zanb^.  Unb  bie  (Erljaltung  ber  quantitatioen  Bebeutung 
ber  (El)e  befagt  an  fid)  nod)  nid)ts  für  bie  uns  Ijier  intereffierenbe 
5rage,  ob  nid)t  il)r  innerer  (bel)alt   fid)   toefentlid)   oerfdjoben   l^abe. 

(Ein  Symptom  einer  fold)en  Derfd)iebung  ^arxn  in  ber  (Tat  in  ber 
un3U)eifell)aften  allgemeinen  3unal)me  ber(El)ef^eibungen,  ober, 
iDo  biefe  red)tlid)  nid)t  geftattet  finb,  ber  geridjtli^en  „Separationen* 
gefunöen  toeröen.  3"  Preußen  Ifaben  \\t  pct),  auf  je  100000 
bejtel)enöe  (El)en  gered)net,  oon  1881  (50,19)  bis  1896  (101,97  oer 
boppelt.    Die  getoaltigen  Unterfdjiebe  3rDif^en  ben  ein3elnen  fänbem 


A.  3ur  moöemen  (Ef^ekritift.  511 

erklären  fid)  toeöer  aus  ett)ntfd)en,  no^  aus  ökonomi{d)en,  nod)  aus 
ftonfefflonellen,  nod}  enölid)  aus  Differen3en  5er  (Befe^gebung  allein. 
Die  größere  3a^I  öer  Sd)eiöungsgrün6e  erklärt  3.  B.  öie  riefige  3al)I  öer 
Sd)ei5ungen  in  5tankrei(^  (1884-88  3ufammen  runö  20000^)  öaneben 
runö  10  000  Separationen)  gegenüber  (Englanö  (jäl^rlid)  in  öer  gletd)en 
Seit  3tx)if^en  7  unö  800  einf d)lieglid)  öer  Separationen)  n  i  d)  t ,  5a  au(^ 
öie  Separationen  öen  gleiten  Unter|d}ieö  aufmeifen.  Die  nieörigfte 
(E^efd)eiöungs3iffer  I}at  3rlanö  (1,1  ja^rlid)  auf  je  100  000  (E^en  in 
öem  3a^rfünft  1886-90),  öann  folgen,  mit  (1886—90)  roeniger 
als  20  auf  100000  (Et}en,  ett)ni|d),  konfefrtonell  unö  ökonomifd)  fo 
tjeterogene  (Bebiete  toie:  (Englanö  (7,0),  Si^^^onö  (10,0),  3talien  (10,6), 
©ejterrei^,  HortDegen.  IDeiter  mit  20-70  Sdja)eöen,  Ungarn,  Belgien 
(43),  nieöerlanöe  (64,7).  Ueber  100  jäljrlic^  auf  je  100000  (Eljen 
roeijen  Dänemark  (1876—80  :  184),  öie  S^tDei3  (208)  unö  öie  Der- 
einigten Staaten  (1886:250)  auf.  3nnerl}alb  Horöamerikas  t)at  öer 
Süöen  öie  minöeit3al)l  (1867/86  öurc^i^nittlid)  70,7),  jpe3iea  öas  alte 
Sklaoenlanö  Soutt)  Carolina  (12,1).  Der  Staat  netx)'I}ork  mit  ftrenger 
O^ele^gebung  unö  öen  (Eintoanöererfamilien ,  öie  im  fremöen  £anöe 
naturgemöfj  feft  3u{ammen^alten,  I^atte  1867  86  :  81,2,  öie  Ileuenglanö* 
Itaaten  öagegen  138,1,  wobei  notorijd)  öie  alteingeborenen  S^milien  mit 
t)öl}eren  (Quoten  beteiligt  toaren;  öie  loefentlid)  agrarif d)en  lDe|t|taaten 
mit  it)ren  in  jeöer  {)in{id)t  unftäten  fo3ialen  Derl}älten  494,4  (ITIaifi' 
mum :  öas  ITIormonenlanö  IXtaii  mit  960).  Die  S^eiöungs3a^len  \\r\b 
in  Hmerika  feitöem  nod)  [tark  geftiegen,  namentlid)  —  aber  nid)t 
nur  -  infolge  öer  äugerft  lai^n  (Be|et{gebung  öes  IDeftens.  Daf$ 
aber  Unterj^ieöe  öer  (Sefe^gebung  keinestoegs  entfd)eiöenö  ftnö,  3eigt 
Sad)|en  mit  feinen,  troft  ftrengerer  (Befc^e,  loeit  über  öen  Had^bar* 
gebieten  fteljenöen  3aljlen.  Deutfdjlanö  als  (Ban3es  (1886  90:77,6) 
unö  S^^nkreid)  (80,9)  ftanöen  einanöer  3iemlid)  nal^e  unö  etioas  über 
öem  europöif^en  Durd}[d}nitt.  Dag  nid)t  öer  Kapitalismus  als  f  old)er, 
fpe3iell  öer  moöerne  ^Snöuftrialismus",  öie  (El^eftabtlität  befeittgt,  3eigt 
-  gegenüber  öem  £anöe  öes  nntirr  paisil»l<  *  -  öie  nieörige Siffer 
(Englanös.  (Es  ergibt  fid)  ferner  aud)  aus  öer  beöeutenö  -  um  über 
öas  Doppelte  -  größeren  (Ebeftabilität  IDeftfalens,  öer  Rl)einproDin3, 
Baöens,   l^effens,   Württembergs   gegenüber   Oft»    unö   IDeftpreufjen, 

')  Darunter  alleröings  fc^r  jQt)lreid)c  nur  nad^träglid).  gcmäg  öer  Heu« 
3ula{fun9  6urd)  öas  (l)e|eQ  oon  1884,  in  Sd^etöungen  umgeiDanöfltf  Separo* 
tionen. 


512     (E^eltritift,  (E^ef (Reibung  u.  augere^eli^e  (Bef^Iec^tsbesief^ungen. 

Pommern,  S^Icficn.  (Ebcnjo  fielen  bie  6ebicte  mit  gießen  feonfcJPo« 
ncllcn  Der!|ältniffcn  gan3  ocrj^icöen.  Der  proteftantismus  ijt  -  mit 
l^on  (Englanö  im  Dergleic^  3U  S^^nft^^i^r  tnnertjdb  Deutf^Ianös 
aber  ITtedilcnburg,  ©löcnburg,  R.*Be3.  Kaffel  gegenüber  Sc^Ieften  unö 
IDeftpreufeen  3eigt,  —  fteinesroegs  generell  Sörberer  ber  (E^f  (Reibung. 
Saft  ausnahmslos  ift  bie  6rogft ab t«(EnttDi&Iung  ber  f^dufigfteit 
ber  (Etjef^eibung  günftig:  es  jte^en  Berlin  mit  171,1,  IDien  mit  190,2, 
bas  Seinc»Departement  mit  362,0,  Kopentjagen  (Ulapmum  aller  (Brofe« 
Itäbtc!)  mit  572,4  er^eblic^  über  bem  Canbesbur^jc^nitt.  f)ier  ijt 
un3tx)eifel^aft  eine  (Erf^ütterung  unb  Senkung  ber  Dur^f^ntttsftttüc^ 
Iteit  ({pe3iell  im  {}anbelsgetx)erbe,  roelc^es  in  Berlin  auffaüenb  fy>ä^ 
beteiligt  ift),  als  (brunb  an3ufpre(^en.  Die  in  (bebieten,  u)o  bie  (E^ 
j^eibungen  jteigen,  meift  grofte  3atjl  ber  „flrmenja^en"  3eigt,  ba^ 
bas  t)erabfinken  bürgerli^er  S^ic^ten  mit  feiner  Solge:  ber  profti* 
tution  ber  5^^uen  unb  (Cö^ter,  ftarlt  mitfpielt.  Au^  pfl^t,  mo 
ber  Kapitalismus  enttoeber  auf  kolonialem  Boben  ft(^  entioicbelt 
(Amerika)  ober  too  er  neu  unb  3erfe^enb  in  bauerlic^'kleinbürger* 
Iid)e  (bebiete  einbringt,  proIetarifd)e  S^id)ten  neu  fc^afft  ober  Dom 
Zanb^  in  bie  Stabt  fangt,  bie  (E^ef^eibungs3i{fer  3U  fteigen,  unb  auc^ 
in  bicfcm  Sali  barf  man  roo^I  oon  einer  Solgeerfc^einung  erfc^ütterter 
Sittlid)kcit  fprcd)cn.  3m  gan3en  aber  bleibt  bie  S^Qg^*  ob  eine  3u» 
naljmc  ber  (Eljcfdjcibungcn  5olge  ftnkcnbcr  Sittli^keit  ober  fteigenber 
Hnfprü^c  an  öcn  fittlidjcn  (Bcl)alt  ber  (El)c  —  roie  bei  btn  einge- 
borenen Ilcucnglänbcrn  -  unb  einer  Derme^rung  ber  Reibungsfläd^en 
3U)ifd)en  bcn  enttotdicltcrcn  pcrfönli^kciten  ift,  ftcts  fctjr  fdjtoer  3U 
cntfd)ciöcn.  Unb  oor  allem  l)at  man  fi^  feljr  3U  !}üten,  bie  geringere 
Stabilität  ber  e  i  n  3  e  I  n  e  n  (Efje  mit  einer  (Entwertung  ber  (Eljc  als 
3nftttution  ober,  ooUenbs,  mit  einer  Derringerung  bes  burdjfd|mtl 
lidjen  etl)ijd)en  IDerts  öer  b  e  ft  c  1}  e  n  b  e  n  (Efjen  3U  Dertoedjfeln.  Sehr 
oft  ift  natürlidj  grabe  bas  Umgekeljrte  3utreffenb. 

Mes  in  allem:  bie  rein  f  aktifdjc  (ftatiftif^e)  Bebeutung  ber 
kapitaliftifd)en  (Enttoidilung  für  bie  Stellung  ber  (Etje  als  Redjtsin» 
ftitution  ift  ni^t  bcrart,  öag  fie,  an  fi^,  ^eute  mel)r  als  in  frül^ren 
Seiten  ein  Sudjen  nadf  „neuen"  normen  ber  (Bef^Iedjtsoerfjältnijfc 
f orbern  toürbe.  Das  gilt,  toie  toir  fd)on  Kap.  IV  a.  (E.  fallen,  auc^  für  bas 
Proletariat.  Hus  bem  Umftanb,  ba^  bie  proletarier«(EI)e  in  einer  über» 
großen  3al)l  öer  Solle  unter  bem  Drudi  ber  ökonomifdjen  Hot  un5 
llnfid)erl)eit  Ijeute  ein  t}ol)n  auf  unfer  (El)eibeal  ift,  kann  natürlid)  nid)! 


A.  3ur  mobenten  (E^ekritik.  513 

5te  So^i^^^ung  6es  Der3t(^ts  auf  jenes  3btal,  |onbern  mug  umge- 
ket^rt  öte  So^^^^ung  na^  {05tQlen  Reformen  hergeleitet  merben,  roelc^e 
beffen  Denx)irklid)ung  ermöglichen.  Die|e  Reformen  f)erbei3ufä^ren 
liegt  allerbings  nidfi,  {ebenfalls  nic^t  in  er|ter  £inie,  im  Bereid)  bes 
uns  I}ier  aHein  befc^öftigenben  (Et)ered)ts,  fonbem  auf  bem  (Bebtet 
ber  allgemeinen  Sosialpolitik.  Sie  finb  für  bie  proletarif^en  Sd)i(^ten 
augenblicklich  fo  ungemein  oiel  nichtiger  als  bas  prioatreci^t  ber 
<El)e,  ba^  fi^  baraus  allein  fd^on  bas  S^^I^n  ober  boc^  bie  Sc^toa^e 
fpe3iftfc^  frauenre^tlic^er  Belegungen  in  if^ren  Kreifen  erklärt. 
Das  oft  fo  genannte  .»bürgerliche"  (E^eibeal  aber  ift  bamit  natürlt^ 
für  bas  Proletariat  ab  «3^^^!''  fo  tc^nig  auger  Kurs  gefegt,  mit 
für  irgenb  meiere  anberen  Sc^ic^ten.  Denn  ein  „l^eal"  oerliert  feine 
Dignitöt  als  folci^es  nic^t  burc^  noc^  fo  groge  Schwierigkeiten  feiner 
Denoirklic^ung,  fonbem  nur  burc^  anbre,  ^f^b^ttt",  3beale,  bie  in 
unfer  ftttlic^es  Bemugtfein  treten.  Die  5^<^9^*  ^t<  uns  meiterf^in  3u« 
nöci^ft  3U  befci^öftigen  f)at,  ift  nun  eben  bie,  ob  etma  folc^e  neue  IDert> 
magftäbe  gefunben  finb.  IDenn  ja,  -  bann  mürbe  3U  fragen  fein: 
toelci^e  Sorberungen  baraus  für  bie  anbenoeite  (Beftaltung  ber  (Ef)e 
als  Re(i)tsinftitut  ab3uleiten  toören,  ober  ob  ttma,  —  mit  oielfa^ 
geglaubt  mirb,  -  grabe  ber  Reci^tsinftttutsci^arakter  ber  (Ef)e  a  I  s 
f  0  I  (i)  e  r  es  ift,  ber  bem  neuen  3beal  im  IDege  ftel}t  unb  alfo  fallen 
mug. 

Die,  im  Ramen  neuer  IPertmagftabe,  gegen  bie  »legitime  (Ef^e' 
gerici^teten  Angriffe  traben  untereinanber  oerfc^iebene  Ausgangspunkte 
unb  5otmen  angenommen.  (Einmal  f)at  ber  Rligerfolg  ber  Stauen, 
fon)ol}I  bas  r  e  d)  t  li  (i)  e  Dert^öltnis  ber  (El^egatten  mit  auc^  feine  allge- 
meine fittlid^e  Auffaffung  fc^on  für  bie  (Begentoart  mitil^ren  etf)if d^en 
Poftulaten  in  (Einklang  3U  fe^en,  ben  Dorfd)Iag  ge3eitigt:  5üf}renbe 
Perfönlic^keiten,  beren  allgemeine  fittlid)e  Befd)affent)eit  jegli^e  ITIig- 
beutung  it^rer  ntotioe  ausfd)Iief{t,  motten  beim  (Eingel^en  ihrer  Der> 
binbungen  angefic^ts  ber  (Deffentlid)keit  ausbrückltd)  auf  bie  Beobad^- 
tung  ber  ftaatlic^  oorgefd)riebenen  Sormalitöten  oer3ic^ten,  um  baburc^ 
3U  bekunben,  bog  bie  i^eutige  patriard^ale  Red^tsform  ber  (EI}e,  ebenfo 
roie  ber  bur^  fie  geftü^te  (Klaube  an  bie  notmenbtge  Unterorbnung 
ber  Stau  bem  etf)ifd)en  Bemugtfein  ber  Beften  unfrer  Ration  3un)iber- 
läuft»). 

»)  Dgl.  „Offener  Brief**  von  fl.  Rugspurg,  „Curopa"  1904. 

n?  r  b  r  r,  €Mrau  anh  muttrr.  » 


514     (E^eftrittlt,  (E!)ef (Reibung  u.  augere!)eli(^e  (Befc^Iec^tsbesie^ungen. 

Die  ge{^i(^tlt(^e  (Erfat^rung  let^rt,  bag  auf  a^nli^em  IDege  ge* 
tDtffe  Reformen  öes  (E^erec^ts  in  ber  (Cat  erjiDungen  toorben  finb, 
wtnn  biefer  Proteft  bie  5orm  bes  majf entsaften  (Eingehens  ille* 
galer  „(E^en"  geßeitigt  ^atte.  So  ift  auf  bie{e  IDeife  bie  Cinfüf^rung 
ber  not5tDiIe^e  5U  gun|ten  englifc^er  unb  rufft{(^er  S^ismatiker  5U* 
ftanbe  geftommen.  Au^  bie  römifc^e  „freie  (E^e"  ift  toenigflens  mög« 
li^ertoeife  bur^  einen  öt^nlic^  fic^  öugernben  IDiberftanb  ber  S^^uen 
gegen  bie  inanus«(E^e  erstoungen  toorben,  für  bie  au^  Arabien  Bei« 
fpiele  bot. 

Irtan  mag  nun  jenen  Dorj^Iag  3ur  „freien  Proteft-Ä^e"  als  einen, 
unter  unfren  Der^öltniffen  prafttifd)  ungangbaren,  bie  Sc^toad^n 
gefa!)rbenben,  bas  3iel  oerfet^Ienben  IDeg  3ur  (Ef^ereform  ablehnen  - 
einer  prin5ipiellen,  auf  ett)i{^e  tDerte  besogenen  Stellungnal^me  ba5u 
bebarf  es  ni^t.  Denn  ber  normatioe  (Et^araftter  ber  (Ef)e  ab  einer 
auf  Dauer  unb  Ausf^Iiegli^fteit  berechneten,  red^tlic^  georbneten 
£ebensgemeinf^aft  5tDeier  burd)  tleigung  oerbunbener  perfönlic^keiten 
toirb  babei  bur^aus  nic^t  in  5^^9^  geftellt.  Dielme^r  ^anbelt  es 
fi^  lebtglic^  um  eine  Hufforberung  5ur  praltti{(^en  Demonftration 
gegen  bie  !)eutige  innere  Struktur  ber  legalen  (Ef)e,  aI|o  um  beren 
Reform,  ni^t  aber  um  bie  Be3n)eiflung  itjres  allgemeinen  IDertes 
als  einer  Re^tsinftitution  an  p^. 

(Eine  gan3  anbre  Utrihtn^  leitet  bagegen,  -  tocnigftens  nad^  iljrer 
eignen  ITIeinung,  -  bicicmgcn  gcijtigcn  Strömungen,  bie  ni^t  nur 
im  3ntcreffc  ber  Bej^Ieunigung  re^tlt^er  (Blei^orbnung  ber  S^öu, 
Jonbern  im  Hamen  il)rer  oölligen,  au^  faktijdjen  Unabljängigkeit 
Dom  nianne,  unb  3ugleid)  im  Hamen  einer  l)öl}eren  Sejualet^ik 
an  ber  Huffaffung  ber  legalen  (Efje  überljaupt  als  fittlidj  unb  redjtlid) 
allgemeingültiger  Sorm  ber  (Be[d)Ie^tsbe3iel)ungen  rütteln.  Sie  3tDingen 
uns  3ur  Befinnung  über  btn  XOtxt  ber  (Elje  als  eines  Redjtsinjtituts 
überljaupt.  Hlleröings  können  aus  bem  (El)aos  ber  für  bieje  Art  öer 
(El)ekntik  l)erange3ogenen  Dor[tellungsmaffen  nur  biejenigen  (Befidjts« 
punkte  l)erausgel)oben  roeröen,  beren  (Erörterung  bie  Beurteilung  ber 
Stellung  bes  Staats  unb  bes  oon  iljm  gefdjaffenen  Redjts  gegenüber 
ben  gefd)led)tlid)en  Be3icl)ungen  beleudjtet,  unb  aus  b^mn  fidj  nod) 
getDiffe,  bisljer  3urü*gejtcllte,  Sorberungen  an  bie  6e|e§gebung  ab« 
leiten  laffen.  Auf  eine  prin3ipiene  Auseinanberfe^ung  mit  ben  lebig» 
üd)  burd)  btn  IDunjd)  nad)  allgemeinerer  Befriebigung  bes  (Erich« 
lebens,  ober  mit  ber  Betjauptung,  ba^  bie  S^^gen  bes  (Erieblebens 


A.  3ur  moöernen  (Ef^eliritih.  515 

prin5ipten  als  „et^tf^  inötfferent''  3U  gelten  flotten,  tnottDterten  (Er« 
tDogungen,  bie  etoa  mit  5em  Sc^IagiDort  bes  «Red)ts  fi(^  au$3u> 
leben,"  |pe3iener  bes  ^Rec^ts  auf  Ciebe"  ober  au<^,  allein  auf  bie 
5rau  be3ogen:  „bes  Rechts  auf  ntutterf^aff  geftenn3eid)net  ftnb, 
muffen  toir  f)ier  Der3t(^ten.  Sie  toürben  uns  in  einen  Kampf  mit 
IDeltanfc^auungsfragen  Derftridien,  ber,  in  biefem  Umfang  menigftens 
augerl^alb  bes  Raf^mens  biefer  Schrift  liegt. 

IPir  3iel}en  aI|o  nur  biejenigen  Argumente  gegen  bie  (Ef)e  in  btn 
Kreis  unferer  Betrachtungen,  bie  überf^aupt  btn  A  n  { p  r  u  d^  erf^eben, 
auc^  il^rerfeits  in  irg enb  einer  Rid^tung  e  t  f)  i  f  (^  motiviert  3U  fein, 
nur  fo  meit  fie  unlöslich  oerftnüpft  pnb  mit  eubämoniftif^en,  b.  f). 
f)ier:  auf  Dermef^rung  ber  finnlid)en  Befriebigung  gerichteten  (Er* 
iDägungen,  merben  babei  auc^  auf  biefe  festeren  oerein3eIte  Streif« 
lichter  fallen  können. - 

(Eines  ber  t^auptargumente,  bas  im  Ramen  einer  «neuen  (Etf^ih" 
nod)  immer  gegen  bie  e^ftlufioe  ftaatlid^e  unb  gefeUf^aftlid^e  tDertung 
ber  (E^e  ins  5^'^  gefüf^rt  mirb,  ift  bie  uns  bekannte,  bem  oulgör« 
So3iaIismus  entnommene  (Entmidilungstt^eorie,  bog  bie  (El)e  unb  mit 
it)r  3ugleid)  bie  Sefc^Iec^tsfMaoerei  ber  S^^u  burd)  bas  Prioateigen« 
tum  unb  bas  mit  if)m  in  bie  tDelt  gekommene  3ntereffe  bes  Rlannes, 
bafür  legitime  €rben  3U  gewinnen,  ge|d)affen  morben  fei.  tDir  traben 
uns  im  erften  Kapitel  eingef^enb  mit  biefer  (El^eorie  befaßt  unb  aud^ 
bei  ber  weiteren  Darftellung  ber  Red)tsentn)idilung  fielen  fo  f^öufig 
Streiflid}tcr  auf  fie,  bog  toir  I}ter  bas  Refultat  nur  nod)  einmal  gan3 
hur3  3ufammenfaffen  können. 

(Erftens:  bie  (B  e  f  (^  I  e  d)  t  s  f  k  I  a  0  c  r  e  i  ber  Stau  beftanb  aud^ 
-  unb  grabe  -  bei  „kommuniftifd^en"  IDirtf^aftsformen,  fie  ift  folg- 
Iid)unabl}angig  oon  ber  (Entftet)ung  ber  prioateigentumsorbnung. 
3n)eitens:  bie  (Einehe  als  Red)tsinftttut  finbet  fid^  tro^  I}errf d^en* 
bem  »Kommunismus",  -  bei  ber  übenoiegenben  nief)r3al}l  ift  fie  ja 
erft  iaf)rt)unberte  ober  jal^rtaufenbelang  fpöter  als  bas  inbioibu« 
eile  Privateigentum  3ur  f}errfd)aft  gelangt.  3l)r  Sieg  ift  alfo  ebenfo 
roie  bie  (Sef^Iec^tsfklaDerei  ber  $rau  unabt^öngig  oom  Siege  bes 
prioateigentums.  Rid)tig  ift,  brittens,  baf)  bie  „legitime"  (Ef)e 
mit  Dor3ugsred)t  ber  it)r  entftammenben  Kinber  unb  3n)ar  fomol}!  bie 
poIi}game,  mit  bie  monogame,  erft  entftet^en  konnte,  als  burd)  immer 
Q)eitere  Derkleinerung  ber  alten  5<ivnili^n9^^<infd)aften  bie  $rage: 
an  men  ber  Befi^  0  e  r  e  r  b  t  merben  folle,   eine  if^rer  t^eutigen  at^n« 


516     (Et}eftrittft,  (Et^ef^eiöung  u.  augeret^elic^e  6e{(^Ie(^tsbe5tel)un9en. 

li^e  Beöeutung  erlangt  t^atte.  Die  (Eigentumsorönung  fte^t  a(|o 
buxdi  öie  von  i^r  gej^affene  Dererblic^feeit  beftimmter  (büter 
auf  beftimmte  3nöiotöuen  un5tDetfeIt)aft  in  ftaufalem  Sufamntent^ang 
mit  5er  legitimen  (E^e.  Da  aber  5er  IHann  urfprünglic^  öie  Kinöer 
jc5er  beliebigen  5^öu,  5ie  er  in  feinen  Befi§  gebraut  fjatte,  3U  jeinen 
,,Iegitimen"  (Erben  machen  konnte,  t)at  offenbar  ni^t  fomo^I  |ein, 
fonöern  umgekehrt  in  erfter  £inie  5as  ölionomif^e  3ntereffe  5er 
Srauen  un5  Kin5er  3ur  Unterf (^ei5ung  oon  £egitimitat  unö 
3IIegitimität ,  oon  „e!|eli^en"  un5  ^aufeerefielic^en''  (Befc^Iec^tsbe« 
5iet)ungen,  gefüt^rt. 

Die  legitime  (E!)e  entftanb  5ur(^  suna^ft  Dertragsmögige,  5ann 
gen)ot)nt)eitsre^tIi^e,  5ann  aus5rü&Ii(^e  ökonomifc^e  Si^erung  mel^< 
rerer  o5er  einer  beftimmten  S^^öu  un5  5  e  r  e  n  Kinöer  gegenüber  allen 
anberen  Stauen,  mit  5enen  es  5em  IHann  beliebte,  (Befc^Iedjtsoerhe^r 
3u  pflegen.  Sie  ift  in  erfter  £inie  5as  IDerfe  öer  5^*^"» 
be5tD.  i  ^  r  e  r  5  ^  ^  i  I  i  e ,  5ie  fie  nid)t  I)ergab,  of)ne  <5arantien  für 
i^re  un5  i!|rer  Kinöer  Dor3ugsftenung.  — 

Allein  Dor  allem  ift  natürlid)  für  öie  ftttli^e  Beurteilung  öer 
t^eutigen  (E^e  öie  Hrt  it^res  !)iftori{(^en  (Entfte^ens  öo(^  total  glei<!^* 
gültig,  möge  fie  entftanöen  fein  roie  immer,  ifjr  IDert  l^öngt  cinjig 
unö  allein  oon  öer  flnttDort  auf  öie  S^^Q^  ^^t  ob  fie  —  öie  Reform 
iljrer  inneren  Struktur  oorausgefe^t  -  mit  unfren  l)eutigen  etljifdjen 
3öealen  oereinbar  ift,  ober  ob  grunöfä^Ii^  anöersartige  S^rmen  5er 
(Befd)ledjtsDerbinöungen  benkbar  finö,  öie  jenen  3öealen  beffer  ent« 
fpredjen.    Hur  mit  öiefer  5^öge  befaffen  toir  uns  toeiterljin. 

(Segen  öas  tj  e  u  t  i  g  e  IDef en  öer  (Elje  rietet  fi^,  u)enigftens  5em 
(Ergebnis  nad),  öie  5oröerung  nad)  „ökonomif^er  Unabljängigheif 
öer  Stau  oom  ITIann,  toenn  fie  fo  oerftanöen  toirö,  toie  öies,  auf 
(Bruno  oermeintli^er  Konfequen5en  öes  oulgärfo3ialiftif^en  (Befdjidjts« 
materialismus,  bei  einem  (Teil  au^  öer  Srauenbetoegung  öer  Soll  ijt. 
Die  Unteroröung  öer  (El)efrau  fei,  fagt  man,  leöiglid)  „ökonomifdj" 
beöingt.  Sie  tDur3le  öarin,  öa^  öie  S^QW,  minöeftens  f^einbar,  gan3 
oöer  teiltoeife  Dom  ITIanne,  ö.  Ij.  öur^  feinen  aufeerljäusli^en  (Belö* 
oeröienft,  ernätjrt  toeröe,  alfo  ökonomifdj  oon  iljm  „abtjängig"  fei. 
(Bemäg  öiefer  (Eljeorie  genügt  als  pau3er  unö  S^ilö  iljrer  Selbftbf' 
Ijauptung  roeöer  öie  red)tli^e  (BIeid)orönung  öer  (Befdjlec^ter  unö  öie 
güterred)tlid)c  Sid)erung  öer  S^au  ettoa  in  öer  im  oorigen  Kapitel 
erörterten  Ridjtung,  nodj  il)re  faktifdje  (Ertoerbsfätjigkeit,  fonöern 


A.  3ur  mobemen  (Etjekrttik.  517 

öie  S^Auenmaffen  muffen,  um  fo3taI  öem  THann  glet(^3uftei}en,  auii 
xDotixtnb  (Ef)e  unb  IlTutterfc^aft  burc^  a  u  g  e  r  f^öusltc^e  (Ertoerbstättg- 
heit  febftänbtg  (btlb  oerbienen.  Unb  stoar,  -  loas  bas  (Entfc^ei' 
benbe  tft,  -  ni(^tetiDa  „nebenberuflich",  alfo  nur  fo  toeit  es  mit  ber  (Er* 
füllung  if)res  {}ausmutterberufs  vereinbar  ift,  fonbem  of)ne  Rüdtfic^t 
auf  biefen,  in  b  e  m  Umfang,  bag  bie  etn5elne  5tau  au(^  in  ber  <Ef)e 
ii}ren  gan5en  £ebensunterf)alt  augerf)äusli(^  felb|t  oerbient  unb  3U 
keiner  Seit  auf  TITtttjilfe  bes  ITlannes  angerotefen  tft*  .  Der  (Ein5el' 
i}ausf)alt  als  n)irtf(^aftsbetrieb  ift  besi}alb  f(^on  tjeute  auf  bem  Boben 
ber  prioateigentumsorbnung  aufsulöfen.  Die  ein3elnen  Derrt(^tungen 
3ur  Derforgung  ber  S^ntilienglieber  mit  ben  täglichen  £ebensbebürf> 
niffen,  bie  ber  priDatf)ausf)aIt  no(^  oerfief)t,  muffen  ebenfo,  roie  alle 
anbren  fc^on  von  ii}m  ausgef(^tebenen,  als  (Ketoerbe  organiflert  toerben. 
(Dber,  beffer,  eine  An3af)I  von  S^milien  follen  n)irtf(^aftsgenoffenf(^aften 
ober  3entrall}ausl}altungen  bilben,  in  benen  bie  £ebensbebürfniffe,  etroa 
toie  bei  einem  {}oteIbetrieb,  burc^  eine  oeit  geringere  3ai}I  fpe3ialiftif(^ 
gefc^ulter  Kräfte  als  im  priDatf)ausf)aIt  befriebigt  oerben  können. 
Durd)  berartige  (Einrichtungen  oürbe  es  -  fo  glaubt  man  -  ermög* 
Iid)t,  bie  fpe3ifif(^en  £eiftungen  ber  {}ausmütter  gan3  ab3ulöfen  unb 
fie  felbft  gan3  aus  bem  f)au{e  l^eraus  in  bie  Spl^öre  ber  (Kelb'ge« 
Ioi}nten  (Küterprobuhtion  3U  fc^ieben.  Dies  allein  aber  toöre  als 
konfequente  unb  f)eil{ame  n)eiterenttDi(kIung  bes  burd)  bie  kapitaliftt' 
fd)e  probuktionsform  angebai}nten  pro3effes:  Huffaugung  ber  l^aus* 
tDirtfd)aftIid)en  burd)  bie  oolksroirtfc^aftlic^e  Probuktion,  Huflö|ung 
ber  S^fnilie  als  n)irtfd)aftsgemein{(^aft,  3U  betrad^ten.   - 

IDir  können  l}ier  nid)t  eingef)enber  über  bie  ökonomif(^e  unb 
pfi}d)oIogifd)e  Durd)füi}rbarkeit  biefer  Dorfd^Iöge  biskutieren ').  9  cd  e  t« 
fellos  könnten  berartige  (Einrid)tungen  für  eine  geoiffe 
(Dberfd)id)t  oon  (Dualitätsarbeiterinnen  ökonomijd)  rentabel 
{ein  unb  ii}nen  in  3tDedimagiger  n)et{e  bie  Dereinigung  oon  IHutterldjafts* 
unb  Berufsarbeit  erleid)tern.  Dies  jebod)  keinesfalls  -  toie  meift  ge« 
glaubt  coirb  —  bis  3U  bem  (I)rabe,  ba^  bie  lllutterfdjaft  nun  überl^aupt 
nic^t  mcl)r  als  f}emmung  ber  aufeerljüuslidjen  5i^auenarbeit  ins  (6e- 
tDid)t   fiele.    Darüber  ift  am  Sd)Iug  bes  vierten  Kapitels  gefprod)en 

')  5^f  bit  3(ttfn  hörpfrltd)(r  B(t)tn6frun9  6urd)  Sätroangfrldjaft  unb 
lDod)fnb(tt  ioll  tint  umfa||cn6e  niuttfr|d)aftSD(r|td)frun9  btn  Dfr6tfn|tau$' 
fall  öfckfn. 

)  D9I  6a3u  niartannf  IDeber,  Beruf  unb  (Ef^e.  Berltn-Sd^dneberg  (1906). 


518     (E^eftritift,  (E^efc^eibung  u.  augeretjelt^e  (Bef^Ie^tsbesiei^ungen. 

cDorben.  (bax  ni^t  aber  ftämen  {ie  oorbertjanb  für  bie  einfa^  fymb' 
arbcitcnöcn  S^öuenmaffcn  in  Betraft.  Denn  öie  öfeonomijdje 
Red)nung  ergibt,  bei  Sugrunbelegung  ber  tjeutigen  £oi)nDerbienft< 
^ancen  ber  5^ ouen,  bag  bie  burc^  me^anif(^e  (Erroerbstatigkeit  auger* 
tjöuslid)  3U  er3telenben  (Einftiinfte  bur^  bie  Koften  ber  AnfteOung 
besohlter  unb  g  e  f  dj  u  1 1  e  r  Kräfte  für  bie  Pflege  unb  (Ersieljung 
ber  Kinber  ber,  genoffenfdjaftlidj  3u(ammengefdjIoffenen,  5^W"iK^"  ^^'' 
nal^e  abforbiert  coerben  toürbe.  IDo  aber  bas  aOgemeine  Cotjnmiiti* 
mum  coefentlid)  fteigt,  pflegt  erfaf^rungsgemög,  roie  f^on  frü^  er^ 
tDö^nt,  bie  5oIge  eine  Abnal^me  ber  a  u  g  e  r  i^äufigen  £of)narbeit 
ber  (E  fj  e  frauen  3U  jein.  (ban^  erliIärIidjertDei|e.  Die  jenen  B^ 
ftrebungen  inne  ©ofjnenbe  (Cenbens  geljt  offenbar  bai^in:  Die  Ijaus* 
mutterjdjaft  -  ob  e^elidje  ober  unefjelidje  bleibt  pdj  babei  glei(^  - 
|oD  nid)t  me^r  als  jpesififdje  Aufgabe,  bie  aus  i^r  entfte^enbe  Arbeit 
nid)t  länger  als  „Berufsarbeit"  ber  (Efjefrauen  unb  ITlütter  geiDertet 
werben,  auf  bag  bie  $xan  gleid)  bem  mann  ertoerbstätig  unb  baburd^ 
öftonomif(^  oon  iljm  „frei"  (ein  ftönne.  ITladjt  man  fi^  aber  War, 
bag  baburd)  bie  S^^uenm äffen  seitlebens  lebigli^  med^anifd^en, 
einförmigen  unb  fd^on  besl^alb  fpe5ien  für  ben  toeibli^en  (Drganismus 
gefunbl}eitsf d^äblid^en  (ErcDerbs5tDeigen  nieberfter  (Battung  3uge' 
füfjrt  tDÜrben,  fo  erfd)cint  nidjt  nur  begrciflid),  bafe  bie  (Eljefraucn 
ifjrcrfcits  biejc  Derrocrtung  ifjrcr  Kräfte  regelmäßig  nur  unter  bcm 
Dru*  ber  Hot  Jidj  auf3roingen  laffcn  unb  btn  „tjausmutterberuf" 
fjöfjer  rocrtcn,  Jonbern  es  fiann  aud)  nid)t  3iDeifeIf)aft  {ein,  baß  i!)re 
Befreiung  dou  öer  nTutterJd)aftsarbcit  3ugunften  einer  berartigcn 
DoIIerroerbstätigfecit  objefttio  Derlufte  an,  allcrbings  ni(^t  in  (Mb 
ab3ujd)ä§^nbcn,  etl)ijd)en  unb  pft)d)i|djen  tDerten  bebeuten  loürbc, 
tDcId)c  —  3ufoIgc  ber  auf  aller  au6erl)äuslid)en  S^ßuenarbeit  laftenbcn 
pt)T}fiologi|d)en  fjemmungen  -  burdj  bie  Don  iljr  3U  f(^affenben  roirt* 
|d)aftlid)en  IDertc  fieinenfalls  aufgewogen  loürbcn.  Hufgabe  ber 
(Be(e^gebung  unb  ber  f}aust)altungsted)nifi  i[t  es  |elbfti)crjtänbli(^,  aus 
ber  datjadje,  ba^  jener  3u)ang  ber  ITot  3um  aufeerfjäujigen  (Errocrb 
nun  einmal  Ijeute  in  breiten  $d)idjten  bes  Proletariats  befteljt,  bie 
Kon|equen3en  3U  3iel)en.  Diejen  3ujtanb  aber  als  ein  um  feiner  felbft 
roillen  erftrebensroertes  3ufiunftsibeal  l)in3ujtenen ,  Ijeifet  bie  Realität 
ber  Dinge  oerfeennen. 

IDas  aber  bebeutet,  jelbjt,  roenn  roir  uns  einmal  auf  ben  Boben 
ber  Doll'CErroerbsarbeit  aller  (Eljefrauen  als  tlorm  jtellen  roollen,  bos 


A.  3ur  mobemen  (E^fcrttik.  519 

3beal  «ökonomifc^er''  (Emansipation  ber  (Ei}efrauen  unb  ITlütter? 
Seine  Dertreter  laffen  bisf)er  im  unMaren,  ob  ber  THann  au^  bann, 
mtnn  ber  (Ein3elf)aust)alt  als  IDirtf^aftsform  aufgelöft  unb  bie  Stau 
voU  eriDerbstätig  toäre,  nodi  toeiter  rec^tlic^  oerpflic^tet  fein  foll,  3u« 
fammen  mit  if)r,  ober,  roie  je^t,  an  e  r  ft  e  r  SteOe,  für  ben  Unterf)a(t 
ber  gemeinfamen  Kinber  5U  forgen.  IDo  bies,  toie  meift,  ftillf^toei« 
genb  gemeint  ift,  ba  toirb  natürli^  eben  jenes  3bea(  ökonomifc^ 
(Emansipation  fc^on  oon  oorntjerein  gebrochen.  Denn  toenn  au(^  bie 
5rau  fi^  felbft  allein  emäf)rte,  fo  toöre  fie  bann  bo^  als  ITlutter 
oermittelft  ber  K  i  n  b  e  r ,  bie  fie  3ur  IDelt  bringt  unb  an  benen  fie 
f)angt,  folange  00m  ITlanne  ,,ökonomif(^  obf^angig'',  als  bie  ökono« 
mifc^e  DerantiDortli^fceit  für  beren  (Er3ief)ung  itjr  nic^t  oon  ber  (Be« 
famtf)eit  abgenommen  ift.  So  longe  bies  ni^t  ber  Sali  ift,  bliebe 
bie  r  e  (^  1 1  i  ^  e  Regelung  ber  öfconomifc^en  Be3iet)ungen  3n)if(^en 
Dater,  THutter  unb  Kinb  offenbar  ebenfo  unerlögltc^  roie  ^ute.  Sie 
könnte  (in  ber  ([f)eorie)  3U  einer  einfad)en  Alimentationspflicht  bes 
lUannes  oerflü^tigt  gebockt  roerben,  -  unb  toir  finb  oben  felbft  bafür 
eingetreten,  bag  au(^  in  ber  (Ef)e  bie  Re^te  ber  5^^"  tunlic^ft 
3  i  f  f  e  r  n  mägig  feft  beftimmt  toerben  follen,  -  immer  aber  bliebe 
babei  beftef)en,  ba^  ber  im  (Enoerbsleben  gegenüber  ber  5^ou  nun 
einmal  begünftigte  IRann  faktifc^  bie  Koften  bes  Unterf^Its  ber 
5amilie  Don  IRann,  5^^u  unb  Kinbern  mittragen,  ber  Regel  nac^ 
übertoiegenb  tragen  unb  bog  er  alfo  in  btn  befi^Iofen  S(^i(^ten 
bafür  meift  n)ie  je^t  annätjernb,  feinen  gan3en  dxmtxb  {^ergeben 
mügte,  wenn  bie  Derforgung  oon  $xau  unb  Kinbern  über  bas  nioeou 
ber  äugerften  Dürftigkeit  gef)oben  roer ben  follte. 

lUan  könnte  ja  nun  -  menigftens  in  ber  (Ef^eorie  -  biefe  öko' 
nomifc^e  Unentbel^rlic^keit  bes  ÜTannes  if)rer  perfönlid^en  Sonn 
3U  entkleiben  fud)en,  etroa,  inbem  man,  n)ie  3.  B.  (Ellen  Kei)  oorfc^Iögt, 
bie  (b  e  f  a  m  t  i)  e  i  t  burc^  Renten  leiftung  on  bie  niutter  für  jebes 
Kinb,  n)eld)es  geboren  toirb  -  etjelic^  ober  unef)eli(^  eintreten 
liege  (niutterfc^aftsrente).  IDürbe  biefe  Rente  l)0(^  genug,  b.  1^.  fo 
t)0(^  bemeffen,  bag  ein  3ufd)uf)  bes  Daters  für  bie  (Ersiel^ung  ber 
Kinber  gan3  entbet)rli(^  tDürbe,  bann  -  aber  oud^  nur  bann  - 
sDÖre  in  ber  (Eat  bie  prin3ipielle  ITlögHc^keit  gegeben,  bie  ökonomif(^e 
nabelf(^nur,  bie  normalertoeife  bas  Kinb  unb  burd)  bas  Kinb  auc^ 
bie  niutter  mit  bem  Dater  if)res  Kinbes  oerbinbet,  burc^  Bejeitigung 
aller  Anfprüd)e  ber  (batten   fotoot)!   roie  bes  Daters  unb  ber  Kinber 


520      (E^eftritift,  (E^efd^etbung  u.  augeretjeli^e  (Kef^Ied^tsbestei^ungen. 

gegencinanöcr,  3U  3crjdjnci6cn.  Die  bayx  erforberli^en  Ko{ten  für 
Deutfd)Ian&  toürben  minöeftens  etwa  7  milltarben  ITl^.  iä^rli(^  be* 
tragen^).  Damit  ©ärc  -  oolle  bauernbe  (EttDerbstätigkeit 
aller  nidjt  00m  Befift  lebenöen  5^^^^^  oorausgefe^t,  -  nidjt  nur 
bie  S^^^  unb  mutier,  {onbern  Dor  allem  auc^  ber  (Balte  uitb 
Oater  in  ber  (Cat  „öftonomi{(^  emansipiert".  Die  tDirtf^aftlid^ 
DerantiDortlidjIieit  ber  (Eltern  für  ifjre  Kinber  fiele,  wenn  tüir  bie 
Durdjfü^rbarfteit  fjier  einmal  oorausfe^en,  fort. 

(Es  entfiele  aud)  ber  Sroang  5ur  Bänbigung  bes  (Befc^le^tslebens 
unb  Dor  allem  bes  naturgegebenen  (Egoismus  überhaupt.  (Eine  IHaffe 
ifolierter ,  auf  fidj  (elbft  geftellter,  nur  für  bie  eignen  Bebürfniff e  (or« 
genber  3nbioibuen  unb  ein  tDiebererftefjen  ber  alten  Kinberpromien* 
politift  bes  beoölfterungsl^ungrigen  abfoluten  Staats,  in  gigantifc^er 
Dergrögerung,  toöre  bas  (Ergebnis.  Solange  eine  (befedf^aftsorbnung 
mit  (E  r  b  r  e  d)  t  beftel^t ,  roürbe  allerbings  bur^  jene  inagnaf)men 
allein  bie  „legitime''  (El}e  nid^t  bas  minbefte  an  Bebeutung  für  bie 
Kinber  unb  $rauen  ber  befi^enben  ober  fonft  öftonomifc^  priüi' 
legierten  Sc^id^ten  eingebüßt  traben,  -  benn  für  biefe  bebeuten  ja 
300  nift.  TTIutterfdjaftsrente  für  jebes  Kinb  ni^ts.  ftber  für  biejeni« 
gen  Sd^id^ten,  bie  nid)ts  toefentlid^es  5U  erben  traben  unb  (Einkommen 
oon  unter  1000  IKfi.  bc3iet)en,  loürbc  biejer  Betrag  öfionomif(^  fic^erlid^ 
ins  (Betoidjt  fallen.  Die  Derftnüpfung  bes  ffiefd^Iec^tsoerftel^rs  mit 
öfionomifd)cn  Pflid)tcn  könnte  (in  ber  dljcorie)  fortfallen.  Dürfen 
toir  aber  bauen  einen  3un)ad)s  an  fe^^ueller  (Etl}ik  unb  überl^aupt 
an  allgemeiner  DcrfittUd)ung  erljoffen? 

tDir  kommen  auf  biefe  5i^öge  erft  rociter  unten  surüdt,  ba  fie 
offenbar  einen  (Teil  bes  allgemeinen  Problems  ber  Uebernai}me  bei 
(Elternpflid)ten  burd)  bie  „(Be(amtt)eit"  barftcUt. 

f)  i  e  r  erinnern  toir  uns  nur,  ba^  ein  foldjes  roirklid)  prin3ipiefl 
burd)greifenbes,  ö.  l).  bie  Untcrt)altspflidjt  bes  Daters  ausfd)altenbes 
Projekt  für  alle  abjetjbare  3ukunft  3U  ben  Utopien  gefrört.  Don  ber 
beDÖlkerungspoliti|d)en  Seite  gan3  abgejetjen,  3unädjft  fc^on  f  i  n  a  n- 
3  i  e  1 1 ,  obfd)on  bas  unfrer  Rcd)nung  3U  grunbe  gelegte  TTIafe  unb  ebenjo 
bie  3eitbauer  ber  Rente  für  bie  (Erreidjung  bes  Scoecks:  -  „(Eman« 
3ipation  ber  (Befd)led)ter  oon  ben  5olgen  i^rer  gefd)ledjtli(^en  Be3ie« 
tjungen"  -  bod)  nur  ein  allerbürftigftes  TTIinimum  bilben  roürbe.   (Es 

')  22,8  inillioncn  (3al)l  öcr  Kinöcr  unter  16  3öl)rcn)  multipli3tert  mit 
300  lUarh  unö  DcrrDaltungshojtcn. 


A.  3ur  mobernen  (El^efcritik.  521 

kommt  f)tn3U,  öag  6er  praktifd^e  (Effekt  einer  Sal^Iung  von  Renten 
an  5ie  ITI  ü  1 1  e  r  —  rote  fie  von  btn  Dertretern  6es  (Kebankens 
bod)  iDof)I  Dorausgefe^t  coirb  -  5CDetfeIIo$,  nac^  allen  (Erfaf)run9en, 
eine  (Einfc^ränkung  von  beren  eigner  (Eroerbstätigkeit  fein 
tDürbe:  Sie  roürben  bann  eben  gan5  ober  teiIiDei|e  oon  ber  Kinberpro' 
buktion  leben,  oie  bies  in  befd^ränktem  ITlage  3UCDeiIen  freute  fd)on 
bei  ber  unei}elid)en  niutter  bie  S^Igc  ber  nod)  bürftigeren  Alimente 
(180  240  mk.  pro  3^^^  ^^i>  Uinb)  ift  -  unb  f)ier  übrigens  ja 
audi  {ein  |  o  1 1. 

3n  ber  (Cat  ift  bies  berjcnige  Sinn,  ben  jebes  in  btn  (brennen 
bes  (Erreid)baren  fid)  l^altenbe  Projekt,  fei  es  einer  ftaatlic^en  „ITlutter' 
fc^aftsrente".  fei  es  einer  „IJIutterfc^aftsoerfic^erung*'  mit  ftaatlic^en 
3ufd)üffen  für  be|i^Io{e  5^Auen,  auf  bem  Boben  unfrer  lDirtfd)aftS" 
orbnung  allein  i}aben  kann:  Befeitigung  ober  bodi  ITIinberung  bes 
Sroanges  für  bie  proletarifdje  ITtutter,  iljren  „ÜTutterberuf"  3U  (fün- 
ften a  u  g  e  r  f)aufiger  (Enoerbsarbeit  ungebüf)rli(^  5u  oernac^Iafrtgen. 
Das  CDäre  bann  freilid)  bas  grabe  (Kegenteil  einer  (Eman5ipation  Dom 
niutterberuf  b  u  r  (^  augerf^aufigen  (Kelboerbienft.  (Es  oürbe  Dor* 
ausfid)tlid)  nid)t  nur  bie  Kinberer3eugung,  |onbern  tx)of)I  auij  bie 
(E  !)  e  n  oermeljren,  inbem  es  bie  Derbinbung  mit  einer  |oId)en  renten- 
berechtigten Stau  ökonomifd)  erleichterte.  Aber  lelbftoerftänblid)  roäre 
bie  Red)tspflid)t  bes  lUannes,  in  erfter  £inie  für  bin  {}ausi}alt  ber 
5amilie  auf3ukommen,  aisbann  erft  red)t  nic^t  entbetjdic^  gemad)t. 
(Es  mürbe  [xö)  aljo  {ebenfalls  babei  um  Projekte  i}anbeln,  toeld^e  - 
roie  man  aud)  über  \\e  urteilen  möge  -  jebenfalls  burc^aus  inner« 
f)alb  bes  Raf)mens  ber  mobernen  So3iaIpoIitik  lögen.  3f)re  etmaige 
Durd)füi}rung  oürbe  3iDar  oon  erl^eblidjer  (Eragcoeite  für  bie  £age 
ber  baoon  betroffenen  lUütter  fein:  fie  loürben  in  bie  £age  Don  5rauen 
oerje^t,  coeld^eein  kleines  Rentenkapital  in  bie  dhe  bräd)ten.  Aber  prin- 
3  i  p  i  e  1 1  e  Bebeutung  für  bie  Probleme  ber  red)tlid)en  Be3ief)ungen  ber 
(Ke|d)led)ter  trotten  [xe  |d)led)terbings  nid)t,  im  <l>egenfa^  3u  bem  (bt' 
banken,  bie  Daterpflid)ten  oermittelft  einer  unioerlellen  Hlutter* 
|d)aftsrente  aus3u|d)alten ,  tpeld^er  [einerfeits  nur  eine  Dorftufe  ber 
Uebernatjme  aller  (Elternpflidjten  auf  ^bie  (J)e|amtl}eit'*  jein  könnte. 
Denn  es  coare  natürlid)  garnid)t  ab3ufei}en,  coas  bie  (Kefamtf^it,  in 
ber  ja  IdjHeglid)  aud)  bie  lUänner  mitreben  oürben,  ba3u  betoegen 
follte,  ftatt  3n|titutionen  3U  fd)affen  für  bie  (Er3iel}ung  ber  btn  aller> 
elften  lebensjal^ren  entiDad}|enen  Kinber  burc^  gefd^ulte  Kräfte  „im 


522     (E^eftritift,  (E^efd^etbung  u.  augeretjeli^e  (Befc^Ie^tsbejtetjungen. 

6rogbetrt6b",  ungel^eure  Summen  bauemb  an  öie  einjelnen  ntütter 
3U  safjicn,  öcrcn  tüirMidj  siDcckooIIc  DeriDenöung  im  3ntercffc  bfx 
Kinöcr  fidj  jcöcr  tx)irli(amcn  Kontrolle  entsöge.  — 

IDtr  ftommen,  tote  fd)on  bemerftt,  auf  bte  etl)if(^e  Seite  btejer 
Probleme  einer  -  günftigenfalls  -  fernen  Suftunft  am  Sd^lug  no<^ 
fiur3  3urüdi.  tjier  fjaben  u)ir  3unädjft  eine  toeitere,  gegen  6ie  €^ 
als  R  e  dj  t  s  inftitut  geridjtete  6e6anlienreif)e  3u  erörtern. 

(Es  ift  öie  ebenfalls  aus  öem  OuIgär*So3iaIismus  ftammenbe,  nic^t 
immer  Mar  3U  (Eage  tretenöe,  aber  boc^  geniigenb  erkennbare  Unte^ 
ftrömung  aller  (Eagesöisftuffionen,  bag  ber  (Blaube  an  ben  IDert  ber 
„legitimen  (Efje"  um  besioillen  unljaltbar  fei,  roeil  in  ber  heutigen  (S^ 
fellfd^aft  bie  p  r  0  ft  i  t  u  t  i  0  n,  ber  augerel^eli^e  (Be{(^Ie<J^tsDerke^  in 
(einer  brutalften,  gef äfjrlidjften  unb  für  bie  Stau  emiebrigenbften  5«^. 
i^re  „Begleiterfd^einung"  {ei.  Die  legitime  (Ef)e  unb  bie  ^ftopitalifH* 
(d)e"  (Eigentumsorbnung  feien  es,  roel^e  i^rer  bebürfen,  toat^renb  |ie  bei 
ben  n  a  t  u  r  Dölftern,  bie  roeber  unfre  (Etje  no(^  unfre  (Eigentumsorb* 
nung  ftennen,  fe^le.  Unb  bas  fei  bie  groge  fjeuc^elei  ber  bürgerlich 
(befellfd)aft,  ba%  fte  3tDar  Derfud^e,  bas  (bef^Ie^tsleben  ber  5^^^^ 
burdj  fo3iaIe  fledjtung  jcber  i^rer  „S^^Itritte"  auf  bie  (E^c  3U  befci^rän» 
ften,  bem  manne  jebod)  unbegrenste  Befriebigung  feines  (Erieblebens 
aud)  augerl}alb  ber  (El}e  5ubiIIige,  ja  i^m  bafür  einen  (Eeil  ber  loeib* 
lidjcn  BcDÖIfecrung  preisgebe.  ITIit  bicfem  (bebankengang ,  als  bem 
etl)ifdj  fd)tDcrtDiegenbftcn,  muffen  toir  uns  l)ier  am  eingef)enbften  b^ 
faffen. 

3n  ber  (Tat:  Die  Diffonan3  3iDifdjen  ber  geltenben  IXorm  unb  5er 
ftaatlidj  unb  gefcllfd)aftlidj  fanfitioniertcn  prajis  auf  feiten  ber  ITIän^ 
n  c  r  ift  t)cute  fo  grell,  bie  (Eatfad)e,  ba^  bei  gemeinfamem  Ungeljorfam 
gegen  bie  Horm  nur  bie  5  ^  ^  u  ber  bürgerlidjen  flec^tung  anljeimfällt, 
fo  unbillig,  bie  <Er3iel)ung  ber  TTIännermaffen  3ur  Anerkennung,  9^ 
fdjtoeige  benn  3ur  Dertt)irklid)ung  ber  ITorm  erfc^eint  fo  utopifd?, 
ba^  es  begreiflid)  ift,  toenn  So3iaIreformer  jene  (Erfc^einungen  gebaut 
lid)  Derknüpfen,  ober,  nod)  einen  Sdjritt  loeiter:  (Efje  unb  Kapitalis- 
mus mit  einanber  oerketten  unb  beibe  gemeinfam  für  bas  Dafein  ber 
Proftitution  üerantroortlid)  madjen. 

Das  f}auptmaterial  3U  biefer  Konftruktion  liefert  —  neben  ber 
an  rein  l)t)gienifd)en  (um  nid)t  3U  fagen  „oeterinären")  ©efidjtspunktw 
orientierten  Sejualmoral  mand)er  ärstlidjer  „flutoritäten"  -  ber 
Staat  f  e  I  b  ft.    Unb  3tDar  baburd),  bafe  er  neben  ber  (Elje  grabe  öie 


A.  3ur  mobernen  (Ef)ekrttifc.  525 

ProftituKon  unter  feine  (Dbtjut  nimmt,  mit  if)r  paktiert  unb  tf)r  öurc^ 
öas  Reglementierungsfiiftem  ben  Stempel  ber  Sulöffigkeit  für  btn 
TTIann  aufprägt,  bagegen  anberc  Sonnen  aufeereljelic^en  6e[djled)ts« 
Derhei}rs,  5.  B.  ben  ber  eti}ifd)en  Burc^bringung  burd)aus  faltigen 
monogamen  Konkubinat,  im  6egen|a^  3ur  proftitution,  poIi5eiIi(^  unter* 
brückt.  -  Dag  ber  Staat  als  f)üter  ber  (Ef)e  aud)  3ugletd)  bie  f}anb' 
l^abe  bietet,  um  bem  THann  ben  Prof titutionsDerkef)r  3U  erleichtern, 
lögt  il^n  felbft  als  Skeptiker  gegenüber  ber  Horm  erfc^einen  unb  trägt 
am  CDefentIid)ften  5ur  (Erübung  foiDoi}!  ber  (Eatfad^enerkenntnis  oie 
aud)  bes  etf)ifd)en  Urteils  bei. 

(Es  ift  ferner  unbebingt  3U3ugeben,  bag,  auger  biefen  ibeellen  unb 
red)tli(^en,  au^  getoiffe  ökonomifc^e  Derbinbungsfäben  3n)ifd)en  ben 
£ebensbebingungen  ber  mobernen  (Kefellfdjaft  unb  ber  proftitution 
Dori}anben  finb.  Dor  allem  bie,  auf  ben  f)od)gefd)raubten  gefellfd^aft- 
liefen  Anfprüd^en  unb  ber  langwierigen  Derufsoorbereitung  berui}enbe, 
fpäte  {}eiratsmöglid)keit  ber  befi^enben  DoIksf(^id)ten  auf 
ber  einen,  unb  bie  erbarmungslofe  f}ärte  bes  (EriDerbskampfs  für  bie 
Srauen  befiftlofer  Klaffen  auf  ber  anbren  Seite. 

Ungead)tet  alles  beffen  erfd^eint  aber  bod)  bei  jebem  genaueren 
3ufei}en  bie  Surec^nung  ber  proftitution  3ur  (Ei}e  ober  cdoI}I  gar  3ur 
„(Ef)e  nad)  Daterrec^t''  f)ö(^ft  ungefd)id)tli(^.  3unä(^ft  f)aben  oir  fc^on 
früf)er  im  erften  Kapitel  gefeiten,  bag  bie  proftitution:  bie  (Er* 
kaufung  bes  6ef(^Ied)tsakts  um  feiner  felbft  oillen  Don  feiten  bes 
THannes,  bie  {}ingabe  um  (Entgelt  oon  feiten  ber  5^^u,  fo  alt  ift  toie 
bie  (^efd)id)te,  unb  ro  e  1 1  älter  als  bie  legitime  (Etje.  Sie  be« 
ftei}t  aud)  -  cdo  bie  fonftigen  Bebingungen  ba3u  gegeben  finb  -  bei 
inutterred)t ,  ja  oft  grabe  in  ber  Sonn  bes  fogenannten  reinen 
IJIutterredjts.  Das  lUäbdjen  ift  babei  eben  (Ercoerbsquelle  ifjrer  Sippe, 
CDeId)e  fte  gegen  (Entgelt  jebermann  preisgibt.  IHan  kann  in  biefem 
Sinn  bie  f)eutige  Proftitution  in  ber  (Eat  als  ein  Reftbuum  ber  älteften 
Barbarei  be3etd)nen.  3ljr  K  0  n  t  r  a  ft  gegen  bie  oerfeinerte  Serual* 
moral  unb  ii}re  baraus  f  olgenbe  Abfonberung  aus  ber  3iDiHrierten 
(^efellfc^aft  ift  bas  ben  Kulturoölkern  Spe3ifif(^e.  Hid^tig  ift,  bog 
bie  proftitution  in  biefer  iljrer  flbfonberung  unb  iljrem  Kontraft  gegen 
bie  legale  (Ef)e  für  bie  Befriebigung  bes  (l>efd)Ied)tstriebs  in  einfad)eren 
Kulturoerijältniffen  nid)t  bie  Holle  gefpielt  l^at,  mie  in  antiken  unb 
mobernen  (B  r  0  g  ft  ä  b  t  e  n.  Dies  trägt  3ur  Beurteilung  ber  Bebeu- 
tung  ber  6rogftäbte,  -  aber  nid)t  nur  ber  freute  buxd^  ben  Kapttalis- 


524     (E^eftritift,  (E^efd^eiöung  u.  augerel)elid)e  (Bef^Ied^tsbejietjungen. 

mus  gefc^affenen  -  bei.  Aber  n)as  befagt  es  für  bte  angebli<^ 
3ufammenl)änge  3n)t(d)en  (E^e  unb  proftitution  unb  DoUenbs  für  bie 
Beurteilung  bes  tDertes  ber  (E^e? 

(Ebenfo  gleid^gültig  bafür  ift  es  anbrerfeits,  ba^  gemiffe  prtmttioe 
ITaturoöIfier,  bie  toeber  für  btn  Tdann  nodj  für  bie  S^^^  ^^^  Begriff 
ber  6efd)Ied)tseI)re  nod)  aud)  bas  (Kefü^I  einer  bauemben  Oerantmort' 
lidjfteit  für  i^re  Kinber  Rennen,  ifjr  (Criebleben  o  Ij  n  e  bie  3nftitutioii 
ber  besal^Iten  unb  ftöuflid^en  „£iebe''  befriebigen.  Denn  menn  au(^ 
bort  bie  Proftitution  in  unfrem  Sinne  fe^It,  fo  ftann  boc^  nur  bie 
DÖUige  Unkenntnis  il^rer  fonftigen  fe^uellen  (KetDoI^ntjeiten  unb  (K^ 
bräud^e  jenen  Dölkern  eine  allgemeinere,  größere  S  i  1 1 1  i  (^  k  e  i  t 
als  uns  5ufd)reiben.  3l}r  fe^ueüer  Abtoed^slungstrieb  tobt  fl^  gan3 
3ÜgeIlos  bei  feftlid^en  6elegenl}eiten  aus,  i^re  „ei^eli^en"  Oerbinbungen 
coerben  —  fo  lange  ber  ITa^rungsfpielraum  ausreißt  —  of^ne  ökono' 
mifd^en  Dorbebad^t  unb  besl^alb  in  fel^r  jugenblid^em  Alter  gef<^(offen 
unb  -  immer  feitens  bes  ITIannes,  feiten  feitens  ber  5wu  -  nac^ 
Belieben  n)ieber  gelöft.  „(Erlaubt  ift,  toas  gefällt"  unb  bas  tjei^  in 
e  r  ft  e  r  £tnie  immer:  toas  fid)  ber  einselne  Hl  a  n  n  burd^  VXad^t  ober 
£ift  i)erfd)affen  kann,  ol}ne  bie  6elüfte  feines  Had^bam  5U  kreujen. 
SelbftDerftönblid)  ift  in  einem  fold^en  „D  i  e  s  f  e  i  t  s  Don  (5ut  unb 
Böfe",  iDO  ber  TTIann  eben  \ebe  5^öu,  fofern  fie  iljm  ni<^t  oon 
anbrcn  ITIännern  beftrittcn  toirb,  „Ijaben"  lianrif  bie  Proftitution 
als  5  0  n  b  e  r  form  bes  (Befd)Ied)tsi)erkel)rs  entbef)rHd)er  als  Ijeute  unö 
roirb  „fittlid)"  nid)t  üon  ber  „CEl}c"  unterfdjieben. 

Aber  fprid)t  bicfc  Selbfti)erftänblid)keit  etroa  gegen  ben  IDcrt 
unfrcr  ctt)ifd)cn  ITormcn,  unb  können  roir  baraus  irgenbroelc^e  Rid)t« 
linien  für  unfer  fjanbeln  unb  bie  ITeubilbung  unfrer  3nftitutionfn 
ableiten  ? 

Relatio  „entbeljrlid)"  3eigt  fidj  ferner  bie  proftitution  bort,  wo 
bie  ITIänner  befi^enber  $d)id)ten  itjre  natürlidje  £uft  am  II)ed)feI  in 
polt)gT}nen  Be3iet)ungen  befriebigen,  ober  audj  bie  5rauen  poIi)anbrifd) 
leben  können.  3It  es  aber  ernft  3U  neljmen,  toenn  best)alb  Dertretcr 
einer  oerfeinerten  Sejualettjik,  toie  3.  B.  (larpenter  unb  (Ellen  Kci), 
aud)  bie  3uläffigkeit  ber  polT}gamie  ober  ber  (Bruppenefje  als  mittel 
3ur  D  e  r  e  b  e  l  u  n  g  bes  (Befd)led)tslebens  unb  ber  f}öl}eriDertung  btx 
5rau  biskuticren? 

fjinfid)tlid)  ber  Kulturnationen  aber,  btmn  bas  3beal  ber  öauem 
ben  unb  ausfd)Iieglid)en,   monogamen  (5efd)led)tsgemeinf(^aft   einmal 


A.  3ur  mobernen  (Ei}ekrtttk.  525 

5um  BeiDugtfein  gekommen  tft,  lel^rt  bte  (Kefd)t(^te,  bag  bie  Proftitu« 
tion  fid)  ebenfo,  iDte  neben  jeber  i^xtt  (Eigentums^  fo  au^  neben  leber 
if)rer  (El}e*(Drbnungen  in  einer  ber  unfrigen  im  IDefen  ber  Sad^e  ana* 
logen  Sonn  finöet.  Selbft  bort,  wo,  roie  3.  B.  in  ber  Blüte  bes 
klaffifd^en  (Kried^entums,  bem  fe^^uellen  unb  öftl^etifc^en  (Kenugbebiirfnis 
bes  IHannes  neben  ber  (El}e  ein  prahti|d)  unbegren3ter  Spielraum 
gecDaf)rt  ourbe,  unb  ebenfo  bort,  too,  oie  5.  B.  in  ber  [pätrepublikO' 
nifd)en  römi|d)en  3eit,  aud^  bie  5^^^  bte  benkbar  größten  fe|[ueQen 
5reif)eiten  genog,  roo  cor  aüem  bie  (Ef)e  jeberseit  aud)  oon  einer 
Seite  prioatim  lösltd)  mar  unb  Sd^eibung  unb  üeuoerl^eiratung  einan- 
ber  5utDeiIen  {(^neller  als  ber  ntonbcoed^fel  folgten,  -  felbft  bort  naf)m 
bie  getoerbsmögige  proftitution  fi(^er  keinen  geringeren  Raum  ein 
als  l^eute  unb  -  roar  bie  proftituierte  then  fo  oerac^tet  roie  ^ute. 
niebrige  An{prüd)e  an  ben  ftttK(^en  Stanbarb  ober  an  bie  Stabilität 
ber  (Ei}e  i}aben,  focoeit  bie  6efd)id)te  reid)t,  nod)  nie  5ur  Derminberung 
ober  „Derebelung"  ber  proftitution  beigetragen. 

Ijingegen  n  u  r  in  (Epodjen,  roo  bie  Religion  in  irgenb  einer  Sorm, 
-  roie  3.  B.  bas  3ubentum  nac^  ber  Rüdtkei}r  bes  Dolkes  3srael  aus 
ber  babi)Ionifd)en  (Kefangenfd^aft,  bas  Urc^riftentum,  ber  3slam  unb 
bann  ber  proteftantismus  oor  unb  aud^  nod)  in  ber  erften  ibeologifc^en 
Periobe  ber  Aufklörungs3eit,  -  fid)  bie  Aufgabe  fe^te  unb  bie  ITlad^t 
gecoann,  bas  AQtagsIeben  bes  <Ein3eInen  etl)if(^*religiös  3U  burd)bringen, 
ift  es  bisi}er  gelungen,  nid)t  nur  bie  S^^u,  fonbern  au(^  ben  IRann 
a>eitget}enbem  IRage  3um  {}anbeln  nad)  ber  Rorm  3U  er3ief)en  unb 
in  b  a  m  i  t  bie  Proftitution  auf  ein  fonft  ungekanntes  lUinimum  3U 
minbern.  (Ein  Kinb,  in  erfter  £inie  coenigftens,  (^riftlid)er  Kultur, 
fpe3tell  aber  proteftantifd^er  £ebensauffaffung,  ift  b^nn  audi  bie  fo* 
genannte  „bürgerlidje  IRoral",  bie,  troft  allem,  audj  Ijcute  nod)  in 
ben  mittel«  unb  Kleinf tobten  ebenfo  coie  in  unfrer  bürgerlichen  ^3nteUi' 
gen3''  bie  Kraft  Ijat,  breite  Kreife  3ur  oorefjelidjen  Keufd)l)eit  3U  oer« 
anlaffen.  Diefe  ([atfad)e  ift  -  mag  \\e  in  be3ug  auf  iljre  ber3eitige 
quantitatioe  Bebeutung  f)eute  nod)  fo  Derfc^ieben  beurteilt 
oerben')  -  unter  allen  Urnftänben  ein  unoemid^tbares  Seugnis  ge* 
gen  alle  biejenigen,  bie  angefid)ts  bes  i}eutigen  ProftitutionsDerkef)rs 

>)  3n  b\t\tx  f7tnftd)t  ift  a)of)l  3u  bfad)t(n,  bog  btx  (htqtn\a^  ntd)t  ber 
3a)ifd)en  fahttfd)  abfoluter  Durd)fül)runci  ber  I^bfttnen3  unb 
tf^rer  nidjtburd^füf^rung  beftet)t,  fonbern  3a)tfd)en  bem  bef^ariUd)  feftgel^I* 
tenen  el)rlid)en  Streben  banad)  —  unb  einem  Stanbpunkt,  ber  jenem  Streben 


526      (El^eftritift,  (E^ef^eiöung  u.  augere^elicbe  (Bef^Ied^tsbesiei^ungen. 

ergeben  bie  fjänöe  falten  ober  in  ,,moraIi{^er  Kno(^enern)ei^ung' 
unb  ett)tfd)er  prtnsipienlofigfteit  glauben,  bos  poftulat  ber  augere^ 
li^en  Keu{d)I)ett  nid^t  einmal  als  ibeale  norm  au^  für  ben  VXann 
aufred)t  erfjalten  3U  (ollen. 

IDie  {tarft  toir  aud^  bie  befonberen,  fo3taIen,  tji^gtemfd^n  unö 
Dor  allem  bie  fpe5ieQen  öftonomi{(^en  Oerl^ältniffe  in  unfrer  ^» 
tigen  6e(ellfd)aft  für  b^n  gegenroärtigen  Umfang  ber  Proftitution 
belaften,  bie  (Einftd^t  in  bie  6efd^i(^te  ber  Sepialmoral  nötigt  ^ 
ber  freute  fo  gern  Dergeffenen  Sd^Iugf olgerung ,  bag  jebe  benkbore 
Aenberung  ber  Red^tsorbnung,  ber  {05ialen  Dertjöltniffe  unb  ber  g^ 
fenfd)aftli^en  .^Konoention"  allein  bas  (Bef^le^tsleben  nid^t  oer- 
ebeln  ftann,  bag  Dielmef)r  bie  Proftitution  ober  i^r  analoge  (Erfc^i« 
nungen  {^liegli^  in  jeber  benftbaren  (befellf^aftsorbnung,  neben  jebfr 
5orm  Don  6efd)led)tsbe5ie^ungen  einen  Hä^rboben  finben  ftann,  - 
{olange  es  5^^^^^  Qi^^»  ^i^  f^(^  gegen  (Entgelt  jum  3nftrument  mömi' 
lid^er  Befriebigung  erniebrigen  unb  THänner,  bie  fi(^  bie  Befriebigung 
il}res  (bef(^led)tstriebs  5um  „l}t)gienifd^en"  Selbft5tx)eck  ma^en,  fte  Don 
oerinncrlidjtcr  feelifdjcr  (Empfinbung  trennen  unb  besi^alb  ein  3wtereffe 
baran  l^aben,  fi^  Don  jeber  Derpfli^tung  gegen  itjr  (benugobiebt 
los5uftaufen. 

Die  (Ejiften3  ber  proftitution  ift  alfo  in  leftter  Cinie  ein  3eugnis 
für  bie  immer  neue  HcbcUion  elementarer  Haturgeioalten  in  uns  gegen 
bie  f}crrjd)aft  feeli[d)er  Kultur.  Sic  i[t  genau  in  bemjelben  Sinne 
„eroig",  roic  ctroa  ITIcineib,  Betrug  unb  Derleumbung,  bie  ja  [elb[t« 
oerftänölid)  aud)  in  bcm  IK  a  fe  e  itjres  Dor?iommens  butd)  bas  [0310!« 
ITIilieu  ftarfe  mitbcbingt  finö.  3t)r  tjeutiger  Umfang  befeunbet  aljo 
3tt)ar  3U)cifeIIos  bie  Ungunjt  ber  £ebensbebingungen  brcitejter  S(^idjten 
unb  i[t  uns  bestjalb  eine  furd)tbarc  TTIaljnung  an  ber  Umbilbung 
unjrer  |03ialen  Dertjältniffc  3U  arbeiten;  bagegen  beftunbet  fie  ab[oIut 
nid)ts  gegen  bie  OTgemeingüItigfeeit  ber  fittlid)en  lUa^ftöbe,  an 
benen  toir  ben  IDert  ber  (BcJd)Ied)tsbe3iel}ungen  meffen,  -  fo  roenig 
toic  bie  3U)eifeIIofe  nTitbebingtl}eit  ber  tjäufig?ieit  oon  ITIeineib,  Betrug 
unb  Dericumöung  burd)  bie  ?ionkreten,  gejelljdjaftlidjen  Derfjältniffc 
il}re  fittlid)e  unb  red)tlid)c  Derroerfung  Ijinbern  \(ann. 

Dieje  Bemerkungen  berütjren  ben  eigentHd)en  Kernpunkt  ber  $xa^c 

prin3ipcll  entjagt  oöcr  öcn  6c|d)lcd)tsDerkcl)r  aus  angeblidj  l)i)gieni[d|fn 
6rünöcu  pflegt  unb  ein  „Rcd}t"  6a3U  für  iidj,  ö.  Ij.  —  bisljer  ipenigftens 
für  öcn  lUann,  in  flnjprud)  nimmt. 


A.  3ur  moöcrnen  (Ef)ekritift.  527 

na(^  5em  ftttltd)cn  IDert  öer  (El}e  „an  [xi^",  3n  all  jenen  eben  \\iiy 
jierten  (Keöankengäncjen ,  oeld^e  nid)t  nur  6te  f05talen  Derl^öltniffe, 
unö  6te  nttUd)e  Sd)n)äd)e  öer  CEtn5eInen,  fonöern  9an3  fpe3ien  aud) 
bte  (Etnef)e  oerantroortlid)  für  öie  (E|[iften5  öer  profKtution  machen  3U 
können  glauben,  roirö  immer  öie  5^<^9^  ^^^  l^ineingeöad^t,  ob  es  nid)t 
überi}aupt  roiöerfinnig  |ei,  fid)  an  eine  Horm  3U  klammern,  öie  eben 
öod)  immer  nur  oon  einer  lUinöerf^eit  DeriDirhlic^t  coeröe,  ob  es  ni^t 
beffer  fei,  oon  öer  £aft  öes  Sittengefe^es  etroas  ab3ulaffen,  ftatt  öie 
ntenfdjenmaffen  ftets  aufs  neue  in  öen  erfolglofen  Kampf  gegen  if)re 
eigene  Hatur  3U  fd)icNen. 

Demgegenüber  gilt  es  folgenöe  im  Dorübergel^en  fd)on  ein- 
mal berül^rte  -  6runötatfad)e  aller  pfi}d)oIogtfd)en  (Erfaf)rung  im 
Auge  3u  betjalten :  Ueberall  öort,  00  überl^aupt  etl^ifc^e  DorfteI> 
lungen  auföämmern,  toeröen  alsbalö  öie  pl}t)fifd)en  An{prüd)e  öer 
Sepialfpi}äre  unö  öie  Anfprüd^e  öer  (Eti}ik  -  aud)  öer  öenkbar 
p.freiften"  als  einanöer  coiöerftreitenöe  <l>eiDaIten  empfunöen. 

IDie  oiet  oöer  tpie  tpenig  THad^t  jetpeils  bei  öen  oerfdjieöenen 
Dölkern  unö  in  oerfd^ieöenen  (Epod^en  öer  |e|[uenen  Sinnlichkeit  einge- 
räumt coirö,  i|t  eine  S^^Q^  ^^^  {e|[uaI'moraIif d)en  (Entoidilungsge' 
fd)id)te  unö  l}ier  ni(^t  3U  erörtern.  5^ii3ut)alten  ift  nur,  öag  jener 
fd)mer3i)one  geroaltige  Konflikt  3a)ifd)en  Sein  unö  Sollen  in  un|rer  {inn> 
Ii(^'geiftigen  Hatur  in  irgenö  einer  5orm  überall  ins  Decougt- 
{ein  tritt.  (Er  ift  ein  unentrinnbares  Sd)idi{al  für  alle,  öie  naö)  ptt- 
lieber  Kultur  ftreben,  ein  |pe3ifi[<^es  TTIerkmal  öer  »nienfdjeniDÜröe- 
im  (Kegenfa^  3ur  (Eieri}eit,  unö  eines  öer  aUenoid^tigften  tDerk3euge 
{eeli{d)er  Derfeinerung.  Unö  öies  ift  öie  lleber3eugung ,  öie  fid)  öem 
öie  Kulturentcoidilung  öer  Hationen  Beobad)tenöen  auföröngt:  öa^  - 
bei  Strafe  feelifd^en  Kulturrüdtgangs  -  öas  Hingen  mit  ii}m  öen 
3nöiDiöuen  nid)t  erfpart  a>eröen  kann,  unö  nur  öurd)  möglid)fte  Der* 
ringerung  öer  äußeren  Der|ud)ungen  unö  Defferung  öer  £ebensbe- 
öingungen  für  öie  IHaffen,  nid)t  aber  öaöurd)  erleid^tert  toeröen  öarf, 
öag  man  öie  An|prüd)e  öes  einmal  entmidtelten  etl}t|d)en  Urteils 
l}erab{d)raubt.  Derkleinert  man,  um  men{d)lid)er  ^Sd^coad^l^eit"  millen, 
öie  Dignitüt  öer  einmal  erkannten  Uorm,  |o  loirö  öas  Refultat  jeöen- 
falls  nid)t  eine  {)armonirterung  unö  allgemeine  Dereöelung  öes  (Ke* 
{d)led}tslebens,  fonöern  eine  Steigerung  feeli{d)er  Unkultur  fein. 

(Eine  fittlid)e  „tlomr  ift  nun  einmal  fo  toenig  aus  öem  3U  ab« 
ftral^ieren,  toas  öer  Durd)fd)nitt  öer  lllenfd^en  tut,  toie  eine  tDiffen- 


528     (E^eftritift,  (E^efd^eibung  u.  augerel)eli^e  (Bef^Ie^tsbejiefiungen. 

fd^aftlid^e  IDatjrl^eit  aus  bem,  mas  jener  Durd^f^nitt  glaubt.  (^ 
n)tg:  Unfre  {ittli^e  (Etnftd^t  t{t  ftetiger,  ins  UnenöK^e  gei^enber  Der* 
Dollftommnung  fä^ig,  ebenfo  tDte  un{re  otffenf^aftltd^e  (Erkenntnis. 
Kein  3uftan&  unfres  {ittltc^en  Urteilens  ift  ein  enbgültiger.  Tleue  g^ 
fellf d^af tli^e  *  Dertjöltniffe  {teilen  neue  Probleme  unb  bie  mdg* 
lid^fteit  neuer  £ö{ungen  bis  ins  Unenblid^e  hinein.  Damit  finb  aber 
niebrigere  et^ifd^e  3beale  ebenfotoenig  als  „relatio  beret^tigt' 
anerftannt,  toie  etcoa  übertDunbene  n)i{fenfd)aftli^e  (Einftc^ten  als  .r^ 
latiD  rid)tig"  gelten  ftönnen,  na^bem  einmal  auf  beiben  (Bebieten 
bie  I)öl}ere  Stufe  bes  Urteils  errei^t  i{t.  (Ein  etl)if(^  ^ö^eres  3beQl, 
als  bie  mit  ber  Abft^t  auf  Dauer  unb  Ausfd^Iieglic^fteit  ge|(^Io{feiie 
monogame  (El^e,  ift  bis  {}eute  n  i  d)  t  beftannt  unb  für  uns  5ur  3ett, 
nad)  bem  Staube  unfres  fittli^en  (Erftennens,  unausbenkbar.  Dies 
bisfjer  fjödjfte  Jbtal  ift,  als  Horm  gebadjt,  in  ber  parabo^e  {eines 
Anfprud^es  auf  „(Etoigkeit"  ber  £iebe,  bie  (Quelle  tiefer  feelif(^ 
Qualen  gecoefen  unb  coirb  es  immer  fein,  aber  es  toar  au(^  (Queue 
ber  möd)tigften  (Entfaltung  fittli^er  Kräfte.  THan  seige  uns  ein 
Iföfjeres  3beal,  —  bann  erft  roerben  u)ir  bas  alte  ju  ben  (Eoten  legen. 

(Es  ift  nun  aber  aud)  unter  rein  prafttifd^en  (befi^tspunkten  nic^t 
ein3u|e!}en,  toie  ettoa  burdj  bie  Derkleinerung  jener  fepial«etf)i{(i^en 
TTIa^Jtäbe  bie  Projtitution  üerringert  unb  bas  {ittlidje  Durc^fdjnitts« 
niocQu  gefjobcn  toerben  könnte. 

IDürbe  3.  B.,  toie  üiele  Pfabfinöer  einer  neuen  Se;uaI>(Etl)if{  üot» 
fd)Iagen,  bie  „boppeltc  ITIoral"  baburd)  oereinfjeitHdjt,  bafe  man  »auc^" 
ber  5i^öu  im  Sittenkobej  ber  (Bcfellfdjaft  p  r  i  n  3  i  p  i  e  1 1  ein  Redjt 
auf  Bcfricbigung  itjres  [innlid)cn  (Erieblebens  aufeerfjalb  ber  (Efje  3U« 
erkennte,  -  ftatt  es  prin3ipien  aud)  bem  TTIann  ab3u{pre(^en,  - 
|o  roürbc  baburd)  offenbar  nid)t  ber  proftitutionsüerkef^r,  fonbem  5ic 
3al)I  ber  (El}efd)Iie6ungcn  oerminbert  unb  ftatt  beffen  bie  3al)I  ber 
Don  Dornl}erein  „auf  3eit"  bered)neten  ,,Derf)äItniffe"  no(^  erljeblicfj 
üermetjrt.  Dem  jungen  TTIann  befi^enber  Kreije  mügte  es  ja  aufeer« 
orbentlid)  angenel}m  {ein,  bann  aufeer  ber  „Dirne"  3.  B.  aud^  5ie 
„t)öt)erc  (Eod)ter"  ober  Stubentin  „l}aben"  3U  können,  ol^ne  fidj,  ibr 
unb  i!)ren  Kinbern  gegenüber,  bie  etljijdjen  unb  ökonomifc^en  Der» 
pflid)tungen  eines  (Batten  auf  laben  3U  muffen!  (brabe  besl^alb  ift  es  ja 
nur  3u  ocrftänblid),  ba^  ber  etljifd)  besorientierte  (Eeil  unfrer  ITlänner' 
toelt,   oor  allem  aud)  einige,   jebes  fejual«etl)ifd^en  5ringefü^ls  bare 


A.  3ur  moöcmcn  (Ef)ekrittk.  529 

mebisiner  öiefen  6e6anken  mit  (Eifer  propagieren.  Sollen  ft(^  bie 
5  r  a  u  e  n  öamit  i6entifi3ieren  ?  IDas  Ijaben  fie  -  b.  I).  nidjt  öie  im 
konkreten  5^0  ö"  i>^^  «S'^öge"  perfönlidj  für  jid)  intereffierte  (Ein3elne, 
fonöern  öos  6cfd)Ied)t  als  fold^es  -  öabei  5u  gewinnen?  Sobalb 
aber  etroa  freute  öerarttge  lofe  „Derf)altnif{e''  loie  tjäufig  geforbert 
tDtrö,  gefe^Hd)  gefd)ü^t  unb  moralifc^  gef)oben,  alfo  etioa  bem  lUann 
5um  minbeften  o  o  11  e  Daterpfltd^ten  gegen  feine  aus  tl^nen  enttton* 
benen  Kinber  auferlegt  iDÜrben,  bann  oerben  fie  für  if)n  auii  fofort 
Qnnaf)ernb  fo  unbequem  unb  koft|pielig  toie  eine  legale  <Ef)e  -  bei 
f)tn(ängli^  erlei^terter  Sd)eibung  es  ift.  Dermutlid)  toürbe  bann 
bas  (Bros  ber  ITlänner,  gan3  aus  benfelben  äußeren  (Brünben,  aus 
bemn  fie  ^eute  bie  frül^e  (E^efd^Iiegung  fd^euen,  ben  Se|[ualDerkef)r 
mit  ber  Dirne  ber  in  if)ren  $oIgen  fo  oiel  riskanteren  Be5iel}ung  3U 
bem  mobilen  if)rer  eigenen  Bilbungsftufe  Dor3iel}en. 

tDas  f)eute  an  btn  freien  Derf^öltniffen  gepriefen  3U  loerben  pflegt, 
ift  ja  nun  grabe  bas  S^^I^n  einer  red)tlid)en  B  i  n  b  u  n  g  ,  if)re  barauf 
beruljenbe  „Srei^eit"  unb  „natürlidjkeit",  bei  ber  bie  innere  Un« 
roal^rl^eit,  bie  b^n  3iDangsiDei|e  burd)  bas  Hed)t  3ufammenge{d)mie' 
beten  legitimen  (E!)en  anfjafte,  feljle,  bas  „(Befütj!",  ber  ein3ige  „natür* 
Hc^e"  IDertmagftab  |e|:ueller  Be3iel}ungen,  aud)  il^re  ein3ige  Klammer 
fei.  SoQen  nun  aber  bei  foId)en  lofen  Deri}ältniffen  bas  pf)i)fifd)e, 
pft)d)ifd)e  unb  -  in  unfrer  (befellfc^aftsorbnung  -  ökonomifd^e  Ri* 
fiko  nid)t  aüein  auf  bas  ITlabd^en  fallen,  fo  fe^en  fie  fterilifierten  (be« 
fd)Ied)tsDerkef)r  ooraus^).  (Es  greifen  alfo  biejenigen  „ökonomifd^en" 
(ErtDÖgungen,  iDeId)e  man  ber  legitimen  (Ef)e  3um  Dormurf  mad)t, 
aud)  l)ier  in  bas  3nnerfte  ber  6efd)Ie^tsbe3tei}ung  ein  unb  Demid)ten 
bie  llnbefangeni}eit  ber  „reinen"  (Empfinbung.  (Brabe  bie  „Hatür- 
lic^keit'',  auf  bie  man  fidj  3U  gunften  ber  etl^ifd^en  «3"bifferen3**  ober 
aud)  bcs  pofitioen  „menfd)Hd)en"  IPertcs  „freier"  Be3iei)ungen  beruft, 
f  e  l)  1 1  ii)nen  bann ,  gan3  ebenfo  mie  irgenb  einer  AUtagsei)e.  Unb 
toenn  DoIIenbs  bas  „Deri)altnis"  mit  bem  beiberfeits  ftinfd)n)eigenben 
Dorbei)aIt  unb  Beougtfein  eingegangen  coirb,  bog  es  eine  bauernbe 
£ebensgemein)d)aft,  fei  es  in  ober  auger  ber  legalen  „(Ei)e'',  n  i  d)  t 

')  Die  fürd)tfrUd)f  IDirhung  6es  maffenf^aften  Deftfl^ens  von  Kon» 
kubinaten  auf  öte  Zaqt  6er  baraus  f)crDor9ef)(n6fn  Kinber  kennt  jeber. 
ber  in  (brogftdbten,  cdo  fie  Derbreitet  ftnö,  feine  l^ufmerhfamlteit  öarauf 
rid)tet.  (D9I  3.  B.  btn  (Lätigheitsberidit  öer  dentralftelle  für  3u9enöfür|orge 
in  Berlin  für  1905  6  S.  18.) 

ir  f  b  f  r  .  «Sbrftiiu  un^   niuttrr  -^  t 


530      (El}eftritift,  (E^efd^eiöung  u.  augere^eli^e  (Kef(^Ie^tsbe5tet)ungeiL 

bcöcutcn  Könnt  ober  joIIe,  -  bann  ift  ein  joI(^cr,  oon  bes  (Keban* 
ftens  Bläffe  ange^rönftelter  ITotbel^elf  gan3  gemig  ni^t  bie  Sotm,  in 
ber  bie  Jo  oiel  3itierte  »»grofee  £eibenfdjaft",  bie  „ftarhe  Cicbe",  fid| 
auslebt.  (Echter  unb  tiefer  £eibenf^aft  toirb  überall  ber  (Klaube  an 
fidj  felbft,  an  bie  eigne  ,, (Ewigkeit",  ber  IDille  3um  Kampf  für  i^re 
eigene  Beftänbigfteit,  eigen  fein.  3l}r  toirb  besi^alb  au^  ber  (Bebanke 
unntöglid)  fein,  fid)  {}in3ugeben  ol}ne  ben  feften  6Iauben,  bag  ber 
anbre  nid)t  nur  ein  3eittDetIiges  (fienugobjekt  begetjrt,  fonbem  einen 
DoIIen  nienfd^en,  beffen  Sd^idkfal  bauernb  mit  bem  eignen  (Eins  roer* 
ben  foll.  IPir  fjaben  l}ier  nidjt  btn  Derfu(^  3U  untemeljmcn,  ben 
^arakterologifd^en  Konfequen3en  einer  auf  biefen  (Klauben  Der3id|' 
tenben  feelif^en  (Benügfamkeit  für  eine  S'^öu,  bie  ifjrcr  fällig  i|t 
nad)3ugef)en.  3ni  Dergleidj  mit  ber  nackten  ober  oert^üOten,  rein 
köuflid)en  proftitution  freilid)  toirb  man  foId)e  (fiefc^le^tsgemeinfd^aften 
bis  auf  weiteres  -  im  Dur^fdjnitt  -  pofitio  bewerten,  roeil  fie 
immerlfin  bie  „TTIenfdjIidjkeit"  ber  Be3icfjung  ni^t,  tDie  jene,  ab» 
ftreifcn,  3uiDeiIen  mit  aufrid)tiger  Kamerabfdjaft  t)erbunben  finb.  Allein 
fd)on  an  bem  ein3igen  iljnen  3ugänglid)en  tDertmafeftab:  ber  Kraft  bes 
<Befül}Is,  gemcffcn,  befiften  fie  eben  nur  bie  (Dualität  eines  Sur« 
rogats.  Unb  roas  tl}nen  {}ier  abgel^t,  bas  erfe^en  fie  auf  ber 
anbern  Seite  nid)t,  toic  jebe  nodj  |o  Ieibenfd)aftsIo[e  ^Rdjtungs« 
el}e",  -  tocnn  jic  toirklid]  eine  foldjc  ijt  —  burd)  etljifdje  IPerte, 
roic  fie  in  bem  (Bcfüt)!  ber  Dcranttoortlidjkeit  für  einanber  unb  öie 
Kinöcr  unb  in  bem  (Entfd)Iu6  3U  bauernöer  Kamerabjdjaft  bis  ans 
(Enöc  entljalten  [inb.  tlur  too  öies  Betoufetfein  ber  Dcrantroortlid)« 
keit  mit  öer  (liefe  ber  (Empfinöung  jid)  oereinigt,  toirb  eine  ®e|d)!ed)ts= 
gemeinfd)aft  bem  ibealen  „Sinn"  einer  „(Etje"  ent[pred)en.  (Beroife  ift 
aud)  bie  (El)e  in  ber  Dergangenfjeit,  toie  toir  früljer  fafjen,  an  jebr 
niebrigen,  etl)i|d)  rein  negatioeninaöftäben  -  3.  B.  in  ber  alten  KirAc 
unb  nid)t  feiten  aud)  bei  £utl)er  als  präferoatiD  gegen  bie  na&te 
„Un3ud)t"  —  getoertet  toorben,  Hllein  biefe  religiös  ober  rationaliftücb 
bebingten  Dorjtcllungcn  befagen  nid)ts  über  btn  tDert  unjres  beu* 
tigcii  3beals.  (BetDife  fteljt  ferner  aud)  l)eute  ber  faktifc^e  [celifcbe 
(Bel)alt  3al)lrcid)er  (Et)en  ungemein  tief  unb  ift  iljr  menfcblicb 
reiner  Sinn  unenblid]  oft  er|d)üttert  unb  erftidit  burc^  bie  ö  k  0  n  o« 
m  i  f  d)  e  n  Bcbingungen  il)res  (Entftel)ens.  Unb  offenfidjtlidj  fragt 
Dor  allem  bas  Hed)t  gar  nidjt  —  kann  gar  nidjt  fragen  -,  nad) 
bem  etl)i(d)en  IDert  ber  konkreten  Be3iel)ungen,   bie  il)m  als  A^" 


A.  3ur  moöernen  (Etjefcrtttk.  531 

gelten.  IDie  oerl^ält  ftd)  aI|o  bas  „Re^t''  ber  (E^  3U  if)rem  ett)i{^en 
.3öeal-? 

Das  Rec^t  ift  in  erfter  £inie  f03tale  3nftttutton.  (Es  kann, 
leinen  ITIitteln  nadi,  nur  bas  ougere  Derf^alten  regeln  unb  nur  an 
äufieres  Derf)alten  rec^tli^e  Konfequensen  knüpfen.  Sc^on  bestjalb 
kann  ein  etl}i{d}es  3beal  niemals  „rein"  in  einer  Rec^tsorbnung, 
oeld^e  immer  es  {ei,  {i(^  ausprägen.  Dies  ferner  axidi  besf)a(b  nic^t, 
oeil  bas  Rec^t,  als  ein  Ausgleich  oon  möglichen  3ntere{TenkonfIikten, 
ja  grabe  mit  Durd)fd)nittsmenf(^en  unb  mit  ben  jeiDeils  gegebenen 
ökonomifc^en  ([atfac^en  „rechnen"  mug.  (Es  kann  fittlid^e  perfönlid)« 
keitsObeale  begünftigen  ober  i}emmen,  aber  nic^t  felbft  fie  otnoirk' 
ticken.  (Es  foll  f  0  3  i  a  I  e  Stoecke  Dertoirklid^en  treffen.  Die  ,,per{ön> 
Hd^keit"  I^at  oon  il}m  nur  5U  forbern,  ba^  es,  im  Prinsip,  nic^t  bem 
etl)ifd)en  IDoQen  bes  (Einseinen  f)emmenb  in  ben  IDeg  trete  unb  bog, 
tDO  bies  bennoc^  ber  5^11  Ht  ^^  lebiglid)  aus  (5rünben  übertDiegenber 
{03ialer  Kulturmerte  ber  5^11  fei.  Die  ^di^e",  bas  tjeigt  bie  mit  bem 
tDillen  3ur  Dauer  unb  mit  ber  Abfi^t  ber  Uebernal^me  ber  Der* 
antcDortlid^keit  für  bas  Sc^idtfal  ber  Kinber  eingegangene  (Befd^Iec^tS' 
oerbinbung  ift  3unad)ft  ein  entfd}eibenber  f  0  3  i  a  (  e  r  IDert  für  bas 
Red)t.  Hic^t  an  fubjektioe  Stimmungen,  fonbern  an  biefe  Uebemaf)me 
ber  DeranttDortlid^keit  knüpft  es  an  unb  fu(^t  fie  in  Rec^tsfö^e  um« 
3u|et)en.  Das  Red)t  mirb  babei  mit  ber  (Eatfac^e,  ba^  ftc^  nid)t  jebe 
als  „(Elje"  eingegangene  £ebensgemeinf(^aft  fällig  ertoeift,  bas  3beal 
3u  oeriDirkHc^en,  ebenfo  red)nen  muffen,  roie  mit  ber  anbern,  ba^  es 
Kinber  gibt,  bie  nid)t  berartigen  (bemeinfd^aften  entftammen.  Das 
f)inbert  aber  nid)t,  ba^,  einmal,  bas  Recht  nicht  btn  Surrogaten,  fon* 
bem  bem  fittlici)  i}öci)ften  (Ei}pus  ber  ge|d)Ieci)tlici)en  £ebensgemein' 
fc^aft,  ber  (El}e,  bie  Ba^n  3U  ebnen,  an  il}r  feine  Beftimmungen  3U 
orientieren  l}at,  unb  bog  (be|ci)Iechtsgemein|ci)aften,  bie  bokumentieren, 
bag  fte  (El^en  fein  o  0 11  e  n  ,  |pe3ififci)en  |  0  3  i  a  I  e  n  IDert  für  bie 
oom  Rcdjt,  foroeit  feine  lltittel  reicfjen,  3U  garanticrcnben  3ntereffen 
ber  aufn)aci)fenben  (Generationen  l^aben  muffen. 

IDir  befaffen  uns  l^ter  coeiterl^in  3unaci)ft  lebiglici)  mit  biefem 
f03ialen  tDert.  (Es  ift  burd)aus  rici)tig,  coenn  Don  So3iaIiften 
bie  BeiDertung  ber  (Ei}e  burci)  Staat  unb  (l>efenfci)aft  als  f^iftorifd^  unb 
ökonomifci)  bebingt  l)ingeftellt  roirb.  Diefe  ftaatlid)e  Beoertung  mug 
i}öl)er  fteigen  in  einer  (T>efenfci)aft,  bie  roie  bie  unfrige  auf  ber  pri« 
oateigentumsorbnung  unb  ber  sroeifeitigen  DenDanbtfc^afts3urec^nung 

34* 


532      (E(}eftritift,  (Et^efd^eiöung  u.  augere^elid^e  (Bef^Ied^tsbestd^nifaL 

baftert,  als  ehoa  bei  einem  Ilaturoolft,  öag  öie  Ktnöer  lebtglul^  öa 
ntutter  unö  öeren  Sippe  aufbüröet,  oöer  als  in  einer  ehoatgen  3» 
kunftsgefellf ^aft ,  öie  toeöer  öas  Prioateigentum  im  heutigen  Stai, 
no^  au^  öie  S^^i^i^  ^'^  ökonomif^e  (Ein^it  oon  CItem  unö  Ki» 
öem  kennen  tDüröe.  I}eute  garantiert  öer  Staat  in  btn  beft^enöen 
S^i^ten  öer  jüngeren  Generation  öen  Befi^,  in  öen  beft%Iofen  öie 
(Teilnahme  am  (ErtDerb  öer  alteren.  (Er  mug  öes^alb  etnbeutig  fe{l« 
geftellt  [eljen,  ©er  öie  re^tli^  oerpfli^teten  (Er3euger  eines  Ißnöcs 
{inö.  (Eine  (Befellf^aft ,  in  öer  öas  inöioiöuelle  (Erbrecht  nod^  mfy 
oöer  ni^t  me(}r  beftönöe  unö  toel^e  auf  öie  ökonomifd^e  DerontiDOTt* 
li^keit  öer  (Eltern  fiir  öie  Auf5U^t  öer  Kinöer  oer5i(J^tete,  könnte  aad^ 
auf  jene  Kenntnisnat}me  oer5i^ten.  Dagegen  f^üfe  öie  bloge  »Der' 
ge{ell{^aftung"  irgenö  toel^er  no^  {o  großen  Beftanöteile  bes  ^' 
tigen  prioaten  B  e  { i  g  e  s  allein  no^  keinen  IDanöel.  I>enn  o^ 
Rü&fi^t  auf  öie  5^^9^r  ob  unö  in  toel^em  Iltag  oererbIi(^r  Befi| 
Dort}anöen  ift,  garantiert  öer  Staat  t}eute  öen  Kinöem  öas  Re<i^t  anf 
öie  ökonomif^e  unö  perjönli^e  Sii^forge  beiöer  (Eltern,  inöem  er 
niutter  unö  Oater  oerpfli^tet,  it^ren  in  öer  C^e  geborenen  Kinöer 
aus  i(}rem  (Einkommen  Untert}alt,  augeröem  aber:  perfönlid^  Crjie* 
t}ung  5u  bieten. 

Selbft  loenn  in  3ukunft  -  tooDon  no^  öie  Reöe  |ein  roirö  — 
öie  unel)cüd)cn  Kinöer  öiejelbcn  ökonomij^en  Rnfprüdje  9^ 
genübcr  jeöcm  cin3elncn  oon  bciöcn  (Eltcrnteilen  getDönnen,  roic  Re 
l)eute  öen  el)elid)en  3uftel)en,  müfete  öer  Staat  öesl)alb  öodj  öie  Doli« 
(El)e,  ö.  l).  l)ier :  öie ,  eine  öauernöe  n)irtjd)afts«  unö  Ecbensgemeim 
jd)aft  geu)äl)rleijtenöe,  (&efd)led)tsDerbinöung,  als  {o5iaIe  3»^|titution 
allen  anören  (&ejd)led)tsDerbinöungen  Dor3iel)en,  toeil  nur  öas  rccbt« 
li^  garantierte  per|önlid)e  Sujammentoirken  öes  TTtannes  mit 
öer  5^öu  eine  gerciffe  Sid)erl)eit  öafür  bietet,  öafe  audj  öer  Dater 
(eine  Daterpflid)ten  bei  öer  p  e  r  |  ö  n  I  i  d)  e  n  (Er3ieljung  faktifc^  er« 
füUt. 

f)eute  befte{}t  nun,  jenem  3ntereffe  öes  Staates  gcmäfe,  eine  b^ 
ftimmt  georönete,  ökonomiJd)e  unö  perjönli^e  Deranttoortli^keit  5mi» 
jd)en  (Eljegatten,  (Eltern  unö  Kinöem  in  öer  (El)c  nidjt  nur  als  fitt» 
lid)es  po|tulat,  fonöern  als  Red)tsregel.  IDann  eine  »(Elje*  als  b^ 
ftcljenö  an3u(el)en  ijt,  l}at  öer  Staat  red)tlid)  normiert.  (Ebenjo  l^at  tx 
öen  5öll  geregelt,  öa^  (bejd}led)tsbe3iel)ungen  ol)ne  öen  Re^tsdjarakter 
öer  (El)e  beftel}en,   unö    öa^  fie  öie  (Beburt  eines  Kinöes  3ur  S<>H^ 


A.  3uT  ntoöernen  (Et^eftritift.  533 

l)abcn.  3cbc  ^ncuc  (Etljili'',  bdcI^c  6as  bcftcljcnöc  Re^t  beftömpft, 
kann  keinen  anören  Sinn  traben  als  öie  5öröerung:  ba%  neues,  an- 
öres  Re^t  gef^affen  meröen  |olIe,  ipel^es  an  öie  Stelle  5es  geltenöen 
a  n  ö  r  e  Regeln  jefte,  -  nidjt  aber:  öa^  öie  (!)ejd?Ied?tsbe3iel)ungen  unö 
il)ren  Solgen  |o3u|agen  in  einen  „re^tsleeren  Raum"  fallen  Jollen.  (Einen 
|old)e  gibt  es,  oom  Stanöpunht  öer  uns  Ijier  be|djäftigenöen  re^t- 
lid)en  BetTad)tung,  nid)t:  loer  geltenöes  Red)t  änöern  tDtll,  öer  miü 
öag  öas  Re^t  etmas  befel)le,  mas  es  bisl)er  oerboten  oöer  nur  er- 
laubt l}at,  oöer  öag  es  oerbiete,  mas  es  bist}er  erlaubt  oöer  fogar  be* 
fol)len,  oöer  öag  es  erlaube,  toas  es  bisl^er  öireftt  befof^len  oöer  um- 
gehel}rt  Derboten  f^at.  IDas  beöeutet  es  nun  al(o,  roenn  oiele  Re- 
formetljiher,  öie  3tDar  öen  abfoluten  fittlidjen  IDert  öer  monogamen, 
öauernöen  (Et}e  anerkennen,  öie  jeöod)  nid^t  öen  ITIut  traben,  öie  £aft 
öiefer  Horm  allen  auf3uerlegen,  l)foröern,  öafe  Rci?  öie  gc|ell|d)aftlid)e 
unö  ftaatlid)e  Bemertung  einer  (i)efd)led)tsDerbinöung  loslöfe  Don  öer 
Srage,  ob  im  (Ein3elfall  irgenötoeld^e  oorgef^riebenen  (Ef^efd^liegungs- 
Sormalitöten  beoba^tet  ftnö  oöer  ntd)t'),  unö  2)  pofitio  gemenöet: 
öie  offi3ielle  flnerhennung  unö  gefe^li^e  Regulierung  einer  „freien 
(Elje"  oöer  öes  „freien  t)erl)ältni(|es"  oerlangen? 

(Es  roirö  öabei  meift  folgenöermagen  argumentiert:  3ft  es  nid^t  eine 
ftonoentionelle  £üge,  öag  öas  öffentli^e  BetDugt(ein  öen  (i)e(d)led)tsDer< 
hel)r  nur  bann  unö  immer  bann  [ittli^  unö  {o3ial  fanfttioniert,  roenn 
fid?  öie  paare  oorljcr  3um  Stanöesbeamten  begeben  Ijaben  ?  laufet 
nid)t  geraöe  jene  BeiDertung  an  einem  rein  öugerli^en  ITIerhmal  öas 
öffentlid^e  Semiffen  über  öen  fittlid^en  (Eiefftanö  (o  oieler  „legitimer" 
<Ef)en  unö  l)äuft  {ie  nid)t  auf  3af)lreid)e  „illegitime"  ungered)te  Der- 
ad)tung  ? 

Darauf  i|t  3U  ermiöem,  öag  {elbftDerftönölid^  öie  honoentionelle 
Oorftellung  grünöUd)  übertDunöen  meröen  mug,  als  könnte  öie  hird^- 
lid)e  (Erauung  oöer  öie  ftanöesamtlid^e  Befd^einigung  eine  (Ke(d)led)ts- 
Dcrbinöung   an    unö   für   fid^   fittlid^   aöeln.    Oielmef^r  ift 

>)  (Ellen  Kei)  will  3.  B.  öen  etf)tfd)en  IDert  einer  (h(fd}I(d)t$Derbinöun9 
an  tf)rem  proöukt  -  nämltd)  öem  Dttaliftifd^en  IDert  öer  nad}liommen{d)aft 
abge{d)Q^t  miffen  !  Dag  fie  {td)  öamtt,  (tf)i{d)  betrad^tet.  auf  öen  Stanöpunkt 
öes  dicrjüd^ters  ftellt,  ift  if)r  offenbar  ntd^t  klar.  Dag  öer  €in3e(ne  {td} 
öafür  DeranttDortlid)  3U  füf}Ien  f}at,  ob  er  t>orausftd)tIid)  be* 
laftete  Kinöer  in  öie  IDelt  fe^cn  müröe,  ift  felbftuerftänMid).  Die  6unkle  Der* 
ftellung  aber,  6ag  öer  „grogen  Ctebe"  aud)  „ftarke"  nienfd}en  als  Kinöer 
entfpringen,  ift  natürlid)  nipfttk 


534     (Et}ekntik,  (Et}e{^eibung  u.  augeret}eU^e  (Befc^Iec^tsbesie^ungei. 

immer  öeutli^er  ins  BetDugtfein  5U  t}eben,  öag  öies  ein5i9  unb  olldi 
öicjcnigcn  (Bcfüljlsmomcntc  ocrmögcn,  bic  mix  als  £tebe,  unb  ^ 
jenige  IDillensri^tung,  6ie  mix  als  pfü^tbemugte  DeranttDortlid^lieit 
für  öie  Kon|cqucn3en  3U  bc3ci^ncn  pflegen.  Daft  öeren  Dor^anöci' 
fein  keinestDegs  öurd)  bie  bloge  Beoba^tung  kir^Iic^  ober  |taatü(^ 
Dorgej^riebener  5ormaIitäten  garantiert  ijt,  oerftcljt  fic^  oon  [elbft 
£eiber  beseugt  ja  bie  (Erfal)rung,  bag  ein  groger,  Dtelleic^t  ^eute  öer 
übermiegenbe  Bru^teil  legitim  l)ert}eirateter  fic^  of^ne  jene  feeltfc^ 
Be5iet}ung  5u{ammengefunben  t}aben,  ja,  bag  \idi  oiele  öurc^  ITtotioe 
in  bie  (Et}e  oerkuppeln  laffen,  bie  meit  oerä^tlid^er  finö,  als  bos 
blofte  pl|i}fi|^e  Bebürfnis  unb  bie  fittli^,  rein  objefttto  betrachtet  ^^ 
im  minbeften  über  ben  IllotiDen  ber  Proftitution  {te^en,  o^ne  bod}  bk 
(Ent{d)ulbigung  ökonomif^er  Ilot  ober  er5iel)eri{^er  Denoa^rlofung  ti 
Rnfpru^  nel)men  5U  bürfen.  S^on  ein  Blidi  in  bie  {jetratsannonceR 
unjrer  l[ages3eitungen^)  belel|rt  uns  ja  barüber. 

niemanb  kann  alfo  5tx)eifeln,  bag  ft^  unter  5er  51^99^  ^ 
legitimen  <Et}e,  bie  ben  S^ein  bürgerli^er  lDot}Ianftanöigkeit  über  bie 
Beteiligten  breitet  unb  iljnen  il)re  Pojition  in  ber  (Befellfc^oft  fiebert, 
ein  mag  Don  Unlauterkeit  oerbirgt,  bem  gegenüber  augere^Iic^ 
„5Icifc[)es|ünben"  für  bie  Beurteilung  ber  ©ejamtperjönlic^fteit  unenb- 
lid)  „menjd)Ii^"  unb  gleid)gültig  crfd)einen.  (Eine  „Derjorgungs^Iber" 
ge|d)loffcne  (El)e  ijt  für  u  n  J  e  r  BetDufetjein  pttlid)  basjelbe  roie  ein 
3ur  Dcrjorgung  eingegangenes  inaitrcfjenr>erl)ältnis,  -  baran  änbert 
ber  Stempel  bes  Stanbesamtes  nid)ts. 

Hnbrerjeits  können  jeIb|tDer(tänbIid)  bei  formal  aufeeretjelid^ 
Derbinbungen  jene  (&efül)ls»  unb  IDillensmomente,  bie  ben  (5ef(^Icd)ts» 
be3iel)ungen  Hbel  üerleiljen,  in  l)öd)Jtem  nTage  oortjanbcn  fein.  Demi 
es  l^ann,  roie  früt}er  erörtert,  ol)ne  allen  3u)eifel  (5rünbe  geben,  roelAe 
grabe  bei  l)öd)ftentu)idielter  fittlid)er  Huffaffung,  ^wti  in  einem  etbifcb 
in  jeber  f)infid)t  als  (El)e  3U  betrad)tenben  Derljältnis  ftebcnbe 
ITlenfdien  fittlid)  bered)tigen,  ja  (fubjektio)  oerpfli^ten,  iljren  Be« 
3iel)ungen  ben  amtlidjen  Stempel  n  i  d)  t  3U  geben.  (Db  bies  ber  Sali, 
l)ängt  in  erfter  £inic  oon  ber  (Beftaltung  bes  (El)ered)ts  ab.  Un5 
es  ift  besl}alb  in  ber  (Tat  3U  Derlangen :  (Einmal,  ba^  mit  bem,  roie 
roir  fal)en,  burd)  kir(f)lid}e  (Einflüffe  l)iftorifd)  gefd)affenen  unb  burcb 
eine  Kette  egoiftifdjer  (Erroägungcn  geroiffer  bürgerlid)er  Sdjidjten  auf= 
red)t  erljaltenen  3uftanb,    ba^  ber  Staat  iwax  mit   ber  geu)erbsmä' 

')  SoId}c  fcl}Icn  übrigens  jd)on  jc^t  auö)  für  „freie  (Eljen"  n  i  (^  t. 


A.  3ur  moöemen  (Ef)efiTttifi.  535 

gigen  proftitution  paktiert,  monogame  gefd^Ied^tlid^e  Bestellungen 
aber,  (obalö  fle  nid)t  ftanöesamtlid)  abgeftempelt  finö,  auffpürt  un5 
6er  öffentli^en  Oera^tung  preisgibt,  gebrod^en  wirb.  Denn,  3um 
mtnöeften  öem  Dur^f^nttt  na^,  tft  jeöes  monogame  Derl)ä(tnts,  |elb{t 
öas  ni^t  mit  öer  Abfid^t  öer  unbegren3ten  Dauer  eingegangene,  an« 
enöli^  oiel  men|^Iid)er,  unö  öas  ^etgt:  ett)t{d)  toeniger  oertDerflic^ 
unö  Derrot}enö,  als  öte  höuflid^e,  oor  allem  5ie  kafemierte,  Profti- 
tution. Unö  öie  Derfolgung  befeitigt  überöies  nic^t  ettoa  öen  illegi- 
timen (i)e{d)(e^tsDerhe(}r,  (onöern  leöiglid)  öas  ^öuslid^e  Sufammen« 
leben  öer  Konhubinanten ,  al(o  ein  (Element,  veld^es  geeignet  ift,  öer 
na&ten  Befrieöigung  gefd)led)tli^er  Ilotöurft  ein  gemiffes  Soliöari- 
tätsbetDugtiein  bei3uge{enen. 

Die  Rei^sgefe^gebung  ftellt  iwax  l^eute  öerartige  freie  Derl^ält- 
ntffe  ni^t  öireht  unter  Strafe.  Allein  öer  Kuppeleiparagrapl^  ($  180) 
öes  Reid)sftrafgefe^es  kann  oon  öer  Poli3ei  Öa3u  benugt  meröen, 
graöe  aud)  monogame  augerel)eltd)e  (5efd)led)tsDerbinöungen  3u  d)ifia- 
nieren.  Denn  jeöer  Vermieter,  öer  fold^en  paaren  tDiffentlid)  Unter- 
kunft bietet,  kann  it)m  oerfallen,  gan3  ebenfo,  roie  (Eltern  it^m  oer- 
fallen  finö,  meldte  in  il^rem  f}aufe  öie  in  bäuerlid^en  Kreifen  übliche 
„Anti3ipatton''  öer  (Et)e  nid)t  get^inöert  traben.  Retd)sgefef(lid)  ift  alfo 
öie  nid)t  ftanöesamtlid)  legalifierte  l}äuslid)'ge|d)led)tlid)e  (l)emeinfd}aft 
ein  nionopol  öcrjenigen,  öie  ein  eignes  f}aus  befi|(en. 

Augeröem  aber  t^ält  eine  Reit^e  -  oortDiegenö  lüööeutfd^er  - 
Staaten,  an  jenen  befonöeren,  fd^on  früt^er  S.  317  erroöl^nten,  lanöes- 
ge|e^lid)en  Beftimmungen  fcft,  nad)  öencn  unehelid)es  3ufammenleben 
beftraft  roeröen  kann,  falls  es  «öffcntlid^es  Aergemis"  erregt.  Rlan 
roeifj  aber,  roas  nad)  öer  t^eutigen  prarts  öas  «flergernis"  eines  oer» 
ftimmten  Portiers  oöer  einer  klati^ftid)ttgen  Uadibarin  beöeutet.  - 
Serner  i|t  in  öen  mciften  anöeren  öeut|d)en  Bunöesftaaten.  öie  öer« 
artige  lanöesred)tlid)e  Sonöergeiet^e  nid)t  kennen,  öod)  öer  Poli3ei  öie 
Dollmac^t  gegeben,  |old)e  Dert)öltni"e  auf3ul)eben.  Rad)  einer  (Ent- 
fd)eiöung  öes  preugt)d)en  OberuertDaltungsgerid^ts  Dom  3abre  1^4 
l^at  öie  polijei  fogar  öie  Befugnis,  jeöes  nid)t  get^eim  gehaltene 
Konkubinat  auseinanöer  3u  treiben,  als  eine  111  ö  g  li  d)  k  e  i  t  3ur 
Derle^ung  öer  öffentlid^en  Orönung,  -  9an3  gleid).  ob  es  im  (Ein3el- 
fall  tat}äd)lid)  öffentlid^en  Bnjtog  erregt  l^at  oöer  nid)t'). 

')  €.  5^^^^  Konkubinat  unö  poIi3et.  Beilage  öer  ^S^auenbcvegun^" 
Ur.  17  (IW4). 


536     (El^ekritift,  (Et}e{^eibung  u.  augere^eU^e  (Bef^Ied^tsbesieftungert. 

Diefer  Re^ts5u{tanb  tDäre  nun  aber  offenbar  fittlic^  f^on  an 
{i^  nur  öann  ertröglt^,  unö  (in  5er  (Ct^eorie  loenigftens)  unfc^ö* 
ü^,  tDenn  öer  Staat  gleid)5eitig  öie  Proftitution  mit  5^uer  unö  S^mert, 
na^  Art  bes  puritanismus,  ausrotten  unö  al^nben  mürbe.  Un5  smar 
natürli^  ni^t  in  erfter  £inie  an  btn  unter  bem  Zmanq  ber  Hot 
jteljenben  projtituierten,  [onbem  an  b^n  projtituierenben,  btn  ntönnem. 
Bei  bem  l)eutigen  Re^ts3u[tanb  aber,  ber  ein  Paktieren  mit  ber  roljjten 
unb  {^eugli^ften  5^^^  ^^^  (Bef^Ie^tsoerftet^rs  einfd^Iiegt,  i(t  jenes 
Oerl^alten  ber  Staatsgetoalt  gegenüber  bem  Konkubinat  fittlid)  fd)Ie(^t> 
t}in  oertDerflt^.  (Es  kann  au^  nid}t  bur^  bie  beliebte  (ErtDÖgung 
gered)tfertigt  ©erben,  bafe  für  bie  Dignität  ber  legalen  (Elje  grabe 
bie  Dulbung  {ol^er  5^1^^"  ^^^  (Bef^Ie^tsgemeinfd^aft,  n>el(j^e  ftc^ 
il)r  ~  bur^  btn  ttatbeftanb  ber  l|äusli^en  (Bemeinfc^aft  -  am 
meijten  annäl|ern,  bie  gefä^rli^jten  feien.  IDas  ^ier  ber  IDürbe  ber 
(Et}e  als  3n{titut  angeblid)  geiDonnen  toerben  foH,  bas  n>irb  auf  ber 
anbren  Seite  bur^  bie  (Erleidjterung  ber  projtitution  u>ieber  oer« 
loren.  Unb  ber  IDert  ber  toenigen  legalen  (Eljef^Iieftungen,  welche 
ber  Staat  bur^  Oerfolgung  ber  Konkubinate  etroa  erstoingt,  bürfte 
tDal)rIi^  ni^t  t}o^  an5u{^Iagen  {ein.  ~ 

(Es  iDirb  aljo  mit  oollem  Redjt  geforbert,  ba%  ber  Staat  feine 
Ijanb  toeber  1)  3ur  (Erleid)terung  ber  Proftitution  no^  2)  3ur  Un* 
terbrücfeung  öer  Konkubinate  leil)e.  Drittens  unb  cor  allem  er» 
f^cint  es  -  (olange  öie  prioatoerantiDortlidjkeit  3ix)ifd)en  (Eltern 
unö  Kinöern  befteljt  -  3ugleid)  als  moralif^e  unö  fo3ialpoli^ 
tifd)e  Pflid)t  öes  Staates,  öie  £ebensbeöingungen  unö  öie  f03iale 
£age  öer  aus  öen  au6ercl)elid)en  öerbinöungen  entftei}enöen  Kinöer 
fo  günftig  loie  nur  irgenö  möglid)  3u  geftalten.  Dem,  im  Hedjtspnn, 
„au^ereljelidien"  Dater  gan3  generell  neue  He^te  3U  geioäljren, 
roie  gelegentUd)  beanfprud)t  rooröen  ift,  liegt  keinerlei  Deranlaffung 
Dor:  er  l^ann  fie  ja  öurd)  DoIl3iel)ung  öer  (Elje  erlangen.  (Es  kann 
fid)  nur  um  öie  Derfd)ärfung  feiner  p  f  l  i  ^  t  e  n  Ijanöeln.  IDir  er» 
örtern  öie[eu  Punkt  loeiter  unten  näljer  im  flnfdjlufe  an  öie  Kritik 
öes  in  Deutfd)lanö  befteljenöcn  Red)ts. 

lieber  öiefe  5oröerungen  Ijinaus  aber,  loie  es  oiele  Dertrcter 
einer  „neuen  (Etl)ik"  tDün(d)en,  öen  aufeereljeli^en  (Befdjledjtsbe3ie^ 
Ijungen  -  aud)  rocnn  fie  n  i  d)  t  aus  einem  prin3ipienen,  religiös  ober 
ettjifd)  motioiertcn  proteft  gegen  beftimmte  ITlängel  öes  (Eljerccbts 
eingegangen  rooröcn  finö  -   eine  Hrt  offi3ieUe  „gefellfdiaf titele  flner^ 


A.  3ur  moöcrncn  (E^ef^rttth.  537 

kennung"  oöer  gar  ge(e^Itd)e  „(Bleid^ioertung''  mit  5er  (Et)e  5u  (Eeil  tDer* 
öen  5U  laffen,  erf^etnt  nt^t  nur  ett)i|^  beöenhitd),  fonöem  innerl^alb 
jeöer  (Be|eHfd)aftsorbnung,  toel^e  öte  per{önlid)e  Derantroortlid^heit 
3KDi[d^en  (Eltern  unö  Kinöern  Dorausfe^t,  rein  te^nt|d)>iurifti{d) 
ni^t  honfequent  6ur^fäl)rbar  unö  u  n  m  ö  g  li  d).  Denn,  um  mit 
öen  etl)i(^en  (Erroägungen  3U  beginnen,  -  toenn  audj,  roie  fdjon 
oben  honftotiert,  6ie  förmlid^e  (El}efd)Iiegung  an  fi^  5urd)aus  kein  Kri* 
terium  öafür  bietet,  öag  5ie  Beteiligten  it}ren  Bunö  in  5er  ett)i(d} 
rid)tigen  inneren  (Befinnung  fd)Hegen,  menn  aud^  bas  (E^eleben  Sat^I* 
lofer  in  öer  legalen  (Ef)e  öem  (Et^e  i  5  e  a  I  roiöeriprid^t  unö  man^e , 
Diellei^t  3at)Ireid)e  inbioibuelle  S^iHe  l)öd)(ttDertiger  „OEt^en" 
au^ertjalb  aller  5ormen  unö  ffiejefte  ejiftieren  mögen:  (BetDiffe  nio« 
mente  bleiben  öo^  immer  übrig,  öie  iljre  generelle  fojiale  IDert- 
jd)ä^ung  gegenüber  öer  generellen  Bemertung  „formloler",  ö.  !). 
Ijier:  nidjt  als  „(Elje"  erkennbarer  (&efd)led)tsbe3iel)ungen  re^t- 
fertigt.  Der  (E(}e|d)lug  entl}ält  öie  öffentlid^e  unö  red)tlid)  binöenöe  (Erklö* 
rung,  öag  öie  einanöer  Begef)renöen  öie  Abfid)t  traben,  fid^  3U  öauern- 
öer  £ebensgemein|d^aft  3ujammen3uid)liegen,  ba]]  fte  coillens finö,  gemiffe 
Pflid)ten  öauernö  gegeneinanöer  unö,  -  was  für  Staat  unö  jeöe  irgenö- 
iDie  auf  öem  Boöen  öer  elterlidjen  DerantiDortlid)keit  fteljenöe  ffiejell- 
id)aft  öas  (Entfd)eiöenöe  ift,  -  gegen  if)re  Hinöer  3U  erfüllen,  kur3 
alle  aus  öer  6e{d^led)tsDerbinöung  ertoa^lenöen  per|önlid^en  Der* 
pflid)tungen  3U  tragen,  aud)  toenn  \\c  nod)  {0  unbequem  roeröen.  Dies 
ift  3unäd)ft  ja  ein  rein  formales  lUoment.  Allein  es  öokumentiert 
öie  Bereitioilligkeit  öer  (i)atten  3ur  Unterorönung  if)res  inöioiöuellen 
(i)lüd{Derlangens  im  roeiteften  Sinne  unter  öie  äußeren  Kon|equen3en 
öer  norm  unö  öies  ift  es,  coas  öer  legalen  (Ef)e  eine  für  alle  aud) 
öen  Staat  -  erkennbare  SroeAbeftimmung  aufprägt.  Unö  Ijier 
fo  menig,  wie  auf  einem  anören  (Bebiet,  kann  öieje  (Erkennbar- 
keit für  öas  Redjt,  iDeld)es,  jeinem  IDejen  nadj,  in  jeöer  öenkbaren 
(i)e|ell|d)aftsorönung  öugerlid}en  df^arakters  ift,  jemals  gleid^gültig 
roeröen.  Befi^t  aud)  öie  Jorm  an  pd)  keinerlei  konftitutio-Derrttt- 
lidjenöe  (btwalt,  fo  jetjt  [xt  öod)  eine,  für  öie  Beteiligten  füljlbare  unö 
für  Dritte  erkennbare,  Sd)ranke  gegen  öen  flnfturm  öer  Der- 
änöerungsluft,  unö  öes  natürlid)en  (Egoismus.  5"^  ^i^  fittlidj  freien, 
feelifd)  ooll  entroiAelten  Pcrfönlid)keiten  aber,  öie  öas  unter  ttaulen- 
öen  nur  (Ein3elnen  be{d)ieöene  (Blüdi  f)aben,  fid)  öurd)  |o  unlöslid)f 
jeeli}d)'finnlid)e  Banöe  oerknüpft  3U  miffen,  öag  für  [\e  öas  (l)efüf)I 


538      (Et}eftrttik,  (E^ef^eibung  u.  augerefielt^e  6e{^Ie^tsbe5tef)un9en. 

öer  Pflid)t  gan5  in  bem  6efül)I  ber  £tebe  Der{^n)tnbet,  kann  grabe 
bie  fcicrli^  binbcnbc  5orm,  bic  materiell  für  fte  entbe^rli^  ift,  bas 
aböquate  Si}mboI  it}res  (Blaubens  an  bie  5eitIofe  (Gültigkeit  i^rer  (Em* 
pfinbungen  {ein,  bie  gegenfeitige  Beftätigung  bafür,  bag  fte  beibe  i^r 
6emein{^aftsleben  als  S  e  I  b  f  1 5  u)  e  & ,  b.  ^.  5ugletc^  als  ^ö^ftes 
perfönli^es  6Iüdt  unb  als  fittli^e  Aufgabe  betrauten. 

6rabe  babur^  untertreiben  \iä)  nun  bie  „freien"  Derbinbungen 
von  ber  (El|e,  ba%  iljnen  joroo^l  einstigeres,  für  Dritte  erkennbares, 
nterkmal  it}res  ett^if^en  (Bel)alts,  toie  au^  jebe  öugere  Ijanb^abe  3ur 
Abf^ö^ung  it}rer  {05ialen  Bebeutung  mangelt.  Die  für  bie  rec^t* 
li^e  ober  „konoentionelle"  Bel)anblung  ber  freien  Derbinbungen  ent« 
jdjeibenbe  Sicöge  ijt  bal)er  3unäd)ft  bie:  ob  für  jene  „freien  (E^en*,  beren 
„Anerkennung"  geforbert  toirb,  ein  äufeerlid)  erkennbares  ITterkmal 
it}rer  (Eigenf ^aft  als  {ol^ e  5U  finben  ift,  unb  eoentuell :  toeld^es  ?  Denn 
unter  i^ren  Begriff  ober  ben  bes  „freien  Derl|ältniffes"  fällt  ja  nid^t 
nur  eine  um  äußerer  S^iDterigkeiten  toillen  ni^t  3ur  DoII«(E^e  gelangte, 
im  übrigen  aber  beren  jittli^en  (5et}alt  befi^enbe,  Derbinbung,  ober  eine 
{ol^e,  bie  auf  Cegalilierung"  Der5irtet,  toeil  bie  Beteiligten  bas  gel* 
tenbe  (Et}ered)t  aus  ett}ijd)en  (Brünben  ni^t  annehmen  toollen.  (Er  um* 
fagt  aud)  btn  (Befdjle^tsgenug  toeniger  flü^tiger  Stunben,  ober  bie 
für  einen  5^^i^"öufcntl)alt  an  einem  fremben  Ort  ober  für  bie 
Dauer  einer  Reife  beftimmte  Dcrbinbung,  enblid)  auc^  jebes,  jittlidb 
ber  projtitution  gleid}3uad)tenbe,  monogame  ITIaitreffen»Derljältnis.  So« 
fern  nur  bic  S^Qu  nid)t  in  äu^crlid)  3U)eifelIos  fejtjtellbarer  Art  eine 
(Erroerbsquelle  baraus  madjt,  ijt  ein  Unterfd)eibungsmerkmal  nicbt 
gegeben.  Die  Skala  bes  inneren  (Bel)alts  ber  (Befried)tsbe3iefjungen 
roeijt  Don  ber  proftitution  bis  3ur  ibcalften  „(betDiffensetje"  eine 
lückenlofe  Stufenfolge  oon  Huanccn  auf. 

IDoran  joU  btnn  nun  bie  öffentlidje  ITIeinung,  beren  Reform 
erjtrebt  roirb,  ober  iDoran  foU  -  roas  uns  {}ier  intereffiert  —  ber  Staat 
bie  D  e  r  J  d}  i  e  b  e  n  l)  e  i  t  bes  inneren  IDefens  bicjer  Be3iebungfn 
erkennen  unb  bemgemäfe  i^xen  fo3iaIcn  lOert  abjdjä^en?  Dafe  aber  jie 
alle  miteinanber  eine  ber  (El)c  annäljernb  gleid]e  Anerkennung  als 
„gejeUfd)aftlid}e  3"ftitution"  finben,  roirb  jebenfalls  berjenige  nid|t 
oerlangen  können,  ber  oom  Boben  irgenb  einer  „(Etl)ik"  aus  reifet« 
lid)c  Heuregelung  unb  gefen(d}aftlid)e  Umtoertung  ber  Arten  ber  (bt* 
(d)led}tsbe3iel}ungen  üerlangt.  Dom  iuriftijd)»ted]nijdjen  Stanbpunkt 
aus  ift  nid]t  red)t  aus3ubenken,   roie  eigcntlid)  bie  „ftrenge  gefe^licbe 


A.  3ur  moöemen  (Ef)fkrit{h.  539 

Regelung",  rote  pe  «We  mafeDoUen  Derfed^ter"  öer  „freien"  (El^e  nad) 
it^rer  Bel^auptuug  oerlangen,  o^ne  ein  unstoeiöeutiges  IHerhrnal,  6ag 
eine  {oId)e  im  (EinselfaH  oorliege,  mögli^  {ein  foHte.  mit  6em  (Er* 
fag  öes  Stanöesamts  öurd)  öen  prioatDertrag  ift  es  \a  natürlid) 
ni^t  getan.  IDie  mir  fallen,  iDuröen  au^  im  ITIittelaUer  in  Red)ts« 
gebieten,  too  man  toeöer  bas  Stanöesamt  nod)  öie  hird)(id}e  (Erauung 
konnte,  (onöern  mo,  btx  kanoni{d)en  (El^eorie'gemag,  öer  na&te  „Hon* 
fens"  öer  (Batten,  aljo  öem  IDejen  nad)  eine  innere  lDiaensbe3ief)ung, 
öarüber  entjdjieö,  ob  eine  „OE^e"  gefd^Ioffen  ©or,  öennod)  fold^e  (Bt- 
|d}Ied)tsDerbinöungen,  öie  als  (Ef)e  gelten  toollten,  regelmäßig  oud)  äuger« 
lid)  öurd)  irgenöiDelc^e  5orma(itäten  oöer  Zeremonien  als  fold^e  öeut- 
li^  henntli^  gemalt  unö  oon  nidjt-efjelidjen  Derbinöungen  unter- 
fdjieöen.  IDo  immer  öie  Beobadjtung  öerartiger,  innerljalb  eines 
Dolhes  übli^er,  Sormalitäten  beim  (Eingefjen  einer  (6efd)Ied)tsoerbin- 
öung  untedaffen  mar,  galt  öie{e  eben  nid^t  als  (Ef)e.  Unö  too,  - 
tDte  öies  im  römi{d)en  Red)t  unö  im  engIifd)>id)ottifd}en  Red)tsgebiet 
offijiell  öer  Soll  roar,  -  jeöe  äußere  5orm  als  prin3ipiel(  unroefent- 
lid)  bef}anöelt  tDuröe,  öa  mugte  eben  öer.  ^.Konfens"  öer  (Botten  öod) 
ous  äußeren  Umftänöen,  meldte  öie  Abfid)t,  eine  (El^e  ein3ugef}en,  un- 
3KDeiöeutig  erkennen  ließen,  feltftellbar  (ein,  roiörigenfalls  öie  Red^ts* 
folgen  einer  joldjen  ni^t  eintraten.  Das  „formale"  Kriterium  mar 
öann  eben  jene  aus  öußem  Symptomen  erkennbare  A  b  f  i  d)  t  öer 
ftd)  gefd^led)tltd)  Oereinigenöen. 

Sollen  alfo  oon  (Befe^esmegen  i  r  g  e  n  ö  meldte  Konfequen3en 
an  öie  (Eingebung  einer  „freien  (El^e"  geknüpft  meröen,  meldte  öie 
Be3iel)ungen  öer  fie  (Einget^enöen  3U  einanöer  oöer  3U  il^ren  Hinöem 
Don  irgenö  meld^em  gelegentltd^en  oöer  aud)  kauflid)en  (l)e|ci>(ed)tSDer> 
kel^r  unter{^eiöen,  öann  braud)t  öas  Red)t  eben  ein  f 0 r* 
m  a  1  e  s  Kriterium.  Sonft  müröen  ,  öa  öer  rein  inncrlid)e  (Bel^alt 
öes  konkreten  Derböltniffes  keines  bietet,  öie  fittlid)  unö  io3iaI  Der« 
fd^ieöenivertigften  Be3ief)ungen  red^tlid^  gleid^gemertet  meröen.  Pann 
aber  müröe,  öa  ihnen  allen  nur  öer  (Bejd^Icd^tsDcrkef^r  unö  {eine  mög« 
lidjen  5ol9^"  gemein{am  \\nb,  aud)  nur  öie  weiteri^in  3U  erörternöen 
flnfprüdie  öer  unel)clid}en  lUutter  unö  öes  unet^elid^en  Ktnöes  (Begen* 
\ianb  red)tlid)er  Ileuregelung  {ein  können. 

Sollten  Staat  unö  (Be{en{cbaft  alio  neben  öer  „legitimen"  dlft 
nod)  eine  Art  „freie  4lje*'  oöer  ein  ..freies  Derijältnis"  {d)üf(en  unö 
anerkennen,  im  Unter(d)ieö    oon  öem   meöer  öer  legitimen   nod) 


540      (Ef^ekritilt,  (Et}e{^etbung  u.  augeret}eli^e  (Bef^Ie^tsbesie^ungen. 

öer  freien  (El|eform  3U3ured)nen6en  ©ef^Ie^tsDerfee^r,  bann  müfete 
offenbar  ein  neues  formales  ITterftmal  gefunöen  toeröen,  ©as  bieje 
Oerbinbungen  oon  Promiskuität  unb  proftitution  unterfd^tebe.  Dies 
könnte  3.  B.  ettoa  in  einer,  in  bejonberer  5orm  erlaffenen,  öffentlichen 
fln3eige  ober  in  einer  anberen  un3tDeibeutig  erkennbaren  5onn  ber 
(Eingebung  bes  Oert^öltniffes  gefunben  toerben,  ober  ettoa  —  toas  freiü^ 
fidierli^  auf  ben  IDiber[pru^  ber  „Reformer"  jtofeeniDürbe  —  in  berBe» 
grünbung  einer  gemeinsamen  f}aus^altung,  aI{o  in  einem  eoentuell  nö^er 
3U  pra5ifierenben  ökonomifd^en  lUerkmal.  IDürben  aisbann  an  folc^ 
([atbeftönbe  befonbere  Re^tstoirkungen,  oor  allem  be3üglic^  ber  Kinber, 
generell  gefe^Iid)  geknüpft,  unb  3tDar  anbere,  als  an  bie  DoDe^, 
bann  l)ätten  roir  eben  einfadj  eine  „legitime"  (El|e  3tDeiten  Ranges 
ober  einen  „legitimen"  Konkubinat  neben  ber  „legitimen"  (E^e  erften 
Ranges,  etma  bem  Der^ältnis  3tDi{^en  ber  römif^en  freien  (Ef^e  unb 
bem  römif^en  Konkubinat  entjpre^enb.  (Es  mug  nun  als  burd^aus 
untx)al)rf^einli^  gelten,  bog  \xä)  in  irgenb  abfel)barer  Sukunft  bie 
Re^tsorbnung  ba3U  Der{tet}en  tDÜrbe  3n)et  inl^altli^  oerfd^iebene 
(El}e{i)fteme  neben  einanber  3U  [Raffen.  IDürbe  aber  eiiDO  ein 
„legitimer"  Konkubinat  nad)  Art  bes  römif^en  3nftituts  gleid^en 
Hamens  gef^affen,  jo  tDöre  nad)  allen  gef^i^tlid^en  (Erfaf)rungen 
bie  fo3iale  $d}ä^ung  ber  Konkubine  bamit  in  keiner  IDeiJe  g^ 
ix)ä{}rleiftet.  3m  ©egenteil:  toenn,  -  toie  bo^  u)ol|I  bie  Abfid)!  [ein 
mü^te,  -  ber  „legitime"  Konkubinat  btn  beiben  Konkubinanten 
geringere  Pflid)ten  auferlegt  als  bie  t)olIel)e,  fo  roürbe  er,  in  einer 
(5ejelljd)aft  mit  biffercn3iertem  Befi^,  3tDeifelIos  bejonbers  ba  eing^ 
gangen  rocrben,  roo  bie  Dcrbinbung  aus  „Stanbes"«(Brünben  nid)t  3ur 
DoUclje  cr[)oben  roerben  l^ann.  Diejem  Bebürfnis  fpe3iell  ber  lUän» 
n  e  r  roürbe  ber  Konkubinat,  roie  in  Rom,  entgegenkommen.  Die  Kon^ 
kubinc  roüröe  bemgcmäfe  regelmäßig  eine  (0310!,  gegenüber  ber  Dollfrau, 
untertDcrtige  gefellfd}aftlid)e  Stellung  einnel|men,  unb,  ba  bie  geieO- 
|d)aftlid)e  „ITIeinung"  fid)  nid)t  einfad)  kommanbieren  läßt,  loürbe  bies 
®bium  auf  bie  5^^"^"  i"  nfi^ci^t  (Elje"  überljaupt  3urü*faIIen.  (Es 
roäre  überbies  nid]t  red)t  ab3ujel}en,  roarum  bie  DoOel^e  neben  ber 
„(El)e  3tDeitcn  Ranges"  überfjaupt  nod)  fortbejtefjen  müßte  unb  roarum 
nid)t  Dielmel}r  bie  red)tHd)e  ©rbnung  biejer  le^teren,  toenn  \\t  bod) 
bie  „fortgcfdjrittenere"  ijt,  aud)  auf  bie  DoIIefje  übertragen,  alfo  nid)t 
bie  $d)affung  3U)eier  (El)earten,  fonbern  bie  Reform  ber  bejtefjenben 
bas  3iel  jein  follte. 


A.  3ur  moöemen  (Ef)efirittfi.  541 

Dem  könnte  man  offenbar  nur  einen  legten  nod)  möglid^en  Dor« 
fd^Iag  entgegentialten :  Der  Staat  möge  fid^  5er  Reglementierung  5er 
ge{^le^tlid}en  Be3iet)ungen  nad)  einem  aHgemeinen  Sd^ema  übert^aupt 
e  n  t  f)  a  ( t  e  n;  er  möge  mtn5eftens  neben  5er  f^euttgen  DoHef^e,  am 
beften  aber  überl^aupt,  alfo  unter  Befeitigung  5er  freute  beftet}en5en 
Dorf^riften  über  5ie  (E(}e  als  5tDingen5er  Hormen,  5ie  Regelung 
5iefer  Bestellungen  5en  Beteiligten  felbft  nad)  it^rem  (Ermeffen  5ur(j^ 
D  e  r  t  r  a  g  fiberlaffen.  Dies  tDÜr5e  5ie  Anerkennung  fei^uefler  D  e  r- 
tragsfreit^eit  be5euten,  toie  fie  3.  B.  im  ptolemöifd^en  Aegppten 
an{d)einen5  beftanben  ^at.  Diefer  (btbankt,  5er  offenbar  oielen  An- 
f}öngern  5er  Konftituierung  einer  , freien  (Et)e"  Dorfd^toebt,  iDÜrbe  nun 
aber,  -  5as  mug  man  ftd)  immer  gegenwärtig  trotten  -  be5euten, 
5ag  neben  5er  legitimen  (El^e  aud)  alle  an5eren  Abmad)ungen 
über  ge{^Ied)t(i^e  Besiedlungen  r  e  d)  t  s  gültig  mürben,  5.  f^.  aber:  bog 
5er  Staat  i(}re  (Erfüllung  ersroingen  joIIe,  aud)  menn  |ie 
einem  5er  Beteiligten  Iei5  gea)or5en  roören. 

(Eine  5erartige  Dertragsfreif^eit  beftel^t  l^eute  a)e5er  in  nod)  auger 
5er  (El^e.  Sie  ift  einesteils  ausgefd)Ioffen  3U  (l)unften  5er  Kin5er. 
Un5  in  5er  (Tat  kann  kein  Staat,  am  menigften  ein  (old^er  mit 
PriDateigentumsor5nung,  5ie  Derfügung  über  5ie  Art  5er  Unterl)aUs% 
(Ersief^ungs-  un5  (Erbanfprüd^e  5er  Kin5er  -  {eien  5iefe  nun  ef^elid^e 
o5er  unel^eli^e  -  einfa^  beliebigen  oertragsmägigen  5<fMet(ungen 
if)rer  (Erseuger  überlaffen.  9u  einem  anbern  (Eeil  fd^ü^t  5er  Ausfd)Iu6 
5er  Dertragsfreif^eit  in  5er  (El^e  5ie  I^errenftellung  5es  Rlannes  un5 
Daters.  IDir  rm5  5afür  eingetreten,  öag  5ie|e  Beftimmungen  befeitigt 
iDerben.  (En5Iid)  oerfagt  5er  Staat  einer  breiten  Kategorie  oon  Der« 
trögen  über  (&e{d)Ied}tsbe3ief)ungen  (einen  Sd^u^  5a5urd),  5ag  (3.  B. 
in  Deut{d)Ian5  5urd)  §  138  B6B.)  Red^tsgefd^öfte,  5ie  ,,gegen  5ie  gu- 
ten Sitten  oerftogen",  als  ^nid^tig*  gelten.  Hid^tig  iDÖren  aus  5ie|em 
(Brun5e  nid}t  nur  Derträge,  5urd)  roeld^e  einer  maitreffe  (Entgelt  3U« 
ge{agt  roirö,  o5er  etwa  ein  Der3id)t  auf  ef^elid^e  (Ereue,  fon5ern  3.  B. 
Smeifellos  aud)  ie5e  oertragsmafjige  Regelung  5er  per{önlid)en  o5er 
pekuniären  Bejief^ungen  3n)i|d^en  ^me'x  Konkubinanten.  Die  ,,ntd)tig* 
keif  berartiger  Derträge  bebeutet  babei,  5af)  5er  Staat  [eine  f}an5  nid^t 
3ur(Er3n}ingung  il^rer  (Erfüllung  leitet.  3m  übrigen  können  alle, 
5ie  es  mollen,  aud)  5ie  (Et^egatten,  5eTartige  Dereinbarungen  treffen, 
ot^ne  5af)  5er  Staat  fid^  l)ineinmi(d)t,  |o  lange  il^r  IDillen  übereinftimmt. 
Aud)  t)eute  kann  3.  B.   jeber  (Ef)egatte  auf  (Brun5  einer  Abmachung 


542     (Et}ekntik,  (E(}e{^etöung  u.  augere^eli^e  (Bef^Ie^tsbe5ief)un9en. 

mit  {einem  partner  gan5  ungeftört  auger^alb  öer  (E(}e  gefd}le^tlid| 
Derket}ren.  TTur  t}at  ber  anbre  (Batte  bas  Re^t,  aller  Rbmad^ungen 
ungea^tet,  bestoegen  bie  (E^ef^eibungsklage  an5uftrengen,  unb  auf 
b  i  e  s  Re^t  5U  oersi^ten  ift  it}m  allerbings  nic^t  möglic^.  Rud)  aQe 
anberen  Abma^ungen  über  {e^ruelle  Besie^ungen  ober  im  9u{am< 
menljang  mit  i^nen  ©erben  bur^  il|re  „ITi^tigfeeit"  lebiglid)  i^rer 
r  e  ^  1 1  i  d)  e  n  ©ültigfteit  beraubt:  prafetif^  ift,  m.  a.  ID.,  jebem  ber 
Beteiligten  freigeftcllt ,  fie  ie5er3eit  nad^  Belieben  rüAgängig  3U  tna» 
^en.  6egen  biefen  Re^ts5uftanb  toirb  es,  grabe  00m  Stanbpunkt 
einer  ReformbetDegung,  toel^e  größere  5  ^  ^  ^  ^  '  ^  ^^^  Sejualbe3ielj« 
ungen  oerfi^t,  ferner  fein,  prin3ipielle  Bebenhen  3u  erljeben. 
(Es  liönnte  fi^  nur  um  ein  IItel|r  ober  ITItnber  ^anbeln.  Die  bebingungs« 
lofe  „fejueüe  Dertragsfrciljeit"  toäre  eine  Prämie  auf  bie  Derfütjrungs« 
kunft  unb  auf  bie  ökonomifd^e  Ausbeutung  ber  £iebe.  Cbibi  man  aber 
bem  Staate  einmal  bas  Re^t,  überl^aupt  ben  sulöfftgen,  b.  ^.  xtd^t* 
li^  er3ix)ingbaren,  3nljalt  berartiger  Derträge  3U  normieren,  ober  gibt 
man  bem  Ritter  bie  Befugnis,  fie  aus  fa^Ii^en  (Brilnben,  3.  B.  im 
3ntereffe  ber  Kinber  ober  au^  ber  5^öu  —  toie  mir  tDieberljoIt  311 
f orbern  l|atten  —  als  unter  Umftänben  n  i  ^  t  oerbinbli^  3U  be^anbcln, 
bann  traben  tx)ir  eben  ein  ftaatlid^es  „(Etiere^f,  unb  bas  burd) 
„freien  Dertrag"  gefd)affene  Derfjältnis  roäre  toieberum  nidjts  anberes 
als  eine  „legitime"  (Elje  3tDeiten  (Brabes  ober  ein  legitimer  Konhubinat. 

Unb  roas  roäreu  fdiliefeüd)  bie  inl)altlid)en  Dor3Üge,  toeldje  eine 
berartige  „freie"  gegenüber  ber  Dollelje  bieten  könnte? 

©ffenbar  könnte  baöurd)  bas  Befteljen  „legitimer"  Derfjältniffc 
erreid)t  rocrben,  in  b^rxQn  1)  bie  S^Qu  »olle  iuriftifd)e  5^ci5Ügiglieit  be» 
fäfee,  alfo  bie  5^^^i^^it,  na6:i  Belieben  iljr  Domi3il  3U  beftimmen, 
2)  bem  ITIann  red)tlid)  perfönlid]  gleid)georbnet  roäre,  3)  bie  Derfügung 
über  il)r  eigenes  Dcrmögen  bel)ieltc  unb  überl)aupt  in  jeber  Be3iel}ung 
ber  el)emännlid)en  Autorität  unb  itjrer  (Einmif^ung  in  iljre  Eebensfüb* 
rung  cntrüAt  bliebe.  Soldjc  Derl}ältniffe  roürben  4)  -  fahtifd)  -  in 
ben  „bürgcrlid)cn"  Sd)id)ten  geringere  „gefellfd)aftlidje"  Pflidjten  auf» 
erlegen  als  üblid)crtDcije  Ijeute  bie  Dollel)c  befi^enber  Sdjidjten.  Sie 
könnten  besl}alb  Don  biefen  Sd)id)ten  in  einem  jugenblidjeren  Alter  ein« 
gegangen  toeröen,  toeil  öabei  ber  ftanbesgemäfee  „t)ausftanb"  unb  bie 
„Ausftattung"  öer  5^öu  eine  kleinere  Rolle  fpielen  toürben  als  üb» 
lid)eru)ei(e  in  ber  „bürgerlid)en"  DoU»(El)e,  5)  unb  cor  allem  wärt 
fie  leid)ter  redjtlid)  lösbar. 


A.  3ur  moöfmen  (Ef)efirittft.  543 

Selben  tDir  3U,  idqs  öaoon  aud)  für  5te  DoO-dEf^e  3U  foröern  un6 
3u  crreidjcn  ift. 

1)  (Ein  grögeres  mag  Don  red)tli^er  n)of}nfreif}ett  5er  S^au,  6.  f). 
6ie  (ErtDeiterung  tt^res  \d\on  je^t  beftet^enöen  Red)t$,  öent  mann  un« 
ter  beftintmten  Derf^altniffen  ntd^t  an  ben  Don  if}m  gemöl^Iten  IDof^n' 
ort  3U  folgen,  ift  -  toie  tDir  fallen  -  aud)  für  5te  DoU'(Ef)e  3U  for- 
öern  un5  6urd)füt)rbar.  Hid^t  öie  IDiOftür  eines  oon  beiöen  (Feilen, 
fonöern  { a  d)  li  d)  e  (Brünöe  traben  3U  entfd^eiöen.  Der  o  ö  11  i  g  e 
Der3i^t  auf  öen  gegenfeitigen  Re^tsanfprud)  5er  (Batten  auf  IDot^n- 
gemeinid^aft  n)i5erfpra^e  aner5ings  5ent  IDefen  5er  <Ef)e  als  einer 
ökonomi{^'fitt(id}en  (Bemeinfd^aft,  wk  aud)  5em  3nteref{e  5er  Ktn5er 
5aran,  in  normalen  5^^^^  ^i^  bei5en  (Eltern  3u{ammen3u(eben.  Rudi 
in  5er  ^.freien  (Ef^e"  n)ür5e  fahtifd)  nur  5ie  Dcrntögen5e  5^^u,  5ie 
garni^t  auf  mitlaufe  5es  mannes  für  5en  Untert^alt  5er  Kin5er 
angemiefen  ift,  es  ermöglid^en  können,  mit  5en  Kin5ern  3U  leben,  too 
fie  roill.  2)  per|önlid)e  (BIeid)or5nung  un5  Dermögensred)tlid)e  Selbftön* 
5igheit  5er  S'^öu  muffen  -  wie  mir  jal|en  -  aud)  für  5ie  DoH-(Et)e 
red)tlid)  geforbert  un5  fakti|^  erreid)t  tDeT5en.  3)  (Ebenfo  5as  nament> 
lid)  für  5ie  intellektuelle  0[)ber{d)id)t  n)id)tige  moment:  5er  eoentueUe 
Der3id)t  auf  „ftan5esgema6e''  fjausf^altsfüt^rung.  UeberKDin5ung  5er 
Uonoention  in  5iefer  Ridjtung  un5  größere  Befd)ei5enljeit  5er  £ebens- 
aniprüd)e  ift  innerf^alb  5es  Rat^mens  5er  DoHcl^e  genau  fo  gut  3U  er- 
reiben,  tnie  in  einer  „freien  (El^e",  un5  es  ift  eine  unferer  tDid)tigften 
Aufgaben,  5ag  gera5e  innert^alb  5er  DoUel^e  bürgerlid^er  Kreife  5ie 
Der{hlauung  an  5en  honoentioncU  ausgeftatteten.  5en  «ge{ell|d)aftlid)en 
Derhetjr"  crmöglid)en5en,  „t)ausljalt''.  an  5as  „linnene  Sakrament", 
roie  es  f}elenc  Böf^Iau  nennt,  KDie5er  bejeitigt  tDer5e.  IDas  an5ers  als 
5ie  i5eano|en  {o3iaIen  Prötenfionen  5er  eignen  Klaffe  un5  5as  Sid)* 
Beugen  unter  5ie  geiellfd)aftlid}e  Konoentton  im  ougerIid)ften  Sinn 
5es  IDorts  f^inbert  5enn  t)eute  ein  junges  paar,  ftatt  fofort  auf  eine 
eigne  IDol^nung  oon  fo  un5  (0  oiel  Simmern  «mit  Subebör",  eigne 
möbel  un5  ein  Dienftmö5d)cn  3U  reflektieren,  fid)  ettoa  3unad)ft  in 
einer  penfion  iwtx  Simmer  3U  mieten.  o5er  (ogar  f  a  k  t  i  |  d)  3unä6ft 
getrennt  3U  leben?  Dies  alles  ift  ja  aud)  l^eute  |d)on  bei  über« 
einftimmen5em  IDillen  5er  Beteiligten  möglid):  öie  £egaltfierung  5er 
(Et)e  ift  5urd)aus  nid}t  an  5te  (Einrid)tung  einer  eignen  IDobnung  ge« 
knüpft.  Un5  5er  komplette  ..bürgerli^e"  tiausftanö  öürfte  eben,  too 
öie  mittel  5a3U  fetalen,  nid)t.  tnie  je^t  nod),  als  Dorbeöingung  5er 


544     (Et}6kritift,  (E^ef^etbung  u.  augere^eltd^e  (Bef^Ied)tsbe3ief)un9en. 

(Et}ef^Iiegun9,  {onöern  er  ftönnte  als  ein  allmat}lid),  aus  (Etfpaminen  ber 
6atten  unb  na^  Benerfteüung  i^rer  ökonomifd^en  tage,  3U  DenDtrb« 
licf)enbes  3  i  e  I  gelten.  5^^^^  ^^^^  größere  An5al)I  junger  Paare  ber 
geiftig  fütirenben  Sdji^ten  ben  ITlut  5ur  (El^efd^Iiegung  o^ne  fo5tale 
Prätenftonen  unb  ot}ne  bas  linnene  Sakrament,  {0  n>ürben  baburd^  ieben* 
falls  bie  aus  bem  I}erauf{^rauben  bes  f}eiratsatsalters ,  fon>ett  es 
ökonomifd)  bebingt  ift,  entftanbenen  Stöben  bes  (Befc^le^tslebens  ber 
©berj^i^t,  |el|r  oiel  u)irk|amer  bekämpft,  als  bur^  trgenb  eine  ,£e» 
galijierung"  oon  „t)erl|ältniffen",  toel^e  il|rerfeits  bie  Ijeirats|(^eu 
nur  oermeljren,  unb  überbies  bie  lErennung  oon  „Eiebe"  unb  „(B^t" 
in  aller  5^^^^  {auktionieren  unb  babur^  beförbem  n>ürben. 

So  bliebe  f^Iiegli^  als  I)auptunterf^ieb  steiferen  DoIUSt^e  unb 
„freier  (Elje"  no^  bie  leiste  Lösbarkeit  ber  le^teren  übrig, 
auf  bie  oon  Heformet^ikern  benn  au^  meift  unb  mit  Re^t  bas 
entf^eibenbe  (betoi^t  gelegt  tx)irb. 

Die  5orberung  na^  lei^ter  lösli^en,  legalen,  monogamen  6e> 
I^Ie^tsDerbinbungen  birgt  in  ber  (Tat  ein  fittli^es  unb  red^tspolitifc^es 
Problem  in  |i^,  be((en  (Ernft  in  {tetigem  Steigen  begriffen  i{t.  Bei  ben 
gei{tig*{eeli{^en  An{prü^en,  bie  in  btn  t}öf)er  entroiAelten  Sc^id^ten  ber 
Kulturmen{^t}eit  t}eute  an  bie  (Et}egemein(^aft  geftellt  n>erben  unb  ge* 
{teilt  loerben  mü{{en,  unb  bei  ber  Diff eren3ierung  unb  Derfeinerung  un{res 
(Empfinbungslcbens,  i{t  einer{cits  bie  (El|ance  eines  inneren  3erfalls  aud| 
anfönglid)  „glücklidjer"  (El)en  ge{tiegen,  anbrer{eits  ber  Stoang  3ur 
5ort{e^ung  einer  bcrge{talt  inncrlid)  3erfaIIenen  (Elje  in  3uneljmenbent 
ITIa^e  uncrträglid).  Der  bem  (Empfinben  ber  Dergangenljeit  unb 
breiter  unbifferen3ierter,  kleinbürgerlid)er  unb  bäuerlidjer  Dolkskreijf 
nod)  !}eute  natürlid)e  Begriff  ber  „cl)elid)en  Pflidjt"  i{t  für  bas  oer« 
feinerte  (Empfinben  eine  Unge!}cucrlid)keit.  Unb  bie  ITlöglidjkeit  einer 
Derfei}Itcn  (El)e  roirb  gcrabe  bann  nod)  loeiter  gefteigert,  u>cnn  man 
-  mit  Red)t  -  bie  f)erab{c^ung  bes  f)eiratsalters  im  et^i{d)en  3n« 
tercf{c  er{trebt.  Der  moberne  Dollentioicfeelte  inen{^  loirb  innerlidj 
{päter  „fertig"  als  ber  ITIen{d)  ber  Dergangenfjeit,  iljm  i{t  ba^er,  im 
Prin3ip,  eigentlid)  bas  (Einge{}en  einer  priii3ipiell  unlöslidjen  Derbin« 
bung  er|t  im  reifen  Hlter  möglid],  5^ü^^5  t)eiraten  ift  baljer  nur  bei 
(Beroätjrung  eines  Dentils  in  ber  (Erleid]terung  ber  (El)e{d)eibung  im 
5all  eines  3rrtums  benkbar.  (Es  i{t  nun  aber  {d)ted)tfjin  nidjt  ab3u* 
fei)cn,  roarum  nid)t  aud]  bies  Problem  burd)  Reform  bes  Sdjeibungs» 
red]ts  ber  Do  lletje  gelöft  roerben  (oUte.  (Es  i{t  tat{ä^Iid)  nur  auf  i!)rem 


A.  3ur  moöernen  (Et^ekritik.  545 

Boöen  befricbigcnb   lösbar.    Denn  öafe  ein  Staat  eine  „freie  (El)e" 

red)tüd)  anerkennen,  öas  t}eigt:  bie  Beteiligten  3.  B.  mit  <EIternred)ten 

ausftatten  {oUte,  bei  9än3li^  beliebiger,  einseitiger,  an  keinerlei  fad)Iid}e 

(Brünöe  ober  bod^  S^ift^^  unb  5ormaIitaten  gebunbener  Sd^eibungsntög« 

Iid)keit,  -  bies  i{t  f}ö^ft  unroal^rf^einlid).    (Es  ift  aud)  unter  keinem 

etf)ifd)en  ober  fosialen  (Be|id}tspunkt  roünld^ensmert,  ba%  es  gefd^el^e. 

Don  btn  3nterenen  ber  Kinber  gan3  3U  {^meigen,  tDÖre  aud)  für  bie 

Kultur  ber  (Be{d)Ied)tsbe3iel)ungen  bamit  ni^ts  erreid)t.     SveifeUos 

roürbe,  (^on  rein  auf  bas  (Erotifd^e  (^ingefet^en,   bie  feelifc^e  Durd^* 

(d)nittskultur  nid)t  fteigen,  fonbem  ert^ebli^  finken,  roenn  Auflö{ung 

bes   be{tef}enben  unb  Abfd)(ug  eines  neuen  Derf^öltniffes  Angelegen- 

t}eiten  roürben,  bie  fic^  3a)i{^en  Sonnenauf>  unb  Untergang  erlebigen 

liegen:  „nid}t  bie  groge  £iebe  tofirbe  frei,  {onbern  bie  kleine  Paffion, 

ber  Sinnenrau{^,  bie  £uft  am  lDed){e(,  bie  oergangli^e  £eiben{d)aft, 

ber  treuIo{e  (Egoismus"').    Unb  für  alle,  roel^e  nid)t  bie  Uot  bes 

£ebens  am  £eitfeil  t)ölt,  alfo  f&r   bie  ökon  omifd)  Prioile« 

gierten,  btncn  in  IDat^rt^eit  jene  Ueuerung  ja  allein  3U  gute  käme, 

tDürbe  babur^  nur  bie  Derfud^ung  oergrögert,  als  (Begenmittel  gegen 

bas  „graue  (Einerlei''  bes  AHtagsIebens  bie  einfeitige  Pflege  erotifd^er 

Senfationen  3U  ergreifen  unb  {0   bem  UebertDud^ern   platt  fepieHer 

3nteref{en  auf  Koften  ber  Derfeinerung  bes  (Empfinbungslebens  Dor- 

fd)ub  3U  leiften. 

IDer  aber  babei,  tro^  aller  ge{e^(id}en  Dorket^rungen,  prakti{d} 

unb  pit)d)i{d)  in  ber  erbrüdienben  inel)r3at}l  ber  5^^^  ^^^   kür3eren 

3iei)en  mürbe,  ift  klar:  bie  5tau  unb  bie  Kinber.    Hid^t  nur  im  öko* 

nomi|d)en  Sinn:   man   braud}t   ftd)   nur   3U   oergegentDartigen,   mie 

(d)KDierig,  ja  faktif^  unmög(id)  es  fd)on  je^t  ift,  ben  Dater  mel^rerer  un« 

ehelid^er  Kinber  Der|d)iebener  ITIütter  3ur  (Erfüllung  feiner  rein  pekuniären 

Derpflid^tungen  3U  3KDingen,  -  Jonbern  mel^r  nod)  besl^alb,  roeil  jebe 

anf^altenbe  Steigerung  ber  fe^uellen  Spannung  bie  Betonung  brutaler 

3nftinkte  bes  IHannes  3ur  5o'9^  ^^t  ITIann  unb  5tau  einanber  rein 

gefd)led)tlid^  Id^ä^en  leiert,  unb  jebe  {old)e  Brutalifterung  ber   gefell* 

{d)aftlid)en  Kultur  für  bie  eigenften  3nteref{en  gerabe  ber  feelifd^  fein 

enttoidielten  S^^uen  tötlid)  ift.    Huf  bie  mitmirkung  einer  ftaatlid^en 

3n{tan3.  bie  bcn  IDunfd)  na^  Sd^eibung   auf   (einen  fad^lid^en  (Emft 

unb   auf  {eine  Bered^tigung  oom  Stanbpunkt  ber  DeranttDortlid)keit 

'1  5r.  ID.  Sörjter :    B(5enken  gegen  €llfn   Kei)5  Rn|td}ten   über  £iebe 
un5  (Ef)e  (Deutid^e  Hun5id}au  1905  f7eft  9). 

Il'^f  bf  I      (fbrtiiiu  UM^  Illuttrr  « 


546     (E(}ekrtttk,  (Et}e{^eibung  u.  augerel^eU^e  (Bef^Ie^tsbesie^ungen. 

öcr  Beteiligten  für  il|r  gcgenfeitiges  S(i^iA|aI  unö  6as  iljret  Kinöer 
prüft  unö  jebenfalls  5tDi{^en  {ein  Auftauten  unö  feine  (Erfiillung  eine 
längere  Bejinnungsfrift  {^iebt,  kann  öat}er,  aud)  gan3  abgefe^n  Don 
öer  notroenöigfeeit  formaler  (Erkennbarkeit  öer  S^ciöung,  bei  aflen 
ftaatli^  regulierten,  im  übrigen  no^  fo  „freien'',  (E^en,  in  aller  ab« 
{et}baren  3eit  ni^t  oersidjtet  toeröen.  Sie  ift  öie  bebeutungsDoülte 
S^ranke,  toel^e  öas  fittli^e  6e{amtbetDugt{ein  öer  Kulturmenjc^' 
t}eit  öer  Don  nieöerer  Sinnlid^keit  unö  natürli^em  (Egoismus  be* 
ftimmbaren  Augenblidtslaune  öes  (Ein5elnen  entgegengefd)oben  f^al 
Die  entj^eiöenöe  5^09^  ift  ol\o  ni^t:  ob  überhaupt  irgenö  eine 
S^ranke,  fonöern  roel^er  Art  öiefe  S^ranke  bei  jtaatli^  regulierten 
(Be{^Ied)tsDerbinöungen  {ein  {oll.  IDer  überhaupt  irgenö  eine  foI(^e, 
au^  eine  leöigli^  in  6e{talt  Don  be{timmtcn  5ormen  unö  S^\^ 
öie  (Ernftli^keit  unö  Dauer  öes  S^eiöungsent{^Iuffes  kontroüierenöe, 
S^ranke  {^le^teröings  ni^t  ertragen  toill,  öer  aüeröings  mug  öie 
5oIgen  {eines  t)anöclns  {elbft  auf  p^  nel|men.  Sein  flnfprudj  auf 
re^tli^e  Sanktionierung  unö  gefellf^aftli^e  Billigung  oon  (Befd^Iec^ts* 
be5iet}ungen,  in  öie  er  keinerlei  Derantroortli^keit  I)ineintragen  viü, 
ift  einfa^  finnlos.  nie^r  als  öie  faktif^e  Dulöung  öes  Beftef^ens 
öer  (Bef^led)tsbe3iel|ung  kann  er  f^Ic^teröings  ni^t  ertoarten.  Denn 
öie  (Befamtl)eit  intercffiert  an  il)nen  ni^t  fein  3ntereffe,  fonöern  öas 
feiner  Kinöer. 

Had)  alleöem  erfd)eint  alfo  öie  Konftituierung  einer  „freien 
(El)e"  als  Red)tsinftitut  oöllig  entbeljrli^,  fobalö  öie  legitime  DoII^ 
(El)e  auf  prin3ipielle  (Bleidjorönung  öer  (Batten  bafiert  unö  i^re 
£ösbarkeit  in  einer  öen  bered)tigten  flnfprüd)cn  moöerner  ITlenfdjen 
entfprcd)enöen  Hrt  geregelt  ift,  unö  fobalö  ferner  öie  Hedjtslage  5er 
„une!}end)en"  ITIütter  unö  Kinöer  mit  öem  moöernen  fo3iaIen  (Em^ 
pfinöen  in  (Einklang  gebrad)t  roirö.  (Es  erfd)eint  jeöenfalls  3roe4' 
mäßiger  unö  ausfid]tsDoIler,  mit  aller  Kraft  auf  öiefe  Reformen,  als 
auf  öie  u)enig  ausfid)tsDolle,  im  5^^  ^^^  (Eljereform  unnötige,  für 
öie  3ntereffen  öer  5^öu  aber  ftets  gefäl)rli^e  (Einfül)rung  eines  (E^e- 
furrogats  l)in3ucDirken.  —  Don  jenen  bciöen  Problemen:  öem  Sdjeiöungs« 
re^t  unö  öem  Red)t  öer  aufeereljelidien  ITIütter,  traben  mir  alfo  nun 
nod)  3u  l)anöeln. 

B. 

IDir  legen  öer  (Erörterung  öes  Sd)eiöungsproblems  öas  gegen» 
roärtig   bei   uns   geltenöe   Rcd)t   unö   feine  Kritik   3U  (Brunöe.    Die 


H.  Das  <Ef)e|d}et5ungspTobIeni,  fpe5ieU  im  öeutfd^en  B(5B.    547 

„pTin3ipieIIe''  Unlösnd)bett  öer  <Et)e  öugert  fid}  im  moöemen  <Ef)ered}t 
bovin,  öag  fie,  nad}  5em  in  Deut|d}Ian5,  -  eben|o  wk  in  faft  allen 
Cänöern  öer  IDelt,  auger  ®e|terTeid}  (für  Abatf^oliken)  unö  einigen 
ameribanifd^en  Staaten  -  geltenden  Red}t  nur  5ufoIge  |  d}  u  1 5  DoUen 
Deri^altens  eines  (Batten  gegen  6en  an6em,  megen  einer  ^Derle^ung 
öer  ef)elid}en  Pfltd)ten'',  gelöft  werben  bann.  Die  nad}  langem  Streit 
3uge(affene  ein3ige  Ausnat^me  bei  uns  ift  öer  5^0»  ^<^h  ^>ner  öer 
(Batten  unt^eilbarer  (Beiftesbranbt^eit  oerfallen  ift.  Betrad^ten  mir 
nun  öie  <Et)e|d}eiöungsgrünöe  genauer. 

Das  B(BB.  unterfd^eiöet  „abfolute"  unö  „relatioe"  Sd^eiöungs« 
grünöe.  Die  ab|oIuten:  (Ef^ebrud},  Bigamie,  iDiöematürIi(^e  lln3U(^t, 
£ebensna(^ftellung,  böslid^es  Derlaffen*),  geben  öem  un|d}ulöigen 
(Batten  öas  Red)t  auf  Sd)eiöung  unbeöingt,  alfo  unabi)öngig  oon 
ii)rer  IDirbung  auf  öas  gegenfeitige  {ubjektioe  (Empfinöen*). 

(Eine  Ileuerung  gegenüber  öer  niei)r3ai)l  älterer  (Befe^e  beöeutet 
öie  (Einfüf^rung  öer  fogenannten  relativen  S(^eiöungsgrünöe.  Als  \oldfi 
be3etd)net  öas  (Befe^  „ef^rlofes  oöer  unfittlid^es  Dert^alten",  «grobe 
migi^anölung''  unö  öann  generell  ^jeöe  {d)iDere  Derle^ung  öer  öur(^ 
öie  <Ei)e  begrünöeten  Pfliditen".  Sie  begrünöen  öie  S(^eiöung  nur 
öann,  falls  öer  Rid)ter  öie  Ueber3eugung  geminnt,  öag  öaöurc^  im 
bonbreten  $all  öer  oerblagte  (Batte  „eine  |o  tiefe  Serrüttung  öes  ef^- 
Iid}en  Derf)ältni{fes  oerfd^ulöet  f)at,  öag  öem  blagenöen  (Batten  öie 
Sortierung  öer  (El^e  nid}t  3ugemutet  meröen  bann"^). 

Unter  öen  Begriff  öer  „fc^iDeren  Pflid^toerle^ung"  fällt  nad^  öer 
Prarts,  auger  öer  «groben ",  ö.  t).  öer  Art  unö  IDei|e  nad}  rof^n, 
«miftf^anölung",  aud)  öie  öauernöe  bösmillige  Dernad^Iäffigung  öer 
Upterf)altspflid}t  oou  feiten  öes  ITlannes  oöer  etwa  böstoillige  Der- 
nad)Iäffigung  öer  f)äuslid)en  Pflid^ten  oon  feiten  öer  S^au,  ebenfo  öie 
fortöauemöe  «unbegrünöete"  Dertoeigerung  öer  „e[)elid>en  Pflicht*. 
Serner  fcbwere  Befd^impfung,  gefäf)rlid)e  Beörot^ung,  (Befc^Iec^tsoer- 
kel^r  trot)  gefd}led}tlid)er  (Erkrankung,  grobe  Dernad)Iäffigung  öer 
Kinöerer3ie[)ung,  (Et)ebrud}soerfud}e,  l}od}graöige  UnoertragIid}keit,  - 

'  I  (EntiDcöer  met}r  als  einjät^riges  bdsltd^es  ö  I).:  öie  nid^tt^eritellung 
öer  el^eltd^en  (Bemeinid)aft  bc3me(fcen5es  S^^nbleiben  oon  öer  l^duslid^en 
(Bemetn|d}aft  gegen  öen  IDillen  öes  anöern,  nad)  reditshrdfttger  üerurteilung 
3ur  fierffellung  öerfelben,  oöer  unbekannte  bdslid^e  Aboefenfjett  feit  einem 
3aljre. 

)  1565,  1566,  1567. 

^)  §  1568. 

35» 


548      (Et^ebrtttb,  (E^efdieiöung  u.  augeret^elic^e  (5e|(^Ie(^tsbe3tef)ungen. 

btes  alles,  fofern  ber  Rtd)ter  5en  (Einbrucb  f)at,  baj)  im  DOTitegenben 
Sau  iene  f}anblungen  bte  (Et)e  unt^eilbor  serrüttet  ober  boä^  bie  Serrüt« 
hing  mitDerfd^uIbet  traben.  Als  et^rlofes  ober  unfittlic^es  Der^Iten 
finb,  neben  ente^renben  Derbred)en  ober  Derge^en,  5.  B.  un3ücl^ti9e 
f}anblungen,  {d)tmpflid)er  (Ertoerb,  be^arrltd)e  (Erunbfuc^t  angefeilt. 
Ilad)  ben  Abflauten  ber  Reid)stagsbommt|fion  {oute  unter  Umftdnben 
aud)  bte  Dertoetgerung  ber  Der{prod)enen  birc^Ii^en  (Trauung  ba^m 
get)ören  bönnen. 

Der  6e{e^geber  {elbft  t^at  unterlaff^n,  alle  einseinen  aus  {enem 
Begriff  ableitbaren  Sd)eibungsgrünbe  aufsusö^len,  um  bem  (&efe^  eine 
getDtffe  (Elaftisitöt  gegenüber  ber  SüOe  unbered)enbarer  Illöglic^fteiten 
unb  bem  Rtd)ter  einen  getoiffen  Spielraum  für  bie  tnbiDibualtfierenbf 
Be^anblung  Der{d)iebenartiger  Sd^etbungsmotioe  3U  tDaf^ren.  Der 
Ridjter  feann  alfo  benfelben  objefetioen  (Eatbeftanb  in  bem  einen  5^^ 
als  Sd)eibungsgrunb  anerkennen,  im  anbern  ablef^nen,  je  nac^bem  er  bie 
Ueber5eugung  getoinnt,  ba^  bem  blagenben  (Satten  bie  S^^f^^unQ 
ber  (E^e  als  ftttlidie  Pflid)t  nid)t  auferlegt  toerben  bann. 

Aber  bas  ift  bie  fefte  Sd)ranbe  ber  (Elaftisitat  jener  Beftimmungen« 
bag  bie  „Zerrüttung  bes  e^elidjen  Der^öltniffes"  nur  bann  als 
Sd)eibungsgrunb  anerkannt  toirb,  menn  fie  burd)  ein  konkretes,  na(^' 
roeisbares  Derfdjulben  -  unb  imax  ein  Derfd)ulben  gröblicher 
Art  —  im  Sinne  bcs  (Bcfe^cs  minbcftens  mit  oerurfadjt  iDorben  ift 
Alfo  ift  tDcbcr  generell  bie  (Eat|ac^e  einer  nodj  fo  oölligen  3erruttung 
bes  e!)elic^en  Der!)ältniffes  als  Sc^eibungsgrunb  3ugelaffen,  nodj  aud», 
toie  im  (Eobe  unb  im  preußijc^en  £anbredjt,  bie  Sdjeibung  „auf  (Bruno 
gegenjeitiger  (Einioilligung"  ober  „einfeitiger  unüberroinblidjer  Ab' 
neigung". 

Die  Tnotioe  |elbft  geben  3U,  ba^  für  bie  3ulaffung  ber  Sc^ei« 
bung  auf  (Brunb  gcgenfeitiger  (Einioilligung  „erl^eblidje  ffirünbc" 
gcitenb  gemacht  toeröen  könnten.  So  3.  B.  ba^:  (bauen,  bie  einen  ge» 
je^Iic^  anerkannten  Sdjeibungsgrunb  !)aben,  baburdj  erfpart  roür^c. 
i!)re  Angelegen!jeiten  Dor  Dritten  aus3ubreiten,  ober  audj  bei  (EljebruA 
einen  Dritten  als  Tnit|d)ulbigen  an3uklagen.  Da^  fie  ferner  nic^t  in 
bie  Der|uc^ung  kämen,  einen  künftlic^en  Sdjeibungsgrunb  3U  fdjaffen, 
wenn  fie  ben  u)al)ren  nid)t  angeben,  aber  unter  allen  Umftänben  oon« 
einanöer  loskommen  roollen.  Allein  bieje  (Ertoägungen  roerben  gegen» 
über  btn  prin3ipiellen  Bebenken  nic^t  für  burdjfdjlagenb  geleiten. 
tDie  bie  ITIotiDe  ergeben,  gingen  oielmeljr  bie  Rebaktoren  bes  B(BB. 


ii.  Das  (Ef)efd}eibungsprobIein,  |pe3ieU  im  5eut|d}en  B(5B.     549 

gan3  bemugt  barauf  aus,  5ie  (E^ef(^ei6ung  gegenüber  bem  btst^erigen 
Red)ts3uftanöe  3U  er|d)tDeren.  Unter  bem  Dnicb  bonleruattDer 
unb  bird}Iid)er  ITIäd^te  finb  jene  Be(ttmmungen  bes  preugtfdjen  Canb' 
red)ts  unb  bes  (Ode  ( ivil  (babifdjes  £anbred)t)  gefallen,  of)ne  bag 
für  |te  ein  (Er|a^  ge|d}affen  toorben  ift. 

3ft  alfo  freute  eine  (El^e  3errüttet  ober  unertröglid}  gemorben, 
roeil  beiben  6atten  bie  Dorausfe^ungen  unter  benen  fte  ge|d}lo|{en 
iDurbe:  £tebe,  Ad)tung,  gegenfeitiges  Derftänbnis,  fd^toanben,  {0  i)ilft 
man  ft^  bebanntlid)  -  namentlid)  in  ben  beft^enben  Klaffen  -  burd} 
bas  5in9^^^^n  ^in^s  öugeren  Sd)uIbmoments,  fpe3ien  bes  „böslid^en" 
Derlaffens.  IDerben  bie  Rollen  gut  burd}gefüt)rt  unb  finb  bie  (belb> 
mittel  für  ben  (Betoinn  eines  gefd)iditen  Rnmalts  oort^anben,  |o  i|t  bie 
Auflöfung  ber  (Et)e  meift  3U  er3ielen.  Unb  roenn  fie  Don  beiben 
6atten  gen)ün{d)t  roirb,  fo  bönnen  biefe  fid}  im  Doraus  über  b^n  Der- 
bleib ber  Kinber,  bie  Dermögensoerf)aItni|fe  unb  aud)  barüber  oer- 
ftänbigen,  toer  bas  ®bium  fd^ulboollen  Deri)a(tens  auf  fid)  nef^men 
foK.  Da  jebod)  bas  (berid)t  b^n  (Eatbeftanb  oon  ^mtsmegen  3U  unter* 
fud)en  t)at,  |o  i|t  bie  (entere  Dereinbarung  red)tlid}  gan3lid}  un- 
oerbinblid).  Unb  aud)  be3üglid)  ber  Kinber  unb  ber  Dermögensregelung 
fd)n)ebt  über  einem  |oId)en  Dertrag  regelmäfjig  bas  Damoblesfd^mert, 
bog  er  jebenfalls  bann  als  ^gegen  bie  guten  Sitten"  oerltogenb  unb  alfo 
als  nid)tig  gelten  toürbe,  toenn  baburd)  nad^toeislid)  eine  nadi  htm 
6efet)  nid)t  |tattf)afte  (Ei)e{d)eibung  ermög(id}t  morben  märe.  3m  Sali  bes 
(Belingens  bagegen  ift  bas  prabti(d)e  Hefultat  basfelbe,  mie  bei 
Sd)etbung  auf  (brunb  gegen(eitiger  (EinrotUigung,  nur  ba^  es  nid)t 
auf  grobem  IDege  erreid)t  toorben  ift. 

(Eine  tragifd)e  Situation  entftef^t  aber  bann,  toenn  nur  einer 
ber  6atten  bie  5(>^tfe^ung  ber  (Ei)e  als  unerträglid)  empfinbet.  (Er 
hann  bann  yDav  ben  anbern  „böslid)  oerlaffen**.  Unterlägt  biefer 
jebod)  bie  Sd^eibungshloge,  {0  bleibt  ber  bie  Sd^eibung  tDÜn|d)enbe 
(Feil  -  unb  es  ift  burdjaus  nid)t  gefagt,  baf)  er  regelmäßig  ber 
tDeniger  „fittlidje"  fei  -  äufterlidj  bauernb  gebunben.  3n  einem 
foId)en  5oU  toirb  überbies  nod),  3ufoIge  bes  l^eutigen  (büterftanbes, 
bie  S^QU  ougerorbentlid)  üiel  Ijärter  getroffen,  unb  ift  alfo  gebunbener, 
als  ber  IHann.  (Er  hann,  aud)  toenn  bie  (El^e  infolge  Untertaffens 
ber  Sd)eibungshlage  fettens  ber  5^^u  bem  Banbe  nad)  roeiter  beftei)t, 
menigftens  f  a  h  t  i  f  d)  bauernb  augerl^alb  bes  gemeinfd^aftlid^en  f}aus« 
t^alts  leben,  unb  babei  nid)t  nur  fein  Dermögen  in  ber  f}anb  bei^alten, 


550      (E^ekritib,  (El}e{d)et5ung  u.  augere^eli^e  (Bef^le^tsbestet^ungen. 

fonöern  aud)  5as  ber  S^^^  tDciter  DcrtDalten.  Die  S^<^^  ^ann  bann, 
tDcnn  fie  bie  Sd^eibung  ntd)t  tDtll,  nur  i^ren  Untert^oltsanfpnu^ 
gcltcnb  mad)cn  unb  fclbft  bicfen  nur  in  Sonn  einer  Klage  auf  ^er- 
fteüung  ber  el}eUd)en  (Bemetnfd^aft,  ni^t  auf  (Leibrente  ^).  Derlögt 
bagegen  bie  5rau  ben  IHann  aus  no^  {o  triftigen  (brünben,  nur 
o^ne  ein  gcridjtlidj  feftftellbares,  grobes  „Derf(^ulben"  [cinerfeits,  \o 
be!)alt  er  t^r  Dermögen  in  ber  f}anb,  o^ne  jeboc^  Derpfltd)tet  5U  fein, 
il^r  auger^alb  bes  e^elidjen  f}aus^alts  Unterhalt  5U  gemai^ren.  (Er 
f)at  alfo  immer  ein  Pfanb,  burd)  bas  er  fie  5ur  Rüdtftet^r  smingen 
bann.  Sd)on  biefe  Kon(equen3  ^^^  geltenben  e^elid)en  (büterrec^ts  mürbe 
—  roie  jeber  Blicfe  in  bie  £age  oon  S^öuen  bei  innerlidj  3errütteten 
(Eljen  3eigt  -  beffen  Bejeitigung  unbebingt  forbem. 

Aber  aud)  roenn  bie(er  Suftanb  bnxä^  (Einfil^rung  ber  (Büter* 
trennung  geanbert  toürbe,  —  ift  es  nid)t  überhaupt  entioärbigenb 
für  beibe,  bag  ber  eine  (Batte  ben  anbern  tD  i  b  e  r  beffen  tDiUen  ein 
langes  £eben  ^inburd)  in  ber  e^elid)en  6emein{d}aft  feftf^alten  bann 
unb  bafe,  roenn  ber  eine  bereit  ift  ben  anbern  frei3ugeben,  oon  biejem, 
ber  oieUeid^t,  fittlid)  betrad)tet,  {d)uIbIos  an  ber  Serrüttung  ber  eI)^ 
Iid)en  6emein{d}aft  i(t,  eine  Red)tS'Sd}uIb  fingiert  werben  mug,  um 
los  3U  kommen?  Ilur  bie  IDiebereinfüt^rung  ber  ur|prünglid}en  Be* 
jtimmungcn  bes  preufeifdjen  £anbrcdjts  unb  augerbem  eine  (Erroei* 
tcrung  öer  „rclatiocn"  Sdjeibungsgrünbe  über  ben  Kreis  ber  ganj 
groben  Dcrjtö^c  !)inaus  könnte  Hbljilfe  |djaffen.  Ilatürlid)  roäre,  im 
erjtcn  5^11,  aI|o  bei  Sdjeibung  roegen  „einfeitiger  unüberroinbliti^cr 
Abneigung",  ber  gegen  b^n  tDillen  bes  anbern,  aI[o  einfeitig,  bie 
$d)eibung  bcantragenbe  (Batte,  als  fdjulbiger  (Teil  im  Redjtsfinnc  3U 
be!)anbcln,  unb  müfete  aI|o  eoentuell  -  bann  nämlidj,  roenn  nid)t 
eru)cislic^  j  a  d)  I  i  d)  c  (Brünbe  im  3ntcreffe  ber  Kinbcr  eine  anber* 
toeite  Regelung  forbem  —  auf  bas  (Er3iel)ungsredjt  an  btn  gemein» 
famen  Kinbern  Der3id)ten.  Sc^on  bie  Ausfidjt  auf  biefen  Dcrluft 
u)üröe  u)o!jI  in  ber  Regel  genügen,  um  bem  Tniftbraudj  eines  leichteren 
$d)eiöungsrec^ts  3um  minbeften  auf  feiten  ber  5  ^  Q  u  oollftänbig 
ausreid)enb  Dor3ubeugen.  (Es  ift  niemals  erioiefen  roorben,  ba^  bie 
entfpred)enben  Beftimmungen  bes  £anbredjts  fo3iaIe  Iladjtcile  im  (b^ 
folge  geljabt  Ijättcn. 

3n  btn  IHotiüen  unb  b^n  Reic^stagsoer^anblungen  rourben 
für  bie  (Erfdjtoerung   ber  Sdjeibung  gegenüber   bem  preufeifdjen   unb 

')  §  1361  in  öcrbinbung  mit  §  1571  flbf.  1  Saft  1. 


M.  Das  (Ef^efd^eibungsproblem,  (pe5ieU  im  5eut|d}en  B(BB.     551 

aud)  öem  ba5tfd)en  £an5red)t,  bas  toenigftens  eine  Sd^eibung  auf 
(bxunb  gegenfeitiger  (EintDiUigung ,  mit  aüerbings  öu^erft  um* 
ftänblid)en,  langtoierigen  unb  löftigen  formalen  Dorausfe^ungen  3ur 
Derl^ütung  Ieid)tfertiger  Sd)eibungen,  bannte,  folgenbe  6ertd)tspunhte 
geltenb  gemad)t:  Dag,  „ber  d}riftlid)en  6efamtauffa{fung  bes  beutfd)en 
Dolftes  ent{pred)enb'',  bie  (Ef)e  „als  eine  Don  bem  IDillen  ber  (Et^e« 
gatten  unabt)angige,  Ttttlid^e  unb  red)tlid)e  ®rbnung  an3ufef)en''  unb 
,,if)rem  Begriff  unb  IDefen  nad)  unauflöslid}"  |ei^).  Dag  best^alb 
burd)  (Er(d)n)erung  ber  Sdjeibung  ber  Ieid)tftnnigen  (Ei^efd^Iiegung 
Dor3ubeugen  unb  ferner  barauf  [)in3un)irben  fei,  ba^  bie  Su^^ung  in 
ber  (Ef)e  felbft  eine  il^rem  tOefen  entfpred^enbe  bleibe,  ba,  „a)enn 
bie  (Ef^egatten  toiffen,  bag  bie  (El^e  nid)t  (eid}t  mieber  gelöft  toerben 
kann,  bie  £eiben(d)aften,  toeld^e  ben  IDunfd}  nad)  Sdjeibung  erregen, 
el}er  unterbrucbt,  ef)e(id)e  SertDürfniffe  leidster  mieber  be(eitigt  a)erben 
unb  an  Stelle  ber  IDillftür  bie  Selbftbe[)err|d)ung  unb  bas  Beftreben 
ber  (E!)egatten  treten,  fidj  ineinanber  3u  fügen**'.  Unb  [djlieglidj 
nod):  Dag  ber  Staat  im  3ntere{{e  ber  Kinberer3ie^ung  unb  ber  fitt« 
(id)en  Becoertung  ber  5^^u  bie  Stabilität  ber  (El^en  beförbern  müf|e. 

Betrad)ten  mir  3unad}ft  bie,  für  (Erfd^merung  ber  Sd^eibung  an* 
gefüf^rten,  prahti[d)en  unb  bann  bie  prin3ipiellen  (Krünbe.  Den  prahti« 
id)en:  5örberung  ber  Ueberlegung  unb  Selbftprüfung  oor  unb  ber 
Se(bftbis3iplin  in  ber  (E^e,  Sid^erung  if^rer  Beftönbigheit  im  3ntere{fe 
ber  5^<iuen  unb  Kinber,  hommt  3tDeifeIIos  groge  Bebeutung  3u. 
Der  (Kebanfte  an  bie  5^f^i9^^it  bes  einmal  gefd)Io{fenen  Bunbes 
h  a  n  n  bie  einanber  Begcl^renben  oor  ber  (Et)e  3ur  ern|ten  Selbftprü- 
fung treiben  unb  in  ber  (El^e  il)ren  IDillen  ftärhen,  miteinanber  3U 
DenDad)(en  unb  einer  bes  anbern  Sdjioädjen  3U  tragen.  Aber  bie  (Er- 
fat)rung  lel)rt  3ur  6enüge,  bag  ein  berarttger  oerftttlid^enber  (Einflug 
ber  prin3ipiellen  Unlöslid)beit  ber  (El)e  eben  bod)  nur  l)  i)  p  0  t  i)  e* 
t  i  f  d) ,  heinestoegs  aber  f^d^er  3U  erl^offen  ober  gar  nottoenbig  3U  er- 
warten tft.  lUan  braud}t  nur  an  bie  (Et)emoral  in  ben  fpe3tfifd>  ha* 
t[)olifd)en  £änbern  3U  benhen,  wo  ein  (baue  nid}t  burd)  bie  $urd}t 
Dor  bem  möglidjen  Derluft  bes  anbern  ge3Ügelt  wirb. 

flnbrerfeits  laffen  pdj  aber  aud),  gerabe  im  3ntereffc  einer  allge- 
meinen DerfittHd}ung  bes  Dolhes,  gemtditige  (Brünbe  gegen  bie  l)euti- 
gen    Sd)eibungsprin3ipien   geltenb  mad^en:   3n   bemfelben  Hlage  toie 

'j  motiüf  S.  562,  563. 
•»  niotiue  S.  56."^. 


552     (E!)ebrttib,  (E^e{d)etöung  u.  augere^elid^e  (Be{(^Ie(^tsbe3ief)ungen. 

6ic  (Erfdjtoerung  bcr  Sdjeiöung  6cr  leidjtflnnigen  (E^efc^Iiegung  oor« 
beugt,  mufe  fic  -  bas  rourbe  fd)on  oben  erörtert  -  6en  XHut  3ur  tjci« 
rat  in  öcn  Kreifen  getDiffen^after,  getftig  entroicfeelter  Iltenfc^en  oer» 
ringem.  3üngere  £eute  6er  intellefetueUen  Krei|e,  öie  fi^  getftig 
nodj  im  IDeröen  füljlen,  3ögem  Ijeute  ^äufig  nldjt  nur  aus  jtreber- 
^aftem  (Eljrgeis  un5  öfeonomifdjer  Bebadjtjamfeeit,  einer  früljen  Heigung 
3U  folgen,  fonöern  a  u  d}  unö  mit  Re(^t  öes^alb,  roeil  fle  Bebenden 
tragen,  fid)  lebenslöngltd)  an  ein  anberes  IDefen  3U  ftetten,  beDor  fte 
fid}  innerlid)  „fertig"  füllen.  3ft  es  aber  tDün{(^ensiDert,  bai  htm 
BIeigen)id)t  unferer  bie  f}eirat  erfd^toerenben  öftonomif(^en  Der^öttniffe 
unb  {03ialen  Prötenfionen  aud)  nod)  burd}  bie  Red^tsorbnung  pft^d^i* 
|d}e  f}emmungen  beigefügt  toerben?  Unb  mirb  bie  allgemeine  fittlic^ 
Kultur  toeniger  gefö^rbet,  menn  ber  {unge  ITlann  Don  ^eute  feine 
erotifdjen  Bebürfniffe  bei  ber  Dirne  ober  im  „Der^ältnis"  befriebigt 
unb  bas  junge  ntöbd^en  ber  ^ö^eren  Stönbe  |eelifd)  uerbümmert,  als 
tDenn  bas  (Be(e^  bie  ItTöglid^beit  gibt,  im  jugenblic^en  fUter  g^ 
fdjioffene  (E^en  o^ne  „(Eclat"  3U  löfen,  falls  ftd)  in  einer  fpäteren 
Cebensperiobe  ^erausf teilt,  bag  ber  Bunb  beinen  (EtDigbeitsioert  beft^t? 

SoDiel  ift  nad)  bem  {d)on  früt)er  (Befagten  klar:  Die  BefünDor» 
tung  früt)erer  (E^efd^Iiegung,  unb  bas  f}inn)irben  auf  bie  öhonomt|c^ 
inöglidjkcit  ba3U,  bebingt  nottocnbig  aud)  bie  Befürroortung  erleid^» 
tertcr  Sc^eiöung.  'D^nn  je  ^ö^cr  bas  HIIgemeinniDcau  feeltfdjer  unb 
intellektueller  Kultur  fteigt,  befto  l)ö!)er  fteigen  nottoenbig  audj  bie 
Hnjprüc^e  öes  (Ein3elnen  an  ben  inneren  6el)alt  unb  bie  IDaljrbeit 
einer  öauernben  £ebensgemeinfdjaft,  befto  Jdjtoerer  roirb  ber  (Ein* 
3clne  in  jungen  3a!jren  ben  unbefangenen  ITtut  für  einen  fein  gan5es 
$d)ickjal  unroiöcrruflirf)  beftimmenben  Schritt  finben.  Das  Risiko  ge« 
ringerer  (Eljeftabilität  mufe  eben  in  btn  Kauf  genommen  roerben,  es 
ift  oerglidien  mit  ben  5oIgen  bes  u)ilben  (Be|djIedjtsDerke^rs  burdjaus 
bas  geringere  moraIi|d)e  Uebel. 

Hber  aud)  ber  in  loarmer  Reigung  ge|d)Ioffene  Bunb  reifer  Dien* 
fd)en  gleid)t  in  geioiffer  IDeife  immer  einem  fja3arbfpiel,  fobalb  über* 
IjQupt  öer  Hnfprud)  erljoben  toirb,  ba^  bie  äußere  6emein(djaft  nun 
aud)  öauernö  burc^  bas  (Befül)!  innerer  3ufammengel}örigkeit  getragen 
|ei.  Die  (Empfinöungen  in  öer  Seit  ber  „jungen  Eiebe"  finb  fdjliefe« 
lidj  öurd)aus  kein  fid)res  Kriterium  bafür,  baß  pdj  audj  im  täglic^n 
3u[ammenleben  bie  (Temperamente  unb  alle  bie  3niponberabiIien, 
u)eld)e  öie  (Bejamtper(önlid)keit  ausmadjen,  auf  einen^  Ijarmonifdjen 


1^.  Das  <Ef)e(d}eU)ungsprobIem,  (pe5tell  im  öeutfd^en  B(BB.      553 

3u|ammenblQng  abftimmen  laffen.  Das  Spi)tnp:at|el  5er  (Ef)e  für  mo* 
6eme,  getftig  entmicbelte  inenfd^en  heftetet  eben  bartn,  5ag  ftd)  5te 
(hatten,  aud)  menn  5te  DerIobun9S3eit  lang  ift,  bod)  erft  nad)  ber  Be« 
grünbung  if^rer  £ebensgemein|d)aft  a)irftltd}  bennen  lernen,  alfo  im 
(Brunbe  erft  erfat)ren,  ob  fie  „für  einanber  beftimmt"  finb,  ©enn  il^nen 
biefe  (Etnfld)t  nid}ts  mef^r  nü^t.  Unb  bie  Sd^toere  btefes  Problems 
wirb  um  fo  ftörber  ins  RIIgemeinbeiDugtfein  treten,  je  allgemeinere 
Geltung  bas  poftulat  ber  ^(Einl^eit  ber  Seele  unb  Sinne"  als  lUag- 
ftab  bts  IDertes  ber  ein3elnen  (Et)e  getoinnt,  je  met)r  pe  aus  einer 
bloßen  dftonomifd)en  unb  fei^uellen  3ntere{fengemein|d)aft  5u  einer  ptt- 
Iid)'geiftigen  Be3ief)ung  toirb,  Don  meldjer  ber  (Ein3elne  forbert,  ba^  fie 
bie  gan3e  5^11^  feines  perfönlid^en  Dafeins  umfd)Iie6t  unb  i^n  Don 
ber  Unrui)e  ber  nieberen  Sinnlid)fteit  befreit. 

3n  ber  Dergangent^eit,  als  bei  allgemeiner  geringerer  $eint)eit 
bes  6efü[)lslebens  bie  ITIenfd^en  meit  niebrigere  Anforberungen  an 
bie  (Ef)egemeinfd)aft  ftellten,  fd)uf  i^re  prin3ipielle  llnauf(öslid)heit 
aud)  meniger  Probleme.  Dor  allem  trug  fid)  eben  bie  £aft  biefer 
Hed)tsorbnung  aud)  bes^alb  leidster,  meil  bas  Sittengefe^  für  meniger 
Derbinblid)  gef^alten  mürbe  als  l)eute.  Der  oerl^eiratete  lUann  unb, 
in  ben  geiftig  füi^renben  Sd)id)ten,  oielfad)  aud)  bie  oeri^eiratete  Sxau 
—  man  benhe  nur  an  bie  lUaitreffeniDirtfdjaft  ber  ijöfe  bes  18.  3al)r- 
[)unberts  -  nai)men  fidj  nidjt  feiten  fhrupellos  bie  Steilheit,  it^re  ero» 
tifd^en  Bebürfniffe  augerl)alb  il)rer  (El^e  aus3uleben,  ol)ne  bag  bie 
0effent(id)iieit  Rnftog  baxan  nal)m.  (Krabe  aud)  neben  ber  Ruffaffung 
ber  (El)e  als  Sabrament  war  bie  Derle^ung  ber  funbamentalen  el^e* 
Iid)en  Q[reuepflid)ten  eine  regelmäßige  (Erfd^einung.  Hod)  l^eute  be* 
rui)igt  fid)  \a  in  hatl)oIifd)en  £änbern  bas  (KetDiffen  bes  (Ein3elnen  unb 
bas  öffentlid)e  HormbetDU^tfein  l)aufig  mit  ber  Rufred^tert^altung  ber 
äußeren  5orm  el^elid^er  ©emeinfdjaft,  ol^ne  ben  flnfprud)  3u  ert)eben, 
ba^  i[)r  aud)  bie  inneren  Be3iet)un9en  ber  6atten  entfpred^en,  roab* 
renb  ein  oerfeinertes,  nadj  IDat}ri)eit  ber  £ebensfül)rung  ringenbes 
fittlid)es  BeiDußtfein  biefen  Kontraft  als  fd^mereres  Dergel)en  am  (Sat- 
ten unb  an  ber  (Eljemoral  empfinbet,  als  bie  iiöfung  bes  Banbes.  - 

(KetDiß  können  (Satten,  bie  bas  erl^offte  oollc  £ebensglüdt  nid)t 
miteinanber  finben  -  fobalb  fie  Kinber  beji^en  -  ni*t  oon  ber  f  i  1 1« 
I  i  d)  e  n  Pflid^t  entbunben  roerben,  alles  3U  tun,  um  if^re  Cebensge« 
meinfd)aft  bennod)  aufrcd}t3uerbalten  unb  erträglid)  3U  geftalten.  Unb 
bas  gemcinfame  DeranttDortIid)heitsgefü[)I  für  bas  Sd)idtfal  ber  Hin« 


554      (E^ekritih,  (Et)e{d)etbun9  u.  augeret^eltd^e  (Bef(^Ied}tsbe5iet)un9eiL 

ber  kann  aud)  {oldjen  (E^en,  benen  bie  Sonne  tiefinnerltd^en  (blüdis 
feljlt,  pojitiocn  ctl)ifdjcn  IDcrt  unb  IDürbe  Derletf)en.  IDcr,  roic  5.  B. 
(Ellen  Kei),  bas  Pf  I  td)t gefügt  als  S^^^^^t  e^elid^er  Bestellungen 
überhaupt  aus(d)alten  tDiII,  gibt  ben  3nbtDtbuen  einen  S^^i^^ef,  |i(^ 
rü(bftd)tsIos  einer  auf  bie  Koften  bes  anbern,  unb  ber  ertoac^fenen 
Generation,  Jidj  auf  Koften  ber  roerbenben  „aussuleben".  Statt  jie 
5u  förbern,  5er{e^t  er  bamit  bie  elementarften  Bebingungen  un{erer 
gansen  (e|rual*et^ifd)en  Kultur.  (Eine  anbere  5^<^9^  M^  aber  bod),  ob 
{oId)e  gan5  inbioibuell  gearteten  (ittlidjen  Derpflid)tungen  nun  not> 
toenbig  aud)  in  einer  fo  (d)emati(d)  toirbenben  Red)tspflid}t,  toie  (ie 
bie  prin5ipielle  Unauflöslid)keit  ber  (El}e  ift,  oerbörpert  merben  (ollen. 
Das  burd)  bie  Aufred)terl}altung  einer  unbefriebigenben  ober  gar  un< 
glüdilid)en  (Et}e  bargebrad)te  ®pfer  an  inbioibuellem  £ebensglü&  ge* 
roinnt  bod)  erft  bann  ben  IDert  einer  { i  1 1 1  i  d)  e  n  (Eat,  roenn  es  bas 
Re(ultat  eines  roenigftens  relatio  freien  (Entfd)lu{fes,  nid}t  aber,  iDie 
je^t,  Refultat  eines  ein  für  allemal  befte^enben  Smanges  ift  -  Cs 
mug  aber  aud)  3ugegeben  toerben,  bog  es  eine  5uIIc  unberechenbarer 
ITTomente  gibt,  tDeId)e  nid)t  bie  Aufredet  er  Haltung  ber  £ebensge> 
mein(d)aft,  fonbern  umgekehrt  i^re  £ö{ung  als  pofttioe  Pfli^t  empftn* 
ben  laffen,  o^ne  ba^  bie  ©atten  eine  greifbare  Anklage  gegen  einanber 
befi^en.  Hudj  für  foId}c  5äIIe  mufe  es  eine  Befreiung  geben,  benn 
ber  Staat  \)at  ntc^t  bas  Rcdjt,  „im  3nterene  ber  Stabilität  ber  (Eljen" 
bie  3nöiDibuen  3ur  langfamen  SeIbftDernid)tung  unb  (Entroürbigung 
iljrcs  Selbft  3U  3U)ingen.  Dies  ijt  für  einen  befonberen  ß^^  burdj 
Hufnaljme  ber  (Beifteshrankljeit  -  toenn  fie  brei  3abre 
geöauert  Ijat  unb  bie  „geiftige  (Bemeinfc^aft"  oljne  Husfidjt  auf  beten 
IDieöerljerftcIIung  „aufgeljoben"  \)ai  -  unter  bie  (El)e(djeibungsgrünöe 
Qud)  birekt  im  (Be(e^  anerkannt.  (Es  ift  unoerftänblidj,  ba^  ber  S^D 
einer  nid)t  unter  btn  Begriff  ber  „(Beifteskrankljeit"  fallenben  (Il)arak' 
terentcDidilung  eines  (Eljegatten,  berart,  ba^  fie  bie  Rlöglic^keit  geifti» 
ger  unb  fittlid)er  (5emein|d)aft  enbgültig  aufljebt,  nur  bann  bie  glei« 
6)en  Konjequen3en  l^ahen  foll,  toenn  birekt  ein  „eljrlofes  ober  un« 
fittlic^cs  üerljalten"  äufeerlid)  oorliegt.  (Es  ift  3.  B.  klar,  bafe  (c^on 
beim  fubjektioen  5el)len  ber  perfönlidjen  Hdjtung  ber  Gatten  oor 
einanber  bie  Derjagung  ber  „eljelidjen  Pflicht"  nidjt  fittlidj  fdjulbljaft  ijt, 
iljre  Dertoeigerung  oielmeljr  burdj  bie  ITIenfdjentDÜrbe  geforbert  roerben 
l^ann.  Der  Begriff  ber  (E  l)  r  c  ferner  ift  toefentlidj  konoentionellen  3n' 
Ijalts.    (Es  braud)t  ein  üerljalten  aber  burdjaus  nidjt  in  biefem  hon« 


li.  Das  <EI)e|d}eibungsprobIem,  {pe3ten  im  öeut|(^en  B(BB.     555 

DenttoneUen  Sinn  „ei^rlos''  3U  fein,  un5  bann  5od)  genügen,  eine  fein 
entmicbelte  S^<^^  3U  foltern,  ii)T  ieöe  Ad)tung  für  5en  6atten  unmög« 
lid)  un5  bie  S^ttfe^ung  6er  (El)e  für  fie  öireht  unfittlid)  3U  mad^en. 

Der  öurd)  öie  Ilotmenbigheit,  ein  „grobes"  Der|djulben  auf3U- 
{puren,  er3n)ungene  Sormalismus  ift  l)ier  unertröglid). 

IDas  nun  fd^Iieglid)  bie  in  ben  ITIotiDen  3itierte,  bas  gegenmär* 
tige  Sd)eibungsred)t  beftimmenbe,  prin3ipiene  ^d)ri|tlid)e''  Auf« 
faffung  ber  (Et^e  als  einer  bem  IDillen  ber  (Balten  entrücbten  „i)öi)eren 
Orbnung"  betrifft  -  {0  enti^alt  fie  eine  metapi)t)rtic^e  f}t)poftarterung 
bes  (E^eibeals,  bie  fid)  ber  oerftanbesmögigen  (Ertoägung  ent3iel)t  unb 
gan3  ebenfo  toie  it^re  Auffaffung  als  Sakrament  in  le^c^ter  £inie  6 lau* 
bens|ad)e  ift.  3^re  Anerkennung  ober  Ablel)nung 
mug  bai)er  Angelegenheit  bes  (Ein3elnen  bleiben. 
Der  Staat  !)at  toeber  bie  lUad^t  nod)  aud)  bas  Red)t,  fie  btn  3nbi> 
Dibuen  auf3u  3  o)  i  n  g  e  n  ,  besi)alb  barf  er  \ie  anä)  nid)t  als  (Brunb* 
läge  feiner  6efe^gebung  feftf^alten.  Unb  man  hann  [xdi  nid}t  barüber 
töufd^en,  bog  bie  aus  jenem  Dogma,  abgeleiteten  gefe^geberifd^en  3been 
i)eute  nid)t  mel)r  bie  Kraft  befi^en,  bas  Anfef^en  ber  (Ei)e  als  3nfti' 
tution  3U  fteigern.  Dielmel^r  bieten  grabe  fie  bie  a)id)tigften  Stügpunhte 
aller  fid)  gegen  ben  IDert  ber  (El)e,  als  ftattlid)  gefd^ü^ter  3nftitution, 
rid}tenber  Kritik.  Die  Red)tsorbnung  foüte  fid)  befd)eiben  -  eben  fomie 
gegenüber  ber  inneren  Struktur  ber  (El^e:  ben  Be3iet}ungen  ber  (Sat- 
ten 3ueinanber  ,  fo  aud)  in  be3ug  auf  il^ren  äuf^eren  Sufammenhang 
it)re  unb  ber  Kinber  konkrete  praktifdje  3ntereffen  miteinanber  3U 
balancieren  unb  ber  l}errfd}aft  ber  nieberen  (Triebe  Sd)ranken  3U 
fe^en.  3i)re  metapl)i)fifc^e  Deutung  unb  Steigerung  aber  foUte  b^n 
religiöfen  unb  fittlid)en  Hläd^ten  überlaffen  bleiben. 

Die  ökonomifd^en  (Brunblagen  ber  (El^e  t^alten  biefe  ot)nel)in 
in  einer  nur  all3u  großen  5at)I  oon  5önen  3ujammen,  wo,  rein  fitt« 
lid)  betrad)tet,  il)re  £öfung  3U  forbern  märe.   - 

Die  5^<^9^  ^^^  Sd)ranken  für  bie  Sd^eibung  foUte  alfo,  alles 
in  allem,  ausfd)lteglid}  nad)  f  a  d)  ( i  d)  e  n  (Beftd)tspunkten  erlebigt 
roerben,  oor  allem  unter  Bcrüdifid)tigung  bes  3ntereffcs  i'^er  K  i  n  b  e  r 
Diefe  aber  kommen,  wenn  man  eine  innerlid)  3errüttete  (El^e  nur  bes* 
t)alb  3ufamment)ält ,  coeil  keiner  ber  (f)atten  fid)  3U  einer  ..fdimeren 
Pflidjtoerleftung"  ober  3U  einem  „eljrlofen  unb  unfittlidien  Derbalten" 
l)inreiBen  lägt,  gan3  entfd}ieben  3U  kur3.  (Es  mirb  in  ber  niet)r3af)I 
ber  5äne  für  fie  ungleid)  beffer,  oft  grabe3u  fittlid^e  £ebensfrage  fein. 


556      (E!)ekritib,  (Et)e{d)etöun9  u.  augeret^elid^e  (Be{(^Ie(^tsbe3tei)ttngen. 

ba^  [xe  bem  (Einörucb  fener  Uletnlid)beit  unb  6e^a(figbett,  coie  fie  ft(^ 
grabe  stDtf d)en  serf allenen  (E!)egatten  etn5u{tellen  pflegt,  entsogen  toerben. 
man  ©erlange  -  roie  es  ber  €obe  tat  —  bafe  eine  <Ef)t  bereits  einen 
getDiffen  Seitraum  gebauert  ^abe,  e^e  bie  $xaqz  ii^rer  Sc^eibung 
ot)ne  Hnfü^rung  eines  Derfd)ulbens  aufgetoorfen  toirb.  ITlan  {teile  femer 
5örmlidjkeiten  fcft,  roeldje  bie  (Ernftlidjfeeit  unö  Dauer  bes 
Sd)eibungs«(Ent{d)luffes  un5rDeibeutig  beftunben.  Ulan  laffe  enblid}  bos 
Sd)eibungsDerfa!)ren  erft  feinen  6ang  nehmen,  coenn  eine  Regelung 
ber  Derljältniffe  ber  K  i  n  b  e  r  getroffen  roorben  i[t,  bie  öem  Dormunb« 
fc^aftsgeric^t  für  beren  3nterene  geeignet  erfdjeint.  Iladj  biefen  Doraus« 
{e^ungen  aber  {oute  (ocdo^I  bie  gegen|eitige  (EtniDilligung,  als  aud^, 
unter  eoentuell  nod)  {d)arferen  Kanteten,  bie  einfeittge,  als  »unüber* 
roinblid)"  erprobte,  Abneigung  als  (Et)e{d}eibungsgrunb  5ugelajfen 
roerben.  Das  6efe^  ^at,  kird)Ii^en  Dogmen  5U  liebe,  neben  ber 
Sc^eibung  tDat^Iroeife  bie  bauernbe  „Sd^eibung  Don  (Etf(^  unb  Bett' 
5ugelanen,  unb  .bas  ^eigt  für  ben  größten  (Eeil  Deutfd^Ianbs:  neu  ein* 
gefül)rt^):  -  es  barf  beanfprud)t  toerben,  bai  es  auf  bie  {eeli{(^ 
Hot  moberner  ITten{d)en  n)enig(tens  bann  Hii(bfid}t  ne^me,  toenn  ba« 
burd)  toeber  bie  3ntereffen  ber  Kinber  nod}  bas  ftd)erli(^  fosiol  b^ 
red)tigte  Bntereffe  baran,  ba^  bie  (Et}e  ni(^t  ein  Objekt  Don  Augen* 
blidislaunen  bilbc,  Dcrlc^t  roerben.  (Eine  etu)atge  Sunal^me  ber 
(El)c|d)cibungcn  infolge  i!)rer  (Erleidjterung  roürbe  burdj  bie  größere 
ftttltd)e  Rcin!jeit  ber  b  c  jt  c  1}  e  n  b  c  n  (El)en  in  i^rer  -  angeblidjen  - 
Bcöcnklic^kcit  für  bie  Dignität  ber  (Elje  als  Redjtsin|titut  aufgeroogen. 
Sie  u)ürbe  in  iljrer  Bebeutung  überbies  burdj  btn  Umftanb  t)erabge< 
je^t,  ba^  leidjtere  Cöslic^keit  ber  (El)e  audj  ben  (Entfc^Iufe  3ur  (t^t- 
fd)Iieöung  oft  erleichtert,  bie  (Elje  alfo  propagiert.  — 

lDeId)e  (Eragroeite  überljaupt,  rein  ftati|ti|dj  betradjtet,  bie  3u^ 
laffung  ber  Sc^eibung  auf  (Brunb  „gegenfeitiger  (Einroilligung''  ober 
„unüberroinblic^er  Abneigung"  für  bie  (El)eftabilttät  traben  roürbe, 
ift  natürlid)  mit  Sicfjertjeit  nid)t  aus3umac^en.  3mmerl}in  mag  roenig» 
ftens  auf  einige  (Eatfac^en  oerroiefen  roerben,  rocldje,  bie  ITIeinung  ber 
(Beje^esreöaktoren,  ba^  bie  Sulaflung  oon  (El^efdjeibungen  o^ne  pro» 

')  §  1576  („flufl^ebung  ber  cl)eli(i}en  ©cmcinjdjaft).  Die  Regelung  i|t 
nadj  6cm  nTu|tcr  ber  anbrcn  (3.  B.  ber  fran3ö|i|(ljen)  6e|e^gebungen  öaljin 
erfolgt,  bog  es  jebem  (E[)egatten  erlaubt  ijt,  nad)trägltd)  bie  Separation  in 
eine  DoIIe  Sd)ei6ung  ummanbeln  3U  Ia|{en  unb  {0  bas  Hed}t  5er  anbtx* 
toeiteren  Deret)elid)ung  3U  ermerben. 


H.  Das  <Ef)ef(^ei5ungsprobIem,  ipe3ieU  im  5eut{d}en  B(BB.     557 

3e{fuQl  nad^toeisbare  S  d)  u  I  ö  ,  insbefonbere  auf  (bxunb  von  gegen- 
{etttger  (EtntDtlligung,  5U  enthröften  geeignet  [inb^),  Don  allen  Auf- 
löfungen  Don  (Ei)en  toaren  in  Baben  nid}t  burd)  ben  lob,  |onbern  burd} 
Sd^eibung  t^erbeigefül^rt:  im  Durd)fd)nttt  ber  3a[)Te  1866-%  jäf^rlid) 
90-:  1,00%,  1887-96:  143  1,46%,  1890-99:  176  -  1,81«;. 
Die  Sd)eibungsquote  |tieg  a(|o  tro^  gleid)bleibenben  Sd}eibungsred)ts 
unb  imax  mefentlid)  infolge  ber  Sunaf^me  in  btn  Srogftäbten  (ITIann' 
i)eim  unb  Karlsrui^e)  unb  3nbuftriegebieten  (£örrad),  Pfor3i)eim).  Die 
Ab(d)affung  ber  bis  bat)in  be(tanbenen  Sdjeibung  auf  6runb  gegenfeitiger 
(EtntDilligung  burd)  bas  B(BB.  f)at  bie|es  -  übrigens  bei  fo  niebrigem 
Anteil  ber  Sd)eibungen  ftd)erltd)  in  beiner  tOeife  beunrul)igenbe  - 
Steigen  nid)t  im  minbeften  oerlangfamt:  1900  mürben  193  1,83  "o, 
1901:  213-=2,10^'„,  1902:  244  —  2,42%,  1903:  261  2,54",,  ber 
(Ei)en  burd)  Sdjeibung  gelöft.  Auf  100000  beftet^enbe  (Ei)en  bamen  in 
Baben  188185:  34,  1886  90:  45,3  Sd)eibungen.  Baben  {tanb  bartn 
toeitaus  günftiger  als  bie  Gebiete  bes  preugifd^en  £anbred}ts  (auger 
IDeftfalen),  too  bie  Sd)eibung  auf  grunb  gegenfeitiger  (EintDilligung 
nur  bei  Kinberlofigbeit  ßugelaffen  war,  unb  biefe  toieber  toeitaus 
gönftiger  als  Sad)fen,  cdo  |ie  garnid^t  beftanb,  beffen  (Ei)e{d)eibungs* 
3iffer  (158,2)  aber  nur  t^inter  Berlin  unb  ben  l7anfaf tobten,  in  meld) 
(enteren  fie  ebenfalls  nid)t  beftanb,  3urüdiblieb.  IDie  bie  Befeitigung  ber 
(E[)e|d)eibung  auf  grunb  gegenfeitiger  (Einmilligung  (bei  hinberlofen  Paa« 
ren)  unb  megen  „unüberminblid^er  Abneigung"  in  Berlin  gemtrht  l^t, 
kann  man  aus  folgenben  3al)Ien  entnef^men:  Die  ,.unüberminblid)e 
Abneigung"  fpielte  fc^eibungs|tati{tifd)  eine  fel^r  geringe  Rolle.  3n 
Berlin  hamen  ial)rlid)  40  50  Solle,  im  ITIarimum  3mifd)en  1885  unb 
1900  einmal  77  S^Ue,  cor.  Die  „gegenfeitige  (Einmilligung"  fd^manftte 
ial^rlid)  im  gleid^en  Seitraum  3mt|d)en  117  unb  457  SäHen,  bas  3^4^ 
1899  mit  bem  Illairimum  oon  581  Sollen  mar  burdj  bie  beoorfteljenbe 
Befeitigung  biefes  Sd^eibungsgrunbes  d^orahteriftiid)  bejtimmt.  Die 
(Be|amt3al)I  ber  (El)e(d}eibungen  jtieg  oon  735  im  3al)re  1887  auf 
1898:  1447,  1899:  1608,  olio  mefentlid)  fd}neller  als  bie  Beoölkcrung 
bes  (Berid)tsbe3irhs.  Sie  |anh  nod)  3nhrafttreten  bes  BCPiB.  auf  936 
im    3at)re   1900,   984  im   3al}re    1901,   uub  3roar    mefentlid)  burc^ 

')  Dab  übrigens  ein  (Ef)eid)ci5unci$9f|c^gcber  es  ciänjlid)  unterlöfjt,  6te 
Statiftih  3.  B.  5ie  boöifcbc  über  b'\t  IPirhung  ^er  ^ulafiung  btx 
<Et}c{d)ft6ung  auf  (I)run^  gcgcnicitigfr  Uebcreinitimmung  ju  konfultieren.  ift 
eigentlid)  fin  ftarhfs  Stüdt. 


558      (E^ebritik,  (El^eld^eibung  u.  augere^eltd^e  (Be{(^Ied)tsbe3iei)ungen. 

9Qn5lid)en  IDegfall  ber  Sd^eibung  auf  grunb  Don  „gegenfettiger  (Ein> 
tDinigung",  „unübertDtnbItd}er  Hbneigung",  unb  burd)  (tarbe  Abnat^me 
ber  Sd}eibung  toegen  ,,böslid)er  Derlaffung",  festeres  offenbar  infolge 
ber  ftrengeren  Prüfung  ber  „(Emftlidjheit",  »eldje  bie  neuen  gefe^Iic^n 
Beftimmungen  mit  fid)  bradjten.  Dafür  ftiegen  aber  bie  „Anfechtungen* 
ber  (Bültigbeit  oon  (E^en  auffaüenb  unb,  oor  allem,  (teilte  fld)  tro^  ber 
abfoluten  Abnahme  ber  (E^efd^eibungen  ein  ftarkes  abfolutes  (unb  alfo 
nod)  ftörkeres  relatioes)  (Emporfd}neIIen  ber  (E^ebruc^s klagen  unb 
»fdjeibungen  (1899:  476,  roas  etroa  bem  Durdjfdjnitt  ber  90er  3aljre 
entipridjt,  1900:  643,  alfo  h  35,1%  in  einem  3aljre,  1901:  663) 
ein.  (Es  erfd^eint  bod)  n)ot)l  me^r  als  fraglid},  ob  b  i  e  s  (Ergebnis 
geeignet  ift,  bie  Befeitigung  ber  „gegenfeitigen  (Eintoilligung"  als  Sc^i> 
bungsgrunb  in  ein  günftiges  £id)t  5U  ftellen. 

(Es  kann  getoig  nid)t  Aufgabe  bes  (Befe^gebers  fein,  burd)  all3u 
grofee  formelle  (Erleidjterung  ber  freitoilligen  (Trennung,  roie  in  mand^ 
amerikani{d)en  Staaten,  aud}  foldjen  Be5iet)ungen,  toel^e  Don  Domberein 
nur  (5elegen^eitsd)arakter  tragen,  3U  geftatten,  fid)  hzx\.  Stempel  ber 
>respcctabilit\<  3U  eriDerben.  Aber  auf  ber  anbem  Seite  ift  h(s& 
Prin5tp,  nur  toegen  „Sd}ulb",  unb  bann  natürlid)  nur  megen 
fd)iDerer  Sdjulb,  Sdjeibungen  3U3uIaffen,  geeignet,  \itx^.  inneren  (bt* 
\\QXi  unb  bie  Reinfjcit  ber  (E^e  3U  [djäbigen,  unb  3U)ar  roefentlicb 
auf  Heften  ber  %x(x\x  unb,  oft  genug,  ber  innerlidjen  3ntereffen  ber 
Kinber.   - 

IDir  !)aben  uns  3um  Sc^Iufe  nod)  3U  erinnern,  baft  eine  (Elje  au^er 
burdj  Sc^eibung  auc^  gelöft  roerbcn  kann:  1)  Durdj  „ITidjtigkeitser« 
klärung"  —  im  5^^  ber  (Eingel)ung  gegen  gefe^Iidje  (Eljeoerbote: 
DoppeIe!jcn,  (E!)cn  3U)ifc^en  Dertoanbten  unb  Derfdjtoägerten  in  grober 
£inie  ober  Doli'  ober  f}aIbgefd)tDiftem:  §  1310,  3iDifdjen  3U)ei  bes  (EIJ^ 
brud)s  jdjulbigen  (Teilen:  S  1312)  ober  mangels  gültigen  Abfdjiuffes 
iebcr3eit,  —  unb  2)  burd)  „Anfcd)tung",  binnen  6  lUonaten.  Die 
erftere  intereffiert  uns  für  unfere  3u)edie  nid)t  im  ein3elnen.  —  Don  ben 
Sollen  ber  3uläf|igkeit  ber  „Anfed)tung"  ^aben  einige:  Drohung,  3n« 
tum  in  ber  3bentität  ber  Per|on,  3^Ttum  über  ben  Sinn  bes  Aktes 
als  eines  (Eljejd)Iuffes,  Abfc^Iuß  burd)  einen  in  ber  6efdjäftsfäljigkeit 
Be|d)ränkten  ebenfalls  kein  be|onberes  3ntereffe  für  uns.  —  An  ber 
bei  ben  Beratungen  oiel  umftrittenen  Beftimmung,  \ia^  im  5^11  „arg« 
liftiger"  (Eäufc^ung  eines  (Batten  über  Umftänbe,  roeldje  i^n  „bei  oer» 
ftänbiger   tDürbigung   bes   IDefens   ber  (Elje"   oon   i^rer  (Eingel)ung 


H.  Das  <Ei)e(d)eibungspTobIem,  |pe3ien  im  5eut|d)en  B(BB.    559 

abgel)altcn  l)ättcn,  bei  lUittDincnfdjaft  bes  anbem  ©atten  bie  (E^c 
an|ed)tbar  fein  (oll,  intcre|ficrt  roefentlid)  bie  Be|timmung  (1$  1334 
Rb\,  2),  tDeId)e  eine  (Eäufd^ung  über  bie  DermögensDert^ältniffe  aus* 
brücblid}  ausfd)Iiegt.  -  $  1333,  toeld^er  aud)  ben  3rrtuni  über  ,,per' 
fön(id)e  (Eigen{d}aften''  als  flnfed)tungsgTunb  gelten  lögt,  mar  bei  ber 
Beratung  nod)  (ebf^after  umftritten.  Uns  interefftert  baran  mefentlid) 
bie  f)anbi)abung  in  ber  Pra|ris.  6etDi{fe  baran  [xd^  bnüpfenbe  $ragen 
fallen  unter  bas  allgemeine  Problem  Don  ber  ,,boppeIten  ITIorar'. 
Das  Retd)sgerid)t  i)at  fe^Ienbe  3ungfrau(id)beit  ber  Braut  als  einen 
im  Sinn  bes  §  1333  ©efentlidjen  Defeht  angefe^en.  fe^Ienbe  leptelle 
Heinl)eit  bes  Bräutigams  bagegen  nid)t.  Diefe  5^09^  ^^^  Dtrginitöt 
t)at  eine  lange  Dorge|d)id)te.  3m  (Begen|a^  gegen  ausbrüdtlid^e  Be> 
[timmungen  bes  banoni{d}en  Red)t$,  tDeId)es  3rrtum  über  bie  Dirgini« 
tat  nid}t  als  toefentlid)  anfa^,  traben  proteftantifd^e  Kird^enredjtslel^rer 
ii)n  für  ert)eb(id)  erad)tet.  Dag  nur  bie  {ei^uelle  Unberüt^rtl^eit  ber 
Braut  in  S^^%^  ^^^,  uerftanb  fid)  babei  Don  felbft.  5ur  bas  (Bebiet 
bes  preu6i(d)en  £anbred)ts  t^atte  bas  ®bertribunal  bie  gleidje  Unter* 
|d)eibung  bei  ber  Sd)tDanger[d)aft  ber  Braut  unb  Dori^anbenfein 
eines  unei)elid)en  Kinbes  bes  Bräutigams  gemad)t.  Das  öfteneid^i- 
{d)e  bürgert.  6e(e^bud)  $^  58  mad)t  fie  ausbrüdilid),  aber  aud)  nur 
für  ben  S^^t  ^<^^  bie  Braut  ^Don  einem  anbem  gefd^tDöngert"  be« 
funben  Q?erbe.  (Es  würbe  alfo  burd)a)eg  ein  Derfd)iebenes  lUag 
von  Rufrid}tigfteit  unb  moralifd^em  ITlut  Don  ben  Brautleu> 
ten  geforbert,  unb  imax  bas  größere  Don  leiten  ber  Braut.  ITlan 
mug  bebauern,  ba^  bas  Reid)sgerid}t  an  biefem  unftttlid^en  unb  ge* 
fd)led)tsegoiftifd)en  Stanbpunbt  feftgei^alten  unb  il)n  in  bas  B6B.  l^inein- 
unterpretiert  !)at.  (Ein  lUäbd^en  Don  gejunbem  (Empfinben  toirb  nid^t 
ben  p!)ari(aismus  befi^en,  i!)ren  Bräutigam  lebiglid)  besl^Ib,  roeil 
er  einer  menid)Iid}  ed)ten  Ileigung  nad^gegeben,  ober  oieUeid^t  feiner 
([riebe  einmal  nidjt  IHcifter  geblieben  ift,  loenn  bies  il^r  oon  it)m 
offen  anvertraut  toirb,  -unb  wenn  fie  pdjer  ift,  ba^  er  im  um- 
gebel^rten  S<^^  bas  (Bleid^e  gelten  laffen  mürbe,  -  oon  fid)  3U 
ftogen.  tOas  aber  allerbings  eine  ooll  entmidtelte  $rau  mit  il^rer 
Selbftad)tung  nid)t  oereinbar  finbcn  mirb,  ift  bie  f}ingabe  an  einen 
ITIann,  ber  fät)ig  ift,  gefdjled)tlid)e  Be3iel}ungen  als  einen  flht  bi}gie- 
nifd)er  Körperpflege  3U  beljanbeln  unb  bies  -  meil  „audj  ftnbre  es 
tun"  -  als  fein  „Red}t"  in  flnfprudj  nimmt.  Damit  follte  aud)  ber 
fittlid}  empfinbenbe  Rid)ter  red)nen. 


560     (Et)ebrittbr  (Et^efd^etbung  u.  augere^elic^e  (Bef(^Ie(^tsbe5tet)ungen. 

C. 

(Es  bleibt  uns  nun  nod}  öte  Stellung  öerienigen  Kinber,  öie  einer 
nid)t  legalifterten  6efd)Ied)tsbe3ie^ung  entfprungen  ftnb,  unb  bie  it^rer 
ItTütter,  5u  erörtern.  Die  (Befd)led)tsbe3ie^ungen  (elbft,  bie  babei  in 
5rage  kommen,  können  ftttli^  ie^r  Der{d}tebenen  €f)araftters  fein.  Cs 
kann  fid),  toie  auf  bem  £anbe  ungemein  oft,  um  flnttsipation  ber 
beabfid)tigten  (E^e  ^anbeln,  ober  um  faktifd)  monogame,  ber  £iebe 
entfprungenc,  „Derljältniffe"  (loilbe  (Eljen),  um  Xnaitreffen  ober  um 
es  ^ier  nid)t,  unb  best^alb  allein  fd)on  kann  für  bie  generelle  itd^U 
Iid)e  Be^anblung  nid)t  bie  Sorge  für  bie  in  augere^eli^er  Be3iet)un9 
lebenbe  $rau,  fonbern  bie  für  bas  Kinb,  unb  nur  inbirekt,  burc^ 
Sürforge  für  biefes ,  aud)  für  bie  IHutter ,  ben  Ausgangspunkt 
bilben.  (Einen  gefe^Iid)  erstoingbaren  Anfprud)  Dermögensred)tli(^n 
3nt}alts  auf  (5runb  ber  biegen  (Eatfad^e  bes  (Befc^lec^tsoerke^s 
5U5uIaffen,  toirb  fid)  bie  Red)tsorbnung  fd^toerlid)  entlc^Uej^en  0-  Da* 
gegen  feilte  fid),  angefid)ts  ber  (Eatfadje,  bog  in  Deutfc^lanb  jö^r* 
lid)  ca.  180  000  augerel^elid)  geborene  Kinber  oor  bem  Untergang 
3U  beroal^ren  finb,  ber  (Befe^geber  lebiglid)  burd)  bie  3bee  bes 
gan5  5uföIIige  (5elegen^eitsbe5ie^ungen.  (Ein  formales  ITIerkmal  gibt 
Sd)u^es  biefes  gecoalttgen  Bruchteils:  eines  Sroölftels  bes  natio< 
nalcn  nac^u)ud)|cs,  Dor  (Entartung  leiten  laffen,  bagegen  alle  bi^ 
jcnigen  |ejuaI«moraH|d)en  (Ertoägungen  in  ben  fjintergrunb  brängen, 
mit  öenen  man  bisljcr  iljre  J03iale  Deklaffierung  unb  bie  ITIeljrbelC' 
ftung  ber  ITIutter  gegenüber  bem  Dater  3U  redjtfertigen  oerfudjt  Ijat. 
Dic|e  (Ertoägungen  jinb  überöies  jdjon  besljalb  fo  überaus  problematiid}. 
toeil  jic  gan3  naio  baoon  ausgeljen,  bog  nid)t  etwa  an  ben  angeb« 
Hd)  „gciftig"  überlegenen  DI  a  n  n ,  fonbern  allein  an  bas  lU  ä  b  dj  e  n 
bie  Zumutung,  jid)  bie  5oIgen  iljres  Sdjrittes  3U  ,, überlegen",  gefteüt 
roerben  muffe,  ba^  aljo  (Entlaftung  bes  Hlannes,  Belaftung  bes  ITIäb' 
d)ens  mit  ben  ökonomifd)en  Konfequen3en  bes  uneljelidjen  Derkeljrs 
bas  geeignete  mittel  3um  3iDedie  [einer  (Einfc^ränkung  jei. 

(Ein  c^arakteriftifd)es  Dokument  für  foId)e  Anfdjauungen,  roie  jie 
'  früljer  burd^toeg  bie  Red)tslage  ber  uneljelidjen  Kinber  beftimmt  Ijaben, 

')  Die  une{)clid}c  Hluttcr  als  |old)c  kann  nad)  B6B.  nur  6ie  Kojtfn 
öer  (Entbinöung,  Untcrl)alt  für  |crf)s  XDod^cn  nadj  ber  (Enlbinbung  unb  ftuKi 
jonjt  cntjtanöcnc  notrocnöigc  fluslagcn  00m  Datcr  forbern. 


C.  Das  Une^eIi(^bett$probIem,  Ipesieü  im  öeutfd^en  B(BB.    561 

lieferte  nod}  im  3af)Te  1862-63  öer  Dterte  6eut{d)e  3uri|tentag.  (Er 
bekannte  |id}  5U  5em  Stanbpunbt  bes  (Lobe  cioil  unb  öugerte  fi(^ 
gegen  bie  Sulaffung  ber  Daterfd)aftsblage  in  bem  3U  |d)affenben 
biiTgerIid)en  (Befe^bud),  mit  ber  iiblid^en  Begrünbung,  bag  fie  ,,bie 
Sittlid)beit  bes  meiblidjen  (5e{d)Ied)ts  untergrabe",  es  3U  (Erpreffungen 
unb  Betrügereien  oeranlaffe,  bag  burd)  bie  AIimentationspro3effe  ber 
Srieben  unb  bas  (Blücb  oieler  S^nülien  untergraben  unb  tabeUo|e 
ntönner  ben  Angriffen  |d}amIofer  S^^uensperfonen  unb  frember  Kinber 
ausgefegt  mürben  M.  (Es  i|t  als  ein  Seid^en  bes  allgemeinen  (Be- 
iinnungsiDanbels  immerf^in  erfreulid),  ba^  bie  IHotioe  3um  B(bB.  felb|t 
bie  Kef)r|eite  bie|es  rot)  gefd}(ed}tsegoi|tifd)en  Stanbpunbts  ins  £id)t 
rücben  mit  bem  f}iniDeis,  ba^  burd)  bie  Un3ulaffigbeit  ber  Dater* 
fd^aftsblage  ,,bie  Rngriffslu|t  bes  männlid)en  6efd}(ed)ts  gefteigert  unb 
bie  6efat)r  uermef^rt  mirb,  bag  IDoIIüftlinge  ot^ne  Sd)eu  aud)  unbe- 
fc^Itene  ITlabd^en  3U  Derfü!)ren  |ud)en''^^.  Das  neue  6e|e^  berüdt- 
fid}tigt  in  ber  (Fat  bie  3ntereffen  bes  Kinbes  unb  |einer  ITlutter  ftärher 
als  bie  meiften  alteren  beutfd^en  unb  aud)  oiele  auslönbifd^en  Redete. 
Allein  if)m  fet)It  immer  nod)  bie  Kraft,  fie  oor  pi)t)fi|d)er  unb  mora- 
U|d}er  Degeneration  3U  fd^ü^en,  gefd^toeige  benn,  if^nen  aud}  nur, 
inneri)alb  ber  (Bren3en  bes  überl)aupt  (Erreid)baren,  annäf^emb  öt^nlid^e 
äußere  (EnttDidtIungsmögIid)beiten  mie  ben  ef)eli(^en  Kinbem  3U  bieten. 
f}ier  iDirblid}  burd^greifenb  3U  beffem  ift  besi^alb  immer  no(^  eine  ber 
a>id}tigften  ge{e^geberifd)en  5uhunftsaufgaben.  Unb  yDQx  könnte  fie 
von  3iDei  oerfd^iebenen  Prin3ipien  aus  in  Angriff  genommen  merben. 

nian  könnte  auf  ber  überkommenen  -  mutterred^tlid^en  -  (Brunb* 
läge  toeiterbauen,  rDeId)e  bie  3uriftenfprad)e  mit  bem  i^eute  gefüi)Is> 
mägig  fo  Diel  beanftanbeten  Sa^  djarakteriftert:  ^(Ein  une[)elid)cs  Kinb 
unb  beffen  Dater  gelten  nid)t  als  Denoanbt".  Bleibt  man  babet,  bann 
liege  fid)  in  (Einseipunkten  3tDar  nod)  oieles  3U  fünften  ber  Kinber 
umgeftalten;  ba  aber  bie  juriftifd^e  (Srunbform  bes  Derf^Itniffes 
3tDifd)en  (Eltern  unb  Kinbem  unoeränbert  bliebe,  fo  waren  bamit  bod) 
3ugleid}  Sd^ranken  gefegt,  über  a)eld)e  bie  Reform  nid)t  l^inauskönntc. 

Dergegena)ärtigen  mir  uns  in  Kurse,  mie  bas  (Kefeg  bie  unet^e* 
lidjen  Kinber  jeftt  |tellt,  unb  meldte  Reformen  etma  im  Ral)men  ber 
geltenben  einleitigen  Dermanötfd)afts3ured}nung  nod)  möglid)  mären. 

»I  DgL  motioc  S.  867 
)  Q.  a.  0.     S.  872. 

ir  r  b  f  r ,  <{hrfc«iu  unb  muttfr  ja 


562      C^eftritift,  (E^ef^eibung  u.  augere^eli^e  Sefc^Iec^tsbesie^ungen. 

Cs  ift  ein  5ort{^ritt  gegen  ftü^r.  bag  bie,  ausbrüdklic^  für  auf 
bie  (Erben  bes  Daters  überge^enb  erklärte,  Unterhaltspflicht  bes  Daters 
Dom  14.  auf  bas  DoUenbete  16.  Cebensja^r  bes  Kinbes  ausgebe^nt 
ift,  unb  bag  fie  na^  bem  Stanbe  ber  Dlutter,  ftatt,  loie  früher, 
nur  nac^  ber  ^^tlotburff  bemeffen  roirb.  Das  Don  i^m  5U  £etften5e 
umfaßt  nac^  bem  IDortlaut  bes  (Befe^es  „b^n  gefamten  £ebensbebarf, 
foroie  bie  Koften  ber  (Erßie^ung  unb  Dorbilbung  3U  einem  Berufe". 
3a  ber  Dater  ift  banac^  nun  fogar  d  0  r  ber  Dlutter  unb  btn  matter* 
liefen  Derroanbten  unter^altspf(id)tig^).  3n  ber  p  r  a  |[  i  s  oerflüc^tigt 
fic^  biefe  Beftimmung  allerbings  meift  3U  einer  Si^tion.  Denn  in  loeit* 
aus  ben  meiften  S^^I^n  betragen  bie  bem  Dlanne  geri^tli^  aboer* 
langten  Rlimente  für  bas  Kinb  einer  Dlutter  befi^Iofer  Klaffen  ni<^t 
me^r  als  monatlich  15  bis  ^ö^ftens  20  Itlarft,  ftellen  alfo  immer 
nur  einen  Beitrag  3U  b^n  (Ersie^ungsftoften  bor.  -  3f t  bas  Kino 
bei  DoIIenbung  bes  16.  Cebensja^rs  bur^  körperliche  ober  geiftige 
(Bebred)en  gel)inbert,  fic^  felbft  3U  ernähren,  fo  ^at  i^m  ber  Dater 
auc^  über  biefe  3eit  hinaus  Unterhalt  3U  geiDä^ren.  (Erttt  aber  biefe 
(Ertx)erbsunfö^igfteit  erft  fpäter  ein,  fo  finben  Kinb  unb  Dlutter  keinerlei 
Rückhalt  am  Dater.  TDxxb  alfo  etroa  bas  Kinb  mit  bem  20.  3a^re 
gebrechlich,  fo  bleibt  ber  Dlutter  ober  ber  öffentli^en  Armenpflege  bie 
gan3C  £aft.  fluc^  für  g  e  f  u  n  b  e  Kinber  ift  bie  gegenroärtige  oäter* 
lic^e  Unter^altspflid)t  nod)  immer  gan3  un3ureic^enb.  Denn  fie  er= 
möglid)t,  iljnen  roenn  fie,  roie  es  bie  Regel  ift,  befi^ofe  Dlutter  l^aben, 
immer  nur  eine  D  0  ( h  s  f  c^  u  ( bilbung  unb  bie  Sci^ulung  für  eine 
m  e  d)  Q  n  i  f  c^  e  (Erroerbs tätigheit  nieberfter  ©rbnung,  ba  fic^  nur 
oermittelft  einer  fold)en  bas  Kinb  oom  17.  Eebensja^re  an  allenfalls 
felbft  ernäljren  kann.  Diefe  S^H^^ung  auf  ben  unterften  fo3iaIeTi 
Stufen  bebeutet  aber  für  begabte  Kinber  3a^Iungsfä^iger  Däter  eine 
bas  fittlicije  (Befül)!  empörenbe  Ungerechtigkeit  unb  3ugleicij  eine  6e» 
faljr  für  bie  (Befamtljcit.  Sie  könnte  oon  ber  Bafis  bes  Ijeutigen 
pdnßips  aus  baburd)  gemilbert  roerben,  bafe  oon  Soll  3U  SoH  Däter, 
bie  ba3u  pekunär  in  ber  £age  finb,  3U  längeren  3a^Iungen  fpesiell 
für  bie  Berufsbilbung  bes  Kinbes  oerpflidjtet  würben. 

5crner  könnte  iljnen  fd)on  im  Rahmen  ber  je^igen  einfeitigen  Der» 
U)anbtfd)afts3ured)nung,  aud)  roieber  nac^  bem  Dlufter  bes  preugifd^en 
£anbred)ts,  ein  (Erbredjt,  unb  ^wax  bas  oolle  3nteftat«(Erbred)t  roenig* 

0  §  1709. 


C.  Das  Une^elic^fteitsproblem,  fpesiell  im  beutfc^en  B<5B.    563 

jtcns  gegenüber  öem  Dater  perjönlic^  ^),  eingeräumt  toeröen,  —  oor 
allem  als  txn  mittel  5ur  f}ebung  i^rer  {o3ia(en  Stellung  unb  Cr« 
leic^terung  6er  Selbftbe^auptung  im  Da{einsftampf.  Das  Crbre^t 
aber  ~  roie  BuKing  Dorfc^Iägt  -  ^)  generell  an  Stelle  {eines  oom 
(be|e^  Dorgefe^enen  Unter^a(tungsan|prud)s  gegen  5ie  (Erben  5es  Der* 
Itorbenen  Daters  treten  3U  laffen,  n)i5er{prac^c  jeöenfalls  iljren  3nter» 
effen  oft.  Durc^  bie  Bejtimmung  bes  {5  1712  flbj.  2,  roelc^er  bem 
(Erben  bie  Rbftnbnng  bes  Kinbes  mit  bem  Betrag  bes  Pflichtteils  eines 
e^elid^en  Kinbes  geftattet,  i(t  (d^on  je^t  ben  Denoaubten  eines  mit 
madigem  tlac^Iag  oerftorbenen  Itlannes  bie  Itlöglid^heit  gegeben,  fic^ 
ausreic^enben  £ei{tungen  an  bas  Kinb  3U  ent3te^en  unb  bennod)  einen 
(Eeil  bes  Hac^Iaffes  bes  Daters  |i(^  an3uetgnen. 

Die  größte  prahtifc^e  Sc^coierigkeit  für  bie  Sicherung  bes  une^e* 
liefen  Kinbes  enDÖd){t  aber  baraus,  bag  ber  Rrm  bes  (Befe^es  bis 
je^t  roeber  lang  noc^  gefc^idit  genug  ift,  um  bie  bem  Kinbe  3U' 
{tel)enbe  Unterftü^ung  i^m  nun  auc^  n)irk(i(^  3u  fidlem.  Dem  Buf> 
finben  bes  {äumigen  Sd^ulbners  (teilen  |i(^  meift  unübertoinblic^e 
Sd)CDierigkeiten  entgegen.  ®ber  er  coirb  gefunben,  befi^t  aber  ni^t 
meljr  als  er  für  jeinen  eigenen  Unterljalt  ober  btn  feiner  5(intilie 
braud)t.  Unb  |e(b|t  coenn  es  gelingt,  i^n  3eitn)eilig  3ur  Erfüllung  {einer 
Pflid)ten  3U  3n)ingen,  bleibt  immer  bie  (Kefaf^r,  bag  er  {id}  künftigen 
3af}Iungen  burd)  Ortsroec^fel  ent3ief}t,  (obag  fid)  bie  regelmäßige 
Durc^füf^rung  bes  Rn|prud)s  l)aufig  3U  einer  immer  erneuten  poIi3ei' 
liefen  3agb  auf  il)n  ge{taltet'^. 

£eiber  öffnet  aber  außerbem  auc^  bas  f^eutige  (&efe^  jugenblid^en 
Dätern  eine  Pforte,  burdj  bie  fie  iljr*r  Derantroortlidjkeit  entfd)Iüpfen 

*)  Dies  bebeutete  praftttfd)  ja  nur,  bog  btm  Ktnöe  6er  Pflid^tteil  ge* 
|td)ert  mürbe. 

■')  Z.  BuHtng,  Die  Hed)te  ber  unefjelid^en  Kinber  (Berlin  1895)  S.  3t. 

3)  Diefe  Sd)ranften  {teilen  {id)  in  6er  pra^rts  natürltd)  ber  Durd^füfjrung 
aller,  formal  aud)  no&i  \o  umfaf{en6en  gefe^Itd^er  Beftimmungen  entgegen. 
Die  paragrapl^en  iDer6en  immer  nur  für  einen  geringen  Bnid^teil  aller  un« 
el)elid)en  Kin6er  Ieben6i9e  Kraft  gewinnen,  {olange  nid)t  Staat  o6er  <be* 
mein6e  {elb{t  il)re  Durd)fül)rung  in  6ie  f)an6  nel^men.  3n  meld^er  Art :  ob 
3.  B.  6urd)  (Einfüf}rung  6er  (beneralDormun6(d)aft  für  unel)elid)e  Kinber,  tote 
|ie  |d)on  je^t  an  einigen  0rten  be|tel}t,  ober  ob  nad)  ungartfd^em  IKufter 
burd)  (brün6ung  {toatlid^er  f)eime,  6ie  ITtütter  un6  Kin6er  eine  3eitlang  auf« 
nel}men  un6  für  {ie  6te  Dater{d)aftsltlage  erl^eben,  06er  ob  6urd)  beibes 
gemetnfam  hann   f}ier  nid)t  näl}er  erörtert  merben. 

36* 


564      (E^eftritilt,  <E^e{^eibung  u.  augere^eli^e  (Befd^Ie^tsbesie^ungen. 

ftönnen.  (Es  bietet  keinerlei  Qanb^abe,  um  Perfonen  offne  eignes 
Dermögen  unb  eigne  (Einnahmen,  5.  B.  Stubenten,  Solbaten,  tei^r* 
linge  u.  f.  m.,  folange  fie  peftuniör  Don  i^ren  (Eltern  abfangen,  ^ur 
3Q^Iung  ^eranjusie^en.  Die{e  empfinblic^e  £ü(6e  kann  nur  babur<^ 
gefc^Iojfen  n)erben,  bag  tx)ieber  —  toie  nad^  btn  urfprünglid^en  Be* 
ftimmungen  bes  preugi{d)en  unb  auc^  bes  bai^rifd^en  Canbrec^ts  - 
bie  (Eltern  unb  (Brogeltem  eines  unehelichen  Daters  fubfibiär  für  bie 
3Q^Iung  ber  Alimente  haftbar  gemad^t  tx)erben.  Bis  bies  ge{d)ie^t, 
bleibt  bie  beab{id)tigte  5ür{orge  bes  (Befe^gebers  auc^  in  {olc^en  5^^^* 
tx)o  bie  5(inti(ie  bes  Daters  reid)Iid)e  mittel  ^at,  eine  mac^tlofe  papieme 
Ilorm. 

XDiü  ferner  bas  (Befe^,  —  joroeit  bies  im  Rahmen  einfeitiger  Der- 
tx)anbt{(^afts5ured)nung  möglid)  t{t,  —  toenigftens  im  prinsip  alle 
unehelichen  Kinber  baoor  beroa^ren  3U  Parias  ber  6e{eII{c^aft  3U 
roerben,  jo  mufe  Dor  allem  §  1717  ,,Die  (Einrebe  ber  mehreren  3u» 
^älter",  bie{e  „Prämie  für  XDoIIüftlinge",  roie  fie  ein  Sentrumsabge* 
orbneter  bei  ber  britten  £e{ung  bes  B(BB.  nannte,  toieber  befeitigt 
tx)erben.  (Es  i{t  {c^roer  begreiflid),  bag  bei  ber  flbftimmung  biefer 
Paragraph  {ci^Iieglid)  bod)  eine  ÜTe^r^eit  fanb,  obmolfl  fic^  foioo^I 
in  btn  (Butac^ten  ber  S^^^iff^nf^^fti  ctls  auc^  in  ben  Reici^tags« 
Derf^anblungen  üiele  getx)id)tige  Stimmen  bagegen  erl)oben  ^tten. 
Seine  flnnaljme,  burc^  roelc^c  bie  filtlic^en  Defehte  ber  5^QW»  ^»^  »ab- 
renb  ber  (Empfängnis3cit  mit  meljrcren  ITlännem  oerhe^rt  ^at,  an 
bcm  unfd)ulbigcn,  Ijilflojen  Kinbe  gejtraft  roerben,  beöeutet  im  (Brunöc 
noc^  einen  legten  Sieg  jener  flnjc^auungcn,  bie  auf  bem  oierten  3"' 
riftentag  3um  Husbrucfe  kamen  (jielje  oben  S.  559).  Denn  alle  in  öen 
„ITIotioen"  3itiertcn  Recijtsgrünbe  Ijalten  objehtioen  (Erroägungen  nid)t 
ftanb.  Hud)  ber  ^aupteinroanb  nidjt,  ba^  bie  Unterljaltspflidjt  nur 
auf  ber  „roirklidjen"  Daterfd)aft  berufen  hönne  unb  bafe  es  ungcred)t 
jei,  jemanö  als  (Er3euger  3U  beljanbeln,  bejjen  Daterfdjaft  ungeroiB 
[ei.  Denn  aud)  öem  eljelic^en  Kinbe  gegenüber  begnügt  jid)  bas  (Be» 
je^  „im  3nterejje  ber  IDüröe  ber  (Elje"  mit  ber  blofeen  TTtöglidjkeit 
ber  Dater|d)aft  bes  (Eljemanns.  3ebes  in  ber  (Elje  geborene  Kinb  gilt 
für  eljelid),  bis  ber  (Eljemann  jeinerjeits  beriefen  ^at,  bafe  er  bas  Kino 
überljaupt  nidjt  er3eugt  Ijaben  kann.  Die  blofee  latjadje,  bafe  jid) 
bie  (Battin  bes  (El)ebrud)s  fd)ulbig  gemad)t  Ijat,  roirb  bei  ber  (Beburt 
eines  Kinbcs  unberüdijidjtigt  gelajjen. 

3m  3ntere|je  bes  Kinbes  jollte  bas  (Beje^  nadj  biejer  Bnalogie 


C.  Das  Une^Iic^keitsproblem,  fpe3tell  im  öeutfd^en  B<5B.    565 

aud^,  u>\t  e$  öas  ötterreic^ifd)e  (Be(e^bud)  tut,  bei  QUBerel)eIid)en  Kin« 
6crn  Derfai^ren.  Die  enoiefene  BeiiDO^nung  eines  Itlannes  innerhalb 
6er  feft  um9ren3ten  (Empfan9nis3eit  mug  genügen,  um  öem  Kinöe 
einen  Unter^altsanfprud}  gegen  if^n  3U  oerfd^affen.  (Eine  „\d^wext  Un« 
gerec^tigheit''  gegen  iemanöen,  beffen  Daterfd^aft  ungen)ig  ift,  liegt 
ntd)t,  tx)ie  öie  motioe  meinen,  öarin.  Denn  jeöer  ITIann,  öer  <5efd)Ied)ts« 
Derkef^r  pflegt,  tx)eig  genau  |o  gut  mit  öie  5^^u,  öag  öaburc^  neues 
£eben  entfte^en  kann.  BI(o  mug  er  auf  öie  i^m  öaraus  eoentueO 
ertDad)ienöen  Derpflid)tungen  eben(o  gefaxt  {ein,  mit  öie  S^^u.  Unö 
öer  Staat  tut  nid)t  gut,  öie  Derantn)ortung  öer  Itlänner  für  it^r  fian* 
öeln  ab3u{d)a)ä(^en,  inöem  er  |elbft  if^nen  einen  IDeg  toeift,  mit  fie 
fid)  il)ren  Derpflid)tungen  ent3ief)en  unö  öie  moralifd^e  Sd)CDäd)e  eines 
inaöd)ens  ausnu^en  können.  Kommen  für  öie  Dater|c^aft  eines  Kin* 
öes  mehrere  ITIönner  in  5f^9^*  fo  ^^^^  eDentueO,  nad)  BuOing's  Dor« 
fd)Iag,  öem  Rid)ter  in  (5emeinjd)aft  mit  öem  Dormunö  öes  Kinöes  3U 
überlaffen,  auf  (Bruno  freier  Bemeiscoüröigung  öenienigen  aus3un)a^* 
len,  für  öen  öie  grögte  lDai)r|(^einIi(^keit  öer  fakttjc^en  Dater(d)aft 
bejteljt,  oöer,  roenn  öarüber  nichts  fe(t3uftenen  ift,  öer  am  beften  in 
öer  £age  ift,  öie  Daterpflid)ten  3U  erfüllen.  Daöurd)  coüröe  öann  auc^ 
öas  3CDeite  getDid)tigere  Beöenken  öer  „ITIotiDe''  gel)oben,  öag  öer 
Busfc^Iug  öer  (Einreöe  „einen  Bnlag  3ur  Unflttlid)keit  unö  £ieöerlid)* 
keit  in  fid)  birgt,  öa  eine  per|on,  coelc^e  einem  S^^tritt  3um  ®pfer 
gefallen  ift,  ftd)  fold^en  5^^^^  leidster  veranlagt  finöen  kann,  audf 
anöeren  männem  fid)  i)in3ugeben,  um  if^re  unö  öes  3U  ercoartenöen 
Kinöes  £age  3U  Derbeffern*").  IDobei  übrigens  im  3"terejfe  öer 
„meibüd^en  Sittlid^keif'  einmal  a)ieöer  öer  Sd)u^  öer  mannlid)en  Der* 
gejfen  ift!  Denn  natürlid)  enti^ält  öie  3ulä{figkeit  öer  „(Einreöe **  i^eute 
für  öen  ITI  a  n  n  öen  Bnrei3 ,  ein  Don  il^m  oerf ül^rtes  ITIööd^en  an 
anöere  3U  oerkuppeln,  unö  bekanntlid)  gefrören  öerartige  manipula- 
tionen  i^eute  öurd^aus  nid}t  3U  öen  Seltenl^eiten. 

Sdjlieftlidj  bleibt  nod)  öie  S^^ge  3U  erörtern,  ob  -  bei  einfeitiger 
DerrDanötfdjafts3ured)nung  öes  Kinöes  3ur  ITIutterfamilie  -  öer  unbe- 
fd)oItenen,  unel^elid^en  Hlutter  öie  DoUe  elterlid^e  (i)ca)alt,  alfo  auger 
öer  Sorge  für  öie  perfon  öes  Kinöes  audj  öeffen  gerid)Iid)e  Dertre- 
tung  unö  öie  Dermaltung  feines  Dermögens  3U  oerleiljen  wäxt.  Die 
5oröerung  öanad)  ift  begreiflidjertDeije  mit  (Energie  Don  fo3iaIöemo' 
kratifdjer  unö   frauenred)tlid)er  Seite  erljoben  tooröen,  mit  öer  Be- 

M  iriottDc  S.  855. 


566     C^eftritift,  C^ef^eiöung  u.  augere^eli^e  <5ef(^Ie(^tsbe3te^ungen. 

gtünbung,  bag  einer  S^^u,  ber  DoUe  ITIutterpflt^ten  auferlegt  mer» 
ben,  anif  DoUe  IHutterrec^te  gebühren.  Dabei  ift  aber  bas  prakä|d}e 
3ntere{fe  ber  llTütter«ina{{en  unb  Dor  allem  ber  une^elid^en  Kinber 
{elb{t  ni^t  genügenb  in  Betrad)t  gesogen.  Unb  bies  mug  entf^ieben 
am  f^tx)er{ten  in  bie  IDagf^ale  fallen. 

Die  übertx)tegenbe  ITIe^rsa^I  ber  lebigen  Itlütter  ftammt  aus  ben 
l^anbarbeitenben,  intellektuell  ungefd)ulten  Klaffen.  (Es  ftnb  Dienft« 
möb^en,  £anb*  unb  S^ibriftarbeiterinnen,  bie  sufolge  i^rer  3ugen5, 
i^res  geringen  Bilbungsgrabes  unb  i^res  Dlangels  an  Seit  in  ber 
Regel  nid)t  imftanbe  ftnb,  i^re  Rnfprü^e  gegenüber  bem  (Erseuger 
il)res  Kinbes  30^  unb  geiDanbt  jahraus  jahrein  o^ne  energifdjen 
Beiftanb  burd^jufe^en.  S^on  bes^alb  tDÖre  bie  Befeitigung  ber  inbi' 
Dibuellen  Beoormunbung  bes  unel)eli^en  Kinbes  nur  nac^  (Einführung 
allgemeiner  (BeneralDormunbfc^aft  ober  ä^nli^er  (Einrid^tungen  rat* 
fam.  —  Aber  aud)  abgefe^en  Don  b^n  te^nifd^en  Sd^roierigfteiten, 
iDelc^e  bie  Qeran5ie^ung  bes  Daters  jur  (Erfüllung  feiner  Pf[i(^ten 
ma^t,  ift  es  für  Dlutter  unb  Kinb  Dor  allem  bann  tDertooII,  einen 
ftönbigen  Berater  3ur  Seite  3U  ^aben,  ber  gefe^Ii^  d  er  p  flirtet 
ift,  fi^  um  bas  Kinb  3U  kümmern,  roenn  es  —  roie  fc^on  je^t  in 
fe^r  Dielen  5öUen  —  ni^t  bei  ber  Htutter  lebt,  fonbem  bei  5remben 
in  Pflege  gegeben  ift. 

Uebrigens  lie^e  fid)  ein  Ausgleich  3U)ifd)en  jenem  ibeellen  3"* 
tereffe  an  ber  fo3iaIen  l}ebung  ber  lebigen  ITIutter  unb  biefem  prakti^ 
fc^en  3ntcreffe  öcs  Kinbes  feljr  Icid)t  öurd)  eine  blofte  terminologifdjc 
Hcnöerung  ber  je^igen  (Einrid)tung  Ijerbeifüljren.  ITIan  gönne  6er 
ITIutter  bie  „elterlidje  (Bemalt"  unb  Derroanblc  ben  je^t  als  „Dor* 
munö"  be3eid)neten  amtlichen  Junktionär,  ber  oljneljin  f^oit»  Ijcutc  in 
allen  bie  perfon  bes  Kinbes  betrcffenbcn,  alfo  in  ben  a)eitaus  roicb» 
tigften  Hngclegenljeitcn  nur  bie  red)tlid)e  Stellung  eines  Beiftanös 
l)at  (§  1707),  aud)  tcrminologifd)  in  einen  obligatorifdjcn  „Beiftanb" 
für  alle  uneljelidjen  ITIutter,  bie  nidjt  btn  Beweis  feiner  (Entbehr* 
Iid)keit  bei3ubringen  oermögen.  Seine  Hufgabe  roürbe  fein,  bie  Hlutter 
in  (Er3icl)ungsfragen  3U  beraten,  Dor  allem  öas  Kinb  in  (Bemeinjdjaft 
mit  il)r  Dor  (Bericht  3U  oertreten  unö  bie  Derroenbung  feiner  HUmente, 
bcßto.  bie  öerroaltung  feines  etroaigen  Dermögens  3U  beauffidjtigen. 

Damit  roären  bie,  Dom  Beben  bes  b  i  s  l)  e  r  geltenben  Prin3ips  aus 
möglidjcn,  ^auptreformen  erörtert.  Das  unel)elid)e  Kinb  bliebe  bann, 
roie  je^t,   juriftifd)  ber  ITIuttcrfamilie  3ugered)net,  iljr  gegenüber  mit 


(\  Das  Une^elic^heitsproblem,  {pesiell  im  beutf^en  B(BB.    567 

allen  Rechten  un6  Pflichten  eines  e^elic^en  Kinöes  ausgeftattet  unö 
unterftänöe  allein  öer  mütterlichen  (Er3iei)ungsgen)alt.  Dagegen  tDÖre 
6er  Dater  nad)  n)ie  oor  Don  jener  Hed}tsgemein|(^aft  ausge(d}(offen. 
3[)m  iDuröen  eben(o  wie  je^t  toeber  Hechte  nod)  bauernbe  Pf(icf)ten 
gegen  bas  Kinb  5uerhannt,  toeber  ein  Unter^altsanfprud)  für  bie 
3eit  i)ilfsbebürftigen  Riters  nod)  ein  (Erbred)t  gegen  bas  Kinb,  noc^ 
au^  Dor  allem  eine  ITIitbeteiligung  an  ber  elterlid^en  (Bemalt. 

3m  Rahmen  biefer  mutterrec^tlid^en  DertDanbt|d)aftsorgani{ation 
erfc^eint  es  besf^alb  unmöglid),  für  bas  Kinb  bie  (Ersie^ung  im  Stanbe 
bes  Daters,  ober  ben  DÖterlic^en  S^ntiliennamen,  ober  ein  oolles  (Erb- 
recht auc^  gegen  bie  DaterDercDanbt|d)aft  3u  forbem.  —  Sobalb  ba* 
gegen  poftuliert,  toirb,  bag  ein  Kinb  ftanbesungleic^er  (Eltern  eoen* 
tuen  n  i  d)  t  im  „Stanbe"  ber  ITIutter  er3ogen  coerben,  no^  aud)  it^re 
allgemeine  {03ia(e  £age  teilen  foll,  föOt  bie  iuriftifd)e  (5runblage  ii^res 
ausfd)(ieglid)en  (EIternred)ts  an  bem  Kinbe  fort.  Dies  a)iber* 
{präd)e  nid)t  nur  bem  „prinsip"  bes  Hlutterred^ts,  {onbem  innerf^alb 
einer  kulturli^  bifferensierten  (Befellfc^aft  mügte,  (d)on  aus  prahti|d)en 
(Brünben,  bas  Prin3ip  ber  einfeitigen  ItluttergecDalt  mit  einer  (Er* 
3iei)ung  auf  bem  Kulturnioeau  bes  Daters  unoereinbar  er|d}einen. 
Denn  es  kann  {elbftDerftönblic^  nid)t  angenommen  coerben,  bog  3.  B. 
bie  proIetari{d)e  ITIutter  burd)  bloge  Sumenbung  finan3iener  ITIittel 
3u  einer,  ii^r  einmal  gegebenes  eigenes  Bilbungsnioeau  überragen- 
btn,  Busbilbung  unb  (Er3ief)ung  bes  Kinbes  nun  aud)  geiftig  befäi^igt 
mürbe.  Unb  es  löge  aud)  -  coie  bie  Dinge  nun  einmal  ftei^en  - 
burd}aus  nid)t  im  3ntereffe  bes  Kinbes,  il)r  bie  beliebige  Derfügung 
über  |o  l^oi^e  Rlimente  gan3  allein  3U  überlaffen.  Der  als  5^(9^  ^^^ 
(03ialen  3erklüftung  freute  fahtifd)  gegebene  Unterfc^ieb  bes  Kultur* 
nioeaus  lägt  fid)  nic^t  burd)  bloge  (5elb3af}lung  allein  med)anifd) 
überbrüdien. 

IDill  man  alfo,  ba^  bas  uneljelic^e  Kinb  bes  „Stanbes"  bes 
Daters  im  kulturlid^en  Sinn  teilf^aftig  coirb,  in  gleid^er  Brt  wk 
ein  el)elid)es,  bann  |d)eint  ein  Der3id)t  auf  feine  bisljerige  einjeitige 
mutterrec^tlidje  DertDanbt|d)aftS3ured)nung  unerläfelid).  Seine  Bn- 
glieberung  an  bie  DateroercDanbtfc^aft  wäre  nun  tediniid^'juriTtijct)  an 
fid)  burd)aus  burd}füf)rbar.  Die  unel)elid)en  Kinbcr  hönnten  bann 
ctcDO  juriftijd}  fo  bet)anbelt  tverben  cDie  bieKinber  aus  ge> 
id)iebenen  (El)en,  in  benen  beibe  (Eltern  als  jd}ulbi' 


568     (E^eftritift,  (E^efc^etbung  u.  augere^elic^e  (Kefc^Iec^tsbesie^ungen. 

ger  (Eeil  erftlärt  ftnb  (§  1635)  ^).  Statt  tx)te  bisher  nur  einen, 
tx)fir5en  fte  aI{o  bann  yoo^x  Santilien  5ugerec^net  iDeröen  unb  au<^ 
gegen  ben  Dater  unb  bie  Daterfamilie  DoUes  (Erbre^t,  DoIIen  Unter* 
^altsan{pru(^  unb  Dor  allem  ben  flnfpruc^  auf  „ftanbesgemäge"  Cr» 
5te^ung  ermerben.  SelbftDerftönbli^  müßten  bann  aber  entmeber  au(^ 
bem  ITIanne  Daterrec^te  gegen  bas  Kinb  juerftannt  ober  aber  bei< 
ben  (Eltern,  im  3nteref{e  ber  Kinber,  bie  DoIIe  elterliche  (bemalt 
üorent^alten  merben.  3m  Prinjip  u)äre  aI{o  entroeber:  bie  perfön« 
lic^e  Sorge  für  eine  (Eoc^ter  unb  für  einen  So^n  unter  6  3a^ren  ber 
Htutter,  für  einen  So^n  über  6  3a^ren  bem  Dater  5U5ugefte^en.  (Dber 
aber  es  möre  gans  generell  bem  Dormunbfc^aftsgeri^t  3U  überloffen, 
in  jebem  (Ein5e(faII  im  3nteref{e  bes  Kinbes  3U  beftimmen,  roer  oon 
beiben  bas  (Erßie^ungsrec^t  ausüben  foll.  3ebenfaIIs  mügte  fomo^I 
bem  Dater  u)ie  ber  Dlutter,  3ur  Kontrolle  über  bie  Dermenbung  ber 
Don  btn  (Eltern  5U  leiftenben  (Ersie^ungsgelber,  ein  obIigatori|(^ 
Beiftanb,  bef{er  noc^  ein  Dormunb,  am  beften  aber  eine  ftaatlic^e  (bene* 
rabormunbj(^aftsbel)örbe  übergeorbnet  roerben,  fonft  löge  bie  (befal^r 
nur  3u  na^e,  bafe  3.  B.  ber  mit  feiner  (Er3ie^ung  betraute  Dater  bas 
Kinb  in  möglic^ft  billige  frembe  Pflege  gäbe,  ober  bie  ütutter  fy>\^ 
(Er3ie^ungsgelber  für  f  i  ^  ftatt  für  bas  Kinb  oenoenbete. 

(Eine  prahtifd)e  Konfequen3  biefes  'Sijftems  u)äre  natürlich  in  ber 
inel)r3al)I  ber  Solle  bie  fahtifc^e  Qeimatlofigheit  ber 
Kinber  ftanbes oerfc^iebener  (Eltern.  tDirb  3.  B.  bas  Kinb  eines 
oermögenben  unb  gebilbeten  Daters  unb  einer  proletarifdjen  ITlutteT 
gemä^  bem  Staube  unb  btn  Ulitteln  bes  Daters  er3ogen  unb  aus= 
gebilbet,  jo  bebeutet  bas  meift  feine  räumlid)e  unb  fdjliefelidj  auch 
feine  feelifd)e  (Trennung  Don  ber  Hlutter  unb  ben  mütterlidjen  Der= 
roanbten,  oljne  bod)  anbererfeits  notmenbig  feinen  näljeren  flnfd)Iufe 
an  bie  Daterfamilie  3ur  Solge  3u  Ijaben.  flifo  ift  War,  ba^  auch  eine 
DoIIftänbige  r  e  d)  1 1  i  d)  e  (BIeid)fteIIung  ber  uneljelidjen  Kinber  mit 
ben  el)elid)en  unb  bie  benhbar  oollhommenfte  Durc^füljrung  berartiger 
gefe^Iidjer  Beftimmungen  iljnen  bod)  niemals  roirhiid)  ben  ITIangel 
bes  3ufammenu)irhens  unb  |eelifd)er  Derbunbenljeit  ber  (Eltern  erfe^en 
kann.  3l)re  faliti|d)e  £age  wirb,  in  ben  ®berfd)i(^ten  ber  (Befellfdjaft. 
faft  immer  bie  bes  „5i^^"^^^i"9S  i^n  Daterljaufe"  bleiben.  3a,  roaljr 
fd)oiuIid)  voxxb  gerabe  für  bie  uneljelidjen  Kinber  Dermögenber  Däter. 

•1  So  werben  !}cute,  nad}  §  1699,   6ic  Kinöer  aus  „ntd}tiger"  (E!je  b* 
!)rtnöelt. 


C.  Das  Une^eItd)ftettsprobIem,  fpe3ien  im  öeutfc^en  B(5B.    569 

öenen  ja  eine  öerartige  Hed^tsorbnung  in  erfter  £inie  3U  gute  ftäme, 
öas  £eben  innerlich  nod)  konflifttreid^er  als  unter  öer  mutterred^tlid^en 
DenDanötsf(^afts3ured)nung  meröen. 

Allein  beöenht  man,  5ag  aud)  je^t  bie  gan3  übenoiegenbe  Itlel^r- 
3a^I  proletarifc^er  ITlütter  il)re  unei^elic^en  Kinber  in  frembe  Qönbe 
geben  müifen,  ja,  bag  bies  nac^  btn  Stubien  oon  ®.  Spann,  falls  bie 
niutter  fid)  nid)t  oer^eiratet  unb  aI|o  felbft  ii^ren  oollen  Unterhalt 
oerbienen  mug,  anfd^einenb  fogar  im  3ntere(je  bes  Kinbes  {elbft  liegt, 
DDeil  |on{t  aus  ITIangel  an  genügenber  Körperpflege  unb  Berufsf^u> 
lung  ein  groger  pro3ent|a^  aller  Unebelic^en  p^i^ftf^  ober  fittlid) 
untergei)t  ^),  -  fo  mirb  man  fic^,  {elbft  auf  bie  (Befai^r  ber  Steigerung 
jener  pfi)^ifd)en  Konflikte,  burd^aus  für  bie  Befeitigung  ber  einfeiti* 
gen  Dern)anbtfd)afts3ured)nung  ent|d)eiben  muffen.  Denn  nur  burd) 
eine  fold^e  burd^greifenbe  Ueu'Konftruktion  it^rer  Hed)tslage  eröffnet 
fid)  bie  ITlöglic^heit,  coenigftens  einen  (Eeil  ber  unei^elid)  (Geborenen 
ber  Degeneration  unb  bem  Dergiftenben  Bobenfa^  unierer  Kultur  3U 
entreißen  unb  ii^nen  burd)  eine  tüd^tige  Bilbung  menigftens  ein  ge- 
CDiffes  moralifd^es  (Begengemic^t  für  ben  ITIangel  einer  georbneten 
5amiliener3ie^ung,  btn  keinerlei  ftaatlic^e  Dorhef^rungen  n)ettmad)en 
können,  3U  bieten.  Augerbem  aber  coürbe  nur  eine  berartige  gefe^- 
lid)e  6 1  e  i  d)  oerantcDortUd^fieit  bes  Daters  mit  ber  ITIutter  ein  cDirk* 
lames  mittel  fein,  um  im  Hlanne  bas  DoUe  DerantiDortungsgefüi^l 
für  feine  {ej^uellen  f}anblungen  3U  entcoidieln.  IDenn  bas  (Erbrecht 
bes  unei)elid)en  Kinbes  im  $a\l  ber  freiwilligen  „Anerkennung"  burd) 
ben  Dater  fogar  oom  dobe  unb  btn  il)m  oercoaubten  Hed)ten  als  un* 
fd)ablid)  anerkannt  coorben  ift,  fo  ift,  ba  ja  bie  Befd^ränkung  auf 
btn  Pflid)tteil  bem  Dater  btiw.  (bxo^vattx,  w'xt  bei  eljelidjen  Kinbern, 
unbenommen  bliebe ')  -  gegen  bie  (Bleidijtellung  im  3nteftaterbred)t 
ein  ftid}l)altiges  Bebenken  geu)ig  nid)t  3U  erl)eben.  Die  konkreten 
5ragen  ber  Art  ber  (Er3iel)ung  bes  Kinbes   aber  müßten  unter  ber 

')  O.  Spann,  Untcrfud^ungen  über  bie  unet)(Iid)e  Beodlltcrun^  in 
Sranhfurt  a.  IH.  iDresben  1905 1  gefjt  |o  roeit,  6en  Sq^  oufjuitellen.  baf? 
es  für  bas  unel}elid)e  Ktn6  bcjfcr  |et,  ipenn  bie  lUutter.  falls  {te  fid)  ntd)t 
mieber  oerf^eirate,  |terbe.  Seine  I)öd)|t  etnbrudtsPoUen,  aber  bisher  mefent* 
lid)  auf  S^ankfurter  3aI)Ien  geftü^ten,  (Ehefcn  bebürfen  nod)  6er  Beltäti^ung 
burd)  meitere  äl)nlid)e  Arbeiten. 

-I  freute  kann,  n>ie  eripähnt,  öer  <Erbe  bes  Paters  öas  Hinb  für  feine 
Unterf}alt$pflid)t  mit  bem  pfliditteil.  ben  es  als  ehelid)es  ju  forbern  hätte, 
abfinben. 


570     (E^eftritih,  (E^efc^eibung  u.  augere^eli^e  Sefc^Iec^tsbesie^ungen. 

Auffielt  unb  nadi  ben  Rntx)eifungen  bes  Oormunbfd^aftsgeric^ts  unb 
ber  eDcntuell  3U  {^affenben  amtlichen  (Beneraloormunbfc^Qftsbe^örbe 
gelöft  DDcrben  unter  ausfc^Iiegli^er  Berüdkft^tigung  ber  Kinbesintereffen. 
6e5ügltc^  bes  tlamens  enbli^  liäitt  bem  Kinbe  bie  IDq^I  3U3ufte^. 

Sd)on  ^eute  ^at  ja  ber  une^eli^e  Dater  nac^  §  1723  bie  ITIög* 
Hc^heit,  mit  Sujtimmung  ber  Se^örbe,  Jein  Kinb  als  «e^elic^"  erWaren 
3u  lajjen^).  €r  hann  bies,  nac^  §  1717,  fogar  gegen  ben  proteft  ber 
unehelichen  ITIutter  tun,  wtnn  bas  Dormunbjc^aftsgeric^t  in  bem 
Unterbleiben  ber  (E^elic^fteitserftlärung  für  bas  Kinb  einen  ,,unoer' 
^ältnismafeigen  Ilac^teir'  erbli&t.  IDirb  aisbann  bem  Rntrag  bes 
Daters  ftattgegeben,  fo  tritt  bas  Kinb  in  bie  Stellung  eines  ei^elic^en 
Kinbes  bes  Daters,  bagegen  d  e  r  I  i  e  r  t  Jeine  ITIutter  —  ^öc^ft  un« 
billigertDeiJe  -  jebe  mütterliche  ©eroalt  (§  1738).  Saktifc^  be- 
beutet  bies,  ba^  ein  üermögenber  Dater  in  ber  £age  ift,  3n)ifd}en 
einer  bloßen  flrmenunterjtü^ung  an  jein  Kinb  unb  befjen  oölliger 
lDegnat)me  Don  ber  Itlutter  3U  tx)  ö  l)  I  e  n.  Das  einfac^fte  BilligfteitS' 
gefüt)I  forbert,  bag  umgekehrt  bem  Dater  bie  Rnerftennung  bes  Kinbes 
3ur  p  f  I  i  c^  t  gemalt  roirb,  bie  Rechte  ber  Htutter  aber  im  Prin3ip 
baburc^  nic^t  befeitigt  tx)erben,  Dielme^r  bie  oormunbfc^aftlic^en  Be* 
^örben  unter  Doranftellung  ber  3ntere|fen  bes  K  i  n  b  es  bie  Befugniffe 
ber  beiben  (Eltern  inbioibuell  regeln.  - 

Die  S^ogc  ber  Beljanblung  Öer  uneljelic^en  Kinber  i(t  allerbings 
md)t  in  bem  Ula^e  „Klaffenfrage",  roie  3uu)eilen  geglaubt  roirb:  - 
bie  übergroße  ITIel)r3al}I  ber  unel)elid)en  proletarierhinber  Ijaben 
proIetarifct)e  ober  liIeinbürgerHd)e  Däter.  (Eine  Klaffcninftitution  ift 
Dielmeljr  bie  proftitution.  Denn,  toenn  man  Don  beftimmten  tt}pifd^cn 
Kategorien  oon  Klienten,  roie  Solbaten,  Seeleuten,  l}anblungsreifenöen 
abfieljt,  finb  iljre  Kunöen  in  ber  (Eat  in  ftarkem  pro3entfa^  Befi^enbe. 
HUein  tro^öem  kann  aud)  bie  Uneljelic^lieit  im  ein3elnen  S^^'-  ^^^ 
KIaffenunterfd)ieb  3U)ifd)en  Dater  unb  ITIutter,  Klaffenproblem  toerben. 
Huf  bie  öfter,  3.  B.  oom  3uriftentag,  ins  5^^^  gefüljrten  3nterencn 
ber  befi^enben  Klaffen  an  einem  burc^  bie  Sünben  bie  eignen  Der^ 
gangenl}cit  ungeftörten  „5amilienfrieben"  Rücfefid)t  3U  neljmen,  ift  bann 
aber  gctoi^  kein  Hnla^  oorljanben.  Da^  es  fict)  tro^bem,  tocil  bafe 
p  c  r  f  ö  n  I  i  et)  e  Banb  mit  beiben  (Eltern  fel}It,  nur  um  einen  not= 

')  Der  ücr!}ciratctc  uncl}elid}e  üater  bc6arf  6a3u  6cr  Sujtimmung  jeinfr 
Sxau  (§  1726). 


(\  Das  Une^elic^fteitsproblem,  fpesiell  im  öeutf^en  B(bB,    571 

bereif  ^anbelt,  öarf   man  freiließ  niemals  Dcrgeffen.    Die  (E^e  ift 
eben  für  öie  3wtere||en  ber  Kinber  prin3ipien  unerfe^Iidj. 

IDir  finb  bamtt  am  Cnbe.  (Es  ift  Derfuc^t  morben,  biejenigen 
Umformungen  bes  beftef^enben  Red)ts  ber  (5efd)Ie(^tsbe3te^ungen  3U 
ermitteln,  meiere  inneri^alb  einer  (Befellfcf^aft  möglid}  finb,  bie  auf  ber 
ökonomif^en  Derantn)ortIi^heit  ber  b  e  i  b  e  n  (Item  für  bie  <Er3iei)ung 
ii^rer  Kinber  beruht,  unb  bie  best^alb  insbefonbre  aud)  ben  Dater 
als  (Blieb  ber  5<<^Ui^  ^i^t  entbehren  min.  IDie  fd)on  me^rfac^  be« 
tont,  könnte  bem  gegenüber  eine  (&efell|^aft,  roelc^e  bie  Sorge  für  bie 
Perfon  bes  Kinbes  allein  ber  Itlutter  aufbürbet,  alfo  bie  Denoanbt- 
fd)aftsbe3iei)ungen  ein  für  alle  ITIal  nad^  ITIutterred^t  orbnete,  unb 
ebenfo  auc^  eine  fold^e,  bie  i  i)  r  e  r  f  e  i  t  s  ben  Unterhalt  bes  nad}* 
tDud){es  unb  3  u  g  ( e  i  d)  auc^  bie  Sorge  für  bie  Riten  unb  Sd)tDad)en 
gan3lid)  auf  fic^  übernal)me,  prin3ipiell  fei^r  tx)oi)I  boDon  abfeilen- 
eine  Rangorbnung  3tDifd)en  btn  (5ef(^Ied)tsbe3iel)ungen  3U  errid)ten 
unb  bie  (Ei)e  an  bie  Spi^e  3U  fteOen. 

3ebenfans  roürben  erft  mit  ber  Befeitigung  ber  (Er3iel)ungspflid}t 
ber  (Eltern  unb  ber  gegenfeitigen  Unteri)altspf(id)t  3tDifd)en  (Eltern  unb 
Kinbern  bie  Klammern,  in  bemn  bie  „legitime  (El^e"  als  Hed)tsinftitut 
^öngt,  prin3ipieU  auseinanberfaüen  können.  Die  bloge  „DergefeU* 
fc^aftung"  ber  Probuktionsmittel  reid)t  ba3u,  tx)ie  tx)ieber^oIt  betont 
iDorben  ift,  keineswegs  aus.  Hur  bann,  menn  es  überf^aupt  keiner* 
lei  (Eltern-  ober  Kinbesrec^te  meljr  3U  garantieren  gäbe,  Ijinberte  bie 
(5efd)(ec^ter  äugerlic^  nichts,  fid)  mit  bie  (Eiere  unb  bie  primitioften 
naturoölker  nad)  perfönlic^em  Belieben  3U  paaren,  3U  trennen  unb 
toieber  neu  3U  paaren.  3n  einer  foldjen  (Befelljdjaft  „ökonomijdj 
eman3ipierter"  3"bioibuen  l)ätte  bie  (Elje  als  |t  a  a  1 1  i  d)  e  unb  ö  k  o- 
n  0  m  i  f  c^  e  3nftitution  in  ber  (Eat  il)re  Ba|is  oerloren. 

Sd}tDänbe  bamit  auc^  ii)r  fittlid^er  IDert  als 
benkbar  Ijöc^fter  5orm  men[d)nd}er  (Befd)led)ts- 
be3iel)ungen?  Keinesfalls  bis,  roie  |d)on  gejagt,  ein  l) ö l) c r e s. 
für  uns  ^eutc  jebenfalls  nod)  unausbenkbares,  3beal  gefd>led)tlid)cr 
Dereinigung  entbedit  ift.  (Ein  foId)es  aber  wirb  ein  geiftig  ooll  enttDiAcI» 
ter  ITlenfd)  nid)t  in  ber  fteten  (Erneuerung  erotijdjer  Senjationen  in  einer 
ununterbrodjenen  5Iittera)od)enftimmung  finbcn  können.  Die  Der» 
einigung  3tDeier  geiftig  unb  fittlid)  doII  entmidielter  perfönlid^keiten  ein 
langes  £eben  lang   burd)   alle  Rbtoanblungen    in   ber  S^^bung   ber 


572     (E^eltritilt,  C^efd^eibung  u.  augere^elic^e  (Befc^Iec^tsbeste^ungen. 

£tebe  ^inburd),  bis  yxm  piantfftmo  bes  ^ö^ften  Alters,  umfaffenb  alle 
äußeren  unb  inneren  3ntere(fen  unb  Ilöte,  bas  Derantroortlic^feeits« 
gefü^I  beiber  für  einanber  unb  für  bie  Kinber,  btntn  [it  bas  £eben 
gaben,  bas  perfönlic^e  Der^öltnis  smif^en  (Eltern  unb  Kinbem  in 
feiner  IDanblung  burc^  ben  Auf«  unb  flbftieg  ber  (Benerationen,  - 
bie{e  Beßie^ungen  auf  ber  Ba{is  ber  <5ef(^Ie^tsgemeinf(^aft  ftnb  ja  bas 
Qöc^fte  unb  llnbe5tx)eifelbarfte,  mas  uns  bas  £eben  an  et^if(!^n  IDerten 
5U  bieten  ^at.  Das  R  e  ^  t  ^at  bamit  5U  rennen,  bag  bie  oolle  Qö^ 
bes  3beals  feiten  errei^t  tx)irb  unb  banac^  feine  Dorfc^riften  ein3u* 
5uri(^ten.  Aber  ber  ibeale  IDert  ber  lebenslänglichen  6efd)Ied)ts9^ 
meinfc^aft  ift  bisher  noc^  burc^  fteinen  ^ö^eren  IDert  et^ifc^  überboten. 
(Er  ift  f(^Ied)terbings  nic^t  an  ber,  burd)  ,,bie  ieiDeilige  probufttions« 
unb  (Eigentumsform"  bebingten,  (befellfc^aftsorbnung,  ja  in  legtet 
£inie  nic^t  einmal  an  ben  3ntereffen  ber  ^eranroac^fenben  (benerationen, 
f onbern  im  et^ifd^en  Betx)ugtfein  ber  feelif^  unb 
fittlic^  DoIIenttDidielten  Kul  türme  nfd)  en  -  als 
Selbft3tx)e(6  —  oeranhert.  Unb  biejenigen,  bie  i^r  perfön« 
Iid|es  £eben  überhaupt  et^ifc^en  ITormen  unterfteüen,  toerben  fid^ 
bem  inneren  3tx)ange  ber  ^öc^ften,  jemeils  erkannten  norm  aud^ 
bann  nic^t  roieber  entroinben  tx)o(Ien,  roenn  für  fie  ber  rein  ökono* 
mifd)e  Sroang  ba3U  fortfällt.  (Berabe,  roenn  roir  uns  einen  3uftan6 
ökonomifd)er  (Entbeljrlic^keit  ber  (E^e  Dorftellen ,  tritt  iljr  fo3iaIcr 
tDcrt,  unb  Ijinter  bicfcm  iljr  etl)ifd)er  Sinn,  umfo  beutlid)er  3U  (Tage. 
Sollen  roir  oon  bem  (Eintritt  iljrcr  ökonomifd}en  (Entbeljrlic^heit  b\t 
f  a  h  t  i  f  d|  e  Derfittlidjung  ber  (Be|d)Icc^tsbe3iel)ungen  erwarten  ?  (Be« 
U)i6,  ber  dljarakter  ber  (Elje  als  einer  ökonomifd|en  3nftitution  laftct 
oft  mit  furchtbarer  tDud)t  auf  ber  (Entfaltung  iljrer  ibealen  Reinheit. 
Die  Dom  Ballaft  ökonomijd)er  Derantroortlic^keit  befreite  (Befd)Ied)ts» 
oerbinbung  —  u)ie  fie  Ijäufig  als  3beal  aufgeftellt  toirb  -  könnte, 
Don  allen  „(Erbenreften"  befreit,  in  bie  Spljäre  bes  rein  (Et^ifdjcn 
aufftcigen.  Dies  aber  jebenfalls  nur  in  einem  Kreis  feelifd)  unenMid) 
oerfeinerter  unb  fittlid)  im  l)öd)ften  benkbaren  lUafe  bis3iplinierter 
ITIenjd)en:  -  foId)cr  perjönlid)keiten,  für  beren  feelifd)«geiftiges  Der« 
l}ältnis  bie  ökonomifd)en  Beßieljungen  aud)  Ijeute  fc^on  ein  unter^ 
georbneter  5a^tor  finb.  Sie  könnte  anbrerfeits  aber  aud)  mit  bem 
tDegfall  aller  öerantU)ortIid)heit  für  bas  ökonomifd)e  Sd)iAfal  ber 
Kinber  unb  aller  ölionomifdjen  Hemmungen  bes  (Erieblebens  3ur 
bloßen   Sanktion  bes  (5efd)Ied)tstriebs  Ijerabfinken.     Unb   bies  roärc 


Citeratur.  573 

wol^l  HfT  S(^td<{al  bei  ber  ITIaffe  ber  gröberen  Uaturen.  IDie  fic^ 
ber  innere  geiftige  unb  fittlid|e  IDert  ber  (5ef(^(ed)tsbe3te^ungen,  im 
Dur(^(d)nitt  genommen,  bei  Dölligem  IDegfall  ber  ökonomi|d)en  Der- 
hettung  ber  (Generationen  miteinanber,  gestalten  miirbe,  bas  Dermögen 
unfere  Ic^coac^en  Rügen  in  bem  unburd)bringKd)en  Hebel,  ber  bie  mög* 
liefen  (beftaltungen  einer  fold^en  3ukunftsgejen|d|aft  oer^üllt,  nic^t  3U 
feigen.  Hur  tDi||en  coir,  ba^  |icf)  bas  eti)i|d)e  XDoIIen  an  Ruf  gaben 
entiDidtelt.  Kant  hritiflert  bie  f}offnung  ber  „reinen  Demunft",  unab- 
hängig Don  bem  Ballaft  ber  unüber(el)baren  ITIannigfaltigfteit  bes  blog 
(Eatföc^Iid^en,  aus  Begriffen  i^eraus  miffenfd^aftlic^e  IDai^r^eit  3U  er- 
((^liegen,  mit  folgenben  IDorten:  „Die  leichte  (Eaube,  inbem  |ie  in 
freiem  S^uge  bie  £uft  teilt,  beren  lDiber|tanb  (ie  fü^It,  könnte  bie 
Dorftellung  fa{{en,  bog  esi^rim  luftleeren  Raum  nod)  oiel 
beljer  gelingen  roerbe."  DieUeid|t  roürbe  es  mit  ber  l}offnung,  in 
einem  Don  ökonomifc^er  Binbung  unb  Derantroortung  entleerten  Raum 
muffe  bie  „reine  £iebe"  leidster  btn  5^ug  3u  ibealer  l)ölje  nei^men 
können,  nid)t  anbers  fte^en. 


£  i  t  e  r  a  t  u  r. 

A  Sur  bie  <Ef)eftatifttlt  ift  auf  bas,  allerbings  5te  Sd^eibungs  9  r  ü  n  b  e 
ntd)t  mitbef^anbelnbe,  Bud)  Don  R.  5reif}errn  d.  Si^dis,  BeDdllteningsIelfre 
unb  BeDÖllterungspoIttilt ,  £etp3i9  1898,  3U  oenDetfen.  Daneben  kommt  6er 
Rrtikel  „f)eirats>  un6  (Ef^eftatiftik"  im  f)an6n)örterbud)  ber  Staatsrotffen« 
fd^aften  in  Betrad^t.  Benu^t  finb  im  übrigen  bie  5al}Ien  im  Statiftifd)en 
3al)rbud)  für  bas  Dcutfd^e  Heid),  im  St.  3al}rb.  f.  b.  (brogf).  Baben  unb 
im   St.  3afjrb.  ber  Stobt  Berlin  (1903). 

Die  moberne  el)eltritifd)e  £iteratur  finbet  man  fortlaufenb  angejeigt  unb 
be{prod)en  in  ber  Don  f)elene  Stödter  f^erausgegebenen  3eitfd)rift  „niutter* 
fd^u^"  iSrankfurt,  Sauerlönber,  bis  je^t  2*4  3al}rgänge),  meldte  benStanb« 
punkt  ber  fog.  ^neuen  (Etf^th''  vertritt.  3m  übrigen  hann  man  |id)  in 
knapper  Suffung  aus  ber  Sd)rift  Don3aques  ITIesnil,  Die  freie  (El)e  tbeutjd) 
Don  K.  Sebern  1903)  unb  aus  (Ellen  Kei)*s  Dielbefprod)enem  Bud) :  lieber 
Ciebe  unb  (Et)e  lüberfe^t  Don  5  HTaro,  Berlin  1905)  üt>er  bie  n>efentlid)en 
(Effefen  unterrid)ten. 

it.  u.  ('.  lieber  bie  (Ef)eid)eibung  ift  ber  jum  Dorigen  Kapitel  jitierte 
Kommentar  oon  R.  B.  Sd^mibt,  ber  alle  roeiter  ndügen  £iteraturnad)n>eife 
entf}ält,  3U  oergleid^en.  Die  a.  a.  0.  3itierten  IDerhe  über  bas  beutjd)e 
bürgerlid)e  Red)t  ftellen  aud)  bie  Hedjtslage  ber  unel}elid)en  Kinber  bar. 
D9I.  femer  bie  auf  S.  561  Rnm.  2  jitierte  Sd^rift  uon  BulJtng. 


VKIU.AO  VON  J.  U.  B.  Mo  HB  (Paul  Sikbkok)  in  Tobimoks. 

Marianne  Weber 

Hchtc's  Sozialismus  und  sein  Verhältnis 
zar  Marx'schen  Doktrin. 

(.irOHU  8.     190U.     M.  4.     . 

i¥vtli$wirt»chafttich0  Abhandlungen  dtr  bad/schen  Hochschulen.    IV.  Band,  3   Heft.i 

^a^re  t^rauenbilbung* 

Cberlr^rertn  in  6(^dnrbrr4*9orlm. 

8.     1905.     50  $f0. 

(tfelenlfriien.  Schriften  u.  ^tebeii,  ()eraud()eQebeu  oon  j>etNrt4  r!0eiael.7.) 

ilirc  3iclc  uuli  \\\xt  BcHcufung. 

8.    ltK)5.    aJl.  :5. -.    C^ebuubcn  ÜW.  4.-. 
(Sclealfrcgen.  3d)nften  u.  kleben,  beraudgegeben  von  ,^cinri4  iSctncI.  9.i 

Die  Frau 
in  der  alten  Kirche. 

Von 

Lydia  Stoecker. 

t*.    1»07.    M.  -.7:>. 

I  Samm/yng  grmeinvrrttandlicfirr  Vortrag»  und  Schriften  au.t  i/f  m  Qrb  rt  drt    Th,  v  ottir 

und  Rfligiontgeschiciitt.     47 

Vkrlao  dkr  H.  L Ari'i»'s«'iiKx  Bithhasdi.in»  ix  Triiix<ir.N. 

Dio  Frauonfra^e  im  Mittolaltrr. 

Ein  Beitrag  zur  Kulturgeschichte 

Villi 

Dr.  Karl  Bücher. 

(ii  h     lliitrat   Mini   I'ruti-*«iir    n.    I.i-i|  .-it; 

ö.    l«<^•.^    M.  1.-  .